Die evangelisch-lutherische Kirche
Inhaltsverzeichnis
1. Wo die evangelisch-lutherische Kirche herkommt: Die Reformation
2. Was die
evangelisch-lutherische Kirche ausmacht
3. Was Lutheraner
glauben und lehren
4. Wo lutherische
Kirchen heute weltweit stehen
Die in diesem Abschnitt
angeführten Zitate stützen sich auf die Walch-Ausgabe
der Lutherwerke, Nachdruck Groß Oesingen.
Von einer gesonderten
„evangelisch-lutherischen Kirche“ kann erst seit der Reformation Martin Luthers
gesprochen werden, die mit dem Thesenanschlag an die Tür der Schlosskirche zu
Wittenberg am 31. Oktober 1517 ihren Anfang nahm. Anlass für diese Aufforderung
zu einem theologischen Streitgespräch war der Ablasshandel, den der
Dominikanermönch Johann Tetzel im
Kurbrandenburgischen im Auftrag des Erzbischofs Albrecht von Mainz trieb. Das
Geld sollte unter anderem dem Bau der prunkvollen Peterskirche in Rom dienen.
Auch Pfarrkinder Luthers kauften Ablassbriefe und meinten dann, keiner Buße und
Umkehr mehr zu bedürfen und der Sündenstrafe entronnen zu sein, denn sie hätten
ja bezahlt. Es war diese schreckliche Verführung der Menschen durch solche, die
Hirten sein sollten, aber nur sich selbst weideten, die Luther veranlasste, in
erster Linie gegen die Ablasspraxis der Kirche vorzugehen. Daraus erwuchs, seit
1520, das Ziel, die Kirche auf der Grundlage der Bibel an Haupt und Gliedern zu
reformieren. Es lag ihm fern, eine neue Kirchengemeinschaft zu gründen, er
wollte vielmehr zurück zur wahren christlichen apostolischen Kirche, gegründet
allein auf das Wort der Heiligen Schrift.
Aus diesem Grund hat sich
die lutherische Kirche nie als eine neue Kirche betrachtet, sondern als die
Fortsetzung der alten christlichen Kirche der Apostelzeit. Unter anderem auch
deshalb hat sie so viel wie möglich übernommen, seien es die altkirchlichen
Bekenntnisse, sei es die, gereinigte, Liturgie. „Ich habe zum Überfluss die
drei Symbola, die man so nennet, oder Bekenntnisse,
zusammen wollen lassen deutsch ausgehen, welche in der ganzen Kirche bisher
gehalten, gelesen und gesungen sind; damit ich abermals bezeuge, dass ich’s mit
der rechten christlichen Kirche halte, die solche Symbola
oder Bekenntnisse bis daher hat gehalten.“ (W, X,
Sp. 993 f.) Der
lutherische Theologe Charles Porterfield Krauth sprach deshalb auch von der „konservativen
Reformation” (so auch sein Buch: ‘The Conservative
Reformation and Its Theology’.
Philadelphia 1871).
Wie aber konnte es sein,
dass die Reformation durch Martin Luther gelang, während doch Waldus, Wiclif, Hus, Savonarola nicht zum Ziel
kamen? Neben vielen äußeren Umständen, die Gott lenkte, wie etwa die Erfindung
der Buchdruckerkunst, die neue Entdeckung der alten Sprachen, war es dies, dass
Luther das Zentrum durch eigene Anfechtungen und Nöte erfasst hatte, nämlich:
Wie ein Sünder vor Gott gerecht sein kann – und er erkannte aufgrund der
Schrift (Römerbrief 1,16.17), dass Gott uns in Christus seine Gerechtigkeit
anbietet, darreicht, nämlich die Gerechtigkeit, die Christus uns durch seinen
Gehorsam, Leiden und Sterben erworben hat, und dass der verzweifelte Sünder
diese Gerechtigkeit im Glauben ergreift als ihm um Christi willen zugerechnet.
Das ist das Zentrum der Schrift, Christus, der Gekreuzigte, für uns. So hat
Luther es erkannt, darauf ist die gesamte lutherische Theologie aufgebaut. Das
hatten die sogenannten ‚Vorreformatoren’ nicht.
Die römisch-katholische
Kirche hat diese Erneuerung der Kirche zurückgewiesen, konnte sie nicht
annehmen, da die Grundpfeiler dieser auf Menschenlehre und –ordnung
gegründeten Kirche sonst ins Wanken gerieten: mit dem Ablass die
Priesterherrschaft, die Hierarchie, das Papsttum, die menschliche Autorität in
der Kirche.
Diese Ablehnung zwang
Luther, sich immer mehr mit der römisch-katholischen Theologie
auseinanderzusetzen. Bereits 1517 und dann in der Heidelberger Disputation 1518
griff er die philosophischen Grundlagen der scholastischen Theologie an und
proklamierte die alleinige Autorität der Schrift sowie das abgrundtiefe
Verderben des Menschen, der allein aus Gnaden, allein durch den Glauben
gerettet werden kann: „4. Es ist darum die Wahrheit, dass der Mensch, der ein böser
Baum geworden ist, nur das Böse wollen und tun kann. 5. Es ist falsch, dass das
freie Begehren nach beiden Gegensätzen hin etwas vermag, ja, es ist gar nicht
frei, sondern gefangen.“ (W, XVIII, Sp. 20) „13. Der freie Wille nach dem
Sündenfall ist ein bloßer Name, und was er tut, soviel an ihm ist, sündigt er tötlich.“ (W, XVIII, 38) „18. Es ist gewiss, dass der
Mensch erst an sich völlig verzweifeln müsse, um fähig zu werden, die Gnade
Christi zu erlangen.“ (ebd.) „25. Nicht der ist gerecht, der tüchtig wirkt,
sondern der ohne viel Werke an Christus glaubt.“ (W,
XVIII, 39) „26. Das Gesetz spricht: ‚Tue das’, und niemals wird es getan; die
Gnade spricht: ‚Glaube an diesen’, und alles ist schon getan.“ (ebd.)
Im gleichen Jahr kam es zur
entscheidenden Disputation mit Eck in Leipzig, in der Luther die Autorität des
Papstes und der Konzile in Frage stellte und damit die römisch-katholische
Kirche in ihren Grundfesten erschütterte. Stück für Stück löste sich Luther aus
den Irrungen Roms.
In den grundlegenden Schriften
jener frühen Jahre, wie „An den christlichen Adel deutscher Nation von des
christlichen Standes Besserung“, rief Luther die weltlichen Stände als die
vornehmsten Glieder der Kirche auf, aufgrund des allgemeinen Priestertums die
Kirche in ihren Gebieten zu reformieren. In der Schrift „Von der babylonischen
Gefangenschaft der Kirche“ stieß er die römische Sakramentslehre um und
erläuterte, dass allein Taufe und Abendmahl aufgrund der Einsetzung durch
Christus festzuhalten sind und nicht aufgrund des bloßen Vollzuges wirken,
sondern allein durch den Glauben das, was sie geben, wahrhaft ergriffen wird.
Ohne den Glauben sind die Sakramente zwar gültig, aber der Empfangende hat den
geistlichen Segen nicht.
Der Reichstag zu Worms 1521
war ein weiterer Höhepunkt, indem Luther vor Kaiser und Reich auf der Schrift,
der Bibel, als alleiniger Autorität beharrte und sich auf das an die Schrift
gebundene Gewissen berief. Hier tritt die vor Gott verantwortliche, auf die Schrift
gegründete Person heraus aus der durch menschliche Autoritäten gebundenen
Masse.
Während der Kaiser Luther in
Reichsacht erklärte, 25. Mai 1521 (der Papst hatte ihn schon am 03 Januar 1521
mit dem Bann belegt), suchte Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen ihn zu
schützen, indem er ihn auf die Wartburg bei Eisenach entführte. Die Frucht
dieser erzwungenen Ruhezeit war die Übersetzung des Neuen Testamentes aus dem
Griechischen ins Deutsche (Septembertestament), damit die Christen Gottes Wort
direkt, ohne Zwischenpersonen, lesen können. (Die römisch-katholische Kirche
erlaubte ihren Gliedern später zwar das Lesen der von ihr zugelassenen,
möglichst noch mit bischöflichen Erklärungen ausgestatteten katholischen
Bibeln, hat aber erst auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ihnen das Bibellesen
empfohlen.) Dadurch sollten der persönliche Glaube und das allgemeine
Priestertum gestärkt werden.
Während Luthers Abwesenheit
kam es durch Karlstadt in Wittenberg zu bilderstürmerischen Unruhen. Karlstadt
wollte die Veränderung nicht durch das Wort allein, im Glauben ergriffen, das
die Herzen verändert und so auch die Formen erneuert, erreichen, sondern durch
Zwang und Gewalt. Gegen den Willen des Kurfürsten eilte Luther 1523 nach
Wittenberg zurück und stellte in den Invocavitpredigten
die Ordnung wieder her: Keine Änderung durch Vergewaltigung der Gewissen,
achten auf die christliche Freiheit – das Wort allein macht alles. (Auch hier
wird der konservative Charakter der lutherischen Reformation deutlich.)
Der Bauernkrieg bedeutete
eine Krise für die Reformation. Luther erkannte die sozialen Anliegen der
Bauern als berechtigt an und ermahnte die Fürsten, die nötige Abhilfe zu
schaffen. Er wandte sich aber entschieden dagegen, dass die Bauern ihre
politisch-sozialen Forderungen mit der biblischen Lehre vermengten und so die
beiden Reiche – Kirche und Staat – vermischten, wie dies besonders auch bei
Thomas Münzer und den Wiedertäufern geschah. Dringend warnte Luther die Bauern
vor Gewalt. Erst als sie dennoch durch Gewalt und Greueltaten
ihre Ziele erreichen wollten, rief der Reformator, der darin endzeitliche
Anarchie sah, die Obrigkeit auf, gegen den Aufruhr energisch vorzugehen. In
einer dritten Schrift ermahnte er aber zugleich die Herren, mit den
überwundenen Bauern barmherzig umzugehen – aber diese Schrift fruchtete nicht
mehr.
Inmitten dieser Unruhen
setzte Luther durch seine Hochzeit mit der vormaligen Nonne Katharina von Bora
ein Zeichen gegen den Zwang des Zölibats und für die Ehe der Pfarrer und
begründete mit die Tradition des evangelischen
Pfarrhauses, für Jahrhunderte ein bedeutender kultureller und sozialer Segen.
In diese Zeit fällt auch der
endgültige und notwendige Bruch mit dem Humanismus. Der aus der Renaissance
kommende Humanismus war reformbereit, aber er ging vom Menschen aus, wollte die
Vernunft und die Fähigkeiten des Menschen hochhalten und proklamierte einen
freien Willen auch in geistlichen Dingen. Genau hier kam es dann zum
Zusammenstoß mit Erasmus von Rotterdam, dem bedeutendsten Humanisten, nämlich
über die Frage vom freien Willen. Erasmus gestand in seiner „Diatribe“ gerne
zu, dass Gott 98 oder 99 % durch die Gnade tue – aber ein Funken freier Wille
sei da, müsse nur angeregt werden, arbeite dann mit an der Erlösung. Luther hat
in seiner Schrift „Vom unfreien Willen“ (De servo arbitrio, 1525), die er als seine Hauptschrift ansah, aus
der Schrift sehr deutlich die abgrundtiefe Verdorbenheit und völlige geistliche
Unfreiheit, Blindheit des nichtwiedergeborenen Menschen belegt und dass die
Wiedergeburt oder Bekehrung allein und vollständig Gottes Werk ist, allein aus
Gnaden kommt, die Vergebung allein durch den Glauben ergriffen wird als der Nehmehand. Luther bezeugt in diesem Werk die Souveränität
Gottes. Die Aussagen, die er hier gemacht hat, sind grundlegend für das rechte
Verständnis des Wirken des dreieinigen Gottes, von
Gnade und von Glauben. Gerade in diesem Bereich ist es bis in die heutige Zeit
immer wieder zu schwerwiegenden Abirrungen gekommen, die entweder den Menschen
ein Mitwirken am Heil zusprechen wollten (Osiander)
oder an der Bewahrung des Heils (Melanchthon, Major) oder dem menschlichen
Willen in das Werk der Bekehrung hineinnahmen
(Melanchthon, Arminianismus, Methodismus,
Neupietismus, Entscheidungstheologie, Gemeindewachstumsbewegung).
Die Einführung der
Reformation hatte aber nicht mit einem Schlage bessere kirchliche Verhältnisse
zur Folge. Dazu bedurfte es eingehender Unterweisung der Gemeinde mit im
biblisch-reformatorischen Geist erzogenen Pfarrern. Aus diesem Grund schuf
Luther mit dem Großen und dem Kleinen Katechismus 1529 nach den entsetzlichen
Ergebnissen der Visitation die Grundlagen für den Unterricht und gab den
Gemeindegliedern eine Zusammenfassung der Kernsätze der biblischen Lehre in
Gesetz und Evangelium an die Hand.
Der für 1530 nach Augsburg
ausgeschriebene Reichstag sollte den kirchlichen Streit schlichten und die
Einheit der Kirche wieder herstellen. Um ihren Standpunkt darzulegen,
erarbeitete Melanchthon im Auftrag der evangelischen Stände, zum Teil auf der
Grundlage der Schwabacher Artikel, das Augsburgische Bekenntnis, das in seiner ungeänderten
Fassung zum Grundbekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche geworden ist.
In kurzen Artikeln wird die biblische Lehre bekannt und werden die Missstände
aufgeführt, die beseitigt werden sollten. Obwohl selbst römisch-katholische
Fürsten, wie Wilhelm von Bayern, sehr angetan waren, verwarf Rom dieses
Bekenntnis und antwortete mit der Confutatio, worauf
Melanchthon in der Apologie eine ausführliche Erklärung des Augsburgischen
Bekenntnisses schuf.
Immer wieder ist nach 1945
Luthers Stellung zu den Juden angegriffen worden. Manche Äußerungen sind heute,
nach dem Holocaust, für uns unverständlich, abstoßend. In dem geistlichen und
historischen Kontext aber waren sie zumindest verständlich und annehmbar.
Luther war kein Judenfeind. In seiner Schrift „Dass Jesus ein Jude war“, mahnte
er vielmehr, den Juden durch eine gute Behandlung zu zeigen, was der
christliche Glaube ist und hoffte, dass die Juden durch die erneuerte Kirche zu
Christus als ihrem Messias fänden. Er wurde aber darin bitter enttäuscht.
Vielmehr schlug ihm von vielen Juden Feindseligkeit entgegen. Das, was damals
aus dem Talmud bekannt wurde, erweckte den Eindruck eines schrecklichen und
verbohrten Christenhasses bei den Juden. Luther ging es Zeit seines Lebens
darum, dass die Juden von ihrer Werkgerechtigkeit heraus kämen und den Messias
fänden. Seine Schrift „Wider die Sabbather“ sowie,
als Entgegnung auf jüdische Angriffe auf diese Schrift und Schmähungen Jesu und
Marias in diesen Entgegnungen und darin enthaltenen Entstellungen von
Bibelstellen, in „Wider die Juden und ihre Lügen“ und „Vom Schem
Hamphoras und vom Geschlecht Christi“ setzt sich
Luther einerseits mit der jüdischen Werkgerechtigkeit auseinander und legt
andererseits vom Alten Testament dar, dass Christus der Messias ist. Seine
drastischen, für uns heute nicht mehr nachvollziehbaren, Maßnahmen, die er
vorschlug, waren damals nichts Außergewöhnliches und sollten den Juden die
Möglichkeit nehmen, sich in ihrer falschen Richtung noch mehr fest zu setzen
und sollten sie in ihrem Elend öffnen für den Messias.
Leider haben manche auch in
der lutherischen Kirche später nur eine feindselige Haltung gegen die Juden
übernommen. Viele aber haben das Anliegen, den Juden den Messias zu
verkündigen, aufgegriffen. Es sei an Edzardi in
Hamburg erinnert, den Hebräischlehrer August Hermann Franckes, an das Insititum Judaicum, das Francke
für die Mission unter Israel in Halle gründete, an die Erneuerung dieses
Instituts durch Franz Delitzsch in Leipzig und die Gründung des
„Evangelisch-Lutherischen Zentralvereins für Mission unter den Juden“ sowie die
Judenmissionsvereine in den skandinavischen Ländern und das daraus entstandene
Caspari-Institut in Jerusalem.
Die Zitate stammen aus den
Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, wie sie in der
„Concordia Triglotta“ aufgeführt sind (CA = Augsburgisches Bekenntnis; Apol.
= Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses; AS = Schmalkaldische Artikel; Kl. Kat. = Kleiner Katechismus; FC
= Konkordienformel, Epit. =
Kurze Darstellung, SD = Ausführliche Darstellung). Im Teil über die lutherische
Kirche als liturgische Kirche wird auch zitiert aus: Vilmos
Vajta: Die Theologie des Gottesdienstes bei Luther.
Göttingen 1959.
A) Die
evangelisch-lutherische Kirche ist BIBELKIRCHE, das heißt, sie bekennt:
„Es gilt nicht, dass man aus der heiligen Väter Werken oder Worten Artikel des
Glaubens macht.... Es heißt, Gottes Wort soll Artikel des Glaubens stellen und
sonst niemand, auch kein Engel.“ (AS, T. II, Art. II,15) Damit bezeugt sie,
dass es in der Kirche nur eine Autorität gibt und geben kann: nämlich die
Bibel, die klar ist und sich selbst auslegt und daher keiner Auslegung durch
Päpste oder Bischöfe bedarf, um verstanden zu werden. Darum kann und muss alle
Lehre der Kirche allein aus der Bibel kommen: „Wir glauben, lehren und
bekennen, dass die einzige Regel und Richtschnur, nach welcher zugleich alle
Lehren und Lehrer gerichtet und geurteilt werden sollen, sind allein die
prophetischen Schriften alten und neuen Testaments, wie geschrieben stehet:
‚Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.’ Ps.
119,115. Und St. Paulus: ‚Wenn ein Engel vom Himmel käme und predigte anders,
der soll verflucht sein.’“ (FC, Epit., Summ. 1)
Keine Tradition, keine
Wissenschaft, keine Erfahrung oder Erleben dürfen sich als Autorität neben oder
gar über die Bibel stellen. Sie ist das vom Heiligen Geist vollkommen
eingehauchte, inspirierte und daher absolut irrtumslose Gotteswort (Plenar-,
Verbal- oder Wörterinspiration), wie es schon im Nizänischen
Bekenntnis heißt vom Heiligen Geist „welcher durch die Propheten geredet hat“.
Auch die Schmalkaldischen Artikel bekennen, dass der
Heilige Geist durch die Schreiber geredet hat (AS, T. III, Art. VIII, 13). Und
die Apologie betont: „Meinen sie, dass der Heilige Geist sein Wort nicht gewiss
und bedächtig setze oder nicht wisse, was er rede?“ (Apol.
IV, 108)
Darum ist für die
evangelisch-lutherische Kirche die ganze Bibel ohne Einschränkung verbindlich,
was gerade im Blick auf das Feststellen von Kirchengemeinschaft wichtig ist.
Die evangelisch-lutherische
Kirche hat aber kein lineares Verständnis der Heiligen Schrift, so, als stünden
alle Lehrartikel gleichgewichtig nebeneinander. Sie bekennt, dass der Christus
für uns, die Rechtfertigung allein aus Gnaden, allein um Christi Verdienst
willen, allein durch den Glauben der Kern und Stern der Heiligen Schrift Alten
und Neuen Testaments ist: „Dieweil aber solcher Zank ist über dem höchsten,
vornehmsten Artikel der ganzen christlichen Lehre, also dass an diesem Artikel
ganz viel gelegen ist, welcher auch zu klarem, richtigem Verstande der ganzen
heiligen Schrift vornehmlich dienet und zu dem unaussprechlichen Schatz und der
rechten Erkenntnis Christi den Weg weist, auch in die ganze Bibel allein die
Tür auftut, ohne welchen Artikel kein armes Gewissen einen rechten beständigen
Trost haben oder die Reichtümer der Gnade Christi erkennen mag.“ (Apol. IV, 2) Wer diesen Kern und Stern nicht recht erkennt,
wird die Bibel falsch verstehen.
Zum rechten Verständnis der
Schrift ist als Licht aber auch nötig, dass Gesetz und Evangelium als die
beiden Weisen Gottes, mit uns zu handeln, recht unterschieden werden, damit die
Christen Natur und Gnade recht unterscheiden und nicht in Werkgerechtigkeit und
Gesetzlichkeit enden. „Nachdem der Unterschied des Gesetzes und Evangeliums ein
besonders herrliches Licht ist, welches dazu dienet, dass Gottes Wort recht geteilet und der heiligen Propheten und Apostel Schriften
eigentlich erkläret und verstanden [werden], ist mit besonderem Fleiß über
demselben zu halten, damit diese zwei Lehren nicht untereinander vermischt oder
aus dem Evangelium ein Gesetz gemacht, dadurch das Verdienst Christi verdunkelt
und die betrübten Gewissen ihres Trostes beraubt [werden], den sie sonst in dem
heiligen Evangelium haben, wenn dasselbe lauter und rein gepredigt [wird], und
sich in ihren höchsten Anfechtungen wider das Schrecken des Gesetzes aufhalten
können.“ (FC, SD, V, 1)
B) Weil die
evangelisch-lutherische Kirche so klar Gesetz und Evangelium unterscheidet und
die Rechtfertigung allein aus Gnaden, allein um Christi Verdienst willen,
allein durch den Glauben als Kern und Stern der Bibel bekennt, darum ist sie
auch EVANGELIUMSKIRCHE. Wie schon in dem Zitat aus der Apologie oben
gezeigt, betont die lutherische Kirche, dass die ganze Bibel christozentrisch ist, als auf Christus, den Heiland der
Welt, das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, hinweisend, und dass darum in
Lehre und Verkündigung das Evangelium dominieren muss. „Die Lehre vom Glauben
..., welche uns das Evangelium mit großem Ernst vorhält und treibt hart darauf,
dass man das Verdienst Christi hoch und teuer achte und wisse, dass glauben an
Christus hoch und weit über alle Werke zu setzen sei.“ (CA, XXVI, 4) Darum
besteht die lutherische Kirche darauf, dass wir gerechtfertigt werden,
freigesprochen werden im Jüngsten Gericht, in den Himmel kommen nicht aus
eigenen Werken oder Leistungen, auch nicht durch menschliches Mitwirken, etwa
aus einer „eingegossenen Gnade“ bewirkt, sondern allein aus Gnaden durch den
Glauben, der die fremde Gerechtigkeit, die außerhalb von uns ist, die Christus
uns durch seinen Gehorsam, Leiden und Sterben erworben hat, ergreift. „Derhalben hat St. Paulus heftig wider das Gesetz Moses und
menschliche Tradition gefochten, dass wir lernen sollen, dass wir vor Gott
nicht fromm werden aus unseren Werken, sondern allein durch den Glauben an
Christus, dass wir Gnade erlangen um Christus willen.“ (CA, XXVI, 5) Darum
bekennt die evangelisch-lutherische Kirche auch, dass mit diesem Artikel die
Kirche steht und fällt: „Von diesem Artikel kann man nicht weichen oder
nachgeben, es falle Himmel und Erde, oder man nicht bleiben will.“ (AS, T. II,
Art. I, 5)
Das Evangelium von Christus
als dem Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, als dem Heiland der Welt, kann
aber nur unverfälscht bleiben, wenn es gelehrt und verkündigt wird auf dem
Hintergrund der abgrundtiefen Verdorbenheit des natürlichen Menschen und der
Tatsache, dass er daher in geistlichen Dingen keinen freien Willen mehr hat,
sondern geistlich tot ist, sich auch gar nicht von sich aus für Christus
entscheiden kann, sondern auch Vernunft und Willen bekehrt werden müssen. Der
natürliche Mensch ist „von Mutterleib an voll böser Lust und Neigung und kann
keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott von Natur haben“. (CA,
II) „Ohne Gnade, Hilfe und Wirkung des Heiligen Geistes vermag der Mensch Gott
nicht gefällig [zu] werden, Gott herzlich zu fürchten oder zu glauben oder die
angeborne böse Lust aus dem Herzen zu werfen, sondern solches geschieht durch
den heiligen Geist, welcher durch Gottes Wort gegeben wird. Denn Paulus spricht
1. Kor. 2,14: ‚Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes.’“ (CA,
XVIII, 1-3)
Darum bekennt die
evangelisch-lutherische Kirche auch, dass die Bekehrung, Wiedergeburt des
Menschen allein des Heiligen Geistes Werk durch das Evangelium ist: „Ich
glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus,
meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat
mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten
Glauben geheiliget und erhalten; gleichwie er die
ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus
Christus erhält im rechten einigen Glauben; in welcher Christenheit er mir und
allen Gläubigen täglich alle Sünden reichlich vergibt und am Jüngsten Tag mich
und alle Toten auferwecken wird und mir samt allen Gläubigen in Christus ein
ewiges Leben geben wird. Das ist gewisslich wahr.“ (Kl. Kat, 2. Hauptst., Erkl. des 3. Glaubensart.) „Desgleichen glauben,
lehren und bekennen wir, dass des Menschen unwiedergeborner Wille nicht allein
von Gott abgewandt, sondern auch ein Feind Gottes geworden ist, dass er nur
Lust und Willen hat zum Bösen und nur Gott zuwider ... Ja, so wenig ein toter
Leib sich selbst lebendig machen kann zum leiblichen, irdischen Leben, so wenig
kann ein Mensch, so durch die Sünde geistlich tot ist, sich selbst zum
geistlichen Leben aufrichten... Die Bekehrung aber wirkt Gott der Heilige Geist
nicht ohne Mittel, sondern gebraucht dazu die Predigt und das Gehör Gottes
Wortes, wie geschrieben steht: ‚Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, selig zu
machen.’ Röm. 1, ebenso: ‚Der Glaube kommt aus dem
Gehör Gottes Wortes.’ Röm. 10.... Mit welchen kurzen
Worten er dem freien Willen seine Kräfte abspricht und alles der Gnade Gottes
zuschreibt, damit sich niemand vor Gott rühmen könnte. 1. Kor. 9,1“ (FC, Epit. II, 2-6) „Aber zuvor und ehe der Mensch durch den
Heiligen Geist erleuchtet, bekehrt, wiedergeboren, erneuert und gezogen wird,
kann er für sich selbst und aus seinen eigenen natürlichen Kräften in
geistlichen Sachen und seiner eigenen Bekehrung oder Wiedergeburt etwas
anfangen, wirken oder mitwirken gleich so wenig wie ein Stein oder Block oder
Ton... Wie denn ... die Heilige Schrift die Bekehrung, den Glauben an Christus,
die Wiedergeburt, Erneuerung und alles, was zu derselben wirklichen Anfang und
Vollziehung gehört, nicht den menschlichen Kräften des natürlichen freien
Willens, weder zum ganzen noch zum halben noch zu einigem, dem wenigsten oder
geringsten Teil zulegt, sondern in solidum, das ist,
ganz und gar, allein der göttlichen Wirkung und dem Heiligen Geist zuschreibt.“
(FC, SD, II, 24-25)
Dabei ist auch das
Verständnis von Wiedergeburt oder Bekehrung im reformatorischen Luthertum ein
anderes als etwa im Pietismus, schon bei Spener
angefangen, oder den Evangelikalen. Die Rechtfertigung im
biblisch-reformatorischen Sinne ist eine unbedingte, nicht an vorher zu
erfüllende Bedingungen gebundene. Wohl führt das Gesetz zur Erleuchtung über
den eigenen Zustand, zur Sündenerkenntnis, erweckt den bis dahin schlafenden
Sünder, bewirkt also mit der Sündenerkenntnis auch eine Abscheu vor der Sünde,
ein die Sünde Lassen wollen, eine Betrübnis darüber, gesündigt zu haben – aber
das sind keine Werke, die der Sünder Gott bringen muss, das sind Werke des
Heiligen Geistes im Sünder, der dann, wenn er unter der Wucht der Sünde zu
verzweifeln droht, den längst in Christus geschehenen Freispruch, die auf
Golgatha geschehene Versöhnung Gottes durch Christus, bestätigt durch die
Auferweckung Christi, die durch Christus erworbene Vergebung der Sünden
ergreift. „... dass also die Gerechtigkeit des Glaubens sei Vergebung der
Sünden, Versöhnung mit Gott, und dass wir zu Kindern Gottes angenommen werden
um des einigen Gehorsams Christi willen, welcher allein durch den Glauben, aus
lauter Gnade, allen wahrhaft Gläubigen zugerechnet wird und sie um desselben
willen von aller ihrer Ungerechtigkeit absolviert werden.“ (FC, SD, III, 4)
Nicht die gläubige Annahme des Wortes im Herzen schafft Raum für die Wirkung
des Wortes, sondern umgekehrt: Das Wort selbst hat die Kraft und wirkt alles.
Die Rechtfertigung ist völlig, nicht nur zu einem Teil, ein rein juristischer
Zuspruch, keine Änderung der Natur des Menschen, keine Umwandlung; sie ist
nicht ein Vorgang im Menschen, sondern Zuspruch von außen aufgrund eines
fremden, Christi, Verdienstes. Der Sünder, der Gottlose, der die
bedingungslose, freie Gnade in Christus ergreift, dem wird sein Glaube
gerechnet zur Gerechtigkeit. „Von der Gerechtigkeit vor Gott glauben, lehren
und bekennen wir einhellig vermöge hievorgesetzten
summarischen Begriffs unsers christlichen Glaubens und Bekenntnisses, dass ein
armer, sündiger Mensch vor Gott gerechtfertigt, das ist, absolviert, los und
ledig gesprochen werde von allen seinen Sünden und von dem Urteil der
wohlverdienten Verdammnis, auch angenommen werde zur Kindschaft und Erbschaft
des ewigen Lebens, ohne einig unser Verdienst oder Würdigkeit, auch ohne alle
vorhergehenden, gegenwärtigen oder auch folgenden Werke, aus lauter Gnade,
allein um des einigen Verdienstes, des ganzen Gehorsams, bitteren Leidens,
Sterbens und Auferstehung unsern Herrn Christi willen, des Gehorsam uns zur
Gerechtigkeit zugerechnet wird. Welche Güter uns in der Verheißung des heiligen
Evangelii durch den Heiligen Geist vorgetragen
werden, und ist allein der Glaube das einige Mittel, dadurch wir sie ergreifen,
annehmen und uns applizieren und zueignen; welcher ist eine Gabe Gottes,
dadurch wir Christum, unsern Erlöser, im Wort des Evangelii
recht erkennen und auf ihn vertrauen, dass wir allein um seines Gehorsams
willen, aus Gnaden, Vergebung der Sünden haben, für fromm und gerecht vor Gott
dem Vater gehalten und ewig selig werden.“ (FC, SD, III, 9-11) Die Erneuerung
ist wohl Folge der Rechtfertigung und muss folgen, aber sie ist nicht Bedingung
der Rechtfertigung, ist auch nie vollkommen. (Luther: Fides sola
iustificat, sed numquam est sola.
Der Glaube allein rechtfertigt, ist aber niemals allein.) Der Sünder wird auch
nicht immer vollkommener, sondern bedarf, gerade auch wenn er bewusst in der
Heiligung leben will, täglich der Buße, der Umkehr, der Vergebung der Sünden.
Der Lebensbereich des lutherischen Christen, der sich als Gerechtfertigter und
Sünder zugleich weiß (simul iustus
et peccator), ist und bleibt die Rechtfertigung. Das
Sündersein wird nur im Glauben, nicht in der Natur aufgehoben. Umkehr, Glaube
und Heiligung bilden keinen Dreischritt, der aufeinander folgt, die
Rechtfertigung also ein vergangenes Stadium sein lässt, sondern sind im
Christenleben ständig ineinander verwoben. „Wenn wir aber lehren, dass durch
die Wirkung des Heiligen Geistes wir neugeboren und gerecht werden, so hat es
nicht die Meinung, dass den Gerechtfertigten und Wiedergebornen keine
Ungerechtigkeit nach der Wiedergeburt im Wesen und Leben mehr sollte anhangen,
sondern dass Christus mit seinem vollkommenen Gehorsam alle ihre Sünden
zudeckt, die doch in der Natur in diesem Leben noch stecken. Aber solches
unangesehen, werden sie durch den Glauben und um des Gehorsams Christi willen
(den Christus dem Vater von seiner Geburt an bis in den allerschmählichsten Tod
des Kreuzes für uns geleistet hat) für fromm und gerecht gesprochen und
gehalten, ob sie gleich ihrer verderbten Natur halber noch Sünder sind und
bleiben bis ins Grab.... Also ist ein wahrer, seligmachender Glaube nicht in
denen, so ohne Reue und Leid sind und einen bösen Vorsatz haben, in Sünden zu
bleiben und zu beharren, sondern wahre Reue geht vorher, und rechter Glaube ist
in oder bei wahrer Buße.“ (FC, SD, III, 22.26) „Demnach verwerfen und verdammen
wir einhellig … dass der Glaube nicht allein ansehe den Gehorsam Christi,
sondern seine göttliche Natur, wie dieselbe in uns wohnt und wirkt und durch
solche Einwohnung unsere Sünden vor Gott zugedeckt werden.“ (FC, SD, III, 63)
C) Die
evangelisch-lutherische Kirche bekennt sich, wie schon dargelegt, zur Bibel,
und zwar zur ganzen Bibel, als der einzigen Autorität in der Kirche, das heißt,
sie beharrt darauf, dass die gesamte unteilbare Wahrheit, die Lehre der Bibel,
auch gelehrt wird. Sie ist deshalb BEKENNTNISKIRCHE, denn es ist ihr
nicht nur wichtig, dass Menschen glauben, sondern auch, was sie glauben, denn
Glaube ist kein Gefühl, kein Erlebnis, sondern herzliches Vertrauen aufgrund
des Wortes Gottes. Bekenntniskirche heißt einmal, dass die lutherische Kirche
aufgrund der Lehrauseinandersetzungen Bekenntnisschriften hat, in denen sie die
Lehre der Bibel in den strittigen Punkten bezeugt, weshalb diese
Bekenntnisschriften von der Bibel normierte Lehre sind, und, weil sie sich ohne
wenn und aber zur gesamten Lehre der Bibel bekennt und keine Irrlehre duldet,
keine Gemeinschaft mit falscher Lehre akzeptiert. In der Augsburgischen
Konfession bekennt sie: „Es wird gelehrt, dass allezeit müsse eine heilige
christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller
Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen
Sakramente laut des Evangeliums gereicht werden. Denn dies ist genug zu wahrer
Einigkeit der christlichen Kirche, dass da einträchtiglich
nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen
Wort gemäß gereicht werden.“ (CA, VII, 1.2) Die evangelisch-lutherische Kirche
versteht sich daher als Kirche des reinen Wortes und der unverfälschten
Sakramente. Denn sie spricht mit Luther: „Die Lehre ist nicht unser, sondern
Gottes, dessen berufene Diener wir sind. Darum können wir auch nicht einmal ein
Tüttelchen derselben nachlassesn oder ändern.“ (W, IX, Sp. 644)
Daher lehnt die lutherische
Kirche jede Vermischung der Konfessionen und Religionen ab, auch die Union konfessionsverschiedener Kirchen, wie auch die Gemeinschaft
von Christen unterschiedlicher, sich widersprechender Bekenntnisse.
Weil für die lutherische
Kirche die biblische Lehre eine eminente Bedeutung hat, war und ist für sie die
kirchliche Unterweisung, und zwar schon der Kinder, immer eine wichtige Aufgabe
gewesen, weshalb sie überall, wo sie hinkam, Schulen und Hochschulen gegründet
hat.
Weil sie Bekenntniskirche
ist, darum ist sie auch BEKENNENDE KIRCHE, nämlich eine Kirche, die das
Wort auch nach außen trägt, in Volksmission und Völkermission. (Leider ist
Letzteres nicht immer der Fall gewesen; aber seit der Zeit der
Dänisch-Halleschen Mission und insbesondere seit der Erweckung und Erneuerung
im 19. Jahrhundert ist die lutherische Kirche auch missionierende Kirche.)
D) Die
evangelisch-lutherische Kirche ist, im Gegensatz zu den meisten evangelikalen
Kirchen, eine LITURGISCHE KIRCHE: Was heißt das? Dies besagt nicht, dass
die lutherische Kirche der Ansicht wäre, es gäbe eine von Gott eingesetzte und
daher genau zu befolgende Liturgie; die lutherische Kirche hat darinnen
vielmehr eine große Freiheit. Es heißt auch nicht, dass sie der Liturgie eine
magische Kraft beimesse. Aber warum ist sie dann liturgische Kirche? Sie ist
liturgische Kirche um des unverfälschten Evangeliums Christi willen, das Gott
uns nicht anders als in der Fülle seiner Gnadenmittel, dem Evangelium in Wort,
Taufe, Absolution und Abendmahl anbietet, darreicht, zueignet.
Die lutherische Liturgie stellt den Gottesdienstteilnehmer
bewusst in die Gegenwart des dreieinigen Gottes, auf den er getauft ist, ruft
ihn auf, als schwacher Mensch den dreieinigen Gott um sein Erbarmen anzuflehen
und als elender Sünder seine Schuld zu bekennen und um Vergebung zu flehen. Sie
leitet auch an zu Anbetung, Lobgesang, zur Bitte und Fürbitte. Vor allem aber,
und das ist das Zentrum, der evangelisch-lutherische Gottesdienst gibt dem
Wirken Gottes Raum in Predigt und Sakrament. Denn nach lutherischer Lehre
bringt nicht der Mensch im Gottesdienst Gott etwas, sondern ist die Hauptsache
und das Zentrum dies, dass Gott uns dient durch Gesetz und Evangelium in Wort
und Sakrament, um so Sündenerkenntnis, Umkehr, Glauben, christliches Leben zu
wirken. Der Mensch kann nicht zu Gott kommen – darum kommt Gott zum Menschen in
seinem Wort, in der Taufe und im Abendmahl, wobei auch in Taufe und Abendmahl
das Wort das Entscheidende ist. „So aber die Zeremonien sollen darum gehalten
werden, dass die Leute die Schrift und Gottes Wort lernen und dadurch zu Gottesfurcht
kommen und Trost erlangen und also recht leben, denn darum sind Zeremonien
eingesetzt.“ (Apol. XXIV, 3) Der Glaube und seine
Frucht leben aus dem in Wort und Sakrament handelnden Gott.
Der Gottesdienst und
insbesondere die „Predigt ist eine Kampfhandlung Christi, die den
Versöhnungskampf gegen alle Feinde in der Gewissheit des Sieges fortführt“ (Vajta, S. 141 f.).
Der evangelisch-lutherische
Gottesdienst ist dabei in erster Linie Gemeindegottesdienst, das ist,
Gottesdienst für Christen oder solche, die schon im fortgeschrittenen Katechumenat stehen. Er ist nicht in erster Linie
Missionsveranstaltung, sondern soll Unterweisung im Wort und Vergewisserung in
der Gnade sein, denn „im Gottesdienst soll unter Christen alles um des Wortes
und der Sakramente willen geschehen“ (W, X, 257).
Die Liturgie, die in der
lutherischen Kirche gebraucht wird, zeigt auch wieder den konservativen,
bewahrenden Grundcharakter der lutherischen Kirche, denn sie hat diejenige
Liturgie übernommen, die über 15 Jahrhunderte in der christlichen Kirche
entfaltet wurde und in ihrem Grundgerüst auf den alttestamentlichen
Synagogengottesdienst zurück geht.
Neben diesem
Gemeindegottesdienst kennt die lutherische Kirche allerdings auch verschiedene
Einrichtungen, die auch für noch Außenstehende geeignet sind, insbesondere die
Katechismusstunden und die Bibelstunden; als besondere Einrichtung für
Interessierte den Katechumenat, wo sie mit der
biblischen Geschichte und der biblischen Lehre bekannt werden.
Der nachfolgende Text
gründet hauptsächlich auf der
Übersetzung einer von der Evangelical
Lutheran Church of England unter dem Titel „What Lutherans Believe and Teach“ herausgegebenen Darlegung. Der Abschnitt über
„Taufwiedergeburt“ ist eine Ergänzung des Verfassers des gesamten Artikels.
Wir glauben und lehren, dass
die Heilige Schrift, Altes und Neues Testament, in allen ihren Worten das
inspirierte Gotteswort ist und daher wahr und glaubwürdig; dass sie die einzige
Quelle ist für die Verkündigung des Evangeliums, durch das der Heilige Geist
den Glauben an Jesus Christus wirkt; und dass sie so klar in ihrer Anklage der
Sünde und in ihrem Angebot der Erlösung ist, dass jeder, der an Christus
glaubt, sie lesen und verstehen kann.
2. Petr. 1,21; 2. Tim.
3,15-17; 1. Kor. 2,13; Gal. 1,7-9; Joh. 20,31; 2.
Petr. 1,19; Psalm 119,105.130.
Lutheraner glauben und
lehren, dass diejenige Kenntnis von Gott, die wir Menschen von Natur aus haben,
fehlerhaft und für die Erlösung ungenügend ist; dass sichere und rettende
Erkenntnis Gottes nur durch die Heilige Schrift erlangt werden kann, in welcher
Gott sich deutlich offenbart hat als die Heilige Dreieinigkeit, Vater, Sohn und
Heiliger Geist, drei gleichrangige Personen in einem Wesen; und dass jeglicher
andere Gott, der durch Menschen verehrt wird, ein Götze ist.
Röm. 1,19-20; 2,14-15; 5. Mose 6,4; Matth. 28,19; Joh. 5,23; 1. Kor. 8,4-6.
Lutheraner glauben und lehren, dass der Mensch durch
Gott in Gottes Ebenbild geschaffen wurde; dass dieses Ebenbild Gottes, das in
der Vollkommenheit und Heiligkeit des Menschen bestand, verloren ging, als wir
Menschen in Sünde fielen; und dass durch diesen Fall alle Menschen Sünder
wurden, völlig verdorben und ohne jegliche Möglichkeit, sich aus eigener Kraft
selbst aus der Sünde zu retten.
1. Mose
2,7; 3,1-16; 1,27; 5,3; Psalm 53,3; Röm. 5,12; Psalm
143,2; Jes. 64,6.
Lutheraner glauben und
lehren, dass richtig und falsch nur im Hinblick auf Gottes heiliges Gesetz
festgelegt werden kann; dass jeglicher Gedanke, Wort oder Tat, die gegen Seinen
Willen sind, falsch und damit Sünde ist; dass jegliche Sünde, Erbsünde oder
Tatsünde, Rebellion gegen Gott ist; dass die Sünde die Wurzel allen Übels in
der Welt ist; und dass jeder Mensch um der Sünde willen von seiner Geburt an
dem Tod und der ewigen Verdammnis verfallen ist.
Hes. 18,30; Röm. 8,7; 1. Joh. 3,4; 1. Mose 8,21; Sach. 8,17; Röm. 6,23.
Lutheraner glauben und
lehren, dass Jesus Christus Gott-Mensch ist; dass er als Gottes Sohn von
Ewigkeit her ist und in jeglicher Hinsicht gleichrangig mit dem Vater und dem
Heiligen Geist; dass er als der Menschensohn geboren wurde von einer Mutter,
die noch Jungfrau war, und dass er vollkommen sündlos war, aber sonst in jeder
Hinsicht ein wahrer Mensch; dass der das Gesetz Gottes für alle Menschen
erfüllte und dann die Strafe bezahlte für die Schuld aller Menschen durch sein
Leiden und Sterben am Kreuz; dass durch sein Opfer die Welt erlöst und mit Gott
versöhnt wurde; dass durch seine Höllenfahrt er seinen Triumph über seine
Feinde zeigte und dass er durch seine Auferstehung von den Toten zum allgenügsamen Erlöser erklärt wurde; und dass er sichtbar
zur Erde wiederkommen wird am Jüngsten Tag, um alle Menschen zu richten, die
lebendigen und die toten.
Joh. 1,1; Matth.
1,18-25; 1. Petr. 2,22; 2. Kor. 5,19; 1. Joh. 2,2;
Kol. 2,15; Röm. 1,14; Apg.
10,42.
Lutheraner glauben und lehren,
dass die Bekehrung Buße und Glauben umfasst; dass sie nicht nur eine moralische
Erneuerung ist oder ein feierlich Entschluss, sein Leben zu verbessern, sondern
eine völliger Austausch des Herzens, eine geistliche Neugeburt des Sünders,
eine wunderbare Neuschöpfung, bewirkt durch die Kraft des Heiligen Geistes, der
durch das Evangelium wirkt; und dass in der Bekehrung Gott im bußfertigen
Herzen den Glauben schafft.
2. Mose
11,19; Jer. 31,18; Joh.
1,12-13; Röm. 10,17; Apg.
11,21.
Lutheraner glauben und lehren,
dass der rettende Glaube nicht nur eine vernunftmäßige Zustimmung zu
Schriftaussagen ist, sondern einzig das Vertrauen des bußfertigen Sünders in
Gottes Vergebung, die ihm in Christi Namen angeboten wird; dass solch ein
Glaube nicht ein Akt des Gehorsams ist oder ein eigenes Werk des menschlichen
Willens, sondern vollständig ein Akt der Gnade Gottes durch den Heiligen Geist
mittels des Evangeliums; und wenn der Mensch nicht dieses schlichte Vertrauen
zu Christus hat, dass er dann nicht gerettet werden kann.
Jak.
2,19; Jes. 55,6-7; Mark. 1,15; Joh. 1,12.16; 1. Kor. 12,3; Röm. 10,17; Apg.
16,31; Joh. 3,36.
Lutheraner glauben und
lehren, dass die Kirche nicht eine äußere Organisation ist, sondern die
Gemeinschaft der Heiligen, die von all denen gebildet wird, unabhängig von Denomination, Sprache oder Hautfarbe, die in ihrem Herzen
Jesus als ihren Gott und Heiland annehmen; dass diese Kirche, die überall da
gefunden werden kann, wo das Evangelium von Christus gepredigt wird, Gott
bekannt ist, aber verborgen für den Menschen, da es den Menschen unmöglich ist
festzustellen, wer von denjenigen, die angeben, Christen zu sein, den wahren
Glauben in ihren Herzen haben; und dass kein Kirchenkörper das Recht hat von
sich zu behaupten, die „allein seligmachende Kirche“ zu sein, außerhalb von der
es keine Rettung gäbe.
Lutheraner glauben und
lehren, dass es eine sichtbare (empirische) christliche Kirche gibt, die aus
denjenigen besteht, die den christlichen Glauben bekennen und Gottes Wort
gebrauchen, unter denen es aber Heuchler gibt und solche Lehrer, die
schriftwidrige Lehre bringen; und dass es die Pflicht eines jeden ernsthaft
Gläubigen ist, sich denjenigem Kirchenkörper
anzuschließen, der die Bibel vollständig und rein lehrt und geistliche Gemeinschaft
mit denjenigen zu meiden, die von Gottes Wort abweichen.
Joh.
18,36; Eph. 1,22-23; Jes. 55,10.11; Luk. 17,20-21; 2. Tim.
2,19; Matth. 13,47-48; 15,9; Röm. 16,17; 2. Thess. 3,6.14; 2.
Kor. 6,14-18.
Lutheraner glauben und
lehren, dass das christliche Predigtamt ein Amt ist,
das Gott eingesetzt hat, damit Sein Wort und Sakrament öffentlich verwaltet
werden, und nicht eine besondere Ordnung wie das alttestamentliche Priestertum;
dass es die Berufung durch die Gemeinde ist und nicht der nachfolgende Akt der
Ordination (die kirchliche Ordnung ist, aber nicht Gottes Befehl hat), was zum
Prediger macht; dass die Lehre, dass eine Ordination „in apostolischer Sukzession“ besondere Gaben mitteile keinen Schriftgrund
hat; dass die neutestamentlichen Begriffe ‚Bischof’,
‚Ältester’, ‚Hirte’ ein und dasselbe Amt beschreiben; und dass der Dienst des Predigtamtes nicht an Frauen gegeben werden darf.
Hebr. 10,12.14.18; 1. Tim. 2,5;
Apg. 6,2; 1. Petr. 2,9; Tit. 1,5.7; Apg. 20,17.28; 1. Kor. 14,34; 1. Tim. 2,11.
Lutheraner glauben und
lehren, dass das Sakrament der Heiligen Taufe durch Jesus Christus als ein
Gnadenmittel eingesetzt wurde, durch das der Heilige Geist Vergebung der Sünden
und die Verheißung des ewigen Lebens anbietet; dass durch das Wort Gottes in
der Taufe Säuglinge Kinder Gottes werden und Erwachsene ihrer Annahme durch den
Glauben an Christus vergewissert werden; und dass die Taufe ausgeführt werden
kann durch Besprengen, Begießen oder Untertauchen, so lange nur Wasser
verwendet wird im Namen des dreieinigen Gottes gemäß Christi Befehl.
Matth. 28,19;
Tit. 3,5; Mark. 10,14; 7,4 (vgl. die verschiedenen Bedeutungen des
ursprünglichen Wortes ‚baptizein’, hier übersetzt als
‚waschen’); Mark. 16,16; Apg. 22,16.
Wie steht die lutherische Kirche zur
Taufwiedergeburt?
Diese Frage ist nicht pauschal zu beantworten, da es
wichtig ist zu klären, was denn unter „Taufwiedergeburt“ verstanden wird. Heute
wird vielfach, leider unterstützt durch das Verhalten in verschiedenen Kirchen,
die Meinung vertreten, dass der Mensch mit der Taufe, die an ihm vollzogen sei,
um des Vollzuges willen, gerettet sei und ihm nun nichts mehr passieren könne,
er sozusagen einen „Freifahrtschein in den Himmel“ hat. Das hat aber die
evangelisch-lutherische Kirche nie gelehrt.
Die lutherische Kirche bekennt allerdings mit den
einschlägigen Bibelstellen aus Joh. 3, Apg. 2; 22; Röm. 6; Gal. 3; Eph. 5; Tit. 3, dass die Taufe kein menschlicher Akt ist,
kein Gehorsamsakt, den wir Gott bringen, auch kein bloßes Zeichen für etwas,
was völlig unabhängig davon sich vollzieht, sondern dass sie ein Wirken, Geben
durch den lebendigen Gott ist, der darinnen dem Täufling darreicht und anbietet
die Wiedergeburt, den Tod des alten Menschen, das Auferstehen des neuen
Menschen, die Vergebung der Sünden. Der Täufling aber hat all diese Gaben
einzig und allein durch den Glauben an Jesus Christus, nicht aus einem bloßen
Vollzug des Taufaktes. Die evangelisch-lutherische Kirche glaubt allerdings,
dass gemäß Matth. 18 und Mark. 10 auch die kleinen
Kinder und Säuglinge glauben können, nämlich vertrauen, und dass der Heilige
Geist durch das Wort in der Taufe in den nicht widerstrebenden Herzen der
Säuglinge den Glauben weckt.
Die lutherische Kirche bekennt, dass zum Jüngermachen
gemäß Matth. 28 die Taufe und das Lehren gehören und
dass daher nur dann an den Säuglingen die Taufe vollzogen werden darf, wenn
menschlich gesehen die Voraussetzung zu einer bibeltreuen christlichen
Unterweisung gegeben ist. Sie bekennt weiter, dass jeder, auch der als Säugling
Getaufte, wenn es bei ihm zum Erwachen des Bewusstseins kommt, dann auch zu
einer klaren Erkenntnis seiner Sündenverdorbenheit und seiner Verlorenheit ohne
Jesus Christus und zu einer lebendigen Erkenntnis Christi als seines
persönlichen Heilandes kommen muss, also zu einem bewussten Glauben – sonst
geht der Mensch verloren. Die lutherische Kirche weiß, dass viele, die als
Säuglinge getauft wurden, später wieder aus dem Glauben fallen und daher
unbedingt der Bekehrung bedürfen. Von Gottes Seite her bleibt das Angebot der
Taufgnade erhalten. Die lutherische Kirche sieht daher gerade auch für die
volksmissionarische Arbeit eine große Möglichkeit, bei der Taufe, ihrem
Geschenk und ihrer Verpflichtung anzuknüpfen, um zur Umkehr zu rufen. Viele der
Erweckungsprediger des 19. Jahrhunderts haben die lutherische Tauflehre
vertreten, z.B. Emil Wacker (Nordschleswig), Claus Harms (Schleswig-Holstein), Remmer Janßen (Ostfriesland),
Louis Harms (Lüneburger Heide), Johann Hinrich Volkening
und Theodor Schmalenbach (Minden-Ravensberg), Gustav Knak (Brandenburg-Pommern), Friedrich Brunn (Nassau),
Wilhelm Löhe (Franken), Henric Schartau
und Carl Olof Rosenius (Schweden), Gisle Johnson
(Norwegen), Friedrich Theodor Horning (Elsaß).
Lutheraner glauben und
lehren, dass in dem anderen Sakrament, dem heiligen Abendmahl, der Herr Jesus
Christus, gemäß Seinem eigenen klaren Wort, uns Seinen Leib und Sein Blut zur
Vergebung der Sünden gibt; dass der lutherische Glaube, auch „Realpräsenz“
genannt, aber nicht beinhaltet, es sei durch Verwandlung (Transsubstantiation)
oder Dabeisein (Konsubstantiation),
oder dass die irdischen Elemente irgendwie verändert würden. Vielmehr, dass das
Brot Brot bleibt und der Wein Wein
bleibt; dass aber aufgrund der Einsetzungsworte Jesu dieses Brot Sein Leib und
dieser Wein Sein Blut ist; dass alle, die am Tisch des Herrn essen und trinken
Seinen Leib und Sein Blut in, mit und unter Brot und Wein empfangen; dass
solche, die glauben, es empfangen zur Stärkung ihres Glaubens, diejenigen aber,
die nicht glauben, zu ihrer Verdammnis; und dass daher das Sakrament denen
nicht gereicht werden darf, die nicht in der Lage sind, sich in ihrem
christlichen Glauben selbst zu prüfen.
Matth. 26,26-28; Mark. 14,24; 1.
Kor. 11,24-25.26-28; Matth. 7,6; 1. Kor. 11,29.
Lutheraner glauben und lehren, dass am Jüngsten Tag die Körper aller Menschen, die getrennt sind von ihrer Seele, auferweckt und mit ihrer Seele vereinigt werden; dass in dem folgenden Gericht durch Christus, das alle Menschen einschließen wird, der bestimmende Faktor nicht Moral, sondern der Glaube an Christi Erlösungswerk sein wird; dass alle Gläubigen wie Christus auffahren werden, um mit Gott für immer im Himmel (in der Gottesgemeinschaft) zu leben, während alle Ungläubigen zur ewigen Strafe in die Hölle (die Gottesferne) geschickt werden.
Joh. 5,28-29;
Apg. 10,42; 1. Kor. 15,51-52; Röm. 8,18;
Matth. 10,28; Jes. 66,24.
Der lutherische Gottesdienst
ist ein einfacher liturgischer Gottesdienst für die Gemeinde.
Der Gottesdienst ist eine
Handlung des Volkes Gottes, das in Seiner Gegenwart zusammenkommt, um Ihn um
Seine Gnade zu bitten, sie zu empfangen und Ihm dafür zu danken. Da Gott Seine
rettende Gnade durch Sein Wort und Sakrament mitteilt, stehen im Mittelpunkt
des lutherischen Gottesdienstes diese Gnadenmittel. Nach lutherischer Ansicht
ist jeder Gottesdienst, in dem das Evangelium rein verkündigt und die
Sakramente schriftgemäß verwaltet werden, Gott wohlgefällig.
Die bisherige Darstellung
der evangelisch-lutherischen Kirche gibt das wieder, was sie aufgrund ihrer
Bekenntnisse und Dogmatik sein sollte. Aber nur ein Bruchteil der Kirchen und
Gemeinden, die sich lutherisch nennen, stimmt auch nur annähernd damit überein.
Das ist die große Tragödie des heutigen Luthertums, besonders im
deutschsprachigen Raum und in Europa. Im folgenden
soll versucht werden, die Hauptströmungen im heutigen Luthertum darzustellen;
erschöpfend kann diese Beschreibung nicht sein. Anhaltspunkt sollen zunächst
die drei nebeneinander bestehenden Weltbünde sein.
a) Lutherischer Weltbund:
Der Lutherische Weltbund
(LWB) nimmt für sich in Anspruch, mit seinen ca. 66 Mio
Mitgliedern etwa 95 % des Weltluthertums zu repräsentieren. Von Anfang an hat
der LWB darauf verzichtet, die Geltung der Heiligen Schrift und der
lutherischen Bekenntnisse für unbedingt verbindlich zu erklären, so dass die
dem Bekenntnisluthertum zuzurechnenden Kirchen von Beginn an eine
Mitgliedschaft ablehnten. Von seiner Grundhaltung her ist der LWB liberal und
sehr stark ökumenisch und hat mit der „Gemeinsamen Erklärung zur
Rechtfertigungslehre“ den Boden der biblisch-reformatorischen Lehre des
Luthertums auch im Zentrum endgültig verlassen. Allerdings haben nicht alle
Mitgliedskirchen des LWB diese Erklärung angenommen (so etwa die Ev.-Luth. Kirche in Baden; die Madegassische
Ev.-Luth. Kirche, die Ev.-Luth.
Kirche in Nigeria, die Lutherische Kirche Koreas) und es gibt etliche eher
konservative Kirchen, die noch Mitglied im LWB sind (so z.B. die Ev.-Luth. Kirche Lettlands, die Ev.-Luth.
Kirche im Ingermanland, die Lutherische Kirche
Koreas, die Ev.-Luth. Kirche Kenias). In der
Bundesrepublik gehören zum LWB alle sich lutherisch nennenden Landeskirchen
sowie diejenigen in Württemberg und Pommern, die Ev.-Luth.
Kirche Badens und die Lutherische Klasse der Lippeschen Landeskirche sowie mit
Gaststatus die Ev. Landeskirche Badens.
b) Internationaler
Lutherischer Rat:
Im Internationalen
Lutherischen Rat (ILR) mit etwa 3,5 Mio Mitgliedern
sind die mit der Lutherischen Kirche – Missouri-Synode (LKMS) verbundenen
lutherischen Kirchen zusammengeschlossen. Ursprünglich, bis etwa 1938, war die
LKMS die orthodoxe, erweckliche,
missionarische lutherische Kirche. Seither ist sie immer mehr von Gottes Wort abgewichen,
wenn es auch noch recht starke bibel- und bekenntnistreue Gruppen in der LKMS
gibt. Nach einer gewissen Konsolidierung in den 1970er und der zweiten Hälfte
der 1990er Jahre hat sie in der letzten Zeit (seit 2001) einen erschreckenden
Abwärtskurs genommen.
Die Mitgliedskirchen im ILR
sind sehr unterschiedlich ausgerichtet. Viele sind noch relativ bibel- und
bekenntnistreu oder zumindest sehr konservativ, wie die Ev.-Luth.
Kirche Brasiliens, die Ev.-Luth. Kirche – Synode von
Frankreich, die Dänische Ev.-Luth. Freikirche, die Ev.-Luth. Kirche Portugals, die Ev.-Luth.
Kirche Englands, die Indische Ev.-Luth. Kirche, die
Luth. Kirche Koreas, die Luth. Kirche – Hongkong-Synode, die Freie Ev.-Luth. Synode in Südafrika und die (schwarzafrikanische)
Luth. Kirche im Südl. Afrika. Andere dagegen haben
der Bibelkritik weiten Raum gegeben und sind auch auf einem ökumenischen Kurs.
Dazu gehört neben der Luth. Kirche Australiens u.a.
auch die deutsche Selbst. Ev.-Luth. Kirche, wenn es
auch in ihr noch kleine konservative Kreise gibt.
c) Konfessionelle
Evangelisch-Lutherische Konferenz:
In der Konfessionellen
Evangelisch-Lutherischen Konferenz (KELK, ca. 600.000 Mitglieder) sind die mit
der Evangelisch-Lutherischen Wisconsin-Synode (WELS) in Gemeinschaft stehenden Kirchen
verbunden. Die KELK bekennt sich ohne Einschränkungen zur Verbalinspiration und
Irrtumslosigkeit der Schrift und der Verbindlichkeit
der lutherischen Bekenntnisse. Problematisch ist allerdings ihre Stellung in
der Kirchen- und Amtslehre, die auch schon zu
Trennungen geführt hat. In der Bundesrepublik gehört die Ev.-Luth.
Freikirche zur KELK; weitere europäische Mitgliedskirchen sind die Luth.
Bekenntniskirche in Schweden und Norwegen, die Ev.-Luth.
Bekenntniskirche Finnlands, die Konfessionelle Luth. Kirche Lettlands, die
Ukrainische Luth. Kirche, die Konf. Ev.-Luth. Kirche
Russlands, die Luth. Kirche Bulgariens sowie die Ev.-Luth.
Missionsgemeinden in Tschechien.
d) Unabhängige lutherische
Kirchen und Gemeinden:
Neben den in den Weltbünden
zusammengeschlossenen Kirchen gibt es, besonders in den USA, aber vermehrt auch
in Europa, lutherische Kirchen und Gemeinden, die keiner dieser Vereinigungen
angehören. In der Bundesrepublik sind dies vor allem die drei unabhängigen
lutherischen Gemeinden in Steeden, Jüterbog und
Bahren/Annaberg, die die bibel- und bekenntnistreue Linie der früheren
Missouri-Synode fortführen und in Gemeinschaft stehen mit der Finnischen Konf. Ev.-Luth. Kirche und deren Schwesterkirchen in Weißrussland
und der Ukraine. Ähnlich ausgerichtete Kirchen gibt es in Australien (Orth. Ev.
Luth. Church; Austr. Ev.
e) Geistliche Strömungen:
Geistlich betrachtet lassen
sich etwa folgende Richtungen feststellen:
1) Das bibel- und
bekenntnistreue Luthertum, das fest an Bibel und Bekenntnis halten will.
Hierher gehören etwa die unabhängigen Gemeinden in der BRD und die mit ihnen
verbundenen Kirchen sowie die ähnlich ausgerichteten in den USA und Australien.
Auch die KELK ist von ihrem Ansatz her mit hierher zu zählen. Das erweckliche Luthertum, das auch die evangelistische und
missionarische Arbeit auf der Grundlage der lutherischen Bekenntnisse betont
und die Heils- oder Gnadenordnung Gottes in seinem Heilshandeln an den Menschen
herausstellt (siehe Schartau, Brastberger,
Wacker, Bo Giertz) und sich dabei deutlich von der arminianischen evangelikalen Evangelisation unterscheidet,
ist teilweise hier dazu zu zählen, teilweise, etwa die skandinavischen Kreise,
mehr zum konservativen Luthertum.
2) Das konservative
Luthertum, das die Bekenntnisschriften hoch hält, auch sonst relativ
positiv ist, aber in der Schriftlehre oft nicht eindeutig steht. In diesen
Bereich sind wohl viele Kreise innerhalb der Bekenntnisbewegungen in der
Bundesrepublik zu zählen, soweit sie lutherisch sind (Kirchl.
Sammlung) und die Bekenntnisbewegungen in Skandinavien und die konservativeren
Kirchen im LWB. Auch die Kirchen des ILR sind hier einzureihen, wobei sicher
etliche eher zum bibel- und bekenntnistreuen Luthertum tendieren.
3) Das pietistische
Luthertum ist oft stärker vom Pietismus als vom Luthertum geprägt und
zuweilen nur noch äußerlich mit der lutherischen Kirche verbunden, ohne aber
konsequent reformatorische und bekenntnismäßige Theologie zu betreiben. In der
Bundesrepublik zählt der Verfasser die Evangelisch-Lutherischen
Gebetsgemeinschaften, den Evangelischen Gebetsverein I und die Evangelische
Bundesgemeinschaft (allesamt aus Ostpreußen stammende Gemeinschaften) sowie den
Luth. Missionsverein in Schleswig-Holstein und die Ev. (-Luth.)
Brüdergemeinden der Russlanddeutschen dazu, wobei die russlanddeutschen
Gemeinden allerdings oft eine ganz andere Prägung haben als die anderen. Eine
etwas andere Richtung nimmt die „Arbeitsgemeinschaft: Bekennende Gemeinde“ ein,
die mit dem Luth. Gemeinschaftsdienst in Berlin verbunden ist. Hier laufen
reformatorische und pietistische Strömungen zusammen, die theologische Arbeit
ist stärker ausgeprägt.
Ganz eigene Richtungen in
diesem Bereich haben die Association of Free Luth. Congregations
(AFLC) und die Church of Luth. Brethren (CLB). Die
AFLC ist theologisch relativ konservativ und sehr stark missionarisch
ausgerichtet, hängt aber der ‚Entscheidungstheologie’ an. Noch weiter vom
reformatorischen Luthertum entfernt ist die CLB, die ebenfalls der
Entscheidungstheologie huldigt und sich als „nichtliturgisch“ versteht, fast
evangelikalen Charakter hat. Sie ist sehr missionarisch. In den Bereich dieser
Kirchen gehört auch die „Apostolische Luth. Kirche Amerikas“, die auch
Laienpredigt hat neben den Pastoren, und die persönliche Frömmigkeit sehr stark
betont.
4) Das liberale Luthertum
stellt keine einheitliche Größe dar, ist aber dadurch gekennzeichnet, dass hier
die Verbalinspiration und Irrtumslosigkeit der Bibel abgelehnt wird und auch
sonst die Bibelkritik in einem sehr weiten Maße die Herrschaft hat und dem
ökumenischen Zeitgeist gehuldigt wird, die lutherischen Bekenntnisse kaum noch
Geltung besitzen. Dazu sind leider die sich lutherisch nennenden Landeskirchen
in der BRD zu rechnen, absehen von den konservativen Kreisen in ihnen, sowie
der größte Teil des LWB und bedauerlicherweise auch Teile der SELK und der Ev.-Luth. Kirche in Baden.