Thesen zur Lehre von Kirche und Amt


Thesen zur Lehre von Kirche und Amt

(entnommen aus: C.F.W. Walther: Die Stimme unserer Kirche in der Frage von Kirche und Amt. 4. Aufl. Zwickau 1894.)

Teil I: Von der Kirche

These 1:

    Die Kirche im eigentlichen Sinne des Wortes ist die Gemeinde der Heiligen, d.i. die Gesamtheit aller derjenigen, welche, durch das Evangelium aus dem verlorenen, verdammten Menschengeschlecht vom Heiligen Geiste herausgerufen, an Christus wahrhaftig glauben und durch diesen Glauben geheiligt und Christus einverleibt sind.

Beweis aus Gottes Wort:

    So schreibt der heilige Apostel Paulus Eph. 1,22.23: "Und [Gott] hat alle Dinge unter seine Füße getan und hat ihn [Christus] gesetzt zum Haupt der Gemeinde über alles, welche da ist sein Leib, nämlich die Fülle des, der alles in allem erfüllet." Ist hiernach Christus das Haupt der Gemeinde oder Kirche und diese sein Leib, so ist die eigentliche wahre Kirche die Gesamtheit aller derjenigen, welche mit Christus wie die Glieder eines Leibes mit ihrem Haupte verbunden sind.

    So schreibt ferner derselbe Apostel Eph. 5,23-27: "Denn der Mann ist des Weibes Haupt; gleichwie auch Christus das Haupt ist der Gemeinde, und er ist seines Leibes Heiland. Aber wie nun die Gemeinde ist Christus untertan, also auch die Frauen ihren Männern, in allen Dingen. Ihr Männer, liebet eure Frauen; gleichwie Christus auch geliebet hat die Gemeinde und hat sich selbst für sie gegeben, auf dass er sie heiligte, und hat sie gereiniget durch das Wasserbad im Wort, auf dass er sie sich selbst darstellte eine Gemeinde, die herrlich sei (endoxon), die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder des etwas, sondern dass sie heilig sei und unsträflich."

    So schreibt ferner derselbe Apostel 1 Kor. 3,16.17: "Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid, und der Geist Gottes in euch wohnet? So jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, der seid ihr." Daher nennt auch derselbe Apostel die Kirche "die Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind" (Hebr. 12,23).

    So spricht der HERR von seiner Kirche Matth. 16,18: "Auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen." Die Kirche im eigentlichen Sinne ist also in ihren Gliedern auf den Felsen Christus und sein Wort gebaut; darauf ist aber allein der gebaut, der im lebendigen Glauben darauf gegründet ist.

    So schreibt endlich der heilige Evangelist Johannes in seinem Evangelium Kap. 11,51.52: "Denn Jesus sollt sterben für das Volk, und nicht für das Volk allein, sondern dass er die Kinder Gottes, die zerstreut waren, zusammenbrächte." Die Kirche, zu deren Stiftung und Sammlung Christus in die Welt gekommen und gestorben ist, ist also die Gesamtheit der Kinder Gottes.

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    1. Apostolisches Symbolum [Bekenntnis]: "Ich glaube an den Heiligen Geist, eine heilige christliche Kirche, die Gemeinde der Heiligen." (Die symb. Bücher der ev.-luth. Kirche. ed. Müller. Stuttgart 1848. 3. A. 1869 S. 29.) Durch diesen Zusatz: "Gemeinde der Heiligen" wird nämlich nicht, wie die Römischen wollen, ein neuer Glaubensartikel angezeigt, sondern die Erklärung des Wortes Kirche gegeben. Der große Katechismus gibt hierzu die Erklärung: "Also heißet das Wörtlein Kirche eigentlich nichts anders als eine allgemeine Sammlung und ist von Art nicht deutsch, sondern griechisch. Darum solls auf recht deutsch und unser Mutter Sprache heißen eine christliche Gemeinde oder Versammlung oder aufs allerbeste und klarste eine heilige Christenheit. Also auch das Wort Communio (Gemeinschaft), das daran gehängt ist, sollt nicht Gemeinschaft, sondern Gemeinde heißen. Und ist nichts anders als die Glossa oder Auslegung, da jemand hat wollen deuten, was die christliche Kirche heiße. Recht deutsch zu reden, sollt es heißen eine Gemeinde der Heiligen, das ist, eine Gemeinde, darin eitel [nur] Heilige sind, oder noch klarer, eine heilige Gemeinde. Das ist aber die Meinung und Summa [Zusammenfassung] von diesem Zusatz: ich glaube, dass da sei ein heiliges Häuflein und Gemeinde auf Erden, eiteler Heiligen unter einem Haupt Christus, durch den Heiligen Geist zusammengerufen." (Müller S. 457.)

    2. Die Augsburgische Konfession Art. 8 (Müller S. 40): "Was die Kirche sei? Item [Eben], wiewohl die Kirche eigentlich nichts anderes ist als die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen" etc. Während die Augsburgische Konfession im 7. Artikel weniger die Kirche nach ihrem Wesen beschreiben, sondern nur sagen will, dass allezeit eine heilige christliche Kirche sein und bleiben müsse, wo sie sei und an welchen Zeichen sie erkannt werde: so sagt uns dann der 8. Artikel, was die Kirche, und zwar was sie eigentlich sei. Bei der Bestimmung des Begriffes, welchen unsere Kirche von der Kirche in ihren Symbolen vorgelegt hat, ist dieses wohl zu merken.

    3. Apologie Art. 7 (Müller S. 154): "Das gewiss wahr bleibt, dass der Haufe und die Menschen die rechte Kirche sind, welche hin und wieder in der Welt vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang, an Christus wahrlich glauben ... Wiewohl nun die bösen und gottlosen Heuchler mit der rechten Kirche Gesellschaft haben in äußerlichen Zeichen, im Namen und Ämtern, dennoch wenn man eigentlich reden will, was die Kirche sei, so muss man von dieser Kirche sagen, die der Leib Christi heißt und Gemeinschaft hat nicht allein in äußerlichen Zeichen, sondern die Güter im Herzen hat, den Heiligen Geist und Glauben. Denn man muss je recht eigentlich wissen, wodurch wir Gliedmaß Christi werden, und was uns macht zu lebendigen Gliedmaßen der Kirche. Denn so wir würden sagen, dass die Kirche allein eine äußerliche Polizei wäre, wie andere Regimenter, darinnen Böse und Gute wären etc.: so wird niemand daraus lernen noch verstehen, dass Christi Reich geistlich ist, wie es doch ist, darinnen Christus inwendig die Herzen regieret, stärket, tröstet, den Heiligen Geist und mancherlei Gaben austeilet; sondern man wird denken, es sei eine äußerliche Weise, gewisse Ordnung etlicher Zeremonien und Gottesdienstes. Item [ebenso], was wollt für ein Unterschied sein zwischen dem Volk des Gesetzes und der Kirche, so die Kirche allein eine äußerliche Polizei wäre? Nun unterscheidet Paulus so die Kirche von den Juden, dass er sagt, die Kirche sei ein geistliches Volk, welches nicht allein in der Polizei und bürgerlichem Wesen unterschieden sei von den Heiden, sondern ein rechtes Volk Gottes, welches im Herzen erleuchtet wird und neu geboren durch den Heiligen Geist." ... "Diese ist aber eigentlich die Kirche, die den Heiligen Geist hat."

    Apologie 3. Artikel von Missbräuchen (Müller S. 270): "Also hat Gott seine Kirche, das ist, etliche Heilige, unterm Papsttum dennoch erhalten, dass die christliche Kirche nicht ganz untergegangen ist."

    4. Schmalkaldische Artikel Teil III, Art. 12 (Müller S. 324): "Denn es weiß, gottlob! ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei, nämlich die heiligen Gläubigen und die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören. Denn also beten die Kinder: 'Ich glaube eine heilige christliche Kirche.'"

These 2:

    Zu der Kirche im eigentlichen Sinne des Wortes gehört kein Gottloser, kein Heuchler, kein Unwiedergeborener, kein Ketzer.

Beweis aus Gottes Wort:

    So schreibt St. Paulus Röm. 8,9: "Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein." Wer aber nicht Christus angehört, der ist auch kein Glied der wahren Kirche, welcher sein geistlicher Leib ist.

    So schreibt ferner Johannes in seinem 1. Brief 2,19 von den Heuchlern, die endlich die Gemeinschaft der Kirche auch äußerlich verließen: "Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns: denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben, aber auf dass sie offenbar würden, dass sie nicht alle von uns sind."

    Ferner spricht der HERR Joh. 15,6: "Wer nicht in mir bleibet, der wird weggeworfen, wie eine Rebe, und verdorret."

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Apologie der Augsburgischen Konfession (Müller S. 152.153): "In welchen Christus durch seinen Geist nichts wirket, die sind nicht Gliedmaß Christi. . Also bekennen wir auch in unserem heiligen Symbol und Glauben: Ich glaube eine heilige christliche Kirche. Da sagen wir, dass die Kirche heilig sei, die Gottlosen und Bösen können nicht die heilige Kirche sein. So die Kirche, welche je gewiss Christi und Gottes Reich ist, unterschieden ist von des Teufels Reich, so können die Gottlosen, welche in des Teufels Reich sind, ja nicht die Kirche sein. Und die Gottlosen sind darum mittler Zeit nicht ein Stück des Reichs Christi, weil es noch nicht offenbart ist. .. Die Wölfe und falschen Lehrer, wiewohl sie in der Kirche wüten und Schaden tun, so sind sie doch nicht die Kirche. Und nachdem die rechte Kirche in der Schrift genannt wird Christi Leib, so ist ja gar nicht möglich anders davon zu reden, als wir davon geredet haben. Denn es ist ja gewiss, dass die Heuchler und Gottlosen nicht Christi Leib sein können, sondern in das Reich des Teufels gehören, welcher sie gefangen hat und treibt, wozu er will."

These 3:

    Die Kirche im eigentlichen Sinne des Wortes ist unsichtbar.

Beweis aus Gottes Wort:

    So spricht der HERR Luk. 17,20.21: "Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden. Man wird auch nicht sagen: Siehe, hier oder da ist es. Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch." d.i.: Es kann nicht beobachtet werden, weil Christi Reich nicht ein zeitliches, sondern geistliches ist, was nun durch den Glauben anfängt.

    So schreibt ferner der heilige Petrus 1. Brief 2,5: "Und auch ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause und zum heiligen Priestertum, zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind, durch Jesus Christus." Hiernach ist die wahre Kirche ein geistliches, also kein sichtbares Gebäude.

    Ferner der heilige Apostel Paulus 2 Tim. 2,19: "Aber der feste Grund Gottes bestehet und hat dieses Siegel: Der HERR kennt die seinen; und: Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet." Hiernach kennt der HERR allein die Seinen; aber allein die, welche des HERRN sind, machen die wahre Kirche aus; also kann kein Mensch die Kirche sehen.

    Vergl. hierzu die Beweissprüche unter These 1. 

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    So heißt es zuerst in dem Symbolum der ältesten Kirche, in dem Apostolischen (Müller S. 29): "Ich glaube - eine heilige christliche Kirche, die Gemeinde der Heiligen." Ist aber hiernach die Kirche etwas, was man glauben muss, so kann sie nicht sichtbar sein, denn "der Glaube ist eine gewisse Zuversicht des, das man hoffet, und nicht zweifelt an dem, das man nicht siehet" (Hebr. 11,1). Daher denn Augustinus schreibt: Das ist Glaube, glauben, was man nicht sieht." 

    Die Apologie der Augsburgischen Konfession (Müller S. 154): "So wir würden sagen, dass die Kirche allein eine äußerliche Polizei wäre, wie andere Regimenter, darinnen Böse und Gute wären etc., so wird niemand daraus lernen noch verstehen, dass Christi Reich geistlich ist, wie es doch ist, darinnen Christus inwendig die Herzen regieret, stärket, tröstet, den Heiligen Geist und mancherlei geistliche Gaben austeilet; sondern man wird denken, es sei eine äußerliche Weise, gewisse Ordnung etlicher Zeremonien und Gottesdiensts. Item [ebenso], was wollt für ein Unterschied sein zwischen dem Volk des Gesetzes und der Kirche, so die Kirche allein eine äußerliche Polizei wäre. Nun unterscheidet Paulus also die Kirche von den Juden, dass er sagt, die Kirche sei ein geistliches Volk, das ist, ein solches Volk, welches nicht allein in der Polizei und bürgerlichem Wesen unterschieden sei von den Heiden, sondern ein rechtes Volk Gottes, welches im Herzen erleuchtet wird und neugeboren durch den Heiligen Geist. Item [ebenso] in dem jüdischen Volk, da hatten alle diejenigen, die von Natur Juden und aus Abrahams Samen geboren waren, über die Verheißung der geistlichen Güter in Christus auch viele Zusagen von leiblichen Gütern, wie vom Königeiche etc., und um der göttlichen Zusage willen waren auch Böse unter ihnen Gottes Volk genannt. Denn den leiblichen Samen Abrahams und alle gebornen Juden hatte Gott abgesondert von andern Heiden durch dieselben leiblichen Verheißungen, und dieselben Gottlosen und Bösen waren doch nicht das rechte Gottesvolk, gefielen auch Gott nicht. Aber das Evangelium, welches in der Kirche gepredigt wird, bringet mit sich nicht allein den Schatten der ewigen Güter, sondern ein jeder rechter Christ, der wird hier auf Erden der ewigen Güter selbst teilhaftig. ... Derhalben sind die allein nach dem Evangelium Gottes Volk, welche die geistlichen Güter, den Heiligen Geist empfangen, und dieselbe Kirche ist das Reich Christi, unterschieden von dem Reich des Teufels. (Müller S. 155:) So (nun) die Kirche, welche ja gewiss Christi und Gottes Reich ist, unterschieden ist von des Teufels Reich, so können die Gottlosen, welche in des Teufels Reich sind, ja nicht die Kirche sein, wiewohl sie in diesem Leben, dieweil das Reich Christi noch nicht offenbart ist, unter den rechten Christen und in der Kirche sind, darinnen auch Lehramt und andere Ämter haben. Und die Gottlosen sind darum mittler Zeit nicht ein Stück des Reichs Christi, weil es noch nicht offenbart ist. Denn das rechte Reich Christi, der rechte Haufen Christi, sind und bleiben allzeit diejenigen, welche Gottes Geist erleuchtet hat, stärket, regieret, ob es wohl vor der Welt noch nicht offenbaret, sondern unterm Kreuz verborgen ist. ... Und da reimen sich auch die Gleichnisse Christi hin, da er klar sagt Matth. 13, dass der gute Same sind die Kinder des Reichs, das Unkraut sind die Kinder des Teufels, der Acker sei die Welt, nicht die Kirche. ... Und da Christus spricht: Das Himmelreich ist gleich einem Netze: item [ebenso], den zehn Jungfrauen, will er nicht, dass die Bösen die Kirche seien, sondern unterrichtet, wie die Kirche scheinet in dieser Welt, darum spricht er, sie sei gleich diesem etc., das ist, wie im Haufen Fische die Guten und Bösen durcheinander liegen, also ist die Kirche hier verborgen unter dem großen Haufen und Menge der Gottlosen, und will, dass sich die Frommen nicht ärgern sollen. ... (Müller S. 158:) Und nachdem die rechte Kirche in der Schrift genannt wird Christi Leib, so ist ja gar nicht möglich, anders davon zu reden, als wie wir davon geredet haben. Denn es ist ja gewiss, dass die Heuchler und Gottlosen nicht Christi Leib sein können."

    Ferner heißt es in der Apologie (Müller S. 153 ff.): "Darüber wird die rechte Lehre und Kirche oft so gar unterdrückt und verloren, wie unterm Papsttum geschehen, als sei keine Kirche, und lasst sich oft ansehen, als sei sie gar untergegangen. Dagegen, dass wir gewiss sein mögen, nicht zweifeln, sondern fest und ganz glauben, dass eigentlich eine christliche Kirche bis an das Ende der Welt auf Erden sein und bleiben werde ..., welche Christi Braut sei, obwohl der gottlose Haufe mehr und größer ist, dass auch der HERR Christus hier auf Erden in dem Haufen, welcher Kirche heißt, täglich wirke ..., so ist der tröstliche Artikel im Glauben gesetzt: Ich glaube eine allgemeine christliche Kirche, damit niemand denken möchte, die Kirche sei wie eine andere äußerliche Polizei an dieses oder jenes Land, Königreich oder Stand gebunden, wie der Papst von Rom sagen will."

These 4:

    Diese wahre Kirche der Gläubigen und Heiligen ist es, welcher Christus die Schlüssel des Himmelreichs gegeben hat, und sie ist daher die eigentliche und alleinige Inhaberin und Trägerin der geistlichen, göttlichen und himmlischen Güter, Rechte, Gewalten, Ämter etc., welche Christus erworben hat, und die er seiner Kirche gibt.

Beweis aus Gottes Wort:

    So steht geschrieben Matth. 16,15-19: "Er sprach zu ihnen: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn. Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbaret, sondern mein Vater im Himmel. Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein; und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein." Hier bezeugt Christus, welche Gewalt diejenigen haben, die mit Petrus auf den Felsen gebaut sind, die nämlich an ihn glauben und diesen Glauben ihres Herzens mit dem Munde bekennen, also mit einem Worte: seine wahre Kirche, seine heilige, gläubige Gemeinde, die da ist sein Leib, nämlich die Fülle des, der alles in allem erfüllet.

    So heißt es ferner Matth. 18,18: "Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein; und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein." Hier bezeugt Christus, dass dasjenige, was er kurz zuvor Petrus zugerufen hatte, allen seinen Jüngern gegolten habe.

    Ferner heißt es Joh. 20,22.23: "Und da er das sagte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmet hin den Heiligen Geist; welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten." Hier bezeugt Christus, dass nur die Gemeinschaft derjenigen, welche den Heiligen Geist haben, also die heilige christliche Kirche, den Himmel auf- und zuschließen könne.

    Ferner spricht der HERR Matth. 28,20 bei seinem Abschied aus der Welt: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Ist aber Christus bei den Seinen, so haben sie mit ihm alles.

    So spricht ferner Johannes der Täufer Joh. 3,28.29: "Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich gesagt habe: Ich sei nicht Christus, sondern vor ihm hergesandt. Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam." ist hiernach die Gemeinschaft der Gläubigen Christi Braut, so ist diese Gemeinschaft auch die rechte Inhaberin der Güter Christi, ihres Bräutigams. Vergleiche 2 Kor. 11,2: "Ich habe euch vertrauet einem Manne, dass ich eine reine Jungfrau Christus zubrächte." (Daher auch der Hohepriester vorbildlich nur mit einer Jungfrau sich vermählen durfte. 3 Mose 21,13.14) Eph. 5,32: "Das Geheimnis ist groß: ich sage aber von Christus und der Gemeinde." Hiernach ist Christus mit seiner Gemeinde vermählt; dieselbe ist daher Frau oder Herrin in Christi Hause. Daher schon David von ihr geweissaget hat Psalm 68,13: "Die Hausehre teilet den Raub aus", das ist, wie es in der weimarischen Bibel heißt: "die Wohltaten, so Christus durch seinen Kampf und Sieg erworben".

    So schreibt der heilige Apostel Paulus 1 Kor. 3,21-23: "Darum rühme sich niemand eines Menschen. Es ist alles euer: Es sei Paulus oder Apollos, es sei Kephas oder die Welt, es sei das Leben oder der Tod, es sei das Gegenwärtige oder das Zukünftige; alles ist euer. Ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes." Hieraus sehen wir, alles, was selbst ein Paulus und Petrus hatte, waren nur Güter aus der Schatzkammer der gläubigen Christen oder der Kirche.

    Ferner schreibt derselbe Apostel Gal. 4,26 von der Kirche des Neuen Testamentes: "Aber das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie, die ist unser aller Mutter." Alles also, wodurch Kinder Gottes geboren werden, ist der Kirche.

    Endlich schreibt St. Petrus an die gläubigen Christen 1 Petr. 2,9: "ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht."

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Augsburgische Konfession (Müller S. 63): "Dieweil nun die Gewalt der Kirche oder Bischöfe ewige Güter gibt und allein durch das Predigtamt geübt und getrieben wird, so ..." (Art. 28.) Unsere Kirche bekennt hier, daß die Gewalt der Bischöfe keine andere als die Gewalt der Kirche sei.

    Schmalkaldische Artikel 3. Teil, 7. Artikel (Müller S. 321): "Die Schlüssel sind ein Amt und Gewalt, der Kirche von Christus gegeben."

    Schmalkaldische Artikel, Anhang von der Gewalt und Obrigkeit des Papstes (Müller S. 330): "1 Kor. 3 machet Paulus alle Kirchendiener gleich und lehrt, dass die Kirche mehr sei als die Diener... Denn so spricht er: 'Es ist alles euer, es sei Paulus oder Apollos oder Kephas', das ist: es darf weder Peter noch andere Diener des Wortes sich zumessen eine Gewalt oder Obrigkeit über die Kirche."

    Ebendaselbst (Müller S. 332): "Hier werden etliche Sprüche gegen uns geführet, wie Matth. 16: 'Du bist Petrus, und auf diesen Fels will ich bauen meine Gemeinde oder Kirche.' Item [ebenso]: 'Dir will ich die Schlüssel geben.' Item: 'Weide meine Schafe.' Und dergleichen mehr. Weil aber dieser ganze Handel fleißig und genugsam von den unsern zuvor ist traktiert, wollen wir dieselben Schriften hier geholet haben, und auf diesmal kurz antworten, wie vermeldete Sprüche im Grund zu verstehen sind. In allen diesen Sprüchen ist Petrus eine allgemeine Person und redet nicht für sich allein, sondern für alle Apostel. Dieses beweisen die Texte klar, denn Christus fraget ja Petrus nicht allein, sondern spricht: 'Wer sagt ihr, dass ich sei?' Und dass Christus hier zu Petrus allein redet, wie: 'Dir will ich die Schlüssel geben', item: "Was du binden wirst' etc., dasselbe redet er an andern Orten zu dem ganzen Haufen: 'Alles, was ihr bindet werdet auf Erden' etc., item in Johannes: 'Welchen ihr die Sünden vergebet' etc. Diese Worte zeugen, dass die Schlüssel allen insgemein gegeben und sie alle zugleich zu predigen gesandt worden sind. Über das muss man ja bekennen, dass die Schlüssel nicht einem Menschen allein, sondern der ganzen Kirche gehören und gegeben sind, wie denn solches mit hellen und gewissen Ursachen genugsam kann erwiesen werden. Denn gleich wie die Verheißung des Evangeliums gewiss und ohne Mittel der ganzen Kirche zugehöret, also gehören die Schlüssel ohne Mittel [d.i. unmittelbar] der ganzen Kirche, dieweil die Schlüssel nichts anderes sind, als das Amt, dadurch solche Verheißung jedermann, wer es begehrt, wird mitgeteilet, wie es denn im Werk vor Augen ist, dass die Kirche Macht hat, Kirchendiener zu ordinieren. Und Christus spricht bei diesen Worten: 'Was ihr binden werdet' etc., und deutet, wem er die Schlüssel gegeben, nämlich der Kirche: 'Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen' etc. Item, Christus gibt das höchste und letzte Gericht der Kirche, da er spricht: 'Sags der Kirche.'" Hieraus sehen wir, es ist Lehre unserer Kirche nach Gottes Wort, dass Christus das Amt und alle von ihm erworbenen Güter und Gewalten ebenso, wie das Evangelium, seiner Kirche unmittelbar als der ursprünglichen, ersten Besitzerin gegeben; dass also die Kirche das Amt etc. nicht mittelbar dadurch habe, dass Christus dasselbe gewissen Personen in der Kirche verliehen hat, die es nun fortpflanzen und freilich zum Nutzen der Kirche verwalten müssten. Umgekehrt: nicht die Kirche hat mittelbar das Amt durch die Amtspersonen, sondern die Amtspersonen haben mittelbar das Amt durch die Kirche, welche, als die Gemeinde der Gläubigen und Heiligen, als der Leib Christi, dieses alles in sich trägt.

    Schmalkaldische Artikel, Anhang von der Bischöfe Gewalt und Jurisdiktion (Müller S. 341): Wo die Kirche ist, da ist ja der Befehl, das Evangelium zu predigen, darum müssen die Kirchen die Gewalt behalten, dass sie Kirchendiener fordern, wählen, ordinieren; und solche Gewalt ist ein Geschenk, welches der Kirche eigentlich von Gott gegeben und von keiner menschlichen Gewalt der Kirche kann genommen werden, wie St. Paulus zeuget Eph. 4, da er sagt: 'Er ist in die Höhe gefahren und hat Gaben gegeben den Menschen.' Und unter solchen Gaben, die der Kirche eigen sind, zählet er die Pfarrherrn und Lehrer und hänget daran, dass solche gegeben werden zur Erbauung des Leibes. ... Hierher gehören die Sprüche Christi, welche zeugen, dass die Schlüssel der ganzen Kirche und nicht etlichen besonderen Personen gegeben sind, wie der Text sagt: 'Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen' etc. Zum letzten wird solches auch durch den Spruch Petri bekräftigt, da er spricht: 'Ihr seid das königliche Priestertum'. Diese Worte betreffen eigentlich die rechte Kirche, welche, weil sie allein das Priestertum hat, muss sie auch die Macht haben, Kirchendiener zu wählen und zu ordinieren."

    Hieraus ersehen wir: unsere Kirche lehrt nach Gottes Wort, Gott hat der ganzen wahren heiligen christlichen Kirche befohlen, sein liebes Evangelium zu verkündigen und bekannt zu machen. Wo daher ein Häuflein gläubiger Christen oder eine wahre Kirche sich findet, da hat auch diese Kirche den Befehl, das Evangelium zu predigen; hat sie aber diesen Befehl, so hat sie hiermit natürlich auch Gewalt, ja Pflicht, Prediger des Evangeliums zu ordnen. Woher sie aber solche Prediger nehmen solle, darüber kann die Kirche nicht in Verlegenheit sein, da Pfarrherrn und Lehrer eine Gabe sind, die der Kirche eigen ist; sie besteht ja nicht nur aus lauter geistlichen Priestern, sondern der HERR gibt ihr auch fort und fort Männer, welche er mit den zur Führung des Amtes nötigen Gaben besonders ausrüstet und so der Kirche zum Dienste darbietet.

These 5:

    Obwohl die wahre Kirche im eigentlichen Sinne des Wortes ihrem Wesen nach unsichtbar ist, so ist doch ihr Vorhandensein (definitiv) erkennbar, und zwar sind ihre Kennzeichen die reine Predigt des Wortes Gottes und die der Einsetzung Christi gemäße Verwaltung der heiligen Sakramente.

Beweis aus Gottes Wort:

    Die heilige Schrift sagt uns: "Das Reich Gottes (d.h. die Kirche) hat sich also, als wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und stehet auf Nacht und Tag, und der Same gehet auf und wächset, dass er es nicht weiß" (Mark. 4,26.27). Was aber dieser Same sei, sagt uns die Schrift ebenfalls; sie spricht: "Der Säemann säet das Wort" (V. 14). Das Wort Gottes ist also nach der Schrift der Same, aus welchem die Glieder der Kirche, oder, wie die Schrift redet, "die Kinder des Reichs" (Matth. 13,38) hervorwachsen und erzeugt werden. Zugleich gibt aber Gott in der Schrift die teure Verheißung: "Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin kommt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und wachsend, daß sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen: also soll das Wort, so aus meinem Munde gehet, auch sein. Es soll nicht wieder zu mir leer kommen, sondern tun, das mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich es sende" (Jes. 55,10.11). Hieraus sehen wir, das Wort ist nicht nur der Same, aus welchem allein die Glieder der Kirche geboren werden, sondern aus welchem auch gewiss immer, wo nur dieser himmlische Same ausgesäet wird, etliche "Kinder des Reiches" hervorwachsen, "ohne dass man es weiß", laut der göttlichen untrüglichen und unfehlbaren Verheißung. Wo daher dieser Same ausgesäet wird, da sieht man zwar die Kirche nicht, aber da hat man ein untrügliches Kennzeichen, daß die Kirche, dass ein Häuflein wahrhaft Gläubiger und Geheiligter in Christus Jesus, ein Gemeindlein der Kinder Gottes da sei.     

    Nach der heiligen Schrift sind aber nebst dem Worte Gottes auch die heiligen Sakramente die Mittel, wodurch die Kirche, die heilige Gemeinde Gottes, gestiftet, gesammelt, erhalten werden und sich selbst ausbreiten soll; denn nach Matth. 28,18-20; Mark. 16,16 gibt der HERR den dazu von ihm erwählten Werkzeugen den Befehl und die Verheißung: "Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes; und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Überall also, wo neben der Handlung des Wortes die heilige Taufe verwaltet wird, da öffnen sich unsichtbar die Tore der Kirche, da gibt es Leute, die da glauben und selig werden, da ist der HERR in Gnaden gegenwärtig, da haben wir ein untrügliches Merkmal, dass hier die Kirche sei, da müssen wir mit Jakob sprechen: "Gewisslich ist der HERR an diesem Ort, und ich wusste es nicht. Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels" (1 Mose 28,16.17). Dasselbe sagt uns die Schrift auch von dem heiligen Abendmahl, denn also stehet 1 Kor. 10,17 geschrieben: "Ein Brot ist es, so sind wir viele ein Leib, dieweil wir alle eines Brotes teilhaftig sind"; und 1 Kor. 12,13: "Wir sind, durch einen Geist, alle zu einem Leibe getauft ... und sind alle zu einem Geist getränket." Wo also Gottes Wort geprediget, die heilige Taufe und das Sakrament des Leibes und Blutes Jesu Christi verwaltet wird, da sind Glieder am Leibe Jesu Christi, da müssen wir glauben: Hier ist eine heilige christliche Kirche.

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Augsburgische Konfession Art. 7 (Müller S. 40): "Es wird auch gelehret, daß allezeit müsse eine heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut des Evangeliums gereicht werden." - Die Konfession redet hier offenbar von den Kennzeichen der wahren, eigentlich so genannten Kirche, denn sie setzt ausdrücklich: "welche ist die Versammlung aller Gläubigen". Daran erinnert u.a. auch J. Benedikt Carpzov in seiner Einleitung zu den symbolischen Büchern der ev.-luth. Kirche, wenn er schreibt: "Die Kirche wird zweifach betrachtet, entweder wie sie ursprünglich und eigentlich ist, nach ihrer innerlichen Natur und Gemeinschaft im wahren Glauben und in reiner Liebe, oder nach der äußerlichen Gesellschaft, nämlich der in einem Haufen zusammenwohnenden Guten und Bösen. Im siebenten Artikel wird sie nach der ersten Weise betrachtet, wie dies auch in der Apologie Seite 144-150 weitläufig erklärt wird."            

    Apologie (Müller S. 152): "Die christliche Kirche stehet nicht allein in Gesellschaft äußerlicher Zeichen, sondern stehet vornehmlich in Gemeinschaft inwendig der ewigen Güter im Herzen, wie des Heiligen Geistes, des Glaubens, der Furcht und Liebe Gottes. Und dieselbe Kirche hat doch auch äußerliche Zeichen, daran man sie kennet, nämlich, wo Gottes Wort rein gehet, wo die Sakrament demselben gemäß gereicht werden, da ist gewiß die Kirche, da sind Christen, und dieselbe Kirche wird allein genannt in der Schrift Christi Leib ... (Müller S. 153): Paulus zu den Ephesern im 5. Kap. sagt gleich auch also, was die Kirche sei, und setzt auch die äußerlichen Zeichen, nämlich das Evangelium und die Sakramente. Denn also sagt er: Christus hat geliebet die Gemeinde und sich selbst für sie gegeben, auf daß er sie heiliget, und hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, auf daß er sie sich selbst zurichtet, eine Gemeinde, die herrlich sei, etc. etc."

    Ebendaselbst (Müller S. 156): "Und wir reden nicht von einer erdichteten Kirche, die nirgends zu finden sei, sondern wir sagen und wissen fürwahr, dass diese Kirche, darinnen Heilige leben, wahrhaftig auf Erden ist und bleibet; nämlich, dass etliche Gotteskinder sind hin und wieder in aller Welt, in allerlei Königreichen, Inseln, Ländern, Städten, vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang, die Christus und das Evangelium recht erkannt haben, und sagen, dieselbe Kirche habe diese äußerliche Zeichen: das Predigtamt oder Evangelium und die Sakramente."

    Ebendaselbst (Müller S. 206): "Dieweil die Bischöfe die unsern nicht dulden wollen, sie verlassen denn diese Lehre, so wir bekannt haben, und doch wir vor Gott schuldig sind, diese Lehre zu bekennen und zu erhalten, müssen wir die Bischöfe fahren lassen und Gott mehr gehorsam sein, und wissen, daß die christliche Kirche da ist, da Gottes Wort recht gelehret wird." (de ordine ecclesiastico.) -

    Ebendaselbst (Müller S. 260): "Der rechte äußerliche Kirchenschmuck ist auch rechte Predigt, rechter Gebrauch der Sakramente, und daß das Volk mit Ernst dazu gewöhnet sei und mit Fleiß und züchtig zusammenkomme, lerne und bete."

These 6:

    In einem uneigentlichen Sinne wird nach der heiligen Schrift auch die sichtbare Gesamtheit aller Berufenen, d.h. aller, die sich zu dem gepredigten Worte Gottes bekennen und halten und die heiligen Sakramente gebrauchen, welche aus Guten und Bösen besteht, Kirche (die allgemeine [katholische] Kirche) ("katholisch" meint hier nur: "allgemein", weltweit, und hat nichts zu tun mit der römisch-katholischen Kirche, die diesen ursprünglichen Begriff unrechtmäßigerweise usurpiert hat; Anm. d. Hrsg.), und die einzelnen Abteilungen derselben, d.h. die hin und wieder sich findenden Gemeinden, in denen Gottes Wort gepredigt und die heiligen Sakramente verwaltet werden, Kirchen (Partikularkirchen) genannt; darum nämlich, weil in diesen sichtbaren Haufen die unsichtbare, wahre, eigentlich so genannte Kirche der Gläubigen, Heiligen und Kinder Gottes verborgen liegt und außer dem Haufen der Berufenen keine Auserwählten zu suchen sind.

Beweis aus Gottes Wort:

    Wenn der HERR spricht: "Abermals ist gleich das Himmelreich einem Netz, das ins Meer geworfen ist, damit man allerlei Gattung fänget, wenn es aber voll ist, so ziehen sie es heraus an das Ufer, sitzen und lesen die guten in ein Gefäß zusammen, aber die faulen werfen sie weg" (Matth. 13,47.48); ferner: "Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen aus, dem Bräutigam entgegen. Aber fünf unter ihnen waren töricht, und fünf waren klug" (Matth. 25,1.2); ferner: "Das Himmelreich ist gleich einem Könige, der seinem Sohne Hochzeit machte... Da ging der König hinein, die Gäste zu besehen, und sah allda einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Kleid an" (Matth. 22,2.11): so zeigt der HERR offenbar durch das Wörtchen "gleich" an, daß das Himmelreich oder die Kirche im eigentlichen Sinne zwar nicht aus Guten und bösen, wahrhaft Gläubigen und Heuchlern bestehe, aber daß die Kirche doch in diesem Leben ein solches Ansehen habe, wie ein Netz voll guter und fauler Fische, wie eine Versammlung von klugen und törichten Jungfrauen, wie ein Hochzeitssaal voll wohlgeschmückter und des hochzeitlichen Kleides ermangelnder Gäste; dass also der sichtbaren Kirche, welche Gute und Böse, wahre und falsche Christen, Rechtgläubige und im Glauben Irrige in sich begreift, der Name Kirche nur in einem uneigentlichen synekdochischen Sinne gegeben werde und zukomme, dass nämlich das Ganze den herrlichen Namen trage um eines Teils willen, welchem dieser Name eigentlich allein gebührt, dass also der ganze sichtbare Haufe aller Berufenen den Namen "der allgemeinen Kirche" und die einzelnen Teile dieses Haufens den Namen "Kirchen" oder "Partikularkirchen" tragen, um der wahren Glieder der wahren Kirche willen, welche sich, und wären es nur die unmündigen getauften Kinder, darunter befinden.

    Dass aber auch den ganzen sichtbaren Haufen, welche Gottes Wort und Sakrament unter sich haben, der Name der Kirche nicht missbräuchich, sondern mit Recht beigelegt werde, ja beigelegt werden solle, zeigt uns die heilige Schrift, welche, obgleich sie klar lehrt, dass nur die wahrhaft Gläubigen wirkliche Glieder der Kirche sind, dennoch auch solchen gemischten sichtbaren Haufen den Namen Kirche beilegt. So heißt es Matth. 18,17: "Sage es der Gemeinde" oder Kirche, wo offenbar von einer sichtbaren, aus wahren und Scheinchristen bestehenden, Partikularkirche die Rede ist; so nennt ferner der heilige Apostel Paulus die in Galatien und zu Korinth Berufenen "Gemeinden" oder Kirchen; ja, die letzteren "die Gemeinde Gottes, die Geheiligten in Christo Jesu, die berufenen Heiligen", obgleich der heilige Apostel von den Galatern bezeugt, dass die meisten unter ihnen Christus verloren hatten, und von der korinthischen Gemeinde, dass sie viele in Lehre und Leben befleckte tiefgefallene Glieder hatte.

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Augsburgische Konfession (Müller S. 40): "Wiewohl die christliche Kirche eigentlich nichts anders ist, als die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen, jedoch, dieweil in diesem Leben viele falsche Christen und Heuchler sind, auch öffentliche Sünder unter den Frommen bleiben, so sind" etc. (Artikel 8.) Indem hier die Konfession erklärt, dass die Kirche eigentlich nur eine Gemeinde der Heiligen ist, so bezeugt sie zugleich, daß eine Gemeinschaft, welche Gute und Böse in sich fasst, insofern nur in einem uneigentlichen Sinne den Namen der Kirche trägt.

    Apologie (Müller S. 154): "Denn auch im Dekret Gratiani sagt klar die Glosse, dass dies Wort "Kirche", large zu nehmen (in weitem Verstande), begreift Böse und Gute. Item [ebenso], dass die Bösen allein mit dem Namen in der Kirche sind, nicht mit dem Werke. ... Wiewohl nun die Bösen und gottlose Heuchler mit der rechten Kirche Gesellschaft haben in äußerlichen Zeichen, im Namen und Ämtern, dennoch, wenn man eigentlich reden will, was die Kirche sei, muss man von dieser Kirche sagen, die der Leib Christi heißt und Gemeinschaft hat nicht allein in äußerlichen Zeichen, sondern die Güter im Herzen hat, den Heiligen Geist und Glauben."

    Ebendaselbst (Müller S. 155): "Und da Christus spricht: 'Das Himmelreich ist gleich einem Netze'; item [ebenso] 'den zehn Jungfrauen', will er nicht, dass die Bösen die Kirche sind, sondern unterrichtet, wie die Kirche scheinet in dieser Welt, darum spricht er, sie sei gleich diesem etc. Das ist, wie im Haufen Fische die guten und bösen durcheinander liegen, also ist die Kirche hier verborgen unter dem großen Haufen und Menge der Gottlosen."

    Ebendaselbst (Müller S. 158): "und wir bekennen doch auch, dass, so lange dieses Leben auf Erden währet, viele Heuchler und Böse in der Kirche sind unter den rechten Christen, welche auch Glieder sind der Kirche, sofern es die äußerlichen Zeichen betrifft."

    Konkordienformel (Müller S. 559 und 727): Hier wird als ein irriger Artikel der Wiedertäufer verworfen: "Dass dies keine rechte christliche Versammlung noch Gemeinde sei, in der noch Sünder gefunden werden."

[Da von einigen Seiten nach C.F.W. Walther, vor allem im frühen 20. Jahrhundert beginnend, die Behauptung aufgebracht wurde, dass für Walther und die mit ihm verbundene alte Missouri-Synode nur die Ortsgemeinde ekklesia, Kirche, sei, und dass „Partikularkirche“ bei Walther einzig auf die Ortsgemeinde zu beziehen sei, sollen hier einige Zeugnisse gegeben werden, die anzeigen, dass dies nicht der Fall ist. Anm. d. Hrsg.]

Aus „Kirche und Amt“:

    „Wir haben uns nicht von der römischen Kirche durch die Reformation getrennt, sondern wir haben nur das ihr anhängende Übel, nämlich das Papsttum, hinweggetan und wir geben zu, dass unsere Kirche eine Partikularkirche sei; dass sie aber allein die wahre Kirche sei, sagen wir nicht.“ (J.B. Carpzov: Isag. in libr. symb. p. 876; in: Kirche und Amt, S. 108)

    „Hieraus ist ersichtlich, dass unsere alten Lehrer das Wort „lutherische Kirche“ in einem zweifachen Sinne gebrauchen. 1. Bald verstehen sie darunter überhaupt die Kirche, zu welcher sich Luther und alle Lutheraner, als zu ihrer geistlichen Mutter, bekennen, welche Einen Geist, einen Glauben, eine Lehre hat und über den ganzen Erdboden zerstreut ist, und die es schon vor Luther, ja von Anfang der Welt gegeben hat;  … denn dann meinen sie damit eben keine andere als die Eine heilige christliche allgemeine unsichtbare Gemeinde der Heiligen und Auserwählten. … 2. Bald verstehen aber unsere Väter unter lutherischer Kirche auch die sichtbare Gesamtheit aller derjenigen, welche den Namen Lutheraner tragen und sich ausdrücklich zu den öffentlichen Bekenntnissen bekennen, welche die im 16. Jahrhundert aus dem Papsttum ausgegangenen, von den Papisten Lutheraner gescholtenen Christen aufgestellt haben; von der lutherischen Kirche in diesem Sinne geben unsere Väter natürlich zu, dass sie nicht die allein wahre, sondern allein eine Partikularkirche sei.“ (Anm. Walthers in: Kirche und Amt, S. 109)

Zeugnisse Luthers:

    „Die Kirche ist ein solcher Ort oder Volk, da Gott wohnt, darum, dass er machen will, dass wir in das Himmelreich gehen mögen; denn es ist eine Pforte des Himmels. … Und die Kirche hat ihre Stätte im Tempel, in der Schule, im Hause, in der Schlafkammer. Wo zwei oder drei in Christi Namen zusammenkommen, da wohnt Gott, Matth. 18,20 …“ (Walch 2, II, Sp. 436 f. (Genesisvorlesung zu 1. Mose 28,17))

    „Denn man predigt auch allenthalben das Wort und reicht die Sakramente, und wo diese Stücke recht gehen, es geschehe im Schiffe auf dem Meer, oder im Hause auf dem Lande, da ist Gottes Haus oder die Kirche, daselbst soll Gott gesucht und auch gewiss gefunden werden.“ (Walch 2, VII, Sp. 1069 (2. Predigt über Matth. 21,13, gehalten 30.01.1538))

    „Eine Kirche aber ist eine Anzahl oder Sammlung von Getauften und Gläubigen unter Einem Pastor, sei es nun einer Stadt oder eines ganzen Landes oder der ganzen Welt.“ (Walch 2, XIX, Sp. 959 (Artikel von der Gewalt der christlichen Kirche. Juli 1530))

Aus „Baier-Walther“

(Joh. Guilielmi Baieri Compendium Theologiae positivae … Denuo edendum curavit Carol. Ferd. Guil. Walther. Vol. III. Pars 3. St. Louis, Missouri 1879. S. 634; übers. nach dem englischen Text)

    „Die Kirche Christi, die über die ganze Welt verstreut ist, hat viele Teil- (oder: Partikular-)Versammlungen, die sich selbst denselben Namen und Beschreibung der Kirche zuschreiben. Diese Partikularkirchen können wieder unterteilt werden in simplices, die nicht aus anderen Kirchen bestehen [ecclesia simplex, Anm. d. Hrsg.], und compositae, die aus anderen Kirchen bestehen [ecclesia composita, Anm. d. Hrsg.].

These 7:

    Wie die sichtbaren Gemeinschaften, in denen Wort und Sakrament noch wesentlich sind, wegen der in denselben sich befindenden wahren unsichtbaren Kirche wahrhaft Gläubiger nach Gottes Wort den Namen Kirche tragen: so haben dieselben auch um der in ihnen verborgen liegenden wahren unsichtbaren Kirche willen, wenn dies auch nur zwei oder drei wären, die Gewalt, welche Christus seiner ganzen Kirche gegeben hat.

Beweis aus Gottes Wort:

    So spricht der HERR Matth. 18,17: "Sage es der Gemeinde. Höret er die Gemeinde nicht, so halte ihn wie einen Heiden und Zöllner." Dass der HERR hier von einer sichtbaren Partikularkirche rede, bedarf keines Beweises. Wenn aber der HERR unmittelbar nach jenen Worten fortfährt: "Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein; und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein" (V. 18), so spricht er hiermit offenbar die Schlüssel des Himmelreichs oder die Kirchengewalt, welche er Matth. 16,19 in Petrus seiner ganzen heiligen Kirche gegeben hatte, auch jeder sichtbaren Partikularkirche zu. Damit man aber nicht meinen möge, dass diese große Gewalt nur großen volkreichen Gemeinden gegeben sei, so setzt er auch V. 19 und 20 hinzu: "Weiter sage ich euch: Wo zwei unter euch eins werden auf Erden, warum es ist, dass sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen." Wären daher in einer Partikulargemeinde auch nur zwei oder drei wahrhaft Gläubige, wahre Kinder Gottes, wahre Glieder des geistlichen Leibes Jesu Christi, so wäre um dieser willen die Gemeinde eine Gemeinde Gottes und eine rechtmäßige Inhaberin aller Rechte und Gewalten, die Christus seiner Kirche erworben und geschenkt hat.

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    So heißt es zum ersten in der Apologie (Müller S. 153): "Dass wir auch gar nicht zweifeln, dass eine christliche Kirche auf Erden lebe und sei, welche Christi Braut sei, obwohl der gottlose Hauf mehr und größer ist, dass auch der HERR Christus hier auf Erden in dem Haufen, welcher Kirche heißt, täglich wirke, Sünden vergebe, täglich das Gebet erhöre, täglich in Anfechtungen die Seinen mit reichem starkem Trost erquicke und immer wieder aufrichte: so ist der tröstliche Artikel im Glauben gesetzt: 'Ich glaube eine allgemeine christliche Kirche.'" Hiernach bekennt die Apologie, dass man darum gewiss sein könne, dass Gott "in dem Hafen, welcher Kirche heißt", obwohl er viele Nichtheilige enthält, wirke, weil wir glauben können und sollen, dass mitten in diesem sichtbaren Haufen eine heilige christliche Kirche verborgen liege, welche den HERRN und seine Güter mitten unter sich hat.

    Ferner heißt es in der Apologie (Müller S. 158): "Und wir bekennen doch auch, dass, so lange dieses Leben auf Erden währet, viel Heuchler und Böse in der Kirche sind, unter den rechten Christen, welche auch Glieder sind der Kirche, was die äußerlichen Zeichen betrifft. Denn sie haben Ämter in der Kirche, predigen, reichen Sakrament und tragen den Titel und Namen der Christen. Und die Sakramente, Taufe etc. sind darum nicht ohne Wirkung oder Kraft, dass sie durch Unwürdige oder Gottlose gereicht werden, denn um des Berufs willen der Kirche sind solche da, nicht für ihre eigene Person, sondern als Christus [d.i.: sie repräsentieren Christus, nicht ihre eigene Person, Anm. d. Hrsg.], wie Christus zeuget: 'Wer euch höret, der höret mich.'" Alles also, was in der Kirche die tun (sei es nun predigen, Sakramente verwalten, Kirchendiener wählen und ordinieren etc.), welche nicht gläubig sind, also nicht zur Kirche gehören und an sich kein Recht an die Schlüsselgewalt haben, das tun sie als Werkzeuge, als Delegierte etc. der Kirche, d.i. der wahren Gläubigen.

    Anhang zu den Schmalkaldischen Artikeln (Müller S 333): "Und Christus spricht bei diesen Worten: 'Was ihr binden werdet' etc. und deutet, wem er die Schlüssel gegeben, nämlich der Kirche: 'Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen' etc." (Von der Gewalt und Obrigkeit des Papstes.)   

    Ebendaselbst (Müller S. 341): "Wo (ubicunque, wo nur immer) die Kirche ist, da ist ja der Befehl, das Evangelium zu predigen, darum müssen die Kirchen die Gewalt behalten, dass sie Kirchendiener fordern, wählen und ordinieren; und solche Gewalt ist ein Geschenk, welches der Kirche eigentlich von Gott gegeben und von keiner menschlichen Gewalt der Kirche kann genommen werden, wie St. Paulus zeuget Eph. 4, da er sagt: 'Er ist in die Höhe gefahren und hat Gaben gegeben den Menschen.' Hierher gehören die Sprüche Christi, welche zeugen, dass die Schlüssel der ganzen Kirche und nicht etlichen besonderen Personen gegeben sind, wie der Text sagt: 'Wo zwei oder drei in' etc. Zum letzten wird solches auch durch den Spruch Petri bekräftigt, da er spricht: 'Ihr seid das königliche Priestertum.' Diese Worte betreffen eigentlich die rechte Kirche, welche, weil sie allein das Priestertum hat, muss sie auch die Macht haben, Kirchendiener zu wählen und zu ordinieren."

These 8:

    Obgleich Gott sich [auch] da, wo Gottes Wort nicht ganz rein gepredigt wird und die heiligen Sakramente nicht völlig der Einsetzung Jesu Christi gemäß verwaltet werden, eine heilige Kirche der Auserwählten sammelt, wenn da Gottes Wort und Sakrament nicht gar verleugnet wird, sondern beides wesentlich bleibt; so ist doch ein jeder bei seiner Seligkeit verbunden, alle falschen Lehrer zu fliehen und alle irrgläubigen Gemeinden oder Sekten zu meiden und sich hingegen zu den rechtgläubigen Gemeinden und ihren rechtgläubigen Predigern zu bekennen und zu halten, wo er solche findet.

    A. Auch in irrgläubigen, ketzerischen Gemeinden gibt es Kinder Gottes, auch da wird die wahre Kirche an dem darin noch übrig gebliebenen reinen Wort und Sakrament offenbar.

Beweis aus Gottes Wort:

    Wenn der heilige Apostel die berufenen Galater "Gemeinden" oder Kirchen nennt, Gal. 1,2: "Den Gemeinden in Galatien", so geht daraus unwidersprechlich hervor, dass auch in diesen Gemeinschaften, obgleich sie von falschen Lehrern in Irrtum und zum großen Teil zum Abfall von Christus verführt waren, doch ein verborgener Same einer Kirche wahrhaft Gläubiger geblieben sei.

    Vergl. 1 Kön. 19,14 und 18! Hieraus ersehen wir, dass Gott auch da, wo die Baalspfaffen herrschten, sich eine heilige Kirche von 7000 Auserwählten, die selbst dem Propheten Elia unbekannt waren, erhalten hatte. Es sind dies diejenigen, welche innerlich durch einen lebendigen Glauben Christus anhängen und dennoch äußerlich Verführern folgen, weil sie "nicht erkannt haben die Tiefen des Satans" (Offenb. 2,24). Sie sind gleich jenen 200 Mann, die sich dem Aufrührer Absalom und seinem Rebellenhaufen anschlossen, aber "in ihrer Einfalt gingen und nichts wussten um die Sache" (2 Sam. 15,11).

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Vorrede zum Konkordienbuch (Müller S. 16 ff.): "Was denn die Condemnationes (Verdammungen), Aussetzung und Verwerfung falscher und unreiner Lehre, besonders im Artikel von des HERRN Abendmahl, betrifft, ... ist unser Wille und Meinung nicht, dass hiermit die Personen, so aus Einfalt irren und die Wahrheit des göttlichen Worts nicht lästern, viel weniger aber ganze Kirchen .. gemeinet, sondern dass allein damit die falschen und verführerischen Lehren und derselben halsstarrige Lehrer und Lästerer .. eigentlich verworfen werden.., sintemal wir uns ganz und gar keinen Zweifel machen, dass viele fromme unschuldige Leute auch in den Kirchen, die sich bisher mit uns nicht allerdinge verglichen, zu finden sind, welche in der Einfalt ihres Herzens wandeln, die Sache nicht recht verstehen und an den Lästerungen gegen das heilige Abendmahl, wie es in unsern Kirchen nach der Stiftung Christi gehalten und vermöge der Worte seines Testaments davon einhelliglich gelehret wird, gar keinen Gefallen tragen und sich, so hoffen wir, wenn sie in der Lehre recht unterrichtet werden, durch Anleitung des Heiligen Geistes zu der unfehlbaren Wahrheit des göttlichen Worts mit uns und unsern Kirchen und Schulen begeben und wenden werden."

    Apologie (Müller S. 156): "Die Wölfe und falschen Lehrer, wiewohl sie in der Kirche wüten und Schaden tun, so sind sie doch nicht die Kirche und das Reich Christi." Hier bekennt unsere Kirche, dass die Ketzer nicht außerhalb, sondern innerhalb der wahren Kirche ihre giftige Saat aussäen, dass also auch in den Haufen, welche die Ketzer um sich versammeln, die wahre Kirche verborgen liegt. Daher heißt es ebendaselbst (Müller S. 153) ferner: "Der Haufe der Gottlosen ist viel größer, gar nahezu unzählig, welche das Wort verachten, bitter hassen und aufs äußerste verfolgen, als da sind ... Ketzer. Darüber wird die rechte Lehre und Kirche oft so gar unterdrückt und verloren, wie unterm Papsttum geschehen, als sei keine Kirche, und lässt sich oft ansehen, als sei sie gar untergegangen." Unsere Kirche bekennt hier, es lasse sich bei dem Wüten der Ketzer "ansehen", als sei keine Kirche da, obwohl Christus "herrschet mitten unter seinen Feinden" (Ps. 110,2).

    Daselbst (Müller S. 272): Wir sagen nicht von allen; es mögen etliche in den Klöstern sein, die das heilige Evangelium von Christus wissen und keine Heiligkeit auf ihre Traditiones (Menschensatzungen) setzen." (Art. 13 von Klostergelübden zu der Augsburgischen Konfession, Art. 27.)

    B. Ein jeder ist bei seiner Seligkeit verbunden, alle falschen Propheten zu fliehen und die Gemeinschaft mit irrgläubigen Gemeinden oder Sekten zu meiden.

Beweis aus Gottes Wort:

    Nicht wenige, wenn sie hören, dass die Kirche überall sei, wo Wort und Sakrament noch wesentlich ist, machen nun daraus den Schluss: also ist es gleichgültig, ob man sich zu einer rechtgläubigen oder zu einer falschgläubigen Gemeinschaft halte; man ist ja dennoch in der Kirche und kann dennoch selig werden. Aber man irrt sich. Wohl ist es darum nicht nötig, sich von der Gemeinschaft der Irrgläubigen zu trennen, damit man in der Kirche sei, und wohl werden viele selig, welche aus Mangel an Erkenntnis sich äußerlich zu Sekten halten und dennoch im wahren glauben stehen. Aber was hilft es, in der Kirche zu sein, wenn man nicht von der Kirche ist und nicht zu ihr gehört? Derjenige aber, welcher die falsche Lehre der Sekten und ihrer Lehrer erkannt hat und sich doch zu ihnen hält, ist zwar freilich noch in der Kirche, aber nicht von der Kirche; der gehört nicht zu dem unter den Sekten verborgen liegenden göttlichen Samen; sein Gemeinschafthalten mit der Sekte ist keine Schwachheitssünde, bei welcher der Gnadenstand noch bestehen kann; ein solcher handelt mutwillig wider Gottes Gebot, denn Gott gebietet uns in seinem heiligen Worte, falsche Lehrer und ihren verfälschten Gottesdienst zu fliehen und zu meiden. So wenig die Lehre, dass die begnadigten Christen noch Schwachheitssünde haben, diejenigen rechtfertigt, welche darum meinen, in der Sünde wissentlich und mutwillig verharren zu können; so gewiss vielmehr solche auf Gnade Sündigende Kinder der Verdammnis sind: so wenig rechtfertigt die Lehre, dass es auch unter den Sekten Kinder Gottes gibt, diejenigen, welche gegen Gottes Gebot wissentlich darin verharren wollen, und so gewiss sind vielmehr auch solche mutwillige Teilnehmer an der Verfälschung des Wortes der Wahrheit Kinder der Verdammnis. Denn also stehet geschrieben:

    5 Mose 13,1-3: "Wenn ein Prophet oder Träumer unter euch wird aufstehen und gibt dir ein Zeichen oder Wunder, und das Zeichen oder Wunder kommt, davon er dir gesagt hat, und spricht: Lass uns andern Göttern folgen, die ihr nicht kennet, und ihnen dienen - so sollst du nicht gehorchen den Worten solches Propheten oder Träumers; denn der HERR; euer Gott, versucht euch, dass er erfahre, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieb habt."

    Matth. 7,15: "Sehet euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe!"

    Matth. 24,23.24: "So alsdann jemand zu euch wird sagen: Siehe, hier ist Christus oder da, so sollt ihr es nicht glauben. Denn es werden falsche Christusse und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, daß verführet werden in den Irrtum (wo es möglich wäre) auch die Auserwählten."

    Apg. 20,30.31: "Auch aus euch selbst werden aufstehen Männer, die da verkehrte Lehren reden, die Jünger an sich zu ziehen. Darum seid wacker und denket daran, dass ich nicht abgelassen habe drei Jahre, Tag und Nacht einen jeglichen mit Tränen zu vermahnen."

    Röm. 16,17.18: "Ich ermahne aber euch, liebe Brüder, dass ihr aufsehet auf die, die da Zertrennung und Ärgernis anrichten neben der Lehre, die ihr gelernet habt, und weichet von denselbigen. Denn solche dienen nicht dem HERRN Jesus Christus, sondern ihrem Bauch, und durch süße Worte und prächtige Rede verführen sie die unschuldigen Herzen."

    1 Kor. 10,18.21: "Sehet an den Israel nach dem Fleisch. Welche die Opfer essen, sind die nicht in der Gemeinschaft des Altars? Ihr könnet nicht zugleich trinken des HERRN Kelch und der Teufel Kelch; ihr könnet nicht zugleich teilhaftig sein des HERRN Tisches und der Teufel Tische."

    1 Kor. 11,19: "Es müssen Rotten unter euch sein, auf dass die, so rechtschaffen sind, offenbar unter euch werden."

    2 Kor. 6,14-18: "Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen. Denn was hat die Gerechtigkeit für Genieß mit der Ungerechtigkeit? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Wie stimmt Christus mit Belial? Oder was für einen Teil hat der Gläubige mit dem Ungläubigen? Was hat der Tempel Gottes für eine Gleiche mit den Götzen? Ihr aber seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie denn Gott spricht: Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein. Darum gehet aus von ihnen, und sondert euch ab, spricht der HERR, und rühret kein Unreines an: so will ich euch annehmen. Und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige HERR."

    Gal.5,9: "Ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig."

    Tit. 3,10.11: "Einen ketzerischen Menschen meide, wenn er einmal und abermals ermahnet ist, und wisse, dass ein solcher verkehrt ist und sündiget, wie der sich selbst verurteilet hat."

    2 Joh. 10.11: "So jemand zu euch kommt und bringet diese Lehre nicht, den nehmet nicht zu Hause und grüßet ihn auch nicht. Denn wer ihn grüßet, der macht sich teilhaftig seiner bösen Werke."

    Offenb. 18,4: "Gehet aus von ihr (Babylon), mein Volk, dass ihr teilhaftig werdet ihrer Sünden, auf dass ihr nicht empfanget etwas von ihren Plagen."        

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Apologie: "Doch soll man falsche Lehrer nicht annehmen oder hören, denn dieselbigen sind nicht mehr an Christus Statt, sondern sind Widerchristi. Und Christus hat von denen klar befohlen: 'Hütet euch vor den falschen Propheten.' Und Paulus zu den Galatern 'Wer euch ein anderes Evangelium predigt, der sei verflucht.'" (Müller S. 162.)

    Schmalkaldische Artikel, Anhang: "Zum dritten muss man auch dies wissen, wenn auch der Papst den Primat und Obrigkeit aus göttlichem Recht hätte, dass man denjenigen Päpsten, so falschen Gottesdienst, Abgötterei und falsche Lehre gegen das Evangelium vorgeben, keinen Gehorsam schuldig ist. Ja, was mehr ist, man solle auch solche Päpste und solches Reich für ein Anathema und verfluchtes Wesen halten, wie Paulus klar sagt Gal. 1,8 und in Apg. steht 5,29." (Müller S. 335.)

    Ebendaselbst: "Weil nun dem also ist, sollen alle Christen auf das fleißigste sich hüten, dass sie solcher gottlosen Lehre, Gotteslästerung und unbilliger Wüterei sich nicht teilhaftig machen, sondern sollen vom Papst und seinen Gliedern oder Anhang, als von des Antichrists Reich, weichen und es verfluchen, wie Christus befohlen hat: 'Hütet euch vor den falschen Propheten.' Und Paulus gebietet, dass man falsche Prediger meiden und als ein Greuel verfluchen soll. Und 2 Kor. 6 spricht er: 'Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen, denn was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis' etc. Schwer ist es, dass man von so viel Landen und Leuten sich trennen und eine andere Lehre führen will. Aber hier stehet Gottes Befehl, dass jedermann sich soll hüten und nicht mit denen einhellig sein, so unrechte Lehre führen oder mit Wüterei zu erhalten gedenken." (Müller S. 336.337.)

    Ebendaselbst: "So gebietet Paulus, dass alle Bischöfe, so entweder selbst unrecht lehren oder unrechte Lehre und falschen Gottesdienst verteidigen, für sträfliche Leute sollen gehalten werden." (Müller S. 342.)

    Konkordienformel, Wiederholung, Artikel 10: "Wie auch unter die rechten freien Adiaphora oder Mitteldinge nicht sollen gerechnet werden solche Zeremonien, die den Schein haben oder, dadurch Verfolgung zu vermeiden, den Schein vorgeben wollten, als wäre unsere Religion mit der papistischen nicht weit voneinander oder wäre uns dieselbe ja nicht hoch entgegen oder, wenn solche Zeremonien dahin gemeinet, wie gefordert oder aufgenommen, als ob damit und dadurch beide gegensätzliche Religionen verglichen und ein Körper geworden, oder wiederum ein Zutritt zum Papsttum und ein Abweichen von der reinen Lehre des Evangeliums und der wahren Religion geschehen oder gemächlich daraus erfolgen sollte. Denn in diesem Fall soll und muss gelten, das Paulus schreibt 2 Kor. 6: 'Ziehet nicht am fremden Joch; was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Darum gehet aus von ihnen und sondert euch ab, spricht der HERR.'" etc. (Müller S. 698.)

    C. Ein jeder Christ ist bei seiner Seligkeit verbunden, sich zu den rechtgläubigen Gemeinden und ihren rechtgläubigen Predigern zu bekennen und zu halten, wo er solche findet.

Beweis aus Gottes Wort:

    Der HERR spricht: "Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater" (Matth. 10,32.33). Ferner: "Wer sich aber mein und meiner Worte schämet, des wird sich des Menschen Sohn auch schämen, wenn er kommen wird in seiner Herrlichkeit, und seines Vaters und der heiligen Engel" (Luk. 9,26). Endlich schreibt der heilige Apostel: "So du mit dem Munde bekennest Jesus, dass er der HERR sei, und glaubest in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferwecket hat, so wirst du selig. Denn so man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig" (Röm. 10,9.10). Hiernach kann der nicht selig werden, welcher zwar den Glauben an Christus und seine Wahrheit in seinem Herzen tragen, aber denselben nicht mit dem Munde bekennen will. Sonach ist jeder Christ bei seiner Seligkeit verbunden, sich öffentlich von denen loszusagen, von welchen er erkennt, dass sie Christi Wahrheit verfälschen, und sich öffentlich zu denen zu bekennen und zu halten, von welchen er erkennt, dass sie für Christus und seine ungefälschte Wahrheit zeugen. Daher spricht der HERR ferner: "Wer euch höret, der höret mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich" (Luk. 10,16). "Wo euch jemand nicht annehmen wird, noch eure Rede hören, so gehet heraus von demselben Hause oder Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen! Wahrlich, ich sage euch: Dem Lande der Sodomer und Gomorrer wird es erträglicher ergehen am Jüngsten Gericht als solcher Stadt. Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt in eines Propheten Namen, der wird eines Propheten Lohn empfangen. Wer einen Gerechten aufnimmt in eines Gerechten Namen, der wird eines Gerechten Lohn empfangen" (Matth. 10,14.15.40.41). Daher schreibt denn auch St. Paulus an den Timotheus: "Schäme dich nicht des Zeugnisses unseres HERRN noch meiner, der ich sein Gebundener bin; sondern leide dich mit dem Evangelium, wie ich, nach der Kraft Gottes" (2 Tim. 1,8).

    Gottes Wort sagt es aber auch ausdrücklich, dass ein Christ Gemeinschaft halten solle mit denen, die den rechten Glauben bekennen, und sich hüten müsse, Ursache zu Trennungen und Spaltungen zu geben, sei es durch Wort oder durch Tat. Denn also stehet geschrieben: "ich ermahne euch aber, liebe Brüder, durch den Namen unseres HERRn Jesus Christus, dass ihr allzumal einerlei Rede führet und lasset nicht Spaltungen unter euch sein, sondern haltet fest aneinander, in einem Sinn und in einerlei Meinung. Denn mir ist vorgekommen, liebe Brüder, durch die aus Chloes Gesinde von euch, daß Zank unter euch sei. Ich sage aber davon, daß unter euch einer spricht: Ich bin paulisch; der andere: ich bin apollisch; der dritte: ich bin kephisch; der vierte: ich bin christisch. Wie? Ist Christus nun zertrennet? Ist denn Paulus für euch gekreuziget? Oder seid ihr in Pauli Namen getauft?" (1 Kor. 1,10-13). Ferner: "Seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens. Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einer Hoffnung eures Berufes. Ein HERR, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater (unser) aller, der da ist über alle und durch euch alle und in euch allen" (Eph. 4,3-6). Endlich: "Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben; aber auf daß sie offenbar würden, daß sie nicht alle von uns sind" (1 Joh. 2,19). Dies alles sind Gründe, auf denen die Ermahnung des Apostels beruht: "Lasset uns ... nicht verlassen unsere Versammlung, wie etliche pflegen" (Hebr. 10,25), und der Ausspruch des HERRN: "Höret er die Gemeinde nicht, so halte ihn als einen Heiden und Zöllner" (Matth. 18,17).

    So wird uns denn von den ersten Christen berichtet, nicht nur: "Sie bleiben aber beständig in der Apostel Lehre", sondern auch: und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Alle aber, die gläubig waren geworden, waren bei einander. .. Und sie waren täglich und stets bei einander einmütiglich im Tempel und brachen das Brot hin und her in den Häusern, nahmen die Speise und lobten Gott mit Freuden und einfältigem Herzen und hatten Gnade bei dem ganzen Volk. Der HERR aber tat hinzu täglich, die da selig wurden, zu der Gemeinde" (Apg. 2,42.44.6.47).

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Konkordienformel: "und nachdem gleich nach der Apostel Zeit, auch noch bei ihrem Leben falsche Lehrer und Ketzer eingerissen und gegen dieselbe in der ersten Kirche Symbola, d.i. kurze, runde Bekenntnisse gestellet, welche für den einhelligen, allgemeinen christlichen Glauben und Bekenntnis der rechtgläubigen und wahrhaftigen Kirche gehalten, nämlich: das Symbolum apostolicum, Symbolum Nicaenum und Symbolum Athanasii; bekennen wir uns zu denselben und verwerfen hiermit alle Ketzereien und Lehre, so denselben zuwider in die Kirche Gottes eingeführet worden sind ... Zum dritten, dieweil in diesen letzten Zeiten der gütige Gott aus besonderer Gnade die Wahrheit seines Worts aus der greulichen Finsternis des Papsttums durch den getreuen Dienst des teuren Mannes Gottes Dr. Luthers wieder ans Licht gebracht hat und dieselbe Lehre aus und nach Gottes Wort gegen des Papsttums und auch anderer Sekten Verfälschung in die Artikel und Hauptstücke der Augsburgischen Konfession zusammengezogen ist, so bekennen wir uns auch zu derselben ersten ungeänderten Augsburgischen Konfession, nicht deswegen, dass sie von unsern Theologis gestellet, sondern weil sie aus Gottes Wort genommen und darinnen fest und wohl gegründet ist, allermaßen, wie sie Anno 30 etc. in Schriften verfasset und dem Kaiser Karl V. von etlichen christlichen Kurfürsten und Ständen des römischen Reichs als ein allgemein Bekenntnis der reformierten [meint hier: evangelisch-lutherischen, welche die wahrhaft nach Gottes Wort reformierte Kirche ist, nicht zu verwechseln mit der, die sich falscherweise so nennt, Anm. d. Hrsg.] Kirche zu Augsburg übergeben, als dieser Zeit unserm Symbolo, durch welches unsere reformierte Kirche von den Papisten und andern verworfenen und verdammten Sekten und Ketzereien abgesondert worden, inmaßen denn solches in der alten Kirche herkommen und gebräuchlich gewesen, dass die folgenden Synoden, christliche Bischöfe und Lehrer sich auf das Nicänische Symbolum bezogen und dazu bekannt haben." (Summarischer Begriff und Wiederholung. [Müller S. 517.569.]) Hieraus ist deutlich zu ersehen, dass unsere Kirche, weit entfernt, sich durch ihre Trennung von dem Papsttum von der wahren rechtgläubigen christlichen Kirche trennen zu wollen, damit vielmehr der wahren Kirche aller vergangenen Zeit hat treu sein wollen. Ja, sie hat sich dadurch so wenig von derselben absondern wollen, daß sie sich in der Augsburgischen Konfession vielmehr auf ihre Übereinstimmung nicht nur mit der Schrift, sondern auch mit der Kirche, und nicht nur mit dieser überhaupt, sondern auch mit der rechten römischen besonders berufen und also erklärt hat: "So denn dieselbe (unsere Lehre) in heiliger Schrift klar gegründet, und dazu auch allgemeiner christlicher, ja römischer Kirche, so viel aus der Väter Schrift zu vermerken, nicht zuwider noch entgegen ist, so achten wir auch, unsre Widersacher können in obangezeigten Artikeln nicht uneinig mit uns sein." (Schluss der 21 Artikel. [Müller S. 47.]) Wie aber immer die ganze spätere Kirche sich zur früheren bekennen soll, so soll sich auch jeder einzelne Christ immer zur rechtgläubigen Kirche bekennen und halten.

These 9:

    Zur Erlangung der Seligkeit unbedingt notwendig ist nur die Gemeinschaft mit der unsichtbaren Kirche, welcher ursprünglich allein alle jene herrlichen, die Kirche betreffenden, Verheißungen gegeben sind.

Beweis aus Gottes Wort:

    Gottes Wort sagt: "So halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben" (Röm. 3,28). "Und ist in keinem anderen Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden" (Apg. 4,12). Hiernach ist unbedingt und allein zur Seligkeit notwendig die Gemeinschaft mit Christus durch den Glauben. Der Grundsatz: "Außer der Kirche kein Heil - Wer die Kirche auf Erden nicht zur Mutter hat, hat Gott im Himmel nicht zum Vater", ist daher nur in dem Sinne wahr, dass außer der unsichtbaren Kirche kein Heil und keine göttliche Gnadenkindschaft ist; denn dies heißt eben nichts anderes als: "außer[halb von] Christus ist kein Heil"; denn wer nicht in innerlicher Gemeinschaft mit den Gläubigen und Heiligen steht, der steht auch nicht in Gemeinschaft mit Christus: hingegen, wer durch den Glauben in Gemeinschaft mit Christus steht, der steht auch in Gemeinschaft mit allen denen, in denen Christus wohnt, d.i. mit der unsichtbaren Kirche. Wer daher die Seligkeit an die Gemeinschaft mit irgendeiner sichtbaren Kirche bindet, stößt damit den Artikel von der Rechtfertigung eines armen Sünders vor Gott allein durch den Glauben an Jesus Christus um; obwohl auch das wahr ist, dass außer der sichtbaren Kirche kein Heil ist, wenn man unter der sichtbaren Kirche nicht irgendeine Partikularkirche, sondern die Versammlung aller Berufenen versteht; denn außer dem Haufen der Berufenen sind keine Auserwählten zu suchen, d.h. ohne das Wort Gottes, welches allein in dem Haufen der Berufenen ist, ist kein Glaube und darum auch kein Christus und keine Seligkeit: "Denn wer den Namen des HERRN wird anrufen, soll selig werden. Wie sollen sie aber anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? - So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes" (Röm. 10,13.14.17).

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Apologie: "Darüber wird die rechte Lehre und Kirche oft so gar unterdrückt und verloren, wie unterm Papsttum geschehen, als sei keine Kirche, und lässt sich oft ansehen, als sei sie gar untergegangen." (Müller S. 153.)

    Großer Katechismus: "Also richtet der Heilige Geist die Heiligung aus durch die folgenden Stücke, das ist, durch die Gemeinde der Heiligen oder christliche Kirche, Vergebung der Sünde, Auferstehung des Fleisches und ewiges Leben, das ist, dass er uns erstlich führet in seine heilige Gemeinde und in der Kirche Schoß leget, dadurch er uns prediget und zu Christus bringet .. So lerne nun diesen Artikel (den dritten) aufs deutlichste verstehen. Wenn man fraget: Was meinest du mit den Worten: Ich glaube an den Heiligen Geist? daß du könntest antworten: Ich glaube, dass mich der Heilige Geist heilig machet, wie sein Name ist. Womit tut er aber solches? Oder, was ist seine Weise und Mittel dazu? Antwort: durch die christliche Kirche, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben. Denn zum ersten hat er eine besondere Gemeinde in der Welt, welche ist die Mutter, so einen jeglichen Christen zeuget und trägt durch das Wort Gottes .. Denn wo er's nicht predigen lässet und im herzen erweckt, daß man's fasset, da ists verloren, wie unterm Papsttum geschehen ist, da der Glaube ganz unter die Bank gesteckt und niemand Christus als einen HERRN erkannt hat .. Woran hat es denn gemangelt? Daran, dass der Heilige Geist nicht ist da gewesen, der solches hätte offenbaret und predigen lassen, sondern Menschen und böse Geister sind da gewesen, die uns haben gelehret durch unsere Werke selig zu werden und Gnad erlangen, darum ists auch keine christliche Kirche, denn wo man nicht von Christus prediget, da ist kein Heiliger Geist, welcher die christliche Kirche machet, berufet und zusammenbringet. Außer[halb] welcher niemand zu dem HERRN Christus kommen kann... Außer[halb] der Christenheit aber, da das Evangelium nicht ist, ist auch keine Vergebung, wie auch keine Heiligkeit da sein kann... Denn was außer[halb] der Christenheit ist, es seien Heiden, Türken, Juden oder falsche Christen und Heuchler, ob sie gleich nur einen wahrhaftigen Gott glauben und anbeten, so wissen sie doch nicht, was er gegen sie gesinnet ist, können sich auch keiner Liebe noch Gutes zu ihm versehen, darum sie im ewigen Zorn und Verdammnis bleiben." (Auslegung des 3. art. des christlichen Glaubens. [Müller S. 455.456.458.460.])

    Schmalkaldische Artikel: "Und in diesen Stücken so das mündliche äußerliche Wort betreffen, ist fest darauf zu bleiben, dass Gott niemand seinen Geist oder Gnade gibt ohne durch oder mit dem vorgehenden äußerlichen Wort .. Darum sollen und müssen wir darauf beharren, daß Gott nicht will mit uns Menschen handeln als durch sein äußerlich Wort und Sakrament; alles aber, was ohne solch Wort und Sakrament vom Geist gerühmet wird, das ist der Teufel." (Teil 3. Art. 8. [Müller S. 321.322.])      

Teil II: Vom heiligen Predigtamt oder Pfarramt

These 1:

    Das heilige Predigtamt oder Pfarramt ist ein von dem Priesteramt, welches alle Gläubigen haben, verschiedenes Amt.

Beweis aus Gottes Wort: 

    Obgleich uns in der heiligen Schrift bezeugt wird, daß alle gläubigen Christen Priester sind (1 Petr. 2,9; Offenb. 1,6; 5,10), so wird uns doch zugleich darin ausdrücklich gelehrt, daß es in der Kirche ein Amt zu leren, zu weiden, zu regieren etc. gebe, welches die Christen vermöge ihres allgemeinen Christenberufes nicht haben. Denn also stehet geschrieben: "Sind sie alle Apostel? Sind sie alle Propheten? Sind sie alle Lehrer?" etc. (1 Kor. 12,29). "Wie sollen sie aber predigen, wo sie nicht gesandt werden?" (Röm. 10,15) "Liebe Brüder, unterwinde sich nicht jedermann, Lehrer zu sein, und wisse, daß wir desto mehr Urteil empfangen werden" (Jak. 3,1).

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Augsburgische Konfession: "Vom Kirchenregiment wird gelehret, dass niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen oder Sakrament reichen soll ohne ordentlichen Beruf[ung]." (Art. 14.) [Müller S. 42.]

These 2:

    Das Predigtamt oder Pfarramt ist keine menschliche Ordnung, sondern ein von Gott selbst gestiftetes Amt.

Beweis aus Gottes Wort:

    Daß das heilige Predigtamt oder das Amt des Neuen Testamentes nicht eine menschliche Ordnung, nicht eine kirchliche Einrichtung, sondern ein Werk der göttlichen Weisheit, eine Stiftung Gottes selbst sei, erhellt 1. aus den Weissagungen der Propheten, dass Gott der Kirche des Neuen Bundes selbst Hirten und Lehrer geben werde: "Der HERR gibt das Wort mit großen Scharen Evangelisten" (Ps. 68,12). "Und will euch Hirten geben nach meinem herzen, die euch weiden sollen mit Lehre und Weisheit" (Jer. 3,15). "Und ihr Kinder Zions, freuet euch und seid fröhlich in dem HERRN, eurem Gott, der euch Lehrer zur Gerechtigkeit gibt" (Joel 2,23). Die göttliche Einsetzung des neutestamentlichen Amtes erhellt 2. aus dem Berufe der heiligen Apostel zum Lehramt durch den Sohn Gottes nach Matth. 10; 28,18-20; Luk. 9,1-10; Mark. 16,15; Joh. 20,21-23; 21,15-17 ("Weide meine Schafe") und der siebzig Jünger nach Luk. 10,1-22. Endlich erhellt die Göttlichkeit des evangelischen Kirchenamtes 3. aus allen den Stellen, in welchen auch die mittelbar Berufenen als von Gott Berufene dargestellt werden: "So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, unter welche euch der Heilige Geist gesetzet hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, welche er durch sein eigenes Blut erworben hat" (Apg. 20,28). "Und Gott hat gesetzt in der Gemeinde aufs erste die Apostel, aufs andere die Propheten, aufs dritte die Lehrer, darnach die Wundertäter, darnach die Gaben, gesund zu machen, Helfer, Regierer, mancherlei Sprachen. Sind sie alle Apostel? Sind sie alle Propheten? Sind sie alle Lehrer? Sind sie alle Wundertäter?" (1 Kor. 12,28.29). "Und er (Christus) hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche aber zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern" (Eph. 4,11). Daher denn 4. die heiligen Apostel sich den mittelbar berufenen Dienern der Kirche als deren Amtsgenossen an die Seite setzen: "Die Ältesten, so unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste" (1 Petr. 5,1). Vergl. 2 Joh. 1; 3 Joh 1, wo sichHoannes einen Presbyter oder Ältesten; ferner Kol. 4,7, wo Paulus den Tychikus Mitknecht; ferner Phil. 2,25, wo Paulus den Epaphroditus seinen Gehilfen und Mitstreiter und den Apostel der Philipper; endlich 1 Kor. 4,1; 1,1, wo sich Paulus mit Sosthenes Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse nennt.

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Augsburgische Konfession: "Solchen Glauben zu erlangen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt." (Artikel 5. Müller S. 39.)

    Hier ist allerdings von dem Predigtamt nicht in concreto oder vom Pfarramt, sondern vom Amte in abstracto die Rede, wie u.a. Ludwig Hartmann ganz richtig erinnert, welcher in seinem Pastorale schreibt: "Vom Ministerium kann auf zweierlei Weise gehandelt werden: 1. abstraktiv, sofern der Stand selbst und das Amt selbst der christlichen Betrachtung unterliegt, in welchem Betracht vom Amte im 5. Artikel der Augsburgischen Konfession gehandelt wird; 2. konkretiv oder in Ansehung der Personen, die sich in diesem heiligen Amte befinden; so wird von diesem Gegenstand im 14. Artikel der Augsburgischen Konfession gehandelt." Dasselbe geht auch aus den Schwabacher Artikeln Luthers hervor, aus denen der 5. Artikel der Augustana genommen ist. Jener lautet nämlich also: "Solchen Glauben zu erlangen oder uns Menschen zu geben, hat Gott eingesetzt das Predigtamt oder mündlich Wort, nämlich das Evangelium, durch welchen er solchen Glauben und seine Macht, Nutz und Frucht verkündigen läßt und gibt auch durch dasselbige, als durch ein Mittel, den Glauben mit seinem Heiligen Geist, wie und wo er will. Sonst ist kein ander Mittel noch Weise, weder Weg noch Steg, den Glauben zu bekommen. Denn Gedanken außer und vor dem mündlichen Wort, wie heilig und gut sie scheinen, sind sie doch eitel Lügen und Irrtum." (Hist. der A.K. durch Dr. David Chyträus. Frkf. 1580. S. 25.) Daher heißt es denn auch in der Konkordienformel: "Ministerium ecclesiasticum, hoc est, verbum Dei praedicatum et auditum" (der "Kirchendienst"), das ist, das gepredigte und gehörte Wort, dadurch wir berufen werden, ist ein Amt des Geistes. (Müller S. 710.) Es ist dies um derjenigen willen wichtig, welche das Pfarramt zu einem Gnadenmittel machen und es dem Wort und den Sakramenten koordinieren und behaupten, dass dasselbe jedem Menschen zur Seligkeit unbedingt notwendig sei, so daß ein Mensch ohne den Dienst eines ordinierten Pfarrers weder zum Glauben kommen, noch Absolution seiner Sünden erlangen könne; während unsere Kirche dies nur von dem mündlichen oder leiblichen Wort im Gegensatz zu einem angeblichen innerlichen Worte und zu jeder Art von Enthusiasterei lehrt. Nichtsdestoweniger will unser Grundbekenntnis im 5. Artikel ohne Zweifel auch für die göttliche Einsetzung des Pfarramtes, wenn auch nur indirekt, Zeugnis ablegen, wie aus allen Kommentaren unserer rechtgläubigen Theologen zu diesem Artikel klar hervorgeht. Vergl. Mylius, Carpzov, Menzer, Franz u.a.

    Schmalkaldische Artikel: "Joh. 20 sendet Christus seine Jünger zugleich zum Predigtamt ohne alle Unterschiede, dass einer weder mehr noch weniger Gewalt soll haben als der andeere .. Weil nun Paulus klar zeugt, er habe bei Petrus nicht wollen ansuchen, dass er ihm zu predigen erlaubte, auch dazumal, da er am letzten sei zu ihm gekommen, haben wir eine gewisse Lehre, daß das Predigtamt vom allgemeinen Beruf der Apostel herkommt." (Anhang von der Gewalt und Obrigkeit des Papsts. [Müller S. 329.330.])

These 3:

    Das Predigtamt ist kein willkürliches Amt, sondern ein solches Amt, dessen Aufrichtung der Kirche geboten und an das die Kirche bis an das Ende der Tage ordentlicherweise gebunden ist.

Beweis aus Gottes Wort:

    So spricht der HERR Matth. 28,19.20: "Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie etc; und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende." Hieraus gehet klar hervor, dass das Predigtamt der Apostel aus Christi Befehl bis an das Ende er Tage währen soll; soll dies aber geschehen, so muss die Kirche bis an das Ende der Tage fort und fort das ordentliche öffentliche Predigamt aufrichten und die Gnadenmittel in dieser Ordnung unter sich handhaben.

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Apologie Art. 13: "Wo man aber das Sakrament des Ordens [Ordinieren, Anm. d. Hrsg.] wollte nennen ein Sakrament von dem Predigtamt und Evangelium, so hätte es keine Beschwerung, die Ordination ein Sakrament zu nennen. Denn das Predigtamt hat Gott eingesetzt und geboten, und hat herrliche Zusage Gottes, Röm. 1: 'Das Evangelium ist eine Kraft Gottes allen denjenigen, so daran glauben' etc., Jes. 55: 'Das Wort, das aus meinem Munde gehet, soll nicht wieder leer zu mir kommen, sondern tun, was mir gefället.' Wenn man das Sakrament des Ordens so verstehen wollte, so möchte man auch das Auflegen der Hände [dabei] ein Sakrament nennen. Denn die Kirche hat Gottes Befehl, daß sie soll Prediger und Diaconus bestellen. Dieweil nun solches sehr tröstlich ist, so wir wissen, dass Gott durch Menschen und diejenigen, so von Menschen gewählet sind, predigen und wirken will: so ist's gut, dass man solche Wahl hoch rühme und ehre; besonders gegen die teuflischen Anabaptisten, welche solche Wahl samt dem Predigtamt und leiblichen Wort verachten und lästern." (Müller S. 203.)

    Augsburgische Konfession: "Dieselbe Gewalt der Schlüssel und Bischöfe übet und treibet man allein mit der Lehre und Predigt Gottes Worts und mit der Handreichung der Sakramente gegen viele oder einzelne Personen, darnach der Beruf ist; denn damit werden gegeben nicht leibliche, sondern ewige Dinge und Güter, als nämlich ewige Gerechtigkeit, der Heilige Geist und das ewige leben. Diese Güter kann man anders nicht erlangen als durch das Amt der Predigt und durch die Handreichung der Sakramente." (Art. 28. [Müller S. 63.]) Hier wird die Gewalt der Schlüssel, welche die Kirche hat und vermöge welcher sie die Gnadenmittel handhabt, mit der Gewalt der Bischöfe identifiziert und die Erlangung der ewigen Güter daran gebunden, nicht zwar, als ob ohne die Verwaltung der Gnadenmittel durch die öffentlichen Amtspersonen die ewigen Güter des Reiches Christi absolut nicht zu erlangen wären, sondern weil Gott diese Güter ordentlicherweise nur auf diesem Wege Menschen mitteilen will. 

These 4:

    Das Predigtamt ist kein besonderer, dem allgemeinen Christenstand gegenüberstehender heiligerer Stand, wie das levitische Priestertum, sondern ein Amt des Dienstes.

Beweis aus Gottes Wort:

    Laut Gottes Wort sind alle gläubigen Christen und sie allein Priester (priesterlichen Standes). Vergl. 1 Petr. 2,9; Offenb. 1,6. Es ist unter ihnen kein Unterschied des Standes, sie sind allzumal Einer in Christus Jesus (Gal. 3,28), sie sind alle Brüder (Matth. 23,8-12). Wie aber im Alten Bunde zwar alle Söhne Aarons priesterlichen Geschlechts und Standes waren, aber immer nur einige das Priesteramt pflegten und Dienst taten, so sind auch im Neuen Bunde diejenigen, welche das öffentliche Predigtamt tragen, nicht deswegen Priester, oder Priester vor anderen, sondern allein die Diensttuenden unter einem priesterlichen Volke. Daher schreibt der heilige Apostel: "Wer ist nun Paulus? Wer ist Apollos? Diener sind sie, durch welche ihr seid gläubig geworden" (1 Kor. 3,5). Ferner: "Denn wir predigen uns nicht selbst, sondern Christus JEsus, dass er sei der HErr, wir aber eure Knechte um JEsu willen" (2 Kor. 4,5). "Für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde, welcher ich ein Diener geworden bin nach dem göttlichen Predigtamte, das mir gegeben ist unter euch, dass ich das Wort Gottes reichlich predigen soll" (Kol. 1,24.25).

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Apologie, 1. Art. von Missbräuchen: "Gabriel unter andern Ursachen, warum den Laien nicht beide Gestalt gereicht werde, setzt auch diese: es habe müssen ein Unterschied sein, sagt er, unter Priester und Laien. Und ich halt wohl, es sei die größte und vornehmste Ursach, warum sie heute so festhalten, damit der Pfaffenstand heiliger erscheine gegenüber dem Laienstand; das ist nun ein Menschengedanke; worauf der gehe, ist wohl abzunehmen."

    Ebendaselbst, Art. 3 der Missbräuche: "So heißet Liturgeia griechisch eigentlich ein Amt, darinnen man der Gemeinde dienet; das schickt sich wohl auf unsere Lehre, dass der Priester da, als ein allgemeiner Diener, denjenigen, so kommunizieren wollen, dienet und das heilige Sakrament reichet."

These 5:

    Das Predigtamt hat die Gewalt, das Evangelium zu predigen und die heiligen Sakramente zu verwalten und die Gewalt eines geistlichen Gerichts.

Beweis aus Gottes Wort:

    Welches die Gewalt sei, die das mit dem Apostolat von Christus gestiftete Predigtamt hat, zeigt der HErr klar und deutlich an, wenn er spricht: "Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe" (Matth. 28,19.20). Ferner: "Gleichwie mich der Vater gesendet hat, so sende ich euch ... Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten" (Joh. 20,21.23). Ferner: "Weide meine Lämmer. Weide meine Schafe" (Joh. 21,15.16). Es ist also die in der obigen These angegebene Gewalt. Daher der heilige Apostel schreibt: "Dafür halte uns jedermann, nämlich für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse" (1 Kor. 4,1).

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Augsburgisches Bekenntnis, Art. 28: "Nun lehren die unsern so, dass die Gewalt der Schlüssel oder der Bischöfe sei laut dem Evangelium eine Gewalt und Befehl Gottes, das Evangelium zu predigen, die Sünde zu vergeben und zu behalten und die Sakramente zu reichen und zu handeln. Denn Christus hat die Apostel mit dem Befehl ausgesandt: 'Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch auch; nehmet hin den Heiligen Geist; welchen ihr die Sünden erlassen werdet, denen sollen sie erlassen sein, und denen ihr sie behalten werdet, denen sollen sie behalten sein.' Dieselbe Gewalt der Schlüssel oder Bischöfe übet und treibet man allein mit der Lehre und Predigt des Wortes Gottes und mit Handreichung der Sakramente, gegen viele oder einzelne Personen, darnach der Beruf ist ... Derhalben ist das bischöfliche Amt nach göttlichen Rechten: das Evangelium predigen, Sünde vergeben, Lehre urteilen und die Lehre, so dem Evangelium entgegen ist, verwerfen, und die Gottlosen, deren gottloses Wesen offenbar ist, aus der christlichen Gemeinde ausschließen, ohne menschliche Gewalt, sondern allein durch Gottes Wort. Und in diesem Fall sind die Pfarrleute und Kirchen schuldig, den Bischöfen gehorsam zu sein, laut dieses Spruchs Christi im 10. Kapitel bei Lukas: Wer euch höret, der höret mich."

    Apologie Art. 28: "Was aber die Bischöfe für ein Amt oder Gewalt haben in der Kirche, haben wir in der Konfession gesagt. Die Bischöfe, die jetzt den Bischofsnamen tragen in der Kirche, tun gar nicht ihr bischöfliches Amt nach dem Evangelium, aber lass sie gleich Bischöfe sein der canonica politica nach, welche wir in ihrem Wert lassen. Wir reden aber von rechten christlichen Bischöfen; und es gefällt mir die alte Division oder Teilung nicht übel, da sie gesagt haben, bischöfliche Gewalt bestehe in diesen zweien: potestate ordinis und potestate jurisdictionis, das ist Reichen der Sakramente und geistlicher Gerichtszwang. So hat ein jeder christlicher Bischof potestatem ordinis, das ist, das Evangelium zu predigen, Sakramente zu reichen, auch hat er Gewalt eines geistlichen Gerichtszwangs in der Kirche, das ist Macht und Gewalt, aus der christlichen Gemeinde auszuschließen diejenigen, die in öffentlichen Lastern gefunden werden, und dieselben, wenn sie sich bekehren, wieder anzunehmen und ihnen die Absolution mitzuteilen."

    Schmalkaldische Artikel, Anhang von der Bischöfe Gewalt: "In unserer Konfession und Apologie haben wir besonders erzählet, was von Kirchengewalt zu sagen gewesen ist. Denn das Evangelium gebietet denen, die den Kirchen sollen vorstehen, dass sie das Evangelium predigen, Sünde vergeben und Sakramente reichen sollen, und über das gibt es ihnen die Jurisdiktion, dass man die, so in öffentlichen Lastern liegen, bannen, und die sich bessern wollen, entbinden und absolvieren soll. Nun muss es jedermann, auch unsere Widersacher, bekennen, dass diesen Befehl zugleich alle haben, die den Kirchen vorstehen, sie heißen gleich Pastoren oder Presbyter oder Bischöfe."

These 6:

    Das Predigtamt wird von Gott durch die Gemeinde, als Inhaberin aller Kirchengewalt oder der Schlüssel, und durch deren von Gott vorgeschriebenen Beruf übertragen. Die Ordination der Berufenen mit Handauflegung ist nicht göttlicher Einsetzung, sondern eine apostolische kirchliche Ordnung und nur eine öffentliche feierliche Bestätigung jenes Berufes.

    A. Das Predigtamt wird von Gott durch die Gemeinde, als Inhaberin aller Kirchengewalt oder Schlüssel, und durch deren von Gott vorgeschriebenen Beruf übertragen.

Beweis aus Gottes Wort:

    Da die Gemeinde oder Kirche Christi, d.i. die Versammlung der Gläubigen, die Schlüssel und das Priestertum unmittelbar hat (Matth. 18,15-20; 1 Petr. 2,5-10. - Vergl. das oben unter These 4 im ersten Teil Gesagte -) so ist sie es auch und kann nur sie es sein, durch welche, nämlich durch deren Wahl, Beruf und Sendung, das Predigtamt, welches das Amt der Schlüssel und alle priesterlichen Ämter in der Gemeinde öffentlich verwaltet, gewissen dazu tüchtigen Personen übertragen wird. Daher wir denn auch lesen, dass selbst der Apostel Matthias nicht von den Elf allein, sondern von der ganzen Schar der versammelten Gläubigen, deren bei hundertundzwanzig zugegen waren, zu seinem hohen Amte gewählt wurde (Apostelgesch. 1,15-26). Ferner lesen wir, dass auch die Diakone von der 'ganzen Menge' gewählt wurden (Apostelgesch. 6,1-6). Gehören zu der berufenden Gemeinde auch schon das Amt verwaltende Kirchendiener, so gehören natürlich auch diese und zwar sie, nach dem Amte, das sie in der Kirche bereits tragen, vor allen zu den Berufenden, so dass, wenn ihnen die ihrem Amte angemessene Mitwirkung hierbei versagt wird, der Beruf der 'Menge' in solchem Falle keine Gültigkeit hat; weil derselbe dann eben nicht von der Gemeinde, sondern von Einzelnen in der Gemeinde, die, wenn gehörig geordnet, aus Predigern und Zuhörern besteht, ergangen ist. Gehören jedoch keine bereits Amtierenden zu der berufenden Gemeinde, so hat zwar der Beruf der Menge auch ohne Mitwirkung ersterer seine Gültigkeit, doch erfordert es 1. die Liebe und Einigkeit, welche nach Christi Willen unter allen Gliedern seines Leibes stattfinden und sich bezeugen soll, 2. die Ehre, welche die Gläubigen den treuen Trägern des Amtes schuldig sind, und 3. die Heiligkeit und Wichtigkeit der Sache selbst: dass auch eine allein stehende Gemeinde hier nicht allein nach ihrer Einsicht handle, sondern bereits vorhandene Kirchendiener, wenn sie solche zuziehen kann, auch wirklich zuziehe, ihres Rates und Unterrichts sich hierbei bediene und ihnen besonders die Prüfung und ordentliche öffentliche feierliche Einsetzung des Gewählten überlasse. Das Vorbild hierzu ist u.a. das Apostelgesch. 6,1-6 für alle Zeiten der Kirche vorgestellte Beispiel.

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Apologie Art. 7: "Das Sakrament, Taufe usw. sind darum nicht ohne Wirkung oder Kraft, daß sie durch Unwürdige oder Gottlose gereicht werden, denn um des Berufs willen der Kirchen sind solche da nicht für ihre eigene Person, sondern als Christus, wie Christus zeuget."

    Schmalkaldische Artikel, Anhang von der Gewalt und Obrigkeit des Papstes: "Über das muss man ja bekennen, dass die Schlüssel nicht einem Menschen allein, sondern der ganzen Kirche gehören und gegeben sind, wie denn solches mit hellen und gewissen Ursachen genügend kann erwiesen werden. Denn gleichwie die Verheißung des Evangeliums gewiss und ohne Vermittlung der ganzen Kirche gehöret, also gehören die Schlüssel ohne Vermittlung der ganzen Kirche, da die Schlüssel nichts anderes sind als das Amt, dadurch solche Verheißung jedermann, wer sie begehrt, wird mitgeteilet; wie es denn im Werk vor Augen ist, dass die Kirche Macht hat, Kirchendiener zu ordinieren. Und Christus spricht bei diesen Worten: 'Was ihr binden werdet' etc. und deutet, wem er die Schlüssel gegeben, nämlich der Kirche: 'Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen' etc... Nun ist das Predigtamt an keinen bestimmten Ort oder Person gebunden, wie der Leviten Amt im Gesetz gebunden war, sondern es ist durch die ganze Welt ausgestreuet, und ist an dem Ort, da Gott seine Gaben gibt, Apostel, Propheten, Hirten, Lehrer etc."    

    Schmalkaldische Artikel, Anhang von der Gewalt der Bischöfe: "Denn wo die Kirche ist, da ist ja der Befehl, das Evangelium zu predigen; darum müssen die Kirchen die Gewalt behalten, dass sie Kirchendiener fordern, wählen und ordinieren; und solche Gewalt ist ein Geschenk, welches der Kirche eigentlich von Gott gegeben und von keiner menschlichen Gewalt der Kirche kann genommen werden, wie St. Paulus zeuget Eph. 4, da er sagt: 'Er ist in die Höhe gefahren und hat gegeben den Menschen.' Und unter solchen Gaben, die der Kirche eigen sind, zählet er Pfarrer und Lehrer und hänget daran, dass solche gegeben werden zu Erbauung des Leibes Christi. Darum folgt, wo eine rechte Kirche ist, dass da auch die Macht sei, Kirchendiener zu wählen und zu ordinieren; wie denn in der Not auch ein schlichter Laie einen andern absolvieren und sein Pfarrer werden kann; wie Augustinus eine Geschichte schreibt, dass zwei Christen in einem Schiffe beisammen waren, der einer den andern getauft und danach von ihm absolviert sei. Hierher gehören die Sprüche Christi, welche zeugen, dass die Schlüssel der ganzen Kirche und nicht etlichen besonderen Personen gegeben sind, wie der Text sagt: 'Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen' usw. Zum letzten wird solches auch durch den Spruch Petri bekräftigt, da er spricht: 'Ihr seid das königliche Priestertum.' Diese Worte betreffen eigentlich die rechte Kirche, welche, weil sie allein das Priestertum hat, muss sie auch die Macht haben, Kirchendiener zu wählen und zu ordinieren. Solches bezeuget auch der allgemeine Brauch der Kirchen; denn vorzeiten wählet das Volk Pfarrer und Bischöfe, dazu kam der Bischof, am selben Ort oder in der Nähe gesessen, und bestätigt den gewählten Bischof etc."

    Schmalkaldische Artikel, Anhang von der Gewalt und Obrigkeit des Papstes: Im Nicänischen Konzil ist beschlossen worden, dass eine jegliche Kirche einen Bischof für sich selbst im Beisein eines oder mehrer Bischöfe, so in der Nähe wohneten, wählen sollte. Solches ist nicht allein im Orient eine lange Zeit, sondern auch in anderen und lateinischen Kirchen gehalten worden, wie solches klar bei Cyprianus und Augustinus ist ausgedrückt. Denn so spricht Cyprianus Ep. 4 ad Cornelium: 'Darum soll man es fleißig nach dem Befehl Gottes und der Apostel Brauch halten, wie es denn bei uns und fast in allen Ländern gehalten wird, dass zu der Gemeinde, wo ein Bischof zu wählen ist, andere des Orts nahegelegene Bischöfe zusammen sollen kommen und in Gegenwart der ganzen Gemeinde, die eines jeden Wandel und Leben weiß, der Bischof soll gewählet werden. Wie wir denn sehen, dass es in der Wahl des Sabinus, unsers Mitgesellen, auch geschehen ist, dass er nach  Wahl der ganzen Gemeinde und Rat etlicher Bischöfe, die vorhanden waren, zum Bischof erwählet und die Hände ihm aufgeleget sind' usw. Diese Weise nennt Cyprianus eine göttliche Weise und apostolischen Brauch und bezeugt, dass es fast in allen Ländern damals so gehalten worden sei... Zum letzten, wie kann der Papst nach göttlichem Recht über die Kirche sein, weil doch die Wahl bei der Kirche steht?"

    B. Die Ordination der Berufenen mit Handauflegung ist nicht göttlicher Einsetzung, sondern eine apostolische kirchliche Ordnung und nur eine öffentliche feierliche Bestätigung des Berufs.

Beweis aus Gottes Wort:

    Wovon Gottes Einsetzung in Gottes Wort nicht nachgewiesen werden kann, dies kann ohne Abgötterei nicht für Gottes eigene Stiftung erklärt und angenommen werden; von einer göttlichen Einsetzung der Ordination schweigt aber die Schrift und bezeugt uns allein, daß die heiligen Apostel dieselbe gebraucht und dass damals mit der Handauflegung die Mitteilung herrlicher Gaben verbunden gewesen sei. Freilich ist es jedoch nach Gottes Wort außer Zweifel, dass auch noch jetzt die Ordination, wenn sie mit einem gläubigen, auf die dem Predigtamt insbesondere gegebenen herrlichen Verheißungen gegründeten, Gebete der Kirche verbunden ist, keine leere Zeremonie, sondern von Ausschüttung himmlischer Gaben über den gläubigen Ordinierten begleitet sei.

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Schmalkaldische Artikel, II. Anhang: "Diese Worte betreffen eigentlich die rechte Kirche, welche, weil sie allein das Priestertum hat, muss sie auch die Macht haben, Kirchendiener zu wählen und zu ordinieren. Solches bezeugt auch der allgemeine Brauch der Kirche; denn vorzeiten wählet das Volk Pfarrer und Bischöfe; dazu kam der Bischof am selben Ort oder der in der Nähe gesessen, bestätiget den gewählten Bischof durch Auflegen der Hände, und ist dazumal die Ordination nichts anderes (nil nisi) gewesen als solche Bestätigung." Hier bezeugen unsere Väter, dass die göttliche Ordnung des öffentlichen Predigtamts eigentlich durch den Beruf und die Wahl der Kirche verwirklicht werde, dass die Ordination dieses Gotteswerk nicht erst schaffe, sondern, wo es bereits geschehen, nur öffentlich anerkenne, bezeuge und bestätige.

    Apologie 13. Art.: "Wo man aber das Sakrament des Ordens wollte nennen ein Sakrament von dem Predigtamt und Evangelium, so hätte es keine Schwierigkeit, die Ordination ein Sakrament zu nennen. Denn das Predigtamt hat Gott eingesetzt und geboten und hat herrliche Zusage Gottes. Röm. 1,16; Jes. 55. Wenn man das Sakrament des Ordens so verstehen wollte, so möchte man auch das Auflegen der Hände ein Sakrament nennen. Denn die Kirche hat Gottes Befehl, dass sie soll Prediger und Diakone bestellen. Dieweil nun solches sehr tröstlich ist, so wir wissen, dass Gott durch Menschen und diejenigen, die von Menschen gewählt sind, predigen und wirken will, so ist's gut, dass man solche Wahl hoch rühme und ehre, besonders gegen die teuflischen Anabaptisten, die solche Wahl samt dem Predigtamt und leiblichen Wort verachten und lästern." - Unsere Kirche bekennt hiermit, dass nur dann die Ordination für göttlich anzuerkennen sei, wenn man darunter die Wahl zum Predigtamt per synechdochen versteht, also nicht, was man gemeiniglich darunter versteht, eine den Beruf erst gültig machende Handlung Gottes. Gerhard sagt von dieser Stelle der Apologie: "Ein jeder sieht ein, dass die Apologie nicht sowohl von der Zeremonie der Ordination, als von dem Amt des Worts und der Sakramente selbst handle."

These 7:

    Das heilige Predigtamt ist die von Gott durch die Gemeinde als Inhaberin des Priestertums und aller Kirchengewalt übertragene Gewalt, die Rechte des geistlichen Priestertums in öffentlichem Amte von Gemeinschaftswegen auszuüben.

Beweis aus Gottes Wort:

    Nachdem unter These 1-4 erwiesen worden ist, dass das geistliche Priestertum, welches alle wahrhaft gläubigen Christen haben, und das Predigtamt oder Pfarramt nach Gottes Wort nicht eins und dasselbe sind; daß weder ein gemeiner Christ darum, weil er ein geistlicher Priester ist, auch ein Pfarrer, noch ein Pfarrer darum, weil er das öffentliche Predigtamt inne hat, ein Priester ist; dass weder das geistliche Priestertum ein öffentliches Amt in der Kirche, noch das öffentliche Predigtamt ein besonderer, von dem Christenstand verschiedener Stand, sondern ein (jedoch von Christus selbst in der Aufrichtung des apostolischen Amtes geordnetes) Amt des Dienstes ist, nachdem ferner unter These 5 erwiesen worden, dass die Prediger eben die Ämter öffentlich von Gemeinschaftswegen verwalten, welche ursprünglich die Kirche, als das rechte königliche priesterliche Geschlecht, und somit ein jeder wahrhaft gläubige Christ hat, - nachdem endlich unter These 6 erwiesen worden ist, dass den Predigern das Amt und ihre Gewalt von Gott durch die Gemeinde, als der ursprünglichen Inhaberin derselben, und durch deren von Gott vorgeschriebenen Beruf übertragen ist: so kann das Predigtamt nach seinem Wesen nichts anders sein, als die von Gott durch die Gemeinde als Inhaberin des Priestertums und aller Kirchengewalt übertragene Gewalt, die Rechte des geistlichen Priestertums im öffentlichen Amte von Gemeinschaftswegen auszuüben. Der Beweis aus Gottes Wort ist bereits unter These 4 und 7 des ersten und unter These 1, 4, 5, 6 des zweiten Teils geführt. Es sei hier nur noch einmal daran erinnert, dass die heilige Schrift die Kirche, d.i. die Gläubigen, als die Braut des HErrn und als die Hausherrin uns darstellt, welcher die Schlüssel, und hiermit das Recht und der Zugang zu allen Gemächern, Heiligtümern und Schätzen des Hauses Gottes und die Gewalt, darüber Haushalter zu stellen, gegeben ist; dass ferner ein jeder wahre Christ nach der heiligen Schrift ein geistlicher Priester und daher berechtigt und berufen ist, nicht nur für sich selbst die Gnadenmittel zu gebrauchen, sondern dieselben auch denen, welche selbige noch nicht haben und daher auch mit ihm die Priesterrechte noch nicht besitzen, zu spenden; dass aber da, wo diese Rechte alle haben, keiner sich vor den andern hervortun und dieselben den übrigen gegenüber ausüben dürfe, sondern dass hin und her, wo Christen zusammenleben, die Priesterrechte aller öffentlich von Gemeinschaftswegen nur von denen verwaltet werden sollen, welche dazu von der Gemeinschaft in der von Gott vorgeschriebenen Weise berufen worden sind; daher denn die Träger des öffentlichen Predigtamtes innerhalb der Kirche in Gottes Wort nicht nur Diener und Haushalter Gottes, sondern auch Diener und Haushalter der Kirche oder Gemeinde genannt und somit als solche dargestellt werden, die nicht ihre eigenen, sondern die Rechte, Gewalten, Güter, Schätze und Ämter der Kirche verwalten, also nicht nur im Namen Christi handeln, sondern auch im Namen und anstatt seiner Braut, der Kirche der Gläubigen. Wohl hat Christus selbst die Ordnung des öffentlichen Predigtamtes in seiner Kirche gestiftet und die Rechte und Gewalten bezeichnet, welche dasselbe haben soll; es sind das aber nicht Rechte und Gewalten, welche die Träger des Amtes mit Ausschluss der Kirche besitzen, sondern die Rechte und Gewalten, welche Christus seiner Kirche mit den Schlüsseln zum Eigentum gegeben hat, die aber nach seinem ausdrücklichen Befehl und Willen (vgl. oben These 2 und 3 des zweiten Teiles) in der Kirche nicht von der Menge gemeinschaftlich ohne Unterschied (promiscue), sondern durch bestimmte, dazu tüchtige, mit den nötigen Gaben ausgerüstete und durch diese Gaben von dem HErrn selbst der Kirche geschenkte und angewiesene, und darum von der Kirche zu berufende und berufene Männer öffentlich verwaltet werden sollen. Obgleich daher das allgemeine geistliche Priestertum und das öffentliche Predigtamt in der Kirche nicht eins und dasselbe ist, so ist doch das letztere des ersteren Frucht, indem es, wie unsere Alten sagen, in jenem "wurzelt"; obgleich der, welcher ein Träger des Kirchenamtes wird, dadurch nicht ein Priester wird (vielmehr soll er aus der Priesterschar der Christen genommen sein), so verwaltet er doch der Christenpriester heilige Ämter. Daher der heilige Apostel von sich schreibt: "Ich soll sein ein Diener JEsu Christi unter die Heiden, zu opfern das Evangelium Gottes" (Röm. 15,16).   

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Schmalkaldische Artikel, II. Anhang: "Zuletzt wird solches auch durch den Spruch Petri bekräftigt, da er spricht: 'Ihr seid das königliche Priestertum.' Diese Worte betreffen eigentlich die rechte Kirche, welche, weil sie allein das Priestertum hat, muß sie auch die Macht haben, Kirchendiener zu wählen und zu ordinieren." Hier bekennen die zu Schmalkalden versammelten Theologen im Namen unserer Kirche, dass die Kirche, weil sie selbst die priesterlichen Rechte besitzt, auch die Gewalt haben müsse, das Amt zu übertragen, welche diese ihre priesterlichen Rechte übt und verwaltet. Unsere Symbole [Bekenntnisse] erklären hiermit das öffentliche Predigtamt für eine Gewalt, vermöge welcher die Priesterrechte aller Gläubigen im öffentlichen Amte von Gemeinschaftswegen kraft erhaltenen Berufs ausgeübt werden. Daher denn auch in der Apologie unter anderem das Predigen des Evangeliums für ein Opfer des christlichen Priestertums erklärt wird: "Über dieses einige Sühnopfer, nämlich den Tod Christi, sind nun andere Opfer, die sind alle nur Dankopfer, wie alles Leiden, Predigen, gute Werke der Heiligen; das sind nicht solche Opfer, durch die wir versühnet werden, die man für andere" (zur Erwerbung eines Verdienstes für andere) "tun könne oder die da verdienen ex opere operato [aus dem Vollzug] Vergebung der Sünde oder Versöhnung. Denn sie geschehen von denjenigen, so schon durch Christus versöhnet sind. Und solche Opfer sind unsere Opfer im Neuen Testament, wie Petrus der Apostel 1 Petr. 2 sagt: 'Ihr seid ein heiliges Priestertum, dass ihr opfert geistliche Opfer.' ... Wie wir die Predigt heißen ein Lobopfer, so mag die Zeremonie des Abendmahls an sich selbst ein Lobopfer sein, aber nicht ein solches Opfer, das ex opere operato vor Gott gerecht mache oder das man für andere tun könne, ihnen Vergebung der Sünde zu erlangen. ... Das Opfer der Söhne Levi, das ist, derjenigen, die da predigen im Neuen Testament, ist die Predigt des Evangeliums und die guten Früchte der Predigt, wie Paulus Röm. 15 sagt: 'Ich soll sein ein Diener Christi unter den Heiden, zu opfern das Evangelium Gottes, auf dass die Heiden ein Opfer werden, Gott angenehm durch den Glauben.' Denn das Ochsen- und Schafschlachten im Gesetz hat bedeutet den Tod Christi und das Predigtamt des Evangeliums, dadurch der alte Adam täglich getötet werde und das neue und ewige Leben anfänget."

    Schmalkaldische Artikel, I. Anhang: "Über das muss man ja bekennen, dass die Schlüssel nicht einem Menschen allein, sondern der ganzen Kirche gegeben sind, wie denn solches mit hellen und gewissen Ursachen genugsam kann erwiesen werden. Denn gleichwie die Verheißung des Evangeliums gewiss und ohne Mittel der ganzen Kirche zugehöret, also gehören die Schlüssel ohne Mittel" (im lateinischen Original "principaliter et immediate", d.i. ursprünglich und unmittelbar) "der ganzen Kirche, dieweil die Schlüssel nichts anderes sind als das Amt, dadurch solche Verheißung jedermann, wer es begehrt, wird mitgeteilet, wie es denn im Werk vor Augen ist, dass die Kirche Macht hat, Kirchendiener zu ordinieren. Und Christus spricht bei diesen Worten: 'Was ihr binden werdet etc.' und deutet, wem er die Schlüssel gegeben, nämlich der Kirche: 'Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen.'" Unsere Kirche bekennt hier, dass die ganze Kirche, das heißt, nicht allein als großes gegliedertes Ganzes, sondern auch sie immer wieder in allen ihren kleinsten Teilen, die Schlüssel und damit das Amt des Evangeliums habe - wie dasselbe ganze Bild, welches im ganzen Spiegel erscheint, auch in jedem Stücke desselben wieder leuchtet, ob auch der Spiegel in tausend Stücke zerschlagen würde - und dass die Kirche darum das Recht habe, Kirchendiener zu wählen und zu ordinieren. Die Gewalt des öffentlichen Predigtamtes ist also eine in der Kirche ruhende und wurzelnde und von der Kirche, gemäß Christi ausdrücklicher Bestimmung, gewissen eigens zum Dienst am Wort berufenen Personen übertragene Gewalt. Diese Gewalt hat die Kirche nicht mittelbar durch die mit derselben zu ihrem Nutzen betrauten Amtsträger, sondern unmittelbar, während im Gegenteil jene (die Amtsträger) dieselbe erst mittelbar durch die Kirche, der sie ursprünglich inwohnt, empfangen haben.

    Daselbst: "Wo die Kirche ist, da ist je der Befehl, das Evangelium zu predigen, darum müssen die Kirchen die Gewalt behalten, dass sie Kirchendiener fordern, wählen und ordinieren, und solche Gewalt ist ein Geschenk, welches der Kirche eigentlich von Gott gegeben und von keiner menschlichen Gewalt der Kirche kann genommen werden, wie St. Paulus bezeuget Eph. 4, da er sagt: 'Er ist in die Höhe gefahren und hat Gaben gegeben den Menschen.' Und unter solchen Gaben, die der Kirche eigen sind, zählet er die Pfarrer und Lehrer, und hänget daran, daß solche gegeben werden zur Erbauung des Leibes Christi. Darum folget, wo eine rechte Kirche ist, daß da auch die Macht sei, Kirchendiener zu wählen und zu ordinieren; wie denn in der Not auch ein schlichter Laie eine andern absolvieren und sein Pfarrer werden kann, wie Augustinus eine Geschichte schreibet, daß zwei Christen in einem Schiffe beisammen gewesen, deren einer den andern getauft und darnach von ihm absolviert sei. Hierher gehören die Sprüche Christi, welche bezeugen, dass die Schlüssel der ganzen Kirche und nicht etlichen besonderen Personen gegeben sind, wie der Text sagt: 'Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen' etc." - Hier bezeugt unsere Kirche, 1. dass die Kirche darum das Recht, Prediger zu setzen, haben müsse, weil sie selbst den Befehl, das Evangelium zu predigen, habe; unsere Kirche bekennt daher, dass die Träger des öffentlichen Amtes in der Kirche nichts anderes tun, als was der Kirche, das ist, den Gläubigen insgemein, befohlen ist, nur dass sie, die Träger des öffentlichen Amtes, dies von Gemeinschaftswegen und in deren Namen tun. Wenn unsere Kirche ferner 2. in den obigen Worten auch daraus, dass im Notfall auch ein Laie taufen, absolvieren etc. und für solche einzelnen Fälle als ein Pfarrer handeln kann, es beweist, dass die Macht, Kirchendiener zu wählen, die ganze Kirche, und wenn es auch nur zwei oder drei wären, habe, so bekennt sie auch hiermit offenbar, dass das Predigtamt nichts anderes ist, als was unsere siebente These ausspricht. Und so sehr und oft auch dieser in unserem Bekenntnis geführte Beweis aus der Nottaufe, Notabsolution etc. heutzutage angefochten wird, so ist er doch klar und unumstößlich; denn hätte nicht wirklich die ganze Kirche, d.i. jeder gläubige Christ ursprünglich das Recht zur Verwaltung der Gnadenmittel, so könnte die Not allein ihm dies Recht nicht geben, so wenig ein Mensch sonst durch die Not zu fremden Gute zu greifen das Recht bekommt. Da aber jeder Christ an sich jenes Recht hat, die Übung dieses Rechtes aber, solange die Kirche im Fleische wallt, zwar von dem HErrn selbst durch die Stiftung des öffentlichen Predigtamtes, aber allein um der Ordnung willen, beschränkt worden ist, so kann ein Christ in einem Notfall jenes Rechtes sich bedienen, ohne dass er sich an fremdem Gute vergreift, sondern weil er dann nur um der Liebe des Nächsten willen eine Ordnung durchbricht; wie das unmündige Kind zwar das Brot aus des Vaters oder des ihm vorgesetzten Vormunds oder Haushalters Hand erwarten muss, aber, so es not tut, auch selbst die Speisekammer sich öffnet. Gerade das Recht der schlichten Christen zu dem Amte des Wortes im Notfall zeigt also, wo das Recht wesentlich ist, dass nämlich das Predigtamt nicht die besondere Gewalt eines bevorzugten Standes, sondern (zwar nicht eine menschliche, kirchliche, vielmehr göttliche, aber doch) nur eine Ordnung ist, in welcher allgemeine Rechte gehandhabt werden sollen.

    Der Leser sei bei diesem Punkte zur Vermeidung lästiger Wiederholungen auf die Entwicklung der vorhergehenden Thesen (besonders der vierten und siebenten des ersten Teils und der ersten, vierten und sechsten des zweiten Teils) ... verwiesen.

These 8:

    Das Predigtamt ist das höchste Amt in der Kirche, aus welchem alle anderen Kirchenämter fließen.

Beweis aus Gottes Wort:

    Da die Träger des öffentlichen Predigtamtes die Schlüssel des Himmelreichs, welche die Kirche ursprünglich und unmittelbar besitzt (Matth. 16,19; 18,18), zur Verwaltung derselben in öffentlichem Amte von Gemeinschaftswegen haben (Joh. 20,21-23), so muss ihr Amt notwendig das höchste Amt der Kirche sein und aus demselben alle anderen Ämter fließen, indem die Schlüssel die ganze Kirchengewalt in sich fassen. Daher werden denn auch die Träger jenes Amtes in der heiligen Schrift Älteste, Bischöfe, Vorsteher, Haushalter etcc. und die Träger eines Unteramtes Diakonen, d.i. Diener, nicht nur Gottes, sondern auch der Gemeinde und des Bischofs genannt, und von den letzteren besonders gesagt, dass sie die Gemeinde Gottes versorgen und über alle Seelen wachen sollen, als die da Rechenschaft dafür zu geben haben (1 Tim. 3,1.5.7; 5,17; 1 Kor. 4,1; Tit. 1,7; Hebr. 13,17). Wir sehen daher, dass die heiligen Apostel anfänglich mit dem Predigtamte zugleich das Diakonenamt in Jerusalem verwalteten, bis es die Vergrößerung der Gemeinde erforderte, dass dieses Amt, zur Unterstützung der ersteren, besonderen Personen übertragen würde (Apg. 6,1-6). Mit dem Apostolat hat nämlich der HErr nur Ein Amt in der Kirche aufgerichtet, welches alle Kirchenämter in sich begreift und durch welches die Gemeinde Gottes in jeder Beziehung versorgt werden soll; das höchste Amt ist das Predigtamt, mit welchem auch alle anderen Ämter zugleich übergeben werden; jedes andere öffentliche Amt in der Kirche ist sonach ein Teil desselben oder ein Hillfsamt, das dem Predigtamt zur Seite steht, es sei nun das Ältestenamt derjenigen, welche nicht im Wort und in der Lehre arbeiten (1 Tim. 5,17), oder das Regieramt (Röm. 12,8), oder das Diakonat (Dienstamt im engeren Sinn), oder welche Ämter nur in der Kirche besonderen Personen zu besonderer Verwaltung übergeben werden mögen. Die Ämter der Schullehrer, welche Gottes Wort in ihren Schulen zu lehren haben, der Almosenpfleger, der Küster, der Vorsänger in den öffentlichen Gottesdiensten usw. sind daher sämtlich als kirchliche heilige Ämter anzusehen, welche einen Teil des Einen Kirchenamtes tragen und dem Predigtamte zur Seite stehen.

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Apologie, Art. 15: "Das Predigtamt ist das höchste Amt in der Kirche."

    Schmalkaldische Artikel II,4: "Darum kann die Kirche nimmermehr besser regieret und erhalten werden, als daß wir alle unter Einem Haupt Christus leben und die Bischöfe, alle gleich nach dem Amt (ob sie wohl ungleich sind nach den Gaben), fleißig zusammenhalten in einträchtiger Lehre, Glauben, Sakramenten, Gebeten und Werken der Liebe etc.; wie Hieronymus schreibet, dass die Priester zu Alexandria sämtlich und zusammen die Kirche regierten, und die Apostel auch getan und hernach alle Bischöfe in der ganzen Christenheit, bis der Papst seinen Kopf über alle erhob."

    Ebendaselbst, I. und II. Anhang: "(So) haben wir eine gewisse Lehre, dass das Predigtamt vom allgemeinen Beruf der Apostel herkommt, und ist nicht not, dass alle dieser einzigen Person Petri Beruf oder Bestätigung haben. 1 Kor. 3,6 machet Paulus alle Kirchendiener gleich." ... "Das Evangelium gebietet denen, so in der Kirche sollen vorstehen, dass sie das Evangelium predigen, Sünde vergeben und Sakramente reichen sollen, und über das gibt es ihnen die Jurisdiktion, dass man die, so in öffentlichen Lastern liegen, bannen, und die sich bessern wollen, entbinden und absolvieren soll.. Nun muss es jedermann, auch unsere Widersacher, bekennen, dass diesen Befehl zugleich alle haben, die den Kirchen vorstehen, sie heißen gleich Pastores oder Presbyteri oder Bischöfe. Darum spricht auch Hieronymus mit hellen Worten, dass Episcopi und Presbyteri nicht unterschieden sind, und allegiert den Text Pauli an Titus 1, da er zu Titus schreibet: 'Ich ließ dich deshalb in Kreta, dass du bestelletest die Städte hin und her mit Priestern', und nennet solche hernach Bischöfe: 'Es soll ein Bischof Eines Weibes Mann sein'; so nennen sich selbst Petrus und Johannes Presbyteros oder Priester. Darnach sagt Hieronymus weiter: 'Dass aber Einer allein erwählet wird, der andere unter ihm habe, ist geschehen, dass man damit der Zertrennung wehret, dass nicht einer hier, der andere dort eine Kirche an sich zöge und die Gemeinde also zerrissen würde. Denn zu Alexandria', sagt er, 'von Markus, dem Evangelisten, an bis auf Heraklas und Dionysius haben allezeit die Presbyteri Einen aus sich erwählet und höher gehalten und Episcopus (Bischof) genannt, gleichwie ein Kriegsvolk einen zum Hauptmann erwählet, wie auch die Diakone einen aus ihnen, der geschickt dazu ist, wählen und Archidiakon nennen. Denn sage mir: was tut ein Bischof mehr als ein jeglicher Presbyter, außer daß er andere zum Kirchenamt ordnet?' etc. Hier lehret Hieronymus, daß solcher Unterschied der Bischöfe und Pfarrer allein aus menschlicher Ordnung gekommen sei; wie man denn auch im Werk siehet: denn das Amt und Befehl ist gar einerlei, und hat hernach allein die Ordination den Unterschied zwischen Bischöfen und Pfarrern gemacht; denn so hat man's darnach geordnet, dass ein Bischof auch in andern Kirchen Leute zum Predigtamt ordnete. (Anm.: Hier wird offenbar anerkannt, dass jede Spezialgemeinde iure divino (aus göttlichem Recht) zur Verwaltung aller ihrer Angelegenheiten berechtigt sei, dass also ein über mehreren Spezialgemeinden stehendes Kirchenregiment nicht einem ius divinum, sondern von menschlicher Ordnung herzuleiten ist, die jedoch freilich wieder beruht auf dem Willen des Herrn, dass die Gemeinden Fleiß tun sollen, zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens.) Weil aber nach göttlichem Recht kein Unterschied ist zwischen Bischöfen und Pastoren oder Pfarrern, ist kein Zweifel, wenn ein Pfarrer in seiner Kirche etliche tüchtige Personen zum Kirchenamt ordnet, dass solche Ordination nach göttlichen Rechten kräftig und recht ist."

    Konkordienformel, Wiederholung, Artikel 10: "Wir glauben, lehren und bekennen, daß ... die ganze Gemeinde Gottes, ja ein jeder Christenmensch, besonders aber die Diener des Wortes, als die Vorsteher der Gemeinde Gottes" etc. Im Lateinischen heißt es: "Praecipue ministri verbi Dei, tanquam ii, quos Dominus ecclesiae suae regendae praefecit", d.h. besonders die Diener des Wortes Gottes, als diejenigen, welche der HErr der Regierung seiner Kirche vorgesetzt hat.

[Da in der Zeit nach Walther, besonders seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, im Umfeld des alten Missouri die Behauptung aufkam, nur das Pfarramt sei von Gott eingesetzt, und das von Gott geordnete, gewollte heilige Predigtamt sei das Pfarramt und so habe es auch Walther gemeint (wobei man völlig übersah, dass er Predigt- und Pfarramt in seinen Worten nur so verband, weil das Pfarramt allerdings die Hauptgestalt des heiligen Predigtamtes ist, ähnlich wie es Luther auch machte), so seien hier noch einige Zeugnisse angefügt aus Walthers „Kirche und Amt“, die deutlich machen, dass C.F.W. Walther das heilige Predigt keineswegs mit dem Pfarramt identifizierte. Anm. d. Hrsg.]

Aus „Kirche und Amt“

    „Ich hoffe ja, dass die Gläubigen und welche Christen heißen wollen, sehr wohl wissen, dass der geistliche Stand sei von Gott eingesetzt und gestiftet, nicht mit Gold noch Silber, sondern mit dem teuren Blute und bittern Tode seines einigen Sohnes, unsers HERRN Jesus Christus. … Ich meine aber nicht den jetzigen geistlichen Stand in Klöstern und Stiftern. … Sondern den Stand meine ich, der das Predigtamt und Dienst des Wortes und der Sakramente hat, welches gibt den Geist und alle Seligkeit, die man mit keinem Gesänge und Gepränge erlangen kann, als da ist: das Pfarramt, Lehrer, Prediger, Leser, Priester (wie man Kaplan nennt), Küster, Schulmeister und was zu solchen Ämtern und Personen mehr gehört, welchen Stand die Schrift wahrlich hoch rühmet und lobet. (Luther: Sermon, dass man Kinder solle zur Schule halten, vom Jahre 1530. Walch, Bd. X, Sp. 488 ff; in: Kirche und Amt, S. 196)

    „Weil zum Kirchenamt viele Verrichtungen gehören, welche, wenn die Menge der Gläubigen sehr zahlreich ist, nicht wohl alle und jede von Einem oder wenigen versehen werden können, so fing man an, damit alles ordentlich, schicklich und zur Erbauung geschehe, wenn sich der Haufen der Kirche vervielfältigt hatte, jene Verrichtungen des Ministeriums in gewisse Stufen von Kirchendienern einzuteilen, welche man taxeis oder tagmata hernach nannte, damit ein jeder seinen gewissen bestimmten Posten hätte, auf welchem er durch gewisse Verrichtungen des Ministeriums der Gemeinde diente. So besorgten im Anfange die Apostel das Amt des Wortes und der Sakramente, zugleich auch die Austeilung und Verwaltung der Almosen. Hernach aber, als die Zahl der Jünger wuchs, übertrugen sie diesen Teil des Ministeriums, der die Almosen betrifft, andern, welche sie Diakonen, d.i. Diener nannten. Und die Ursache, aus welcher sie es tun, geben sie an, damit sie nämlich am Amt des Worts und am Gebet ohne Abhaltungen anhalten können. Apg. 6,4. Und dieser erste Ursprung der Stufen und Ordnungen des Ministeriums in der apostolischen Kirche zeigt, was für eine Ursache, was für eine Art und Weise, was für ein Zweck und Gebrauch sein solle von solchen Stufen und Ordnungen, damit nämlich nach Beschaffenheit der Kirchgemeine die einzelnen Verrichtungen, welche zum Ministerium gehören, bequemer, richtiger, fleißiger und in Ordnung, mit einer gewissen Würde, zur Erbauung versehen werden. Und weil die Apostel aus den Diakonen einige, welche sich erprobten, zum Lehramt nahmen, wie den Stephanus und Philippus, so schließt man daraus, dass der Gebrauch dieser Stufen oder Ordnungen auch dieser sei, dass manche erst in geringern vorbereitet und geprüft werden, damit ihnen darnach wichtigere Amtsverrichtungen sicherer und mit Nutzen übertragen werden könnten; … - Eph. 4,11 werden folgende Stufen des Ministeriums aufgezählt: 1. Apostel, welche an keine besondere Kirche, noch durch Menschen, sondern unmittelbar durch Christus berufen worden waren, … 2. Propheten, welche entweder Offenbarungen von zukünftigen Dingen hatten, oder welche die Sprachen und die Schrift für die Geförderteren auslegten; denn dies wird 1. Kor. 14,27 ff. den Propheten des Neuen Testaments zugeschrieben. 3. Evangelisten, welche keine Apostel, und doch nicht für eine bestimmte Kirche bestellt waren, sondern an verschiedene Kirchen gesendet wurden, damit sie daselbst das Evangelium lehrten, namentlich aber, dass sie den ersten Grund legten. … 4. Hirten, welche der bestimmten Herde einer Kirche vorgesetzt waren, wie Petrus 1. Petr. 5,1.2 sagt, und nicht nur lehrten, sondern auch die Sakramente verwalteten und die Aufsicht über die Zuhörer hatten, wie Hesekiel 34,11 ff. das Amt des Pastorats beschreibt. 5. Lehrer, welchen die besondere Regierung der Kirche oder Aufsicht nicht befohlen war, sondern die nur einfach dem Volk die Lehre vortrugen, dergleichen später die Katecheten waren. … Aber alle diese Stufen begreifen die Apostel unter den Namen des Presbyteriums und Episkopats; zuweilen benennen sie auch diejenigen, welchen das Amt des Worts und der Sakramente übertragen ist, mit dem allgemeinen Namen der Diakonen: KOl. 1,7; 1. Thess. 3,2; 1. Kor. 3,5; 2. Kor. 11,23; Eph. 3,7. … Dies etwa sind die Grade, in welche, wie wir lesen, die Ämter des kirchlichen Ministeriums zur Zeit der Apostel eingeteilt waren. … Es ist aber diese Erinnerung hinzuzusetzen, 1. dass es kein Gebot Gottes sei, welche oder wie viel solche Stufen oder Ordnungen sein sollen. 2. Dass zu der Apostel Zeiten nicht in allen Gemeinden und immer dieselben und ebenso viele Stufen oder Ordnungen gewesen seien, was aus den Briefen Pauli, die an verschiedene Gemeinden geschrieben sind, zu schließen ist. … Jene Stufen aber, von denen wir bisher geredet haben, waren nichts über und außer dem Amt des Worts und der Sakramente, sondern die wahren Verrichtungen des Ministeriums selbst waren in jene Stufen eingeteilt.“ (Chemnitz: Examen Concilii Tridentini. P. II, Loc. XIII de sacramento ordinis, p. 574-78; in: Kirche und Amt, S. 350-354)

Aus: „Walther: Lutherische Brosamen“. St. Louis, Missouri 1876. S. 349.350:

    „Gott hat nämlich eigentlich nur Ein Amt eingesetzt; das Amt nämlich, in seinem Namen seine Kirche auf Erden zu sammeln, zu bauen, zu regieren, zu versorgen und zu erhalten. Dieses Amt hat der HERR gestiftet und seiner Kirche gegeben. … Dieses Amt hat nun hiernach nicht nur einen so großen Kreis von Pflichten und Aufgaben von so verschiedener Art, sondern erfordert auch so viele verschiedene hohe Gaben, dass kein Mensch im Stande ist, auch nur in einem kleinen Kreise alle Werke desselben allein zu vollbringen. Wie das Mittleramt des Messias in drei verschiedene Ämter, in das prophetische, hohepriesterliche und königliche, zerfällt, so zerfällt auch das Amt der Kirche in die verschiedensten, die mannigfaltigsten Gaben des Geistes erfordernden Ämter. … Es ist daher nicht menschliche Ordnung, dass es Männer in der Kirche gibt, die gottselige Knaben erziehen und unterrichten, damit sie einst das Amt, das die Versöhnung predigt, zu führen vermögen. Ihr Amt ist ein heiliges, göttliches Amt, ein Zweig des Amtes, das Christus einst mit Überreichung der Schlüssel des Himmelreichs auf Erden stiftete und aufrichtete.“

These 9:

    Dem Predigtamt gebührt Ehrfurcht und unbedingter Gehorsam, wenn der Prediger Gottes Wort führt, doch hat der Prediger keine Herrschaft in der Kirche; er hat daher kein Recht, neue Gesetze zu machen, die Mitteldinge und Zeremonien in der Kirche willkürlich einzurichten und den Bann allein ohne vorhergehende Kenntnis der ganzen Gemeinde zu verhängen und auszuüben.

    A. Dem Predigtamt gebührt Ehrfurcht und unbedingter Gehorsam, wenn der Prediger Gottes Wort führt.

Beweis aus Gottes Wort:

    Obgleich die Träger des öffentlichen Predigtamtes keinen von dem allgemeinen Christenstande verschiedenen, heiligeren Stand bilden, sondern allein die ihnen zu öffentlicher geordneter Verwaltung übertragenen allgemeinen Christenrechte ausüben: so sind sie doch darum nicht Menschenknechte. Die grundlegend wirkende Ursache der Ordnung des öffentlichen Predigtamtes ist Gott, der Allerhöchste, selbst. Dieselbe ist nicht eine um der Schicklichkeit und Heilsamkeit willen von Menschen getroffene weise Einrichtung, sondern eine Stiftung des dreieinigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ist daher einer Person durch die Gemeinde die Amtsbefugnis mittels ordentlichem rechtmäßigem Beruf übertragen, so ist dieselbe von Gott selbst der Gemeinde, obwohl durch sie, vorgesetzt (1 Kor. 12,28; Eph. 4,11; Apg. 20,28); der Eingesetzte ist nun nicht nur ein Diener der Gemeinde, sondern zugleich ein Diener Gottes, ein Botschafter an Christi Statt, durch welchen Gott die Gemeinde ermahnt (1 Kor. 4,1; 2 Kor. 5,18-20). Wenn daher ein Prediger in seiner Gemeinde Gottes Wort führt, sei es lehrend oder ermahnend, strafend oder  tröstend, sei es öffentlich oder besonders, so hört die Gemeinde aus seinem Munde JEsus Christus selbst, so ist sie ihm unbedingten Gehorsam schuldig als dem, durch welchen Gott ihr seinen Willen kundtun und sie zum ewigen Leben leiten will; und je treuer ein Prediger sein Amt verwaltet, je größerer Ehre soll die Gemeinde ihn werthalten. Sie hat auch kein Recht, einem solchen treuen Diener JEsu Christi sein Amt wieder zu nehmen; tut sie dies, so stößt sie damit JEsus Christus selbst, in dessen Namen er ihr vorstand, von sich. Erst dann kann die Gemeinde einen Träger des Amts von seinem Amte entfernen, wenn es aus Gottes Wort offenbar ist, daß der HErr selbst ihn als einen Wolf oder Mietling abgesetzt habe. Daher heißt es denn in der Schrift so:

    "Wer euch höret, der höret mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat" (Luk. 10,16).

    "Gehorchet euren Lehrern und folget ihnen, denn sie wachen über eure Seelen, als die da Rechenschaft dafür geben sollen; auf daß sie das mit Freuden tun und nicht mit Seufzen, denn das ist euch nicht gut" (Hebr. 13,17).

    "Wir bitten euch aber, liebe Brüder, daß ihr erkennet, die an euch arbeiten und euch vorstehen in dem HErrn und euch ermahnen. Habt sie desto lieber um ihres Werkes willen und seid friedsam mit ihnen" (1 Thess. 5,12.13).

    "Die Ältesten, die wohl vorstehen, die halte man zweifacher Ehre wert; besonders die da arbeiten im Wort und in der Lehre. Denn es spricht die Schrift: Du sollst dem Ochsen nicht das Maul verbinden, der da drischet; und: Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert. Gegen einen Ältesten nimm keine Klage auf ohne zwei oder drei Zeugen" (1 Tim. 5,17-19, vergl. Gal. 6,6-10).

    "Wo ihr aber in ein Haus gehet, so grüßet dasselbe, und so es dasselbe Haus wert ist, wird euer Friede auf sie kommen. Ist es aber nicht wert, so wird sich euer Friede wieder zu euch wenden. Und wo euch jemand nicht annehmen wird, noch eure Rede hören, so gehet heraus von demselben Hause oder Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen. Wahrlich, ich sage euch: Dem Lande der Sodomer und Gomorrher wird es erträglicher ergehen am jüngsten Gericht als solcher Stadt" (Matth. 10,12-15).

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Augsburgisches Bekenntnis, Art. 28: "Darum ist das bischöfliche Amt nach göttlichen Rechten das Evangelium predigen, Sünde vergeben, Lehre urteilen und die Lehre, die dem Evangelium entgegen ist, verwerfen und die Gottlosen, deren gottlos Wesen offenbar ist, aus der christlichen Gemeinde ausschließen, ohne menschliche Gewalt, sondern allein durch Gottes Wort. Und in diesem Fall sind die Pfarrer und Gemeinden schuldig, den Bischöfen gehorsam zu sein, gemäß dieses Spruchs Christi bei Lukas im 10. Kapitel: 'Wer euch höret, der höret mich.'"

    Ebendaselbst: "Darum die Unsern zu Trost der Gewissen gezwungen sind worden, den Unterschied der geistlichen und weltlichen Gewalt, Schwertes und Regiments, anzuzeigen, und haben gelehrt, daß man beide Regimenter und Gewalt um Gottes Gebotes willen mit aller Andacht ehren und wohl halten soll, als die zwei höchsten Gaben Gottes auf Erden."

    Apologie, Art. 3: "Auch werden daraus leicht Rotten, wenn das Volk aufs Geschwindeste alles will meistern und ausecken an der Bischöfe oder Prediger Wandel und Leben, oder als wenn sie alsbald der Prediger müde werden, etwa um eines kleinen Gebrechens willen; da folget viel großer Unrat. Alsdenn bald suchet man aus derselbigen Verbitterung andere Lehrer und andere Prediger. Wiederum wird erhalten Vollkommenheit und Einigkeit, das ist, die Kirche bleibt unzertrennet und ganz, wenn die Starken die Schwachen dulden und tragen, wenn das Volk mit seinen Predigern auch Geduld hat, wenn die Bischöfe und Prediger wiederum allerlei Schwachheit, Gebrechen dem Volk nach Gelegenheit wissen zu gut zu halten."

    Großer Katechismus, 4. Gebot: "In dieses Gebot gehöret auch weiter zu sagen von allerlei Gehorsam gegen Oberpersonen, die zu gebieten und zu regieren haben, denn aus der Eltern Obrigkeit fließet und breitet sich aus alle andere. ... Also haben wir zweierlei Väter in diesem Gebot vorgestellet, des Geblüts und des Amts oder der Sorge, im Hause und im Lande, darüber sind auch noch geistliche Väter, nicht wie im Papsttum, die sich wohl also haben lassen nennen, aber kein väterliches Amt geführet; denn das heißen allein geistliche Väter, die uns durch Gottes Wort regieren und vorstehen, wie sich St. Paulus ein Vater rühmet, 1 Kor. 4, da er spricht: 'Ich habe euch gezeuget in Christus JEsus durch das Evangelium.' Weil sie nun Väter sind, gebühret ihnen auch die Ehre, auch wohl vor allen andern; aber da gehet sie am wenigsten, denn die Welt muss sie so ehren, dass man sie aus dem Lande jage und ihnen nicht ein Stück Brot gönne, und zusammengefasst, sie müssen (wie Paulus sagt) der Welt Kehricht und jedermanns Schabab und Fußtuch sein. Doch ist not, solches auch in das Volk zu treiben, dass, die da Christen heißen wollen, vor Gott schuldig sind, die, so ihrer Seelen warten, zweifacher Ehre wert zu halten, dass sie ihnen wohltun und sie versorgen; da will dir Gott auch genug zu geben und keinen Mangel lassen. Aber da sperret und wehret sich jedermann, haben alle Sorge, dass der Bauch verschmachte, und können jetzt nicht einen rechtschaffenen Prediger nähren, da wir zuvor zehn Mastbäuche gefüllet haben. Damit wir auch verdienen, dass uns Gott seines Wortes und Segens beraube und wiederum Lügenprediger aufstehen lasse, die uns zum Teufel führen, dazu unser Schweiß und Blut aussaugen. Welche aber Gottes Willen und Gebot vor Augen halten, haben die Verheißung, dass ihnen reichlich soll vergolten werden, was sie beide an leibliche und geistliche Väter wenden, und ihnen zu Ehren tun, nicht dass sie ein Jahr oder zwei Brot, Kleider und Geld haben sollen, sondern langes Leben, Nahrung und Friede und sollen ewig reich und selig sein. Darum tue nur, was du schuldig bist, und lasse Gott dafür sorgen, wie er dich nähre und gnug schaffe; hat er's verheißen und noch nie gelogen, so wird er dir auch nicht lügen. Solches sollt uns je reizen und ein Herz machen, das zerschmelzen möchte vor Lust und Liebe gegen den, so wir Ehre schuldig sind, dass wir die Hände aufhöben und fröhlich Gotte danketen, der uns solche Verheißungen gegeben hat, darnach wir bis an der Welt Ende laufen sollten; denn obgleich alle Welt zusammentäte, vermöchte sie uns nicht ein Stündlein zum Leben zulegen oder ein Körnlein aus der Erde geben. Gott aber kann und will dir alles überschwänglich nach deines Herzens Lust geben. Wer nun solches verachtet und in den Wind schlägt, der ist ja nicht wert, dass er ein Gotteswort höre. Das ist nun zum Überflusse gesagt allen, so unter dieses Gebot gehören."

    B. Der Prediger hat keine Herrschaft in der Kirche; er hat daher kein Recht, neue Gesetze zu machen und die Mitteldinge und Zeremonien in der Kirche willkürlich einzurichten.

Beweis aus Gottes Wort:

    So spricht der HErr zu seinen Jüngern: "Ihr wisset, dass die weltlichen Fürsten herrschen, und die Oberherren haben Gewalt. So soll es nicht sein unter euch" (Matth. 20,25.26). "Ihr  sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn Einer ist euer Meister, Christus; Ihr aber seid alle Brüder" (Matth. 23,8). Ferner bezeugt der HErr vor Pilatus: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darob kämpfen" (Joh. 18,36). Hieraus ersehen wir, dass die Kirche JEsu Christi nicht ein Reich von Gebietenden und Gehorchenden, sondern Eine große heilige Brüderschaft ist, in welcher keiner herrschen und Gewalt üben kann. So wenig nun diese notwendige Gleichheit unter den Christen durch den Gehorsam aufgehoben wird, welchen dieselben den Predigern leisten, wo diese das Wort JEsu Christi ihnen vorhalten; denn dann gehorchen sie ja in den Predigern nicht Menschen, sondern Christus selbst: so gewiss aber würde jene Gleichheit der Gläubigen aufgehoben und die Kirche in einen weltlichen Staat verwandelt, wenn ein Prediger Gehorsam auch da verlangte, wo er nicht Christi, seines und aller Christen HErrn und Hauptes, Wort, sondern, was nur er nach seiner Einsicht und Erfahrung für gut und zweckmäßig hält, dem christlichen Volke vorhält. Sobald es sich daher in der Kirche um Dinge handelt, welche indifferent sind, d.h. welche in Gottes Wort weder geboten noch verboten sind, so darf der Prediger für das, was gerade ihm das Beste zu sein scheint, nie unbedingten Gehorsam fordern; vielmehr ist es dann Sache der ganzen Gemeinde, des Predigers mit den Zuhörern, über das Anzunehmende und zu Verwerfende zu entscheiden; obwohl dem Prediger nach seinem Lehr-, Aufsichts- und Wächteramt zusteht, die darüber anzustellenden Beratungen zu leiten, über die Sache die Gemeinde zu unterrichten, zu sorgen, dass auch bei Feststellung der Mitteldinge und bei Anrichtung kirchlicher Ordnungen und Zeremonien nicht leichtfertig verfahren noch etwas Verderbliches festgesetzt werde. Daher schreiben denn die heiligen Apostel: "Die Ältesten, so unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste ...: weidet die Herde Christi, so euch befohlen ist, und sehet wohl zu, nicht gezwungen, sondern williglich; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrunde; nicht als die über das Volk herrschen, sondern werdet Vorbilder der Herde" (1 Petr. 5,1-3). "Nicht sage ich, dass ich euch etwas gebiete; sondern dieweil andere so fleißig sind, versuche ich auch eure Liebe, ob sie rechter Art sei." (2 Kor. 8,8. Paulus hatte die Korinther zuvor um eine Armenabgabe gebeten!) "Solches aber sage ich zu eurem Nutzen; nicht dass ich euch einen Strick an den Hals werfe, sondern dazu, dass es fein ist und ihr stets ungehindert dem HErrn dienen könnet." (1 Kor. 7,35. Paulus hatte zuvor für die Zeit der Verfolgung das ehelose Leben empfohlen!) Wenn nun dennoch die heiligen Apostel u.a. schreiben: "Das andere will ich ordnen, wenn ich komme" (1 Kor. 11,34): so ergibt es sich aus dem obigen, dass sie solche indifferente Ordnungen nicht etwa gebietend, sondern Rat gebend und unter Zustimmung der ganzen Gemeinde gemacht haben.  

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Augsburgisches Bekenntnis, Art. 28: "Dieselbe Gewalt der Schlüssel oder Bischöfe übet und treibet man allein mit der Lehre und Predigt Gottes Worts und mit Handreichung der Sakramente gegen viele oder einzelne Personen, darnach der Beruf ist."

    Apologie, Art. 7 von Missbräuchen: "So ist es auch gewiss, dass dieses Wort des HErrn Christus, Luk. 10: 'Wer euch höret, der höret mich', nicht von Menschensatzungen redet, sondern ist stracks darwider, denn die Apostel empfangen da nicht ein mandatum cum libera, d.i. einen ganz freien ungemessenen Befehl und Gewalt, sondern haben einen gemessenen Befehl, nämlich nicht ihr eigenes Wort, sondern Gottes Wort und das Evangelium zu predigen. Und der HErr Christus will in den Worten (wer euch höret, der höret mich) alle Welt stärken, wie auch vonnöten war, daß wir sollten ganz gewiss sein, daß das leibliche Wort Gottes Kraft wäre und daß niemand vom Himmel ein anderes sollte suchen oder erwarten. Darum kann dieses Wort (wer euch höret, der höret mich) von Satzungen nicht verstanden werden. Denn Christus will da, dass sie also lehren sollen, dass man durch ihren Mund Christus selbst höre. So dürfen sie ja nicht ihr eigenes Wort predigen, sondern sein Wort, seine Stimme und Evangelium, soll man Christus hören. Dies tröstliche Wort, welches aufs allerstärkste unsere Lehre bestätigt und viel nötige Lehre und Trost für die christlichen Gewissen in sich hat, das deuten die groben Esel auf ihre närrischen Satzungen, auf ihre Speise, Trank, Kleider und dergleichen Kinderwerk. Auch ziehen sie diesen Spruch an, Hebr. 13: 'Gehorchet denen, die euch vorgehen.' Dieser Spruch fordert, man soll gehorsam sein dem Evangelium. Denn er gibt den Bischöfen nicht eine eigne Herrschaft oder Herrengewalt außerhalb des Evangeliums, so sollen auch die Bischöfe nicht gegen das Evangelium Satzung machen, noch ihre Satzungen gegen das Evangelium auslegen. Denn wenn sie das tun, so verbietet uns das Evangelium, ihnen gehorsam zu sein; wie Paulus zu den Galatern sagt: 'So euch jemand würde ein anderes Evangelium predigen, der sei verflucht.' Gleich dasselbe antworten wir auch auf den Spruch Matth. 23: 'Auf Moses Stuhl sitzen die Schriftgelehrten etc. alles nun, was sie euch sagen, dass ihr halten sollt, das haltet und tuts.' Das ist gewiss, dass damit nicht geboten wird universaliter, allgemein, dass wir alles sollen halten, was sie gebieten, auch gegen Gottes Gebot und Wort, denn an einem andern Ort sagt die Schrift: 'Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.' Darum, wenn sie unchristlich und gegen die Schrift lehren, soll man sie nicht hören. So richtet dieser Spruch auch nicht ein Regiment an außerhalb des Evangeliums, darum können sie ihre Gewalt, die sie außerhalb des Evangeliums aufgerichtet haben, nicht durchs Evangelium beweisen, denn das Evangelium redet nicht de traditionibus, sondern von Gottes Wort zu lehren."

    Schmalkaldische Artikel, I. Anhang: 1 Kor. 3 macht Paulus alle Kirchendiener gleich und lehret, dass die Kirche mehr sei als die Diener (supra ministros). Darum kann man mit keiner Wahrheit sagen, dass Petrus einige Obrigkeit oder Gewalt vor andern Aposteln über die Kirche und alle andern Kirchendiener gehabt habe. Denn so spricht er: 'Es sei alles euer, es sei Paulus oder Apollo oder Kephas', d.i. es dürfen weder Petrus noch andere Diener des Worts sich zumessen irgendeine Gewalt oder Obrigkeit über die Kirche. Niemand soll die Kirche beschweren mit eignen Satzungen, sondern hier soll es heißen, dass keines Gewalt noch Ansehen mehr gelte als das Wort Gottes. Man darf nicht Kephas Gewalt höher machen als der andern Apostel; wie sie denn pflegten zu sagen: Kephas hält dies so, der doch der vornehmste Apostel ist, darum sollen es Paulus und andere auch so halten. Nein, spricht Paulus, und zieht Petrus dies Hütlein ab, dass sein Ansehen und Gewalt soll höher sein als der andern Apostel oder Kirche."

    Ebendaselbst: "Und Christus spricht bei diesen Worten: 'Was ihr binden werdet etc.' und deutet, wem er die Schlüssel gegeben, nämlich der Kirche: 'Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen etc.' Ebenso, Christus gibt das höchste und letzte Gericht der Kirche, wenn er spricht: 'Sags der Kirche.'"

    C. Der Prediger hat kein Recht, den Bann allein, ohne vorhergehende Erkenntnis der ganzen Gemeinde, zu verhängen und auszuüben.

Beweis aus Gottes Wort:

    So gewiss es ist, dass den Trägern des öffentlichen Predigtamtes auch das Amt der Schlüssel im engeren Sinne, nämlich die Gewalt, öffentlich zu lösen und zu binden, anvertraut sei: so kann es doch unmöglich in des Predigers Macht liegen, einen Sünder ohne vorhergehende Erkenntnis der Gemeinde selbst aus derselben auszuschließen, da dann die christliche Gemeinde, selbst in Sachen der Seligkeit, dem Prediger blinden Gehorsam zu leisten hätte; denn hier handelt es sich nicht allein um eine klare Lehre des göttlichen Wortes, sondern um das Urteil über den Seelenzustand eines Menschen, und zwar um ein solches Urteil, durch welches einem bestimmten Menschen der Himmel zugeschlossen und ihm die brüderliche Gemeinschaft mit den Christen und diesen mit jenem untersagt wird. Obgleich daher die öffentliche Vollziehung des Bannes den Trägern des öffentlichen Predigtamtes nach dem Worte des Herrn und seiner heiligen Ordnung gehört und verbleiben muß, so soll doch nach desselben Herrn ausdrücklicher Vorschrift und Ordnung die der Vollstreckung des Bannes vorhergehende Erkenntnis und die letzte richterliche Entscheidung durch die ganze Gemeinde, das ist Lehrer und Zuhörer, geschehen; denn so steht geschrieben: "Sündiget aber dein Bruder an dir, so gehe hin und strafe ihn zwischen dir und ihm allein. Höret er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Höret er dich nicht, so nimm noch einen oder zwei zu dir, auf dass alle Sache bestehe auf zweier oder dreier Zeugen Mund. Höret er die nicht, so sage es der Gemeinde. Höret er die Gemeinde nicht, so halte ihn als einen Heiden und Zöllner. Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein; und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein. Weiter sage ich euch: Wo zwei unter euch eins werden auf Erden, worum es ist, dass sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen" (Matth. 18,15-20). Hier gibt Christus offenbar, wie unsere Bekenntnisse reden, das höchste Gericht der Kirche oder Gemeinde und will, dass ein Sünder in der Gemeinde erst dann für einen Heiden und Zöllner angesehen und dass an ihm erst dann das furchtbare Gericht des Bannes vollzogen werden soll, wenn er nach mehrfachen fruchtlosen Privatermahnungen auch öffentlich vor und durch die ganze Gemeinde vergeblich ermahnt und daher von letzterer der Ausschluss desselben aus ihrer Gemeinschaft einstimmig beschlossen und durch den Prediger der Gemeinde vollzogen worden ist. Demgemäß wollte denn auch selbst Paulus den Blutschänder zu Korinth nicht ohne die Gemeinde in den Bann tun, sondern schrieb, obwohl er diesen großen Sünder für des Bannes würdig erklärte, doch der Gemeinde, dass dies 'in ihrer Versammlung' von ihr selbst geschehen solle (1 Kor. 5,4). Auch straft es Johannes in seinem 3. Briefe Vers 9.10 hat an dem Bischof Diotrephes, der, eine Oberstelle in der Gemeinde sich anmaßend (philoprooteuoon), willkürlich ohne die Gemeinde rechtschaffene Christen, die etwa seiner Herrschsucht entgegen waren, aus der Gemeinde stieß. - Es bedarf jedoch wohl kaum der Erwähnung, dass das, was zur Zeit der Apostel die 'Gemeinde' Mann für Mann tat (2 Kor. 2,6; 1 Tim. 5,20), allerdings auch, wo die regierende Gemeinde durch ein Presbyterium oder Konsistorium vertreten ist, welches aus Leuten geistlichen und weltlichen Standes besteht, durch das bloße Presbyterium oder Konsistorium das Urteil des Bannes gültig und rechtmäßig gefällt werden kann, wenn dies nur mit Wissen und Zustimmung des Volkes geschieht.

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Schmalkaldische Artikel, Anhang von der Bischöfe Gewalt etc.: "Dies ist gewiss, daß die allgemeine Jurisdiktion, die, so in öffentlichen Lastern liegen, zu bannen, alle Pfarrer haben sollen und dass die Bischöfe, als Tyrannen, sie zu sich gezogen und zu ihrem Genuss schändlich missbraucht haben. Denn die Offiziale haben unleidlichen Mutwillen damit getrieben und die Leute entweder aus Geiz oder anderm Mutwillen wohl geplagt und ohne alle vorgehende rechtliche Erkenntnis gebannt. Was ist aber dies für eine Tyrannei, dass ein Offizial in einer Stadt die Macht soll haben, allein seinem Mutwillen nach ohne rechtliche Erkenntnis der Leute mit dem Bann so zu plagen und zu zwingen? usw. Nun haben sie solchen Zwang in allerlei Sachen gebraucht und nicht allein die rechten Laster damit nicht gestraft, worauf der Bann folgen sollte, sondern auch in andern geringen Stücken, wo man nicht recht gefastet oder gefeiert hat, außer dass sie zuweilen den Ehebruch gestraft, und denn auch oft unschuldige Leute geschmäht und beschuldigt haben; denn weil solche Beschuldigung sehr wichtig und schwer ist, soll je ohne rechtliche und ordentliche Erkenntnis in dem Fall niemand verdammt werden. Weil nun die Bischöfe solche Jurisdiktion als Tyrannen an sich gebracht und schändlich missbraucht haben, dazu sonst gute Ursache ist, ihnen nicht zu gehorchen, so ist es recht, dass man diese geraubte Jurisdiktion auch wieder von ihnen nehme und sie den Pfarrern, welchen sie aus Christi Befehl gehört, zustelle, und trachte, dass sie ordentlicherweise den Leuten zu Besserung des Lebens und zu Mehrung der Ehre Gottes gebraucht werde."

    Daselbst, Anhang von der Gewalt des Papstes: "Und Christus spricht bei diesen Worten: 'Was ihr binden werdet' etc. und deutet an, wem er die Schlüssel gegeben, nämlich der Kirche: 'Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen' etc. Ebenso, Christus gibt das höchste und letzte Gericht der Kirche, da er spricht: 'Sag's der Kirche.'"

These 10:

    Zu dem Predigtamt gehört zwar nach göttlichem Rechte auch das Amt, Lehre zu urteilen, doch haben das Recht hierzu auch die Laien; daher dieselben auch in den Kirchengerichten und Konzilien mit den Predigern Sitz und Stimme haben.

    Beweis aus Gottes Wort:

    Dass das Amt, Lehre zu urteilen, zum öffentlichen Predigtamte gehöre, bedarf keines Beweises, da ohne das erstere das letztere gar nicht geführt werden kann. Dass aber nach Gottes Wort durch die Aufrichtung des besonderen öffentlichen Amtes über die Lehre zu richten das Recht hierzu den Laien keineswegs abgenommen, sondern die Übung desselben vielmehr dennoch zur heiligsten Pflicht gemacht sei, geht unwidersprechlich erstlich aus allen Stellen heiliger Schrift hervor, in welchen auch den gewöhnlichen Christen dieses Richten geboten wird; so schreibt z.B. der heilige Apostel Paulus: "Als mit den Klugen rede ich, richtet ihr, was ich sage: der gesegnete Kelch, welchen wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi?" etc. (1 Kor. 10,15.16). Ferner: "Prüfet die Geister, ob sie von Gott sind" ( 1 Joh. 4,1; 2 Joh. 10.11; 1 Thess. 5,12). Zum Beweise dienen ferner alle diejenigen Stellen, in welchen die Christen aufgefordert werden, sich vor falschen Propheten zu hüten, wie Matth. 7,15.16; Joh. 10,5, und in welchen sie wegen ihres Eifers in Prüfung der Lehre gelobt werden; wenn es u.a. von den Beröern heißt: "Sie waren die Edelsten unter denen zu Thessalonich; die nahmen das Wort auf ganz williglich und forschten täglich in der Schrift, ob sich's so verhielte", wie nämlich Paulus und Silas ihnen gepredigt hatten (Apg. 17,11). Endlich wird uns aber auch in der Geschichte der Apostel berichtet, dass auf dem ersten apostolischen Konzil Laien nicht nur gegenwärtig gewesen sind, sondern auch mit gesprochen haben, und dass hier die Beschlüsse ebenso von ihnen wie von den Aposteln und Ältesten gefasst und in ihrem wie in dieser Namen ausgefertigt worden sind; daher es keinem Zweifel unterliegt, dass in den Kirchengerichten und Synoden mit den öffentlichen Kirchendienern auch die Laien Sitz und Stimme haben (Apg. 15).

Zeugnisse der Kirche in ihren öffentlichen Bekenntnissen:

    Schmalkaldische Artikel, Anhang von der Gewalt usw.: "Also handelt der Papst auf beiden Seiten wie ein Tyrann, dass er solche Irrtümer mit Gewalt und Wüterei verteidigt und will keine Richter leiden. Und dies andere Stück tut mehr Schaden als alle Wüterei; denn sobald der Kirche das rechte Urteil und die Erkenntnis genommen ist, kann nicht möglich sein, dass man falsche Lehre oder unrechtem Gottesdienst könnte steuern, und müssen derhalben viele Seelen verloren werden ... Weil aber die Urteile in Konzilien der Kirchen und nicht des Papsts Urteile sind, will es je den Fürsten und Königen gebühren, dass sie dem Papst solchen Mutwillen nicht einräumen, sondern schaffen, dass der Kirche die Macht zu richten nicht genommen und alles nach der heiligen Schrift und Wort Gottes beurteilet werde. Und gleichwie die Christen alle anderen Irrtümer des Papsts zu strafen schuldig sind, so sind sie auch schuldig, den Papst selbst zu strafen, wenn er fliehen oder wehren will das rechte Urteil und die wahre Erkenntnis der Kirche."