Wie ist Offenbarung 20,1-6(-10) zu verstehen?
Roland Sckerl
1 ¶ Und ich sah einen Engel vom Himmel fahren,
der hatte den Schlüssel zum Abgrund und
eine große Kette in seiner Hand 2
und ergriff den Drachen, die alte Schlange, welche ist der Teufel und der Satan, und band ihn tausend Jahre. 3 Und warf ihn in den Abgrund und verschloss ihn und versiegelte
oben darauf, dass er nicht verführen
sollte die Heiden, bis dass vollendet würden
tausend Jahre; und danach muss er los werden eine kleine Zeit.
4 Und ich sah Stühle, und sie setzten sich darauf, und ihnen ward
gegeben das Gericht; und die Seelen der
Enthaupteten um des Zeugnisses Jesu und
um des Wortes Gottes willen, und die nicht angebetet hatten das
Tier noch sein Bild und nicht genommen
hatten sein Malzeichen an ihre Stirn und
auf ihre Hand: diese lebten und regierten mit Christo tausend Jahre. 5 Die andern Toten aber wurden nicht wieder lebendig, bis dass
tausend Jahre vollendet wurden. Dies ist
die erste Auferstehung. 6 Selig ist der und heilig, der teilhat an
der ersten Auferstehung; über solche hat
der andere Tod keine Macht, sondern sie werden Priester Gottes und Christi sein und mit ihm regieren tausend
Jahre.
7 Und wenn tausend Jahre vollendet sind, wird der Satanas los werden
aus seinem Gefängnis 8 und wird ausgehen, zu verführen die Heiden in den vier Örtern der
Erde, den Gog und Magog, sie zu
versammeln in einen Streit, welcher Zahl ist
wie der Sand am Meer. 9
Und sie traten auf die Breite der Erde und umringten das Heerlager
der Heiligen und die geliebte Stadt. Und
es fiel das Feuer von Gott aus dem
Himmel und verzehrte sie. 10 Und der Teufel, der sie verführte, ward
geworfen in den feurigen Pfuhl und
Schwefel, da das Tier und der falsche Prophet war; und werden gequält werden Tag und Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Es gibt keinen Text in der Heiligen
Schrift, der so kontrovers diskutiert wird wie Offenbarung 20, und zwar vor
allem die ersten sechs Verse.1 Gerade
über ihn gibt es die unterschiedlichsten Theorien und in seinem Zusammenhang
haben sich sehr unterschiedliche Schriftverständnisse entwickelt. Die vier
grundlegenden Auffassungen lassen sich so zusammenfassen: Postmillenialismus,
historischer Prämillenialismus, dispensationalistischer Prämillenialismus,
Amillenialismus.
Der Postmillenialismus, ein Kind des
allgemeinen Fortschrittsglaubens des 19. Jahrhunderts, besagt, dass Christus
nicht vor einem sogenannten Tausendjährigen Reich wiederkommen werde, sondern
erst nach einer lange andauernden Zeit einer triumphierenden Christenheit. Sie
meinten, dass das „Tausendjährige Reich“ (wobei sie die Zeitdauer nicht
wörtlich meinten) Ergebnis einer Entwicklung eines immer stärkeren christlichen
Einflusses auf die Menschheit sei, ja, christlicher Glaube und christliche
Werte würden die Norm für alle Länder und Nationen werden. Leid, Hunger, Krieg
würden überwunden werden. Und der Abschluss dieses „goldenen Zeitalters“ wäre
die Wiederkunft Christi zur ewigen Herrlichkeit. Diese Auffassung wurde zwar durch
die beiden Weltkriege im 20. Jahrhunderts völlig desavouiert2, aber sie ist in Abänderungen auch heute
noch, wenn auch nicht als Postmillenialismus, virulent, da sie ja alte Elemente
eines irdischen, von Menschen erschaffenen oder miterschaffenen Gottesreiches
beinhaltet: Sie findet sich im social gospel, in der Befreiungstheologie, im
Gedanken eines „christlichen Staates“, in der missionalen Bewegung und
besonders bei der Emerging Church, aber auch in evangelikalen Kreisen, die
neben der missionarischen Tätigkeit die soziale Arbeit als einen von Gott
gegebenen Auftrag der Gemeinde Jesu Christi proklamieren.
Der historische Prämillenialismus
behauptet, dass Christus wiederkommen werde, um ein Tausendjähriges
Friedensreich auf Erden aufzurichten, und zwar nach der großen Trübsal. Die im
Glauben an Christus Gestorbenen würden dann auferweckt und mit Christus
zusammen auf Erden herrschen. Im Laufe dieser Zeit würde es zu einer
allgemeinen Bekehrung der Juden kommen, die dann mit Christus und den Gläubigen
aus den Heiden regieren würden. Sünde und Tod wären zwar noch da, aber das Übel
wäre sehr eingegrenzt. Dieses Tausendjährige Reich wäre ein nie dagewesenes
Reich an sozialer, politischer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit und großer
Wohlfahrt. Am Ende dieser Zeit würde Satan noch einmal los kommen und die
Völker würden sich in einer letzten Erhebung gegen die Gemeinde Jesu Christi
stellen. Satan und seine Gefolgschaften werden überwunden, und dann käme es zur
leiblichen Auferstehung der Ungläubigen und zum Jüngsten Gericht.
Diese Auffassung wurde von etlichen in der
alten Kirche geteilt, etwa Papias, Justin Martyr, Irenäus, Tertullian,
Hippolytus und anderen Chiliasten vor dem 19. Jahrhundert oder auch von
Chiliasten im Bereich reformatorischer Kirchen. Die frühe Kirche hatte sie
durch Augustinus endgültig überwunden.3
Der dispensationalistische
Prämillenialismus ist die derzeit wohl am meisten verbreitete Variante des
Chiliasmus, wie er in fundamentalistischen und evangelikalen Kreisen zu finden
ist, und geht zurück auf die Brüderversammlungen und ihre Auffassungen, wie sie
im 19. Jahrhundert durch John Nelson Darby (1800-1882) entwickelt und dann
besonders durch C.I. Scofield und die Scofield Reference Bible verbreitet
wurden. Eine Grundbehauptung dieser Schriftauffassung ist es, dass es angeblich
sieben Dispensationen oder Haushaltungen in der Bibel gäbe, die jeweils durch
besondere Ereignisse, Prüfungen, Gerichte markiert seien, in denen es jeweils
darum gehe, in Verantwortung vor Gott das Leben zu bewältigen. Dabei gehe es
jeweils um einen gewissen Fortschritt in der Offenbarung. Ein Kernpunkt in
dieser Auffassung ist eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen dem
völkischen oder leiblichen Israel und der Gemeinde Jesu Christi. Angeblich gebe
es nach dieser Auffassung durch die ganze Heilsgeschichte hindurch zwei
Grundlinien Gottes, eine irdische mit dem Volk Israel und eine geistliche mit
der Gemeinde Jesu Christi.4
Die Dispensationalisten behaupten, Gott
habe Israel ein großartiges irdisches Reich verheißen, das durch den Messias
regiert werde. Da die Juden Christus während seines Erdenlebens verworfen
hätten, sie diese Zeit verschoben worden. Während dieser Zwischenzeit sei die
Kirche aus den Heiden gebildet worden. Zu Beginn der großen Trübsal würde die
Gemeinde Jesu Christi in den Himmel genommen und es kämen sieben Jahre Trübsal
mit der Herrschaft des Antichristen. Dann würde Gottes Plan mit Israel erfüllt
werden. Während der irdischen Schlacht bei Harmageddon würde Christus auf die
Erde zurückkommen und das Tausendjährige Reich Israels errichten.5
Der Amillenialismus ist diejenige
Schriftauffassung, die ein wörtlich genommenes Tausendjähriges Friedensreich
auf Erden, gleichgültig ob vor oder nach Christi Kommen, ablehnt und 1000
(10x10x10) als eine symbolische Zahl nimmt – wie die anderen Zahlen in der
Offenbarung – für die gesamte Zeit des Neuen Testaments, also der Zeit zwischen
erstem und zweitem Kommen Christi. Das ist die historische Schriftauffassung
der Kirche Jesu Christi durch die Jahrhunderte, wie sie auch von den
Reformatoren geteilt wurde.6
Was aber ist nun die Lehre der Schrift? Wie
sind die Aussagen in Offenbarung 20 zu verstehen? Rechte Schriftauslegung zieht
in Betracht, um welche eine Art von Schrift es sich handelt, sie sieht auch den
engeren und weiteren Zusammenhang eines Textes und zieht die Parallelstellen
bzw. Paralleltexte heran, die Aussagen zu dem gleichen Thema machen.
Und da ist es nun wichtig, dass es sich,
wie schon die Eingangsverse der Offenbarung, 1,1-3 deutlich machen, um ein
apokalyptisches Buch handelt, das ähnliche Themen behandelt, wie wir sie bei
Daniel und Hesekiel finden. Und das ist nun ein Buchtyp, auch das wird 1,1
unterstrichen, der in symbolischen Bildern seine Aussagen kleidet, die gedeutet
werden müssen.7
Was ist nun das Ziel des Buches der
Offenbarung? Es geht darum, die Christen, gerade angesichts der immer wieder
auftretenden Bedrängnisse, Verfolgungen, zu trösten und zu stärken. Dabei ist
die Schriftlehre wichtig, wie sie Apg. 14,22 Paulus hervorhebt: Wir müssen durch viel Trübsal in das Reich
Gottes eingehen. Schon diese Lehre, die auch 2. Tim. 3,12 wiederholt wird,
zeigt an, dass es für die Gemeinde Jesu Christi nie eine besondere
Friedenszeit, eine Herrlichkeitszeit hier auf Erden geben wird, sondern dass
der Charakter der Gemeinde des HERRN immer der einer Gemeinde unter dem Kreuz
sein wird. Im Blick auf die verschiedenen Schriftauffassungen, wie sie oben
dargelegt wurden, treffen zwei grundsätzliche Theologien aufeinander: Theologie
des Kreuzes und Theologie der Herrlichkeit. Alle chiliastischen Theologien sind
letztlich Theologien der Herrlichkeit und wollen die Kreuzeszeit der Kirche
verkürzen.
Von den Chiliasten wird der Eindruck
erweckt, als sei die Bibel von der Offenbarung her oder doch von den
prophetischen Texten her zu verstehen. Tatsächlich aber sind diese nicht der
Schlüssel zur Bibel, sondern die Bibel ist vielmehr von den klaren, nicht in
Bildern dargestellten, Texten zu verstehen, die ihrerseits der Schlüssel auch
zur Offenbarung und den anderen prophetischen Texten sind. Viele Aussagen in
der Offenbarung sind ja Bilder, die wiederum dem Alten Testament, vor allem
Jesaja, Hesekiel und Daniel entnommen sind. Zahlen spielen in der Offenbarung
eine große Rolle.8
Gerade der Dispensationalismus greift eine
ganze Reihe klarer Schriftlehren an, unter anderem die allgemeine leibliche
Auferstehung aller Toten, wie sie Joh. 5,28-29 gelehrt wird, vor allem aber
auch den Grundcharakter der Gemeinde Jesu Christi als Gemeinde des Messias
durch die gesamte Heilsgeschichte von Adam und Eva an bis zum Jüngsten Tag als
Gemeinde derer, die aus den Juden wie derer, die aus den Heiden zum Glauben an
den Messias gekommen sind – und dass eben diese Gemeinde das auserwählte geistliche
Israel ist.9 Er verkennt, dass durch das Alte wie das
Neue Testament hindurch eine klare Unterscheidung ist zwischen dem leiblichen
und dem geistlichen Israel und schon im Alten Bund keineswegs alle Israeliten
gläubig waren, im Gegenteil. Immer wieder ist, wie Röm. 11 hervorhebt, es nur
ein Rest aus Israel, der gerettet wird, eben diejenigen, die von Ewigkeit her
erwählt sind zur Rettung durch den Glauben an Jesus Christus. Und um dieses
geistliche Israel, die Gemeinde Jesu Christi, um die geht es in der gesamten
Heiligen Schrift, um die Rettung der Menschen aus der Sündensklaverei durch den
Glauben an den Messias und sein stellvertretendes Opfer. Das tritt im
Dispensationalismus mehr und mehr in den Hintergrund. Der vom
Dispensationalismus künstlich hochgehaltene Unterschied zwischen Juden und
Christen ist in Christus ja tatsächlich aufgehoben, wie besonders Eph. 2,11-18
hervorgehoben wird.
Die Chiliasten aller Varianten übersehen
auch, dass Christi Reich nicht von dieser Welt ist, Joh. 18,36, und wollen
stattdessen ein irdisches Reich Christi. Damit tritt Christi Rettungswerk am
Kreuz zurück hinter der Hoffnung auf ein irdisches Friedensreich. Außerdem sagt
die Schrift immer wieder, sowohl in Jesu Endzeitreden als auch 1. Thess. 5,
dass Christi Wiederkunft und der Jüngste Tag überraschend, wie ein Dieb in der
Nacht, kommen. Das wäre aber nicht mehr gegeben, wenn man wüsste, dass nach
einem „Tausendjährigen Reich“ der Jüngste Tag anbrechen würde. Der
Dispensationalismus hat darüber hinaus, hier durchaus seiner reformierten
Herkunft folgend, im Zentrum nicht Gottes Gnade und Erbarmen in Christus,
sondern die Ehre Gottes und sichtbare Manifestationen Gottes sowie den Gehorsam
gegenüber Gott, anstatt des Glaubens an Christi Triumph über die Sünde am Kreuz,
s. 1. Kor. 2,2. Er stellt außerdem eine willkürliche Zerstörung der Einheit der
Schrift dar, die nur zwei Kommen Christi kennt und sich gliedert in Verheißung
und Erfüllung sowie in Gesetz und Evangelium, wobei Gesetz und Evangelium im
Alten wie im Neuen Bund vorhanden sind.10
Wie aber ist der Text nun im Einzelnen zu
verstehen. In den ersten drei Versen geht es um die Auseinandersetzung Christi
mit Satan bzw. das Binden Satans. Da ist ja von einem Engel die Rede, der die
Schlüssel zum Abgrund hat und eine große Kette in der Hand. Zum grundsätzlichen
Verständnis noch eine Vorbemerkung: Nicht alles, was in der Offenbarung
geschildert wird, liegt in der Zukunft. Dies zeigt etwa auch Kap. 12.11 Wer ist nun dieser Engel? Handelt es
sich um einen aus dem großen Engelheer des HERRN? Hier ist nun zu bedenken: 1.
Der Engel kommt vom Himmel. Das kann natürlich auch auf einen aus dem Engelheer
des HERRN hindeuten. 2. Dann aber heißt es von ihm, dass er die Schlüssel zum
Abgrund hat. Das schließt nun sehr eng an Offenb. 1,18 an, wo Jesus Christus
von sich sagt, dass er die Schlüssel der Hölle und des Todes hat. Das ist ein
ganz starker Hinweis darauf, dass es sich bei dem Engel um Christus selbst
handelt. 3. Von dem Engel heißt es, dass er Satan ergriff, band und in den
Abgrund warf. Der Kampf mit Satan, der Sieg über Satan, das ist Christi Werk,
wie auch Luk. 3,27; Joh. 12,31; Matth. 12,29; Luk. 11,21 sowie Offenb. 12,7-9
zeigen. Damit ist es klar: Der Engel, von dem hier die Rede ist, das ist
Christus selbst.
Die nächste Frage ist ja: Wann geschieht
dieses Binden? Wenn wir an die Aussagen der Schrift zu Christi Kampf mit Satan,
angeführt in den oben genannten Schriftstellen, sowie die Aussagen über seinen
Triumph über Satan, dass er die Werke des Teufels zerstört hat, 1. Joh. 3,8,
dass er das Gefängnis gefangen geführt hat, Eph. 4,8, dass er ausgezogen hat
die Fürstentümer und Gewaltigen und einen Triumph aus ihnen gemacht hat, Kol.
2,15, dann ist klar, dass dies kein zukünftiges Ereignis ist, sondern eines,
das während Christi Erdenleben, kulminierend mit seinem Sieg am Kreuz und
seiner Himmelfahrt, geschehen ist.
Wie müssen wir uns das Binden Satans
vorstellen? Satan ist ein Geist. Ein Geist kann mit einer Eisenkette nicht
gebunden werden. Hier haben wir es also eindeutig mit einem Bild zu tun. Wie
also geschieht dann das Binden Satans? Dies wird deutlicher, wenn wir bedenken,
zu welchem Zweck, mit welchem Ziel er gebunden wird: um die Heiden nicht zu
verführen, d.h. V. 8 f., sie nicht gegen die Gemeinde Christi weltweit zu
versammeln, um der Gemeinde endgültig den Garaus zu machen. Daran also soll
Satan in diesen 1000 Jahren gehindert werden.
Was aber ist nun dieses Binden Satans?
Heißt das, dass er gar nichts mehr tun kann während dieser Zeit? Das wird ja im
Text überhaupt nicht gesagt. Vielmehr heißt es nur, dass er die Heiden nicht
weltweit verführen soll gegen die Gemeinde Christi. Wichtig sind dabei auch
Texte, die über Ähnliches berichten. So heißt es 2. Petr. 2,4, dass Gott die
gefallenen Engel mit Ketten der Finsternis zur Hölle verstoßen hat und behalten
zum Gericht, s.a. Jud. 6. Nun wird sicher keiner behaupten, dass der Teufel und
seine Dämonen vor der Erdenzeit Christi oder auch während er da war oder auch
jetzt nichts machen könnten. Aber wir wissen ebenso, dass die Macht des Teufels
begrenzt ist: Er ist zwar wie ein brüllender Löwe, der umhergeht, um zu sehen,
wen er verschlingen kann, 1. Petr. 5,8 f., aber andererseits können wir uns in
der Kraft Gottes gegen ihn schützen, Eph. 6,10 ff., gerade durch Gottes Wort
als dem Schwert des Geistes. Denn wenn wir ihm widerstehen, so muss er fliehen,
Jak. 4,7. Das heißt: Satan und seine Dämonen liegen, im Bild gesprochen, an
einer Kette wie ein Hund, und haben nur einen stimmten Bereich, in dem sie gefährlich
werden können. Wer sich in diesen Bereich begibt, den können sie packen und
sich unterwerfen; wer dagegen gegen ihre Anfechtungen, Versuchungen kämpft mit
Gottes Wort, vor denen muss er weichen.
Das heißt also: Das Binden Satans besagt
keineswegs, dass Satan und seine Dämonen während dieser 1000 Jahre völlig zur
Untätigkeit verurteilt sind, sondern nur, dass sie ihr großes Ziel, den
weltweiten Generalangriff auf die Gemeinde Jesu Christi, nicht ausführen
können, sonst aber, wenn auch in einer beschränkten Weise, durchaus aktiv und
auch für uns als Christen nicht ungefährlich sind.
Wie aber ist dieses Binden zu verstehen, da
es sich ja um einen Geist handelt? Das wird uns nicht im Einzelnen gesagt.
Christus hat ihn durch seinen Gehorsam, sein Leiden und Sterben und Auferstehen
besiegt. Und er hat ihn gestürzt durch sein Wort, wie wir in den Evangelien
lesen. Wie wird in dieser Zeit nun die Macht Satans besonders eingeschränkt?
Dadurch, dass Gottes Wort rein und lauter gepredigt wird und viele Menschen
dadurch zum rettenden Glauben kommen.12
Wenn aber durch Gottes Zulassung die
Bindung Satans durch Christus wieder gelöst wird, das heißt, Satan noch einmal
eine uneingeschränkte Macht über die Menschen weltweit gegeben wird, sie gegen
die Gemeinde zu verführen, dann wird er dies auch tun und das Widerstreben der
Menschen weltweit gegen die frohe Botschaft wird zunehmen und zu einer
weltweiten Feindschaft gegen die Gemeinde Jesu Christi führen. So etwas
bereitet sich in der westlichen Welt schon vor, während an vielen anderen
Orten, etwa in China, in Afrika, selbst in der islamischen Welt, wir derzeit
(2013) auch noch ein rapides Wachstum der Gemeinde Christi finden.
Eine ganz wichtige Frage aber ist noch: Was
ist mit den 1000 Jahren gemeint? Wann sind sie? Der Antwort nähern wir uns,
indem wir auf den Anfangs- und den Endpunkt achten. Der Endpunkt, wie wir
gesehen haben, ist dies, dass Satan wieder frei wird, die Völker weltweit
massiv gegen die Gemeinde Christi zu verführen. Wenn dies aber seinen Höhepunkt
erreicht hat, in der großen Trübsal, dann kommt der entscheidende und die
gesamte Weltgeschichte für immer beendende Gegenschlag Christi, also der
Jüngste Tag. Ob nun diese Kleine Zeit, von der V. 3 die Rede ist, den Abschluss
dieser 1000 Jahre bilden oder an sie anzuhängen sind, so dass die gesamte
neutestamentliche Zeit also die 1000 Jahre zuzüglich der Kleinen Zeit umfasst,
ist eine exegetische Frage, die nicht völlig eindeutig zu lösen ist. Immerhin
weisen die Aussageformen in VV. 3 und 7 doch recht deutlich darauf hin, dass
die Kleine Zeit anzuhängen ist.13
Der Beginn dieser 1000 Jahre, das haben wir
bereits festgestellt, ist mit dem Sieg Christi über Satan anzusetzen, also
seiner Kreuzigung und glorreichen leiblichen Auferstehung am dritten Tag. Das
zeigt zugleich auch, dass die 1000 Jahre nicht wörtlich gemeint sein können,
umso weniger, als die Zahlen in der Offenbarung durchgängig einen symbolischen
Charakter haben. 1000 setzt sich zusammen aus 10x10x10. Zehn ist eine Zahl der vollendeten
Abgeschlossenheit (Completeness) und beschreibt hier, in der dreifachen Potenz,
dass es sich hier um eine feste, in sich abgerundete Zeit, eine Voll-Zeit,
handelt, eben die neutestamentliche Zeit.14
G.K. Beale führt als Argumente dafür, dass es sich hier um eine symbolische
Zahl handelt, unter anderem an: der durchgängig bildhafte Gebrauch von Zahlen
in der Offenbarung; der bildhafte Charakter des unmittelbaren Kontexts (Kette,
Drachen, Schlange, Abgrund, verschließen, versiegeln); der vorherrschend
bildhafte Ton der Offenbarung überhaupt (s. 1,1).15
In den Versen 4-6 geht es um das, was in
den 1000 Jahren oder der neutestamentlichen Zeit geschieht. Die Frage ist ja:
Was sieht der Apostel Johannes im Einzelnen und wo geschieht das? Es ist zunächst
die Rede von Stühlen, auf die sich jemand setzt, denen das Gericht gegeben ist.
Dann ist die Rede von den Seelen der Enthaupteten um des Zeugnisses Jesu und
des Wortes Gottes willen. Steht hier der Begriff „Seelen“ für „Personen“, wie
ihn etliche, gerade die Chiliasten, nehmen? Nein, das ist unmöglich, denn hier
ist von „Seelen der Enthaupteten“ die Rede, also von Seelen von Personen, so
dass hier tatsächlich nur die von den Leibern unterschiedenen Seelen gemeint
sind. Und es ist dann von denen die Rede, die nicht angebetet haben das Tier
noch sein Bild und das Mahlzeichen nicht genommen haben. Das umfasst damit
alle, die im Glauben an Christus treu beharren. Somit können wir sagen, dass
diejenigen, die da mit Christus regieren, alle die sind, die im Glauben an
Jesus Christus sind, wobei die Märtyrer besonders genannt werden – und zwar ist
hier von den Seelen die Rede. Das zeigt wiederum an, dass es sich hier nicht um
ein irdisches Reich handeln kann, zu dem man schließlich nicht nur Seelen,
sondern wirkliche Personen benötigt, sondern um ein geistliches Reich. Es ist
auch nirgends in diesen Versen davon die Rede, dass Christus auf Erden regieren
würde. Das wird einfach in den Text hinein gelegt. Ja, es ist überhaupt nicht
direkt von der Herrschaft Christi die Rede, sondern der Schwerpunkt liegt
vielmehr auf denen, die mit Christus
regieren.16
Es handelt sich also, das ist ganz
deutlich, nicht um ein irdisches Reich, das wird aus den Worten in V. 4 ganz
deutlich, denn es geht ja um die Seelen, die mit Christus regieren, also um ein
geistliches Herrschen und Richten. Dies stimmt auch mit Joh. 18,36 überein, wo
Christus ganz deutlich sagt, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Diesem
Vers widersprechen auch all die chiliastischen Behauptungen eines irdischen
Friedensreiches. Wie aber ist dieses Herrschen und Richten dann zu verstehen?
In Kap. 1,6 ist davon die Rede, dass Christus die Seinen zu Königen und
Priestern gemacht hat. Und in 1. Petr. 2,9 wird die Gemeinde Christi
beschrieben als das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des
Eigentums. Die Gemeinde Christi regiert und richtet mit Christus durch lehren
und den Gebrauch der Schlüssel, also der Gnadenmittel, die ja nach Joh.
20,21-23 gerade auch das Binden und Lösen mit einschließen.17
Die Chiliasten sprechen in diesem
Zusammenhang und besonders von V. 5 her von einer ersten und zweiten leiblichen
Auferstehung und behaupten, dass es sich bei denen, die mit Christus regieren,
um solche handelt, die an einer ersten leiblichen Auferstehung teilhaben. Davon
aber sagt der Text gar nichts. Das neue Gesicht, das Johannes in den Versen
4-10 hat, spricht eindeutig nur davon, dass er Seelen gesehen hat (was auch
bereits deutlich macht, dass es sich hier um bildhafte Rede handelt, eben eine
Vision, denn Seelen sind ja eigentlich nicht sichtbar). Was Vers 5 sagt ist
dies, dass „die anderen Toten“ in dieser neutestamentlichen Zeit nicht wieder
lebendig wurden (vom Griechischen her heißt es ganz genau: „lebten nicht, bis
dass …“; was nicht besagt, dass sie es danach lebten18). Dass es keine zwei leiblichen
Auferstehungen gibt, ist das klare Zeugnis auch aller anderen Bücher der Bibel.
Christus spricht in seinen Endzeitreden eindeutig nur von einer leiblichen
Auferstehung am Jüngsten Tag. Mit seinem Wiederkommen ist jegliche Möglichkeit
einer Umkehr, einer Bekehrung genommen. Mit seinem Wiederkommen sind vielmehr
die Scheidung und das Ende der Weltgeschichte da. Joh. 5,28-29 besagt
unmissverständlich, dass alle, an Christus Gläubige wie Ungläubige, zur
gleichen Zeit leiblich auferstehen werden. Auch müssen wir bedenken, dass in V.
4 eindeutig von „Seelen“ die Rede ist. Seelen aber sterben nicht, können damit
auch nicht leiblich auferstehen.19
Was aber ist dann mit der „ersten
Auferstehung“ gemeint? Die Bibel verwendet den Begriff der Auferweckung oder
Auferstehung oder Lebendigmachung nicht nur für die leibliche Auferstehung,
sondern auch geistlich, nämlich für die Wiedergeburt oder Bekehrung, so
besonders Eph. 2,4-6; 5,14 und Kol. 2,12-13; 3,1-4. Damit ist auch angezeigt,
was in Offenb. 20,5 mit der „ersten Auferstehung“ gemeint ist, nämlich die
geistliche Auferstehung oder Wiedergeburt und Bekehrung. Und das passt auch
ganz klar in die Aussagen von Offenb. 20,4-7: Denn damit ist ausgesagt, dass es
sich bei denen, die mit Christus regieren und richten um die Gläubigen bzw. die
Seelen der Gläubigen handelt, also derer, die im Verlauf der 1000 Jahre oder
neutestamentlichen Zeit durch das Evangelium geistlich auferweckt, lebendig
gemacht werden. Die anderen Toten sind dann die geistlich Toten, sind die
Menschen, die nicht an Christus als ihren Retter glauben und auch während der
1000 Jahre oder neutestamentlichen Zeit nicht zum rettenden Glauben an ihn
kommen, das heißt, geistlich nicht lebendig werden. Darum ist auch der selig,
der Teil hat an der ersten Auferstehung, weil über den der andere Tod keine
Macht hat. Der „andere Tod“ ist also nicht der leibliche Tod, sondern der ewige
Tod, die Verdammnis, wie V. 14 ganz klar aussagt. Wer durch das Evangelium
geistlich lebendig gemacht, wiedergeboren wurde, der ist ja vom Tod zum Leben
hindurchgedrungen, an dem hat die Verdammnis keinen Anteil, kein Anrecht mehr.
Wer dagegen in diesem Leben nicht wiedergeboren wird, also nicht geistlich
auferstanden ist, der kommt vom geistlichen Tod in den ewigen Tod oder die
Verdammnis. Die aber Teil haben an der ersten Auferstehung, die sind Priester
Gottes und regieren mit Christus, wie schon in V. 4 ausgedrückt. Die Aussage in
V. 6 bestätigt damit nochmals, dass es sich in V. 4 um die (Seelen der)
Gläubigen handelt, die mit Christus geistlich regieren und richten.
Von der leiblichen Auferstehung, und zwar
aller Toten, ist ja erst in Offenb. 20,11-15 die Rede.20
Die Verse 7-10 sprechen dann von der
Kleinen Zeit, wenn also die Beschränkungen, die Satan auferlegt wurden, sein
Binden, wieder gelöst werden, so dass er jetzt die Heiden weltweit zum letzten
umfassenden Angriff auf die Gemeinde Jesu Christi versammeln kann. Damit tritt
das ein, was Christus in Matth. 24 mit der großen Trübsal beschreibt, der
großen Verführung weltweit durch Satan. „Gog“ und „Magog“ stehen dabei
allgemein für die Feinde der Kirche, die sich ja unter den unterschiedlichsten
Gesichtern im Laufe der Geschichte zeigen. Die Schlacht, die dann beschrieben
wird, ist identisch mit der schon in Kap. 16,16 und in Kap. 19 dargelegten
Schlacht von Harmageddon, von der auch schon Hesekiel in Kap. 39-17-20 schrieb.21
1 vgl. Laurence White: The Book of Revelation. Excursus:
The Millenium. http://www.osl.cc/believe/revhome.htm
2 vgl. ebd.
3
vgl. ebd.
4 vgl. Lewis Sperry Chafer: Dispensationalism, S. 107,
in: White, a.a.O.
5 vgl. White, a.a.O.
6
vgl. ebd.
7 vgl. Andreas Drechsler: Revelation 20. CELC Europe –
Regional Meeting in
8
vgl. Drechsler, a.a.O., S. 2. 3
9 vgl. John Stephenson: Eschatology (Confessional
Lutheran Dogmatics), in: White, a.a.O.
10 vgl.
11 vgl.
Drechsler, a.a.O., S. 4
12 vgl.
Drechsler, a.a.O., S. 5. Dies Binden allerdings, wie es bei Siegbert Becker und
Drechsler geschieht, allein mit der Verkündigung des Evangeliums zu
umschreiben, erscheint mir zu kurz, da es gewiss auch in der Kleinen Zeit noch
verkündigt wird, nur der Widerstand immer größer wird.
13 Siegbert
Becker weist allerdings in seinem Kommentar, S. 303, darauf hin, dass es sich
bei der Zeitform um einen subjunktiven Aorist handelt und nicht um einen
vollendeten Aorist, so dass die Möglichkeit offen bleibt, dass mit dem, was
vollendet wird, nur die vorangegangenen Ereignisse umschrieben werden, während
das Folgende, hier die Kleine Zeit, deshalb aus dem Gesamtzeitraum nicht ausgeschlossen
sein muss. Vgl. Drechsler, a.a.O., S. 6 f.
14 vgl.
Drechsler, a.a.O., S. 6.
15 vgl. White, a.a.O., zu 20,2
16 vgl.
Drechsler, a.a.O., S. 8
17 vgl. Jay Adams:
Revelation Bible Study Notes, Concordia Commentary. The Millenium; in: http://www.lutheransonline.com/servlet/lo_ProcServ/dbpage=page&mode=display&gid=20101503103106233701111555&pg=20111465920098121801111555
18 Der hier
im Griechischen verwendete Begriff für „leben“, „zao“, wie auch das Substantiv
dazu, „zoe“, wird im Neuen Testament im Allgemeinen und besonders auch bei
Johannes nur verwendet für das wahre, ewige Leben, das wir nur in der
Gemeinschaft mit Jesus Christus haben. Auch das macht es unmissverständlich
deutlich, dass es sich hier bei „leben“ und „auferstehen“ nicht um das
irdische, natürliche Leben und die leibliche Auferstehung handelt, sondern um
das geistliche Leben, in das ein Mensch eben nur durch die „erste
Auferstehung“, also die Wiedergeburt, die geistliche Auferweckung oder
Auferstehung kommt. vgl. White, a.a.O., u 20,5
19 vgl.
Drechsler, a.a.O., S. 9
20 vgl.
21 vgl.
Drechsler, a.a.O., S. 10-11