TEXTE VON WILHELM OESCH
Inhaltsverzeichnis
TEXTE ZUR LEHRE VON DER HEILIGEN SCHRIFT
Ungewissheit oder göttliche Gewissheit der Lehre?
DIE THEOLOGIE DES ICH UND DIE
DIALEKTISCHE THEOLOGIE
DIE STIMME OESCHS ZU ÖKUMENE
UND KIRCHENEINIGUNG
Ekklesia, Ekklesiai [Kirche, Kirchen]
Arcessiti adversus vocatos [Die Herausgerufenen im Gegensatz zu den
Berufenen]
Notae, usus notarum [Die Kennzeichen und ihr Gebrauch]
DIE LEHRE VON KIRCHE UND AMT IN DREI KAPITELN
Die Lehre von Christi königlichem Amt im Stande seiner Erhöhung
Begriffsbestimmung unter
Berücksichtigung der "nizänischen" Eigenschaften
B (§§30-50) U N A
A P O S T O L I C A ECCLESIA
ekkleesiai (ecclesiae simplices et compositae hier besonders
behandelt).
Kirchenantithesen [ergänzt
durch Amtsantithesen am Ende des Dritten Kapitels]
Die Lehre vom öffentlichen Predigtamt der Kirche Christi
GULLIXON-BRIEF ZU KIRCHE UND
AMT
Die Frage der Kirchengemeinschaft in dem ihr gemäßen Kontext der Lehre
von der Kirche
Die Thiensville-Thesen zwischen der Missouri- und der Wisconsin-Synode
von 1932
Die Altenburger Thesen C.F.W. Walthers aus dem Jahr 1841
C.F.W. Walthers Thesen in „Kirche und Amt“ 1852
zusammengestellt aus Texten von Wilhelm Martin Oesch DD
Die Schicksalsfrage seit 200 Jahren:
Vortrag für die gemischte Konferenz
evangelisch-lutherischer Freikirchen in Groß Oesingen
am 01. und 02. Oktober 1946
Von
Wilhelm Oesch
I.
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.
Die Sache, um die es in der Kirche
Christi immer und allerorts geht, ist eine doppelte, das Material- und
das Formalprinzip. Sie begreift in sich sola gratia, sola fide, kurz, Gesetz
und Evangelium, recht geschieden und recht angewandt, einerseits. Sie umspannt sola scriptura mit allen gottgegebenen Folgerungen der
Einheit und Reinheit der Lehre andererseits. Diese beiden Prinzipien stehen und
fallen miteinander, obwohl das Material- oder Gnadenprinzip die Vorderhand hat.
Es geht um die eine Gnade Christi, den einen lebendigen HERRN.
(Wo die göttliche Autorität und die alleinige Geltung der Schrift angetastet
wird, kommt immer die Werkerei herein. Das sieht man nicht bloß an Rom, am
groben Rationalismus, sondern auch am Reformiertentum und vor allem auch an
fast der gesamten positiven Theologie des letzten [19., Anm. d. Hrsg.]
Jahrhunderts. Da gilt denn Schrift und
Vernunft, aber auch Gnade und
Verdienst, wenigstens freie Mitwirkung des Menschen in der Bekehrung, also das
lästerliche „Gott und dem
Menschen die Ehre!“) – Wo Gesetz und Evangelium allein nach der Schrift walten,
da ist nicht nur die Heilslehre in Ordnung. Da ist dann auch alsbald die
Kirchenfrage gelöst, so dass kein besonderes drittes Prinzip für diese mehr
nötig oder auch nur noch irgendwie zulässig ist.
Will man die Verwobenheit des „Nicht aus
den Werken, sondern allein aus Gnaden um Christi willen durch den Glauben“ mit
dem „Allein aus der Offenbarung“ erkennen, so braucht man nur an Joh. 1,14: „Voller Gnade und Wahrheit“ zu denken,
oder an den Galaterbrief, den großen Freiheitsbrief des Christenmenschen, der
gleich mit den Worten beginnt: „Paulus, ein Apostel, nicht von Menschen noch
durch Menschen …“
Warum sage ich das? Um von vornherein
klarzustellen, dass die rechte Kirche Gottes evangelisch, nicht
gesetzlich ist. So unantastbar das Formal- oder Schriftprinzip ist, es soll
nach Gottes Willen keine Rolle für sich spielen, als ob, wer es äußerlich
annähme, nun schon den guten Anfang gemacht hätte. Nein, er ist noch gänzlich Feind Gottes und Kind des
Verderbens, es sei denn, dass er an die Erlösung durch Jesus Christus glaubt.
Das Formalprinzip steht also im Dienst des Materialprinzips, der Verkündigung
von Gesetz und Evangelium, wie aus Joh. 20,21 und 23 zu erstehen.
Jesus spricht:
„Wie mich der
Vater gesandt hat, so sende ich euch“,
um fortzufahren:
„Nehmet hin den
Heiligen Geist: Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und
welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“
Wenn man alles nach Wunsch gestalten
könnte, sollte man bei freien Konferenzen erst gründlich die Kernfrage aller
Zeiten: „Gesetz und Evangelium, angewandt auf dich und mich“ besprechen, die
immer das Hauptstudium aller Christen und aller Theologen bleibt, ehe man zum principium cognescendi theologiae [Grundsatz theologischer Erkenntnis, Anm. d.
Hrsg.] überginge. Aber man muss, um im einzelnen das göttliche Gesetz und das göttliche
Evangelium zu bestimmen, Vernunft, Gefühl und Menschenbeschluss ausschalten und
darum formell meist den umgekehrten Weg gehen, eben mit den sogenannten Prolegommena der Dogmatik, den Fragen von Schrift und
Bekenntnis, beginnen, bzw. sie ziemlich früh einreihen. Es darf daraus aber
nicht das Missverständnis des Supernaturalismus erwachsen, als müsse man erst
die Schrift etablieren, und das gar noch mit Vernunftbeweisen, statt erst den
armen Sünder einfach mit der Anwendung von Gesetz und Evangelium für das
Himmelreich zu gewinnen, wodurch ihm dann nach dem neuen Menschen die Geltung
der Schrift seines lieben Heilandes von selbst ins Herz und Gemüt geschrieben
wird, Joh. 6,68.69:
„HERR, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des
ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt, dass du bist Christus, der
Sohn des lebendigen Gottes.“
Vereinbart wurde in Hermannsburg für diese Zusammenkunft das Thema: „De principio cognescendi theologiae.“ Die Notwendigkeit, hiervon ausdrücklich
und ausführlicher zu handeln, zeigte sich auch in Radevormwald.
Es geht dabei nicht um Unklarheiten, die im
Raum der lutherischen Freikirchen ihren Ursprung genommen haben. Vielmehr gibt
den Anlass die furchtbare Zersetzung der Theologie und die Unterhöhlung des
Bekenntnisstandes der Kirchen, wie sie seit 200 Jahren im evangelischen bzw.
evangelisch-lutherischen landeskirchlichen Gebiet im Gange ist und die
sonderlich an den Universitäten ihren Brutherd gehabt hat. Selbst in diesem
Großraum ist trotz der erneuten Unionstendenz in BK [Bekennender Kirche, Anm.
d. Hrsg.] und EKD [Evangelischer Kirche in Deutschland, Anm. d. Hrsg.] und
„Ökumene“ die Not des verloren gegangenen Schriftprinzipes
aufgebrochen. Mancher ist durch die Kämpfe und Erfahrungen der letzten zwei
Jahrzehnte hellhörig geworden. Umso größer ist die Gefahr, dass die
augenblicklich sehr hoffähige Schwärmerei, die Barth’sche, die viel gegen den
Kulturprotestantismus und auch gegen den pseudolutherischen Synergismus und
seine „natürlichen“ Offenbarungsquellen gesagt hat, das Feld behauptet. Nur
durch große Klarheit in Bezug auf Gesetz und Evangelium, die rettende Gnade und
durch das wirkliche Schriftprinzip wird man helfen können. Und diese Klarheit
muss vorab von der ganzen evangelisch-lutherischen Freikirche, die vom HERRN
der Kirche im Jahrhundert der Kirchenauflösung sonderlicher Gnade gewürdigt
worden ist, erwartet werden. Gott fordert eindeutige Bestimmtheit gegenüber der
gesamten Theologie und Kirche um uns herum, und zwar, um eine Wende herbeiführen
zu helfen, sonderlich in der Frage der Quelle und Gewissheit des corpus doctrinae [Lehrkörper,
d.i. christliche Glaubenslehre, Anm. d. Hrsg.]. Hier ist der Irrtum durch philosophische Dünkel am tiefsten eingewurzelt und am blendendsten getarnt. Er steckt auch in den Barmer Thesen. Die warhe
Kirche muss die zeitgebotenen Antithesen zusammen mit den rechten Thesen
vertreten.
Deshalb erlauben wir uns unsererseits
gleich die Fassung:
Die Schicksalsfrage seit 200 Jahren:
Vernunft oder Schrift?
Ungewissheit oder göttliche Gewissheit
der Lehre?
Der verehrte Herr Korreferent hält
seinerseits in dankenswerter Weise die Frage per se im Vordergrund:
„Das für lutherische Theologie und Kirche maßgebende
Erkenntnisprinzip“
Da es sich um eins von zwei verzahnten
Prinzipien der gesamten Theologie handelt, und zwar um das am verstecktesten
bekämpfte, so sah ich mich veranlasst, dem von verschiedenen Seiten
ausgesprochenen Wunsche nach im voraus mitgeteilten
Lehrsätzen stattzugeben, wenn leider auch, infolge von
Vervielfältigungsschwierigkeiten, etwas spät. Die Paragraphen 11 und 12 waren
in ihrer Kürze nicht voll verständlich. Der § 11 erhielt deshalb einen Zusatz,
der § 12 eine neue ausführlichere Fassung. Ich hoffe, dass die werten Herren
Amtsbrüder immerhin die Sätze in Ruhe und mit etwas Beachtung der Verweise auf
die Schrift durchlesen konnten.
II.
Zunächst ist litera
A), die sich mit der kirchengeschichtlichen Lage auseinandersetzt, hier zu lesen!
…
A. Praemonitio
generalis de unico principio cognoscendi
seu de Scriptura Sacra
(Geschichtliche
und grundsätzliche Vorbemerkung)
1. Die Frage, Vernunft (im weiteren Sinne
für alle in Betracht kommenden eigenen Erkenntnisquellen des Menschen)
oder die Heilige Schrift, ist, wie schon von den Aposteln (etwa im
Kolosserbrief) gegen die Schwärmer, so auch in der Reformation gegen Rom und
die Schwärmer prinzipiell dahin beantwortet worden:
Nicht die Vernunft, sondern die Schrift ist in
der Kirche die einzige Quelle und Richtschnur der heilsamen Lehre und die eine
Norm des christlichen Lebens.
Diese Antwort war, wie
zu Anfang iin unverderbter Kirche, so seit Martin
Luther in wahrhaft lutherischer Kirche fortlaufend selbstverständlich, wie sie
a priori [von vornherein] für jeden Christen feststeht.
1. Kor. 1 und 2 und 14.
Kolosserbrief und
Pastoralbriefe gegen Philosophie usw.
1. Thess. 2,13: „Darum auch wir ohne
Unterlaß Gott danken, dass ihr, da ihr empfinget
von uns das Wort göttlicher Predigt, nahmet
ihr es auf, nicht als Menschen-Wort, sondern (wie es denn wahrhaftig ist) als
Gottes Wort: welcher(s) auch wirket in euch, die ihr glaubet.“
Zwischen dem Worte Gottes als viva vox [lebendiger Stimme], als keerygma
[Verkündigung], und der Heiligen Schrift ist kein Unterschied, außer was
das maßgebende Erkenntnisprinzip, die norma normans [normierende Norm], betrifft. Hier gilt:
Eph. 2,20; Joh. 17,20; 2.Tim. 3,13-17; 1. Petr. 1,23-25; 2. Petr.
1,15-21. Wort Gottes ist immer Gesetz und Evangelium, in der Schrift in
normativer Form, in der viva vox in normierter Form,
identisch als des Heiligen Geistes Wort, in dem der Heilige Geist wirkt.
2. Die Frage, ob man der ganzen Heiligen
Schrift als des Heiligen Geistes Wort trauen könne, ob sie mithin die
Voraussetzung eines alleinigen Prinzipes besitze, hat die Kirche angesichts des
Zeugnisses der Schrift und Christi von der Schrift erst beim Eindringen des
modernen westeuropäischen Unglaubens wesentlich beunruhigt. Diese Zweifelsfrage
nach der göttlichen Autorität der Schrift ist durch die Zertrümmerung des Kirchentums der Reformation unter dem Ansturm der von
Westen her kommenden Aufklärung aufgebrochen. Sie ist
seitdem in der deutschen Kirche, d.h. in ihrer Öffentlichkeit, nicht
entschieden worden, weil gnesiolutherische Kirche
nicht im maßgeblichen Umfange wiederhergestellt wurde.
3. Wie das subjektivistische Interesse des
Pietismus dem Rationalismus [Vernunftglaube] zur Beseitigung der objektiven
Schranken des Schriftprinzips den Weg bahnen half, so ist es der pietistische
Enthusiasmus hauptsächlich gewesen, der auch der gläubigen Theologie des
letzten Jahrhunderts die Wiedereroberung des kirchlichen Schriftprinzips
unnötig, untunlich, ja gefährlich erscheinen ließ. Da Enthusiasmus und offener
Unglaube prinzipiell unbußfertig, selbstvergötternd und daher wahlverwandt
sind, sind sie der Kirche immer schädlich und ebnen sich gegenseitig den Weg.
4. Die lutherischen Bekenntnisschriften
beschäftigen sich bewusst durchgängig mit Gesetz und Evangelium und nicht mit
der damals gar nicht in Frage gestellten göttlichen Autorität der ganzen
Heiligen Schrift. Sie setzen aber in jeder Zeile die Plenar- und
Verbalinspiration [Voll- und Wörterinspiration] der Heiligen Schrift, sowie die
Möglichkeit, in der Kirche durch den Heiligen Geist dies Wort zu hören und
autoritativ weiterzusagen, voraus - sagen das auch.
5A. Sowohl des Gesetzes wie des Evangeliums
können wir nicht gewiß werden, wenn die Vernunft eine
magisterielle [herrschende] statt der ministeriellen
[dienenden] Rolle spielt; denn die Vernunft ist gesetzlich und legt sich aufs
„Werkeln“ und aufs „Reimen“. Sie hängt die Decke Moses über das Gesetz und
panzert das Menschenherz mit mißbrauchtem Gesetz
gegen die Buße. Schlägt der Blitz von Sinai trotzdem die Abwehr durch und führt
zu den terrores conscientiae
[Schrecken des Gewissens], so tritt die Vernunft auf, um nun der Gnade, dem
„allein aus Gnaden“, zu widersprechen, schaltet das Leistungsprinzip immer
wieder von neuem ein und gebiert und hegt das monstrum
incertitudinis [Ungeheuer der Ungewissheit]. Der
seligmachende Glaube ist Geschenk von oben und steht im Gegensatz zu ihr. Die
Vernunft, jedes menschliche Erkenntnisprinzip einschließend, kann deshalb im
ganzen Heilshandeln nirgends befragt werden, da sie nur falsche Antworten gibt.
Ohne das ungebrochene Schriftprinzip, d.h. den unbeirrten Schriftgebrauch,
können Gesetz und Evangelium in ihrem gegenseitigen Verhältnis von der Kirche weder
erkannt noch richtig gepredigt werden, Gal. 1 u. 2. Ohne der Volleingebung
entsprechende zutrauliche Handhabung der Schrift kann konsequenterweise der
unmittelbar auf der Verheißung fußende Heilsglaube weder geboren noch erhalten
werden.
Mark.
1,15; Joh. 8,51; Joh. 8,31 f.
5B. Ohne die Plenar- und Verbalinspiration
erhebt sich anstelle der Kirche Christi jene werkerische gleißende
Gegenspielerin, die Schwärmerkirche, die die Reformatoren ebenso heftig in den
Sakramentierern wie in Roms Machtkirche bekämpften. Wie unter dem Tyrannenjoch
des Antichristen, so wird auch innerhalb protestantisch schwärmerischer
Gemeinschaft die Kirche Christi in redlichen, aber schwachen, Seelen nur
durch glückliche Inkonsequenz erhalten bzw. in gewissem Umfang auch noch
gebaut. Das Interesse an der Rechtfertigung, an der Scheidung von Gesetz und
Evangelium, haftet an der reinen Lehre, am sola
[allein], an den particulis exclusivis
[ausschließende Wörter] und zwingt per se, jedes andere Erkenntnisprinzip außer
der Heiligen Schrift in der Kirche abzulehnen, der ganzen göttlichen Schrift
aber fröhlich zu vertrauen.
6. Deshalb sind die zwei Prinzipien
der Reformation, das Material - und Formalprinzip, das einheitliche
Banner der echten Kirche Christi.
vgl.
Joh. 1 und Gal. 1 und 2
Luther, der Reformator, ist entsprechend seiner Sendung mit Notwendigkeit der
gewaltigste Vertreter der Plenar- oder Verbalinspiration seit der Apostel
Zeiten bis zum Jüngsten Tag, was jede unbefangene Prüfung seines gewaltigen
Schrifttums unwiderleglich ausweist.
Zu diesem Buchstaben A bemerke ich noch
ergänzend:
Hans Asmussen
schreibt in seinen Anfang 1935 veröffentlichten
„Thesen zur konfessionellen Frage“
(als Dokument 106 veröffentlicht im dritten Band der
„Bekenntnisse und grundsätzlichen Äußerungen zur Kirchenfrage“ von Kurt
Dietrich Schmidt, Göttingen 1936)
-
ich führe nur die hier interessierenden Thesen an -:
„1. Es wird bestritten, dass diejenigen,
die sich lutherisch nennen, oder die, welche auf die lutherischen
Bekenntnisschriften verpflichtet sind, eine Einheit bilden oder durch einen
Konsensus im Sinne von Artikel 7 der Augustana zusammengefasst sind.
Vielmehr wird behauptet, dass die Lehrdifferenz innerhalb des bezeichneten
Kreises größer sind als innerhalb der evangelischen Konfessionen.“
„2. Es wird bestritten, dass man die
Auflösung von Unionskirchen im Namen des Bekenntnisses proklamieren darf,
solange man theoretisch und praktisch den Synkretismus huldigt oder fördert.
Es wird behauptet, dass Duldung oder Förderung des Synkretismus innerhalb des
unter 1) genannten Personenkreises statt hat, da der
Brauch des Consensus quinquesaecularis in ihm unter
Duldung „lutherischer“ Kirchenbehörden statt hat und auch Lehren, die unter
Einfluss außerchristlicher Weltanschauung seit der Reformation entstanden sind,
ungehindert Platz haben.“
„5. Es wird bestritten, dass wir ein Recht
haben, für eine Landeskirche unangesehen der in ihr vertretenen und geduldeten
Irrlehren den Consensus aus Aug. VII zu behaupten mit der Begründung, der
Bekenntnisstand der betreffenden Kirche sei ja doch eindeutig oder gesichert.
Es wird behauptet, dass der Consensus aus Aug. VII ein taktischer Consensus
sein muss und nicht ein idealistischer sein darf, wenn er die Einheit der
Kirche begründen soll.“
„8. Es wird bestritten, dass in irgendeiner
lutherischen Kirche die Voraussetzung besteht, unter der im 16. und 17.
Jahrhundert die Trennung der Gemeinden zu konfessionell bestimmten
Kirchenkörpern erfolgte. Es wird behauptet, dass diese Trennung nur durch
die damals erfolgte Wertung der Lehrdifferenzen gerechtfertigt war oder
heute berechtigt sein würde.“
„9. Es wird bestritten, dass unter
Beibehaltung der Wertung, welche die Lehrdifferenzen im 16. und 17. Jahrhundert
fanden, überhaupt ein friedliches Nebeneinander der Konfessionen möglich ist.
Die förderative Union kann nur dort
gewollt werden, wo diese Wertung fallen gelassen ist. Es wird behauptet,
dass man Gemeindeglieder, Theologen und Kirchenkörpern, welche man
grundsätzlicher Irrlehre zeiht, nur angreifend missionieren kann.“ (Hier
muss aber beachtet werden, dass man nicht in fremdes Amt greifen soll. W.M.
Oesch.)
„10. Es wird bestritten, dass die Union von
1817 die Quelle der Verwaschenheit in der Kirche ist. Es wird behauptet, dass
die Union Folgeerscheinung der vorher bestehenden Verwaschenheit ist, die
bereits in Orthodoxie, Pietismus und Rationalismus ihren Grund hatte.“
„12. Es wird bestritten, dass die DC-Lehre
Folgeerscheinung der Union sei. Es wird behauptet, dass sie letzte
Zerfallserscheinung eines durch den Humanismus verderbten Christentums ist.“
„13. Es wird bestritten, dass man ein
Recht habe, sich Lutheraner zu nennen, solange man mit diesem synkretistischen
Lehrgebilde nicht nur paktiert, sondern infolge dieses Paktierens den
aufbrechenden praktischen Fragen ausweicht mit der Begründung, es sei noch
nicht Gottes Stunde, sie zu bewerten. Es wird behauptet, dass die
unerbittliche Haltung Luthers wesentlich zur lutherischen Lehre gehöre.“
(Alle Unterstreichungen durch W.M. Oesch.)
Das ist natürlich Asmussen, kämpfend trotz
seiner Berufung auf Luther für die Barmer Einheit zwischen sogenannten
Lutheranern und Reformierten und Barth. Die Anklage aber, die
lutherischen Landeskirchen seien vom Bekenntnis gewichen durch Humanismus,
Menschenverherrlichung und Menschenhörigkeit, durch synergistische Verseuchung,
die das „Allein aus Gnaden“ nicht mehr zur Geltung kommen ließ, die den
Menschen zum freien sittlichen Faktor neben der Gnade machte, sonderlich in der
Bekehrung, und sie hätten sich selbst entmächtigt durch Indifferentismus, durch
Unfähigkeit und Unwilligkeit, Reinheit und Einheit der Lehre nach innen zu
verwirklichen und nach außen zur Bedingung der Kirchengemeinschaft zu machen, -
ich sage, diese Anklage besteht zu Recht. Nur aus diesem Zustand ist der
ewig nicht sterben wollende Territorialismus zu verstehen, der die
Kirche von Land, Volk, Staat, Politik, kirchlicher Behörde, das ist, von der
Zeit her bestimmt, statt sie von Christus, vom Wort, vom Glauben, vom Heiligen
Geist, kurz von der Ewigkeit her zu verstehen.
In solcher Kirche herrscht der Mensch,
meinetwegen der „fromme“. Doch sieht er nicht, wer grinsend hinter ihm steht.
Was war im Zeitalter des Liberalismus das Menschenverständnis? Individualismus,
der „Einzelne“ – Subjektivismus, das „Ich“. Das Verbindende war nicht das Wort,
das Bekenntnis, der gottgewirkte Heilsglaube, sondern die freie Wissenschaft,
die Vernunft, die Selbstsetzung jedes Menschen auf seinem natürlichen Hinter-
und Untergrund. Die gesamte von Schleiermacher abhängige Theologie empfand sich
mehr oder weniger „befreit“ von der stellvertretenden Genugtuung Christi (satisfactio vicaria), der wahren
Gottheit Christi, damit zugleich aber von der Schrift. Sie war „frei“. Sie ging
vom Menschen, vom emporsteigenden Menschen, aus. Die hochmütige
wissenschaftliche Theologie stand in ihrem Fortschrittsdünkel, in ihrem
Auflösungstaumel, in ihrem Selbstmorddilirium
turmhoch erhaben über dem ungebrochenen Schrift- und Bekenntnisprinzip des
alten Luthertums. Sie klagte jeden, der sich zurückrufen ließ zur Ehrfurcht
gegen Gottes Rede, der gedanken- und charakterlosen Repristination, der
Buchstabenknechtschaft, des Intellektualismus, der Gesetzlichkeit, der
Lieblosigkeit, der Lichtfeindschaft und anderer böser Dinge an. Die Feindschaft
gegen die Autoritätsgebundenheit des echten Bekenntnisluthertums, die nach der
preußischen Union und zumal den Siegen Preußens 1864 selbstverständlich
erschien, war natürlich nicht evangelisch,
wie sie vorgab, sondern gesetzlich, nicht nüchtern, sondern schwärmerisch,
nicht herzenswarm und gottinnig, sondern intellektualistisch und
gottverachtend, nicht kindlich-demütig, sondern wissenschaftlich-abgöttisch,
nicht theologia crucis,
sondern theologia gloriae.
Alle Prädikate, die diese schwärmerische Verirrung anerkennend sich selbst,
aberkennend der gnesiolutherischen Stellung zur
Schrift ausstellte, sind in ihrer Adresse unwahr. Sie gelten sämtlich genau
umgekehrt für die beiden Lager.
Seit der Aufklärung regierte der
ungebrochene Mensch einfach mit der Vernunft auch im kirchlichen Raum. Seit dem
Idealismus und der Romantik wieder mehr der schwärmerische fromme Mensch, nicht
minder auf sein Ich und seine (nun fromme) Wissenschaft versessen und
vermessen. Die zünftige Theologie wollte sich ja auch beständig vor den eigenen
Fakultäten an der weltlich-heidnischen Universität rechtfertigen. Sie suchte
beständig die einer auch weltlichen Vernunft noch einleuchtenden Innerlichkeit
die sturmfreie Burg, das „dos moi
pou stoo kai teen geen
kineesoo“, die Vermittlung gegenüber der neueren
Kultur. Sie bekannte sich nicht mehr frisch-fröhlich zur Bibel, wie sie ist,
zur Lehre, wie die Bibel sie darlegt. Indem sie bei großem Aufwand von
Gelehrsamkeit größeren „Wirklichkeitssinn“ vorschützte, ging sie natürlich an
der Wirklichkeit vorbei, da sie sich nicht die Augensalbe von Gott im Wort
reichen ließ, von Luther und der Reformation nicht lernte. Ich zeichne die
Tendenz an den Schulen, deren Bann auch die positive Theologie nicht entging,
mit zu zählenden Ausnahmen (wie Rudelbach in Sachsen, Guericke in Halle,
Philippi und Hashagen in Rostock), ohne ein Urteil über den Glaubensstand
vieler lieber, subjektiv ernstern, eben befangenen Positiven zu fällen.
Für das Erkenntnisprinzip dieser
wissenschaftlichen Theologie führe ich fünf Beispiele an:
Dorner
(1809-1884) schlägt in seinem „System der christlichen Glaubenslehre“ I, S. 155
ff. ein doppeltes principium
cognescendi vor, nämlich 1.) principium
subiectivum: das christliche Subjekt, 2.) principium obiectivum: die
Heilige Schrift. (Er hätte sie auch weglassen können, wie er im Grunde weder
Schrift noch Christus braucht.)
Von
Hofmann (1810-1877) heißt den Theologen sein Christentum auf seinen
einfachsten und allgemeinsten Ausdruck bringen, um von da aus auf dem Wege der
Evolution das Ganze der systematischen Theologie (Dogmatik und Ethik) zu
gewinnen. Des Systems Einheitlichkeit und Ebenmäßigkeit biete die
wissenschaftliche Bürgschaft für die Berechtigung der einzelnen Bestandteile
desselben. (Nach Paul Ewald, Erlangen, 1895, „Über das Verhältnis der
systematischen Theologie zur Schriftwissenschaft“, S. 13 f. Ewald hätte in
seinem Titel, da er die Erlebnistheologie vertritt, schreiben sollen
„Missverständnis zur Schrift“. Ewald nimmt hier ausdrücklich Bezug auf von
Hofmanns „Enzyklopädie der Theologie“, herausgegeben von Bestmann, besonders S.
29 f. und 55). Hofmann sagt vom christlichen Bewusstsein, dass es „nicht von
der Kirche abhängt noch von der Schrift, auf die sich die Kirche beruft,
auch nicht in jener oder dieser die eigentliche und nächste Verbürgung seiner
Wahrheit ist, sondern in sich selbst ruht und unmittelbar gewisse
Wahrheit ist, von dem ihm selbsteinwohnenden Geiste Gottes getragen und
verbürgt“ (a.a.O., S. 11). Die Schrift ist von Hofmann nur inspiriert als
Urkunde sich entwickelnder heiliger Geschichte und als Ganzes („The Lutheran Cyclopedia“ by Jacobs and Haas, Scribners, New York, 1899, p. 24 f.) Das heißt (nach W. Rohnert: „Inspiration der Heiligen Schrift und ihre
Bestreiter“, Leipzig 1889): Sie ist, wie jedes christliche Buch, Produkt von zwei
Faktoren, einem selbständigen menschlichen und dazukommenden göttlichen, und
darum sowohl dem Irrtum als der Kritik unterworfen.
Von
Frank betont ausdrücklich, dass der exegetische Beweis „streng genommen, nicht zu der eigentlichen Aufgabe der
dogmatischen Disziplin eines Teiles der systematischen Theologie“ gehöre
(System der christlichen Gewissheit I, Aufl. 2, S. 42). Er schreibt gegen
Philippi: „Wer mir die objektive Versöhnungstat (Christi) und das Wort Gottes
entgegenhält statt meines ‚subjektiven’ Standpunktes, mit dem vermag ich mich
nicht auseinanderzusetzen, weil er die Fragestellung nicht verstanden hat.“
Ferner: „Auf den Heiligen Geist kann ich mich dabei in sofern nicht berufen,
als ja erst in Frage steht, ob, was ich vernehme, Zeugnis des Heiligen Geistes
sei, ebenso wie ich mich nicht auf den Heiligen Geist berufen kann, wenn in
Frage steht, wie ch dazu komme, diese Schrift mir als
heilige gelten zu lassen“ (a.a.O., S. 115.143). Endlich schreibt er: „Wir haben
es hier mit den zentralen und spezifischen Wehen der christlichen Gewissheit zu
tun, wo keine eigentliche von außen kommende Autorität für sich, sondern das christliche Subjekt selbst und
persönlich über den Grund und das Recht seiner Gewissheit entscheidet.“
(a.a.O., S. 49)
Den Vogel schießt Zöckler (1833-1906) ab,
indem er (in seinem „Handbuch der theologischen Wissenschaften“, 2. Aufl., III,
S. 65) die Berufung der altprotestantischen Dogmatiker auf das testimoniuim Spiritus Sancti „nicht ganz verwerfen will, es
aber als die Sache nicht deckend hinstellt und hinzufügt: „Es gibt eine von uns selbst abhängige, unserer
inneren Verantwortung anheimfallende freie
Tat, eine moralisch notwendige, darum aber der Freiheit überlassene
Konsequenz. Durch diese freie Tat erst
schaffen wir selber die Gewissheit.“
Endlich lehrt R. Seeberg (zitiert bei F. Pieper: „Christliche Dogmatik“ I, S. 368),
die Schrift dürfe nicht als zweites Prinzip des Protestantismus neben dem
rechtfertigenden Glauben koordiniert werden. Er will die Schrift zur normate normata machen, durch den
Glauben normiert. Wir fragen: Durch welchen Glauben? Ohne Zweifel durch den
Glauben, der mit dem gesamten Schwärmer- und Sektierertum verwandt, in Robert
Barclay, dem Dogmatiker der Quäker, seinen Sprecher gefunden hat, wenn er schreibt,
die Schrift sei nicht als eine „adäquate erste Regel des Glaubens und Lebens“
anzusehen, sondern als „eine zweite, dem Geist untergeordnete Regel (regula secunda, subordinata spiritui).“
So beteiligte sich diese Theologie an der
Schwärmerrebellion des modernen denkenden Menschen, der ohne Buße unmittelbar
zu Gott sein wollte. Diese Meinung, die Gott und Mensch, ohne „tota depravitas et caecitas“ und „sola gratia propter Christum“
zusammenkoppelt, bekam natürlich furchtbare Stöße durch den ersten und zweiten
Weltkrieg. Der Jüngste Tag leuchtete auf. Götterdämmerung brach herein. Aber
so, wie zu Napoleons Zeit der reformierte Schleiermacher da war, so war nun der
reformierte Barth da, jener mit Gefühl und enthusiastischer Bejahung, dieser
ohne Gefühl und mit betonter Verneinung, scheinbar ein Johannes der Täufer,
beide aber vom nicht an das Wort und Bekenntnis gebundenen „Geist“ – Luther
schreibt „Gaischt“ – herkommend.
Grundposition Karl Barths in dieser Frage:
Gottes Wort schriftlich und als viva vox ist eine
Papierkugel, wird erst im Einschlag Kanonenkugel.1
Wie es zu der Zeit der Atombombe passt, sind Karl Barth und seine Schule groß
in der Negation ohne Position, auf der ein armer Sünder vor Gott wirklich
stehen kann. Wie Luther von Zwingli und den Sakramentierern sagt: Sie reißen
die Brücke, die Gnadenmittel, weg, gerade wenn’s darauf ankommt, sie lassen
alles in der Schwebe von Ja und Nein.
Christus aber ist nicht Ja und Nein, sondern Ja, 2. Kor. 1,19 f. Die Barthianer greifen den Synergismus als falsche Gewissheit
mit der Reformation entliehenen Waffen grausam an; aber sie bringen nicht die
rechte Gewissheit. Sie bekämpfen die Geschichte als Offenbarungsquelle für die
Kirche; aber ihr eigenes Erkenntnisprinzip ist, selbst in seiner besten Einkleidung,
z.B. in den Barmer Thesen (30.05.1934), Irrlehre. Die Schrift wird überhaupt
nicht definiert, Gesetz und Evangelium nur vermischt, die Kirche durch radikale
Leugnung der natürlichen, rein gesetzlichen Gotteserkenntnis theokratisch in
die Politik hineingedrängt, ins Reich der Vernunft gezogen, eben jener neuen,
der „dialektischen“ Vernunft unterworfen. Barth kennt nicht das echte volle Strafamt des Gesetzes. Sein Elenchtikus
frisst den Civilis, das Gesetz in seinem Sondergebrauch als Riegel, diese böse
Welt einigermaßen äußerlich in Zucht zu halten. Und wozu frisst der Barthsche Elenchtikus den göttlichen Civilis? (Ich rede törlich) Um sich dann selbst trotz der Berufung auf
Offenbarung als Diesseitsbrauch des Gesetzes, eben als Civilis seu Politicus, zu entpuppen. Und
wo bleibt die Zusage Gottes, das dem Gesetz entgegen gesetzte
letzte Wort, das nur schenkende, nicht fordernde
Evangelium, auf das ich als Verdammter einfach bauen kann? Wo bleiben Wort und
Sakrament per se und a priori? Wo bleibt dem Glauben das woran er sich hält, wenn’s „entweder –
oder“ heißt, wenn dialektisches Schaukeln Verzweifeln bedeutet? Letzte raison: „Buchstäbisch Wort“ und
„Geist“ sind getrennt, logos ouk sarxs egeneto, finitum non capax infiniti!
Dass „dialektische“ Theologen gerade vom
theokratischen Übermaß ihres Anspruchs gegenüber dem öffentlichen Raum her am
hellhörigsten waren für den satanischen Totalitätsanspruch der weltlichen
Seite, ihn auch wiederum im Verein mit Rom am meisten reizten und als
erzwungenen Gegenschlag des Pendels erscheinen ließen, ist offenbar. Dass in
oder gegenüber der mit dem Staat verquickten Kirche, ja gerade in oder
gegenüber der Kirche der Union, die am bekenntnislosesten war, die beiden
maßlosen Ansprüche sich am unverhohlensten begegneten, lag in der Natur der
Sache. Dass Christus auch dort liebe Bekenner fand, denen man ihre Schwachheit zugute halten soll, deren Verdienste man aber rühmen soll,
ist das Wunder des Evangeliums, allerorts und mitten unter seinen Feinden. Es
ist weder das Verdienst der Union noch der Barthschen theokratisch-gesetzlichen
Schwärmerei und Politik. Das hat allein Gott getan. Und sofern Union und Barth
am Evangelium Verrat üben, haben sie keinen Ruhm an den Wundern des
Evangeliums; einerlei, wie Wohlmeinende urteilen. Deshalb besteht weder für uns
noch für die evangelische Christenheit die geringste Pflicht, den Barthianismus zu schonen oder die Barmer Thesen als das oder auch nur ein Bekenntnis
unserer Zeit anzunehmen. Diese müssen vielmehr von der Wahrheit gerichtet
werden (besser, als die Erlanger es versuchten), und zwar beginnend mit ihrem
ersten Satz. Nicht wir können richten
– wir sind arme Sünder und haben uns gegen Gott und Menschen auch vielfältig
verfehlt – Gott muss richten in seinem Wort, und wir müssen hören. Wer mit uns hört, wird mit uns
kämpfen – ohne unser Verdienst und ohne uns hörig zu sein, einfach als
Gefolgsmann Christi. Lasst uns die Gewissheit des Heils gegenüber dem monstrum incertitudinis, das bei Werkerei und Geisterei
triumphiert, und lasst uns die gewisse Lehre gegenüber aller Schaukeltheorie
vertreten, weil die fides divina
aufgrund des konkreten geoffenbarten Wortes uns beseligt und bewegt. Lasst uns
zugleich abrücken von der synergistischen Erlebnistheologie jeder Ausgestaltung
und in aller Schärfe auch von Barth.
Lasst uns einfach kindlich mit dem Material- und Formalprinzip der
Schrift und der Reformation als der einheitlichen Fahne der rechten
Kämpferschar, der Una Sancta, antreten.
B.
Eliminatio principiorum falsorum
(Erweis
des echten principium cognoscendi
[Erkenntnisprinzips] durch Elimination aller falschen prinipia)
7. Bei der gänzlichen geistlichen Finsternis der natürlichen Vernunft
(1 Kor. 2,14), die wohl vom Gesetz etwas weiß (Röm. 2,14), das, was sie weiß,
aber in geistlicher Hinsicht nur missbrauchen kann, Röm. 1,18-23
(natürliche Gotteserkenntnis); 2 Kor. 3,13-16; Röm. 8,7 vom Evangelium
aber nichts weiß (1 Kor. 2,7-13; 1 Kor. 1,21.22), kann diese Vernunft
kein neben die Schrift tretendes, mit ihr aber harmonisch zusammenfließendes
zweites Erkenntnisprinzip abgeben (gegen Supranaturalismus), sondern es gilt:
Entweder
Vernunft oder Schrift,
Finsternis oder Licht.
8. Bei der
unvollkommenen Erleuchtung des Wiedergeborenen (Röm. 7,14 ff.; Gal. 5,17) kann
auch die sogenannte wiedergeborene Vernunft (die „christliche Erfahrung“, die
„christliche Selbstgewissheit“, das „christliche
Gefühl“, Gewissen usw.) kein zweites Erkenntnisprinzip abgeben, sondern es
bleibt bei dem Sola Scriptura [allein die Schrift]
(Joh. 8,31.32; Matth. 28,19.20; 1 Tim. 6,3). Da fides salvifica [rettender
Glaube] in categoria relationis
[als etwas, das sich auf etwas bezieht, nicht als Qualität oder Tugend]
rechtfertigt, nämlich als Ergreifen Christi, der unsere Gerechtigkeit extra nos
et pro nobis [außerhalb von uns und für uns] ist, wie er im Wort des
Evangeliums zu uns kommt, ergibt der Heilsglaube kein Erfahrungsprinzip neben
dem in der Heiligen schrift verbürgten, in Predigt
und Sakrament mit uns handelnden Gotteswort, Joh. 8,31 f.
9. Bei dem
gemischten Charakter der sichtbaren Kirche Christi auf Erden, in der auch die
Heuchler eine große Rolle spielen (Matth. 13[,48
f.]), bei der zwiespältigen Natur auch der wahren Christen, die aus Geist und
Fleisch bestehen (Par. 8), kann in der nachapostolischen Kirchengeschichte
keine sturmfreie Burg irgendwo oder irgendwann, in Vergangenheit oder Zukunft,
aufgezeigt werden, aus deren dem Teufel entzogenen Quellbereich man die
seligmachende Wahrheit beziehen könnte, ohne von der Heiligen Schrift
als der in dieser nachapostolischen Zeit allein ungetrübten Quelle gespeist und
von ihr als der allein richtenden Norm gelenkt und geleitet zu werden (Luk. 24;
Joh. 17,20), weshalb das Wort der Apostel und Propheten vom Herrn für
alle Zeit der Kirche als Grund oder Fundament gegeben ist (Matth. 16,16.28; Joh. 17,20; Eph. 2,20 f.) (gegen sancta traditio [heilige Tradition], etc., ferner gegen per se,
ohne Schrift, unfehlbares Lehramt, Konzilsautorität usw.)
10. Bei der
Unwilligkeit des Heiligen Geistes, durch neue Offenbarungen, revelationes immediatae, novae [unmittelbare, neue Offenbarungen] Christus zu
verklären (Jer. 23,28; 1 Kor. 14,37; Joh. 16,13-15; Joh. 17,20), bleibt es auch
gegenüber denen, die auf unmittelbare Offenbarungen sich berufen, bei dem Entweder-Oder:
„Vernunft oder Schrift“ (1 Kor. 14,37).
Litera B) schaltet nacheinander alle
anderen Möglichkeiten aus, weist hintereinander zurück die bekannten Versuche,
die nicht maskierte Vernunft (ratio, alle natürlichen
Menschenkräfte umfassend); die theologisch getarnte Vernunft, das sogenannte
„christliche“ Ich oder die „Erfahrung“ des Gläubigen oder das „innere Licht“;
gerne die Kirche mit ihrer Tradition, ihrem irgendwie von der Schrift
unabhängigen Lehr- oder Regieramt; endlich neue Offenbarungen an die Stelle der
Schrift zu setzen oder sie ihr zu koordinieren. Da der Mensch sich von Haus aus
selbst selig machen will, bedeutet Schrift und
Vernunft in irgendeiner der dargestellten Formen nur Vernunft. Hier hast du’s mit Gegenspielern zu tun. Gib der
Vernunft den kleinen Finger, sie nimmt die ganze Hand. Umgekehrt ist auch das
Reich des Königs Christus total. „Wer aus der Wahrheit ist“, spricht er, „der
höret meine Stimme“, nämlich allein (Joh. 18,36). Der Heiland sagt von seinen
Schafen: „Sie kennen der Fremden Stimme nicht“. (Joh. 10,15.)
Gegen Ende des Absatzes B (§ 9) ist
nochmals betont, was schon in den Schriftstellen von § 1 lag, dass das Wort der
Apostel und Propheten vom Herrn der Kirche für alle Zeit als Grund oder
Fundament gegeben ist. Dies wirft die Frage auf nach dem Verhältnis zwischen
Wort Jesu, Wort des Heiligen Geistes und Wort der Propheten und Apostel, ferner
nach dem Verhältnis zwischen dem Wort Gottes, wie eben dadurch bestimmt, als
dem unicum fundamentum ecclesiae und der wahren Freiheit.
Hierüber das Zeugnis des Neuen Testaments:
Der Heiland sagt von dem Heiligen Geiste
nicht nur: „Derselbe wird mich verklären“, sondern auch: „Von dem
Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen.“ (Joh. 16,14) Und er spricht
im hohepriesterlichen Gebet: „Ich bitte nicht allein für sie (die Apostel),
sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden“ (Joh.
17,20), wie er vorher im selben Gebet gesagt hat: „Ich habe ihnen gegen dein
Wort.“ (Vers 14.) Christi Wort, des Vaters Wort, des Heiligen Geistes Wort, der
Apostel Wort (das wiederum in eine Klasse mit dem Prophetenwort gesetzt
wird, schon durch den einen Artikel, Eph. 2,20) ist alles ein
Wort, in dem sich Gott uns schenkt mit der Wirkung, dass wir uns selbst fallen
lassen und dem Teufelsbann der Selbstanbetung entrissen werden. Des Sohnes Wort
ist abgeschlossen, denn „nachdem vorzeiten Gott manchmal und mancherlei Weise
geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er am letzten in diesen
Tagen zu uns geredet durch den Sohn“, Hebr. 1,12. Der Apostel Wort ist nichts
anderes als des Sohnes Wort durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist. Mit
den Aposteln ist auch der Kanon des neuen Testaments abgeschlossen. Das Wort
kann nicht geändert, nicht verbessert, nicht gemehrt, nicht gemindert werden, Offenb. 22,18 f. Aber eben dieses Wort redet noch.
Das Wort der predigenden, zeugenden Kirche ist nichts anderes als das
Sohneswort, Propheten-, Apostel-, Schriftwort in mündlicher Bezeugung durch den
Heiligen Geist, viva vox, aber dem fahrigen
Menschengeist gegenüber unter der heiligen Kontrolle der göttlichen Schrift, so
dass die Losung lautet: „Nach dem Gesetz und Zeugnis; werden sie das nicht
sagen, so werden sie die Morgenröte nicht haben“ (Jes. 8,20), und: „Halte an dem
Vorbild der heilsamen Worte, die du von mir gelernt hast, im Glauben und in der
Liebe in Christus Jesus. Diese gute Beilage (= dies beigelegte Gut) bewahre
durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt.“ (2. Tim. 1,13.14.) In der
Entbindung von aller anderen geistlichen Gewalt durch dies Wort, in der
Bindung an dies Wort besteht unsere Freiheit. „Ich bin der Weg und
die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich“,
spricht der HERR, Joh. 14,6. Und wiederum: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede,
so seid ihr meine rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die
Wahrheit wird euch frei machen.“ (Joh. 8,31 f.) „Darum sollen wir desto mehr
wahrnehmen des Wortes, das wir hören, dass wir nicht dahin
fahren.“ (Hebr. 2,1.) „Wie sollen wir entfliehen, wenn wir eine solche
Seligkeit nicht achten? Welche, nachdem sie erstlich gepredigt ist durch den
HERRN, ist sie auf uns gekommen durch die, so es gehört haben“ (griechisch: heetis archeen labousa laleistai dia tou kyrion
hypo toon akoudantoon eis heemaas ebebaioothee, Hebr. 2,3).
Den später zu urgierenden Gedanken der
Eigenschaften des Worts schon streifend, bemerken wir noch:
Das Wort Gottes ist „lebendig und kräftig
und schärfer denn kein zweischneidig Schwert“, den
einen
„ein Geruch des Lebens zum Leben“,
den andern
„ein Geruch des Todes zum Tode“.
An dem Fels Christus stehen die einen auf
aus Gnaden, zerschellen die anderen durch eigene Schuld (Hebr. 4,12; 2. Kor.
2,16; Luk. 2,34 f.; 1. Petr. 2,1-8).
C. Spiritus
Sancti methodus probandae Scripturae Sacrae
[Durch den Heiligen Geist wird die Heilige Schrift
beglaubigt]
11. Aller
rechte Heilsglaube wird des Christus der
Schrift göttlich gewiss (Luk. 4,21; 24,25-27.45-47; Joh. 5,39; 1 Kor.
15,1-11), damit aber auch des Urteils Jesu über die Schrift (Matth. 4,4.6f.10; Luk. 16,29.31; Joh. 5,37-39; 10,35; Matth. 26,54), denn dieses Urteil lässt sich vom wirklichen
Christus, an den der Glaube sich halten muss, konsequenterweise nicht abtrennen
(Joh. 8,32 f.). Auch ist der wirkliche Christus, an den ich glaube, nicht nur
immer so, wie ihn die Schrift beschreibt, nein, auch eingehüllt
in diese Schrift kam er zu mir und kommt er zu mir als mein Heiland, indem viva
vox [lebendige Stimme] nichts anderes ist als das geoffenbarte, ursprüngliche, inspirierte Zeugnis oder das
weiterwirkende Schriftwort. Auch hier gilt: „Das Wort ward Fleisch“ und
„Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“.
12. Alle
Selbstgewissheit, die sich durch eigne, freie, schöpferische Tat selbst Gottes
versichert - das Grundanliegen der ganzen Theologie seit Schleiermacher und von
Hofmann in Anlehnung an Kant, Fichte, usw. - bricht, wenn der Donner Sinais
durchschlägt, vor dem lebendigen Gott zusammen und endet in Verzweiflung oder
hoffnungslosem Pharisäismus. Die Schrift bezeichnet Christus, und zwar gerade in
seinem Wort, als den außer uns liegenden Felsen, auf den wir
gestellt werden müssen (an dem wir aber zerschellen, wenn wir selbst Fels sein
wollen). Jes. 8,14; 23,15; Matth. 21,42; Luk. 2,34;
Röm. 9,31-10,21; 1 Petr. 2,1-8, weshalb auch Christus spricht: Matth. 24,35 und Jes. 40,6-8 (1 Petr. 1,23-25). Arme
Sünder, auch Theologen, kommen nur zur Gewissheit, die vor Gott gilt, indem sie
aus ihrem „Ich“ heraustreten und „durch das Wort über sich fahren“ (Luther Walch 2 XI,7727.736). Das
bewirkt aber durchs Wort nur der Heilige Geist, 1 Kor. 12,3; 2 Kor.
1,18-22, wie umgekehrt der Heilige Geist nur durchs Wort wirkt, 2 Kor.
3,8; Gal. 3,2.
Das Wort
Gottes, wie Luther sagt, macht certus active [aktiv gewiss], der Glaube passive.
[d.h.: das Wort ist aktiv, um uns des Heils gewiss zu machen; der Glaube
passiv, nämlich empfangend, Anm. d. Hrsg.]. Dieser Glaube, der von dem Wort
abhängt, in dem Christus sowohl seine Wohltaten anbietet als auch selbst kommt,
ist das testimonium Spiritus Sancti internum [innere Zeugnis des Heiligen Geistes], durch
welches Wort Gottes sich selbst im Herzen des Christen beglaubigt (1 Joh. 5,10;
Joh. 3,33; 7,17). Neben ihm hat das testimonium Spritius Sancti externum [äußeres Zeugnis des Heiligen
Geistes] in den vom Heiligen aus dem Glauben herausgesetzten guten Werken nur
sekundäre und vornehmlich apologetische Bedeutung. Vgl. Apologie 108,113 gegen
135,155. Das testimonium Spiritus Sancti internum schreibt von selbst auch die Aussage der
Schrift über sich selbst ein, d.h. wer durchs Wort Gottes zum Heilsglauben
kommt, glaubt durch den Heiligen Geist, dass das Wort der Schrift göttlich ist
(Röm. 1,16; 10,8.9; 1 Thess. 2,13; 1 Joh. 1,1-4; 5,6). Die „Salbung“, 1 Joh. 2,20,
ist eben das testimonium Spiritus Sancti internum und vom Wort nicht zu trennen. Des Heiligen
Geistes Wirkung in Anzündung des Glaubens ist identisch mit
des Wortes und Christi Wirkung. Opera Sancti Trinitatis ad extra sunt communia [Die Werke der
Heiligen Dreieinigkeit nach außen sind gemeinsame Werke.]
Litera C) zeigt, wie der Heilige
Geist der Schrift gewiss macht,
nämlich durch das testimonium Spiritus S. internum [innere Zeugnis des Heiligen Geistes, Anm. d.
Hrsg.], durch das Ja zu Christus, zur Rechtfertigung, zur Vergebung der Sünden.
Der Heilige Geist macht durch schöpferisches, jenseits aller Vernunftmitteilung
liegendes Wunder den wegen seiner Sünden erschrockenen, vom Gesetz getroffenen
und verdammten Sünder des für ihn gestorbenen und auferstandenen
menschgewordenen Gottessohnes gewiss, der in Wort und Sakrament als Heiland zu
ihm kommt. Das ihn gewinnende und erhaltende Wort des Evangeliums ist aber kein
anderes als das weiterwirkende Wort der Apostel, Joh. 17,20. Der Gläubige kommt
zu stehen „auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der
Eckstein ist“, Eph. 2,20. Er glaubt immer vis-à-vis vom Wort, entsprechend
Joh. 8,51: „So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen
ewiglich.“ Er glaubt „an too euangelioo“, Mark. 1,15. Er steht mit der ganzen Kirche
auf dem Fels vermittelst des Wortes und ist so
Felsstein im Felsenbau, den die Pforten der Hölle nicht überwältigen, Matth. 16,16 und 1. Petr. 2,1-8. Sollte er den Hirten der
Schrift, der ihn ruft, nicht an Seiner Stimme erkennen, wenn diese Stimme am
gewaltigsten und ungetrübtesten in der Schrift selbst erschallt, ja immer von
der Schrift herkommt? Sollte er’s nicht merken, wenn er sich diesem Kraftfeld
nähert? Sollte er nicht folgen, suchen, lesen, lernen? Da sitzt er zu Jesu
Füßen wie weiland Maria. Da brennt sein Herz wie den Emmausjüngern.
Da traut er der evangelischen Hirtenstimme der Schrift, findet und fasst hier
seinen König in der Krippe, in den Windeln, nach dessen Weisung: „Suchet in
der Schrift, denn ihr meinet, ihr habt das ewige Leben darinnen, und sie ist’s,
die von mir zeuget.“ (Joh. 5,39 f.) Welcher Menschenmachtanspruch sollte
ihn, den kindlichen wahren Jünger Jesu, wohl bewegen können, Christi und des
Heiligen Geistes Urteil über das organische Fundament, auf dem die Kirche ruht,
über den Brunnen, aus dem ihr Lebenswasser sprudelt, über den Maßstab, nach dem
sie die Lehre messen soll, außer Acht zu setzen?
Deshalb wird, nach D), ein Kind
Gottes dem Geiste nach freudig die richtig verstandene Verbalinspiration
annehmen. Eine andere gibt es nach der Schrift nicht (von bloßer Personal- und
Realinspiration weiß sie nichts). Es gilt nur die Wahl zwischen
Verbalinspiration oder gar keiner. Gott selbst sagt mir, in den bekannten, in
der Vorlage und in den Berliner Thesen angeführten Stellen, das Wort der
Schrift unterscheide sich von allem anderen Wort, weil es totaliter von ihm
inspiriert, gottgehaucht sei, so dass Gott selbst der Sprecher des ganzen
Schriftwortes ist, der durch die
Propheten und Apostel geredet und geschrieben hat. Litera D) setzt auch die
erste von den Berliner Thesen von der richtig verstandenen menschlichen Seite
der Schrift, dem bewussten verantwortlichen Zustand der Schreiber, der Wahrung
ihrer Eigenart, der gnädigen Herablassung, der heiligen Kondeszendenz
Gottes, durch Menschen in unserer Rede mit uns zu reden, voraus. Abermals:
Verbum caro factum est.
Aber wiederum, ohne Irrtum, ohne Sünde. Vielmehr ist „die ganze Heilige
Schrift des Heiligen Geistes Buch, das nirgends irren kann“. Bei allen
Unterschieden der Glieder des lebendigen Schriftkörpers kommt ihr doch überall
zu:
1.) göttliche Autorität,
2.) göttliche Kraft (efficacia)
qua Gesetz und qua Evangelium.
Der Schrift eignet weiter in ihrer Ganzheit:
3.) Genugsamkeit,
und in ihrer Offenbarungs- und Heilsgeschichte und in
ihren sedes doctrinae
4) Klarheit,
bis zum Jüngsten Tage alle Menschen mit dem Glanz des ewigen Lebens zu
erleuchten, die Kirche mit allem Reichtum der gewissen Lehre zu erfüllen.
Wenn es irgendwo an Licht und Wärme, an
Gnade und Kraft, an Reinheit und Einheit der Lehre fehlt, liegt die Schuld
nicht am mangelnden Angebot, sondern am mangelnden Gebrauch. Gebrauchen wir
demgemäß die Schrift in dankbarer Freude und lobpreisender Anbetung unter
Anrufung des Heiligen Geistes öffentlich und sonderlich! Die seiner Mutter
gezollte Seligpreisung gibt Jesus mit den Worten zurück: „Selig sind, die
Gottes Wort hören und bewahren“, Luk. 11,28. Und der Martha antwortet er: „Martha,
Martha, du hjast viel Sorge und Mühe, eins aber ist Not; Maria hat das gute
Teil erwählt, das soll nicht von ihr genommen werden.“ Luk. 10,42.
D. De inspiratione
verbali Scripturae canonicae
[Von der Verbalinspiration der kanonischen Schriften]
13. Die
Schrift sagt, sie sei sowohl im Alten als im Neuen Testament Gottes Wort durch
Plenar- oder Verbalinspiration (2 Tim. 3,14-17; 1 Petr. 1,10-12; 2 Petr.
1,16-21; Apg. 1,16; Apg. 28,25; Röm. 3,2).
14.
Sämtliche neulutherischen Einwände gegen dies Selbstzeugnis der Schrift stammen
nicht aus der Schrift, sondern aus der unwiedergeborenen Vernunft, machen ab er
nicht einmal der Schärfe des Verstandes Ehre, da der ungläubige Widerspruch
meist durch sinnlose Errichtung von Strohmännern (metabasis
eis allo genos usw., z.B.
Ablenkung auf Varianten, Deuterokanonie, Form
alttestamentlicher Zitate im Neuen Testament) getarnt wird. Nackt bleibe er
vernünftiger, wäre er ehrlicher. Dass Plenarinspiration mechanisch gedacht
werde müsse, ist nicht wahr; so wenig wie die zur Schau getragene
Wissenschaftlichkeit (als kenne man jetzt erst die wirkliche Gestalt der
Schrift) im Vergleich zu dem geradezu maßlos überlegenen Luther, ja selbst im
Vergleich zu den beharrlich in Karikatur dargestellten lutherischen Dogmatikern
einen Schatten von Berechtigung hat. Der echte Kondeszendenzgedanke
ist selbst bei letzteren, nach Luther, vorhanden, wenn
auch nicht so triumphierend. Weil der Sohn Gottes Mensch wurde, so bedient sich
der Heilige Geist menschlicher Sprache mit persönlicher Spracheigentümlichkeit
jedes Autors, und doch gibt es kein extra rationalisticum
oder enthusiasticum, kein Wort der Schrift, wo der
Heilige Geist nicht durch den Schreiber zu uns spräche, nichts, was
nicht eigentliches, irrtumsloses Gotteswort wäre („irrtumslos“ nicht
mathematisch-sophistisch, sondern natürlich-sprachlich zu verstehen).
15. Auch die
Eigenschaften der Heiligen Schriften sind nach dem Selbstzeugnis derselben
genau mit Luther und den altlutherischen Dogmatikern festzuhalten:
auctoritas divina [göttliche Autorität]: (Joh. 12,48; 1 Kor. 2,4.5. -
Alle Stellen, welche das Weichen von Irrlehrern gebieten, betonen sie.)
efficacia divina [göttliche Wirkkraft]: (1 Petr. 1,23-25; Hebr. 4,12)
perfectio [Vollkommenheit]: (2 Tim. 3,14-17, evident aus dem
Fehlen jeder Andeutung der Ergänzung)
perspicuitas sive claritas [Deutlichkeit oder Klarheit]: (2 Kor. 2,15; Ps.
119,105 - alle Stellen von der Verpflichtung, bei der reinen Lehre zu bleiben
und in ihr eins zu sein, setzen sie voraus).
Zum letzten
Punkt gehören die wichtigsten hermeneutischen Regeln. Die Frage, ob aus dem
„Schriftganzen“ oder zunächst immer aus den sedes doctrinae [Sitze der Lehren] die Lehre zu erheben ist,
gehört hierher. Dass nur der Heilige Geist zur wirklichen Erkenntnis der Lehre,
zur inneren Erfassung des Unterschieds von Gesetz und Evangelium, zur
Erleuchtung führen kann, war von Anfang an vorausgesetzt.
E. De efficacia
Sancti Spiritus in verbo Scripturae
Sacrae operantis et ducentis ad corpus doctrinae Christianae amplectandae et 'en pleerophoria pollee' docendae
[Von der Wirkkraft des Heiligen Geistes im Wort der
Heiligen Schrift, mit dem der umfassende christlichen Lehrkörper erarbeitet und
‚in voller Gewissheit’ gelehrt wird]
16.
Insbesondere muss die Tätigkeit des Heiligen Geistes in, mit und unter der
Schrift (Joh. 6,63; 1 Joh. 5,6 b) festgehalten werden, und zwar als richtende
Lebendigkeit qua [durch das] Gesetz (Joh. 16,8 umfasst auch des Gesetzes
Wirkung mit) und als wirksames Gnadenmittel qua Evangelium (Joh. 20,31; 1 Joh.
1,1-4; 5,13). Dadurch wird zugleich das von P. Kölling urgierte [behauptete]
Verhältnis von logos ensarkos
[dem fleischgewordenen Wort] und logos graptos [dem geschriebenen Wort] festgehalten, das
Material- und Formalprinzip in evangelischer Verklammerung zusammengehalten und
bloßer nomistischer Fundamentalismus
abgewiesen.
17. Der
Heilige Geist, der Geist der Wahrheit, ist kein Skeptiker; er macht durch das
Wort der Wahrheit (Joh. 17,17; Jak. 1,18) der Wahrheit, aller Wahrheit (Joh.
16,13) göttlich gewiss (1 Joh. 5,6; Hebr. 10,21 f.; Kol. 2,2), und zwar nicht
nur zur Überwindung der Anfechtungen (Joh. 8,31; Röm. 8,39), sondern auch zum
Zweck des Lehrens (Matth. 28,18 ff.; Gal. 1,8; 5,9; 2
Tim. 3,15-17; Tit. 1,9). Hierauf (1 Tim. 3,15) gründet sich auch die als an der
norma normans [normierende
Norm, die Bibel] ausgewiesene Autorität der norma normata [normierte Norm, die Bekenntnisschriften], der mit
"quia" [weil] zu
unterschreibenden Symbole [Bekenntnisschriften].
18. „Offene
Frage“ kann in der Kirche nur sein, was die Schrift nicht in klaren Stellen (sedes doctrinae) beantwortet hat,
und solche Fragen können vor dem Jüngsten Tag auch nicht geschlossen werden, da
der Hl. Geist sich an die einmal gegebene Schrift gebunden hat (Joh. 16,13-15;
17,20) und über die freie Gemeinde Christi nie und nirgends eine
Menschenherrschaft aufgerichtet werden darf (Matth.
15,9; 23,10; Gal. 1,8; Röm. 16,17). Nur was geweissagte Ereignisse betrifft vor
der Zeit des Jüngsten Tages, so wird in eventu [im
Ereignis], post eventum [nach dem Ereignis] die
Auslegung solcher Schriftstellen klarer bzw. evident. Dass es cruces interpretum [Kreuze in der
Auslegung] und mancherlei questiones adnatae [nachfolgende Fragen] gibt (um die sich die
Theologie mühen soll mit einer gewissen Verheißung), dass der Zusammenhang der
Schriftlehren immer wieder neu erkannt, besser erkannt, diese auch immer neu
angewandt werden müssen, verstößt nicht gegen das Gegebene, nicht erst
Aufgegebene der Lehre, und aus schärfste muss auch die neueste Form der Geisterei, die Barthsche, zurückgewiesen werden.
Litera E) steht unter dem Lutherwort
aus de servo arbitrio: „Der
Heilige Geist ist kein Skeptiker.“ Er ist vielmehr ein Geist der Plerophorie, um ein unserem Luther besonders ans Herz
gewachsenes Wort zu gebrauchen. „Er ist,“ sagt unsere Vorlage, § 17, „der
Geist der Wahrheit, aller Wahrheit (Joh. 16,13)“, der „göttlich macht (1. Joh.
5,6; Hebr. 10,21; Kol. 2,2), und zwar nicht nur zur Überwindung der Anfechtung
(Joh. 8,31 f.; Röm. 8,39), sondern auch zum Zweck des Lehrens (Matth. 28,19 f.; Gal. 1,8; 5,9; 2. Tim. 3,15-17; Tit.
1,9).“ Er macht die Kirche durch das Schriftwort zum „Pfeiler und
Grundfeste der Wahrheit“ (1. Tim. 3,15).
(Symbole) Darum bekennt die Kirche auch in
fortlaufendem Bekenntnis, das als einmütiger Konsensus bei
gegebenem großen geschichtlichen Anlass auch schriftlich fixiert und
weitergeerbt wird. Durch nicht nur de iure –, sondern
de facto – Bekenntnis weist sich die Kirche als Gottes Haus gegen allen Irrtum
aus. Als lautere Schriftauslegung, als evangelische Summe der Schrift, als
Bezeugung der einen christlichen
Lehre, des trinitarischen Glaubens, ist das Bekenntnis des christlichen
Konkordienbuches zum Schutze der Gemeinden von den Predigern mit „quia“ zu unterzeichnen. Es erschöpft aber nicht die ganze
Lehre der Heiligen Schrift.
Publica doctrina,
corpus doctrinae,
christliche Dogmatik, kann nie freigeben, was die Schrift zu glauben und
anzunehmen aufgibt, denn Jesus spricht: „Lehret sie halten alles, was ich
euch befohlen habe.“ Demgemäß begrenzt § 18 die „offenen Fragen“ als die
von der Schrift offen gelassenen. Es
können nicht ganze „Theologien“ von neueren Lutheranersn,
die sich widersprechen, einfach weil sie von „Lutheranern“ kommen oder gar hier
und da in freikirchlich lutherischem Raum Ansehen hatten, nebeneinander
stehen bleiben kraft menschlichen Abkommens. Wir verfügen nicht über die
Wahrheit, sie verfügt über uns. Sonst verweigern wir uns dem einen Meister, Christus.
Die Schrift ist auch klar, § 15, so
dass in jeder heilsamen Lehre der Konsensus bei demütigem Gefangennehmen der
Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens möglich ist. Wir haben die Verheißung:
„Der Heilige Geist wird euch in alle Wahrheit leiten.“ (Joh. 16,13.) „So
denn ihr, die ihr arg seid, könnt euren Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr
wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die da bitten.“
(Luk. 11,13.)
Wir haben die Pflicht, in der heilsamen
lehre eins zu sein. „Seid fleißig
zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens. Ein Leib und ein
Geist, wie ihr auch berufen seid zu einerlei Hoffnung eures Berufes. Ein HERR,
Ein Glaube, Eine Taufe, Ein Gott und Vater unser aller, der da ist über euch
alle und durch euch alle und in euch allen.“ (Eph. 4,3-6), „auf dass wir uns nicht mehr wägen und wiegen
lassen von allerlei Wind der Lehre durch Schalkheit der Menschen und
Täuscherei, damit sie uns erschleichen und verführen. Lasst uns aber
Wahrheitsleute in der Liebe sein und wachsen in allen Stücken an dem, der das
Haupt ist, Christus.“ (Eph. 4,14 f.) „Ich ermahne euch aber, liebe
Brüder, durch den Namen unseres HERRN Jesus Christus, dass ihr allzumal
einerlei Rede führt und lasst nicht Spaltungen unter euch sein, sondern haltet
fest aneinander in einem Sinn und in einerlei Meinung.“ (1. Kor. 1,10.)
Die Lösungen des pseudolutherischen
synergistisch-rationalistischen Jahrhunderts der Indifferenz, die Lösungen der
„geisternden“ Barthschen Unionsschule sind für ernste Lutheraner heute
undiskutabel. Die volle Einigkeit in der Lehre ist gar nicht schwer, wenn nur
die Meinung fallen gelassen wird, es ginge schon, wenn nur die Vorstellung
verbannt wird, es gebe eine Einigkeit in der Kirche ohne das consentire de doctrina evangelii, Augustana 7; wenn nur die doppelte Buchführung
fallen gelassen wird, als gäbe es eine Freiheit der Theologie jenseits von gut
und böse, jenseits von Schrift und Bekenntnis. Hier liegen zwei herrliche
Dokumente vor, die Hannover’schen Thesen von 1908 über „die Klarheit der
Schrift und die Verbindlichkeit der Symobole“, und
das Dokument „Z“ mit den Näherbestimmungen (künftig Dokument „ZZ“ genannt), die
das gewaltige Luther-Zitat zu Gal. 5,9 „Ein wenig Sauerteig versäuert den
ganzen Teig“ zusammen mit den Sätzen über die wahre und falsche Kirche
enthalten. Hier ist der Punkt, wo wir im Gewissen fest werden müssen, um nicht
ein faules Salz zu werden und mit Deutschland weggeworfen zu werden, sondern in
Deutschland und von dem gezüchtigten Deutschland aus zu retten, was noch zu
retten ist. Das seligmachende Evangelium hängt von der Reinheit ab, von der
Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, von dem sola,
von den particularis exclusivis.
Wie das Auge kein Stäublein verträgt, so verträgt das
Evangelium keine Menschenlehre. Gleichgültigkeit gegen die Pseudokirche, die
von Nomos, von der Bändigung des Volkes oder der Völker als halbpolitische
Anstalt ohne Evangelium lebt, wie ihre großen weltmächtigen Konkurrentinnen.
Lutherische Kirche ist Kirche des Evangeliums. Ist sie das aber nicht im Ernst,
mit fröhlichem, jubelndem Zutrauen zum Wort, mit großem Fleiß um die Schrift
und dem lieben Katechismus, mit heiliger evangelischer Lehrzucht, mit ernster
Ablehnung aller kirchlichen Zusammenarbeit ohne Einigkeit im Glauben und
in der Lehre, mit unerbittlichem Kampf gegen die Union in unserer Zeit der
grenzenlosen kirchlichen Weltunion, dann ist sie nichts. Dann ist sie ein Aas,
um das sich alle Geier sammeln. Ist sie aber treu, die Traute, der der HERR
sein ganzes Wort anvertraut hat, so gilt ihr auch in der „Stunde der
Versuchung, die über den Weltkreis kommt, zu versuchen, die da wohnen auf Erden“,
die Verheißung an die Gemeinde Philadelphia, Offenb.
3,7-13. Harren wir aus, liebe Brüder. Unser HERR kommt bald in Herrlichkeit,
seine kämpfende Ritterschar zu entsetzen und in seine Freude einzuführen, wo
unser Wissen nicht mehr Stückwerk sein wird, wo wir schauen werden von
Angesicht zu Angesicht (1. Kor. 13,9-12).
Litera F), der Schluss, hebt die
seit 200 Jahren gestellte Frage: „Vernunft oder Schrift? Ungewissheit oder
göttliche Gewissheit der Lehre?“ als die Schicksalsfrage heute hervor.
F. Conclusio
[Schlussfolgerung]
19. An
Stelle des schwärmerischen Neuluthertums - eines Flügels des abgefallenen
Neuprotestantismus - kann die gnesiolutherische Kirche
nur bei der Schrift verharren bzw. nur durch bußfertige Rückkehr zum
ungebrochenen Schrift- und Wahrheitsprinzip wieder erstehen; anders kann
innerhalb lutherischer Kirche die Una Sancta [Eine heilige Kirche] weder recht
gebaut noch recht repräsentiert werden.
20. Die
Schicksalsfrage der lutherischen Kirche (und des Protestantismus) in dieser
Zeit ihrer äußeren und äußersten Bedrohung ist (in einem Zuge mit der
Erfassung und Geltendmachung des discrimen inter
legem et evangelium et inter regnum
potestatis et regnum
Christi [des Unterschiedes zwischen Gesetz und Evangelium und zwischen dem
Macht- und Gnadenreich oder Reich Christi]) die Beseitigung der Philosophie aus
der Herrscherstellung, die Demütigung der Vernunft zur Magdstellung um des
Evangeliums willen, zur Ehre Gottes und Christi. Nur so kann man der Auflösung
von romfreier Kirche in totalen Subjektivismus und Nihilismus bzw. der erneuten
Knebelung durch Roms äußeres Traditionsprinzip oder durch anderen tyrannischen
Kollektivismus entgehen.
21. Gott gebe Buße über unsere natürliche,
immer wieder durchbrechende Verderbtheit und [gebe] kirchliche Scheidung von
prinzipiell unbußfertigen Theologen und offenkundig ungöttlichen Massen! Aber
er verleihe Einigkeit im Geist mit allen, die liebhaben den Herrn Jesus
unverrückt! Die innere Einigkeit der Una Sancta kann nur als Einigkeit in der
Lehre (CA VII; Röm. 16,17; 1 Kor. 1,10; Phil. 3,16) zutage treten (Joh. 10,27
f.), d.h. durch vom Heiligen Geist gewirkte selige Schriftgebundenheit. Möge
Gott der lutherischen Freikirche die Kraft geben, in einmütiger Freude und in
des Geistes Kraft diesen Weg der Kirche Deutschlands zu weisen! Sie darf nicht
aufhören, der theologischen und kirchlichen Welt die Schicksalsfrage
seit 200 Jahren zu stellen:
„Vernunft oder Schrift?
Ungewissheit oder göttliche Gewissheit der Lehre?“
und ihr in evangelischer aber unerschrockener Weise
als ceterum censeo [ich aber beschließe]:
Sola Scriptura
Meeden ater graphees
[Allein die Schrift
Nichts als die Schrift]
zuzurufen.
III.
Es muss bedacht werden, dass „Vernunft“ als
hier gebrauchter terminus technicus alle aus eigener
Quelle stammenden und (entsprechend dem totalen Abfall und der ebsündlichen Teufelsgebundenheit) nur irreleitenden
Erkenntnismöglichkeiten des Menschen in geistlichen Dingen umfasst, was auch
die „dialektischen“ Urteilsmöglichkeiten halsbrecherischen „Geistes“
einschließt. Die Schrift sagt ungeheuer abwertend von der Vernunft: „Und auch
ihr, da ihr tot ward durch Übertretungen und Sünden, in welchen ihr einst
gewandelt habt nach dem Lauf dieser Welt und nach dem Fürsten, der in der Luft
herrscht, nämlich nach dem Geist, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den
Kindern des Unglaubens, unter welchen wir auch alle einst unseren Wandel gehabt
haben in den Lüsten unseres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und
der Vernunft (kai toon dianoioon) und waren auch Kinder des Zorns von Natur,
gleichwie auch die andern.“ Eph. 2,1-3. Und abermals: „Die ihr einst Fremde und
Feinde wart durch die Vernunft (tee dianoia - Dativ) in bösen Werken.“ Kol. 1,21. Und nochmals:
„Seht zu, dass euch niemand beraube durch die Philosophie und lose
Verführung nach der Menschen Lehre (dia tees philosopohias kai kenees apan
tees kata teen paradosin toon anthropoon) und nach der Welt Satzungen (kata ta stoicheia tou
kosmou), und nicht nach Christus. Denn in wohnt die
ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Und ihr seid vollkommen (pepleeroomenoi) in ihm, welcher ist das Haupt aller
Fürstentümer …“ Die Vernunft, gesetzlich, knechtet unter die stoicheia tou kosmou, Gesetzeslehren, die an sich nur Sklaven machen,
einerlei, ob (liiert mit Aberglauben) der sogenannten revelatio
naturalis entnommen, Gal. 4,8-10. Neben Kol. 2,8.9 ist auch 1. Tim. 6,20 f.
hier beachtenswert: „O Timotheus, bewahre, das dir vertraut ist (teeen paratheekeen) und meide
die ungeistlichen, losen Geschwätze (tas bebeelous kenophoonias) und das Gezänk
der falsch berühmten Kunst (kai antitheseis tees pseudoonymou gnooseous), welche
etliche vorgeben und fehlen des Glaubens.“
So genügt zur Kennzeichnung des status controversiae
gegenüber dem ganzen Lehrbabel in unserer immer noch von Pietismus und
Rationalismus herkommenden Zeit die Überschrift:
„Vernunft oder Schrift? Ungewissheit oder göttliche
Gewissheit der Lehre?“
Die Doppelfrage trifft ins Herz auch der
dialektischen Theologie, die sich von der Grundhaltung der Moderne trotz alles
Scheines und trotz mancher weiter vorstoßenden Mitläufer nicht wesentlich
unterscheidet. Man könnte höchstens vor diese Fragen noch die Fragen stellen:
„Mensch oder Christus? Kooperation oder sola gratia? Gesetz oder Evangelium?“
Was wären nun angesichts des heutigen status controversiae die aus der
Schrift und den lutherischen Bekenntnisschriften vorzutragenden abschließenden
Thesen nebst ihren Antithesen?
Ehe ich zur Antwort übergehe, erlaube ich
mir eine Erklärung, die zugleich eine Bitte enthält:
Meine Herren Brüder, ich getraue mir nicht
auf einen Hieb die Fassung zu treffen, die hier alles deckt. Ich lege aber
den Herren Amtsbrüdern die folgenden Sätze als christliche Lehre mit kurzem
Schriftbeweis vor und hoffe, dass die Abzweckung auf die Irrtümer der Zeit noch
Verbesserung erfährt durch ihre brüderliche Kritik und Mitarbeit, die ich Sie
alle ersuche. Erläuternde Bemerkungen, die gesetzliches oder mechanisches
Missverständnis und Ähnliches ausschließen sollen, finden im Folgenden nicht
mehr einen geeigneten Platz. Das alles ist vorausgesetzt, sei’s durch die
Berliner Thesen, sei’s durch die Vorlage und die heute gegebenen Ausführungen.
Ebenso wenig wollen die Sätze schon die Form
festlegen, in der einheitliche Stellungnahme dem aufgezeichneten status controversiae gegenüber im
deutschen öffentlichen Raum bekannt werden muss; denn da müssen ja wieder
Missverständnisse vorausgesetzt werden. Vielmehr suchen die Sätze zunächst im eigenen Raum aufgrund der Berliner
Thesen und der heutigen Darlegung das
Fazit in der Schicksalsfrage seit 200 Jahren:
Vernunft oder Schrift?
Ungewissheit oder göttliche Gewissheit
der Lehre?
festzuhalten.
Und zwar ist logische Folge angestrebt, aber mit beigefügtem kurzen
Schriftbeweis nach dem stets zu beherzigenden Grundsatz: „Meeden ater graphees“ (Es steht aber
geschrieben).
Hiermit lege ich Ihnen denn die sechs Sätze
vor:
1. Die
ganze Heilige Schrift ist des Heiligen Geistes Buch, verpflichtet uns als
Gottes Offenbarung und kann nirgends irren.
2. Petr. 1,21: „Die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben
von dem Heiligen Geist.“
2. Tim. 3,16: „Alle Schrift von Gott eingegeben.“
1. Kor. 2,13: „Welches wir auch reden, nicht mit Worten, welche
menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Heilige
Geist lehrt.“
Matth.
4,7: „Es steht geschrieben!“
Joh. 10,35: „Die Schrift kann doch nicht gebrochen werden.“
Verworfen wird jedes Zusammenzählen
von zwei eigentlichen Sprechern, Gott
und menschlichen Verfassern, jedes
Auseinanderreißen des in der ganzen Schrift mittels menschlicher Redeweise
vorliegenden Wortes Gottes, jeder böse Unterschied, als sollte uns in der
kanonischen Urschrift irgendetwas begegnen können, was nicht Gottes Wort wäre, wodurch nicht der Heilige Geist als der eigentliche
Sprecher zu uns redet, selbst wenn er böser Menschen Rede referiert.
Verworfen
wird, wenn irgendetwas in der Heiligen Schrift angenommen wird, was nicht
unverbrüchlich oder irrtumslos und, in der Form der Herablassung, in
menschlicher Rede, seine göttliche Weisheit und Wahrheit wäre.
Verworfen
wird also jede Verflüchtigung der in den angeführtes sedes
doctrinae von der ganzen Schrift ausgesagten
Vollinspiration (Plenar- oder Verbalinspiration).
Verworfen
wird jede Abschwächung der göttlichen Autorität der Schrift, als könne
Menschenmeinung oder –wille gegen die nackte Schrift
(nuda scriptura) stehen.
2. Die Kirche ist seit dem Ableben der
Apostel und bis zum Jüngsten Tage an die Heilige Schrift als die einzige
Quelle, Regel und Richtschnur der christlichen Lehre gebunden.
Hebr. 1,2: „Am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch
den Sohn.“
Matth. 17,5:
Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr
hören.“
Joh. 17,20: „Die durch ihr Wort an mich glauben werden.“
Eph. 2,20: „Erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da
Jesus Christus der Eckstein ist.“
Offenb. 22,18.19:
„So jemand dazu setzt, so wird Gott zusetzen auf ihn alle Plagen, die in
diesem Buch geschrieben stehen. Und so jemand davon tut, so wird Gott
abtun sein Teil vom Holz des Lebens und von der Heiligen Stadt, von dem, das in
diesem Buch geschrieben steht.“
Psalm 119,9: „Wie wird ein Jüngling seinen Weg unsträflich gehen? Wenn
er sich hält nach deinen Worten.“
Verworfen wird für die in der
christlichen Kirche maßgebende Lehre jede andere Quelle und Norm neben der
Heiligen Schrift. Dies gilt besonders, wenn das Vorzeichen „christlich“
davorgestellt wird („christliches Ich“, „wiedergeborene Vernunft, Gefühl“,
„christliche Erfahrung“ usw.) Auch ein Glaube, der subjektiver Richter über das
Wort sein soll, an das er sich doch halten muss, Mark. 1,15, wird verworfen.
3A. Das Wort Gottes zerfällt in Gesetz
und Evangelium. Das Gesetz fordert von uns die Gerechtigkeit, die vor Gott
gilt, das Evangelium schenkt sie uns um Christi willen, der in Leben und Leiden
das ganze Gesetz für uns stellvertretend erfüllt und uns Vergebung der Sünden,
Leben und Seligkeit erworben hat. Das Evangelium ist das eigentliche Wort
Gottes, kann aber nur auf dem Hintergrund des Gesetzes erkannt werden. Ohne das
geoffenbarte Sittengesetz, im Strafamt des Heiligen
Geistes, dient die „natürliche Gotteserkenntnis“ nicht zum Verzagen vor Gott
wegen der Sünde, sondern wird zur Panzerung gegen die Buße missbraucht; und das
um Christi willen ohne Bedingung sittlicher Leistung freisprechende Evangelium
kann nur aus der Offenbarung gelernt und allein durch Wirkung des
Heiligen Geistes im Evangelium und im Blick auf das Evangelium geglaubt werden,
wodurch allein denn auch Licht und Kraft, Christo im Halten des Gesetzes
nachzufolgen, ins Herz einzieht.
Röm. 3,20: „Durch das Gesetz kommt Erkenntnis
der Sünde.“
Joh. 16,8: „Der Heilige Geist wird die Welt
strafen (umfasst das ganze Überführen durch Gesetz und Evangelium.“
Joh. 1,17: „Das Gesetz ist durch Mose
gegeben, die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“
1. Joh. 2,2: „Christus ist die Versöhnung
für unsere Sünde, nicht allein aber für die unsere, sondern auch für die der
ganzen Welt.“
Röm. 10,4: „Christus ist des Gesetzes
Ende, wer an den glaubt, der ist gerecht.“
Luk. 24,47; Mark. 16,15: „Und predigen
lassen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern.“
„Predigt das Evangelium aller Kreatur!“
Röm. 10,17: „So kommt der Glaube aus der
Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes.“
Mark. 1,15: „Glaubt an das
Evangelium!“
1. Kor. 12,3: Niemand kann Jesus einen HERRN
heißen außer durch den Heiligen Geist.“
Gal. 5,6: „In Christus gilt weder
Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe
tätig ist.“
Verworfen wird, wenn Gesetz und Evangelium per se nicht recht
bestimmt, nicht geteilt oder nicht recht aufeinander bezogen werden, weil dann
Gottes Wort überhaupt nicht verkündigt wird. -
Verworfen wird die Rede, es gäbe
keine natürliche Gottes- und Gesetzeserkenntnis und äußerliche Gerechtigkeit,
gegen Röm. 1,19 f. und 2,14; Röm. 8,7.
Verworfen wird, wenn vom
Erkenntnisprinzip die Rede ist, zu sagen, Jesus sei das eine Wort
Gottes, als ob Jesus auch das Gesetz wäre, das Gesetz im Evangelium
eingeklammert wäre, auch in seinem bürgerlichen Bereich, oder als ob es keine
Bedeutung hätte oder gar nicht da wäre, gegen Röm. 1,19 f.; 2,14-17; vgl. mit
8,7; 1. Kor. 2,14; 2,6-10.
Verworfen wird erst recht die
Irrlehre, als ob vom Gesetz her der natürliche Mensch irgendeinen Zugang zur
seligmachenden Wahrheit des Evangeliums haben sollte.
Verworfen wird, wenn erst Gnade,
dann Sünde gepredigt wird, gegen Röm. 1-3 und Gal. 3, ferner, wenn gute Werke
anders als „durch die Barmherzigkeit Gottes“, Röm. 12,1, hervorgerufen werden
sollen, oder die Aufgabe der Kirche darein gestellt wird, durch den äußeren
Gebrauch des Gesetzes, kurz, durch Gesetzlichkeit, die Welt besser zu machen.
Verworfen wird von vornherein, wenn
nicht gelehrt wird, dass der Mensch von Natur gänzlich in Sünden blind, tot und
Gott feind ist, Eph. 2,1.
Verworfen wird es, wenn dem Menschen
die geringste Mitwirkung bei seiner Bekehrung zugeschrieben wird gegen Eph.
2,8.9, oder wenn die bekehrende Macht des Heiligen Geistes vom Evangelium
getrennt wird, als ob entweder der Heilige Geist getrennt von den Gnadenmitteln
den Glaube wirke oder Gesetz bzw. Evangelium ohne den Heiligen Geist
durchdringende oder erhaltende Kraft hätten, und endlich, wenn der Bekehrte von
seinem Existenzgrund abgelöst wird, so, als ob der Glaube nicht am Zuspruch des
Evangeliums hange, die Kirche nicht auf dem Wort ruhe, Gesetz und Evangelium
nicht auch dem Christen, der das Fleisch noch an sich hat, beständig gepredigt
werden müssten, Matth. 28,19 f.; 2, Tim. 4,1-2.
3B. Das äußerliche, mündliche, auch
sichtbare Wort, viva vox, durch das der Heilige Geist
in der Kirche Buße und Glauben oder auch durch beharrliches und mutwilliges
Widerstreben herausgeforderte Verstockung wirkt, in dem Christus sich in seinen
Wohltaten schenkend und lebendigmachend kommt, ist
nichts anderes als der logos eksarkos
und ensarkos oder der Propheten und Apostel Wort, in
seinem Fortwirken im Heiligen Geist beständig aus der theopneustischen
[gottgehauchten] Schrift geschöpft und an der theopneustischen
Schrift normiert.
Joh. 17,20: „Die durch ihr Wort an mich glauben werden.“
Eph. 2,20: „Erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten.“
Verworfen wird es mit Nachdruck,
wenn das in Christi Auftrag in der Kirche verkündigte Wort nicht voll und ganz
Gottes Wort sein soll, gegen Luk. 10,16; 2 Kor. 5,18-21,
oder wenn Menschen ein Wort, das nicht der
Schrift entnommen ist und nicht mit der Schrift stimmt, als Wort Gottes in der
Kirche (viva vox Dei, visibilis
vox Dei) auszugeben wagen, gegen Matth.
28,19.20; 1. Tim. 6,3-5; Matth. 5,17-19; 15,9; Jes.
23,31; Gal. 1,8.10.
4. Der Heilige Geist macht, eben wie den
einzelnen Gläubigen, so die Gemeinde der Heiligen, die Kirche, der Lehre Gottes
lebensvoll gewiss, so dass sie aufgrund der Schrift das Wort Gottes bekennt,
ja, besonders durch ihr Amt inGottes Auftrag und
Namen verkündigt darüber fröhlich leidet, was Gott will. Die ganze christliche
Lehre hängt durch Gesetz und Evangelium zusammen, und von der Verbindlichkeit
keiner geoffenbarten Lehre kann in der Kirche dispensiert werden, so wenig der
Lehre etwas hinzugefügt werden kann. Grundsätzlicher Ungehorsam gegen Gottes
Offenbarung in Christo, d.h. gegen die Lehre der Schrift, hebt die
Kirchengemeinschaft auf, so gewiss Schwache zu tragen sind und alles in der
Liebe geschehen soll.
Joh. 16,13: „Der
Heilige Geist wird euch in alle Wahrheit leiten.“
2 Kor. 1,18-20: „Aber,
o ein treuer Gott, dass unser Wort an euch nicht Ja und Nein gewesen ist.
Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns gepredigt ist,
durch mich und Silvanus und Timotheus, der war nicht Ja und Nein, sondern es
war Ja in ihm. Denn alle Gottesverheißungen sind Ja in ihm und sind Amen in
ihm, Gott zu Lobe durch uns.“
Kol. 2,(1-)2-3(-10): „Auf dass ihre Herzen ermahnt und
zusammengefasst werden in der Liebe zu allem Reichtum des gewissen Verstandes
(kai eis pan ploutos tees pleerophorias
tees syneeseoos) zu
erkennen das Geheimnis Gottes des Vaters und Christi (eis epignocsin
tou mysteeriou tou theou, Christou), in wlechem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der
Erkenntnis.“
1 Tim. 3,15: „Dass du wissest, wie du wandeln sollst in dem Hause Gottes,
welches ist die Gemeinde des lebendigen Gottes, ein Pfeiler und eine
Grundfeste der Wahrheit.“
Matth. 10 mit Parallelen, als an Gläubige wie auch an
besonders berufene Apostel gerichtet.
1. Petr. 2,9: „Dass
ihr verkündigen sollt (exangeileete) die Tugenden
des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“
Joh. 20,21-23: Wie
mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch … Welchen ihr die Sünden erlasst“
usw. (also das Amt innerhalb der Gemeinde, wie 2. Kor. 5,18-20).
Joh. 1 und Gal. 1; 2;
5; 6 mit der Überschrift „Gnade und Wahrheit“ und „Gesetz und
Evangelium.“
Gal. 5,6: „In Christus
Jesus gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der
durch die Liebe tätig ist.“ (nexus indivulsus in der ganzen Lehre, demgemäß auch zwischen
Rechtfertigung und Heiligung.)
Matth. 28,19 f.: „Lehrt sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“
Joh. 8,31 f.: „So
ihr bleiben werdet an meiner Rede …“ (logos,
Einzahl)
1. Tim. 6,3-5; Röm.
16,17; Tit. 3,10; Matth. 18,15-18; 2. Thess. 3,4-6.
14 ff.; Eph. 6,13-17.
Verworfen
wird alles Lehren und Glauben ohne Schriftgrund, alle Lehrgleichgültigkeit,
Lehrungewissheit und alle Lehrvermischung, Gal. 5,9, sowie jede Unterlassung
des gottgebotenen Kampfes für Gottes Wahrheit und der nötigen Trennung von
Irrlehrern und falschen Kirchen, Gal. 1,8.10; Jud. 3, sowie alle Lieblosigkeit,
die dem gebotenen Kampf aus dem Fleisch beigefügt wird.
5. Die lutherischen Bekenntnisschriften,
das Ja der Una Sancta zu Gottes Wort, sind, weil mit der Schrift
übereinstimmend, verbindliche Auslegung der Heiligen Schrift, und zwar sind sie
dies in evangelischer Weise von dem Mittelpunkt derselben, Gesetz und
Evangelium, kurz, von Christo her. Sie sind zur gegenwärtigen Darstellung der
rechtgläubigen Kirche aller Zeiten und zum Schutz ihrer Gemeinden von allen berufenen Dienern am Wort mit einem „quia“, nicht mit „quatenus“, zu
unterschreiben, müssen in der Kirche evangelisch leben, zugleich gegen alle
Schwarmgeister lehrgesetzlich gelten. Augsb. Bek.
VII; 1 Kor. 1,10; Konk.Formel S. 553, § 5; Augsb. Bek. X; Röm. 16,16 f.; Konk.Formel
S. 698, § 5 u. 6 (Ausf. Darl. X).
Zu verwerfen ist daher nicht nur die
Union zwischen Glauben und Unglauben, wie sie in den Staatskirchen sich breit
macht, auch nicht nur die in der preußischen Union zuerst zum Ausdruck
gekommene Union zwischen lutherischer und reformierter Kirche, sondern auch der
„lutherische“ Indifferentismus [Lehrgleichgültigkeit, Anm. d. Hrsg.] und
Synkretismus [Religionsvermischung, Anm. d. Hrsg.], welcher bei grundsätzlicher
Anerkennung der Alleinverbindlichkeit der Symbole [Bekenntnisse, Anm. d. Hrsg.]
doch verschiedene Auslegungen der Symbole für gleichberechtigt hält oder
zwischen kirchentrennenden und nicht kirchentrennenden Abweichungen in der
Lehre einen bösen Unterschied macht.
6. Alle Christen haben aufgrund von
Schrift und Bekenntnis in der christlichen Kirche über Einheit und Reinheit der
Lehre zu wachen, besonders aber die Gemeinden und Kirchen als solche unter ihren berufenen Dienern am Wort. Die Lehre muss vor
und über dem Leben stehen (Luthers Auslegung der ersten Bitte: „Wie geschieht
das?“). Kircheneinheit ohne Lehreinheit ist verboten, denn Einheit in der
reinen Lehre des Evangeliums ist der eigentliche Ausdruck der Einheit der
Kirche Gottes in Christo, dem Propheten, Hohenpriester und König, und will
ständig erfleht und erkämpft sein als das größte Kleinod auf Erden und die Zuvordarstellung der zu schauenden Einheit des Reiches
Gottes droben. Matth. 7,15; 1. Kor. 1,10; Eph.
4,15 f.; die Ermahnungen der Pastoralbriefe, bei dem Vorbild gesunder Lehre zu
bleiben, Widersprecher zu strafen bzw. auszuschließen. Gal. 1,1.8-10; 5,9; 2.
Joh. 9-11; Joh. 17.
Verworfen wird alles, was falsche
Einheit der Kirche Christi auf Erden ist oder rechte Einheit nicht pflegt.
Das Material- und das Formalprinzip stehen
und fallen miteinander, was sich geschichtlich schon darin zeigt, dass fast
alle Leugner der Plenar- oder Verbalinspiration als sehr merkwürdige
Erlebnistheologen die satisfactio vicaria
Christi, ja dessen uneingeschränkte Gottheit und somit die heilige
Dreieinigkeit antasteten. Es ist unumgänglich notwendig zu erkennen: Das Heils-
und das Schriftprinzip stellen das einheitliche Banner der Kirche
Christi dar. Da ist aber auch stehen zu bleiben. Ein selbständiges drittes
Prinzip für den Kirchenbegriff ist unmöglich. Denn die Kirche besteht aus den
im rechtfertigenden Glauben um Christus im Evangelium Versammelten. Sie wird
erkannt an reinem Wort und Sakrament. Sie treibt wiederum nur Gesetz und
Evangelium zur Rettung unsterblicher Seelen, zum Bau christlicher Gemeinden als
der Zellen des Himmelreichs. Sie wird, wie sie nur auf Christus gegründet ist,
auch nur von Christus regiert im Heiligen Geist. Dazu ist das Wort, wesentlich
dem Schriftwort gleichzusetzen, das einzige Mittel. So erweist sich’s, dass die
Kirche, die wahre, echte Kirche, im Gegensatz zur sich einmengenden
Scheinkirche des Gegenspielers, ganz „christlich“, christozentrisch
ist.
Mit dem Synergismus und Synkretismus der
humanistisch erweichten Kirche hatte die äußere evangelische Kirche Christus
weitgehend verworfen, war „menschlich“, anthropozentrisch geworden. Der Abfall
ist durch die schillernde Geisterei Karl Barths
keineswegs überwunden. Auch da steht nirgends die stellvertretende Genugtuung
Christi im Mittelpunkt. Das „Evangelium“ ist im Grunde gleich Gesetz. Und feste
Lehre will man gerade nicht. Lehrdifferenzen „wertet“ man nach eigenem
souveränen, von der Schrift gelösten Maßstab. Union will man um jeden Preis.
Politischen Menschengehorsam will man als Gottesgehorsam aufrichten. Bei
alledem verrät man schon in der undurchsichtigen Sprache die schaukelnde Ja-
und Nein-Theologie, die Apotheose des monstrums incertitudinis [Monstrum der Ungewissheit, Anm. d. Hrsg.].
Deshalb der Ausklang der Vorlage unter dem
Buchstaben F (§§ 19-21), den man noch einmal vergleiche!
Nur eine volle Rückkehr zum Inhalt der
Schrift, Gesetz und Evangelium, und zur ungebrochenen Schriftgeltung, kurz zum
ganzen Christus, kann helfen.
Das bedeutet aber dann gnesiolutherische
Kirche mit allen echten kirchlichen Folgerungen und Forderungen, Neuaufrichtung
des consensus historicus Lutheranorum, in „Z“ und „ZZ“ herausgestellt.
Der eingeborene Sohn voller Gnade und
Wahrheit erbarme sich unser, unserer Zeit und unseres gestraften Volkes! Er
baue aus Gnaden sein Reich in und durch uns, und sei von uns gelobt in
Ewigkeit! Amen.
Anhang 1
Thesen über die Klarheit der heiligen Schrift und die Verbindlichkeit der Symbole
(mit besonderer Beziehung auf die Bedingungen und
Grenzen der Kirchengemeinschaft). –
Aufgestellt für die am 23. und 24. Juni 1908 in
Hannover stattfindende Lehrbesprechung mit Vertretern der Hannoverschen
Freikirche von O. Willkomm.
I.
1 a) Die heilige Schrift als die einzige Quelle1
und die alleinige Regel und Richtschnur2 aller geistlichen Erkenntnis für die
Einzelnen3 und für die Kirche4 ist durchaus5
klar in sich selbst6 und bedarf keines menschlichen Auslegers7.
1Luk.
16,29; 2. Petr. 1,19; Sol. Decl., S. 568, § 3
[Ausgabe Müller]; 2Jes. 8,19 f.; Sol. Decl,
S. 5 17, § 1 u. 2, Norma normans ; 32. Tim. 3,15-17.; 4Eph. 2,20; Joh.
20,31, 5Betr. etwaiger Dunkelheiten ist 2. Petr. 3,16 zu beachten. 6Ps.
19, 19; 119, 105. 7Joh. 2,19-22, doch sind weder die
sprachwissenschaftlichen und ähnliche Hilfsmittel ausgeschlossen noch darf die
Gabe der Weissagung = Schriftauslegung (1. Thess. 5,20) verachtet werden.
(Endgültige
Fassung, bzw. beantragte u. beschlossene Änderungen Anmerkung zu 1 a):
Unter
„geistlicher Erkenntnis“ verstehen wir die notitia
rerum spiritualium, d. i. alles dessen, was von den
Geheimnissen Gottes auf dem Wege zur Seligkeit der Einzelne wissen muss und die
Kirche lehren soll.
Sie
bedarf daher, um verstanden zu werden, keiner richterlichen Entscheidung eines
menschlichen Auslegers. Die Tätigkeit des Predigtamtes und derer, die sonst mit
der Gabe der Weissagung ausgerüstet sind, ist also nur eine dienende (ministerium)
1 b)
Abzuweisen ist daher nicht nur der Anspruch des Papstes, dass er kraft des ihm
verliehenen Lehramtes über der Schrift stehe und sowohl neue Dogmen dekretieren
könne als auch allein das Recht habe, die Schrift auszulegen, sondern auch der
Anspruch der Neueren, die Lehre weiter fortbilden
und entwickeln zu können, sowie die Behauptung der modernen positiven
Theologie, dass das christliche Bewusstsein oder die Erfahrung der Kirche eine
Quelle der Lehre (neben der Schrift) sei oder dass erst durch das Erleben der
Kirche oder durch Festsetzung einer Kirchenversammlung bzw. durch symbolische
Fixierung eine in der Schrift offenbarte Lehre verbindlich werde [auf Antrag
des Thesenstellers gestrichen, dafür
folgender Zusatz: „Oder endlich, dass die heilige Schrift nur für das Lehramt klar sei, welchem die
Deutlichmachung für die Gemeinde obliege“].
2
a) Diese Aufgabe und Beschaffenheit der heiligen Schrift bedingt und fordert einfache
Annahme alles dessen, was sich als Tatsache oder als göttliches Gebot oder als
Glaubenslehre nach den anerkannten Grundsätzen der Auslegung1 aus
dem Text ergibt, der von den handelt2,gleichviel,
ob sich das mit der Vernunft und Erfahrung oder auch mit anderen Schriftlehren3
nach unserem Urteil zu reimen scheint oder nicht.
1Sensus literalis - Kontext - notwendige Schussfolgerungen sind Schriftlehre!
- Ne tropus ultra tertium! 2Sedes doctrinae. 3Matth. 4,7.
b)
Abzuweisen ist daher nicht nur die sog. höhere Kritik, welche sich erdreistet, bestimmen zu wollen, was Gottes
würdig sei oder nicht, sondern auch die Theorie der modernen positiven
Theologie, dass die einzelnen Lehren aus dem Schriftganzen gewonnen werden müssen,
wie auch endlich eine solche Anwendung der Glaubensanalogie1, da man
einzelne Lehren nach anderen, denen sie zu widersprechen scheinen, modifiziert2.
1Röm.
12,6. 2Beispiele hierfür sind die Verfälschungen der Lehren von der
Dreieinigkeit, von der Person Christi, vom heiligen Abendmahl, von der
Kirche, vom Predigtamt, vom freien Willen u. d. Bekehrung, von der Gnadenwahl. .
II
3 a)
Die Symbole sind die aus der Schrift geschöpfte und mit ihr durchaus übereinstimmende
Antwort der Kirche auf die götthche Offenbarung und deshalb
auch ihrem gesamten Lehrinhalt nach1 für alle Glieder und besonders
für die Diener der rechtg1äubigen Kirche verbindlich2.
1Nicht
verbindlich sind historische Dinge, die Exegese einzelner Stellen der Schrift
und etwaige fromme Meinungen. 2Norma normata.
b)
Abzuweisen ist daher sowohl die rein historische Auffassung der Bekenntnisse als
eines bloßen Niederschlags der jeweiligen Zeittheologie1 als auch
die Verpflichtung auf die Bekenntnisse mit quatenus,
nicht minder aber auch die Beschränkung der Verbindlichkeit der Symbole auf die
zur Zeit ihrer Entstehung in Streit gewesenen Lehren2.
1Mißbrauch
des Satzes der Form. Conc. S. 565 § 4, welcher
lautet: „bei dem sich dieser Zeit rechte Christen sollen finden lassen“.
Vergleiche dagegen den Schluss der Sol. Decl. (S. 730
§ 40).
2Nicht nur
die Thesen u. Antithesen sondern auch die zu ihrer Begründung
angeführten Lehren sind als Bekenntnis der Kirche anzusehen und daher
verbindlich, z.B. die Lehre von der Verbalinspiration.
4 a)
Weil nun die heilige Schrift klar ist und die Symbole der lutherischen Kirche
die schriftgemäße Antwort der Kirche auf die göttliche Offenbarung sind, so gehört
zur Kirchengemeinschaft nicht mehr, aber auch nicht weniger, als dass man einträchtiglich nach reinem Verstande das Evangelium
predigt1, in der christlichen Lehre und allen derselben Artikeln
einmütig und einhellig ist2 und daher auch die Gegenlehre einmütig
verwirft3, und zwar letzteres nicht nur mit Worten, sondern auch mit
der Tat4.
1Conf. Aug. VII (M. S. 40). 21. Kor. 1,10; Form. Conc. S. 553
§ 5. 3Conf. Aug. X (S. 4 1). 4Röm. 16,16 f., Form Conc.
S. 698 § 5 u. 6 (Sol. Decl. X).
b)
Zu verwerfen ist daher nicht nur die Union zwischen Glauben und Unglauben, wie
sie in den Staatskirchen sich breit macht, auch nicht nur die in der preußischen
Union zuerst zum Ausdruck gekommene Union zwischen lutherischer und reformierter
Kirche, sondern auch der „lutherische“ Indifferentismus und Synkretismus,
welcher bei grundsätzlicher Anerkennung der Alleinverbindlichkeit der Symbole
doch verschiedene Auslegungen der Symbole für gleichberechtigt hält oder
zwischen kirchentrennenden und nicht kirchentrennenden Abweichungen in der
Lehre einen bösen Unterschied macht.
N.S.
Ober 4 wurde die Beschlussfassung ausgesetzt bis zu einem Referat über die
Grenzen der Abendmahlsgemeinschaft.
Vorstehendes bildet das
Resultat des Colloquiums vom 23./24. Juni 1908.
Hamburg, den 1. Dez. 1913
gez. P. Löffler
J. Böttcher
Anhang 2
„Berliner Thesen“ vom 14.03.1946
1. These:
Über die Inspiration
1. Die Schrift, nämlich der Urtext der kanonischen Bücher
Alten und Neuen Testaments, ist von Menschen zu bestimmter Zeit, in bestimmter
Lage, mit bestimmten Gaben und Kräften geschrieben worden und teilt deshalb das
Geschick und die Geschichte menschlicher Bücher. (Luk. 1,1-4 u. a. St.).
Die These schließt in sich, dass die
Schreiber der Schrift nicht „calami“ gewesen sind in
dem Sinne, dass ihr eigenes seelisches Leben ausgelöscht war.
NB. Die Frage, ob (Luther oder) die späteren
Dogmatiker der lutherischen Kirche einen mechanischen Inspirationsbegriff vertreten
haben, ist eine rein historische Frage. Sie muss nach den Quellen untersucht
und beantwortet werden. Die Antwort kann aber nie kirchentrennende Folgen
haben.
2. Die Schrift ist göttlichen Ursprungs, weil Gottes
heiliger Geist die Schreiber in seinen Dienst nahm und ihnen den Inhalt nach
seinem Sachgehalt und nach seiner Wortgestaltung eingab (2. Petr. 1,21; 2. Tim.
3,16 u. a. St.).
Die These schließt in sich, dass die
Schrift Gottes Wort nicht nur enthält, so dass Menschen darüber urteilen könnten,
was Gottes Wort sei oder nicht, sondern Gottes Wort ist. Also solches ist sie
als unfehlbare Regel und Richtschnur in allen Sachen des Glaubens und der Lehre
anzusehen (Joh. 10,35). Wo in untergeordneten Punkten Widersprüche oder Irrtümer
vorzuliegen scheinen, ist eine Auf1ösung zu versuchen. Gelingt sie nicht, so
ist die Sache Gott anheimzustellen.
NB. Eine Divergenz in „theologischen“ -
seien es exegetische oder historische oder andere - Fragen ist nicht als
kirchentrennend anzusehen, wenn die Irrtumslosigkeit der Schrift grundsätzlich
festgehalten wird. - Frucht und Wirkung des Glaubens an die Inspiration ist
nicht Buchstabenknechtschaft, sondern ein kindlich demütiges: „Rede, Herr, dein
Knecht hört.“
Zu 1)
Lukas
1.14: „Da sich viele unterwunden haben, zu stellen die Rede von den
Geschichten, die unter uns ergangen sind, wie uns das gegeben haben, die es von
Anfang an selbst gesehen und Diener des Worts gewesen sind, hab ich’s auch für
gut angesehen, nachdem ich’s alles von
Anbeginn erkundet habe, dass ich’s zu dir, mein guter Theophilus, mit Fleiß ordentlich schriebe, auf dass
du gewissen Grund erfahrest der Lehre, in welcher du unterrichtet bist.“
Zu 2)
2.
Petr. 1,2 1: „Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen
hervorgebracht; sondern die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben
von dem Heiligen Geist.“
2.
Tim. 3,16: „Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur
Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, damit ein Mensch
Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt.“
Joh. 10,35: „. . und die Schrift kann doch nicht gebrochen werden.“
In Schwenningdorf
wurde nach Joh. 10,35 beigefügt 1. Kor. 2,13: „Welches wir auch reden, nicht
mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die
der Heilige Geist lehret, und richten geistliche Sachen geistlich“ (passen
geistlichen Dingen geistliche Worte an).
Bereits in Steeden war zur These der Zusatz
gutgeheißen, nach der genannten Schriftstelle: „Demgemäß gibt es auch keine
andere Quelle der christlichen Erkenntnis als die Schrift und ist jedes andere
Erkenntnisprinzip (Schöpfen der Lehre aus dem Erlebnis, aus dem wiedergeborenen
Ich, aus der Tradition usw.) abzuweisen.
Erläuterung von Rektor Willkomm
Der Urtext der kanonischen Bücher Alten und
Neuen Testaments ist von Menschen geschrieben, die Gott als seine Werkzeuge
gebraucht hat: Gott hat durch sie geredet.
Diese Menschen waren keine mechanischen
Werkzeuge, keine bloßen Maschinen (type-writers),
sondern lebendige Menschen, verschieden nach Begabung, Temperamenten, Gefühlen
und Redeweise, und Gott hat sich ihrer als lebendiger Menschen bedient, ohne
ihre persönliche Eigenart auszuschalten oder zu vergewaltigen (gegen einen
mechanischen Inspirationsbegriff).
Gott hat diesen heiligen Menschen Gottes
nicht nur die Sachen, von denen sie schreiben sollten, kundgetan
(Realinspiration), auch nicht nur sie persönlich erleuchtet
(Personalinspiration), sondern er hat ihnen auch die Worte eingegeben, mit
denen oder durch die sie die göttliche Wahrheit aussprechen sollten
(Verbalinspiration). Vergl. Ap. Gesch. 2,4.
Die auf diese Weise, durch dies der Vernunft
unfassliche Wunder entstandene Schrift ist theopneustos
= gottgehaucht oder inspiriert, und enthält also nicht nur, sondern ist Gottes
eigenes Wort, das Er geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten und
Apostel. 2. Tim. 3,14-17, 1. Petr. 1,10- 12 und alle Stellen, in denen gesagt
ist, dass Gott durch die Propheten geredet hat, z. B. Hebr. 1,1; Ap. Gesch.
28,25 (1,16) und öfter.
Als Gottes Wort ist die inspirierte Schrift
irrtumslos und die unfehlbare Quelle der Lehre und Richtschnur des Glaubens und
des Lebens der Christenheit.
Die Frage, ob die späteren Dogmatiker der
lutherischen Kirche einen „mechanischen Inspirationsbegriff“ vertreten haben,
ist eine rein historische Frage. Sie muss nach den Quellen untersucht und
beantwortet werden. Die Antwort kann aber nie kirchentrennende Folgen haben.
Die Lehre von der Verbalinspiration gehört nicht in das Gesetz, sondern ins
Evangelium. Zweck der Theopneustie ist nicht, den Jüngern ein Joch aufzulegen,
sondern sie zur Seligkeit zu unterweisen, sie ihres Heiles
gewiss zu machen. 2. Tim. 3,15-17. Zwar ist auch das Gesetz Gottes inspiriertes
Wort, aber es ist weder sein erstes noch sein letztes Wort an die Sünder,
sondern es ist nebeneingekommen um der Sünde willen.
Gottes eigentliches Wort, um dessen willen uns die Schrift gegeben ist, ist das
Evangelium.
Frucht und Wirkung des Glaubens an die
Inspiration ist darum auch nicht Buchstabenknechtschaft, sondern ein
kindlich-demütiges:
„Rede, Herr, dein Knecht höret.“
Vergleiche den 119. Psalm und
Psalm 19.
12.01.1946.
Apg.
2,4: „Und wurden alle voll des Heiligen Geistes und fingen an zu predigen mit
anderen Zungen, nachdem der Geist ihnen
gab auszusprechen.“
2.
Tim. 3,14-17. Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und dir vertraut ist, da
du weißt, von wem du gelernt hast. Und weil du von Kind auf die Heilige Schrift
weißt, kann dich dieselbe unterweisen zur Seligkeit durch den Glauben an Christus
Jesus. Denn alle Schrift ...“
1.
Petr. 1,10-12: „Nach welcher Seligkeit haben gesucht und geforscht die
Propheten, die von der zukünftigen Gnade auf euch geweissagt haben, und haben
geforscht, auf welche und welcherlei Zeit deutete
der Geist Christi, der in ihnen war, und zuvor bezeugt hat die Leiden, die in Christus sind und die
Herrlichkeit hernach; sie haben’s nicht ihnen selbst, sondern uns dargetan, welches auch nun verkündigt ist durch die,
so euch das Evangelium verkündigt haben, durch den Heiligen Geist vom Himmel
gesandt, welches auch die Engel gelüstet zu schauen.“
Hebr.
1,1: „Nachdem vorzeiten Gott manchmal und mancherlei Weise geredet hat zu den
Vätern durch die Propheten . . .“
Apg.
28,25: „Da sie aber untereinander misshellig waren, gingen sie weg, als Paulus
ein Wort redete, das wohl der Heilige
Geist gesagt hat durch den Propheten Jesaja zu unseren Vätern . . .“
(Apg.
1,16)
In
Schwenningdorf wurde noch beigefügt:
Röm.
15,16: „Denn ich wollte nicht wagen, etwas zu reden, wo dasselbe Christus nicht durch mich wirkte, die Heiden zum
Gehorsam zu bringen durch Wort und Werk.“
1.
Kor. 14,37: „So sich jemand lässt dünken, er sei ein Prophet oder geistlich, der erkenne, was ich euch schreibe, denn es
sind des Herrn Gebote.“
2.
Kor. 13,3: „. . . da ihr suchet, dass ihr einmal gewahr werdet des, der in mir redet, nämlich Christi,
welcher unter euch nicht schwach ist, sondern ist mächtig unter euch.“
Von
Dr.
Wilhelm Oesch
1.
Die Theologie des Ich
Dorner (1809-1884) schlägt in seinem
„System der christlichen Glaubenslehre“ I, S. 155 ff. ein doppeltes proincipium cognescendi
[Erkenntnisprinzip, Anm. d. Hrsg.] vor, nämlich 1. principium
subiectivum: das christliche Subjekt, 2. principium obiectivum: die
Heilige Schrift. (Er hätte sie auch weglassen können, wie er im Grunde weder
Schrift noch Christus braucht.)
Joh. Chr. Konr.
v. Hofmann (1810-1877) heißt den Theologen sein Christentum auf seinen einfachten und allgemeinsten Ausdruck bringen, um von da
aus auf dem Weg der Evolution das Ganze der systematischen Theologie (Dogmatik
und Ethik) in einem zu gewinnen. Des Systems Einheitlichkeit und Ebenmäßigkeit
biete die wissenschaftliche Bürgschaft für die Berechtigung der einzelnen
Bestandteile desselben. (Nach Paul Ewald, Erlangen 1895, „Über das Verhältnis
der systematischen Theologie zur Schriftwissenschaft“, S. 13 f. Ewald nimmt
hier ausdrücklich Bezug auf v. Hofmanns „Enzyklopädie der Theologie“, herausgegeben
von Bestmann, besonders S. 29 f. und 55). Hofmann sagt vom christlichen
Bewusstsein, dass es „nicht von der Kirche abhängt noch von der Schrift,
auf die sich die Kircheberuft, auch nicht in jener
oder dieser die eigentliche und nächste Verbürgung seiner Wahrheit hat, sondern
in sich selbst ruht und unmittelbar gewisse Wahrheit ist, von dem ihm
selbst einwohnenden Geiste Gottes getragen und verbürgt“ (a.a.O. S. 11). Die
Schrift ist v. Hofmann nur inspiriert als Urkunde sich entwickelnder heiliger
Geschichte und als Ganzes (The Lutheran Cyclopedia by Jacobs Haas, Scribners, New
York, 1899, p. 24 f), das heißt (nach W. Rohnert:
„Inspiration der Heiligen Schrift und ihre Bestreiter“, Leipzig 1889): sie ist,
wie jedes christliche Buch, Produkt von zwei Faktoren, einem
selbständigen menschlichen und einem dazukommenden göttlichen, und darum sowohl
dem Irrtum als der Kritik unterworfen.
Franz Hermann Reinhold Frank
(1827-1894) betont ausdrücklich, dass der exegetische Beweis, „streng genommen, nicht zu der eigentlichen Aufgabe der
dogmatischen Disziplin als eines Teiles der Systematischen Theologie“ gehöre
(System der christlichen Gewissheit I, 2. Aufl., S. 42). Er schreibt gegen
Philippi: „Wer mir die objektive Versöhnungstat (Christi) und das Wort Gottes entgegenhält
statt meines ‚subjektiven’ Standpunktes, mit dem vermag ich mich nicht
auseinanderzusetzen, weil er die Fragestellung nicht verstanden hat.“ Ferner:
„Auf den Heiligen Geist kann ich mich dabei in sofern nicht berufen, als ja
erst in Frage steht, ob, was ich vernehme, Zeugnis des Heiligen Geistes sei,
ebenso wie ich mich nicht auf den Heiligen Geist berufen kann, wenn in Frage
steht, wie ich dazu komme, diese Schrift mir als heilige gelten zu lassen.“
(a.a.O. S. 115.143) Endlich schreibt er: “Wir haben es hier mit den zentralen
und spezifischen Wehen der christlichen Gewissheit zu tun, wo keine eigentliche
von außen kommende Autorität für sich, sondern
das christliche Subjekt selbst und persönlich über den Grund und das
Recht seiner Gewissheit entscheidet“ (a.a.O. S. 49).
Zöckler
(1833-1906) will in seinem „Handbuch der theologischen Wissenschaften“ III, 65,
die Berufung der altprotestantischen Dogmatiker auf das testimonium
Spiritus Sancti „nicht ganz verwerfen“, stellt es aber als die Sache nicht
deckend hin und fügt hinzu: „Es gibt eine von uns selbst abhängige,
unserer inneren Verantwortung anheimfallende freie Tat, eine moralisch
notwendige, darum aber der Freiheit überlassene Konsequenz. Durch diese
freie Tat erst schaffen wir selber die Gewissheit.“
Endlich lehrt R. Seeberg (s. Pieper,
Dogmatik I, 368), die Schrift dürfe nicht als zweites Prinzip des
Protestantismus dem rechtfertigenden Glauben koordiniert werden. Er will die
Schrift zur norma normata
machen, durch den Glauben normiert. Wir fragen: Durch welchen Glauben?
Das erinnert an Robert Barklay, den Dogmatiker der
Quäker: Die Schrift sei nicht als eine „adäquate erste Regel des Glaubens und
Lebens“ anzusehen, sondern als „eine zweite, dem Geist untergeordnete
Regel (regula scunda, subordinata Spiritui)“, vgl. M.
Günther, Symbolik, § 1 f., 2 b.
F.A. Philippi: „Die Quelle, aus der
die Dogmatik zu schöpfen hat, ist also die durch die Offenbarung erleuchtete
Vernunft des theologisierenden Subjekts. Die christliche Einzelpersönlichkeit
weiß aber, dass die göttliche Offenbarung ihrem Inhalt und Zwecke entsprechend
nicht nur einem einzelnen Subjekte gegeben, sondern
für die ganze Menschheit bestimmt ist, sowie dass innerhalb der Menschheit sich
eine Gemeinschaft derer vorfindet, an welchen diese göttliche Bestimmung der
Heilsoffenbarung in Christo sich tatsächlich verwirklicht hat. Daher wird das
dogmatisierende Subjekt das Bedürfnis fühlen, die Erleuchtung seiner Vernunft
in Zusammenhang zu bringen mit der Erleuchtung der Christus-Gemeinschaft
überhaupt, und die Übereinstimmung seines individuellen Bewusstseins mit dem
christlichen Gesamtbewusstsein wird ihm eine Bestätigung der wahrheit deer ersten bieten... Um
nun aber die Prüfung der verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften richtig zu
vollziehen und sich dann frei entscheiden zu können, bedarf es einer
untrüglichen Regel und Richtschnur, nach welcher die Lehren dieser
Gemeinschaften bemessen werden können. Diese Norm wird dann mit der Lehre der
Einzelkirche auch die der Gesamtkirche zu unterwerfen sein, um der
Voraussetzung ihrer Richtigkeit das unverbrüchliche Siegel unbedingter
Gewissheit aufzuprägen ... Wir haben nun als Quelle, aus welcher die
christliche Glaubenslehre ihren Stoff zu schöpfen hat, eine dreifache erkannt,
nämlich die erleuchtete Vernunft des dogmatisierenden Subjekts, die Lehre der
Kirche und die kanonische Schrift des Alten und Neuen Testaments ... Aus
unserer ganzen bisherigen Entwicklung geht von selbst hervor, dass die
Schriftlehre bei uns nicht, wie in der älteren Dogmatik, an den jedesmaligen
Anfang, sondern an das jedesmalige Ende des dargelegten Glaubensartikels treten
wird, weil wir die Schrift nicht als die erste Quelle, sondern als letzte Norm
der dogmatischen Erkenntnis betrachten. (Kirchliche Glaubenslehre. Stuttgart
1854. I, S. 86-92; 226).
Der [nach
dem ersten Weltkrieg, Anm. d. Hrsg.]
neueste Vertreter dieser Theologie ist R. Jelke,
Heidelberg. Von ihm erschien 1929 bei Dörffling und
Franke in Leipzig „Die Grunddogmen des Christentums“ mit dem Untertitel „Die
Versöhnung und der Versöhner“. Dort heißt es S. 2 von der Aufgabe des
Theologen, im Unterschied vom allgemeinen Religionswissenschaftler und
Religionsphilosophen: „Worin besteht dieses Eigene (der Theologie, das ihr weder die allgemeine Religionswissenschaft selbst
noch eine ihrer Sonderdisziplinen streitig machen kann)? Man hat gesehen in dem Rechte, die christliche Religion allein zu behandeln,
oder wenigstens in dem Rechte, die Begründung der objektiven Wahrheit der
christlichen Religion allein zu geben. In Wirklichkeit aber besitzt die
Theologie weder das eine noch das andere Recht. Das Eigene liegt vielmehrt in
dem beschlossen, dass die Theologie in der Wahrheitsbegründung der christlichen
Religion auf ganz bestimmte Faktoren zurückzugehen imstande ist, auf Faktoren,
die dem allgemeinen Religionswissenschaftler, also auch dem speziellen
Religionsphilosophen als solchem eben nicht zur Verfügung stehen. Diese
Faktoren liegen aber in der eigensten Erfahrung des christlichen Subjekts.
Das individuell-persönliche Erlebnis, das den Christen wahrhaft zum
Christen macht, in Rechnung zu stellen und zur Begründung der christlichen
Wahrheit auszumerzen, das ist die eigenste Arbeit des Theologen. Er redet
vom Standpunkt des Menschen aus, dem das Christentum persönlich zur Wahrheit
geworden ist, und zeigt die Gründe auf, auf denen ein solcher Glaube ruht.“ (R.
Jelke: Grunddogmen, S. 2).
2.
Die dialektische Theolgie
Nach Karl Barth, den man wohl
eigentlich als den Vater dieser dialektischen Theologie wird bezeichnen können,
ist die letzte Voraussetzung der Theologie die Überzeugung, dass die
menschliche Existenz unter einem unbedingten Widerspruch steht, den die
Vernunft nicht lösen kann. Die Frage nach Gott ist die Frage nach der Einheit
über unserem Existenzwiderspruch. Soll aber das Wort Gottes die Antwort auf die
Frage unserer Existenz als Ganzheit sein, so kann die Antwort niemals
abgeschlossen sein. Von der Antwort, die das Wort Gottes gibt, können wir
niemals als von einer fertigen Größe reden. Die Frage nach unserer Existenz ist
in jedem Augenblick neu da; eben darum ist es unmöglich, dass das Wort eine
ein für allemal geltende Erkenntnis bietet. Außer dem bereits genannten
Karl Barth (Das Wort Gottes und die Theologie, Gesammelte Vorträge 1925; Dogmatik
I (1927)) sind als führende dialektische Theologen zu nennen: Emil Brunner (Die
Mystik und das Wort, 1922; Philosophie und Offenbarung, 1925;
Religionsphilosophie und evangelische Theologie, 1926), Rudolf Bultmann (Die
Geschichte der synoptischen Tradition, 1921; Jesus, 1926; als Aufsatz: Die
Frage der dialektischen Theologie zwischen den Zeiten, 1926 und viele ähnliche
Aufsätze), Friedrich Gogarten (Ich glaube an den
dreieinigen Gott, 1926), Friedrich Karl Schumann (Der Gottesgedanke und der
Zerfall der Moderne, 1929) und endlich Adolf Sannwald (Der Begriff der
Dialektik und die Anthropologie, 1931). Von der Dialektik, der er mit seiner
Schrift „Die gegenwärtige Geisteslage und die dialektische Theologie“, 1930,
ziemlich nahe stand, rückte W. Koepp wieder ab in
seiner „Einführung in die evangelische Dogmatik“, 1934.
Aus Karl Barth: „Die Lehre vom Worte
Gottes“, München 1927, S. 366: „Mit Worten, und zwar mit Menschenworten, haben
wir auf der Linie zu tun bei dem, was da zu uns redet, von den Textworten bis
zu den Worten, die aus der Notwendigkeit des ‚kairos’
beim Lesen oder Hören in mir selbst mitreden. Menschenworte als Gotteswort.
Nicht Gott selber höre ich reden, sondern Menschenworte über und von Gott“ ...
Die Heilige Schrift gibt sich uns „in Gestalt einer Sammlung antiker
Religionsliteratur. In dieser Gestalt hat sie der Leser und Hörer zu verstehen
und zu deuten, nachzudenken, mitzudenken, selber zu denken.“ (S. 342) „Sollte
nicht dieser und jener mit gutem Recht behaupten dürfen, dass er durch seine
fromme Mutter viel mehr empfangen habe als durch die ganze Bibel?“ Wie denn
auch nach Horst Stephan (Glaubenslehre, S. 181) Schleiermachers Reden und
Goethes Faust manchem ein mächtigeres Gotterleben vermitteln als die Predigt
oder sogar die Lektüre der Bibel. (Barth, S. 385): „Sie (die Kirche) wird sich
aber auch in der geistlichen Behauptung ihrer Autorität vor dem Gebrauch
letzter Worte zu höten haben.“ Denn schließlich
letzte und stärkste Autorität ist „das Gebot der Stunde“. Das ist wieder etwas
Neues: Es ist das „innere Wort der Stunde, das letzte Wort meines bisherigen
Daseins, das zugleich das erste meines zukünftigen ist.“ (S. 366.368) Es ist
„das Wort der Stunde, das mir nicht erlauben will zu hören und anzunehmen, was
mir passt, als ob ich im Jahre 1500 oder 500 lebte, sondern mir gebietet, zu
hören und anzunehmen, was ich ale heute, als jetzt
und hier Lebender annehmen muss.“
Einerseits wird eingeräumt: Die Schrift ist
fehlsames Mesnchenwort, Wahrheit und Dichtung. Der
ganzen ungläubigen Bibelkritik wird die Bahn freigegeben (Barth: Kirchliche
Dogmatik, I, 2, S. 562f.; 564 f.; 590; 580). Andererseits ist von der Heiligen
Schrift geradezu die Verbalinspiration auszusagen (Dogmatik, S. 344; Kirchliche
Dogmatik, I, 1, S. 105; I, 2, S. 572; 575). Durch Irrtum, durch
lauter Anthropologie spricht Gott in jedem Wort, im ganzen heiligen Buch und
allen seinen Teilen (Kirchliche Dogmatik I, 2, S. 584). Gottes Wort ist ja
gerade fehlendes Menschenwort geworden, um zu uns zu sprechen (Dogmatik 1927,
S. 343; 345 f.) Aber freilich, Gott spricht nur. Sofern er gehört wird. Er
spricht nicht im Buch, sondern durch das Buch in dem Augenblick, wo ich höre,
wo Gott, das heißt Jesus Christus mir Ereignis wird. Graphisch dargestellt: Der
alte Glaube sagt: Die Bibel ist Gottes Wort. Der Liberale sagt: Die Bibel
enthält Gottes Wort. Barth sagt: Die Bibel wird Gottes Wort, das heißt
durch den Empfänger, durch den Heiligen Geist im Hörer (Kirchliche Dogmatik,
I,1 S. 113). Die Bibel ist Papierkugel, wird aber in dem Augenblick, wo
sie einschlägt, das heißt das rechte wagende, Kierkegardisch-Barthisch-schwärmerische Spannungsverhältnis zwischen Gott
und Mensch herstellt, zur Kanonenkugel. Jesus Christus, oder besser der
sprechende Gott in Christus, spricht durch das „Echo“ seines Sprechens, die
„Zeichen“, „Hinweise“ erster Rangordnung in der Schrift. Oder er spricht auch
nicht. Oder auch sonst? Sich offenbaren und zugleich verhüllen? Sich verhüllend
und dadurch offenbarend?
Karl Barth: Kirchliche Dogmatik, I, 2,
S 587 f.: „Reden wir von einem Wunder, wenn wir sagen, dass die Bibel Gottes
Wort ist, dann dürfen wir die Menschlichkeit ihrer Gestalt und die Möglichkeit
des Anstoßes, den man an ihr nehmen kann, weder direkt noch indirekt in Abrede
stellen. So gewiss Christus am Kreuz, so gewiss Lazarus Joh. 11 wirklich
gestorben ist usw. – so gewiss waren auch die Apostel als solche, auch in ihrem
Amt, auch in ihrer Funktion als Zeugen, auch im Akt der Niederschrift ihres
Zeugnisses wirkliche, geschichtliche und also in ihrem Tun sündige und
tatsächlich irrende Menschen wie wir alle ... Nach dem Zeugnis der Schrft vom Menschen, das auch von ihnen gilt, konnten sie
in jedem Wort fehlen und haben sie auch in jedem Wort gefehlt. ...“ Vergleiche
auch S. 564 ff. – Auch Barths System kommt darauf hinaus, dass die Bibel Gottes
Wort nur „enthält“, wie er ausdrücklich sagt: „Das christliche
Verständnis der Offenbarung“ (München 1948), S. 14 f.; 17. Denn die Bibel ist
ihm ja nie Gottes Wort. Mag er sich auch Kirchliche Dogmatik I, 2, S. 590 gegen
Auswahl wenden, er hat ja die Auswahlmethode des Liberalismus und der
Vermittlungstheologie nicht nötig, weil ihm die ganze Schrift nur Menschenwort
ist, bis sie durch den Geist der Stunde und den Glauben des Empfängers Gott
Wort wird – ein Gotteswort natürlich, das sich mit dem Text keineswegs
deckt! Spalten Liberale und „Positive“ vertikal, so spaltet K. Barth im
Einschlagsaugenblick das sonst tote Gestein horizontal.
Es versteht sich, dass die eigentliche
Offenbarung bei Karl Barth jenes „Augenblicksereignis“ ist, dem die Schrift in
ihrer Weisee, aber ebenso die mündliche Verkündigung
Anlass gibt. Barth ersetzt „Was ist Gottes Wort?“ durch seine Fragestellung:
„Wie ist Gottes Wort?“ (Kirchliche Dogmatik, I, 1, 194) und verfolgt dann eine
„dreifache Gewalt“ in Verkündigung, Schrift und dahinterliegender, im
Augenblick sich neusetzender Offenbarung (Kirchliche Dogmatik, I, 1, S. 120
ff.; 141 ff.; auch 90 ff.; 104 ff.; I, 2, S. 512; Vergleiche „Das christliche
Verständnis der Offenbarung“). Auch die Inspiration „wird“. Es kommt zur
Auseinandersetzung mit dem altkirchlichen Inspirationsbegriff unter Entstellung
der Dogmatiker und falscher Anbiederung an die Reformatoren, Kirchliche
Dogmatik, I, 2, S. 571 ff. Falsche Berufung auf die christologische Analogie,
S 555; I, 1, S. 236; 143 f.; falsche Betonung der „Freiheit“ Gottes, Kirchliche
Dogmatik I, 1, S. 143; 169 f. „Gottes Wort ist und bleibt immer Gottes Wort,
nicht gebunden, nicht festzuhalten auf diese These und auf jene Antithese“, S.
170. Deshalb gibt es keine sedes doctrinae
und Loci. Vergleiche auch I, 2, S. 569 f.; 585. Die „finitum
non est capax infinitim“ – Distanz zum lutherischen „Est“ ist Barths
letztes Wort, Kirchliche Dogmatik, I, 1, S. 250; „Das Wort Gottes und die
Theologie“ S. 178.
3.
Die dialektische Theologie – linker Flügel (Bultmann)
Crimen laesae majestatis [Majestätsbeleidigung, Hrsg.] im höchsten Grade liegt vor in Rudolf Bultmanns
„Entmythologisierung der Neuen Testaments“ (vergleiche Bultmanns programmatischen
Aufsatz von Anfang 1942 in „Theologische Forschung. Kerygma und Mythos. Ein
theologisches Gespräch. Herausgegeben von H.W. Bartsch. Hamburg 1948“ unter dem
Titel „Neues Testament und Mythos“ S. 15-33. Ebenda Stellungnahme anderer S. 54
ff. Vergleiche ferner K. Barth „Kirchliche Dogmatik“ III, 2, S. 531-537).
1. Bultmann vertritt in neuer
existentialistischer Form den alten historisch-kritischen Liberalismus (den
etwa die Schlagworte kennzeichnen: „Die Idee liebt es nicht, ihre Fülle in ein
Individuum auszugießen“, „Zufällige Geschichtstatsachen können nicht Träger
ewiger Vernunftwahrheiten sein“ – stets verwandt mit dem reformierten
Schlagwort: „finitum non est
capax infiniti“).
Ausgangspunkt seines Denkens ist ein deterministisches Naturgeschehen, in das
kein Gott und kein Teufel hineinwirken kann, und eine ebenso geschlossen
aufgefasste Einheit des menschlichen Bewusstseins, das sich unabhängig
entscheidet, obwohl es seine Bestimmung verfehlt und sich dessen auch bewusst
ist. Er lehnt deshalb alle Wunder, auch die Menschwerdung des Sohnes Gottes,
auch die Auferstehung als Mythologie, das heißt „Herabziehen des Ewigen ins
Diesseitige“ ab. Er verwirft besonders die stellvertretende Genugtuung, die
Vergebung der Sünden, den Heiligen Geist und sein Werk und alle
Zukunftseschatologie.
2. Das existentielle Seins- bzw.
Lebensverständnis, das alle Sicherungen aufgibt und alles nur unter dem
Vorbehalt des „als ob“ gebraucht, macht per se frei, selig und gütig. Obschon
es nach den Prämissen irgendwo auch in dem seine Existenz verfehlenden Menschen
vorhanden sein muss, und entschlossene Bultmannianer
wie Wilhelm Kamlah („Christentum und
Selbstbehauptung. Frankfurt am Main 1940“) deshalb der Religion den Abschied
geben und die Philosophie als einzigen Heilsweg ausrufen, meint sein Marburger
Meister (op.cit. S. 39): „Nach der Meinung des Neuen
Testaments hat der Mensch die faktische Möglichkeit verloren, ja auch sein
Wissen und seine Eigentlichkeit ist dadurch verfälscht, dass er mit der
Meinung, ihrer mächtig zu sein, verbunden ist!“ Ein „Wort“, das mit dem toten
Schriftwort nichts zu tun hat, aber an den historischen Jesus irgendwie
anknüpft – weiß man wirklich etwas Zuverlässiges von ihm? – und das aus dem
Christus-, Kreuz- und Auferstehungsmythos den Kern, die zuvorkommende
Liebe des außerweltlichen Wesens, nimmt, befreit den Menschen zum
existentiellen Verständnis seiner Selbst. Indem der
Mensch zu sich selbst kommt und so aufersteht, ist der Auferstehungsmythos
geschichtliche Wirklichkeit in Raum und Zeit. Bultmann ist sich wohl selbst
nicht ganz klar darüber, warum er nicht auch den Gedanken, dass es einen Gott
gibt, gleich mit entmythologisiert.
3. Bultmann ist unerbittlicher Dogmatiker
des beschriebenen Semi-Nihilismus in seiner Exegese. Sie ist gerade auch in der
oben erwähnten Programmschrift so lächerlich, dass man sich schon als Deutscher
schämt, solche abgeschmackte Eisegese in weiten
akademischen Kreisen als neutestamentliche Wissenschaft gefeiert zu sehen. Als
Christ ermisst man an dem Ansehen Bultmanns den Abfall der Theologenwelt.
4. Am besten hat Julius Schniewind in dem
erwähnten Gesprächsband (S. 85 ff) Bultmann geanwortet.
Aber auch er macht noch Konzessionen und hält das Gespräch hin und her noch für
möglich, was verfehlt ist. Das ganze Unterfangen Bultmanns ist gottlos. Form
und Inhalt des Gotteswortes lassen sich nirgends scheiden, dieser
nestorianische Versuch hebt stets den Inhalt auf. Das Christentum ist keine
erhabene „Vernunftswahrheit“, der im Vorfeld der Form
und Geschichte unnötige Klötze im Wege liegen. Deer
wirkliche Anstoß für die Vernunft ist nicht der Ausdruck, sondern das
Verkündigte, die Menschwerdung des ewigen Sohnes für völlig verlorene Sünder
und das rettende Kreuz selbst, wofür im modernen Weltbild (= Weltanschauung),
das heißt aber zugleich im natürlichen Menschen aller Zeiten und Zonen, kein
Raum vorhanden ist. Dieser gefallene, sich selbst als Gott setzende Mensch muss
in sesinem ganzen Selbst- und Weltverständnis und vor
allem in seinem Willen durch Gesetz und Evangelium „entmythologisiert“ werden,
1 Kor. 1 und 2 (besonders Vers 14) und hat dann, wenn es gründlich geschieht,
nicht mehr Lust oder Macht, im ganzen Wort des Alten Testaments und des Neuen
Testaments auch nur ein Eckchen oder Fleckchen zu „entmythologisieren“, sondern
spricht dann demütig und selig: „Rede, Herr, denn dein Knecht höret.“ – Über
die Kondeszendenz Gottes in der Heiligen Schrift, der
allein der eigentlich Redende ist, aber durch Menschen in menschlicher
Weise redet, ist am anderen Ort genug gesagt worden. Bei „de Deo“ geben die
Anthropomorphismen neue Veranlassung zur Behandlung dieses Themas. Bei „de creatione“ wird die zu allen Zeiten allgemeinverständliche
„Kindlichkeit“ der erhabenen Sprache des Schöpfungsberichtes (im Gegensatz zu
der ephemeren Diktion jedweder Wissenschaft) unsere Aufmerksamkeit
beanspruchen. In beiden Fällen zieht Gott zugleich eine unendliche lebendige
Sprache der Schulmeister vor, redet selbst diese Sprache durch die
Heiligen Schreiber, und wir haben zu hören, nicht den heiligen Gott zu
schulmeistern. – Die Aneignung und Verkündigung als eine Übersetzung des
gewissen, unverbrüchlichen Wortes in die Gegenwart des Lesers bzw. der Hörer,
ist keine Aufspaltung in „Form“ und „Inhalt“, hat mit „Entmythologisierung“
nicht das geringste zu tun, sondern gehört in das Werk des Heiligen Geistes,
der das gegebene Wort der Schrift (verbum Dei in
statu) beständig zum verbum Dei in actu macht infolge
seiner immanentia in Scriptura Sacra
und in ecclesia (2 Tim. 3,14-17; 1 Petr. 1,10-12; 1
Tim. 3,15 c).
Dieses Jahrhundert [20. Jahrhundert, Anm. d. Hrsg.]
ist in gewisser Hinsicht auch als das Zeitalter des Ökumenismus bezeichnet
worden; und da ist etwas dran, wenn es auch schon im vergangenen Jahrhundert
vorbereitet (Unionismus), ihm der Weg bereitet wurde.
Besonders aber tritt es in diesem Jahrhundert vor Augen:
Kirchenzusammenschlüsse, Kirchenbünde. Wie soll sich der Christ dazu verhalten,
ist es nicht schön und begrüßenswert, wenn christliche Kirchen zusammenfinden?
Wilhelm Oesch ist darauf angesichts der Bildung des Ökumenischen Rates der
Kirchen (ÖRK) 1948 in Amsterdam und der 'Einigung' zwischen der ELFK und der
ELAK um eben diese Zeit eingegangen und streicht dabei heraus, was Gottes
Ordnungen und Grundsätze für die rechte kirchliche Einheit sind - und welche
'Einheit,' 'Ökumene' wir als Christen ablehnen müssen. Dazu hier zwei Artikel
von ihm, die in ihren grundsätzlichen Aussagen von bleibender Gültigkeit sind:
(ursprünglich erschienen in: 'Der Lutheraner'.
Zeitblatt für evangelisch-lutherische Gemeinden in Deutschland. Frankfurt/M. 2.
Jahrgang. 10/1948)
Die Welt ist voll von Berichten über das
Amsterdamer Weltkonzil. Ein Bruchteil der Meldungen durchflutete auch
Deutschland. In Amsterdam, auf der ersten Tagung, gab sich der Weltbund der
Kirchen, genannt "Ökumenischer Rat" (World Council of Churches), vom 23. August bis 3. September dieses Jahres
[1948, Anm. d. Hrsg.] seine Verfassung, wählte seine Leitung und nahm außerdem
Stellung zu dem Thema "Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan".
In der Tat ein Konzil eines sehr großen Teiles der äußeren Christenheit - 450
Hauptdelegierte aus 147 verschiedenen Kirchen aller Welt waren da, darunter 25
Deutsche, darunter ferner die skandinavischen Lutheraner, ein Teil der
amerikanischen Lutheraner und ein Teil der griechisch-katholischen Welt.
Was ist von der Tagung in Amsterdam und von
der ökumenischen Bewegung, die ohne Zweifel nun mehr als je sich in aller Welt
geltend machen wird, zu halten?
Man wird die religiösen und die kirchlichen
Ziele unterscheiden müssen.
Was das religiöse Streben anbetrifft, das
hinter Amsterdam steht, so läßt sich nicht verkennen:
der Umfang der eingetretenen kirchlichen Zersplitterung, besonders des
Protestantismus, hat sich überlebt [in den Augen der bekenntnislosen
Teilnehmer, Anm. d. Hrsg.]. Das Ziel des Weltrats ist offenkundig die eine
Weltkirche. Die russische Kirche hofft man trotz allem noch zu gewinnen. Mit
Rom, das den Seinen selbst die inoffizielle Teilnahme verbot, hofft man durch
die Kirche von England noch einmal zu einem Vergleich zu kommen. Das Luthertum,
soweit es mitmacht, stellt kein Problem dar. Bestimmend sind die Anglikaner,
die außer der apostolischen Sukzession kaum ein gemeinsames Dogma besitzen, und
die Reformierten aller Schattierungen und Denominationen, vom sozialen
Diesseitsglauben über Karl Barth hin bis zu etlichen Altreformierten. Was wurde
nun in Amsterdam? Eine Überkirche mit Befehlsgewalt entstand nicht, aber auch
nicht bloß ein Bund in rein äußerlichen Dingen, der es mit dem Bekenntnis nicht
zu tun hätte. In Wirklichkeit entstand eine werdende Unionskirche von
Weltformat, in der die kleineren Unionskirchen, einschließlich der EKiD, ja sogar die Lutherische Weltföderation [Lutherischer
Weltbund, LWB, Anm. d. Hrsg.], eingebaut und eingeebnet werden.
Es ist in Amsterdam manches Gute gesagt und
beschlossen worden. Wir glauben, daß es an Regungen
der Buße vor Gott und des Glaubens an unsern Herrn Jesum Christum nicht gefehlt
hat. Die eine Eröffnungspredigt, gehalten von Pastor Niles aus Ceylon, ergriff.
Die kirchliche Unionsbewegung ist noch nie ganz ohne Wahrheiten und
Geistesregungen gewesen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß Gott Einheit in der Lehre in Seiner ganzen Kirche will
und die Union zwischen rechter und falscher Lehre verbietet. [Hervorh. Hrsg.] Christus spricht: "So ihr bleiben
werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger" (Joh. 8,31). Der Apostel
sagt von der Kirche, sie sei "erbaut auf dem Grund der Apostel und
Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist" (Eph. 2,20), und ermahnt:
"Seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des
Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr berufen seid auf
einerlei Hoffnung eurer Berufung, ein Herr, ein Glaube, eine
Taufe, ein Gott und Vater unser aller" (Eph. 4,3-6).
Der Weg, den Anglikaner und Reformierte
seit Jahrhunderten verfolgen, unter Umgehung der Wahrheitsfrage alle Kirchen
unter ein Dach zu bringen, mit sehr betonten politischen Nebenzielen,
stellt den Versuch dar, den Hausbau vom Dach her anzufangen, ehe man weiß, was
der Grund sein soll. Wenn Christus regiert, steht es nicht im Ermessen der
Menschen, neben der Wahrheit, die Christus aufgrund der Heiligen Schrift zu
halten befiehlt, einigen Irrtum als gleichberechtigt anzuerkennen. Nicht einmal
die Grundbestimmung, die in Amsterdam beteiligten Kirchen nähmen Jesum Christum
"als Gott und Heiland" an, ist eindeutig, wie der Generalsekretär
zugibt und die Praxis beweist. Die führenden Leugner der Gottheit und der Kraft
des Blutes Christi aus den Vereinigten Staaten, von anderen Ländern ganz
abgesehen, stehen im Weltbund der Kirchen an entscheidenden Stellen. Einer der
Modernisten aus den USA, der Methodistenbischof Bromley Oxnan,
ist unter die 6 Präsidenten gerückt.
Da man Einigkeit in der Wahrheit, die wahre
Kirche und das wahre Werk der Kirche, die Ausbreitung des einen
seligmachenden Evangeliums, nicht ernstlich und einfältig sucht, erstrebt man
eifrig die diesseitige Rettung der Welt durch Stärkung des äußeren kirchlichen
Einflusses. Dies alles, obwohl Christus (Joh. 18,36.38) ausdrücklich spricht:
"Mein Reich ist nicht von dieser Welt ... Ich bin dazu geboren und in die
Welt [ge]kommen, daß ich
die Wahrheit [be]zeugen soll. Wer aus der Wahrheit
ist, der höret meine Stimme."
Der New Yorker Rechtsanwalt, der vielleicht
der nächste amerikanische Außenminister sein wird, John Foster Dulles [er wurde
es unter Präs. Eisenhower, Anm. d. Hrsg.], sagte ganz
offen: die eine Kirche ist nötig, um die eine Welt in die
richtigen Bahnen zu lenken, um den Weltfrieden zu sichern. Er suchte den
russischen Bolschewismus als den Feind des Christentums und des Friedens
hinzustellen. Der Freund Karl Barths aus Prag, der Prof. Hromadka,
trat ihm leidenschaftlich entgegen. Karl Barth, der seit 1945 die deutsche
Kirche zu politisieren suchte, war wieder Prophet, redete von Gottes Wort und
zeugte gegen einen "christlichen Marshallplan", der sich ihm gegen
den Kommunismus zu richten scheint. Jetzt soll man lieber leiden - anders als
1938-1945!
...
Die Konferenz, einschließlich der
Lutheraner, nahm einmütig eine Botschaft an die Christenheit der Welt an. Sie
entspricht in großen Teilen nicht der vollen christlichen Wahrheit. Sie sagt,
bei der Gründung des neuen Weltkirchenrates habe man sich von Christo "in
Pflicht nehmen lassen". Die Wiederherstellung aller Dinge, nämlich daß alle Menschen noch selig werden, schimmert nach
Karl Barth an einer Stelle deutlich durch. Keine Unterscheidung von Gesetz und
Evangelium, keine Herausstellung der wirklichen Heilsbotschaft erreicht das
Herz. Gegen Ende wird ein Nein und ein Ja gesprochen. Aber kein Nein gegen
falsche Lehre, sondern ein Nein gegen die, die "uns auffordern, den Krieg
als unvermeidliches Schicksal hinzunehmen". Das entspricht der
pazifistischen Stimmung der Gegenwart, aber der Pazifismus als kirchliche Lehre
ist gegen den 16. Art. der Augsburgischen Konfession. Und ein Ja - nicht zu Gottes lauterem Wort und zu dem allein um dieses
himmlische Zeichen zu sammelnden ewigen Gottesvolk. Wohl aber ein Ja "zu
allem, was mit der Liebe Christi übereinstimmt, zu allen Menschen, die das
Rechte aufrichten, zu allen, die in der Welt einen rechten Frieden schaffen
möchten, zu allen, die um der Menschen willen hoffen, kämpfen, leiden, - ein Ja
zu allen denen, die - ohne es selbst zu wissen - sich ausstrecken nach einem
neuen Himmel und nach einer neuen Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnt."
Könnte das alles nicht auch das Programm einer weltweiten Partei mit religiösem
Einschlag sein?
Wir hoffen, daß
die europäische Völkerfamilie etwas Nutzen von dieser "Ökumene" hat.
Wir freuen uns jeder Verständigung zwischen den Völkern und bitten Gott, das
furchtbare Gericht eines neuen Weltkrieges abzuwenden, aus unverdientem
Erbarmen mit uns armen Sündern in Christo, unserem Fürsprecher und Versöhner.
Wir freuen uns jedes evangelischen Zeugnisses, wo auch immer es erschallen
möge, und wissen, daß vom Aufgang der Sonne bis zum
Niedergang, in alten und in jungen Kirchen, noch viele Gotteskinder zerstreut
sind, die allein durch das Blut Jesu Christi selig werden wollen und einst mit
uns eine ewige sichtbare Einheit darstellen werden. Wie Gott uns trägt, so
wollen wir in Liebe und Geduld Schwache tragen. Wir dürfen aber Gottes Wahrheit
nicht verleugnen und uns der Anerkennung des Irrtums nicht teilhaftig machen.
Wir bedauern aufs tiefste, daß die Ökumene insofern
der Sache Jesu Christi schadet, als sie Wahrheit und Irrtum vermischt und eine
werdende weltweite kirchenpolitische Union darstellt, gegen deren Verletzung
des göttlichen Wortes sogar gewisse ernste Reformierte in Amsterdam einen
Gegenbund zu gründen versuchten. Das Anliegen der lutherischen Weltföderation,
eine Gliederung nach Konfessionen zu erreichen, setzte sich nicht durch.
Welchem Trugbild der Einheit jagen doch die Lutheraner nach, die sich die
seidenen Fesseln von Amsterdam anlegen ließen! Für uns aber gilt:
"Bestehet nun in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat!"
(Gal. 5,1)
(Erstmals erschienen in: 'Der Lutheraner'. Zeitblatt
für evangelisch-lutherische Gemeinden in Deutschland. Frankfurt/M. 5/1948 S. 36
f.)
I.
Dürfen Zweckmäßigkeitserwägungen bei
kirchlichem Zusammengehen entscheiden oder mitbestimmen? Ist z.B. heute der Schluß angebracht: "Weltumspannende
christentumsfeindliche Fronten bilden sich. Gottesleugnung und altes und neues
Heidentum reichen sich die Hände, um dem Christentum in der ganzen Welt den Garaus
zu machen. Deshalb müssen die Grenzpfähle und Zäune zwischen allen Kirchen und
Bekenntnissen fallen. Da kommt es auf etwas mehr oder weniger Wahrheit nicht
an"? Oder dürfen die Großkirchen des deutschen Raumes etwa sagen:
"Damit das deutsche Volk nicht ganz auseinanderfällt, deshalb muß wenigstens die Evangelische Kirche eine Einheit bilden,
unbeschadet der verschiedenen Bekenntnisse in ihrer Mitte. Das ist auch nötig,
um endlich geschlossen vom Evangelium her auf das öffentliche Leben unseres
zerbrechenden Volkes einwirken zu können." - Um auf unsere eigenen Kirchen zu kommen:
Könnten die lutherischen Freikirchen so sagen: "Es gab eine Zeit,
Unterschiede zwischen uns zu betonen. Wollten wir das heute tun, so wäre das Selbstmord. Also unterstreichen wir heute das Einigende.
Dann werden wir auch Anerkennung und Unterstützung von außen finden"?
Wenn es erlaubt wäre, so zu reden und zu
handeln, dann müßte die Kirche nicht
Herrschaftsbereich Christi, sondern der Menschen sein. Dann müßte
die Kirche Jesu Christi ganz oder teilweise ein weltliches Gebilde sein, wäre
bürgerlichen Vereinen und weltlichen Staaten ähnlich. In diesen mag man nach
äußerem Nutzen fragen. Da hat man es nicht mit der Seligkeit zu tun. Von der
Kirche aber sagt der Heiland: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt."
(Joh. 18,36) Und sein Apostel spricht: "Die Waffen unserer Ritterschaft
sind nicht fleischlich." (2. Kor. 10,4) Setzen wir den unmöglichen
Fall, der hellstes Scheinwerferlicht auf unsere Frage wirft: Wenn der Mensch
sich vor Gott selbst rechtfertigen, sich Gottes Gunst, Vergebung der Sünden und
den Himmel selbst verdienen könnten - nun freilich, dann könnte er mit seinen
Mitteln die Kirche bauen und sie mit seinen Anschlägen zur Einheit
zusammenfassen. Aber was sagt die Schrift?
Unser Blick ruht auf drei großen Tagen der
Kirche, auf Karfreitag, Ostern und Pfingsten. Im Hinblick auf den Fluchpfahl,
das Kreuz auf Golgatha, und auf das offene Grab daneben sagt Petrus den Juden:
Den ihr gekreuziget habt, den hat Gott
auferwecket." - "Das ist der Stein, von euch Bauleuten verworfen, der
zum Eckstein worden ist. Und ist in keinem andern Heil,
ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig
werden." (Apg. 4,11.12. Vgl. Ps. 118,22.23)
Weil die Juden und ihre Führer ihre Schuld,
ihre Erbsünde, das völlige Verderben ihres gefallenen Zustandes nicht
eingestehen mochten, weil sie selbst Gott einen Tempel in ihrem Volkstum und in
ihrer Leistung aufbauen wollten, deshalb haben jene Bauleute Jesum, den Herrn der
Herrlichkeit, gekreuzigt. - Halten wir uns für besser als jene Juden? Oder
wohnt auch in unserm Herzen die Gesinnung, die vor Gott selbst etwas sein will?
O, wenn wir wirklich Christen sind, dann beklagen wir unsere ganze abgrundtiefe
Bosheit, mit der wir am Blut des Sohnes Gottes auf Golgatha mitschuldig
geworden sind. Aber wir beten die Gnade an! Wir töteten durch unsere Sünden
zusammen mit Juden und Heiden Gottes ewigen Sohn, der unser Bruder geworden
war. Und Gott rechnete seinen Tod als Sühne für unsere Schuld! Gott schenkte
uns den von uns Gekreuzigten als unsern Stellvertreter, daß
wir nicht um unserer Sünde willen verdammt würden.
Gott erweckte ihn von den Toten am dritten Tage und sprach: Du bist das Haupt
der Erlösten. Wer's im Glauben auf dich wagt, der ist frei und ewig selig.
Gott tat das alles aus lauter Gnade. Und
Gott tut noch mehr. Pfingsten kommt hinzu. Niemand hört auf, selbst Eckstein
sein zu wollen, niemand erkennt sein Attentat auf Gott, niemand läßt sich auf den rechten Eckstein bauen "ohne durch
den Heiligen Geist". (1. Kor. 12,3) Der Glaube, der das Kreuz Christi als
einzige Hoffnung ergreift, der selig und zum Gliede der Kirche macht, ist
"Gottes Gabe, nicht aus den Werken, auf daß sich
nicht jemand rühme". (Eph. 2,8.9) Es ist auch nicht teilweise ein besseres menschlichen Verhalten,
sondern von Anfang bis Ende Wirkung des Heiligen Geistes, der durch die
wunderbaren Mittel, Wort und Sakrament, kommt. (1. Petr. 1,23; Joh. 3,5)
Himmlische Berufung hat uns elende Sünder, die wir in all unserm sündlichen Tun und Trachten gegen Gott stehen, zu
Gott gezogen, daß wir nun glauben, Gott ist für uns,
und ihm danken und ihm dienen, sein sind und sein bleiben wollen, alle
Unterschiede zwischen einander fahren lassen und sagen: Was sind wir? Jesus ist
alles in allem für uns alle.
Sollten wir nach Karfreitag, Ostern und
Pfingsten noch selbstherrlich bauen wollen am Gottesbau? Sollten wir noch etwas
halten von unsern Mitteln? So wie der Geist Gottes
durch das göttliche Wort uns auf den Fels Jesus Christus gebaut hat, so allein
entsteht die eine heilige christliche Kirche. Und so, nicht anders, nämlich
durch Bauen des Heiligen Geistes mittels des Wortes, wird sie auch erhalten.
Vom ganzen Aufbau auf den Eckstein gilt: "Das ist vom Herrn geschehen."
(Ps. 118,23 a)
Ein "Wunder vor
unsern Augen" (Ps. 118,23 b) ist dann auch jede rechte
Kirchenvereinigung, jedes wahre kirchliche Zusammengehen. Da kommt zu Tage, daß die Erbsünde, die von Gott losreißt und voneinander
trennt, überwunden, durchgestrichen, durchkreuzt ist, durch des Lammes Blut. Da
zeigt sich, daß wir von uns selbst losgerissen sind
und auf Christo stehen, daß wir Gottes Volk geworden
sind durch Gottes Gnadenmacht und nicht mehr über uns selbst verfügen. Da wird
offenbar, daß wir in Christus eins sind, daß er über uns alle miteinander gebietet und als unser
Haupt uns zu Gliedern seines Leibes zusammenfügt. Da zeigt sich, daß wir eines, weil seines Sinnes sind, daß wir des einen Hirten Stimme hören und der
Fremden Stimme nicht mehr hören.
Wenn wir uns über die Geltung des Wortes
Gottes noch so vergleichen können, daß wir ein
Gotteswort für verbindlich, ein anderes für unverbindlich erkären,
wenn wir noch sagen können: "Dies und jenes Stück davon ist nicht
kirchentrennend", um so an einer Klippe der Zusammenarbeit vorbeizukommen
und nach beliebiger Weise Union zu machen, dann bauen wir noch.
Das gleiche gilt, wenn wir sagen: "Wir könnten zusammenkommen, wir
können's aber auch lassen." Wenn wir aber gebaut worden sind auf den
einigen Eckstein, dann verfügen wir weder über Gottes Wort noch über uns
selbst. Sondern das Wort Gottes unseres Heilandes verfügt über uns. Das eine Haupt
macht uns zu dem einen Leibe und ermahnt: "Seid fleißig zu halten die
Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens!" Denn das Wesen rechter
Kircheneinheit ist da: "Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch
berufen seid auf einerlei Hoffnung eures Berufs, ein Herr, ein
Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater unser aller." (Eph.
4,3-6)
II.
Wir Christen sind eine Einheit im Geist und
im Wort. Wir brauchen nicht Herzensrichterei zu treiben, um festzustellen, wo
diese unsere göttliche Einigkeit auf dem Plan ist. Wir brauchen uns auch nicht
abzusorgen, ob sie etwa von der Erde ganz ausgewandert ist. Wo immer von dem einen
Fels, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, treulich gelehrt wird - in
kirchlicher Sprache: wo Gesetz und Evangelium recht geteilt und angewandt
werden -; wo immer man nicht selbst regiert, sondern vom Wort Gottes nach
Maßgabe der unverbrüchlichen von Gott nach Inhalt und Wortlaut eingegebenen
Heiligen Schrift regiert wird; wo immer Matthäi am letzten erfüllt wird:
"Gehet hin und lehret (machet zu Jüngern) alle Völker und taufet sie im
Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten
alles, was ich euch befohlen habe, und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an
der Welt Ende", da ist die Einheit. Da sind die Kennzeichen,
daß die Kirche da ist. Denn das Evangelium kommt nie
leer zurück. Da sind die Wahrzeichen, daß die
Kirche so da ist, wie Christus sie gestiftet hat: als seine eine reine,
gehorsame Braut. Er läßt sagen: "Ihr seid teuer
erkauft, werdet nicht der Menschen Knechte". (1. Kor. 7,23) Er spricht
selbst zum Abschied "Einer ist euer Meister, Christus, ihr aber seid alle
Brüder" (Matth. 23,8); "so ihr bleiben
werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger" (Joh. 8,31).
So sagt darum auch das Grundbekenntnis
unserer Kirche, die ungeänderte Augsburgische
Konfession, im 7. Artikel:
"Es wird auch
gelehrt, daß allezeit müsse eine heilige
christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller
Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen
Sakramente laut des Evangelii gereicht werden. Denn
dies ist genug zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirche, daß
da einträchtiglich nach reinem Verstand das
Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht
werden. Und ist nicht not zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirche, daß allenthalben gleichförmige Zeremonien, von Menschen
eingesetzt, gehalten werden, wie Paulus spricht Eph. 4,4.5: "Ein
Leib, ein Geist, wie ihr berufen seid zu einelei
Hoffnung euers Berufs, ein Herr, ein Glaube, eine
Taufe.""
Kirchliche Einheit erweist sich also gerade
nicht in dem, worin weltliche Einheit liegt, daß man
gleiche äußerliche Ziele hat, gleiche Sitten, Gebräuche, Ordnungen anerkennt,
die gleiche Geschichte hat, gar gleiche politische Ansichten hätte usw. Sie
liegt in Gott, in Christus, im Geist und Wort der Wahrheit. Sie wird im Herzen erfaßt, kommt im Bekenntnis zum Ausdruck. (Joh. 17)
Weltkriege und Weltanschauungskriege zertrennen sie nicht, einerlei, auf
welcher Seite wir unsern harten bürgerlichen Dienst zu tun haben. Große
Schwachheit des Lebens muß und kann gegenseitig
getragen werden, wenn nicht die Herrschaft Christi grundsätzlich in Frage
gestellt wird. (1. Thess. 5,14) Auch in der Lehre Schwache sind zu tragen und
zu stärken. Aber grundsätzlicher Widerspruch gegen die Lehre des göttlichen
Wortes kann nicht geduldet werden in der heiligen christlichen Kirche. Da gilt:
"Ich ermahne euch aber, liebe Brüder, durch den Namen unseres Herrn Jesu
Christi, daß ihr allzumal einerlei Rede führt und
lasset nicht Spaltungen unter euch sein, sondern haltet fest an einander in einem
Sinn und einerlei Meinung." (1. Kor. 1,10) Wie wenig falsche Lehre unter
dem Vorwand, die Liebe fordere Toleranz, geduldet werden kann, erfährt der
heutige unkirchliche Mensch mit Schrecken, wenn er Gal. 1,8 liest: "Aber
so auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders,
denn das wir euch geprediget
haben, der sei verflucht" oder aus Christi eigenem Mund hört: "Die
Schrift kann nicht gebrochen werden". (Joh. 10,35) Jede Unionskirche, die
im Namen der Liebe Einheit ausruft, ohne einheitliches Bekenntnis der ganzen
seligmachenden Wahrheit zum Fundament zu machen (Eph. 2,20), ist in diesem
ihrem Tun eine Versammlung von Bauleuten, die den rechten Bau- und Eckstein
verwerfen. (Ps. 118,22 a) Eine Einheit neben dem Grund hebt die Einheit auf
dem Grund auf. In jeder herrschenden falschen Lehre und in jeder
Gleichgültigkeit gegen falsche Lehre, in jeder Form des heute die äußere
Christenheit überflutenden Unionismus erheben sich
die Menschen der Kirche in eitler Selbstherrlichkeit, als "Übermenschen",
die selbst bauen wollen. Da soll denn der vom Heiligen Geist geleitete Christ,
da soll denn die rechte Gemeinde kindlich nach Röm. 16,17 handeln: "Ich
ermahne euch, liebe Brüder, daß ihr aufsehet auf die,
die da Zertrennung und Ärgernis anrichten neben der Lehre, die ihr gelernt
habt, und weichet von denselbigen."
Daraus folgt, daß
die Menschen sich zwar gegen die Einheit der Kirche versündigen, sie aber nicht
bauen können und daß gerade der falsche Unionismus die echte wahre Einheit der Kirche zerstört.
Gehört doch zum rechten Bau der Kirche Gottes Finger. Da jede Gemeinde und jede
Kirchengemeinschaft unter der Verpflichtung der einen Kirche Christi steht, so ergibt sich, daß die
sichtbare Einigkeit, auf die es praktisch ankommt (nämlich Kanzel- und
Abendmahlsgemeinschaft und treue gegenseitige Hilfe nach der Liebe), aus
Zweckmäßigkeitserwägungen heraus weder gestaltet noch abgelehnt werden kann.
Praktisches kirchliches Zusammengehen - das allerdings unter den
verschiedensten Formen vor sich gehen kann - muß
Ausdruck des geistlichen Einsseins im Glauben und Wort sein. Und wo der Heilige
Geist dies höchste Geschenk gibt, da muß man sich mit
Wort und Tat zueinander bekennen. Da hört ein unverbindliches Nebeneinander
auf. Wo man auf Gottes Weg zueinander geführt wurde, hat man das höchste Wunder
erfahren und erlebt, das Christus uns hier kosten läßt
bis zum Einzug in das himmlische Reich, wo wir die selige Einheit ewiglich
schauen.
...
MISSION UND KIRCHE
Wilhelm M. Oesch D.D.
(Referat, gehalten bei der Synode des Nördlichen
Bezirks der Evangelisch-Lutherischen Freikirche
am 27. und 28. August 1951 in Hörpel )
(Wenn auch einige Ausführungen dieses
Referats, naturgemäß, zeitbedingt sind, nämlich die Zeitaufnahmen aus dem
Ringen um die Stellung der Hermannsburger Mission,
die inzwischen gänzlich an die Landeskirche verloren ist und ganz den Irrweg
derselben geht, so ist das Referat insgesamt, mit seinen Thesen und deren
Erläuterungen, ein wichtiges Dokument bibel- und bekenntnistreuer lutherischer
Missionstheologie und daher von bleibender Bedeutung. Anm. d. Hrsg.)
Verehrte
Synodalversammlung, teure Brüder und Schwestern!
Wir stehen in entscheidungsvoller Zeit, und
zwar gerade als lutherische Freikirche. Wie jeder weiß, hat sich um uns herum eine
unierte Kirche ganz Deutschlands gebildet, die jeder sogenannten lutherischen
Landeskirche und auch der sogenannten Vereinigten Ev.-Luth. Kirche Deutschlands
übergeordnet ist, auch allen Gliedkirchen in irgendeiner Form das Barmer
Unionsbekenntnis und die Interkommunion aufgedrängt hat.1
Den geschichtlichen und gesellschaftlichen Druck, den dies Gebilde schließlich
auf unsre Freikirche ausüben mag, ermessen wir noch nicht. Wir ahnen auch noch
kaum, was der darum gelegte noch größere unierte Ring der Ökumene, des World
Council of Churches, an
Gefährdung bringt, dem sich auch die meisten sogenannten lutherischen Kirchen
des Auslandes angeschlossen haben. Wir überblicken auch die Entwicklung in der
amerikanisch-lutherischen Kirche noch nicht.2
Ob neue politische Ereignisse alles ruhige Weiterwachsen erneut stören werden,
weiß nur Gott. Wir sehen aber, dass uns noch eine Atempause vergönnt ist, unser
freikirchliches Haus in richtiger Weise auf den Felsengrund des göttlichen
Wortes zusammenzubauen und durch Gottes Gnade zusammenwachsen zu lassen. Wir
bitten: „Heilige uns in Deiner Wahrheit; Dein Wort ist die Wahrheit.“ Joh.
17,17.
Gottes Wort, das sowohl im Gesetz wie im
Evangelium mit dem Anspruch absoluter Autorität an uns herantritt, will in der
Kirche allein herrschen. Die Kirche ist auf das Wort gebaut, sie wird durch das
Wort gesammelt, genährt und erhalten. Sie wird auch nur durch das Schwert des
Geistes verteidigt, durch das Gotteswort, von dem wir rühmen: „Das Wort sie
sollen lassen stahn.“ Am Wort und Sakrament allein
wird überhaupt an einem Ort erkannt, dass die Kirche als Gemeinde der Gläubigen
vorhanden ist, da man niemand ins Herz schauen kann, das im Schwange gehende
Wort aber nie an einem Ort ohne Frucht zurückkommt. An der Alleinherrschaft des
Wortes in einer Gemeinde und Kirche wird offenbar, dass Christus dort allein
regiert und nicht zweierlei Fahnen über solcher Gemeinde, solcher Kirche wehen,
zweierlei Gefolgschaft, die Christi und die Belials,
dort öffentlich angeworben und zum Kampf eingesetzt wird, dass das Haus nicht
mit sich selbst uneins und abbruchreif ist. Soll unsere lutherische
Bekenntniskirche in ganz Deutschland, aus den vereinigten Freikirchen
bestehend, nicht auch nur eine betonter lutherisch gefärbte
Union sein, so darf gerade bei uns das Bekenntnis, die Herrschaft der
reinen göttlichen Wahrheit, nicht auf dem Papier stehen.3
Ihr muss nicht nur unbeschränkt die rechtliche Geltung, die Herrschaft de iure, eingeräumt werden, sondern tatsächlich, de facto,
muss die Wahrheit herrschen. Kein grundsätzlicher Widerspruch, kein
grundsätzlicher Ungehorsam darf geduldet werden, nach den Worten Christi:
„Niemand kann zwei Herren dienen. Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich.“ (Matth. 6,24; 12,30)
Soll z.B. die Verkündigung bekenntnistreu
sein, so muss auch die Ausbildung der Diener am Wort hierfür, soweit möglich,
gewissenhaft Gewähr leisten, so muss die Theologie bekenntnistreu und gegenüber
den Widersprechern im Raum um uns herum selbständig sein. Dann muss aber auch
die gesamte kirchliche Praxis, das Handeln von Kirchenwegen, von einem
Punkt, vom Bekenntnis aus, bestimmt und ausgerichtet sein. Dieses lautere
Bekenntnis muss auch bei der Ausbreitung der Kirche nach außen, bei dem Werk
der Mission, Kaiserin sein. Hier liegen, von der Vergangenheit her, z.T. noch
unklare, dem Wahrheitszeugnis widerstrebende, Schwebezustände vor, die in
Zukunft überwunden werden müssen, wenn nicht Union siegen, Konfession oder
Bekenntniskirche aber erliegen soll.4
Darum sei zwar mit besonderem Blick auf die
Heidenmission, aber nicht ohne Anwendung auch auf allerlei sonst mit
Missionszielen verknüpften Bünden und Organisationen, dies heute und morgen das
Thema der Lehrverhandlungen:
MISSION UND KIRCHE
Dazu das Unterthema: Mission ist Kirchensache
und gemeinsame Mission setzt Bekenntniseinheit voraus.5
Es sei gestattet, erst alle Lehrsätze zu
verlesen:
1. den Auftrag und die Träger betreffend:
Der
Missionsauftrag der Kirche drängt über die Einzelgemeinde hinaus zu übergemeindlichem,
gemeinschaftlichem Werk. Matth. 28,19 f.; Apg.
8,14 ff.; 9,31; 13,1 ff.; Gal. 2,6-10; Eph. 4.
2. die bekenntnismäßige Voraussetzung
betreffend:
Gemeinschaftliche
Mission setzt Bekenntniseinheit [besser: Kirchengemeinschaft in
Lehreinheit, Anm. d. Hrsg.] in Lehre und
Praxis voraus, denn Christi Missionswerk überhaupt ist seiner Natur nach
kirchlich, d.h. es ist nicht bloß eine Äußerung privater christlicher
Frömmigkeit, sondern stets und überall Sache des öffentlichen Bekenntnisses der
Wahrheit. Matth. 28,19 f.; Gal. 2; Eph. 2,20.
3. den heutigen gefährlichsten Angriff
Satans betreffend:
Gemeinsame
Ausbreitung des Evangeliums ohne volle Einigkeit in der Wahrheit ist daher Unionismus, Religionsmengerei.
Gal.
1,8 f.; 2. Joh. 10 f.; Gal. 5,9; Röm. 16,17; 2. Kor.
6,14 ff.; 2. Thess. 3,6.14 f.
4.
die Anwendung auf Gesellschaften der äußeren Mission betreffend:
Sind
rechtgläubige Christen durch ihre Geschichte oder sonst noch mit bloß nominell
rechtgläubigen, in Wirklichkeit aber unionistisch gebundenen
Missionsunternehmungen verbunden, so ist in einer begrenzten Übergangszeit
unter klarer Protesthaltung – Bewährung im status confessionis – alles zu tun, um die Alleingeltung des
Bekenntnisses durchzusetzen. Ist dies nicht möglich oder könnte der öffentliche
Gewissensprotest (die Treue im status confessionis) gegenüber der Unionsbindung nicht aufrecht erhalten werden oder als solcher wirksam bleiben,
und wäre so eine Verleugnung unvermeidlich, so ist das Band zu lösen, bzw. muss
der Austritt erfolgen. Maßgebend für die Beurteilung einer Missionsgesellschaft
ist auch nicht nur deren erklärte Stellung zu Schrift und Bekenntnis, sondern
zugleich deren Praxis. Arbeitet z.B. eine Missionsgesellschaft im Rahmen der
VELKD oder einer Gliedkirche der EKD, so steht sie damit von vorneherein in
Unionsbindung und befindet sich in sofern schon in
offenkundigem Widerspruch zum lutherischen Bekenntnis. Folgt aus 2) und 3),
verglichen mit Luk. 11,23; 2. Ko4. 10,4-8; 13,8 – Konk.Formel
X.
5. die Anwendung auf sonstige Formen und
Erscheinungen sogenannter Zusammenarbeit betreffend:
Zwischen gemeinschaftlicher Ausbreitung des Evangeliums und
gelegentlicher beschränkter Zusammenarbeit in äußeren Dingen (cooperatio in externis) ist
sorgfältig zu unterscheiden. Letztere darf nie falsche Lehre bemänteln oder ihr
den Weg bereiten. Echte Liebe steht nur im Dienste Christi und der wahren
Einheit der Kirche. Folgt aus 2) und
3), verglichen mit 1. Kor. 5,12 f.; Tit. 3,1 f.14; Joh. 17; Eph. 4 – Konk.Formel X.
I.
Lehrsatz 1 lautet: Der Missionsauftrag der Kirche drängt über
die Einzelgemeinde hinaus zu übergemeindlichem, gemeinschaftlichem Werk.
Ich beginne gleich mit dem „Missionsauftrag
der Kirche“, nicht mit dem des einzelnen Christen. Selbstverständlich soll
jeder Christ Missionar sein. Aber wer Christ wird, ist damit schon
eingebaut und eingegliedert in den Leib Christi. Einzelchristentum in
einem grundsätzlichen Sinn gibt es nicht. Und die Schlüssel des Himmelreichs
sind überhaupt niemals einem Einzelnen für sich gegeben6.
Deshalb beginnen wir mit der Gemeinde.
Es ist nun zunächst festzuhalten, dass jede
christliche Ortsgemeinde auch für sich Kirche Christi ist, selbst wenn Umstände
sie von der Betätigung christlicher Gemeinschaft mit anderen Gemeinden
äußerlich völlig abschneiden sollten. Auch dann noch hat sie die Macht, das
Predigtamt aufzurichten und alle Gnadenmittel zu verwalten. Christus spricht Matth. 18,18 ff.: „Sage es der Gemeinde. Wahrlich, ich sage
euch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und
was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein. … Denn wo zwei
oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Wo
Christus ist, ist alle Vollmacht. Wo immer Wort und Sakrament im Schwange
gehen, da ist die Gemeinde, bei der Christus selbst ist.
Jede
Gemeinde ist als Kirche grundsätzlich Missionsgemeinde, Missionskirche. (Hervorh. d. Hrsg.)
Eine Gemeinde, die Wort und Sakrament nur zur Erbauung in der eigenen Mitte und
nicht zur Ausbreitung unter Juden und Heiden hätte, kann es gar nicht geben, da
es kein an besondere Personen, Orte, Einrichtungen und Mächte gebundenes Wort
Gottes gibt. 2. Tim. 2,9 spricht Paulus: „Aber Gottes Wort ist nicht gebunden.“
Der eine Mittler, der sich für alle gegeben hat zur Loskaufung, dass solches zu
seiner Zeit gepredigt würde (1. Tim. 2,5), hat bei seiner Erhöhung sein Wort
grundsätzlich für alle Welt in Kurs gesetzt.
Das zeigt der große Reichs- und
Missionsbefehl am Ende aller Evangelien, sonderlich die ausführliche Wiedergabe
desselben Matth. 28,18 ff..
Ich gebe zwei Worte gleich nach dem Griechischen: „Mir ist gegeben alle Gewalt
im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet alle Völker zu
Jüngern und taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes und lehret sie (fest- und inne-) halten alles, was ich euch
befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Bis
zum Jüngsten Tag hat die weltweite Sendung, die Mission der Christenheit
weiterzugehen. Von allen Christen in allen Gemeinden sollen alle Menschen so
angesehen werden, wie Paulus sie 2. Kor. 5,14 ansieht: „Ist einer (Christus)
gestorben, so sind sie alle gestorben.“ Also nicht als bloße Nebenmenschen
sind die Personen von mir zu betrachten, mit denen ich es zu tun habe, die mich
angehen, die mit mir zu erschaffen und erlöst sind, ja alle Welt,
sondern als Seelen, für die Christus gestorben ist, denen das Heil im Sohn zu
verkündigen ist, sollen sie mir vor Herz und Gewissen stehen. Joh. 20 sagt
Christus zu den Jüngern: „Gleich wie mich der Vater gesandt hat, so
sende ich euch.“ Der Vater aber hat den Sohn der Welt, der Menschheit aller
Zeiten gesandt. Bei Markus im letzten Kapitel heißt es drastisch: „Predigt das
Evangelium aller Kreatur“, sagt’s jedem Menschen, den Gott geschaffen hat!
Daraus ergibt sich einerseits, wessen sich
die christliche Gemeinde in ihrer Umgebung anzunehmen hat. Für alle in der
Umwelt, die nicht mit Wort und Sakrament versorgt werden, ist jede unserer
Gemeinden verantwortlich. Das bloße rechtliche und gesellschaftliche Verhältnis
zu einer Kirche macht die tatsächliche gemeindelose große Mehrzahl unserer
deutschen evangelischen Bevölkerung nicht zu Kirchenmitgliedern. Unseren Gottes reines Wort ausbreitenden Gemeinden gilt
inmitten eines großen, meist dem Glauben entfremdeten Volkes der prophetische
Zuruf: „Zion, du Predigerin, steige auf einen hohen Berg.“ (Jes. 40,9). Die nähere
Missionsadresse ruht aber auf der weiteren: „Gehet hin in alle Welt.“ Die
Schuldigkeit, das Wort weiterzutragen, die in nächster Nähe anhebt, dehnt und
erstreckt sich bis an die Enden der Erde. Über die Pflicht der Heidenmission
brauche ich nichts weiter zu sagen, da es gestern bei Gelegenheit des
Missionsfestes vor größerer Versammlung viel ausführlicher geschah. Darum darf
entsprechend auch der Träger dieses Auftrages nicht vereinzelt, verengt,
örtlich beschränkt gesehen werden.
Die These besagt diesbezüglich: „Der
Missionsauftrag der Kirche drängt über die Einzelgemeinde hinaus zu
übergemeindlichem, gemeinschaftlichem Werk.“
So unzweifelhaft die einzelne christliche
Ortsgemeinde die Hauptzelle bleibt für das gesamte Werk der Mission, so
unzweifelhaft die wichtigste Arbeit immer die dem einzelnen Pastor, dem
einzelnen Christen vor der Tür liegende Arbeit ist, ebenso gewiss nötigt nun
auch das Werk des Herrn rechtgläubige Gemeinden zur Zusammenarbeit gerade bei
der Ausrichtung des großen Auftrags. Eine Gemeinde kann für sich allein ja
nicht einmal für den Pastorennachwuchs in eigener Mitte richtig sorgen, wie am
Tage ist. Christus, ihr Haupt, ist aber zugleich das Haupt der ganzen Kirche:
„Gott hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde über alles [zum über alles
ragenden Haupt der Gemeinde], welche da ist sein Leib, nämlich die Fülle des,
der alles in allen erfüllt.“ (Eph. 1,22 f.) Das eine Haupt verbindet alle
Glieder zu einem Leibe, ist darum auch nach Eph. 4,16 in ihnen allen
wirksam zu gemeinschaftlichem Handeln, den gesamten Leib Christi aufzuerbauen. Gerade bei dem Hingehen in alle Welt, das
Christus im Missionsbefehl der Apostel und der Christenheit, jeder Gemeinde und
jedem Amtsträger zur Pflicht macht, schon bei ernsthafter Heimatmission, erst
recht bei der Heidenmission wird offenbar, dass die räumlich zerteilte Kirche
Christi grundsätzlich eine ist, dass die Christen an einem Ort denen am
andern Ort helfen müssen, die Netze auszuwerfen und des Sohnes Gottes Beute ans
Ufer zu ziehen. Dies Werk ist ein Werk des ganzen Leibes Christi. So war’s von
Anbeginn. Das zeigte nicht nur der bereits behandelte Missionsbefehl mit seinen
Bestimmungen: „in alle Welt“, „allen Völkern“. Das zeigen auch die weiteren
Schriftstellen, auf die unser Leitsatz sich beruft, die uns einen Einblick in
die Ausführung desselben in apostolischer Zeit gewähren. In Apg. 8,14 ff. wird
uns berichtet, dass sich die Gemeinde in Jerusalem der durch den Evangelisten Philippus
neugegründeten Missionsgemeinde zu Samaria alsbald annahm, sogar die hohen
Apostel Petrus und Johannes dorthin entsandte. Apg. 9,31 ist von einer
Kirche oder Gemeinde die Rede mit dem Zusatz „durch ganz Judäa und Galiläa und
Samaria“. Die Stelle ist ein unauffälliger, aber klarer, Beweis, dass immer in
allen Gemeinden die eine Kirche zu sehen ist, deren Haupt Christus ist,
deren Geschick und Werk zusammenhängt. Apg. 13,1 ff. lesen wir, dass die vom
Heiligen Geist bestimmten Heidenmissionare, der Apostel Paulus und der
Apostelgehilfe Barnabas, obschon hier unmittelbare Berufung vorlag, unter
Fasten, Beten und Handauflegen von der Gemeinde zu Antiochien ausgesandt
wurden, dass somit die antiochenische Gemeinde gleichsam die Verantwortung
einer ersten Muttergemeinde der Heidenmission übernahm. D.h. sie unterzog sich
gesamtkirchlicher Verantwortung und Pflicht, wirkte auch hernach mit den neuerstehenden
Gemeinden auf dem Missionsfeld zusammen. Gal. 2,6-10 zeigt uns, dass die große
Heidenmission des Paulus in brüderlicher Verbundenheit mit der Arbeit an den
Juden getan wurde. Denn die beiden hohen Vertreter der beiden Missionszweige
gaben sich die „rechte Hand der Gemeinschaft“. Das schloss in der Folge sowohl
die persönliche Unterstützung als auch Liebesgabenspenden ein.
Hiermit wäre der erste Teil des Unterthemas
„Mission ist Kirchensache“ besprochen.
Der zweite Teil oder Satz des Unterthemas
ist das eigentliche Ziel dieser Arbeit und schließt sich dem Vorstehenden wie
folgt an: „Da Mission Kirchensache ist, so setzt gemeinsame Mission
Bekenntniseinheit voraus.“
II.
Wir kommen also zur zweiten These, die
bekenntnismäßigen Voraussetzungen betreffend. Zu ihr fügen wir gleich die
dritte These hinzu, die den heute gefährlichsten Angriff Satans aufweist.
These 2 lautet: Gemeinschaftliche Mission setzt Bekenntniseinheit in Lehre und Praxis
voraus, denn Christi Missionswerk überhaupt ist seiner Natur nach kirchlich,
d.h. es ist nicht bloß eine Äußerung privater christlicher Frömmigkeit, sondern
stets und überall Sache des öffentlichen Bekenntnisses der Wahrheit.
These 3: Gemeinsame Ausbreitung des Evangeliums ohne volle Einigkeit in der
Wahrheit ist daher Unionismus, Religionsmengerei.
Geht es um gemeinsame kirchliche Arbeit, so
muss zunächst etwas darüber gesagt werden, wie die Kirche oder Gemeinde, die ja
aus allen Gläubigen, aber nur den Gläubigen, besteht, erkennbar wird. Die
Kirche Christi auf Erden ist keine dem diesseitigen Blick zugängliche Größe.
„Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden“, Luk. 17,20. Wenn daher
von der Ausbreitung der Kirche in der Apostelgeschichte die Rede ist, heißt es
zu wiederholten Malen: „Das Wort Gottes wuchs“ (6.7; 12,24; 19,20). Der Sieg
der Kirche ist Sieg des Wortes, das Neuland einnimmt. Das Wort aber kann man
mit Sicherheit äußerlich feststellen, nicht den Glauben.
In dem Augenblick, in dem das Wort Gottes
teilweise, aber nicht völlig, verfälscht wird – was Satan geradezu als sein
Hauptmittel zur Zerstörung des Reiches Gottes ansieht – entsteht allerdings
eine äußerst widerspruchsvolle Lage. Ist z.B. die Taufe noch recht, nämlich dem
vernommenen Reichsbefehl entsprechend eine Taufe auf den Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes, so kann nicht geleugnet werden, dass die
so getauften und noch in der Taufgnade stehenden Kindlein im Reich
Gottes, in der Kirche sind. Wir schweigen von anderen Stücken des Evangeliums,
die da, wo die rechte Taufe ist, auch noch vorhanden sind. Aber welche
seelengefährlichen und gotteslästerlichen Irrtümer bestehen z.B. in der
römischen Kirche daneben! Welche Werklehre, welche Leugnung der Genugsamkeit des Verdienstes Christi, welche abgöttische
Menschenanbetung und Menschenherrschaft! Will Christus, dass wir eine
Organisation, in der noch die Kirche vorhanden ist, die aber daneben die
Irrlehre vertritt, die der Feind hervorgebracht hat und die das Feindreich
baut, auch öffentlich als Kirche, als Schwesterkirche, anerkennen? Ich betone
die entstandene Lage: In der Organisation ist noch Kirche vorhanden,
weil auch noch Evangelium zu Worte kommt, Sakramente noch da sind und wirken,
und die Organisation kann auch noch Kirche genannt werden. Sie heißt falsche
Kirche, also bei aller Verfälschung noch Kirche, weil sie noch das Amt des
Evangeliums besitzt; doch der Irrtum läuft daneben, schlägt der Wahrheit
beständig ins Angesicht, baut das Gegenreich! Will Christus nun, wenn so noch
das Dasein der Kirche in betreffenden Haufen durch Wirkung des Heiligen Geistes
und der Liebe anzunehmen ist, dass wir trotz öffentlich vertretener Irrtümer,
ja Lästerungen (welcher hartnäckige Lehrirrtum wäre keine Lästerung?)
die betreffende Organisation als solche kirchlich anerkennen? Täten wir’s, so
könnten wir nicht umhin, den Irrtum mit anzuerkennen. Das aber ist uns aufs
strengste vom HERRN verboten.
Unter unserem dritten Leitsatz sind
besonders deutliche Stellen ausgegeben, die dieses Verbot aussprechen und
einschärfen. Voraus gehe ihnen die nicht vorgemerkte Stelle Matth.
7,15, wo Christus spricht: „Sehet euch vor vor
den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig
aber sind sie reißende Wölfe!“ Dazu hören wir jene in der Vervielfältigung
angegebenen apostolischen Stellen zum dritten Leitsatz: Gal. 1,8 f: „Aber so
auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, als das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht! Wie wir
jetzt gesagt haben, so sagen wir auch abermals: So jemand auch Evangelium
predigt anders, als das ihr empfangen habt, der sei verflucht!“ Der Apostel der
Liebe, Johannes, sagt in den Versen 9-11 seines kurzen zweiten Briefes: „Wer
übertritt (weitergeht, Fortschrittler ist) und bleibt nicht in der Lehre
Christi, der hat keinen Gott; wer in der Lehre Christi bleibt, der hat beide,
den Vater und den Sohn. So jemand zu euch kommt und bringt diese Lehre nicht,
den nehmt nicht ins Haus und grüßt ihn auch nicht. Denn wer ihn grüßt, der
macht sich teilhaftig seiner bösen Werke.“ Gal. 5,9 findet sich dazu, und zwar
eindeutig von der Lehre ausgesagt, das inhaltsschwere warnende Wort:
„Ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig.“ VomKatechismus her ist Röm. 16,17 bekannt: „Ich ermahne
euch, liebe Brüder, dass ihr aufsehet (euer Augenmerk genau richtet) auf die,
die Zerstreuung und Ärgernis anrichten neben der Lehre, die ihr gelernt habt,
und weicht von denselben!“ Die beiden letzten Stellen beziehen sich nicht etwa
nur auf die gänzliche, sondern auch auf eine teilweise Verfälschung.
Grundsätzlich ist einer stückweisen Verfälschung genauso zu widerstehen wie
einer radikalen oder restlosen. Denn jeder Gehorsam ist ungeteilt. Wer ihn
teilt oder stückelt oder anderen das Teilen oder Stückeln freistellt, der hat
ihn gekündigt. Endlich weisen wir noch hin auf die große Stelle gegen alle Religionsmengerei, der noch viele andere Weisungen gleichen
Inhalts zur Seite stehen, nämlich 2. Kor. 6,14 ff. Die im Bekenntnis wiederholt
angeführte Stelle lautet: „Zieht nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen,
denn was hat die Gerechtigkeit für Genieß (zu schaffen) mit der
Ungerechtigkeit? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Wie
stimmt Christus mit Belial? Oder was für ein Teil hat der Gläubige mit den
Ungläubigen? Was hat der Tempel Gottes für eine Gleiche (Gleichheit) mit den
Götzen? Ihr aber seid der Tempel des lebendigen
Gottes, wie denn Gott spricht: Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln
und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein. Darum geht aus von ihnen
und sondert euch ab, spricht der HERR, und rührt kein Unreines an, so will ich
euch annehmen und will euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter
sein, spricht der allmächtige HERR.“ Welch eine Vermessenheit, das Verbotene,
nämlich das Beieinanderbleiben, das Zusammenarbeiten der Anhänger der Wahrheit
und der Anhänger des Irrtums, dennoch zu wagen! Ist das aber nicht gerade beim
größten Teil der äußeren Christenheit die selbstverständliche Voraussetzung
alles ihres sogenannten ökumenischen kirchlichen Handelns und Tuns geworden?
Wir können angesichts dieses frevlen Beginnens und
Treibens nicht anders, als den HERRN und Meister, der uns erkauft hat mit
seinem Blut, zu bitten, uns durch den Heiligen Geist in seinem Gehorsam zu
erhalten.
(Nachmittagssitzung.) Wir waren, als wir
abbrachen, damit beschäftigt gewesen, den zweiten Teil des Unterthemas: „Und
gemeinsame Mission setzt Bekenntniseinheit voraus“ zu behandeln. Die Leitsätze
2 und 3 wurden dazu zusammengenommen, und es wurden zunächst die großen
Lehrsitze (sedes doctrinae)
besprochen, die unter der dritten These stehen. Sie wandten sich gegen
die Verfälschung der Lehre Christi und gegen jede Zusammenarbeit mit
Verfälschern. Wir fahren fort:
Nicht unwichtig ist aber, was die Schrift
über die Art und Weise des Vorgehens gegen Gehorsamsverweigerer sagt. Unser
HERR will seelsorgerliche Gemeinde- und Kirchenzucht, Lebens- und Lehrzucht.
Daher kennt die Schrift – um erst ein Beispiel aus der Lebenszucht zu bringen –
zunächst noch die Zwischenstufe zwischen dem Ausschluss Unbußfertiger aus der
christlichen Ortsgemeinde und der vollen ungestörten Gemeinschaft. 2. Thess.
3,6 und 14 f. lesen wir: „Wir gebieten euch aber, liebe Brüder, in dem Namen
unseres HERRN Jesus Christus, dass ihr euch entzieht von jedem Bruder,
der da unordentlich wandelt und nicht nach der Satzung, die er von uns
empfangen hat.“ Das wird acht Verse weiter wiederholt: „So aber jemand nicht
gehorsam ist unserem Wort, den zeigt an durch einen Brief (genau: wenn aber
jemand unserm Wort in dem Brief nicht gehorcht, den merkt euch!) und habt
nichts mit ihm zu schaffen, auf dass er schamrot werde; doch haltet ihn
nicht als einen Feind, sondern ermahnt ihn als einen Bruder.“ Das
entspricht der Weisung und dem Geist von Matth. 18,15
ff. Die Art und Weise des rechten Vorgehens in Lehrsachen entspricht
demselben Geist. Selbst wo es um offenkundige grobe Irrlehre geht, heißt es:
„Einen ketzerischen Menschen meide, wenn er einmal und abermals ermahnt ist.“
(Tit. 3,10) Das hindert jedoch nicht, dort gleich öffentlich zu strafen,
wo der Widerspruch selbst in aller Öffentlichkeit hervortritt und Gefahr im
Verzug ist. Dann befiehlt Gott dem Einreißen des Irrtums frisch und hurtig zu
wehren und unverzüglich ein Exempel zu statuieren, und zwar eben wieder aus
echter Liebe, der Gemeinde und Kirche wegen. Davon heißt es 1. Tim. 5,30: „Die
da sündigen, die strafe vor allem, auf dass sich auch
die andern fürchten.“
Aus all den angeführten Zeugnissen geht
hervor, dass es dem HERRN Christus mit der Einheit und Reinheit der Lehre und
mit dem ungeteilten Gehorsam gegenüber seinem Wort in seiner Kirche ein
heiliger Ernst ist. Bei aller seelsorgerlichen Liebe, mit der Gott gegen die
Personen vorzugehen gebietet, setzt Gott dennoch sein Entweder – Oder. Denn die
Kirche ist „erbaut auf dem Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus
der Eckstein ist“, Eph. 2,20. An diesem Grund ist nicht zu rütteln. Im
Reichsbefehl heißt es: „Macht zu Jüngern alle Völker!“ „Lehrt sie halten alles,
was ich euch befohlen habe.“ Obwohl mit Schwachen Geduld zu üben ist, ist
Irrlehre und grundsätzlicher Ungehorsam gegen Gottes Wort nicht zu dulden.
Weiter: Weil Christi Reich Wahrheitsreich
ist, haben auch Mitteldinge, die Gott weder geboten noch verboten hat, die zur
Ehre Gottes, nach der Liebe, zum Heil des Nächsten einmal so und dann wieder
anders eingerichtet und geordnet werden können, unter Umständen eine
Bekenntnisbedeutung. Sie hören nämlich in dem Augenblick auf, Mitteldinge zu
sein, wo sie in den Kampf um die Wahrheit des Evangeliums mit einbezogen
werden. So war die Beschneidung im AT geboten. Das fiel mit der Gründung der
christlichen Kirche zu Pfingsten weg. Ebenso erging’s allen anderen
Bestimmungen des mosaischen Zeremonialgesetzes. Sie standen frei. Sie waren
aber auch den Christen nicht verboten. Wir sehen Petrus noch die Speisegebote
beachten, Apg. 10. Und Paulus lässt sich nach der dritten Missionsreise noch im
Tempel reinigen, Apg. 21. Noch auf der zweiten Missionsreise hat er den
Timotheus, den er in der Missionsarbeit in dem starb von Juden bewohnten
Kleinasien gebrauchen wollte, beschnitten, damit der Arbeit kein unnötiges
Hindernis entstehe, Apg. 16,3. – Gal. 2 aber lesen wir (Verse 1 ff.): „Darnach,
über 14 Jahre, zog ich abermals hinauf nach Jerusalem mit Barnabas und nahm
Titus auch mit. Ich zog aber hinauf aus einer Offenbarung und besprach mich mit
ihnen über das Evangelium, das ich predige unter den Heiden, besonders aber mit
denen, die das Ansehen hatten, auf dass ich nicht vergeblich liefe oder
gelaufen wäre. Es ward aber auch Titus nicht gezwungen, sich beschneiden zu
lassen, obwohl er ein Grieche war. Denn da etliche falsche Brüder sich auch
eingedrängt hatten und neben eingeschlichen waren, auszukundschaften unsere
Freiheit, die wir haben in Christus Jesus, dass sie uns gefangen nähmen, wichen
wir denselben nicht eine Stunde, untertan zu sein, auf dass die Wahrheit des
Evangeliums bei euch bestünde.“ Und den Galatern, denen ebenfalls die
Beschneidung von falschen Lehrern aufgedrängt werden sollte als zur Seligkeit
nötig, kann der Apostel Paulus hernach zunächst grundsätzlich zurufen (5,1.2):
„So besteht nun in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat, und lasst
euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen“, und die eindeutige
Anwendung folgen lassen: „Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wo ihr euch
beschneiden lasst, so ist euch Christus nichts nütze.“ In seinem Bericht im
zweiten Kapitel des Galaterbriefes aber führt Paulus nach dem Handel mit Titus
noch ein bedeutsameres Beispiel seines eigenen Verhaltens ein, indem er von
Vers 11 an uns sonst Unbekanntes erzählt: „Da aber Petrus gen Antiochien kam,
widerstand ich ihm unter Augen; denn es war Klage über ihn gekommen. Denn
zuvor, ehe etliche von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden: da sie aber kamen,
entzog er sich und sonderte sich ab, darum, dass er die aus der Beschneidung
fürchtete. Und mit ihnen heuchelten auch die Juden, also dass auch Barnabas
verführt wurde, mit ihnen zu heucheln. Aber da ich sah, dass sie nicht richtig
wandelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Petrus vor allen
öffentlich: So du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch,
warum zwingst du denn die Heiden, jüdisch zu leben?“ Am Ende der Rede heißt es:
„Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn so durch das Gesetz die
Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.“ (Gal. 2,21) Wir
sehen: Die Mitteldinge der Beschneidung und Beobachtung der Speisegebote hörten
in dem Augenblick auf, solche zu sein, als man sie für nötig erklärte, als ihre
Beobachtung die Geltung des reinen Evangeliums beeinträchtigte. In diesem
Augenblick musste auch alle Rücksicht auf die Einstellung anderer Menschen und
die Erhaltung des kirchlichen Friedens schwinden. Und Paulus redet hier ganz
betont grundsätzlich, und zwar durch den Heiligen Geist. Die Bekenntnispflicht
ist höchste Pflicht nach dem ersten Gebot: „Du sollst nicht andere Götter haben
neben mir.“ und nach der ersten Bitte: „Geheiliget
werde dein Name!“ und auch nach dem zweiten Gebot: „Du sollst den Namen deines
Gottes nicht vergeblich führen.“ Dieser Pflicht kann nicht die Liebe zum
Nächsten entgegen treten, denn die zweite Tafel steht unter
der ersten. Der Nächste ist nicht, wie Gott, anzubeten. Deshalb ist in Mitteldingen
zwar immer, wenn es möglich ist und frommt, um der Liebe willen andern zu
weichen. Die Rücksicht auf das Wohl anderer ist über den eigenen Willen zu
setzen, wie Paulus einmal sagt: „Ich bin den Juden ein Jude; ich bin jedermann
allerlei geworden, auf dass ich allenthalben ja etliche selig mache.“ (1. Kor.
10,20.22) Wenn es aber um die Wahrheit des Evangeliums geht, ist nicht zu
weichen. Die Kirche Christi ist ihrem innersten Wesen nach Bekenntniskirche,
Leib des Königs der Wahrheit. Diesem ihrem Wesensgesetz kann nichts über- oder
auch nur nebengeordnet werden. Ihm dient alles. –
In diesem Zusammenhang werfen Unverständige
und Ahnungslose immer wieder die an sich überflüssige Frage auf, ob nicht etwa
ein Missionswerk von dieser Forderung, dass das reine Bekenntnis in der Kirche
rechtlich und tatsächlich regiere, ausgenommen werde kann. Hinter dieser Frage
verbirgt sich der Angriff Satans, der augenblicklich wohl der verschlagenste und listigste ist. Der Wortlaut der
Leitsätze 2 und 3 bringt die Antwort.
Die Antwort lautet selbstverständlich:
„Nein!“ Die Mission kann in keiner Weise aus der Wesensbestimmung, aus dem
Gesetz, unter dem die Kirche steht, herausgenommen werden. Sie ist Ausführung
des kirchlichen Werkes überhaupt, keine Sache für sich. Die Kirche ist in allen
Dingen bezogen auf das Haupt. Isoliertes, Losgelöstes gibt es nicht. Das ist
nun Mission, dass dem HERRN Seelen durch Wort und Sakrament gewonnen und damit
um Wort und Sakrament zu christlicher Gemeinde gesammelt werden nach dem
Befehl: „Weide meine Schafe! Weide meine Lämmer!“ Christus will aber, dass
nicht Gift mit verabreicht wird, dass Wort und Sakrament rein behalten und rein
ausgeteilt werden und dass wir uns gegenüber dem Evangelium keiner Verleugnung
schuldig machen. Bekenntniseinigkeit und –gebundenheit
ist deshalb, wie bei der Versorgung der bereits Gesammelten, so auch bei aller
in neue Gebiete vorstoßenden Missionsarbeit zu fordern. Das ganze Werk des
Gewinnens und Bewahrens der Seelen ist ein einheitliches und fällt unter den
einen Reichsbefehl. Es stellt dar die eine unzertrennlich zusammengehörende
Funktion oder Verrichtung der heiligen Kirche, die Gnadenmittel rein zu
handhaben, in denen Christus selbst kommt. Das gilt dem Pastor, das gilt dem
Missionar, das gilt der alten, das gilt der jungen Gemeinde, das gilt der
Kirchen-, das gilt der Missionsleitung.7
Die Auf- und Annahme des ganzen heilsamen Wortes ist alsbald auch neugewonnenen
Christen als Wille des guten Hirten vorzustellen. Sie treten ein in des HERRN
Volk und Schar. Sein Hirtenwort gilt allen, den Neubekehrten und den Längstgläubigen der Herde: „Meine Schafe hören meine Stimme
und sie folgen mir. … Eines Fremden Stimme aber hören sie nicht.“
Wir weisen einfach nochmals hin auf den
Wortlaut des Missionsbefehles nach dem Griechischen: „Gehet hin und machet zu
Jüngern alle Völker und taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes
und des Heiligen Geistes und lehret sie [fest und inne] halten alles,
was ich euch befohlen habe.“ Jeder Christ sieht hier auf den ersten Blick die
unauflösliche Verknüpfung des Werkes der Mission mit dem Werk der Kirche
überhaupt. Er sieht weiter die Bindung aller Wortverkündigung und aller
Sakramentsverwaltung an die von Gott durch die Apostel geschenkte und treu zu
bewahrende Reinheit und Einheit dieses Wortes.
Es kann kein Zweifel walten, es ist
göttliche Wahrheit, was die beiden berührten Leitsätze aussprachen:
(2) Gemeinschaftliche Mission setzt
Bekenntniseinheit in Lehre und Praxis voraus, denn Christi Missionswerk
überhaupt ist seiner Natur nach kirchlich, d.h. es ist nicht bloß eine Äußerung
privater christlicher Frömmigkeit, sondern stets und überall Sache des
öffentlichen Bekenntnisses der Wahrheit.
(3) Gemeinsame Ausbreitung des Evangeliums
ohne volle Einigkeit in der Wahrheit ist daher Unionismus,
Religionsmengerei.
Zu Letzteren noch ein Wort!
Die zweite Schriftstellenreihe: Matth. 7,15; Gal. 1,8 f.; 2. Joh. 10 f.; Gal. 5,9; Röm. 16,17; 2. Kor. 6,14 ff.; 2. Thess. 3,6.14 f.; Titus 3,10 wurde vorangestellt, als wir
oben diese beiden Leitsätze zusammen zu behandeln begannen. Dadurch gewannen
wir vom Verbot her einen eindrucksvolleren Zugang zum Gebot der
Bekenntnisreinheit und –einheit. Hier brauchen
wir nicht die Einzelheiten zum Verbot noch einmal zu bringen. Worin die Sünde
des Unionismus, der von Gott verbotenen Religionsmengerei, besteht, ging aus den angeführten und
besprochenen Stellen der Heiligen Schrift unwidersprechlich hervor. Eben das
ist Unionismus: Dass man das Werk der Kirche, die
Verkündigung des Evangeliums und die Verwaltung der heiligen Sakramente und
damit den Bau der christlichen Gemeinde, sei’s nun bei der Gewinnung und
Sammlung der Seelen, sei’s bei der Erhaltung und Förderung derselben, mit denen
gemeinschaftlich betreibt, die falsche Lehre verkündigen, die Gottes Wort
fälschen. Jedes Zusammenziehen mit Irrlehrern und somit jede grundsätzliche
Arbeitsgemeinschaft mit der Irrlehre, also jedes Dulden derselben, ist ein
Ziehen am fremden Joch, bei dem man bei aller guten Meinung in Wirklichkeit dem
Teufel selbst Vorspanndienste tut, bei der man andere verführt und auch seine
eigene Seligkeit gefährdet, sich in eine von Gott verbotene Abhängigkeit vom
Widersacher Christi, dem Fürsten der Finsternis, begibt. – Nachträgliche
Begriffsbestimmung: Unter Irrlehrern verstehen wir nicht solche, die
gelegentlich einmal etwas Falsches sagen oder in einer Lehrfrage aus
Schwachheit noch etwas unklar sind, sondern solche, die in einem
Glaubensartikel einen Irrtum beharrlich verbreiten, obwohl sie wiederholt aus
dem Worte ermahnt und gestraft wurden. Dann vertreten und verfechten sie den
Irrtum. Haben sie nun eine ganze Gemeinde oder einen größeren Kirchenverband
mit hineingerissen oder sind diese durch geschichtliche Entwicklung allmählich
zu Trägern der Irrlehre geworden, so liegt der Fall, der Scheidung gebietet,
umso klarer.
Blicken wir zurück, so ist zu sagen, dass
unsere These 3 das Ergebnis der Leitsätze 1 und 2 festhält. Die kirchliche
Linie wird folgerichtig durchgeführt, zu Ende geführt. Genau so wie die
Unterhaltung des heimatlichen Predigtamtes, so ist auch die Mission in aller
und jeder Gestalt nichts anderes als „gemeinsame Ausbreitung des Evangeliums“,
wie die dritte These es nennt (sei dies nun die Heimat- und Volks- zusammen der
mit geistlicher Ausrichtung betriebenen Inneren Mission oder Anstaltsmission,
auch Schriftenmission, oder sei es die Heidenmission in der Ferne). Geschieht
solches Werk zusammen mit Kirchen oder Personen, mit denen man in der Wahrheit
nicht ehrlich voll und ganz einig ist, so mengt man die Lehre, praktiziert, was
Gott verboten hat, betreibt Unionismus, Synkretismus,
zu deutsch: Religions- oder Glaubensmengerei.
Die Lunge der Kirche kennt keine Lungenspitzen, in denen dieser Bazillus sich
gleichsam mit Gottes Erlaubnis und mit unverletztem Gewissen des Gottesvolkes
und verschont von der Durchatmung des Sauerstoffes des reinen Wortes ansiedeln
dürfte, wie auch ein gesunder menschlicher Körper nie einen Pestherd
dulden darf. Das Schiff der Kirche darf keine Räume führen, die gegen das
Ganze, das Innere abgedichtet wären. Hier sind Schotten unmöglich.
Die Lehre selbst ist nun, so weit es das Thema erfordert, aus Gottes Wort erhärtet
worden. Wir aber sollen den Willen Gottes nun auch tun. Dazu muss die
göttliche Wahrheit recht angewandt werden. In den Leitsätzen 4 und 5
liegt je eine von uns heute geforderte Anwendung vor.
(Zweiter Tag. Vormittagssitzung)
III.
Die erste Anwendung der erörterten,
grundsätzlich das Verhältnis von Kirche und Mission regierenden Wahrheit hat es
mit Gesellschaften für Heiden- und Judenmission zu tun. Diese Gesellschaften
sind meist vor 100 und mehr Jahren zur Zeit des Wiedererwachens des
evangelischen Glaubenslebens nach dem Winterschlaf des Rationalismus
entstanden. Damals sah man in der ersten Begeisterung darüber, nach
glaubensloser Zeit überhaupt wieder Christen im Lande zu finden, die
Kirchenfrage meist nicht mehr oder noch nicht deutlich genug. Die Folge war der
Sieg der preußischen Union und die Eroberung der vorher rationalistischen
Universitäten durch eine Mischtheologie, die Impulse der Erweckung in sich
aufgenommen hatte, aber zugleich mit dem großen Abfall paktierte, die auch da,
wo sie gegen die offizielle Kirchenunion kämpfte (wie in Erlangen), aus dem
Schaukeln zwischen Vernunft und Offenbarung nicht herauskam. Diese
Zwitterhaltung setzte sich nun auf über 100 Jahre an den Hochburgen der
Theologie fest. Sie stellt gleichsam einen Bund von Vernunftgläubigen und
Pietismus dar.8 Neben die
kirchenpolitische tritt also die theologische Union, die im Grunde noch heute
sämtliche Universitäten beherrscht! Die ersten Missionsgesellschaften, vor
allem Basel, vertraten Gefühlsfrömmigkeit der noch weithin „unkirchlichen“
Erweckung. Auch die Missionsgesellschaften, die im Gegensatz zur
preußischen Union gerade das bekenntnistreue Luthertum pflegen wollten und dazu
auch viel beigetragen haben, kamen doch infolge der
verweltlichten, zu äußerlicher Sicherheit strebenden Art und Natur aller
Staats- und Volkskirchen dieser Spätzeit nicht zu kirchlich echter, das heißt
unionsfreier, wahrhaft bekenntnisgebundener Gestaltung ihres Werkes. Eine
Beimischung von Pietismus, dem das Grundsätzliche dann doch wieder hinter
„fromme“ Erwägungen der Liebe zurücktritt, daneben zu große
Achtung vor der gerade regierenden Theologie lutherischer Färbung,
hinderten meist daran, den Schaden des Indifferentismus und Unionismus
zu sehen, bis er durch die Vorstöße des Reformiertentums vom Westen her in den
Weltkirchenbewegungen heute schon zu einem weltweiten, weltbedeckenden
Krebsschaden geworden ist. Auch alle deutschen Missionsgesellschaften (außer Bleckmar) werden immer mehr „lutherische“ Weltbunds- und
Ökumene-Missionen und bringen die jungen Kirchen in diese Verbindungen hinein.9 Die richtigen Folgerungen in Bezug auf
die Heidenmission (an die wir in diesem Vortrag vorzüglich denken) zogen in
Deutschland die kleine Bleckmarer Mission und in
Nordamerika die lutherischen Synoden des Mittelwestens.10 Sie übernahmen einfach von
Kirchenwegen als Werk der Gesamtkirche, ebenso wie die heimatlich gewordene
Auswanderer- und Disaporamissionen, so auch die
Heidenmissionen. Die Schwäche und Zerrissenheit des deutschen freikirchlichen
Luthertums im 19. Jahrhundert hinderte die einheitliche Lösung, so dass nicht
alle Teile desselben sich das Vorbild zu eigen machten, das hier von Bleckmar und in Amerika besonders von der Synodalkonferenz
gegeben wurde.
Dass auch die Missionsfrage mit dem
Bekenntnis entsprechend gelöst werden muss, dies müssen heute alle
freikirchlichen Lutheraner einsehen, soll die vollzogene Vereinigung sich
innerlich ganz durchsetzen und Bestand haben. Deshalb unser vierter Leitsatz.
Er lautet:
Sind
rechtgläubige Christen durch ihre Geschichte oder sonst noch mit bloß nominell
rechtgläubigen, in Wirklichkeit aber unionistisch gebundenen
Missionsunternehmungen verbunden, so ist in einer begrenzten Übergangszeit
unter klarer Protesthaltung – Bewährung im status confessionis – alles zu tun, um die Alleingeltung des
Bekenntnisses durchzusetzen. Ist dies nicht möglich oder könnte der öffentliche
Gewissensprotest (die Treue im status confessionis) gegenüber der Unionsbildung nicht aufrecht erhalten werden oder als solcher wirksam bleiben,
so ist das Band zu lösen, bzw. muss der Austritt erfolgen. Maßgebend für die
Beurteilung einer Missionsgesellschaft ist auch nicht nur deren erklärte
Stellung zu Schrift und Bekenntnis, sondern zugleich deren Praxis. Arbeitet
z.B. eine Missionsgesellschaft im Rahmen der VELKD oder einer Gliedkirche der
EKD8, so steht sie damit von vornherein in
Unionsbindung und befindest sich in sofern schon in
offenkundigem Widerspruch zum lutherischen Bekenntnis.
Folgt aus 2. und 3., verglichen mit Luk.
11,23; 2. Ko5. 10, 4-8; 2. Kor. 13,8; Konk.Formel,
Art. X.
Auch die hinter rechtgläubigen Christen und
Gemeinde liegende Geschichte stellt keineswegs nur eine Glaubenslinie dar,
sondern ist überall mit unendlich viel Sünde und Ungehorsam verknüpft. Ann all
unsere schwache menschliche Geschichte aber bindet sich auch Verpflichtung. So
kann es leicht geschehen, dass auch dann, wenn man sich zu allem, was in Lehre
und Praxis zu rechtgläubiger Kirchengemeinschaft notwendig ist, grundsätzlich richtig stellt, doch noch gewisse Bindungen von früher
bleiben, die nach christliche Treue nicht sofort siegreich geklärt oder
abgebrochen werden konnten. Sie müssen aber unbedingt in absehbarer Zeit
bereinigt werden, wenn die Glaubenshaltung nicht unglaubwürdig, die
Bekenntnisstellung nicht durchlöchert werden soll. Im Raum der lutherischen Freikirchen
betrifft These 4 das Verhältnis zu Hermannsburger und
Neuendettelsauer Missionsgesellschaft und zu der
unter dem Namen Evangelisch-Lutherischer Zentralverein für Mission unter Israel
wieder in Erscheinung getretenen Judenmission.9
Sie treiben kirchliches Werk, Evangeliums- und Sakramentsverkündigung und den
Aufbau christlicher Gemeinden, ja die Gründung ganzer Kirchen in den
Heidenländern und in der Diaspora. Wenn sie auch die Form selbständiger
Missionsgesellschaften haben, so stehen in Wirklichkeit hinter ihnen sendende
Kirchen, und sie werden im Heidenland eingebaut in junge Kirchen.
Hinter der Hermannsburger Mission steht
seit dem 15. März 1890 mit überragendem finanziellem und
kirchlich-theologischem sowie wissenschaftlichem Schwergewicht die hannoversche
Landeskirche, neben ihr (wohl im älteren Personalbestand auch dem Missionsfeld
immer noch überwiegend) die frühere Hermannburg-Hamburger Ev.-Luth. Freikirche,
jetzt Diözese der Selbständigen Ev.-Luth. Kirche.10 Zu Hause haben die Missionare der
beiden Sendekirchen keine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft untereinander.
Gleichwohl aber haben sie in der Heimat eine Mission, eine
Missionsgesellschaft und –anstalt, die sie in Schrift
und Bekenntnis schult, soweit dies ohne klare Kirchenlinie und bei Umgehung
mancher Lehrfragen möglich sein mag, und die sie dann im Namen des dreieinigen
Gottes und der evangelisch-lutherischen Kirche aussendet. Auf dem Missionsfeld
bilden nun alle direkt einen Missionskörper und damit nichts anderes als eine
Kirche unter einem landeskirchlichen und einem freikirchlichen
Missionsdirektor.11 Sie
steht mit der Hannoverschen Landeskirche, mit der VELKD, mit der Lutherischen
Weltföderation12 in Kirchengemeinschaft.
Diese betätigte Kirchengemeinschaft weitet sich unvermeidlich rechtlich und
tatsächlich so oder so bis zur EKD und Ökumene hin aus, da das Weltluthertum in
der Weltunion als beteiligter, mittragender Körper steht.
Andererseits steht die Hermannsburger
Mission in unmittelbarer Kirchengemeinschaft mit besagter Hermannsburg-Hamburger
Diözese. Schon tritt man in Südafrika zusammen zu einem „Bund“
evangelisch-lutherischer Missionen, zu der führend gerade die Berliner Mission
aus uniertem Raum gehört. Nach dem Willen der Urheber und nach allen
Erfahrungen wird dieser Bund immer mehr zu einer föderativen Kirche werden, die
nur in weltweiter, stark unionistischer Glaubens- und Kirchengemeinschaft
stehen kann. Zu Hause aber ist die Hannoversche Landeskirche unabänderlich
gebundene Gliedkirche der EKD, ist selbst Teil einer Unionskirche.
Es liegt auf der Hand, dass die noch
bestehende indirekte Verbindung der Hermannsburg-Hamburger Diözese mit der
Hannoverschen Landeskirche nicht bestehen bleiben kann. Ob Hermannsburg mit der
Mission in Verbindung bleiben kann, hängt von dem Ausgang des Kampfes im
„status confessionis“ ab.
Wir wären niemals mit der Hermannsburg-Hamburger Diözese (und insofern mit der
Selbständigen Ev.-Luth. Kirche) in Kirchengemeinschaft getreten, wenn die
Diözese sich nicht vorher durch feierliche Beschlüsse und durch Kündigung des
Abkommens vom 15.03.1890 als verantwortlich im sogenannten „status
confessionis“ stehend, als im öffentlichen Kampf
gegen diese Unionsbindung begriffen, erklärt hätte. Die Dokumente der
Vereinbarung sind seinerzeit allen Gemeinden vor deren Abstimmung zugeleitet
worden. Sie sind alle zur Hand und können, soweit erwünscht, verlesen werden.
Sie befassen sich vor allem auch mit dem Lehrpunkt, was unter einem
gewissenhaft verantworteten status confessionis, das heißt unter einem besonderen
Bekenntnisstand aufgrund eines Bekenntniskampfes, zu verstehen sei, stecken die
Grenzen ab, inwiefern dabei das Weiterbestehen einer untragbar gewordenen alten
Verbindung eine zeitlang noch zu ertragen ist. Das
geschieht vor allem in der Anlage III B, deren vollen Wortlaut ich hier auf
jeden Fall zu Gehör bringe. [siehe Abdruck am Ende des Referates]
Nun aber müssen folgende Feststellungen in
aller Öffentlichkeit gemacht werden:
1) Die Hermannsburg-Hamburger Diözese hat
bis heute nicht mitgeteilt, welche Antwort der Hermannsburger
Missionsausschuss auf den in Anlage III B erwähnten Vorstoß erteilte. Nach
dieser Antwort ist mündlich auf zwei Tagungen der Kirchenleitungen in Hannover
gefragt worden.
2) Die Forderung der Diözese an die Missionsleitung,
das Abkommen vom 15.03.1890 wegen des formellen Beitritts der Hannoverschen
Landeskirche zur allgemeinen deutschen Unionskirche für ungültig zu erklären,
bezog sich, wie vernommen, auf eine Veröffentlichung der Missionsleitung vom
Jahre 1924 und schlug die damalige Formulierung als bleibende Basis vor. Ich
verlese den Wortlaut, der seinerzeit allen unseren Gemeinden mitgeteilt wurde:
„„Der Missionsausschuss wolle die Abmachung mit der hannoverschen Landeskirche
vom 15.3.1890 als auf nicht mehr bestehenden Voraussetzungen beruhend zugunsten
der Erklärung des Missionsausschusses von 1924 für aufgehoben erklären. – Die
Synode bittet den Missionsausschuss um eine öffentliche Erklärung darüber, dass
die Hermannsburger Mission aufgrund ihrer in der
Verfassung verankerten Bekenntnisverpflichtung weder direkt noch indirekt etwas
mit der EKD zu tun haben und keinerlei Weisungen von dort her als für sie
geltend annehmen kann.“
Außerdem geht dem Missionsausschuss
folgende Erklärung der Synode zu: „Die Synode erklärt dem Missionsausschuss in
brüderlicher Offenheit, dass sie in der gegenwärtigen Situation den
Missionsausschussmitgliedern und Direktoren auch deshalb ihr Vertrauen entgegen bringt, weil sie die Überzeugung hat, dass diese
den Widerspruch zwischen dem lutherischen Bekenntnis und der Grundordnung der
EKD erkennen und letzterer in Wort und Tat die Verbindlichkeit bestreiten.“
Die Erklärung von 1924 lautet:
1. Die Hermannsburger Mission ist eine freie unabhängige
Anstalt zur Ausbreitung des Evangeliums unter den Heiden.
2. Sie betreibt dieses Werk auf der Grundlage des
ev.-luth. Bekenntnisses. Es ist ihr ernster Wille, sich unverworren
zu halten mit allen das Bekenntnis erweichenden Strömungen der Zeit und diese
gegebenenfalls mit Entschiedenheit zu bekämpfen.
3. Die Mitarbeit der Mission geschieht von landes- wie
von freikirchlicher Seite. Beide sind grundsätzlich in der Leitung der Mission,
im Ausschuss wie im Direktorium je zur Hälfte vertreten.
Die Kirchenleitungen haben als solche
keinerlei Einfluss auf die Führung der Anstalt (vergl. Satz 1), so gern
ihnen auch ein Einblick in das Leben gewährt wird.
4. Die Mission nimmt dankbar jede Hilfeleistung hin, die
ihr aus beiden Kirchen zuteil wird.
Sie fühlt sich andererseits verpflichtet, in beiden Kirchen an der Förderung
des kirchlichen Lebens mitzuwirken.
5. Die besonderen kirchlichen Rechte und Pflichten der
Mitglieder werden durch die Teilnahme am Missionswerk in keiner Weise berührt.“13
Unsere Kirche hat im Begleitschreiben an
unsere Gemeinden mit Wissen und Billigung der Leitung der Selbständigen Kirche14 und speziell des Superintendenten in
Hermannsburg den ganzen Akt der Diözese als öffentlichen Protest gedeutet nicht
nur gegen jeden bestimmenden Einfluss der EKD, sondern auch der VELKD und gegen
die Hannoversche Landeskirche als Gliedkirche einer Union. Sie hat einen vollen
Bekenntniskampf, der natürlich auch den seit langem herrschenden wirklichen
(oder de facto-)Zuständen in Lehre und Gemeindeleben gelten musste, als begonnen
unterstellt, dem weitere Schritte folgen würden. Dies
alle akzeptierte die Leitung der Diözese ohne den von ihr im Fall der
Fehldeutung schuldigen und von uns angeforderten Widerspruch. So wurde sie
für die Annahme eines echten status confessionis oder nun eröffneten Bekenntniskampfes, für die
annahme, die unsere Gemeinden in gutem Glauben zur
Bejahung der Kirchengemeinschaft führte, eindeutig verantwortlich.
3) Die Diözese hat aber seitdem gerade
keinen öffentlichen Bekenntniskampf gegenüber der Unionsbindung der
Mission geführt. Sie hat es bisher an dem Beweis fehlen lassen, dass sie
folgerichtig darauf hinarbeitet, die Hermannsburger
Mission schrittweise vor die Entscheidung zu stellen. Die Entscheidung für die
Mission kann schließlich nur sein, entweder selbst geschlossen in einen status confessionis oder
Bekenntniskampf einzutreten oder aber auseinander zu treten, in
den landeskirchlichen Teil, der den Kampf der Tat verweigert, und den
freikirchlichen Teil, der, wenn er treu bleibt, ihn führt und fordert, getrennt
ihre Wege zu gehen. Stattdessen hat die Diözese durch verschiedene öffentliche
Vorkommnisse das Zeugnis, das sie vor Eintritt in die Kirchengemeinschaft mit
uns ablegte, abgeschwächt. Nicht ohne ihre Schuld befestigt sich der Eindruck,
es werde in Hermannsburg auf dem Papier protestiert, aber man lasse doch alles
beim Alten.
Deshalb hat der Bleckmarer
Missionsausschuss folgende, nach seiner Neukonstituierung wiederholte, in der
Nummer 7/8, 1951, S. 70, des Missionsblattes erwähnte Erklärung den verbündeten
Freikirchen übergeben:
Die
Stellungnahme des Missionsausschusses lautet:
„Der Bericht von Missionssuperintendent
Johannes hat uns erneut gezeigt, in welcher Weise unsere Brüder in Südafrika
die Missionsfrage innerhalb der Selbständigen Ev.-Luth. Kirche beurteilen.
Sowohl die Pastoren der Freien Ev.-Luth.
Synode in Südafrika als auch unsere Missionare vertreten nach wie vor die alte
Bekenntnisstellung unserer Mission und lehnen deshalb die kirchliche
Gemeinschaft mit der Hermannsburger Mission ab,
solange diese mit der Hannoverschen Landeskirche verbunden ist.
Unsere Brüder in Südafrika protestieren
fortgesetzt dagegen, dass innerhalb der Selbst. Ev.-Luth. Kirche auch die
Bindung an andere Missionen anerkannt wird, die von den Landeskirchen nicht
getrennt sind15. Diese Anerkennung
bedeutet eine unerträgliche Verletzung des Charakters unserer Mission als
Kirchenmission, denn hinsichtlich der Kirchengemeinschaft und ihrer Grenzen
müssen in Südafrika und in Deutschland die gleichen Maßstäbe gelten. Solange
innerhalb der Selbst. Ev.-Luth. Kirche in der Missionsfrage einander
widersprechende Grundsätze anerkannt werden, wir dadurch die Bekenntnisstellung
in der Heimat ebenso wie auf dem Missionsfeld gefährdet. – Deshalb droht die
Gefahr, dass unsere Brüder in Südafrika die kirchlichen Verbindungen mit ihrer
Mutterkirche nicht mehr aufrechterhalten können.
In dieser Lage wird die Überwindung der
bestehenden Unklarheiten zu einer dringenden Pflicht, der sich die Selbst.
Ev.-Luth. Kirche nicht länger entziehen darf. Aus diesem Grunde sieht sich der
Missionsausschuss zu folgenden Bitten genötigt:
1. Die Selbst. Ev.-Luth. Kirche möge erklären, dass von
ihr die Mitarbeit an einer Mission nur dann offiziell anerkannt werden kann,
wenn diese Mission die Bekenntnisstellung der vorhandenen ev.-luth. Freikirchen
grundsätzlich und praktisch teilt.
2. Die Hermannsburg-Hamburger Diözese möge gemäß ihren
wiederholten Versprechungen auch vor ihren Gemeinden immer wieder offen
bezeugen, dass ihre eigene Bekenntnisstellung sie zum entschiedenen Kampf gegen
die Bindungen der Hermannsburger Mission an die
Landeskirche zwingt.
3. Die Pastoren der verbündeten ev.-luth. Freikirchen
mögen ihre Gemeinden immer mehr zu der Erkenntnis erziehen, dass lutherische
Mission nur als Sache der Kirche betrieben werden kann, und dass die Erhaltung
wahrer kirchlicher Einheit nur möglich ist, wenn unsere Freikirchen auch in der
Missionsfrage einig werden.“
Ich bitte die ehrwürdige Bezirkssynode
hiermit, durch formellen Beschluss dieser Erklärung freudig zuzustimmen.
Unter dieser vierten These müssen wir noch
zwei weitere Missionsunternehmungen nennen. Es besteht auch eine personelle
Verbindung der badischen Diözese der Selbständigen Ev.-Luth. Kirche mit der
Neuendettelsauer Mission. Letztere steht in uneingeschränkter
Kirchengemeinschaft mit der bayerischen Landeskirche. Sie hat mit Wortprotesten
gegen die EKD-Unionsbindung mannhafter gekämpft als die Hermannsburger
Mission. Aber dass sie als Missionsgesellschaft bereits in status
confessionis im Sinne eines grundsätzlich
unerbittlichen Bekenntniskampfes der Tat stünde, kann man noch nicht sagen. Als
zur Zeit des Kampfes des Herrn Pfarrer Hopf die echte Gelegenheit zum Handeln
da war, versagte sie. Es muss hinsichtlich der badischen Diözese dieselbe
Forderung wie hinsichtlich der Hermannsburg-Hamburger Diözese erhoben werden.
Endlich ist von der erwähnten lutherischen
Mission für Israel folgendes zu sagen: Da Mission Kirchensache ist und
gemeinsame Mission Bekenntniseinheit [Kirchengemeinschaft, Anm. d. Hrsg.]
voraussetzt, muss auch diese Mission als eine EKD-Mission angesehen werden,
sofern sie nicht als Mission in eine offene, ehrliche Protesthaltung
eintritt und den status confessionis
bejaht und ihm durch Kampf entspricht. Soweit bisher freikirchlich-lutherische
Kräfte und Personen mitwirkten, müssen sie von der Erfüllung dieser ihrer
Forderungen ihren Verbleib in der Mission abhängig machen, wollen sie im
Bekenntnis ehrlich bleiben.16
Außerdem haben die Freikirchen ganz besonders an diese Mission die Frage zu
stellen, ob sie denn auch selbst rechtgläubig lehre. Der dort aufgetauchte
Chiliasmus (sogar in der krassen Abart, z.B. auf einer sehr merkwürdigen
bildlichen Darstellung)) ist als schrift- und bekenntniswidrig von allen
unseren Kirchen vor der Vereinigung abgelehnt worden. Dabei muss es unter allen
Umständen bleiben.
Abschließend sei diese erste anwendende
These selbst wiederholt und noch auf die beigefügten Belegstellen aufmerksam
gemacht:
4. Sind
rechtgläubige Christen durch ihre Geschichte oder sonst noch mit bloß nominell
rechtgläubigen, in Wirklichkeit aber unionistisch gebundenen
Missionsunternehmungen verbunden, so ist in einer begrenzten Übergangszeit
unter klarer Protesthaltung – Bewährung im status confessionis – alles zu tun, um die Alleingeltung des
Bekenntnisses durchzusetzen. Ist dies nicht möglich oder könnte der öffentliche
Gewissensprotest, die Treue im status confessionis, gegenüber der Unionsbindung nicht aufrecht erhalten werden oder als solcher wirksam bleiben
und wäre so eine Verleugnung unvermeidlich, so ist das Band zu lösen, bzw. muss
der Austritt erfolgen. Maßgebend für die Beurteilung einer Missionsgesellschaft
ist auch nicht nur deren erklärte Stellung zu Schrift und Bekenntnis, sondern
zugleich deren Praxis. Arbeitet z.B. eine Missionsgesellschaft im Rahmen der
VELKD oder einer Gliedkirche der EKD, so steht sie damit von vornherein in
Unionsbindung und befindet sich insofern schon in offenkundigem Widerspruch zum
lutherischen Bekenntnis.
Folgt aus 2. und 3., verglichen mit Luk. 11,23; 2. Ko4. 10,4-8; 2. Kor.
13,8; Konkordienformel, Art. X.
Die Schriftstellen, die zu den im
grundsätzlichen Teil behandelten noch hinzuzunehmen und hier zu bedenken sind,
sind folgende: Luk. 11,23: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, der
zerstreut.“ Dieses Wort gilt gegenüber dem einen großen Propheten, an den des
Vaters Stimme uns auf dem Berg der Verklärung mit dem Zuruf weist: „Den sollt
ihr hören“, und der Joh. 8,32 spricht: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede,
so seid ihr meine rechten Jünger.“ Befiehlt nun dieser eine große Prophet, dass
wir nicht zusammen mit dneen, die das Wort
fälschen (die reine und falsche Lehre, Gehorsam und Ungehorsam auf eine
Linie stellen), dass wir nicht in Unionsbindung die Kirche bauen, sondern
Rechtgläubigkeit und ehrliche, durch Gottes Wort beherrschte Praxis als
Bedingung der Kirchengemeinschaft fordern, so haben wir darnach zu handeln. In
gottgefälliger Weise müssen wir fleißig sein zu halten die Einigkeit im Geist (nicht
im Fleisch). Wir müssen in Treue festhalten an
einerlei Sinn und einerlei Meinung (Eph. 4,3; 1. Kor. 1,10). Nicht unwichtig
sind für diese uns von Gott vorgeschriebene Gehorsamshaltung die beiden Stellen
des 2. Korintherbriefes. Der geisterfüllte große Lehrer der Christenheit sagt
zunächst Kapitel 10,4 ff:
„Denn die Waffen unsrer Ritterschaft sind
nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott, zu zerstören die Befestigungen,
damit wir verstören die Anschläge und alle Höhe, die sich erhebt wider die
Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alle Vernunft unter den Gehorsam
Christi, und sind bereit, zu rächen allen Ungehorsam, wenn euer Gehorsam
erfüllt ist. … Und so ich auch etwas weiter mich rühmte von unserer Gewalt,
welche uns der HERR gegeben hat, euch zu bessern und nicht zu verderben, wollte
ich nicht zuschanden werden.“
Nicht anders kann auch heute in der Kirche
gehandelt werden. Auch wir, wenn wir das offenbarte apostolische Wort
innehalten, aufrechterhalten, dürfen dann mit Paulus drei Kapitel weiter sagen (Kap. 13,8): „Wir können nichts wider die
Wahrheit, sondern für die Wahrheit.“
Endlich ist bekannt, dass hier auch eine
symbolische [in den Bekenntnissen niedergelegte] Lehrentscheidung vorliegt. Die
lutherische Kirche hat nach Luthers Tod die ganze Frage durchkämpfen müssen, ob
neben der Wahrheit auch dem Irrtum irgendwie Raum gegeben werden dürfe und
wieweit sich das ins Handeln erstrecke.
Die ganze Konkordienformel von den Vorreden und dem Summarischen Begriff
an bis zum letzten Artikel verneint die Möglichkeit, irgendwann und irgendwie
auf beiden Seiten zu hinken, auf beiden Schultern Wasser zu tragen. Der von uns
besonders hervorgehobene 10. Artikel nennt am Ende (siehe „Ausführliche
Darlegung“, § 31) die Bedingung der Kirchengemeinschaft. Dort heißt es:
„Solchergestalt werden die Kirchen von
wegen Ungleichheit der Zeremonien, da in christlicher Freiheit einer weniger
oder mehr derselben hat, einander nicht verdammen, wenn sie sonst in der
Lehre und allen derselben Artikeln, auch rechten Gebrauch der heiligen
Sakramente, miteinander einig, nach dem wohlbekannten Spruch: ‚Ungleichheit
des Fastens sollt die Einigkeit des Glaubens nicht trennen.’“
Nur in Mitteldingen, die Gott an sich weder
geboten noch verboten hat, kann in der Kirche Ungleichheit sein; in Lehrfragen und
in Fragen gottgegebener Praxis dagegen ist Einhelligkeit erforderlich. Das
große Beispiel, dass auch im kirchlichen Handeln in allen irgendwie das
Bekenntnis berührenden Fragen die einfältig von der Wahrheit geforderte Linie
gefunden und durchgestanden werden muss, liegt im 10. Artikel der
Konkordienformel selbst vor. Derselbe entschied den adiaphoristischen
Streit, der 1548 durch die Beteiligung Melanchthons und der Wittenberger am
Leipziger Interim entstanden war. Letztere waren nach ihrer Meinung nur in
Zeremonien den Päpstlichen gewichen. Die strengen Lutheraner unter Flacius’ Führung erkannten sofort den feigen Verrat, der
auch in gewissen Lehrformulierungen vorlag, nicht minder aber im Zurückweichen
vor päpstlichen Forderungen hinsichtlich der sogenannten Kirchengebräuche. Hier
gelte nicht, riefen sie, die freie Wahl, die man an sich in Mitteldingen habe,
sondern es gehe um die Verpflichtung zu bekennnen.
Dem pflichtet der 10. Artikel bei. Er entscheidet vor allem die Frage, ob „zur
Zeit des Bekenntnisses, da die Feinde Gottes Worte, die reine Lehre des
heiligen Evangeliums begehren unterzudrücken“, eine äußere Anpassung in
Mitteldingen an die kirchlichen Gegner erlaubt sei. Er stellt fest, dass
hierbei die Mitteldinge aufhören, Mitteldinge zu sein und zu Instrumenten des
Nachgebens und Verrats werden.
Alle lutherischen Freikirchen haben
erkannt, dass durch die Bildung der unionistischen EKD eine große
Bekenntnisstunde für das noch freie Luthertum geschlagen hat. In dieser
Bekenntnisstunde darf nicht einmal in Mitteldingen eine Anpassung stattfinden. Viel
weniger darf zusammengearbeitet werden in der Verkündigung des Evangeliums
und im Bau christlicher Gemeinden.17
Verkündigung und Gemeindebau ist eins – und eben das Werk jeder Mission
und jeder Kirche.
Fällt dieses Werk weg, so hört die Kirche
auf; wird es verfälscht, so wird die Kirche verfälscht. Um die Kirche geht es,
auch wenn das Werk den Sondernamen „Mission“ führt. Nicht einmal den Schein
einer verräterischen Zusammenarbeit dürfen unsere Kirchen laut der symbolischen
Bücher [Bekenntnisschriften] geben, die sie feierlich angenommen haben, weil
sie mit Gottes Wort übereinstimmen.
(Nachmittagssitzung)
IV.
Eine letzte Anwendung der in der ersten
These erhärteten Grundsätze in Bezug auf Kirche und Mission liegt in dem
abschließenden Leitsatz vor. Er lautet:
5.
Zwischen gemeinschaftlicher Ausbreitung des Evangeliums und gelegentlicher
beschränkter Zusammenarbeit in äußeren Dingen (cooperatio
in externis) ist sorgfältig zu unterscheiden.
Letztere darf nie falsche Lehre und Praxis bemänteln oder ihr den Weg bereiten.
Echte Liebe steht nur im Dienst Christi und der wahren Einheit der Kirche.
Folgt aus 2. und 3., verglichen mit 1. Kor. 5,12 f.; Tit. 3,1 f. 14;
Joh. 17; Eph. 4; Konkordienformel X.
Es ist gegen fanatische Eiferer zuzugeben,
dass in äußeren Dingen, soweit ihnen keine Bekenntnisbedeutung zukommt,
und ihnen eine solche auch nicht etwa durch die Umstände gegeben wird, zwischen
bekenntnisuneinigen Kirchen eine gelegentliche Zusammenarbeit möglich ist. Die
von sich gegenseitig unterstützenden Komiteen der
katholischen und lutherischen Kirche Amerikas geführten Verteidigungskämpfe
gegen den Ansturm des Freimaurertums und überpatriotischer,
chauvinistisch-amerikanischer Kreise, die dort zu Anfang dieses Jahrhunderts
ein Verbot aller Kirchen- oder Gemeindeschulen zugunsten der öffentlichen
Schulen (Public Schools) erzwingen wollten, hat oft als hervorragendes Beispiel
gedient. Es ist aber auch klar, dass dabei Gottes Wort nicht verkündigt,
sondern an die Vernunft der Mitbürger appelliert wurde, ferner, dass das
Bündnis nur diesem bürgerlichen Verteidigungszweck diente und darnach aufhörte.
Eigentliche kirchliche Zusammenarbeit lag gerade nicht vor. Sie ist
bekenntnismäßigen Kirchen nach Gottes Wort nie und nirgends möglich.
Da Christus seiner Kirche nach dem
Reichsbefehl am Ende sämtlicher Evangelien nun aber überhaupt keine weltlichen,
bürgerlichen Unternehmungen befohlen hat, die Waffen unserer Ritterschaft
geistlich sind, wie wir aus 2. Kor. 10,14 hörten, so handelt bei solcher
Zusammenarbeit die lutherische Kirche als solche überhaupt nicht, nicht
anders, als wenn Paulus der Rechtsverletzung gegenüber auf sein römisches
Bürgerrecht sich berief, oder wenn eine unserer Gemeinden als
eingetragene Korporation einen Eigentumsvertrag mit Hilfe eines Rechtsanwaltes
durchficht. Der Rechtsanwalt bleibt dabei in weltlicher Funktion, die Gemeinde
tut um des Evangeliums willen im weltlichen Beruf ein
fremdes, weltliches Werk. Folglich, tut sie solche äußeren Dinge ohne Not, so
fällt sie damit schon aus ihrem Beruf heraus, Braut Christi zu sein, der der
Heiland sein Werk aufgetragen hat, und vergeht sich gegen ihren HERRN.
Ein grobes Beispiel als Beigabe: Baut eine Gemeinde ein Kirchengebäude oder ein
Pfarrhaus, so tut sie das fremde Werk des Bauens um des
Evangeliums willen, innerhalb ihres Berufs. Gründet sie dagegen
ein Baugeschäft, eine Ziegelei, eine Schreinerwerkstatt und betreibt das Bauen
forthin um des Gewinns willen, so ist sie aus ihrem
Beruf herausgefallen, so baut sie damit das Reich Gottes nicht auf, sondern ab,
vermengt die Reiche gegen Jesu Worte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“
(Joh. 18,36). „Wer hat mich zum Richter oder Erbschlichter über euch gesetzt?
(Luk. 12,14) und ähnliche Stellen, die der 28. Artikel der Augsburgischen
Konfession anführt.
Nur in den engen Grenzen dessen, was direkt
um des kirchlichen Dienstes willen nötig ist, kann die
christliche Kirche ihr an sich nicht aufgetragene weltliche Werke tun, muss
sie fortlaufend tun, und bei diesen rein äußerlichen Werken kann
gelegentlich mit falschen Kirchen eine äußere Berührung stattfinden, die aber
auf bürgerlichem Gebiet liegt.
Bürgerlich arbeiten Christen ohnehin
beständig zusammen mit den Unchristen und Falschgläubigen, sollen und müssen es
im Reich zur Linken tun. Sie sollen nach 1. Kor. 5,10 f. die Welt eben nicht
„räumen“, nach Tit. 3,1 f.14 „zu allem guten Werk bereit sein“, jedermann
behilflich, „wo man ihrer bedarf“, aus ernstlicher
Nächstenliebe oder allgemeiner Liebe. Die Liebe, die ein dienstbarer Knecht
aller Dinge und jedermann untertan ist, die für den anderen da ist nur um
Christi willen, der nicht kam, dass er sich dienen lasse, sondern dass er
diene, diese Liebe fließt aus dem Glauben, Gal. 5,6.
Der Glaube selbst aber ist und bleibt ein
freier Herr aller Dinge und niemand untertan, wie Luther in der gleichen
Schrift von der „Freiheit eines Christenmenschen“ betont. Denn der Glaube lebt
unmittelbar aus Gott und seinem Wort. Dass ich den anderen in Liebe diene, z.B.
ein frommes Dienstmädchen ungläubigen Herrschaften willig und unermüdlich zur
Hand geht, bedeutet keineswegs die Herstellung einer Glaubensgemeinschaft
zwischen Herrschaft und Dienstbote. Christliche Liebeswerke, z.B. die Tätigkeit
christlicher Diakonissen, begründen nicht Kirchengemeinschaft mit denen, die
sich den äußeren Dienst der Liebe gefallen lassen. Noch viel weniger kommt
Glaubens- und Kirchengemeinschaft zustande durch das, was nicht einmal ein
Liebesdienst, sondern eine äußerliche bürgerliche Gefälligkeit dargstellt. Die „Einigkeit im Geist“ kann nur da anerkennt
und bekannt werden, wo ein Leib und ein Geist ist,
man sich über einerlei Hoffnung der göttlichen Berufung freut, ein HERR,
ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater unser aller
ist, Eph. 4. Da man niemand in’s Herz sehen kann,
kann nur da, wo das Bekenntnis lauter und rein ist und in der Kirche und
Gemeinde regiert, die Einigkeit im Geist bei der anderen Seite vorausgesetzt
und von uns öffentlich anerkannt werden. Gerade die größte Stelle von der
Einheit der Kirche, Joh. 17, das hohepriesterliche Gebet unseres hochgelobten
HERREN und Heilandes, zeigt das. Da ist die Einigkeit
und Einheit gebunden an das Wort. „Heilige sie in deiner Wahrheit, dein Wort
ist die Wahrheit“, das ist der Grundton.
Wird nun die äußere Zusammenarbeit (cooperatio in externis) zu dem
Zweck geübt, um dadurch die innere Einheit herzustellen, so wendet man
ein verkehrtes Mittel an und verrät dabei das rechte Mittel, das Wort Gottes,
durch das allein Gott selbst die Einigkeit herstellt. Man verrät Gottes
Werk; man will durch selbsterwähltes Menschenwerk das Werk des Heiligen
Geistes, der durchs Evangelium wirkt, ersetzen. Arbeitet man aber äußerlich
zusammen, um eine Bekenntniseinheit vorzutäuschen, die in Wirklichkeit
nicht besteht, so lügt und trügt man bei Gottes Namen gegen das 2. Gebot und
die 1. Bitte.
Folgende Organisationen sind unter dem
Gesichtspunkt dieser These genau zu prüfen:
1) Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche, soweit
freikirchliche Mitbeteiligung vorliegt oder etwa beim Siedlungsprogramm uns neu
vorgeschlagen wird.18
2) Der Martin-Luther-Bund, in dem die beiden anderen
Freikirchen vertreten sind.19
3) Die Lutherische Weltförderation, die auch Missouri und
uns an sich heranziehen möchte.20
Wollen wir der Wahrheit des Evangeliums,
die uns anvertraut worden ist, treu bleiben, so müssen wir alle unklaren
Übergänge, bei denen das gute Gewissen nicht bestehen kann, in denen das
Gewissen sich die volle unbelastete Freiheit zum Wort- und Tatzeugnis für die
Wahrheit nicht sichern kann, zu vermeiden und ganz ehrlich zu handeln. Wir
müssen sowohlin unserer engeren Kirche wie auch in
unserer weiteren freikirchlichen Gemeinschaft auf die Einhaltung dieses 5.
Satzes und Grundsatzes dringen. Er sei abschließend wiederholt:
5.
Zwischen gemeinschaftlicher Ausbreitung des Evangeliums und gelegentlicher
beschränkter Zusammenarbeit in äußeren Dingen (cooperatio
in externis) ist sorgfältig zu unterscheiden.
Letztere darf nie falsche Lehre und Praxis bemänteln oder ihr den Weg bereiten.
Echte Liebe steht nur im Dienst Christi und der wahren Einheit der Kirche.
Gott gebe, dass unsere Freikirche, ja alle
unsere Freikirchen, diese entscheidungsvolle Zeit nicht versäumen, dass bei
ihnen in der Theologie und in den Werken der Mission und in aller Berührung mit
anderen Kirchen nicht die Konfusion, sondern die Konfession regiere zur Ehre
Gottes und zum Heil der Seelen, der wahren Liebe entsprechend! Es sei uns stets
gegenwärtig und lenke unsere Herzen und Sinne, dass wir der göttlichen
Ermahnung durch Paulus, 1. Tim. 6,11-16, entsprechen:
„Aber du, Gottesmensch, flieh solches! Jage
aber nach der Gerechtigkeit,
der Gottseligkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der
Sanftmut. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, dazu du auch berufen bist
und bekannt hast ein gut Bekenntnis vor vielen Zeugen. Ich gebiete dir vor
Gott, der alle Dinge lebendig macht, und vor Christus Jesus, der unter Pontius Pilatus bezeuget hat
ein gut Bekenntnis, dass du haltest das Gebot ohne Flecken, untadelig, bis auf
die Erscheinung unsers HERRN Jesus
Christus, welche wird zeigen zu seiner Zeit der Selige und allein Gewaltige,
der König aller Könige, und HERR aller
Herren, der allein Unsterblichkeit hat; der da wohnet in einem Licht, da
niemand zukommen kann; welchen kein
Mensch gesehen hat noch sehen kann: dem sei
Ehre und ewiges Reich! Amen.“
S. D. G.
Thesen
von Wilhelm Oesch, D.D. +
1971
(Über
die Kirche kann nicht unabhängig von den Gnadenmitteln Gottes, durch die Gott
sie baut und erhält, gelehrt werden, noch unabhängig vom Glauben an Christus,
den Heiland der Welt und Haupt der Kirche, der sie durch Wort und Sakrament
weidet und regiert. Wo recht von der Kirche gelehrt wird, da tritt Gottes ganze
Lehre in Gesetz und Evangelium deutlich hervor, da strahlt hell das Evangelium,
das Zentrum der Schrift, auf dem aller Schwerpunkt liegt, die frohe Botschaft
von der Rettung des Sünders durch Christus.
So hat, wie wir im Folgenden anhand eines
thesenartigen Abrisses zur Kirchenlehre sehen werden, P. Wilhelm Oesch, D.D.
wahrhaft gelehrt und sich so hierinnen als rechter biblisch-lutherischer
Theologe erwiesen. Anm. d. Hrsg.)
(In der ersten These stellt Oesch die
Universalität der Kirche heraus, der wahren Kirche als dem Volke Gottes, der
Gemeinde der wahrhaft an Christus Gläubigen, die sich finden in allen
Denominationen, in denen das Evangelium noch im Schwange ist.
Er grenzt dabei die Bibellehre deutlich ab
gegen die Schwärmer, indem er hervorhebt, daß die
wahre Kirche, die Versammlung der an Christus Gläubigen, eine verborgene
Gemeinschaft des Glaubens ist (Luk. 17,20.21), nur Gott bekannt (2 Tim. 2,19),
es keine sichtbare, äußerliche Versammlung der Reinen oder Gläubigen geben
kann, sondern nur durch Wort und Sakrament feststellbar ist, wo Kirche ist,
aber nicht, wer dazugehört. Das ist ebenso auch gegen Rom gerichtet, das seine
äußerliche Gemeinschaft als DIE Kirche, die Heilsgemeinde hinstellt. Und es ist
schließlich auch gegen alle kongregationalistischen Irrtümer gerichtet, die
Ortsgemeinde total zu setzen, zu meinen, eine Verbindung von Ortsgemeinden sei
eine bloße Ansammlung von Ortskirchen, so, als ob es dann mehr als einen Leib
Christi gebe: sondern es ist der eine Leib Christi, wie er in der Gemeinschaft
der Ortskirchen wahrzunehmen ist. Anm. d. Hrsg.)
Das Neue Testament kennt nur eine
Kirche, das aus der verdammten und untergehenden, aber von Christo teuer
erkauften Welt vom Heiligen Geist durch Wort und Sakrament herausgerufene Volk
Gottes, den einen Leib Christi, den er droben in Herrlichkeit darstellen wird.
Diese eine Kirche besteht aus den wahrhaft an die Frohbotschaft von Christi
Verdienst für alle Sünder Gläubigen, die dadurch die Gerechtfertigten und von
daher auch trotz aller noch anklebenden Schwachheit die Geheiligten sind. Sie
kann als solche nicht mit dem Auge erkannt oder in ihrem zahlenmäßigen Umfang
und wahren Wesen sinnlich festgestellt werden, sondern sie ist empirisch,
örtlich nur an Wort und Sakrament als an ihren "Kennzeichen"
fixierbar. Denn wie sie aus den Gnadenmitteln geboren ist und von den
Gnadenmitteln lebt, so sind ihr auch principaliter et
immediate [grundsätzlich und unmittelbar, Anm. d. Hrsg.] die Schlüssel des
Himmelreichs (die nach innen und außen zu verwaltenden
Gnadenmittel) aufgetragen - (NOTAE per se PURAE [die für sich reinen
Kennzeichen]). Die Kirchen in der Mehrzahl (ekklesiai)
[wie der Begriff im Neuen Testament anzutreffen ist, Anm. d. Hrsg.] stellen
nicht Kirchen anderer Art dar als die ekklesia,
sondern sind die Eine Kirche, wie sie am jeweils genannten Ort besteht und in
ihrer Weise dort wahrgenommen wird.
(Die
zweite These hebt deutlichst hervor, woraus die
Kirche erwächst: aus dem Evangelium in Wort und Sakrament allein; und sagt
daher - mit 1 Kor. 1,18 ff.; 1 Kor. 2,2 ff. - nein zu dem Versuch der
Reformierten, Gesetz und Evangelium auf eine Ebene zu stellen (obwohl das
Gesetz doch auch die Heiden haben; das Evangelium allein ist das proprium der
Kirche); mit Luk. 16,29; 1 Kor. 1,18 ff. auch nein zu allen Versuchen, die
Kirche an irgendetwas anderes als dem Evangelium erkennen zu wollen bzw. sie
durch irgendetwas anderes als das allein wirkkräftige Heilswort und Sakrament
Gottes bauen zu wollen. Die Verführungen und Versuchungen gerade in diesem
Bereich sind heute vielfältig: die einen wollen die politische Befreiung
(Befreiungstheologie), die anderen Moral, wieder andere geben sich fromm,
trauen aber Wort und Sakrament Gottes nicht alles zu und meinen, mithelfen zu
müssen, etwa durch psychologische Beeinflussung (Musik, Theater), durch Kirche
als 'Unterhaltung', durch besondere Methoden, die den Glauben, die Erweckung
herbeiführen sollen, so, als ob Gott dies in unsere Gewalt gegeben und nicht
sich selbst vorbehalten hätte (Gemeindewachstumsbewegung, Evangelikale, Pfingstler, Charismatiker), durch Appelle an den
natürlichen Menschen, bis hin zu Aufrufen zur 'Entscheidung', alles letztlich
immer verbunden mit tatsächlicher Verkürzung von Gesetz und von Evanglium.
Wilhelm Oesch aber stellt das eine heraus,
das Gott uns gegeben hat: sein wirkmächtiges Wort (1 Petr. 1,23; Joh. 6,63; 2
Tim. 3,14; Jes. 55,10.11). Hier wird so deutlich, was die von Gott verordnete
äußerliche Versammlung
(Apg. 2,42.47) wahrhaft ist: Versammlung um Wort und Sakrament,
Versammlung, in der Gottes Wort rein gepredigt und die Sakramente schriftgemäß
verwaltet werden. Das ist die Aufgabe der Kirche; alles andere soll eben dies
unterstützen. Was damit nichts zu tun hat, gehört auch nicht zu dem Amt der
Kirche und ist bereits ein Irrweg (etwa politische Betätigung; soziale
Betätigung ohne eindeutige missionarisch-diakonische Akzentuierung). Daran
erkennen wir auch, wie Kirche und Predigtamt zusammengehören: denn durch das
von Gott eingesetzte, verordnete heilige Predigtamt, das die Kirche weitergibt,
in das sie beruft, das unterschieden ist vom allgemeinen Priestertum, übt die
Kirche ihr Amt öffentlich in erster Linie aus, nämlich als durch die Predigt
des Evangeliums, wodurch Gott Menschen bekehrt, rechtfertigt, selig macht. Anm.
d. Hrsg.)
Die einzigen Kennzeichen, aus denen mit Gewißheit das Vorhandensein der einen Kirche an einem
Ort feststellbar ist, sind örtlich im Schwange gehendes Wort und Sakrament
(Predigt von Gesetz und Evangelium; Reichung der Taufe und des Abendmahls).
Infolge der vis dativa
et effectiva [gegebenen und wirkenden Kräfte,
Anm. d. Hrsg.] aller Gnadenmittel (in denen Christus sich selbst als Versöhner
und Heiland anbietet und bringt) sind Wort und Sakrament allerorts, wo sie in
Übung stehen, der Same der Kirche, der nicht gänzlich ohne Frucht bleibt, das
Fundament der Kirche, durch welches sie auf dem Eckstein Christus gebaut ist,
der eine Auftrag der Kirche, durch dessen Ausführung der Heilige Geist sie
selbst erbaut und andere hinzu rettet, demgemäß auch der
Betätigungsgegenstand des einen Amtes der Kirche, endlich das eine Regiermittel
der Kirche, nach dem sich in ihr alles bestimmt. Es gibt noch mancherlei
Kennzeichen des Einbruchs der einen Kirche als eines aeternums
[Ewigen, Anm. d. Hrsg.] in die Geschichte (Luther in "Von den Conciliis und Kirchen"), aber unfehlbare Kennzeichen
der an sich nicht sichtbaren [d.i. verborgenen, Anm. d. Hrsg.] einen Kirche,
durch die sie jeweils am Ort oder an Orten faßbar
wird, sind nur das hörbare Evangelium (in seinem beständigen Bezugsverhältnis
zum Gesetz) und die sichtbaren Sakramente.
(Dem Wirken Gottes durch sein Wort kann aber
widerstanden werden und wird widerstanden und widerstrebt, bis hin zur
Verfolgung. Auch das ist eine Reaktion auf Gottes Wort, Joh. 15,18 ff.; 1 Kor.
1,18 ff. Das Wort vom Kreuz ist den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine
Torheit, d.i. der natürliche Mensch, der ja nichts vernimmt vom Geist Gottes, 1
Kor. 2,13, da sein verfinsterter Verstand, Eph. 4,8, gar nicht verstehen,
begreifen kann, der ärgert sich am Wort von der Sünde, daran, daß er nicht allein sich rechtfertigen kann, daran, daß er abgrundtief verdorben ist. Dieses Ärgernis darf die
Kirche nie versuchen zu umgehen oder abzuschwächen, wenn sie anders nicht
Gottes Lehre in ihren Fundamenten zerstören will. Genau das aber geschieht ja
heutzutage dort, wo die Kirche meint, besonders 'professionell' zu sein, und
nach wirtschaftlichen Werbemethoden die Menschen zu erreichen sucht, es umgehen
will, anzuecken, den Menschen Negatives zu sagen, und ihnen so nach dem Munde
redet, der Menschen Knecht wird, das klare Bekenntnis wegläßt,
dafür Unterhaltung, Problemlösung anbietet, anstatt von unserer Verlorenheit
und der durch Christus geschehenen, in der Taufe und dem Evangeliumswort
zugeeigneten Errettung zu sprechen.
Dabei
aber müssen wir unbedingt auch mit Ablehnung rechnen, ja, mit Feindschaft und
Verfolgung. Wir können auch nicht von uns aus sagen,
wie es die Gemeindewachstumsbewegung macht, wo Menschen bekehrt werden werden und wo nicht - das alles steht bei Gott und ist uns
verborgen. Diese Scheidung und Unterscheidung ist unbedingt wichtig, denn sie
betrifft gerade auch das rechte Verständnis der Kirche, betrachtet als die
äußerliche Versammlung um Wort und Sakrament, in der eben auch Heuchler und
Scheinchristen dabei sind und die deshalb nur synechdoche,
nur im übertragenen Sinne, überhaupt Kirche heißt, nämlich um
der Gläubigen willen in ihrer Mitte, also der wahren Kirche oder
verborgenen Versammlung der an Christus wahrhaft Gläubigen. Das drückt Dr.
Oesch dann auch in der vierten These aus. Anm. d. Hrsg.)
Obschon im Neuen Testament die Getauften
grundsätzlich erscheinen als cum effectu [d.i. als
solche, die auch die Gnade durch die Taufe im Glauben empfangen haben, Anm. d.
Hrsg.], d.h. in Christum hineingetauft (Gal. 3,26 f.), die durchs Wort
Berufenen grundsätzlich als arcessiti, electi [Herausgerufene, Erwählte, Anm. d. Hrsg.] (Röm. 8,28
ff.), die Abendmahlsgäste grundsätzlich als der "eine Leib"
Christi (1 Kor. 10,17), so zeigt doch das Neue Testament klar am Beispiel des
Ananias und der Saphira (Apg. 5,3 ff.), des Simon Magus (Apg. 8,9 ff.) und
vieler anderer, daß der Wirkung der Gnadenmittel
widerstanden werden kann und von einem größeren oder kleineren Teil der im
Sinne von Matth. 22 Berufenen auch widerstanden wird
(Matth. 22,14; 23,37; 1 Kor. 10; Hebr. 3 f.), so daß im Blick auf jedes einzelne der Gnadenmittel und auf
sie alle zusammen der Schluß, "omnes vocati sunt vere
in Christum credentes" [alle Berufenen sind
wahrhaft an Christus Gläubige, Anm. d. Hrsg.] und also wirkliche Glieder der
Kirche, falsch ist (CA VIII). Manche halten sich von Anfang an nur zum Schein
zu den Gnadenmitteln, andere fallen als Zeitgläubige (Luk. 8,13) wieder ab.
Entsprechend ist der coetus
vocatorum [die Versammlung der durch das Wort
Berufenen, Anm. d. Hrsg.] zwar immer der Ort, da das Wort nicht leer
zurückkommt (Jes. 55,10; Luk. 8,8). Aber da der Glaube von den Gnadenmitteln
leben muß und sich in ihrem Gebrauch betätigt, so besteht
der coetus vocatorum nie
aus einem staatskirchlichen "Polizeirevier" [also
Kirchengemeindebezirk, Anm. d. Hrsg.] oder sonstigem Stratum [Teil, Anm. d.
Hrsg.] menschlicher Gesellschaft, soweit äußerlich festgestellt, in dem alle
wenigstens baptizati [getauft, Anm. d. hrsg.],
vielleicht auch confirmati [konfirmiert, Anm. d.
Hrsg.] und in die Kirchenbücher Eingetragene oder etwa Kirchensteuer Zahlende
sind, sondern nur aus den media salutis amplectentes [d.i. den die Gnadenmittel Gebrauchenden, also
regelmäßigen Kirchgängern und Sakramentsempfängern, Anm. d. Hrsg.]. Und stets muß auch unter letzteren mit der Anwesenheit eines
(vielleicht großen) Teiles von admixti mali et hypocritae [untergemischten
Bösen und Heuchlern, Anm. d. Hrsg.] gerechnet werden. Deshalb ist der coetus vocatorum am Ort, in
seiner empirisch faßbaren Gesamtheit betrachtet, nur
synekdochisch ekkleesia, nicht einfach als solcher.
Weil die eine Kirche allerorts "creatura verbi" (Luther) [Schöpfung durch das Wort, Anm. d.
Hrsg.] Werk, Werkstätte und Werkzeug des durch die Gnadenmittel wirkenden
Heiligen Geistes ist, so befindet sich die eine Kirche nie außerhalb, sondern
stets innerhalb des coetus vocatorum
am Ort in der Weise, daß vor Gott die admixti sowenig dazugehören wie der Dreck zum Wagenrad, der
Grind und Aussatz zum Körper.
(Darum: wer zur Kirche als der
verborgenen Gemeinschaft des Glaubens gehört, das kann allerdings nicht gesagt
werden, da der Glaube im Herzen verborgen ist, Luk. 17,20.21, Christi Reich
kein irdisches, sondern ein geistliches Reich ist, Joh. 18,36. Aber wo
die Kirche zu finden ist - das ist ja unendlich wichtig für uns: und das können
wir nirgend anders erkennen als eben an den Kennzeichen der Kirche, Wort und
Sakrament, durch die Gott die Kirche baut, sie trägt
und erhält, durch die sie ihr Amt ausübt, wie wir schon gesagt haben, nämlich daß die Lehre und rechte Verkündigung des Wortes und
schriftgemäße Verwaltung der Sakramente DAS Amt, DER Auftrag der Kirche sind.
Sie sind Kennzeichen, daß dort die Kirche, die
verborgene Gemeinschaft des Glaubens, vorhanden ist, da Gott durch diese Mittel
Menschen wiedergebärt. Was die äußere Versammlung angeht, so sind sie deren
Wesensmerkmal. Und diese äußerliche Versammlung als 'Kirche' anzusprechen, etwa
wenn der Pastor sie in der Predigt als 'Gemeinde' anredet, das ist völlig
legitim, trotz der Ungläubigen, die daruntergemischt sind, denn das ist der
biblische Sprachgebrauch. Die wahre Kirche, die Gemeinschaft der Gläubigen,
Erwählten, ist gar nicht anders als eben in der sichtbaren Ortskirche, der
äußerlichen Versammlung um Wort und Sakrament, ansprechbar. Es ist
Schwarmgeist, wer dies ablehnt und eine sichtbare Gemeinde der Gläubigen bauen
will, etwa auch faktisch allen, etwa außerhalb des evangelikalen Lagers, den
Glauben abspricht. Anm. d. Hrsg.)
a) Die notae ecclesiae sind demgemäß die Kennzeichen, an denen die eine
Kirche Christi, die sich als geistliches Volk dem Auge entzieht, am Ort erkannt
wird.
b) In Hinsicht auf den äußerlichen coetus vocatorum stellen die notae nicht eigentlich dessen
"Erkennungszeichen" dar (als empirisch erkennbar braucht er keine
heuristischen Kennzeichen), sondern der tatsächliche Gebrauch der
Gnadenmittel umgrenzt den coetus vocatorum, das heißt, die als Kirche anzusprechende
sichtbare Versammlung.
c) Da diese konkret in die Geschichte
hineinragende Gemeinde aber nur als Gemeinde Gottes, als congregatio
sanctorum i.e. vere credentium [Gemeinde der Heiligen oder wahrhaft Gläubigen,
Anm. d. Hrsg.] himmlisch berufen und mit dem Glauben beschenkt ist, auch nur
als Leib Christi, nicht als corpus mixtum, den Auftrag Christi hat, sein Werk zu treiben, so
kann der coetus vocatorum
oder die sichtbare Ortskirche legitim nur als die eine Kirche handeln
(d.h. so, daß diese ecclesia
particularis [Lokalkirche, Anm. d. Hrsg.] gerade
nicht als ein dem Reich zur Linken unterworfener Sektor der menschlichen
Gesellschaft, des Staates, der "community"
usw., sondern als Una Sancta handelt).
Es muß daher
verworfen werden:
a) Jede Materialisierung der Kirche
als antievangelische Vergesetzlichung, wenn z.B. Rom
lehrt, die Kirche sei ein aus Guten und Bösen bestehender, sichtbarer
Rechtsverband unter den Bischöfen und dem Papst, und damit zugleich auch jede
Lehre, die die Kirche primär als sichtbare "Heilsanstalt" ausruft [so
vielfach in den 'lutherischen' Landeskirchen des 19. Jahrunderts,
auch in der Breslauer und der Hessischen Freikirche, Anm. d. Hrsg.] (und erst
sekundär, wenn überhaupt, als congregatio sanctorum, i.e. vere credentium) oder die rechtliche Elemente (Verfassung,
Dependenz der Ortsgemeinde von größerem Verband, umgekehrt: Pflichtcharakter der
de-facto-Independenz, Amtspersonen als solche) [wie wir es bei den reformierten
Gruppen finden, die von neutestamentlicher Gemeindeverfassung sprechen; bei den
Kongregationalisten oder Independentisten, die die
Unabhängigkeit der Ortsgemeinde überziehen, Anm. d. Hrsg.] in das Wesen
der Kirche mengt; darum auch ein Luthertum, da offen oder versteckt die baptizati mali [die getauften
Bösen, Anm. d. Hrsg.] zu der einen Kirche zählt oder die sichtbare
lutherische Kirche als die Una Sancta proklamiert [ersteres etwa bei Franz
Delitzsch, letzteres bei Grabau, in Ansätzen auch bei Huschke, Anm. d. Hrsg.].
b) Jede spiritualistische
Auffassung, die die eine Kirche als congregatio
sanctorum bzw. electorum
nicht als notwendigerweise an die Gnadenmittel gebunden und von daher erkennbar
ansieht (Genfer Katechismus: nec signis
dignoscitur [nicht durch die Zeichen zu wissen, Anm.
d. Hrsg.]).
c) Jede ethizistische
bzw. perfektionistische Auffassung, die unter Verleugnung der Rechtfertigung
die eine Kirche jederorts so oder so zur sichtbaren
Gemeinde der Heiligen deklariert [so in vielen evangelikalen Freikirchen, auch
im Pietismus, Anm. d. Hrsg.].
d) Jede Hilflosigkeit, die zwei Kirchen
erfindet, eine unsichtbare der unmittelbaren Gnade oder Erwählung und daneben
eine sichtbare, diesseitige oder halbdiesseitige Kirche, die neben Wort und
Sakrament auch noch Gewalten, Ansprüchen, Beauftragungen, Sendungen auf der
Ebene des aioon houtos
[dieser Zeit und Welt, Anm. d. Hrsg.] unterworfen ist, sei das Verhältnis zum Reich
zur Linken nur das des Übergeordnetseins (als
Kirchenstaat, Theokratie) oder das des Eingeordnetseins
(als Staats-, Volks-, Gesellschaftskirche oder sonstwie
benannter Sozialfaktor). [Das ist die Lehre der Reformierten und all ihrer
Abkömmlinge, wie wir sie in der Lehre von den konzentrischen Kreisen
(Bürgergemeinde und Christengemeinde) anstatt der Zwei-Reiche-Lehre finden, bei
Calvin wie auch bei Barth; ebenso findet sich das wieder in all den Spielarten
der 'politischen Theologie' und des Volkskirchengedankens. Anm. d. Hrsg.]
e) Überhaupt jede Kompromißlösung,
die die eine Braut Christi an der Treue hindert, nur Christi [eigen] zu sein
und nur Christi eines Werk zu treiben, in dem sie
nämlich die alleinbestimmende Bezogenheit der ecclesia
late dicta [Kirche im
weiteren Sinne, d.i. äußerliche Versammlung um Wort und Sakrament, Anm. d.
Hrsg.] zur Una Sancta verleugnet.
[Es
ist anhand eben dieser Kennzeichen der Kirche und ihres Gebrauches, daß wir die von Gott in seiner Schrift so unbedingt
geforderte Unterscheidung zwischen rechtgläubiger (orthodoxer) und
falschgläubiger (heterodoxer) Kirche vorzunehmen haben, damit auch
festzustellen, ob Gemeinschaft besteht oder ob Trennung da ist. Anm. d. Hrsg.]
a) Nur die notae purae [unverfälschten, reinen Kennzeichen, Anm. d.
Hrsg.] die reine Predigt von Gesetz und Evangelium und die nach Christi
Einsetzung verwalteten Sakramente, weisen die eine wirkliche Kirche Christi
jeweils am Ort aus, stellen den Bezug der ecclesia particularis [Teilkirche oder regionale Kirche, Anm. d.
Hrsg.] zum Werk des Heiligen Geistes und demgemäß zu Christus als dem einen
Haupt der Kirche dar. Deshalb sind auch, einerlei, was das kirchenrechtliche
oder organisatorische Verhältnis als bloßes Mittelding sein mag, alle
Ortskirchen reiner Kennzeichen in Wirklichkeit eine orthodoxe Kirche, zu
gegenseitiger Gewährung der Kirchengemeinschaft (die stets ungeteilt ist) mit
allen ihren Konsequenzen verpflichtet und ist zwischen ihnen jegliche
Verweigerung der Kirchengemeinschaft schwere Sünde - Schisma.
b) Jede tatsächliche Verfälschung
der Botschaft Christi, d.h. der Schrift (auch in der Form wesentlicher Verkürzung),
läßt eo ipso, da es kein Drittes gibt, eine Gegenbotschaft
gleichberechtigt und übermächtig werden, nämlich die der natürlichen Religion,
d.h. des zur Selbstrechtfertigung mißbrauchten
Gesetzes, bzw. erkennt neben Christo einen anderen Herrn, einen Götzen, an.
c) [Nicht
jede falschgläubige Kirche ist Synagoge Satans im Vollsinn, nämlich nur noch
Verführerin, nicht mehr Kirche, sondern da, wo Gottes Evangelium noch irgendwie
im Schwange ist, da werden auch noch Menschen wiedergeboren durch dieses
Evangelium in Wort und Sakrament, da ist diese Gemeinschaft wohl eine Sekte,
nach der falschen Lehre betrachtet, aber auch noch Kirche, nach denen gewiß in ihr vorhandenen Gläubigen an Christus. Anm. d.
Hrsg.]
Jegliche Heterodoxie [Falschgläubigkeit,
Anm. d. Hrsg.] und notwendigerweise auch aller Unionismus
- da er das damnamus [Verdammungsurteil, Anm. d.
Hrsg.] gegenüber falscher Lehre einschränkt oder abbaut - setzen neben
die notae der einen Kirche Gottes die notae der vielgestaltigen Synagogen Satans. Sie bekämpfen
die eine Kirche Christi.
d) Heterodoxie und Unionismus
richten hinsichtlich des Begriffes der synekdochischen Kirche, d.h.
Kirche Christi, sofern sie als coetus vocatorum [Versammlung der Berufenen um Wort und Sakrament,
Anm. d. Hrsg.] in Erscheinung tritt, heillose Verwirrung an. Sobald
Irrlehre oder Unionismus sich grundsätzlich
eingenistet haben, ist die Möglichkeit aufgehoben, den betreffenen
coetus vocatorum für die ekkleesia tou theou
[Kirche oder Gemeinde Gottes, Anm. d. Hrsg.] am Ort zu halten (unter Abrechnung
der admixti [d.i. der daruntergemischten Heuchler und
Scheinchristen, Anm. d. Hrsg.]). Denn im Hinblick auf die unreine publica doctrina [öffentliche Lehre, Anm. d. Hrsg.] ist derselbe coetus öffentlich zugleich als coetus
vocatorum diaboli [Versammlung der Berufenen des
Teufels, Anm. d. Hrsg.] etabliert. Und wenn das, was an media salutis Dei [Gottes Gnadenmittel, Anm. d. Hrsg.] noch
vorhanden ist, auch die eine Kirche Christi am Ort noch gebären kann und sie
bei der unendlichen Barmherzigkeit und Treue Gottes und der unauflöslichen
Verbindung des Heiligen Geistes mit den Gnadenmitteln auch ins Leben ruft und
in gewissem Umfang erhält, so gebiert doch zugleich der Irrtum, dem das erbsündliche Verderben aller Menschen entgegenkommt, mit
absoluter Konsequenz die Synagoge Satans. Nennt man einen heterodoxen coetus "Kirche", so geschieht das nicht nur
synekdochisch [im übertragenen Sinne, Anm. d. Hrsg.], sondern zugleich
dialektisch, acquivoce, cum reservatione
oppositi [sozusagen einbeziehend das Gegenteil, Anm.
d. Hrsg.], indem man den Selbstwiderspruch dieses coetus
nicht zum Ausdruck bringt. Nennt man ihn "Sekte" oder häretischen
Verband, so drückt man nicht die auch noch vorhandene Ortsgegenwart der einen
heiligen christlichen Kirche aus. Es bleibt dogmatisch zur umfassenden
Charakterisierung keine andere Wahl, als den Ausdruck falsche oder heterodoxe
Kirche zu gebrauchen, im Sinn
nicht der Leugung jeglichen Vorhandenseins der einen
Kirche, sondern der Verneinug der legitimen
Feststellung und Darstellung der einen Kirche am Ort.
e) [Es
gibt einen biblischen Befehl zur Trennung von falschgläubiger Kirche, Röm.
16,17.18; 2 Kor. 6,14-18, schon um Gottes, seines
Wortes, seiner Majestät willen. Denn wo falsche Lehre ist, da ist immer auch
die Seligkeit in Gefahr. Das gilt insbesondere, wo jemand wohl die falsche
Lehre erkennt, auch weiß, er müßte eigentlich sich
trennen - und es dennoch nicht tut.
Dabei gilt auch zu bedenken: nicht der verursacht Trennung, der hinausgeht aus falschgläubiger
Kirche, sondern wer falsche Lehre aufbringt und behält, denn der hat sich
längst von Gottes Wort und seiner rechtgläubigen Kirche getrennt. Er ist der
Verursacher der Spaltungen, die kommen müssen, 1 Kor. 11,18.
Wie die Kirchengemeinschaft, so betrifft
auch die Trennung alle Äußerungen des kirchlichen und Glaubenslebens, also z.B.
Predigt, Abendmahl, Gebet, Mission, Diakonie, Musikarbeit, Schularbeit.]
Die Kirche der notae
purae (und die von ihr bestimmte orthodoxe ecclesia late dicta
[rechtgläubige 'Kirche im weiteren Sinne', also Versammlung um Wort und
Sakrament]) kann Heterodoxie und den stets die Heterodoxie involvierenden Unionismus nur zunächst mit elegmos
[strafender Zurechtweisung, Anm. d. Hrsg.], dann, im Fall der Hartnäckigkeit,
mit damnamus [Verdammen, Anm. d. Hrsg.] beantworten.
Unter dieses Urteil fallende Personen in der eigenen Mitte schließt sie aus. Da
infolge der Heterodoxie oder des Unionismus
abgöttische Zwiespältigkeit, ja Rebellion gegen Christus bejaht und gutgeheißen
werden müßte, würde man anders in einer
so zweifelhaften ecclesia late
dicta gleichwohl die eine Braut Christi öffentlich
begrüßen und anerkennen, so bleibt - nach den Weisungen der Schrift gegenüber
Irrlehre - keine andere Wahl, als bei diesem Zustand des Zwiespalts und des
öffentlichen Selbstwiderspruchs zwar um die Möglichkeit und Wirklichkeit der
einen Braut Christi in diesem babylonischen Gefängnis zu wissen, aber
eben deshalb mit dem verirrten Babylon keine Gemeinschaft zu pflegen, sondern
von ihm auszugehen, kurz, das damnamus
lehrmäßig gegenüber der Irrlehre und den Irrlehrern so anzuwenden, daß mit der ecclesia heterodoxa koinoonia
[Gemeinschaft, Anm. d. Hrsg.] im Sinne von betätigter Glaubensgemeinschaft und
entsprechender cooperatio ausgeschlossen ist.
von
P. Prof. Wilhelm Oesch DD
These
1:
(Zweiteilung der Christus übergebenen
Herrschaft) Geht man von dem Christus nach Auferstehung und Himmelfahrt aus,
dessen menschliche Natur zum beständigen und völligen Gebrauch der mitgeteilten
göttlichen Majestät und zum Präsidium über das All und alle Geschichte erhöht
wurde (Mt 28,18 par; E 1,20-23; 4,10) so ist
festzuhalten, daß dies auf Grund seines
Erlösungswerkes geschah (Ph 2,5-11), daß also sein Königtum nicht einfach trinitarischer Natur
ist - die Hoheitsstellung der zweiten trinitarischen Person an sich, so daß sich nie etwas änderte -, sondern vielmehr das
messianische Priesterkönigtum (L 1,32f par - Ps 110 Is
52,13 - 53,12; Zch 6,13; 9,9; 13,7; H). Beachtet man
hierbei die unleugbare Tatsache, daß Christus
Herrschaft über das All (Ps 8,7; 110,1 und Dn 7,14
par; Mt 11,27; Mc 1,27) dabei ganz anderer Art ist
(Kol 1,16f. 18 f; H 1,3f. 2,17 par) als seine Herrschaft über die Seinen in
seinem Heilandsreich (J 10,12ff; 15,15 par), so liegt auf jeden Fall eine Zweiteilung
hinsichtlich der Regierweise vor, nämlich die Unterscheidung (Luthers Ausdruck
gebrauchend) des Himmelsreiches "zur rechten Hand", des Herzstückes
der Herrschaft Christi und Gottes, und des sog. Weltreiches Gottes und
Christi "zur linken Hand", das dem ewigen Hauptreiche dienen muß. Dabei ist zu beachten, daß
"Theokratie" im NT völlig entfällt.
(Die folgenden
Anmerkungen beschränken sich auf Lutherbelege, die "Theokratie"frage
und die Regierung der Menschheit "zur linken Hand".)
1. Anm.: Vgl. Luther (WA ?,
301f.) W2 XVIII 1025: "Herr aller Dinge", jedoch "Haupt
allein der
frommen, gläubigen Christen"; im Blick auf Mt
5-7 sogar bei den Gläubigen zu unterscheiden "Christianus per se"
resp. "in relatione" W2 VII, 346 ff; Belege
über "rechte, linke Hand" bei Harald Diem, "Luthers Lehre zu den
beiden Reichen ...", S. 108; beachte weiter F. Lau, "Luthers Lehre
von den beiden Reichen" (Serie "Luthertum"), bes. S. 82ff.
2. Anm.: Zur völligen Ablösung der "Theokratie",
des Gottesstaates des AT, im NT vgl.
Mt 5 20,25ff; L 12,13f; J 18,36; G 4,8ff. 21-31; Kol
2,16f; H 8,6ff; 10,1ff; CA XXVIII, bes. 59.
3. Anm.: (Machtherrschaft über Menschheit durch bürgerlichen
Gesetzesgebrauch). Obschon die Macht Gottes und Christi (Ps. 2,4f. 8f)
die Interimsordnung kennzeichnet, die den verordneten Rahmen für den
gesellschaftlich-politischen Bereich der Menschheit einschließlich seiner
mancherlei Unterabteilungen bis zum Jüngsten Tag abgibt (Gn
3,16ff; 8,21f; 9,1-6; Mt 22,21; R 13; 1 P 2,13 - auch
Is 10,5. 15; 45,1; Jr 29,4;
Dn 5 par), so redet Gott doch auch dabei die Menschen
auf Grund des Restbestandes von Gesetzeserkenntnis im gefallenen Menschen (R
1,18ff; 2,14ff) verantwortlich von (Ps 33,15ff; 14,3,4), zugleich auf B u ß e
hinzielend (R 2). Auch abgesehen von Gottes Lenkung aller Geschicke (Mt 10,29f; R 11,36), von der Macht der gestifteten
Institutionen (Ehe, Familie, Wirtschaft, Staat) und der unerbittlichen
Todesschranke (Gn 2,17; R 5,12 par) hält Gott mitten
im rätselhaften Lauf der Geschichte mit ihren Abgründen die Menschheit mittels
eines unsichtbaren Bandes fest. Es ist das unausrottbare Wissen um bös und gut,
um gegenseitige, ja schließlich um letzte Verantwortung und um Schuld. Aliquo modo erreicht Gott inmitten der Lasterfluten einen
schwankenden Grad der iustitia civilis
(CA XVIII par, bes. Ap IV 21-27), von daher auch
Anwendung sittlicher Maßstäbe seitens irdischer Machthaber und im Urteil über
sie (usus civilis seu politicus Legis
Die secundum rationem - d.h. anwendbar für das
sittliche Bewußtsein auch der geistlich toten
Menschen und nicht von der Kirche dem Linksbereich einfach vorzuschreiben
"nach der Schrift").
4. Anm.: (kein Rechtfertigungs- oder Heiligungswert der iustitia civilis irregenitorum an sich). Bürgerliche Gerechtigkeit in der
Welt mindert nicht im geringsten die Herrschaft der
Schuld und Satans in den Herzen, trägt zur iustitia
coram Deo nicht das geringste bei (Mt. 21,31; Ph
3,5-11; Luthers Heidelberger Disp.) und läßt den
letzten Gotteszorn unverändert bevorstehen (R 2,12f; 3,20; graphische
Darstellung des hemisphairion infimum). Darf selbst bei den Christen die äußere
Gerechtigkeit vor den Menschen, die doch unabdingbar zur nötigen Glaubensfrucht
gehört (1 T 3,12; 5,7f), nicht in die Rechtfertigung aus Gnaden um Christi
willen durch den Glauben eingemengt werden, so ist erst recht die iustitia irregenitorum auf
anderer Ebene auch nicht zum geringsten Teil der aus der dikaiosyne
theou und aus der Rechtfertigung
fließenden Heiligung, dem neuen Liebeswesen der Christen, mag diese auch von
Schwachheit verdeckt sein, gleichzusetzen (R 14,23; G 5,6). Somit ist jeder
nivellierende Ausgleich zwischen den Ebenen äußerer Werkerei und innerer
Glaubensgerechtigkeit, auch zwischen gesellschaftlich-staatlicher Ordnung und
der heiligen Kirche, ausgeschlossen, mag apologetisches oder pädagogisches
Interesse einen Generalnenner auch unablässig gesucht haben und suchen
(Apologeten der frühen Kirche, Scholastiker des Mittelalters, Kulturtheologie
des Protestantismus, Karl Barths Einebnung "von oben her", usw.).
These
2 A:
(Unterteilung "zur Rechten"). Selbst
bei der einen eigentlichen Herrschaft, dem als aion
mellon unbeweglichen regnum
Christi exaltati (H 6,5; 12,27f vgl. mit Mt 25,34), muß die Art und Weise
der Erscheinung nach Zeit und Ewigkeit nüchtern von uns unterschieden werden,-
ob nämlich Christus hienieden mit vollendeter Gnade unter Trübsalen durch
Mittel (in regno cruce tecto vel ecclesia
militante per media salutis) oder dereinst droben mit
vollendeter, aufgedeckter Herrlichkeit herrscht (basileia
epioranios 2 T 4,18, in regno
revelato, in ecclesia triumphante).
(Die drei ersten
Anmerkungen gehen ein auf den Sprachgebrauch von "Reich" Gottes; 4
und 5 auf die Vollkommenheit der Gnade bzw. der Herrlichkeit - ohne
"Zwischenreich")
1. Anm.: basileia Herrschaft,
Reich, als Heilsbegriff: Mc 1,15 par; L 4,43; 9,2 par Mt
16,19; R 14,17 ("Reich" tritt in den Episteln zugunsten
spezifischerer Heilsausdrücke zurück).
2. Anm.: basileia als gegenwärtig: Mt 12,28; entos hymon L 17,21; dazu 3,3. 5 par.
3. Anm.: basileia als
zukünftig: Mt 5,3ff; 7,21; 8,11usw; Act 14,22; E 5,5f
par; 2 T 4,18 (überwiegender Sprachgebrauch in den Episteln).
4. Anm.: (Gnade hier schon vollkommen) Die im
Evangelium zugesprochene, vom
wagenden Glauben
ergriffene Gerechtigkeit Christi anstelle unserer Blöße gilt im Blick auf das
Jüngste Gericht (J 3,18; 5,24; R 8,31-39). Die aus der Rechtfertigung fließende
Lebensheiligung ist ihrerseits auch nicht nur eine sich wiederholende Transitusbewegung, sondern hat Pregressus-,
Wachstumskraft zum Jüngsten Tag, zur Vollkommenheit droben hin (1 C 15,58; Ph 1,9ff; 1 Th 4,1 usw.).
5. Anm.: (Herrlichkeit erst droben vollkommen: 1 C
13,12) Die Einzelheiten des Herrlichkeitsreiches fallen in den locus de novissimis und sind hier
nicht vorwegzunehmen. - Abzuweisen ist hier aber der Chiliasmus, der ecclesia militans und triumphans vermischt,
was die Schrift verbietet (Apokalypsen, vgl. "Einigungssätze" Kap.
IV, bes. Bel. 16ff. zur bleibenden Kreuzgestalt des Reiches Christi auf Erden).
These
2 B:
(Mögliche Dreiteilung der Herrschaftsweisen
Christi) Ist selbst innerhalb des geistlichen Reiches Christi mit besagten
zwei Stufen zu rechnen, so läßt sich die seit Joh.
Gerhard (gest. 1637) verbreitete Dreiteilung auch nicht von vornherein
abwerten, wenn sie nur die erste Hauptunterscheidung nicht abschwächt. Sie ergibt
folgendes Schema: (I) Das Machtreich umfaßt alle
Menschen und das ganze Weltall und wird durch die Allmacht und das Gesetz im 1.
Brauch regiert; (II) das Gnadenreich ist, was den Gebietsumfang oder die
Personen betrifft, identisch mit ekklesia tou theou, denn zu ihm
gehören alle Gläubigen, aber auch nur die Gläubigen, und es wird gesammelt,
belebt und regiert vom Heiligen Geist durch die Wirkung des Evangeliums in den
Herzen; (III) das Reich der Herrlichkeit oder das Ehrenreich ist die ewige
Fortsetzung und Vollendung des Gnadenreiches, in welchem Christus die Seinen
seine aufgedeckte Herrlichkeit sehen und diese an ihr teilhaben läßt.
(Die Anmerkungen
hierzu betreffen: Verhältnis zur ekklesia;
Rolle des Hl. Geistes und der Gnadenmittel; Widerstand I; Liebesreich;
Widerstand II; prophetische Monarchie; damnatorum;
Einheitlichkeit.)
1. Anm.: (regnum gratiae
et ecclesia) Die apostolische Enzyklika über die
Kirche, der Epheserbrief, setzt vom 1. Kap. an voraus, daß
alle Gläubigen, aber auch nur die Gläubigen zu ihr gehören, daß
diese aber (lt. 2,1ff) von Gott mit Christus auferweckt und in das himmlische
Wesen gesetzt - wieder parallele Kolosserbrief (1,13) sagt, versetzt - worden
sind "in das Reich des Sohnes seiner Liebe".
2.Anm.: (Hl. Geist, Gnadenmittel)
Das Werk des
Heiligen Geistes nach dem 3. Artikel erhellt aus J 14-16; R 5,5; 1 C 12 und E.
Ohne den Geist des Vaters und des Sohnes würde weder das Gesetz Erschrecken
über die Sünde (J 16,8; 2 C 3,16f) noch das Evangelium in seinen drei Gestalten
Glauben an den Heiland wirken und erhalten (J 3,6; 1 C 12,3; E 1,12 f). Jedoch
wirkt der vom Erhöhten gesandte Beistand, in dem dieser selbst kommt (J
14,16ff). ordentlicherweise nur durch die zum zuwendenden Abschluß
des Erlösungswerkes eingesetzten Mittel, Wort und Sakrament (J 17,20; 2 C
5,18-21; Mt 28,19; Mt
26,26ff). So werden die lebengebenden Wirkungen des Geistes, des Wirkers,
daneben direkt von den Gnadenmitteln ausgesagt (J. 6,63; 1 P 1,23; Jc1,18.21;
Ti 3,5f; 1 P 3,20f; 1 C 11,25).
3. Anm.: (Widerstand I)
Da Christus und
sein Geist in der Sammlung, Belebung und Regierung des
Gnadenreiches noch nicht "von Angesicht zu Angesicht", sondern
durch Mittel wirken, kann der rettenden Gotteskraft (R 1,16) widerstanden
werden. Christi "Ihr habt nicht gewollt" (Mt. 23,37f; vgl. Act 7,51;
13,46) bezeugt die Schuld derer, die verlorengehen trotz der gratia universalis (SD XI 28 f). Dabei ist uns verwehrt,
das "cur alii prae aliis?" zu erfassen, das Gnadenwunder zu durchschauen,
inwiefern uns selbst der Glaube geschenkt und erhalten wird (E 2,8f; 1 P 1,5),
die wir doch von uns aus im Vergleich mit den Verlorenen um kein Haar besser
sind (L 18,9ff; R 9-11; SD XI 60).
4. Anm.: (Liebesreich)
Obschon das
errettende Wirken ein allmächtiges ist (E 1,19¸ Kol. 2,12), herrscht Christus
über die Seinen nie mit Zwang, sondern nur durch die Liebesmacht, durch die der
Gute Hirte die Herzen an sich band und fort und fort bindet (J 13,34; 14,23; R
12,1ff - dazu W2 XII 318f - 1 C 13; 2 C 8 und 9). (alle Paränesen im
NT)
5. Anm.: (Widerstand II)
Daß in den Christen der Alte Mensch den Widerstand nicht
aufgibt (G 5,17 par), das Gesetz sogar gegen ihn steht (R 7,14ff), um dem neuen
Menschen zu helfen, ändert nichts am Liebesreich. Denn nur durch den Geist der
Kindschaft töten die Christen des Fleisches Geschäfte (R 6 - 8,17); und was
nicht aus Glauben und Dank hervorgeht, ist Sünde (R 14,23). Trotz der
zuzudeckenden großen Schwachheit sind die Glaubenswerke der Seinen
Siege des Erhöhten (2 C 4,7ff; E 2), Früchte der Gerechtigkeit (Ph 1,11; 2 P 1,3ff), Vorschmack des Endsieges (R 5,1ff; 1 J
5,2ff).
6. Anm.: (prophetische Monarchie)
Der König ist der
LOGOS, der Prophet (J 1,1.18; Dt 18,15 par).
Es ist nicht zu übersehen, daß sein Liebesregiment
durchs Wort monarchisch ist (Mt. 23,8; J 10,27f; 18,37). Auch der Heilige Geist
bringt dasselbe Wort (J. 16,13f). Der König duldet Konkurrenzwort weder beim
fremden Werk des Gesetzes noch beim eigenen Werk des Evangeliums (Mt 5,18f; 15,1ff; 28,18ff; J 8,31f; 10,4f; G 1,8f; 1 T
4,1ff). Sein Wort aber hat der König an den Mund der Apostel (und der Propheten
vor ihnen) gebunden und uns dadurch an die Schrift als einzige Quelle und Norm
gewiesen (Mt. 5,17; L 10,16; J 17,20; 2 C 5,20; 13,3; 2 T 3,14-17; 1 P 1,11f; 2
P 1,15-21). Durch das Wunder des Heiligen Geistes ist die - mit dem nun
abschließend gegebenen Wort übereinstimmende - Verkündigung heute sachlich noch
das eine apostolisch-prophetische Christuswort.
(Reichsbefehl).
(Über die vis vere divina, die dem Offenbarungswort in je verschiedener Weise
als Gesetz und als Evangelium eignet, wird im zweiten Kapitel sub notis ecclesiae
genügend gesagt werden.)
7. Anm.: (pou damnatorum)
Die Tatsache eines
pou damnatorum mit
ewiger Strafe für die Ungläubigen, die bei der Lehre von den letzten Dingen zu
erhärten ist, beeinträchtigt nicht die ewige Liebe im Ehrenreich, mögen wir es
jetzt auch nicht fassen, und bietet keine Veranlassung für die Nebenordnung
eines vierten und negativen Reiches Gottes und Christi.
8. Anm.: (Einheitlichkeit)
Indem alle drei
Reiche von dem König Jesus Christus nach zusammenstimmendem Plan regiert
werden, sind sie nur nach der Weise des Regierens und der Beschaffenheit der
Untertanen verschieden (Mt. 28,18ff; E 1,17ff. 20ff; J 17,15ff; R 8,24f; 1 C
13,12), nicht aber in der letzten Zielsetzung der Ehre Gottes und dem Heil der
Auserwählten, somit nach seiten des wirklichen
Königseins Christi nur ein Reich. Es ist nichts mit der
"Abwesenheit", gar dem "Verschwundensein" des KYRIOS. - sei
es irgendwo im All, sei es je in Zeit oder Ewigkeit.
These
3:
(usus practicus, scil. officii regii Christi in statu exaltationis)
Das uns rettende, über alle Feinde triumphierende Regiment des zu preisenden
KYRIOS ist Gegenstand des Glaubens und des Hoffens der Christen, ihnen deshalb
auch zur Ermunterung unermüdlich auf Grund der Schrift einzuschärfen. Indem
Christus seine Erhöhung in allen Ämtern zur Zueignung und Ausbreitung des in
der Erniedrigung den Menschen erworbenen Heils dienen läßt,
ist sein Heilswerk von einer das geschaffene All überbietenden Größe, dazu von
bleibender Geltung und ewigem Bestand (Umwandlung der Christokratie
in vollendete ewige Theokratie am Ende).
(Die Anmerkungen
beziehen sich auf die Reichsüberlegenheit, das getroste Warten und die
Antithesen.)
1.Anm.: Zur Überlegenheit des Reiches Christi vgl. auch Dn 2,44; J 16,33; E 1,10;
Kol.1,19f; 2 P
1,19fr; 2 P 1,11; 2 T 2,17ff; Apc 11,15; zur
Umwandlung in die Endtheokratie 1 C 15,24-28 (Franz Pieper, Christliche
Dogmatik II, Anm. 1088).
2. Anm.: Zum Wachsen in getrostem Warten als der Normalhaltung
der Christenheit vgl. die
ev. Apokalypsen Mt 24 par; 1 C 1,7f; 15; Ph
3,20f; Ti 2,13; W2 IX 930 ff.
3. Anm.: In der Antithese zur Reichszuversicht steht
einmal jede Einschränkung des totalen
tetelestai, das die Antwort darstellt
auf "Cur Deus homo?"; sodann sowohl jede
Verzweiflung an den rein geistlichen Mitteln, nämlich "Wort und
Sakrament", mit dem bei Abwendung von den rechten Mitteln sofort
ausgelösten Greifen nach anderen Mitteln, als auch die dem allen unweigerlich
folgende Zulassung von Menschenherrschaft in der Kirche an Stelle der
Alleinherrschaft Christi durch sein Wort.
These 1 A: Die bereits in Kap. I (de officio regio Christi in statu exaltationis) behandelte Gleichsetzung des Gebiets (d. h.
der Personen) des regnum gratiae
Christi und der ekkleesia auf Erden schließt eo ipso in sich, daß alles, was
dogmatisch vom Beginn der Verheißung im Paradiese an
über die Kirche zu sagen ist, seinen Ort hat in dem rettenden Kampf des Heils-
oder Christusreiches mit der Satansherrschaft über die gefallenen Menschen
(Schlink, "Theol. ...", VI, Absätze 1 und
2).
These 1 B: Auf den
neutestamentlichen Befund gesehen, ist im einzelnen
zu sagen: Die ekkleesia tou
theou en Christo Iesou
ist a), als der kahal oder die
Gottesversammlung der Erfüllungszeit b), ganz und gar keine vom
Diesseitsdenken bestimmbare Größe, sondern schlechthin das pneumatische
Gottesvolk c). Indem dasselbe in allem auf den menschgewordenen und
nunmehr erhöhten Gottessohn bezogen ist, ist dasselbe, als soma
kai pleroma tou Christoud), mitten in der Zeit schon
endzeitlich herausgehoben e).
(Die Buchstaben a-e in der These 1 B sind so angeschlossen, daß der Inhalt der sechs Anmerkungen dadurch bestimmt ist -
wobei nur noch die Zusammenfassung von a) und b) unter dem Begriff
"Gesamtverständnis" hinzukommt.)
ad a): (neutestamentlicher Sprachgebrauch)
Mt 16,18f; 21,41ff; 1
P 2,3ff. - Is 38,10; 22,22
1 C 12,27f. vgl. mit 1 T 2,15; E (Universalgemeinde)
- Mt 18,17 (ekkleesia
örtlich gesehen); Act c.2 (47b vgl. mit 41ff.); 8,1 usw.;
Anreden der Gemeindebriefe; vgl. Konkordanz.
ad b): (alttestamentlicher Hintergrund) EKKLEESIA -
Hintergrund: der Weibessame (Gn
3,15); der Abrahamssame (Singular und Kollektiv: Gn 12,1ff; 22,18 vgl. mit R 4,1 ff; 9,7ff; G 3,16.28ff);
das theokratisch-völkisch umschlossene Eigentumsvolk (Ex 19,5ff; 29,44ff vgl.
mit G 3,17f; 1 P 2,9; Kol. 2,16ff); der "Rest" (z. B. Is 10,22f vgl. mit R 9,27f; 11,5ff); der verheißene
Endzeitbund (Jr 31,31ff vgl. mit Mt
26,26;
1 C 11,25; H 8,8ff par). Darüber hinaus ist die ganze Heilsgeschichte im AT
vorausgesetzt. Beachte nach Lankisch insbesondere im
AT Luthers Übersetzung "Gemeinde".
Zusammenfassend zu a) und b):
(Gesamtverständnis des Sprachgebrauchs; TWNT III wird nur mit Ziffer für
Seite angegeben):
( a ) Die aramäischen Wörter
lehala und kebischtha,
die Jesus Kt 16,18; 18,17 benutzt haben mag
(528f), haben gegenüber den hebräischen und griechischen Vokabeln kein
Eigengewicht, entsprechen vielmehr dem Gebrauch von ekklesia
und synagohgeh in der LXX (519f, 530ff) und
werden von dem sie gebrauchenden Jesus ebenso "erfüllungszeitlich"
gefüllt wie der term.t. ekkleesia sonst im NT.
( b ) Bezeichnete einst ekkleesia als wichtigste kahal
-Übersetzung der LXX das alttestamentliche Gottesvolk, das als erwählt und vor
Gott versammelt gedacht ist (504, 510, 522 usw.), so bezeichnet ekkleesia im NT die endzeitliche Heilsgemeinde - als
die Erfüllung der Verheißung (vgl. Mc 1,15; Mt 5,17; J 19,30). Die Wendung zum "Rest Israels"
und zur Heidenschaft schwingt dabei lebhaft mit
(529f).
( c ) Dabei ist
zunächst anzumerken: Gegenüber der ekkleesia
hat der alte kahal nunmehr seine Bedeutung
verloren (Mt 16,13ff; G 4,21-31; 5,4ff). Jede Volksversammlung, auch
die des verbleibenden leiblichen Israels, ist nun auf der Ebene des
"Reiches zur Linken" ausgesiedelt worden (vgl. unsere Thesen zum
Reiche Christi), wobei der Heils- und Offenbarungsanspruch jedweder derartigen
menschlichen Versammlung oder Instanz von vornherein negiert wird (518ff). Erst
recht ist das andere zu betonen: Die ekkleesia
ist keineswegs nur als Ablösung des theokratischen kahal
zu verstehen, vielmehr ist sie in erster Linie Fortsetzung des Volkes
der Verheißung, das seit Protevangelium und Protoplastenglaube kontinuierlich
da war. Vgl. hierzu neben den ad b) genannten Stellen (z. B. R 4) und
neben H 11 vor allem R 9-11 (9,6ff. 22ff; 11,1ff. 16-24.25ff - recht zu
verstehen). Allerdings hat die Judensynagoge nicht das geringste Recht, neben
der christlichen Kirche zu bestehen; ihr gilt der Anspruch der christlichen
Mission genau so wie den Heidenvölkern (Mt 28,18ff; Mc 16,15ff; Act 1,8;
G 2,7ff). Der, der Christ wird, borgt nichts vom leiblichen Judentum, sondern
ist Erbe der ganzen Verheißung und hat alles direkt in Christus (Kol. 2,9ff).
Aber: der Christos, auf den die ekklesia
totaliter bezogen ist (s. unten ad d), stammt nicht nur kata
sarka leiblich von Abraham und David ab (R 9,4f),
sondern eben diese (lt. Verheißung fürs Heilswerk zuvorbestimmte)
Person der Dreieinigkeit war von Anfang an der Logos, das Licht und das Leben (J
1,11ff), dessen Tag Abraham sah (J 8,56ff), der geistliche Wasserspender in der
Wüste (1 C 10,5), der Herr Zebaoth, den Jesaias anbetete (J 12,39f), eben der,
den der ganze Opferdienst zur Rettung verkündigte und dessen Verdienst im voraus galt (Lv 17,11; paresis R 3,23 par).
Im Bündel der Verheißungen (so rätselhaft er unserem historischen Auge
bleibt) erfaßte bereits der Glaube derer, die seit
Adams Fall selig wurden, den verheißenen Heiland und das Heil. Der Erschienene läßt sagen, daß er nicht nur in
der ekkleesia das Israel kata
sarka
fortsetzt, sondern daß er dabei auch den mit ihm von
Abraham Abstammenden die weiter zugesagte Treue hält, sie als die natürlichen
Zweige des Ölbaums ansieht (R 1,16b par; 11,15ff; 15,7ff) und sämtliche dem
Volk der Wahl (R 11,28ff) gegebenen Verheißungen im ursprünglichen (nicht
"nationalistischen") Sinne einst zum Ziele führen wird.
( d ) Der der Näherbestimmung kahal Jahwe entsprechende Genitiv ekkleesia tou theou, gfs. zusätzlich en
Christo (Iesou) (G 1,22; E 3,21; 1 Th 1,1; 2,14),
in R 16,16: tou Christou nennt
den, der die Heilsgemeinde erwarb, von Anfang an allein setzte und fortlaufend
setzt und vor sich versammelt. Gemeint ist GOTT als der aller Welt und Zeit
Überlegene, der aber im Fleisch erschienen ist, ja (u.U. einfach =) der Messias
als der erschienene Jahwe (mou : Mt 16,18; Act 20,28 nach Ps
74,2 - S. 506ff).
( e ) K. L. Schmidts Artikel im
TWNT verliert durch folgende Defekte: er geht nicht auf die Feststellbarkeit
der ekkleesia an Wort und Sakrament, nicht auf
die nicht gläubigen admixti ein, und er verwirrt - zu
E [ Kol - Christus und seinen Leib (512f).
( f ) Vermöge der Erfüllung ist
die ekkleesianie eine vom Diesseitsdenken erfaßbare, übersehbare, quantitative Größe, sondern
besitzt vom ganzen Heil her einen unteilbaren Qualitätsgehalt (507).
Qualität, nicht Quantität bestimmt sie, da der Anschluß
an das Haupt ausschlaggebend ist! Dem Wesen nach sind daher Gemeinden (ekkleesiai), wo immer sie sind, die eine Erfüllungs-
oder Heilsgemeinde (ekklesia), wie sie
jeweils hier und dort, an diesen und anderen Orten im Kreis der media salutis amplectentes
vor und in Gott versammelt ist (1 C 1,2; 2 C 1,1; G 1,13 vgl. 1,22; 1 C 10,32
vgl. 1 C 11,16; S. 506ff). Der eine Leib Christi ist immer an Orten, da er ja aus
den an das Evangelium Glaubenden besteht, und erscheint deshalb auch als
Versammlung im Wort und Sakrament an ganz bestimmtem Ort, also mit Genitiv,
Lokativ.
ad c):(pneumatisches Gottesvolk nicht
mehr unter theokratischem Joch)
Vgl. zunächst die erwähnten Thesen zum regnum
Christi, außerdem Mt 12,28; Mc
1,15;
J 3,3ff; 1 C 2,8ff; 12,2ff; 1
P 2,5ff; Ap VII 12-15. Obschon der aion houtos poneros noch nicht abgelaufen ist (1 J 5,19b), gilt G
1,4. Es schiebt sich der aiohn mellohn mit der basileia
ton ouranon und mit he ano
Ierousalem "herein" (H 9,26; 6,4f; vgl.
12,26ff und 1 C 15,20ff; G 4,21-31). Die Wirklichkeit Gottes im Rettungskampf
mit dem poneros sprengt die deistischen
Begriffe seit Cartesius und Kant von angeblich
absoluter Zeit und absolutem Raum. Deus Actuosissimus
verbürgt die ewige Überlegenheit Christi, des Heiligen Geistes und der ekkleesia - was freilich erst in der apokalypsis des Eschaton
offenbar wird (aion usw. - in LXX für olam usw.; TWNT I).
ad d): (totaliter Christus-bezogen,
(a); soma kai pleroma tou christou
(b).
(a) Die Kirche ist ein Begriff von Person zu Personen und somit ein
Verhältnisbegriff konkretester, persönlichster Art. Sie ist so auf den
menschgewordenen Gottessohn, den König des ewigen Reiches, bezogen, daß über die Kirche keine Aussage möglich ist, die nicht
von Christus ausgeht und der Christus nicht wesensbestimmend gegengeordnet ist
(vgl. zu Abschnitt A: Dn 7,13ff entspricht 7,27; dem
Herrscher von 2 S 7,13ff und Is 9,5ff entspricht sein
Volk Mt 1,21; L 1,32; J 1,11ff; dem ersten Adam folgt
der zweite mit "Tholedhothsetzung" R
5,12ff; 1 C 15,21f. Deshalb kann einmal auch "Christus" per synekdochen für "Gemeinde" stehen 1 C 12,12, die
von Mt 16,18 her außer ihm "nichts weiß", 1
C 2,2; G 6,14; Kol 2,3).
(b) R 12,5; 1 C 12; E 1,15-23 ( soma
... pleroma) in Kol 2,9ff - vgl. mit 1,16ff
entfaltet); E 2,14ff; 4,15ff; 5,25ff. 31 (Hohes Lied im AT). Luthers Lied:
"Sie ist mir wert".
ad e): (in der Zeit endzeitlich)
Vgl. d): das Verhältnis des soma zu Welt
und Zeit entspricht dem seines Hauptes (nur daß das
Haupt - das auch in den Tagen seines Fleisches von keiner Sünde wußte - schon erhöht ist): Christi Ekkleesia
ist "in der Welt", aber nicht "von der Welt" (J 17,11ff);
(2 C 5,17 par); aber freilich noch im Streit mit dem satanhörigen
eigenen Fleisch (R 7,14ff; G 5,17 par) und bedrängt von der Feindmacht (L
14,26ff; J 16,33 par; E 6,11ff; 1 P 5,8f), gleichwohl als harrende
Jenseitsgemeinschaft des Sieges und der Herrlichkeit gewiß
(R 5,1ff; 8; Ph 3,20f).
Nachbemerkung zu These 1:
Da es nur to pleroma
der Sache nach gibt und demgemäß Teile nicht
abgetrennt werden können, sind alle neutestamentlichen sakralen Ausdrücke, für
die man ekkleesia einsetzen kann, volle
Synonyma (immer Gottes auserwähltes Volk und Eigentum; im neuen
ausschließlichen Sinn: "Israel", die "Beschneidung" - Ph 3,3 - die adelphotes;
Gottes Haus, Tempel, königliche Priesterschaft; Christi Braut, Reben; usw.).
(Ausnahme 3 J 10)
Abteilung B
These 2 A: Das NT kennt nur die aus allen
Völkern a) vom Heiligen Geist b) durch den Zuruf des
Evangeliums um das Haupt Christus versammelte c) Gemeinde oder
Kirche, nämlich die UNA d) SANCTA e) CATHOLICA f)
APOSTOLICA g), die Kirche aller Gerechtfertigten e) , d.
h. aller, die den Trost des Evangeliums annehmen, also an Christi Allein- und
Vollverdienst glauben; wer nicht glaubt, ist draußen, selbst wenn er getauft
ist (Nic., CA VII sq. par f)).
These 2 B: (Wortlaut B zwecks Übersicht vorgerückt und zunächst ohne literae, darum später in anderem Druck)
Diese
Kirche ist aber keine platonische Idee. Sie ist in Raum und Zeit, hin und her,
an reines Evangelium und recht verwaltete Sakramente angebunden und steht
dadurch in der Gestalt der Menschen, die an dies Geschehen angeschlossen sind,
konkret und faßbar da. Dies aber so, daß auf der einen Seite alle Ungläubigen, die sich mit um
die Gnadenmittel sammeln, ihr nur beigemischt sind und so auch ihre
Vollmacht nicht zerstören oder mindern, und daß auf
der anderen Seite wahre Gläubige, die in sündlicher
Schwachheit äußerlich mit in Sektenbildungen abseitsgeführt worden sind, in
einer überdeckten Weise noch zum reinen Wort und Sakrament gehören, indem sie
den Anschluß über den nicht durchschauten
Selbstwiderspruch hinweg besitzen.
Es folgen die Anmerkungen zu These 2 A:
(Vom Einsatz bei der Erfüllungszeit und beim Werk des Hl. Geistes her
ergeben sich drei Anmerkungen; vom Nizänum her sind
es vier weitere, wobei der ursprüngliche und reformatorische Hauptton auf hagia ,
also auf e) fällt.)
ad a): ("aus allen Völkern"):
dies in Übereinstimmung mit dem in Aussicht gestellten Universalismus der messianischenZeit (Gn 12,2f;
Is 49,6 par); vgl. J 10,16; 11,52; 12,32; vgl. das
Pfingstfest und die Ausweitung zur Heidenkirche in der Apg;
R 9,24ff und E 2,13ff. 19ff; 3,6.
ad b): ("vom
Hl. Geist"):
neben These 1 c vgl. J
3,6b; 16,8ff.14; Act 2; 1 C 12,3.13 par.
ad c): ("durch den
Zuruf des Evangeliums um das Haupt Christus versammelte"):
(a) Beachte die Vorrangstellung von dabar
und logos sowie rema
von J 1,1 an vgl. mit Mt 16,13-19; Abendmahlsstiftung
mitsamt Reichs- und Taufbefehl; Weise der Gründung, Erhaltung und Ausbreitung
der ekklesiai und ekklesia
in Act und Briefen, bes. Act 6,7; 12,24; 19,20 ("das Wort Gottes
wuchs").
(b) Der Zuruf, als wirksamer gedacht, ist es, der die ekkleesia (also auch die ekkleesiai)
konstituiert: evangelische kleesis (R 9,22 ff;
E 4,3; 1 P 2,9), babtisma (G 3,26ff; E 4,5;
5,26 par; kyriakon deipnon
als "neues Testament" 1 C 11,23ff.
(c) im einzelnen vis dativa
des Evangeliums R 1,17; 10, 5-17 par.
(d) im einzelnen vis effectiva
evangelii R 1,16; 1 P 1,23ff par.
(e) beide Funktionen auch zwecks Glaubenserhaltung: J 8,31; R 6; 1 P 3,21; Jc 1,18.21; auch Stellen unter (b), (c), (d)
ad d): (UNA):
(a) numerisch eine, somit einzige (unica),
da nur ein Haupt ist, E 1,23; 4,3ff. Alle nicht-gläubigen Juden und Heiden,
auch alle Abgefallenen, sind "draußen" 1 C 5,12f; Apc
22,15; alle Gläubigen sind drinnen, so daß zunächst
für uns auf dem ganzen Erdenrund und heute (sagen wir horizontal) nur
diese eine Versammlung Gottes in Betracht kommt.
(b) durch die Geschichte hindurch, also wie Gott steht, dem von
Anfang bis Ende alles präsent ist (sagen wir vertikal), wiederum eine (semper eadem, perpetuo
mansura) Mt 16,18; G 4,26;
H 12,27f.
(c) una indivisa J 17; 1 C 1,10; 10,16f; c
12; E 1,23 pleroma; 2,14f; 4,1-16.
ad e): (SANCTA):
(a) Nur Gott ist kadosch, hagios in sich; und gegenüber der aus seiner
Gemeinschaft entfallenen Sünderwelt ist er es "in Gericht und
Gerechtigkeit", indem der unbegreifliche Gnadenbund dem Verdammungsurteil
entgegentritt, also ist er der Hagios in
"Gesetz und Evangelium". Darum ist vor allem sein Name, sein
Offenbarungswort "heilig" (L 1,49ff; 1 P 1,15 par),
(b) hagiazein ist das dem Namen
entsprechende Tun Gottes. Es schließt als Grundlage ein das Urteil der
strafenden Gerechtigkeit, die zu vollem Vollzuge kommt, und - entscheidend -
die die Gnadenverheißung erfüllende stellvertretende Genugtuung des theandrischen Messias (R 3, 19-28; E 5,25f). Das hagiazein erreicht in dem zueignenden Werk des
Heiligen Geistes rettend den (bzw. die) in Christus erwählten Menschen (E
5,26; 1 P 2,9 vgl. mit 1,1f; 2 Th 2,13f. - Heiligung, wie in der Überschrift
des 3. Artikels, "im weiteren Sinne" verstanden). Dem Gotteswerk
entspricht in sekundärer Weise auch ein menschliches hagiazein,
nämlich die von Herzen kommende Anerkennung dieses göttlichen Namens und Tuns,
womit der "neue Mensch" in entsprechendem willigen
Tun gesetzt ist (1. Bitte; 1 P 3,14 par).
(c) Die so in Gottes ewige Gemeinschaft
zurückgebrachten Menschen heißen selbst kletoi
hagioi (so gerade auch entsprechend dem Chasidim des AT); sie sind der wirklich
"heilige Rest" (Is 6,13 par), die heilige
Kirche. Dies in einem doppelten Sinne: Einerseits haben sie durch das im
Glauben an Chrtistus angenommene
Rechtfertigungsurteil Anteil an der Heiligkeit Gottes (1 C 6,11), einen Anteil
freilich, der ohne die fortlaufende Vergebung keinen Augenblick bliebe (5.
Bitte; E 1,7; 1 J 1,7; 2,2). Andererseits wird die noch anhängende Sünde, das
ganze entgegenstehende alte Wesen durch den Hl. Geist mittels
Gesetz und Evangelium zunehmend überwunden. Dies geschieht aus dankbarer
Liebe in eignem blutigernstem
Heiligungskampf - ohne den der Glaube verleugnet und vertan würde (Bergpredigt;
J 15,1f; R 6-8; G 5,17ff; H 12,14). Diese "Heiligung im engeren
Sinne" kommt erst am Ende, also droben, zur Vollendung, und zwar mit einem
Schlage (R 8,10f; 1 C 13,12; Apc 21,8ff).
(d) Nicht Dinge, keine Anstalt, kein Regiment - sondern erlöste
Menschen sind nach E 5,25ff Objekt des hagiazein
- und Christi Braut. Demgemäß darf auch "communio
sanctorum" - Zusatz zum Romanum - bei aller
nötigen Betonung von Wort und Sakrament nie einseitig so gedeutet werden, daß schließlich "heilige Dinge" die heiligen
Personen (die in Christus alles miteinander teilen) verdrängen und äußerliche
Teilnahme an den Gnadenmitteln alles bestimmt.
(e) Die Versammlung und Sammlung, von der allein gesagt wird, daß sie Christi Leib ist, ist die aller Gerechtfertigten,
d. h. aller den Trost des Evangeliums Annehmenden, an Christi Allein- und
Vollverdienst Gläubigen, keiner anderen Personen (pisteusantes,
sozomenoi, pisteuontes
ab Act 2; kletoi hagioi
par in Briefanreden; R 4 par).
ad f): (CATHOLICA):
katholike betont - von litera 'a' aus - die allgemeine Kirche so, daß, wer zu Christus gehört (deshalb im
Mittelalterlichen und Reformatorischen: "christliche"), wo immer er
sei, ohne weiteres vollberechtigt zu ihr gehört. Dies gilt gegen
alle Sonder- und Sonderungsansprüche, sei es des jüdischen Partikularismus, sei
es derjenigen, die jeweils von ihrem Schisma, oder gar von ihrer Häresie
ausgehen (gegen letztere steht sogleich apostolike).
ad g): (APOSTOLICA)
Apostolizität von J 17,20; Mt 28,18ff par; G c. 1
und 2 par; E 2,20 par; Apc 21,14 her - involviert
heute die Bindung der Kirche an die "prophetischen und apostolischen
Schriften alten und neuen Testaments" (de reg. Ep §
1; SD § 3), und zwar als de facto - im Sinne von
CA VII § 1 c - regierend (in Abs. C und E gegenüber dem Gegensatz weiter zu
behandeln).
Nachbemerkung zu These 2 A:
(a) Es ist zu beachten, daß die lutherischen
Bekenntnisstellen an sich schon einen großen, umfassenden Gegenwurf
darstellen - vor allem gegen Roms Behauptungen de ecclesia,
die es mit brachialer Gewalt durchzusetzen suchte (N-R §§ 340ff; Denz. §§
468f), daneben aber auch gegen zwei schwärmerische Meinungen von der
Kirche, nämlich:
(b) Vgl. CA VII/VIII; Ap VII; KK und GK:
3. Art. (s. GK II §§ 42.51-56); AS 2, IV §§ 1.9;
3 VII § 1; 3 XII; Tract § 24 SD X 31; XII; auch das Ekklesiologische in den
Vorreden und Einschaltungen zur FC und im Sum.
Begriff.
(c) Es sei nachgebracht eine auf Th. 2A und B bezogene Aufgliederung
von ApVII (Verteidigung des
biblisch-reformatorischen Verständnisses der 4 nizänischen
Bestimmungen zu ekkleesia in CA VII/VIII); A
(§§1-29) SANCTA CATHOLICA APOSTOLICA
Konzentrierung auf das Einheitsproblem
J e t z t e r s t
kommt 2 B zur Behandlung.
These 2 B: Diese Kirche
ist also keine platonische Idee. Sie ist in Raum und Zeit hin und her an reines
Evangelium und recht verwaltete Sakramente angebundenh)
undsteht dadurch in Menschen, die an dies Geschehen
angeschlossen sind, konkret da i). Dies aber so, daß
auf der einen Seite Ungläubige, die sich mit um die Gnadenmittel sammeln, ihr
nur bei gemischt sind j) und so auch ihre Vollmacht nicht
zerstören oder mindern, und daß auf der anderen Seite
wahre Gläubige, die in sündlicher Schwachheit
äußerlich mit in Sektenbildungen abseitsgeführt worden sind, in einer
überdeckten Weise doch noch zum reinen Wort und Sakrament gehören, indem sie
den Anschluß über den nicht durchschauten
Selbstwiderspruch hinweg besitzen k).
ad h): ("angebunden")
Vgl. Th. 2 Ac und Abschnitt C
ad i): ("konkret da")
Vgl. neben Th. 1 Anmerkung ad a) und b), auch noch Act 4,32; 1 C 10,16f;
12,13; Ap VII 3-5, 10.20ff. und im einzelnen wieder
Abschnitt C, auch D.
ad j): ("beigemischt sind")
Vgl. CA VIII; W2 V, 1234f; Ap VII,
1ff. 13 - 19.
Zur Kirche als der "Versammlung der Gläubigen" gehört:
(a) kein Verächter der Gnadenmittel; Mt
10,14; 22; H 4; L 7,30; J 8,47;
(b) kein den Grund umstürzender Irrlehrer, auch kein mutwilliger
Verteidiger irgendeiner Irrlehre, kurz, kein Rebell gegen Christi konkretes,
durch die Apostel und Propheten gegebenes Wort, J 10,26f; 2 Th 2,3-12; Ti 3,10;
1 J 2,18-23;
(c) keiner, der in Sünden wider das Gewissen lebt, auch der
Lebensheiligung nicht nachjagt: Lasterkataloge; sedes
de excommunicatione; vgl. Th. 2 Ae;
(bb) und (cc): kein wegen (b) oder (c) in den
Bann Getaner: Mt 18,15ff; J 20,23; 1 C 5,1ff par; (d)
keiner, der nicht von Herzen an seinen Heiland glaubt. Christus hat so wenig
"tote Glieder", als er einen toten Leib hat: Mt
25,1-13; Th. 2 Ae.
ad k): ("zum reinen Wort und Sakrament"
"gehören in einer überdeckten Weise" usw.): - Über Mc 16,16 par und 1 T 3,15 hinaus vgl. Abschnitt E.
Nachbemerkung zu These 2 B:
Das äußere Versammeltsein um die
Gnadenmittel des Heiligen Geistes, das an sich noch nicht zu Mitgliedern der
Einen Kirche Jesu Christi macht, ist keineswegs nebensächlich, sondern gehört
zum Weg, auf dem das innere, vom Heiligen Geist gewirkte Versammeltsein
zustande kommt, bestehen bleibt und sich dauernd äußert (s. die folgenden
Thesen). Die Glaubenskirche ist umfangen von der "Wort- und
Sakramentskirche" (der auch Heuchler und Böse äußerlich angehören), so wie der Baum in seiner Rinde wächst. Von der societas fidei et spiritus sancti in cordibus ist in
dieser Zeit untrennbar die externa societas signorum ecclesiae (CA VII § 1c; VIII; Ap
VII 3,5 par), der coetus vocatorum
(Einstieg zur ecclesia in den Loci Melanchthons seit
1535).
Der Beleg liegt im Verhältnis der ekklesia
zu den ekklesiai (da erstere nie ohne letztere ist,
und letztere nie abstrakt, nur ideemäßig da sein
können.
Vgl. Diagramm: Eckpfeiler Christi media salutis in operatione;
Rechtwinkel societas externa
unter ihnen; Kreis congregatio vere
credentium; ch =
Christus.)
[Gnadenmittel Christi]
Abteilung C
These 3: Der Eine Leib des erhöhten Hauptes
Christus wird vom Heiligen Geist nur durch das eine Evangelium (in jeweiliger,
auch sakramentlicher Form) gesammelt und auch nur so unaufhörlich im Glauben
vor ihm versammelt a) .
Allein der Kirche Christi - dieser freilich, wo immer sie ist - ist die Predigt
des Evangeliums anvertraut worden. D. h.: ihr sind die Schlüssel des
Himmelreichs vom Herrn anvertraut worden b), und zwar einerseits zur
uneingeschränkten Handhabung nach innen, gerade auch durch ihr geistliches Amt c);
andererseits zum Missionsdienst nach außen d). Als pneumatische
Größe inmitten der Geschichte ist die ekkleesia
(unbeschadet aller ihrer Ausstrahlungen in die Lebensführung, ja in die Welt)
stets nur an den örtlich im Schwange gehenden reinen Gnadenmitteln mit Gewißheit zu erkennen e).
ad a): ("durch das Evangelium berufen")
(a) R 10,14f.17; E 5,26; 1 P 2,2ff.9; alle kalo-
und akouo- Stellen - dauerndes Hören nötig: J
8,31; Jc 1,18ff;
(b)
(c) Es geht um das wahre, eine,
nämlich das uns durch die Apostel und Propheten in der Hl. Schrift gegebene
Wort Gottes (J 17,20; 2 T 2,14-17); in der Unterscheidung von Gesetz und
Evangelium geht es um das eine Evangelium (G 1,8f) als das Gnadenmittel in
allen Gnadenmitteln; so sammelt und erhält der Hl. Geist auch die ganze
Christenheit auf Erden, "bei Jesu Christo im rechten einigen Glauben"
(mia pistis E
4,5). Einzelheiten folgen im Abschnitt E.
ad b): (ekkleesia die
Schlüsselträgerin)
Mt 16,19 vgl. mit
18,18; J 20,22f vgl. mit 14,12; Mc 16,15 vgl. mit
16,17; Mt 18,18f vgl. mit V. 20 - G 4,26ff; E 4,7-16;
GK II 42.51ff; Tract §§ 24.67ff; AS 3 VII 1.
ad c): ("gerade auch durch ihr geistliches Amt")
Das die Kirche
bauende, direkt von Gott gestiftete Amt (Act 20,28; 2 C 5,18.20) ist zugleich
Geschenk an die Kirche, sagen wir in diesem Sinn ein ekkleesia-
Charisma (R 12; 1 C 3,21ff; 12,28f; E 4,7-16; 1 Th 5,12-14). Die admixti hypocritae et mali heben die Wirksamkeit der Gnadenmittel nicht auf,
selbst wenn sie, wie Judas, Diener am Wort sind (CA VIII par). Wie die
Kirchentätigkeit in der Amtstätigkeit kulminiert, werden die Amtsthesen weiter
klarstellen.
ad d): ("zum Missionsdienst nach außen")
Der Reichs- und Missionsbefehl Mt 28,18ff par
gilt der Kirche über die Zeit der einmaligen Apostel hinaus bis zum Jüngsten
Tage gegenüber der ganzen verlorenen Menschheit - 1 P 2,9 par; 1 T 2,4.
ad e): (die funktionierenden Gnadenmittel des Hl. Geistes sind die einzigen
zuverlässigen Erkennungszeichen der tief verborgenen ekkleesia)
(a) L 17,20; 2 T 2,19; Ap VII 19f; Schmid 7,
S. 436ff;
(b) vgl. ad a,
( ): Act 6,7; 12,14; 19,20; 2 C 2, 15f par;
(c) Die der Einen Kirche wesenseigene
Apostolizität kann auch zu Zeiten nicht sichtbar festzustellen sein (Schmid §
56 n 17).
Abteilung D
These 4 A: Die örtliche ekkleesia tou theou im NT entspricht wesensmäßig dem Gesamtbegriff
der ekkleesia tou
theou (Die Verbindung mit dem einen Haupt
Christus erzwingt qualitative oder Wesensidentität. Dies ist trotz
quantitativer Diskrepanz die Meinung des jeweiligen Genitivs bzw. Lokativs.)
These 4 B: Da die, die
selig werden, zur Einen Kirche gehören, und es neben ihr keine andere gibt, so
ist auch die Kirche am Ort, sofern sie - unbeschadet der Zufälligkeiten
gesellschaftlicher Einfügung - Kirche und nicht eine diesen Namen usurpierende
soziologische Erscheinung ist, eben diese Kirche, und zwar so, wie sie am Ort
als vorhanden festgestellt, d.h. in örtlicher Funktion gesehen wird. Demgemäß
ist die vom Heiligen Geist durch die Gnadenmittel bestimmte Ortskirche nicht
ihrem Wesen nach eine historische diesseitige Größe,
sondern sie ist Einbruch der einen überweltlichen Kirche an dem betreffenden
Ort. Unbeschadet aller admixti besteht auch sie nur
aus Gläubigen. Ungeachtet ihrer sichtbaren Versammlung, auch der inneren
Qualität ihrer Amtspersonen, des Zeitraums ihres sichtbaren Bestandes, der
Gebäude, des Rechtsstandes, usw. ist auch sie allein erkennbar am im
Schwange gehenden wahren Wort und Sakrament Jesu Christi.
(Die Anm. 1 - 11 behandeln, mit Sprachgebrauch 1 beginnend,
nacheinander Größe 2, Geistlichkeit3, Feststellbarkeit 4,
synekdoche im Blick auf die Personen 5,
media salutis amplectentes 6, Schlüssel- 7,
Dependenzfrage 8 , Organisation 9,
Schwergewicht der Feststellbarkeit 10, definitiones
der Loci Melanchthons und Gehards11.)
1. Anm.: Zum Sprachgebrauch von ekkleesia
und ekkleesiai studiere man die Konkordanzen
und vergleiche Cremer-Kögel unter kaleo sowie
das ThWNT III 502ff (505/508f/512f/515f/519ff/
522ff/531ff). Man übersehe auch nicht die vielen synonymen Bezeichnungen für
das neutestamentliche messianische Gottesvolk.
2. Anm.: Das einzige, was über die Größe
der Ortsgemeinde gesagt werden kann, ist, daß sie versammelbar und irgendwie von einem Ort aus bedienbar ist
(Act 14,27f; 15;1 C 14,23.35 usw.). Im übrigen
umschließt mit Ortsbezeichnung das NT sowohl Hausgemeinden, meist wohl
Unterabteilungen von Stadtgemeinden (R 16,5; 1 C 16,19; Kol 4,15; Phm 2), als auch Erweiterungen über eine einfache
Ortsgemeinde hinaus (1 C 1,2b; 2 C 1,1b). Bei der modernen Beweglichkeit der
Bevölkerung empfiehlt es sich, dem Ausdruck ecclesia simplex den Vorrang vor ecclesia
localis zu geben. Im NT kann der partikulare Gebrauch
von ekkleesia, ekkleesiai
Orte gegen Orte stellen (2 C 11,8; 12,13; Ph 4,15
usw.), im Sg. über verschiedene Orte unter Verwendung
von Provinznamen mit kata hinweggleiten (Act.
9,31 nach bester Lesart) oder dem Pl. Provinz Genitive beifügen (G 1,1.22; 2 C
8,1 usw.), was alles die Unterordnung des quantitativen
unter ein qualitatives Denken beinhaltet, wie wir sie von Anfang an betonten.
3. Anm.: Zum pneumatischen (auf vere
credentes beschränkten) Charakter auch der
Ortsgemeinde vgl. nochmals die pisteuontes-
sozomenoi- Stellen in der Apostelgeschichte und
die Anreden der paulinischen Gemeindebriefe und der katholischen Briefe (1 P
1).
4. Anm.: Da niemand sehen kann, ob der andere glaubt, sind
Umfang und Grenzen der Einen Kirche am
Ort nie sichtbare Gegebenheiten, vielmehr ist die Gewißheit
ihres Dortseins nur durch die untrügliche Verheißung
der Gnadenmittelwirksamkeit gegeben (Beweis in Th. 3). Die nur aus den NOTAE
erkennbare Kirche - das schließt die Ortskirchen ein - ist also nicht sichtbar
wie die Republik Venedig (Bellarmin, De ecclesia militante, lib. III c II
§ 9). Sie ist aber auch nie und nirgends ein freischwebender coetus electorum, welcher nec signis dignoscitur
(Calvin, Cat.Gen.I, Collectio Niem. p 36). Die Kirche
ist in diesem Äon abscondita und doch örtlich faßbar. Die vom "common sense"
geprägten Begriffe diesseitiger Sichtbar- und Unsichtbarkeit müssen sich
pneumatischem Denken einfügen, ehe sie irgendwie verwendbar sind.
5. Anm.: [ Synekdoche im Blick auf die Personen]
Ein Cave, das folgt: Aus diesem discrimen personarum bei widerstehbaren Gnadenmitteln (Mt 23,37) und verlierbarem
Glauben (L 8,5f), aus der Begrenzung der Kirchenzucht auf offenbar Unbußfertige
(Judas; Mt 18,15ff; 1 C 5 - indirekt auch Mt 13,24ff), desgl. aus dem realistischen Bild der
apostolischen Gemeinden ist es offenbar, daß admixti hypocritae et mali als socii, ja als membra ecclesiae secundum externam societatem signorum ecclesiae (hoc est, verbi, professionis
et sacramentorum ... externarum
rerum ac rituum, Ap VII 3ff) nicht nur
immer vorkommen werden, sondern daß der Versuch
reinlicher Scheidung der Geduld Jesu Christi widerspricht. Auch am Ort ist demgemäß die ekklesia nicht Seh-, sondern Hörartikel. Das
empirisch abgrenzbare corpus mixtum
trägt den Kirchennamen nach Gottes Willen synekdochisch (unter dem
Vorbehalt von 1 J 2,18f; R 8,9), d. h. so, daß die
Benennung von der eigentlichen Kirchenqualität (Wort und Glaube) her erfolgt
und nur die wirklichen sancti die Träger des
kirchlichen Auftrages sind (Luther, WA 40,1,S.68f; W 2
IX,42ff; Gerhard, ed . Preuss, 1. de eccl. XXII § 65.79.151).
6. Anm.: Den Namen ecclesia über den
Kreis der media salutis
amplectentes
(Melanchthon) auszudehnen im Sinne eines grundsätzlichen Volkskirchentums, verstößt gegen die Zusammenhänge von R
10,14-17, ja des ganzen NT. (Vgl. neben Abschnitt C das Buch von Vicedom "Das Dilemma der Volkskirche" 9).
7. Anm.: Wie der einen Kirche überhaupt, so sind (ohne daß Gott dabei die admixti mali beachtete) eben der einen Kirche am Ort die Schlüssel
des Himmelreiches in vollem Umfang und in jeder Hinsicht anvertraut, und zwar
zur Verwaltung nach innen und außen, in Kultus und Mission (Mt. 18,15-20; 1 C
5; 2 C 2; Ortskirche als Leib Christi: R 12; 1 C 12; "Einigungssätze"
II A These 2 B) [Luth. Rundblick 1970 S. 12f.].
8. Anm.: Die Behauptung einer iure divino notwendigen Dependenz funktionsfähiger Ortskirche
von anderer (oder anderen) Partikularkirche(n) oder vom hierarchisch
übergeordneten Amt, welches das ökumenische Amt der Apostel direkt fortsetze,
ist mit der qualitativen Einheit der Einen Kirche und der grundsätzlichen
Gleichheit ihrer Diener (ministri) unvereinbar (AS 2
IV 1.9; Tract 1ff; 67ff).
9. Anm.: Was an Organisationsform a priori von Christus
vorgesehen ist, ist durch die Stiftung der Schlüssel und des öffentlichen
Predigtamtes (2 C 5, 18-20; Act 20,28) und durch die Weisungen zwecks Ordnung 1
C 11; 13 und 14,40 und die nie aussetzende Bindung an die Liebe angezeigt.
Alles Weitere ist sachgemäßer freier Entfaltung anheimgegeben (CA VII,2ff; Ap VII,30ff; CA XIV; V; XXVI; XXVIII).
10. Anm.: Die örtliche Feststellbarkeit der Kirche ist
nicht ein bloßer gebotener Rückschluß, sondern hat
folgendes Schwergewicht: Der Getaufte, Gläubige ist zum ewigen Heil der
einen Kirche eingefügt, und dies gerade am Ort (daher das Gewicht der örtlich
verwalteten Schlüssel, Mt. 18,18); die eine Kirche dient ihm, und er dient der
einen Kirche sogleich am Ort (vgl. 1 C 12; R 12; auch E 4,16 "das alles in
der Liebe; 1 T 3,15); die pneumatisch-leibhaftig funktionierende Ortsgemeinde
"repräsentiert" nicht nur die Una Sancta, als sei sie nur der Saum
des Gewandes der Herrin, sondern sie ist die Eine Braut Christi am Ort
und steht (sofern orthodoxa) eindeutig in der traditio spiritus sancti, in dem kontinuierlichen Werk des Hl. Geistes durch
Gnadenmittel und Glauben (Mt. 18,20; 1 C 3,21-23, usw.).
11. Anm.: (definitiones der Loci
Melanchthons und Gerhards)
Aus dem gemischten Zustand der örtlich gezeichneten Kirche ergibt sich die
Möglichkeit, mit Melanchthons Loci (ab 1535) gegen die widertäuferische "sichtbare Gemeinde der
Heiligen" zu sagen: "Wenn wir an die Kirche denken, sollen wir immer
die Versammlung der Berufenen vor Augen haben, die die sichtbare Kirche ist,
und sollen die Erwählten nur in dieser sichtbaren Versammlung suchen
wollen."
So kann man mit Gerhard (L.Th. XI 81, ed. Preuss, Bd. V p 307 1. XXII § 69) die Definition der
Kirche gleichsam "von rückwärts" beginnen, indem man beim corpus mixtum externum einsetzt,
um zum corpus spirituale, der Braut Christi und
Schlüsselträgerin selbst, zu kommen. Gerhard beginnt: "Der Name 'Kirche'
wird zuweilen allgemein (generaliter) gebraucht [für den gemischten
Haufen, in dem alle, die nach ihrem äußerlichen Bekenntnis zum Hören des Wortes
und zum Gebrauch der Sakramente sich versammeln, für Glieder der Kirche
gehalten werden], zuweilen wird er aber auch besonders (specialiter) und eigentlich (proprie) für die Schar der
wahrhaft Wiedergeborenen und Erwählten in jenem Haufen gebraucht, die allein
Gott, dem Erforscher der Herzen und Sinne, bekannt sind." Aber Gerhard (loc.cit.) stellt sofort klar: "Nequaquam
introducimus duas ecclesias sibi invicem oppositas, ita ut visibilis
et invisibilis ecclesiae sint species contradistinctae,
sed unam eandemque
ecclesiam respectudiverso visibilem et invisibilem esse dicimus" - wobei die Unterscheidungen large
und proprie nebeneinander genauer wären. Vertreter der lutherischen
Reformation der Kirche halten stets konsequent am proprie von CA VIII
und Ap VII, 10ff fest. Angesichts der alles überflutenden de-facto-Gleichsetzung von Kirche und Welt im
röm. und griech. Katholizismus und im entarteten Protestantismus und angesichts
der drohenden Zeichen der letzten Zeit ist es weise, mit dem NT und mit Luther
die Definition von der eigentlichen Kirche aus zu beginnen. Dies dient
zur besseren Überwachung der sonstigen Begriffsbildung von der einmaligen ekklesia- Qualität aus.
These 5: Infolge des einen Hauptes ist,
sofern das gleiche reine Wort und rechtverwaltete Sakrament regieren, koinonia und kirchliche Zusammenarbeit der
Ortskirchen untereinander von Gott her gegeben (Act 8;
11; 15; 2 C c 8 und 9; E 4, 3-6). Dabei ist freilich
freiwilliges organisatorisches Ineinander und sogar Dependenz möglich, meist
sogar ratsam, manchmal erforderlich, aber die bloße Ordnung ist nie das für die
kirchliche Qualität und für die Einheit Entscheidende (SD X,9; AS 2, IV,9; CA
XXVIII, 21-28).
(Die Anmerkungen 1 - 6 behandeln nacheinander: koinonia
bei NOTAE PURAE zwischen ekklesiai
selbstverständlich 1, sonst Schisma 2 ,
mancherlei rechtliche Verhältnisse möglich 3, Doppelbezug zu
Gnadenmitteln entscheidend 4, keine rechtliche Dependenz in spiritualibus gottgesetzt 5, Generalmonitum 6.)
1. Anm.: Nur die NOTAE PURAE, d. i. die reine Predigt von
Gesetz und Evangelium und die nach Christi Einsetzung verwalteten Sakramente
weisen die Eine wirkliche Kirche Jesu Christi jeweils am Ort genügend aus,
stellen den entscheidenden Bezug der ecclesia particularis zu dem Einen Heiligen Geist und zu dem einen
Haupt der Kirche sicher. Deshalb sind, einerlei wie das kirchenrechtliche oder
organisatorische Verhältnis zueinander als bloßes Mittelding gestaltet oder
nicht gestaltet sein mag - wenn nur die Liebe waltet -, alle Ortsgemeinden
reiner Kennzeichen in Wirklichkeit eine orthodoxe oder apostolische
Kirche. Sie sind zu gegenseitiger Gewährung der Kirchengemeinschaft -
die unter dem Vorzeichen der Einen Kirche stets ungeteilt ist - mit allen ihren
Konsequenzen verpflichtet.
2. Anm.: Zwischen rechtgläubigen Ekkleesien
ist jegliche Verweigerung der Kirchengemeinschaft Schisma und damit
schwere Sünde (1 C 1,10; 12,13 - 13,7; 3 J 9f; CA VII 2f).
3. Anm.:Findet
die Zusammenarbeit in sacris rechtlichen Ausdruck,
so entstehen kirchliche Großraumgebilde, die den primären Gemeinden, ecclesiis simplicibus,
beigeordnet oder auch íure humano
übergeordnet sind. Sofern sie selbst als Dachorganisationen nicht
regelmäßig um Wort und Sakrament zu versammeln sind, sind sie den primären
Versammlungen gegenüber sekundär und würden ohne jene regelmäßigen
Versammlungen um des Heiligen Geistes Gnadenmittel des Ausweises als Kirche
ermangeln.
Der gewissenhafte Theologe hat demgemäß gegenüber dem kirchlichen Anspruch
aller Größeren kirchlichen Gestaltungen besonders wachsam zu sein, einerlei, ob
es sich um selbständige ecclesiae compositae
oder um "Bünde" (foedera) zusammenwirkender
Kirchen handelt. Es ist nicht nur schwer, für große Zusammenschlüsse geeignete
Organisationsformen zu finden - weshalb in dieser Hinsicht im lutherischen Raum
eine bunte Vielfalt der Kirchenverfassungen und -ordnungen je und je bestand und
noch besteht -, sondern die größeren Raumverhältnisse stiften infolge der
Unübersichtlichkeit leicht auch Verwirrung, dies gerade hinsichtlich des
Bezuges zum Schlüsselauftrag. Auch bieten sie dem Machtstreben der admixti mali und des alten Adams
einen entsprechend stärkeren Anreiz. Gerade der Einbruch von Irrlehre
geschieht besonders leicht von unübersehbarem Großraum aus. Grundsätzlich muß ganz abgesehen von Tendenzen stets gefragt werden: Wird
seitens des Großverbandes die eine Kirchenqualität respektiert, wie sie
auch an jedem Ort vorliegt, wo man sich regelmäßig um die media
salutis versammelt? Ferner: Kann ich als Christ gewiß sein, daß die
kirchliche Größe, die auf mich und meine Ortsgemeinde einwirkt, hierzu
in dem jeweils nötigen Umfang die Schlüsselvollmacht besitzt - sei es nun durch
klare Übertragung seitens eindeutiger Ekklesien,
oder sei es durch Verhältnisse, die einen wirklich gemeinsamen, an allen
Orten Wort und Sakrament verwaltenden, "Oberhirten" gestatten,
also durch noch gegebenen eigenen unmittelbaren Kirchencharakter? Falls
mehr als Zweckverband vorliegt und Zusammenwirken bei den Schlüsseln gegeben
ist, lautet die Frage: Herrscht im Großraum das Bekenntnis de facto?
4. Anm.: Aus der bisherigen Darlegung ist klar ersichtlich, daß die Kirche Christi örtlich - sowohl als simplex als auch als composita -
festgestellt und als handlungsfähig ausgewiesen wird durch einen doppelten
Bezug auf die Gnadenmittel. Die Christen versammeln sich um dieselben
einerseits, um aus diesem Gnadenquell selbst geistlich zu leben, und
andererseits nicht weniger zu dem Zweck, um den Dienst der öffentlichen
Verkündigung des Wortes und der Verwaltung der Sakramente aufzurichten. Dies
ist der Doppelsinn des Relativsatzes CA VII § 1 c: In qua ... (vgl. auch These 3).
Dies muß auch bei den größeren ecclesiae
particulares festgehalten werden.
Staatliche oder staatsähnliche Organisationen besitzen demgemäß als
solche nie Kirchencharakter; ebensowenig sozial
bestimmte Clubs, Vereine usw., ganz einerlei, ob wahre Christen in ihnen die
bestimmenden Personen sind und welchen frommen Nebenzweck sie verfolgen. (Von Notfunktionen
ist hier allerding sabgesehen.)
5. Anm.: Klar ist aus dem Wesen der einen ekkleesia
tou theou en Christo Iesou, daß der größere
Verband oder ein Amt in ihm die Schlüssel nicht in
rechtliche übergeordneter Weise besitzen kann (da dies der Verbindung der Kirche
an jedem Ort mit dem ungeteilten Evangelium widerspricht, Tract. § 67f). Ferner
ist selbstverständlich, daß das stets örtlich
gegebene Verhältnis des eingestifteten öffentlichen
Predigtamtes in und zur ekklesia tou theou auch im weiteren
Rahmen einer zwischen- oder übergemeindlichen Tätigkeit intakt bleiben muß (Ap. XXVIII, 14.18-20; Tract.
8.11). Zum ganzen Leitsatz vgl. auch "Einigungssätze" III B § 3,
ferner im Blick auf die Vereinbarungen mit der hessischen Diözese das
"Dokumentararchiv, Erste Folge" (aus Luth. Rundblick 1954, S. 94-109;
- jetzt: 1/1970, S. 8.11-16; 20-44).
6. Anm.: (Allgemeines Monitum)
Da die örtlich begrenzte Kirche, sei sie kleineren oder größeren Ausmaßes,
stets nur durch die Eine Kirche in ihr Kirche ist, so handelt sie
kirchlich gültig nur als die an ihrem Ort oder an ihren Orten versammelte und
tätige Eine Kirche. Nur striktes Una Sancta-Handeln ist kirchlich.
Weltliche Rechtsvollmacht ist dabei belanglos. Damit sind grundsätzlich
ausgeschlossen
a) sowohl Caesareopapismus, alle
Übergriffe des Weltreichs auf die Kirche, sie einzuebnen und dienstbar zu
machen, als auch
b) Papocaesarismus, alle Übergriffe
sogenannter Kirche auf die Sphäre zur linken Hand - wenn diese METABASEIS EIS
ALLO GENOS damit natürlich auch nie aus dem Geschichtsablauf ausscheiden.
Weicht eine ecclesia particularis
ab von der ano kleesis,
ihrem Ruf und Beruf von oben her und nach oben hin, so bedeutet das tiefe
Verderbnis - außer bei "gelegentlichem Versehen" besonders auf
Grenzgebieten. (Vgl. CA XXVIII par, auch "Einigungssätze" III B, 3 C,
bes. Belege 101-104 und 120-122.)
These 6: Die Verwaltung
der Schlüssel involviert stets und überall die evangelistische und
missionarische Tätigkeit nach außen (vgl. den apostolischen Urberuf
an Paulus, Act 26, 16-18; 2 C 5,14f vgl. mit Vers 20, R 15,19ff; 1 T 2,1-7,
ferner Christi letzten Reichsbefehl, nicht nur an die Apostel und an die Diener
am Wort, sondern an alle Christen gerichtet, sowie Mt
5,13-16; 1 P 2,9). Christen, Gemeinden, Pastoren, Kirchenkörper, die nicht
Missionare sind, sind contradictiones in adiecto, verleugnen den Weltheiland, vergraben ihr Pfund (L
19,11-27 - vgl. oben Thesen 3,d; 4, Anm.7; 5, Anm.4).
(Die drei Anmerkungen betreffen die Frage, wo die Mission immer freie Bahn
hat 1, wo jedoch eingriff in fremdes Amt
zu vermeiden ist 2 , und die sog.
"Durchdringung der Welt mit den Kräften des Evangeliums" 3.)
1. Anm.: Keine kirchliche Organisation hat ein Recht, solche
Personen, die sie gar nicht geistlich versorgt, die bei ihr keine amplectentes media salutis sind, gegen christliche Mission zu schützen,
einerlei welcher Vorwand etwa der Priorität oder der territorialen Abgrenzung
vorgebracht wird.
2. Anm.: Keine Gemeinde oder Kirche hat das Recht, sich über
das gottgesetzte seelsorgerliche Verhältnis, das bei wirklichen amplectentes media salutis bereits besteht, hinwegzusetzen. (Näheres in der
Pastoraltheologie unter dem Begriff des "Eingriffs in ein fremdes
Amt".
3. Anm.: Die legitime "Durchdringung der Welt mit den
Kräften des Evangeliums", wofür das Sauerteiggleichnis (Mt 13,33) gern herangezogen wird, geschieht nicht so, daß kirchliche Organisationen direkt als politische Gegebenheiten
auftreten und Druck ausüben, mit denen Regierende oder im öffentlichen Raum
Mächtige rechnen müssen (und je nach ihrer Einstellung es so oder so auch tun),
sondern sie besteht in dem sauerteigartigen Einfluß
der christen, der, vermöge ihrer aus PISTIS
fließenden AGAPE, auf die Umwelt ausstrahlt. Dazu kommt das "non possumus" der Christen, die sich weigern, gegen Gottes
Gebot zu handeln, und das öffentliche Zeugnis der Kirchen gegen Vergewaltigung
des Gewissens. (Vgl. "Einigungssätze" III A, 3 C, bes. die Belege
117-199 auf S. 66f der Vollausgabe, 1/1970, S. 143.)
These 7.: Wo immer die
Kirche an des Heiligen Geistes lauteren Gnadenmitteln festgestellt wird - ob in
einer ursprünglichen oder in einer abgeleiteten, erweiterten, eine Reihe von Ortsekkleesien zusammenfassenden ecclesia
particularis - ist koinonia
coram Deo zu glauben, nämlich daß die Gläubigen,
indem sie von Christus her und zu Christus hin leben
(E 4), dadurch miteinander unter Christi Herrschaft und in seinem Dienst in
innigster Liebe verbunden sind (R 12; 1 C 12; 3 J). Daraufhin ist
koinonia auch gegenseitig zuzuerkennen und in
Wort und Tat zu üben - d. h. in jedem Normalfall unter dem Vorzeichen der
ECCLESIA APOSTOLICA (s. unten E). Nach der Liebe ist dabei jeder Mitbekennende
für einen Christen zu halten, solange er nicht das Gegenteil beweist (und
dadurch eo ipso Anlaß zu
einem Kirchenzuchtsverfahren gibt). Die gegenseitige
brüderliche Anerkennung geschieht normalerweise in und zwischen örtlichen
Gemeinden (Einzelbegegnungen, die sich als solche gleichwohl auf volle
kirchliche koinonia zuspitzen, bleiben stets
ein Sonderfall) und ist als Kirchengemeinschaft ungeteilt, ohne Grade. Diese
aus dem Himmel stammende "Wir"-Haltung muß
gegen den Alten Adam mit seinen Lüsten im Kampf der Heiligung durchgehalten
werden, ist auch gemeinsam gegen die Versuche willkürlicher öffentlicher
Entscheidung zum Tragen zu bringen.
Anm.: Gerh. Ed. Preuss V, 1 XXII §§ 86.126 nennt die
reinen Gnadenmittel die gestaltende forma der Kirche; Hollaz,
Examen, p 1300, nennt die Verbindung oder unio der
materia (der gläubigen Personen) mit dem Haupt und miteinander die gestaltende
forma derselben; - die beiden Formulierungen ergänzen sich.
Abteilung E
These 8: Die normale Glaubensentscheidung,
ja -verpflichtung, die um Wort und Sakrament sich versammelnde Gemeinde als die
Eine Kirche Christi am Ort zu verstehen und dementsprechend aus ihr und für sie
zu leben, setzt immer die am Ort waltende Apostolizität voraus (s. These
2g). Alle Ortsgemeinden (einschließlich der compositae,
der größeren Kirchenkörper), in denen die apostolische Wahrheit regiert,
gehören vor- und überorganisatorisch zusammen als eine ecclesia late dicta
orthodoxa.
Axiom: Communio ecclesiastica propter unam ecclesiam unius Christi per definitionem una est (cf CA VII,
§ 2ff). Da die Eine geglaubte Kirche nicht nur alle Gläubigen umfaßt,
sondern - sei's gleich metalogisch - auch apostolisch ist und dem
"pure" und "recte" von CA VII § 1 entspricht, so tritt die
Pflicht der Trennung von einer Ortskirche, auch von größeren Kirchen, dann und dort ein, wo der
Einen Offenbarung, Wahrheit und Lehre grundsätzlich und beharrlich widersprochen
wird. Verschafft sich der Irrtum Duldung, etabliert sich Koexistenz, dann
verschwindet zwar nicht alsbald Kirche überhaupt - die Barmherzigkeit und Treue
Christi hebt die Verbindung seines Heiligen Geistes mit den Gnadenmitteln nie
und nirgends auf -, wohl aber entsteht babylonische Gefangenschaft der
örtlichen Kirche, um die Bezeichnung der Lutherschrift von 1520 zu übernehmen.
Alle Christen sind verpflichtet, aus solchem Babel zu weichen, die gefangenen
Christen und Gemeinden aber zu befreien, soweit Gott dazu Gnade und Auftrag
schenkt.
(Die Anmerkungen 1-14 berühren: una doctrina 1, Pflicht des Weichens von Irrlehrern
und Anhang 2, heterodox überfremdete Gemeinden haben noch das
Predigtamt 3 (Luther dazu 4, die Orthodoxie und ihre
Nachfahren dazu 5), Symbole als Nota notarum
6, Lehrautorität und discrimen 7,
Gegenbotschaft und ihr Ausweis 8, Unterschied zwischen auftretender
Bedrohung der Rechtgläubigkeit und eingetretener heterodoxen Überfremdung 9,
der persönliche große Antichrist 10, Kirchengemeinschaft nicht Sache
der Privatwillkür 11, Natur des Synkretismus oder Unionismus
12, das lutherische Bekenntnis als Museumsstück ein Betrug 13,
Stadien des Lehrabfalls und des Synkretismus 14.)
1. Anm.: (una doctrina divina)
Die Voraussetzung bestehender Apostolizität am Ort ist nicht, daß der Heilige Geist überhaupt dort noch wirkt, sonder daß sein Mittel - das
solenne apostolisch-prophetische Offenbarungswort, das uns kraft der
unverbrüchlichen Schrift erreicht (J 10,34f; 2 T 3,14-17) - dort im Rahmen der
grundsätzlichen Unterscheidung und tatsächlichen Anwendung von Gesetz und
Evangelium regiert (CA VII). Mit anderen Worten: Es muß paradosis, paratheke, typos, hypotyposis, martyrion als didache,
didaskalia innerhalb der Verwaltung der
gestifteten Gnadenmittel (s. Konkordanz) gehört und weitergegeben werden und als
homologia gegen den Irrtum gesetzt werden, wobei
die stiftungsgemäß verwalteten Sakramente mit dem Wort Hand in Hand gehen.
(Vgl. den Beginn von CA I par, ferner FC, de regula,
auch die Vorrede und den Beschluß des
Konkordienbuches; auch zu omologia.)
2. Anm.: Die Pflicht der Trennung bezieht sich zunächst
auf beharrliche Irrlehrer - Mt 7,15;
R 16,17ff; G 1,8f; 5,9ff; Ph 3,2; Kol 2,8; 1 T
1,20; 4,1ff; 6,3ff. 20f; 2 T 2,16f; Ti 1,9ff. 3,10; 2 P 2,1ff; 1 J 2,18ff;
4,1ff; 4,21; 2 J 9ff; Jd; Apc;
W 2 IX 642 (zu G 5,9) par. Es ist aber bei der keine Schranken
duldenden einheitlichen Art der neutestamentlichen Kirchengemeinschaft nicht
möglich, Irrlehrer zu meiden innerhalb einer externa societas verbi, professionis et sacramentorum,
die sie duldet. Es bleibt im Gehorsam der Wahrheit deshalb keine andere Wahl,
als die betreffenden ecclesiae particulares,
weil häretisch überfremdet, ebenfalls zu meiden, Act 19,9; 1 C 10, 18.21;
11,19; 2 C 6,14-18; 1 J 2,18f; Apc 2,4ff; 20ff; 18,4
par; Tract 41ff; FC X par; "Einigungssätze" III A 3 mit Belegen
[1]1970 S. 14f.] (auch Gebote 1 und 2 nebst 1. Bitte).
3. Anm.: (heterodox überfremdete Gemeinden haben noch das
Predigtamt)
Während die Schrift hartnäckige Irrlehrer als Gottlose ansieht, scheint
sich die Separatexistenz von Gemeinden, die sich der apostolischen Lehre in
irgendeinem Punkte nicht mehr grundsätzlich und tatsächlich unterwarfen, erst
gegen Ende der Lebenszeit des Johannes anzukündigen. Außerdem zeigt die
Weissagung 2 Th 2 par, daß der Antichrist in der äußeren Kirche
sitzen und so auch Gläubige vergewaltigen werde. Deshalb sind häretisch
überfremdete Gemeinden zwar zu meiden, aber nicht als durchgängig ungläubig zu
bannen und Amt und Amtshandlungen in ihrer Mitte nicht als ungültig anzusehen,
sofern die trinitarische Taufe und das Evangelium in substantialibus
in ihrer Mitte noch in Übung stehen. Vorrede zum Konkordienbuch (M 16f; G 11).
4. Anm.: Luther hat in der Beurteilung Roms für die nachapostolische
Entwicklung überhaupt das Richtige getroffen in de captivitate
Babylonica ecclesiae W 2
XIX 4ff, besonders auch in "Wider Hans Worst",
XVII, 1311, 1337 ff und "An zwei Pfarrherren..." 2191 ff.
(Bärengleichnis.). Vgl. "Luth. Rundblick" 1962, S. 153 ff.
5. Anm.: Die spätere Orthodoxie, die im allgemeinen an der richtigen Lehre von der Kirche festhielt
(Schmid7 § 56, n 12-17), kam aber bei der Amtslehre durch ihre drei
Stände (Nr. 3: Obrigkeit) in der Kirche in mancherlei Lehrnot. Außerdem gelang es ihr im allgemeinen
nicht, die NOTAE PURAE energisch genug als NOTAE der einen Kirche
festzuhalten. (Vgl. Baier pars 3, c. XIII; ganz am Ende, § 28, erst der
NOTAE-Begriff; auch bei Schmid erst am Ende von § 56).
Im 19. Jahrhundert verfiel der Kirchenbegriff der lutherischen Erweckung
weitgehend einem übertriebenen Begriff des "geschichtlich
Gewordenen", wodurch die Konfession(en) neben den Begriff der einen Kirche
trat(en). Heute sieht man das eher ein, was das Neue Testament über ekklesia
und ekklesiai sagt, als das, was es über den
Bekenntnischarakter der Kirche und die Abgrenzung von der Irrlehre sagt.
6. Anm.: Zu rechtgläubigen Bekenntnisschriften als NOTA NOTARUM PURARUM vgl.
"Einigungssätze" III A 2C, bes. Belege 105ff, ferner "Luth.
Rundblick" 1962, S. 63ff: Bekenntnis und Bekenntniskirchen.
7. Anm.: (Lehrautorität und discrimen)
Die Lehrkontinuität, an der die Apostolizität hängt, ist nie bloß
rechtlich, gesetzlich. Innerhalb der unentbehrlichen Maßstäbe (norma normans; norma normata mit quia) liegt die beständig zu vollziehende
Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. Ohne sie kann Christus nicht
erkannt, die Rechtfertigung allein durch den Glauben nicht verkündigt werden (G
3, 10-14.21f). In den geltenden Normen ruht die im discrimen
legis et evangelii
lebendige Verkündigung wie in schützenden Hüllen. Umgekehrt sind im Evangelium
selbst bereits die Normen impliziert, denn es hat verpflichtenden Charakter,
gilt ewig, und es gibt kein "anderes"(G 1,8). Doch kraft seiner
Geltung macht es frei von der vernichtenden Gesetzesforderung (R 10,4-8) und
macht eben dadurch ganz neu, Gottes Willen in Liebe zu erfüllen (2 C 5,17f; H
8,10; 1 J 2,7 f; 4,7ff). Zwischen fides quae und qua besteht letzten Endes ein chalcedonensisches
Verhältnis; erst beides zusammen ist die mia
pistis von E 4,5. Stets dient in der Kirche das
fordernde Gesetz dem schenkenden Evangelium, das die mathetas
gewinnt und in alle Wahrheit leitet. Die Gemeinde rühmt sich nicht
intellektualistischer Selbstherrlichkeit oder "akademischer Freiheit"
(J 18,37, ist vielmehr christologisch und eschatologisch frei (J. 8,34-36;
Verse 31f; G 4,26).
8. Anm.: (Gegenbotschaft und ihr Ausweis)
Jede tatsächliche Verfälschung der Botschaft Christi, d. h.
konkret: jede Emanzipation von der Schrift - das schließt auch wesentliche Verkürzung
ein - läßt eo ipso, da es
kein tertium gibt, eine Gegenbotschaft gleichberechtigt und übermächtig
werden, nämlich das zur Selbstrechtfertigung mißbrauchte
und dazu verstümmelte Gesetz. Die Abweichung erkennt neben Christus einen
anderen Herrn, einen Götzen an (G 3,3; 5,4; 6,12ff). Wie der Ausweis der
Apostolizität das asy(n)gchytosund das achoristos
ist, welches Rechtfertigungsbotschaft (solus Christus
in discrimine legis et evangelii) und Schriftgeltung (Christus durch Propheten und
Apostel der autoritative Verkündiger) verbindet, so ist der Ausweis der Häresie
die Verletzung eben des Material- und Formalprinzips, die untrennbar
sind (Mt 4,4ff; 5,17-19; R 6,17; 1 C 15,1ff. - TINI
LOGO -, Apc 22,18f nach Dt
4,2; vgl. "Einigungssätze" Kap. I).
9. Anm.: (Unterschied zwischen Bedrohung der Rechtgläubigkeit
und heterodoxer Überfremdung)
Der Tatbestand der Heterodoxie eines Kirchenkörpers ist noch nicht gegeben
durch Schwachheiten, sei's "beginnender" Erkenntnis oder überhaupt
der Darstellungskraft, ebensowenig durch
gelegentliche Abweichungen, bei denen man Zurechtweisung annimmt (12 Männer,
ferner Apollos Act 18,24f; 19,1ff; Petrus G 2,1ff. - Ti 3,10b). Nach der
Praxisseite ist zu unterscheiden zwischen Schwächen kirchlichen Handelns (die
bei dem "simul" des Gerecht- und
Sünderseins der Glaubenden - um von den "beigemischten" Heuchlern und
Bösen nicht zu reden - die fehlen werden) und einer die Wahrheit Gottes
umstoßenden Praxis, bei der die theoretisch geltende reine Lehre vor
häretischer Überfremdung in Koexistenz zurückweicht (G 2,4ff. 11f; FC X).
10. Anm.: Der babylonische Charakter falscher Kirche kann sich
bis zum persönlichen Sitzen des einen großen Antichristen im
Gottestempel, der ecclesia late
dicta, steigern, was beim Papsttum der Fall ist,
obschon sich auch unter ihm noch ein Rest oder "Ausbund" frommer
Christen befindet (2 Th 2 par" AS s IV 10-14; "Einigungssätze"
IV; 3; Bel. 181-187).
11. Anm.: (... nicht Sache der Privatwillkür)
Die zu pflegende Kirchengemeinschaft, wie die Hl. Schrift sie fordert, ist
nicht etwa eine Angelegenheit zwischen Privatpersonen (was Glieder am Leibe
Christi als solche nie sind!). Vielmehr ist sie stets gegenseitige öffentliche
Anerkennung der Gemeinschaft in der UNA SANCTA, wie sie an den NOTAE PURAE erkannt wird.Koinonia ist von ekkleesia nicht zu trennen und findet ihren
gewiesenen Raum demgemäß innerhalb der Ortsekklesien
(ecclesiarum simplicium) und zwischen
denselben bzw. zwischen Großkirchen, ecclesiis
compositis. Die glaubensbrüderliche Anerkennung, die
ein Verhalten zueinander erfordert, wie es innerhalb des Leibes Christi vom
Haupt her gegeben ist, ist dabei souverän unabhängig
von äußeren Ordnungen, die für das Verhältnis Christus indifferent sind (Ap. VII 30ff.). Sie ist jedoch gebunden an das consentire de doctrina evangelii et de administratione sacramentorum. Hiervon allein hängt also auch alles
glaubensbrüderliche Zusammenwirken und alle öffentliche Bezeugung der
Bruderschaft ab. Dabei muß es als Not um Christi
willen getragen werden, wenn einerseits "orthodoxe" Heuchler (da sie
als admixti nicht unterschieden werden können)
mitanerkannt werden, während andererseits den wahren Christen, die in heterodox
geführte ecclesiae particulares
versprengt sind, diese Anerkennung versagt bleibt. Der Heterodoxie sind sie
allerdings trotz rechtlicher Unklarheiten dann nicht mehr sichtlich anhängig,
wenn sie in Statu confessionis
den Irrtum mit Wort und Tat zurückweisen oder in anderer Weise von
demselben abgesetzt sind (in eindeutigen Notlagen wie im pericule
mortis usw.), was alles unter der Regel der "Una communio" bleibt. An den Schwierigkeiten öffentlicher koinonia wird offenbar, daß
ekklesia sich hienieden im Interim befindet.
12. Anm.: Als Synkretismus oder Unionismus
bezeichnet man den Versuch, persönliche Rechtgläubigkeit und gewisse Grenzen
rechtgläubiger Kirche zu wahren, dabei aber gleichwohl kirchliche Gemeinschaft
mit heterodoxen Personen und heterodox überfremdeten ecclesiae
particulares nicht durchgängig aufzuheben
("Einigungssätze" III A3, Bel. 133-138). Durch das antilutherische
reformierte Bestreben seit Zwingli, den mystischen Humanismus seit Coortherd in Holland, die Aufklärung (Lessings
"Nathan") die Preußische Union (eingeleitet 27.9.1817), die
Evangelische Allianz, die Anglikaner, Amerikas "Social
Gospel", pietistische Organisationen der Weltmission und vor allem die
moderne Ökumenische Bewegung - mit Anlehnung von Karl Barth - ist diese Haltung
leider bis in die lutherischen Kreise hinein zur Selbstverständlichkeit
geworden. Aber sie streitet gegen G 1,8; 2 C 6,14ff par; CA VII und FC X, SD §§
10ff. 31. Selbst gemäßigter Unionismus setzt folgende
Ungereimtheiten voraus:
Da Indifferentismus ("Gleichberechtigung der Richtungen"
bzw. "Fraktionen" und Unionismus
(Kirchengemeinschaft der Lehruneinigen) als Vorentscheidungen jede
göttliche Lehre im Prinzip preisgeben, stellen sie nicht die Minimal-, sondern
die Maximalform der Häresie dar, wo immer sie herrschend werden, es geschehe
dies de iure oder de facto (s. Beleg und Anfang).
Synkretismus im gröbsten Sinn, Anerkennung heidnischer Religionen oder
antichristlicher Philosophien, folgt auf dem Fuße nach - und ist längst
Kennzeichen der Genfer Ökumene.
13 Anm.: (Das lutherische Bekenntnis als Museumsstück ein
Betrug)
Da ein Museumsstück nicht retten und mit Christus verbinden kann, so weist
eine bloße "de iure-Geltung" der
rechtgläubigen Symbole das Vorhandensein apostolischer Kirche am Ort nicht
nach, sondern der Ausweis liegt nur in entsprechender öffentlicher Lehre und
Sakramentsverwaltung vor (vgl. 6. Anm.). Es kann geschehen, daß
häretisch überfremdete "lutherische Kirchen" noch weiter von
Apostolizität entfernt sind als ernste Kirchen mit teilweise häretischen
Symbolen. Die historisch-morphologische Auffassung rechtgläubiger Konfession,
die seit 130 Jahren zur Rechtfertigung und zur Verbindung der mancherlei "Luthertümer" benutzt wird, muß
abgelehnt werden.
14. Anm.: [Die Stadien des Lehrabfalls und des Synkretismus
weisen etwa diese Reihenfolge
auf: Vernachlässigung des discrimen legis et evangelii und Leugnung
der wörtlichen Schriftgeltung; Gleichgültigkeit gegen sog. kleine
Lehrabweichungen; Stufen in der Kirchengemeinschaft, gradus
communionis vel communicationis in sacris; ein
historisch- morphologischer Begriff "rechtgläubiger Konfession";
"selective fellowship"
(d. h. Auswahl von Personen oder Gemeinden zur KOINONIA unter Nichtbeachtung
des Hindernisses ihrer dabei bestehen bleibenden heterodoxen oder
unionistischen KOINONIA); dann Endstadium: Zerfall jeglicher Lehrzucht,
schließlich Verbrüderung mit allen Religionen.]
Abteilung F
These 9: Im Gegensatz zur rechten
Lehre von der Kirche stehen die nachfolgend skizzierten Lehren mit ihren
Spielarten und Querverbindungen [dabei gilt folgendes: nach der Vorentscheidung
über diese Antithesen in "A" schließt sich die Aufteilung unter
"B" und "C" im Ausdruck an CA VII § 1a bzw. b an;
"D" aber heftet sich an beide Teile dieses Augsburgischen Satzes]:
Antithese A. (Vorentscheidung)
Zunächst gehören in die Antithese die grundstürzenden Irrlehren, die keinen Raum
für die Kirche lassen, sondern unter diesem Namen ein religionsgeschichtliches
Gebilde setzen (z. B. die Gemeinschaftsbetätigung "pantheistisch-religiös
bewegter Seelen" bei Schleiermacher; das ethisch-theologische Reichgottesgebilde
Ritschels; der punktuelle Zusammenhang des vom "Kerygma" angeregten Selbstverständnisses
bei den theologischen Existentialisten; die "Kirche" aller
Religionen sowie der religionsgeschichtlichen, auch freimaurerischen Toleranz,
usw. usw.).
Antithese B. (zu CA VII § 1a, nur bis zum "in qua"-Satz)
Hierhin gehören dann die Lehrtypen, die die eine ekklesia
Gottes nicht primär congregatio sanctorum,
"Versammlung aller Gläubigen" (CA VII § 1a) sein lassen, sondern sie
1. grundlegend zu einem "Regiment" zu machen versuchen,
zu einem "Institut" etwa von pneumatisch-amtlicher
"Wundermacht" oder mit "juristischer Vollmacht" iure divino (gegen E 5,25f),
b) sei es des weiteren,
daß dazu auch alle angeblich durch die Taufe mit character indelebilis Versehenen
oder sonst kirchlich Abgestempelten ipso facto als Una-Sancta-Mitglieder
gelten, ob sie glauben oder nicht, fromm oder gottlos leben. - In der Regel
taucht diese "verkirchlichte Welt" sogleich
im Rahmen einer dem Klerus angegliederten sichtbaren Theokratie auf (unter Ausschluß höchstens der formell Exkommunizierten aus dem so
konstituierten sichtbaren Christusreich).
2. Der andere Versuch, die eine Kirche sichtbar zu machen und sie
gegebenenfalls nicht minder zur Theokratie auszugestalten, ist der,
b) einen zwar einerseits als völlig unfeststellbar
in Gottes absolute Freiheit gerückten coetus electorum unmittelbar wirkender Gnade zu lehren und ihm
dann doch andererseits als Komplement eine sichtbare, göttlich verfaßte "Christengemeinde" zur Seite zu stellen,
die, praktisch auf der Ebene der "Bürgergemeinde" stabilisiert, das
Reichgotteswerk zu besorgen und dabei vor allem nach Gottes Gesetz diese
"Bürgergemeinde" unter Kontrolle zu halten hat (typisch reformierte
Richtung, Calvin, Karl Barth usw.).
3. Als weitere unter B fallende Antithese kommen die Verirrungen
in Betracht, die
a) eine ecclesia orthodoxa
(etwa auch die sichtbare lutherische Konfessionskirche) numerisch gleichsetzen
wollen mit der Una Sancta, oder aber,
b) die alle sichtbaren Konfessionen und Denominationen zusammengezählt und
möglichst verschmolzen die UNA SANCTA darstellen lassen (das Ziel aller Ziele
in der modernen Ökumene).
Antithese C. (zu CA VII § 1 b und seiner Verbindung mit a)
Umgekehrt steht auch in Antithese alle Lehre, die den Relativsatz in CA VII
§ 1 b: "in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta" von der vorher definierten Glaubenskirche
ablöst.
2. sie rauben der einen Kirche, ob universell oder örtlich aufgefaßt, zugleich den Schlüsselbesitz und -vollzug und somit
die Muttereigenschaft (Gal. 4,26f; Tract. § 24), lassen sie meist dabei auch
individualistisch aus Einzelbekehrungen erst erstehen, während doch der Heilige Geist, ebenso
wie er sich primär von Christus her zu Christus hin bewegt, so nun auch von der
einen ekklesia her zu ihr hin versammelt, G
4,26; E 4,7,7-16. Oder
3. sie schließen irrtümlich: weil alle Gläubigen zur Einen
Kirche gehören, deshalb kann die Eine Kirche trotz ihres Gebundenseins
an Wort und Sakrament doch nicht "Säule und Grundfeste der Wahrheit"
in dem Sinne sein, daß das "pure" und
"recte" von CA VII buchstäblich gilt. Sie schwächen entweder diese in
Schrift und Bekenntnis gegebenen Nomina und Adverbia
ab, so daß nur ein heilsnotwendiges Lehrminimum
gemeint sein soll, oder sie streichen sie von vornherein als unmöglich und
unnötig ganz weg. Auf jeden Fall ergibt sich, daß
Häresie und Unionismus nicht mehr als Widerspruch
gegen die Apostolizität der Una Sancta erscheinen, selbst wenn die zu
verkündigende Wahrheit feststellbar und nicht nur ein privates hic-et-nun -Ereignis sein sollte, sondern es liegt für
diese Anschauung bei Lehrverstoß höchstens doch nur ein Mangel an Gehorsam,
etwa wie ethische Schwachheit vor. Es wird eisern gefolgert, daß deshalb zwischen allen, die man irgendwie für Christen
halten könne, volle koinonia und cooperatio in sacris geboten sei
(Grundforderung der heutigen "Ökumene"-Einstellung, speziell auch von
den mitlaufenden noch gläubigen Pietisten vertreten).
Antithese D. (Zum ganzen ersten § von CA VII)
In der Antithese stehen endlich auch alle die Doktrinen oder
Lehrdarstellungen, die den metalogischen Charakter der einen Kirche verkennen (nexus indivulsus von "congregatio sanctorum, ... vere credentium" und "in qua evangelium pure / recte ..."). Sie reißen EKKLEESIA
und EKKLEESIAI grundsätzlich auseinander und setzen trotz anderer Absicht zwei
Kirchen: eine Una Sancta, im Geist vor dem Herrn versammelt, und doch zugleich
eine irgendwie mit göttlichem Patent ausgerüstete ecclesia
repraesentativa daneben, die von vornherein
als corpus mixtum in
Betracht kommt. Dies verstößt gegen die Schrift, einerlei wie man dabei das die
Schlüssel besitzende corpus mixtum näher bestimmt, ob man als Trägerin die Ortsgemeinde
in engen geographischen Grenzen oder irgendeine Großkirche oder gar das
Amtsinstitut darin herausstellt. Das Resultat ist: Die Nebenkirche, sie
sei simplex oder composita
oder Amtsinstitut, trägt dann das ganze Kirchenwerk, ist Christi Braut - nicht
die Una Sancta!
Nachbemerkung: zu den Thesen und Antithesen über die Kirche:
Vorstehende Gesamtdarstellung zieht nur das grundlegende Verständnis und
die dogmatischen Weichenstellungen in Betracht, nicht aber das, was die
PRAKTISCHE THEOLOGIE zusätzlich auf Grund der Schrift über die Betätigung der
Liebe zueinander und miteinander in Gemeinde und Kirche einschärfen muß.
(Gekürzte
Darlegung)
Vorbemerkung
Das Amt wird in
der Praktischen Theologie ausführlich behandelt. Durch den Gegensatz, in dem
die entstellte Kirche der Priesterherrschaft und des mechanischen Sakramentvollzuges zur Wort- und Glaubenskirche stand,
wurde der Amtsbegriff zu einem Brennpunkt im Befreiungskampf der Reformation.
Die allmählich einsetzende Entwicklung zur Staatskirche hin, die das
Aufklärungsgefälle des Beamtenstaates erst recht gefährlich machte, und der
seit 1918 gespannte Rahmen eines vagen Volkskirchentums
gestalteten das Amt zu einer empfindlichen Achillesferse der deutschen und
skandinavischen Kirchentümer, in denen das Gegenüber
der Gemeinde weithin fehlte, während die Amtsträger schon seit drei
Jahrhunderten die Rolle der ecclesia repraesentativa übernahmen. Es erschwert die Lage, daß sich mit abnehmender Bekenntnisbindung bei der
Ausbildung und Berufung der Pfarrer die öffentliche Hand in gefährlicher Weise
einmischte (bzw. noch einmischt). Seit der Aufklärung tritt eine Beurteilung
nach der wissenschaftlichen bzw. pseudowissenschaftlichen Qualifikation an die
Stelle der Frage, ob der zu Ordinierende den Glauben predigen und vorleben
kann.
Von einer anderen,
mehr antiinstitutionell-individualistischen Seite her bedroht
reformiert-demokratisches Schwärmertum die Amtslehre.
Umso hilfreicher sind die Darstellungen, die den erneuten Durchbruch des
neutestamentlichen EKKLESIA-Begriffs in seiner organischen Verbindung mit
Christi Dienstamt (DIAKONIA) während der Reformation kenntlich machen und den
Ertrag festhalten. (Vgl. neben Luthers Schriften die Bekenntnisstellen, z. B.
auch Haustafeln, 4. Gebot in GK). Als Quellennachweise kommen hier in Betracht:
W (C.F.W. Walther "Die Stimme unserer Kirche in der Lehre von Kirche und
Amt"), N (= Anders Nygren "Ein Buch von der
Kirche" 1957), B (= Wilhelm Brunotte "Das geistliche Amt bei
Luther" 1959), Li (= Hellmut Lieberg "Amt
und Ordination bei Luther und Melanchthon, 1962); außerdem ist zu verweisen auf
ES (= Einigungssätze"). Da wir die Lehre von der Kirche ausführlich
behandelten, genügt bei der von ihr abhängigen Amtslehre eine etwas kürzere
Darstellung, die auf Entfaltungen am anderen Ort, z. B. im Bekenntnis
und in den ES verweist. Historisch beachte noch F (= Holsten Fagerberg "Bekenntnis, Kirche und Amt in der deutschen
konfessionell. Theol. des 19. Jhd.", 1952).
These
10:
"Wo die Kirche ist, da ist je der Befehl, das Evangelium zu predigen". "Tribuit
igitur [Christus] claves ecclesiae
principaliter et immediate,
sicut et ob eam causam ecclesia
principaliter habet ius vocationis" (Tract 67.24).
Der Messias der
Zeitenfülle, der das zermonialgesetzliche
Schattenwesen mitsamt eingebauter Theokratie persönlich ablöste, belehnte seine
pneumatische Kirche alsbald mit allen Gütern, Rechten und Pflichten des neuen
Bundes (und entmündigte sie in keiner Weise durch eine neben ihr und über sie
eingesetzte, sich selbst fortpflanzende, privilegierte Instanz zum Zweck
"einer primär standesamtlichen Handhabung der Himmelreichsschlüssel).
3,5.21ff; G 3,28; E 1,22f;
4,15f; 1 P 2,9. - W I § 4 (S. 34ff); B S. 83 n 63f.
ad b) und ad c)
bereits die Grundlage dieser These 10.
These
11 A:
Damit die SOTERIA die Menschen erreiche,
stiftete Christus den öffentlichen Dienst der Versöhnung (2 C 5,18ff). Jedoch
setzte er diesen nicht nur als Gemeindeauftrag der geistlichen Priester ein,
bei dem alles ehrlich und ordentlich zugehen soll (1 C 14,1ff. par 40), sondern
zugleich auch als klar umgrenztes Dienstamt herausgestellter Personen, als ministerium ecclesiasticum in concreto (CA XIV) a) . Dasselbe nahm mit
dem "gemeinen Beruf der Apostel" (Tract 10) seinen Anfang und soll im
Besitz eines besonderen mandatum Dei
bis zum Jüngsten Tage fortdauern (Ap XIII, 11).
These
11 B:
Bereits die Augustana (XXVIII, 5.21 par)
redet, Vorstehendem entsprechend, von einem "mandatum
Dei" und "ius divinum"
des öffentlichen Kirchenamtes, das, ausschließlich dem Gnadenmittelding
zugewandt, weder selbst weltlich regieren noch Eingriffe weltlicher Obrigkeit
dulden soll. Ap XIII und XIV sowie XXVIII und spätere
Bekenntnisstellen dienen der Erhärtung des in der CA über diese gnädige
Stiftung Gottes Gesagten. Unter dem Gesichtspunkt der Funktion, von der der
Glaube abhängt, und nicht dem der Abhängigkeit des Glaubens und der Kirche von
vorgeordneten Personen, war diese Schenkung Gottes bereits in CA V herausgestellt
worden.
These
11 C:
Zusammenfassend: Die beiden Pole der
Ellipse des Amtes werden im Bekenntnis einerseits in Tract § 24,
andererseits in Ap XII, 12 (lat.) unmißverständlich
sichtbar.
Die Anmerkungen 1
- 8 verfolgen nacheinander die Schriftstellen zu dem konkreten Dienstamt 1,
Bekenntnisstellen 2, Verhältnis der Schlüssel zur ekklesia und zum Apostelkollegium 3, schelochim4,
syn5, neutestamentliche Weiterentwicklung des mit den
Aposteln gestifteten öffentlichen Predigtamtes 6, die vom Erstandenen
direkt berufenen apostoloi bleiben sui generis
7, Vor-, Mit-, Nachordnung 8.)
S.
die Stellen in der These selbst, ferner die sedes bei
Mt, Mc und L über die
Berufung der Apostel und den Reichsbefehl, sodann J 21,15ff; Act 20,28; R 10,15;
1 C 4,1ff; 12,27ff; E 4,17ff; Ph 1,1; Kol 4,17; Phlm 2; 1 T 3,1ff; 2 T 2,2; Ti 1,3ff; 1 P 5,1ff; Jc 3,1.
CA XXVIII, 5-28; Ap XIII 9ff; Tract 10 f; AS 3, VII §
1.
3. Anm.: (Verhältnis der Schlüssel zur ekklesia
und zum Apostelkollegium)
Die Schlüssel des
Himmelreichs hat der Herr der ekklesia principaliter, immediate, dem Amte aber als Dienstauftrag
übergeben (Mt 16,16ff. par vgl. 18,15 par). Dem
Apostelkollegium (Mt 16,18; 28,18ff. par) wurden sie
zunächst zugesprochen sowohl als neutestamentlichem kahal
als auch als Christi Amtsträgern. Die Schlüsselübergabe
beinhaltet dabei Übertragung der Vollmacht, im Reiche
des Herrn das Reichswerk zu tun. Das Bild des Schließens tritt zurück, dafür
tritt in beiden Kapiteln anschließend ein noch machtbezogeneres
Bild ein. Zu dein und lyein vgl. Mt 23,8 in Verbindung ThWNT II
59f., vor allem mit J 20,21ff. Der Vorwegnahme des Reichsbefehls vor dem Leiden
folgt der endgültige Auftrag des Erstandenen. Er wird von L, Mc und Mt nach verschiedenen
Seiten spezifiziert (matheteusate verdeutlicht
zugleich intendierte Gemeindebildung). Von nun ab sind die in der Kreuzesstunde
fahnenflüchtigen 11 Jünger die "Zeugen der Auferstehung", die
bestätigten schelochim (Act 1,21f. par), denen
die Fülle des Geistes auch gerade für ihr Amt zugesagt und dann zu Pfingsten
gegeben wird (J 14,26; 15,26; 16,8ff. vgl. mit 17,20; 20,21).
Bei Paulus treten
eindeutig hervor: sowohl die einmaligen Besonderheiten des scheluchim-Amtes
(G 1,1f. par) als auch die generelle Seite, die Dauerstiftung des einen
neutestamentlichen Amtes, die in die apostole
eingebunden ist (1 C 4,1 vgl. mit 1,1; 3,4; 2 C 3,5-11; 5,18ff).
Letztlich aber ist
es Christus selbst, der in seinem prophetischen Amt bis zum Jüngsten Tage lehrt
und predigt (Mt 17,5; 23,8ff).
4. Anm.: Zu den schelochim
vgl. Dt 18,15ff.; H 1,1f. als Ausgangspunkt; zur
Parallele gegenüber den Propheten des Alten Bundes vgl. aber E 2,20; 3,5f; 2 T
3,14-17; 1 P 1,10-12; 2 P 12-21; 3,16 (s. ferner ThWNT
I 397ff; IV 943ff. 110f. 113ff.; N S. 118ff).
5. Anm.: zu Tract § 10 ("daß
das Predigtamt vom gemeinen Beruf der Apostel herkommt") vgl. das syn in Kol 4,17; es ist involviert auch in 1 C
4,1ff. par; 1 P 5,1ff; 2 J 1; 3 J 1; usw.
6. Anm.: (neutestamentl. Weiterentwicklung
des mit den Aposteln gestifteten öffentlichen
Predigtamtes)
(a) Ganz
offenkundig haben sich die Apostel Schritt für Schritt sowohl für das Wort
mitverantwortliche Evangelisten als auch örtlich verantwortliche
"Pastoren" [meist Mehrzahl] angegliedert bzw. letztere "eingesetzt",
ohne dabei die überquellenden gemeindlichen Wortcharismen oder gar die
generellen Dienste des allgemeinen Priestertums zu verdrängen (L 1 4,10f. par).
- Die Didache kennt merkwürdigerweise, soweit man
sehen kann, dabei nicht einmal die Gepflogenheiten, die sich im Unterschied von
früherer Zeit (Korintherbriefe) in gewissen Gebieten (Kleinasien, Kreta)
bereits z. Z. der Pastoralbriefe fest herausgebildet hatten.
(b) Ohne das
einmalige Apostolat selbst fortzupflanzen, ließen sich die Apostel in Gehorsam
gegen des Herrn Stiftung die Sorge für Nachfolger gerade auch nach ihrem Tode
im öffentlichen Wortamt in mannigfaltiger Weise
(Act 6; 14,23; !Pastoralbriefe, bes. 2 T 2,2; 1 P
5,1ff) angelegen sein.
7. Anm.: Die vom Erstandenen (Act 1,2f) unmittelbar berufenen
(G 1,1) Apostel bleiben sui generis. Sie sind die einmaligen
Vertreter Christi. Als solche sind sie Offenbarungsträger, die die prophetische
Linie fortsetzen und als die Christusboten sie abschließen, so daß die Kirche "erbaut ist auf den Grund der
Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist" (E 2,20).
Diese ihre Stellung im solennen Offenbarungsgeschehen und -gefälle ist
unübertragbar und erstreckt sich in gar keiner Weise auf sonstige Diener am
Wort. Die Kirche ist also nicht auf die nachapostolischen
geistlichen Amtsträger erbaut, sondern diese selbst sind zusammen mit der
Kirche "creatura verbi".
Dabei ist die auf den Fels gegründete Eine Kirche
selbst von größerer Bedeutung und steht fester da als alle ihr zum Dienst
gesetzten Amtspersonen (1 C 3,21ff; Tract. 11).
8. Anm.: (Überblick über Vor-, Mit-, Nachordnung)
(a) Von Christus
im prophetischen Amt her (H 1,2; 2,3) ist das Wort Gottes [nicht nur das von
ihm mit eignem Munde gesprochene, sondern auch das
durch die Propheten und Apostel vorher und nachher gegebene] vor der Gemeinde
da als Same, Nahrung und auch Fundament der Kirche (1 P 1,21ff. par); es ist
vorgegeben und bewahrt eine ANTE- und EXTRA NOS-Stellung (lt. CA V).
(b) Dagegen
erfolgte die Stiftung des Apostolats gleichzeitig mit der beginnenden
Aussonderung des neutestamentlichen Gottesvolkes. Und da im Apostolat
auch die allgemeine Amtsstiftung mit enthalten war, wird man dem Einen
Propheten Jesus Christus und seinem Offenbarungswort allein die Priorität
lassen müssen, die Gründung der neutestamentlichen Gemeinde und die Stiftung eines konkreten Amt des Evangeliums in ihr aber als gleichzeitig
ansehen müssen.
(c) im Unterschied
dazu setzt die mittelbare neutestamentlliche
Amtsbestellung (vocatio mediata
Novi Testamenti) immer schon berufende Kirche oder
Gemeinde voraus. Hier waltet ein "nach". Dies gilt sogar dann,
wenn durch die sammelnde Tätigkeit eines Missionars oder Reisepredigers neue
Gemeinden entstehen; denn hinter ihm steht irgendwie bereits he ekklesia.
(d) Durchgängig
aber ist das Amt ein dem "Knecht des Herrn" nachgeformter Dienst
an der Gemeinde, was eindeutig auch vom Apostolat galt (Mt
20,25 par; Tract. § 7ff).
These
12:
Das nachapostolische öffentliche Wortamt ist diakonia tes katallages, 2 C 5,18ff
vgl. mit 2 C 3,6ff.
A) Des näheren ist das Eine neutestamentliche Amt, was die
außerapostolische Betätigung betrifft, in vielen Formen möglich. Es handelt
sich im NT um einen Dienstberuf, der uns unter folgendem Namen
entgegentritt: euangelistai, presbyteroi, episkopoi, didaskaloi, hegoumenoi, vor
allem poimenes, die alle zusammen mit den
Aposteln auch hyperetai Christou kai oikomenoi mysterion
theou heißen. In gewisser Weise sind
hinzuzurechnen prophetai und angelloi.
B) Die Bestallung
bindet jeweils an eine bestimmte Herde, die zu weiden ist, sei diese nun klein
oder groß, sei sie von einem oder von mehreren Dienern am Wort zu versorgen
(Act 20,28; 1 P 5,1ff. par), seien diese an ecclesia simplex oder composita gewiesen.
C) Die Berufung
cum titulo, an eine bestimmte Herde, ist jedoch nie "introvertiert",
oder unmissionarisch zu verstehen. Da die Una Sancta
selbst Missionskirche ist, demgemäß auch jede Ortsgemeinde; da zudem das
heutige Amt in concreto selbst durch die
ausgesprochen missionarische apostole
eingeleitet wurde, darf die missionarische Verpflichtung des Amtes an keinem
Ort außer acht gelassen
werden. Wie das Evangelium, so ist auch das Amt des Evangeliums immer
zugleich für Menschen drinnen und draußen da, sogar dann, wenn
feindliche Weltmacht die Ausbreitung des Worts und der Kirche unter Todesstrafe
verbietet. (Es versteht sich von selbst, daß diese
Gesamtverpflichtung der Gemeinde sowohl als auch jeder ihr geschenkten
besonderen Amtsperson von entscheidender Bedeutung bei der Frage von Stellenwechsel
ist.)
(Die 5 Anmerkungen
berücksichtigen, unbeschadet der Einteilung in A, B und C, nacheinander:
Einzelheiten zum neutestamentlichen Sprachgebrauch 1,
Stiftungsnachweis 2, in unitate diversitas 3, mit dem Linksreich unverworren 4, nur eine hypakoe5.)
1. Anm.: (Einzelheiten zum neutestamentlichen Sprachgebrauch)
Die griechischen termini sind an Hand der Konkordanzen und Wörterbücher zu
studieren. Sie sind synonym, außer beim "Evangelisten", was meist den
Hilfsmissionar und Legaten eines Apostels bezeichnet, und den beiden letzten
(verschiedene prophetai; angelloi sonst Engel). presbyteroi
und episkopoi werden gleichgesetzt (Act.
20,17; Tit 1,5f einerseits - vgl. mit Act 20,28; Tit 6-9 andererseits).
Der Begriff der Proistamenoi kommt zu den
genannten Begriffen hinzu, aber nur adjektivisch (zunächst in der Frühstelle 1
Th 5,12ff.; sodann proestotes presbyteroi mit Zusatz zur Heraushebung der lehrenden
Ältesten (1 T 5,17). presbyterion als
Kollegium wird 1 T 4,14 erwähnt, wodurch deutlich wird, daß
monarchischer Episkopat noch fehlt. episkopoi
werden dabei deutlichst von karitativen diakonoi unterschieden (Ph
1,1; 1 T 3,1ff. 8ff); auch Phöbe gehört zu letzteren (R 16,1)). Act 13,1
kennt ""Propheten und Lehrer". etheto
und edoken (in 1 C 12,28 und E 4,11) leiten Charismenlisten ein, die mit den Aposteln beginnen, darauf
das "allgemeine Wortamt" so oder so sich
anschließen lassen und mit "allgemeineren oder sporadischen
Begabungen" enden. Seelsorgerische Verantwortung tritt H 13,17 besonders
hervor (vgl. v. 7).
2. Anm.: (Stiftungsnachweis für das generelle, bis zum
Jüngsten Tag bleibende
neutestmentliche Amt)
Entscheidend für
die Tatsache, daß ein mit der apostole
beginnendes, mit ihr zugleich gestiftetes Wortamt
weiterläuft (wenn auch nicht unbedingt begleitet von einer ununterbrochenen
Kette von am Weiterreichen beteiligten Amtspersonen), ist der an die mittelbar
Berufenen ergehende, die Apostelbeauftragung weiterführende Weide- und Lehrauftrag
(J 21,15f; Mt 28,19f vgl. mit Act 20,28; 1
P 5,1ff. par; Ti 1,6-9). Auch die Bestimmung, daß
ebenso wie die Apostel auch sonstige hauptamtliche Wortverkündiger durch die
freien Liebesgaben der Gemeinde zu erhalten sind, im Normalfall mit
ihrer Familie, schlägt hier zu Buche (G 6,6; 1 C 9,6-14, zu vgl. mit Mt 10,8ff.; L 10,7 - 1 T 3,1f. 4 par). Schließlich
überschreitet auch eine gegen Anfechtung von innen oder außen ausweisbare
"Ordinationsgewißheit", wie dieses
Amt sie fordert, die Grenzen vorübergehender Beauftragung (1 P 5,1ff; 1 T 1,18;
6,13ff; 2 T 1,6; Kol 4,17).
3. Anm.: (in unitate diversitas)
Die diakonia des NT (2 C 3,6) besteht als das Eine Wortamt (Act 6,2) ihrem Wesen nach unverändert
bis zum Jüngsten Tage. Die örtliche amtliche Tätigkeit kann aber doch sehr
wohl von etlichen Personen kollegial geführt werden. Der Zerlegung in
spezialisierte Dienste (z. B. Kinder-, Jugend-, Missions-, Diakonie-Pfarrer,
theologische Lehrer als betonte didaskaloi)
steht auch nichts im Wege. Dies gilt aber nur, so lange grundsätzlich -
wenn auch nicht in der nach menschlichem Recht vereinbarten Ausübungssphäre -
Vollverantwortung für Gesamtwortverkündigung festgehalten wird. Das hat im
Notfall sofort die Folge, daß der erst iure humano beschränkte Dienst
nun alles Nötige einbezieht. Die Mannigfaltigkeit der Benennungen, auch die
Einreihung der Apostel selbst und aller Amtspersonen unter den mancherlei
gottgegebenen Charismen (1 C 12,28ff; E 4,11ff), verbietet dabei von vornherein kurzschlüssige Beschränkung auf irgend
eine Monopolform.
4. Anm.: (mit dem Linksreich unverworren)
Da Christus die
Schlüssel des Himmelreichs nur seiner ekklesia,
aber keiner Instanz des "Reiches zur Linken" übergab, so kann sich
das Wortamt nicht von weltlichem Auftrag
herleiten und darf auch nicht von da her Instruktionen annehmen (ES III
A, 2 C, Bel 117f).
Wie die Kirche nur
den einen Auftrag der Evangeliumsverkündigung hat
(der das "Regieren zur Linken" nicht unter seine Obhut nimmt, es
trotz der absoluten Gültigkeit der Gottesgebote doch nicht dem
allgemeinmenschlichen Urteil entzieht), so hat auch das Kirchenamt keinerlei
politische Aufgaben (ES IIIA, 2 B, Bel 101-104 - gegen Rom, Genf, die
verweltlichte Moderne, Karl Barth).
5. Anm.: (nur eine entscheidende hypakoe)
Da das geistliche
Amt es ausschließlich mit Wort und Sakrament zu tun hat, dabei aber selbst
nicht "Schöpfer des Wortes" ist, so daß nur
einer Herr ist, indem alles Herrschen von Christus
selbst durch sein prophetisches Wort in rechter Unterscheidung von Gesetz und
Evangelium geschieht, so sind sich Hirte und Herde allerorts grundsätzlich
einig in der einen hypakoe gegen das Wort.
These
13:
Ist die "Una Sancta Ecclesia, in
qua evangelium pure docetur
et recte administrantur sacramenta",
selbst soma, ja pleroma
tou Christou (E c.1 und c.4 vgl. mit 1 C 12,12f),
und somit unaufteilbare (indivisa,
indivisibilis), so ist das neutestamentliche Daueramt weder Haupt neben dem Haupte noch Leib neben dem
Leibe. Infolge der eindeutigen gestifteten Bezogenheit dieses Amtes auf die
Kirche und ihr Wort bleibt auch keine Möglichkeit, es als einen Fremdkörper
daneben oder als bloßes Anhängsel zu betrachten. In dieser ganzen Sache ist das
allmächtige königliche Haupt (von dem her der Leib im Heiligen Geist
durch das Evangelium lebt und zu dem hin er evangelischen Dienst tut)
selbst zur Stelle. Er trägt Kirche und Amt.
Man beachte als
grundsätzliches Ergebnis: Christus stellt seinem priesterlichen Volke zur
Erhaltung des geistlichen Lebens und zur Verrichtung des geistlichen Dienstes
inmitten einer wogenden Charismenfülle das
vornehmste und bleibende Charisma zur Verfügung. Er verpflichtet dabei dies
sein Volk in Güte und Treue, sich zu verantwortlichem Gebrauch dieses
gestifteten Dienstamtes nach der mitgegebenen Dienstanweisung anzunehmen. So
bewegt sich dies Amt unbeschadet begleitender Ordnungselemente wesensmäßíg auf pneumatischer Ebene.
Damit fällt zweierlei
von vornherein weg. Es entfällt auf der einen Seite juristische
Beamtenherrschaft über das Gottesvolk, als ob dieses nicht reichsunmittelbar
und selbst mit den Schlüsseln ausgestattet wäre. Auf der anderen Seite ist aber
ebenso entschieden ausgeschlossen ein bloßes äußerliches
Angestelltenverhältnis, das gekündigt oder zeitlich befristet werden könnte;
denn das würde voraussetzen, daß der Diener am Wort
nicht von Christus selbst durch Ortsekklesia berufen und innerhalb seines
Dienstes öffentlicher Mund Christi wäre.
(Die 3 Anmerkungen
verteilen sich auf repraesentatio Christi 1,
die nur der Liebe weichende Freiheit in Mitteldingen 2, höchster
Dienst 3.)
1. Anm.: (repraesentatio Christi)
(a) Die Tatsache, daß die Kirchendiener Gottes Wort und Sakrament nicht
fabrizieren, sondern lediglich verwalten und somit nur Diener des Evangeliums
sind, das alle königlichen Priester haben und das sie hat, mindert ihre
Autorität als öffentliche Wortverkündiger und Sakramentsverwalter nicht im geringsten, sofern sie nur das apostolische Wort bringen. In
der Predigt tritt ja Christus selbst auf (J 20,21; 2 C 5,18ff; L 10,16; H
13,17), Christi Schafe hören seine Stimme. In der Verkündigung des Wortes steht
der Gesandte an des Senders Statt. Obwohl der Glaube
die Frohbotschaft "hat", bleibt to
euangellion zugleich dem Glauben das rettende
"Gegenüber" (R 10,8 vgl. mit v.14ff), während das Gesetz von Gott her
strafend dem Alten Adam entgegensteht.
(b) Demgemäß ist
zu wiederholen: Das ANTE und EXTRA des Wortes fällt keineswegs in eins zusammen
mit der Stellung des amtlichen Verkündigers. Urschlüsselträgerin ist die ekklesia aller Gläubigen, bleibt es auch.
Dienstlicher, öffentlicher Schlüsselträger ist allerdings das Wort- und Sakramentamt. Das beseitigt aber nicht die
Schlüsselverantwortung und -betätigung (richtig verstanden) jedes Laien. Im
äußersten Notfall repräsentiert auch der das Wort sagende Laie einem
ganzen Konzil gegenüber den Herrn Christus.
2. Anm.: (die nur der Liebe weichende Freiheit in
Mitteldingen)
Geistliche
Wortautorität darf nicht zu cäsarisch-bürokratischer Beamtenherrschaft mißbraucht werden (CA XXVIII 20ff. 30ff. par). Alle
Mitteldinge werden unter Christen in Freiheit nach der Liebe geordnet und geschlichtet.
Solange und soweit nötig, werden so getroffene Arrangements natürlich auch
wirklich ehrlich durchgeführt (CA XV par).
3. Anm.: (höchster Dienst)
Das Predigtamt,
durch welches Christus öffentlich redet, ist der höchste Dienst in christlicher
Gemeinde (W II, § 8ff), doch ist dies keine Relation nach Weltart.
Demgemäß ist zu wiederholen:
(a) Es ist
unmöglich, aus dem Diener Christi (1 C 4,1) je einen Menschenknecht zu machen
(G 1,10f).
(b) Dies hebt die
Mitverantwortlichkeit der Gemeinde für seinen gesamten Dienst nicht auf.
(Überall werden die Schafe einerseits ermahnt, das Wort zu prüfen, damit nicht
ein Wolf sie weidet, obwohl es ihnen andererseits zur Pflicht gemacht wird, mit
ihren Gaben und Gebeten allen öffentlichen Wortdienst zu tragen.)
These
14:
Von der Amtsübertragung lehrt CA XIV,
"daß niemand in der Kirchen
öffentlich lehren oder predigen oder Sakrament reichen soll ohn
ordentlichen Beruf [nisi rite vocatus]". Da die direkt
berufenen Apostel der Grund der Kirche und völlig einmalig sind, setzt das
Amt so wenig durch direkte eigene successio
geweihter, die Weihe von sich aus weitergebender Personen
fort, daß es vielmehr jeder nachapostolischen
Amtsperson nur durch "rata vocatio
ecclesiae" verliehen wird.
(Die 7 Anmerkungen
weisen folgendes Gefälle auf: Ekklesienausweis der
Instanz nebst assensus nötig 1,
"Bischofseigenschaften" 2, modi vocationis 3, "Übertragung 4,
durch die Gemeinde von Christus selbst berufen; demgemäß ...5,
Versetzung - Absetzung 6, "Handauflegung" -
"Ordination" 7.)
1. Anm.: (Ekklesienausweis der
Instanz nebst assensus nötig)
(a) Wenn wirklich
die an den in Übung stehenden Gnadenmitteln ausgewiesene ekklesia
tou theou handelt, so
handelt Christus durch sie (E 1,21ff. par).
(b) Steht rata vocatio fest, so kann die
Bestallung äußerlich je nach Umständen und Gepflogenheiten in sehr
verschiedener Weise zustande kommen, wie schon die Beispiele im NT zeigen. Doch
darf dabei nie der assensus der zu weidenden Herde
fehlen (1 T 3,7 par), da örtliche Umstände zu berücksichtigen sind, auch
pneumatische ekklesia nie ekklesia
vergewaltigt.
2. Anm.: ("Bischofseigenschaften")
Die für die
Berufung getaufter, bekennender männlicher Gemeindeglieder in das öffentliche
Predigtamt geltenden Voraussetzungen sind in den Katalogen der
"Bischofseigenschaften" hervorgehoben (1 T 3,1ff; Ti 1,3ff. zu vgl.
mit 2 T 2,2). Sie schließen Frauen aus. Der Hintergrund, mit stärkster Betonung
weiterzureichende reine Lehre, ist in diesen Briefen nicht zu übersehen!
3. Anm.: (modi vocationis)
(a) Die Gemeinde
Gottes (die nach der Schrift, 1 C 11; 1 T 2, durch ihre volljährigen
männlichen Mitglieder handelt) vollzieht die Berufung normalerweise adhibitis suis pastoribus (Tract 72), da es gegen Gottes Willen ist, daß der leitende Dienst des göttlich gestifteten Wortamtes
ohne zwingende Not bei so wichtiger Handlung ausgeschaltet wird.
(b) Die Gemeinde
oder Kirche kann (trotz der eminenten Gefahren für das Verantwortungsbewußtsein
der ekklesia am Ort) auch einer auswärtigen
Instanz den Vollzug der Berufung übertragen; in Fällen, in denen eine größere ecclesia composita beruft, läßt sich eine beauftragte Dienststelle nicht umgehen.
(c) Zur Not kann
auch ein Teil der im Regelfall immer aus Lehrenden und Hörenden
zusammentretenden Kirche für den anderen Teil mit handeln. (Beispiele:
unselbständige junge Kirchen einerseits, durch Katastrophe von allen
Mitchristen abgeschnittene Laiengemeinde andererseits.)
(d) Die Ordnung,
wie die vocatio am Ort im einzelnen
zustande kommt, ist - trotz des hochbedeutsamen Beispiels Act 6 - in keiner
Weise vorgeschrieben. Sie hat sich jeweils nach Gepflogenheiten und Umständen
unter Leitung des Hl. Geistes zu ergeben.
4. Anm.: ("Übertragung")
Wenn auch eine
"Übertragungslehre" im Sinne Friedrich Höflings verworfen werden muß, wie Wilhelm Brunotte zeigt (B 140, vgl. aber 156), so
gelingt es doch letzterem nicht, der Bedeutung des allgemeinen Priestertums für
das Amt im Sinne des NT und Luthers gerecht zu werden. Ein Moment der
Übertragung liegt im Verhältnis des SACERDOTIUMS zum MINISTERIUM tatsächlich
vor (das genau erfaßt werden will, wozu B 138f und W
320ff, besonders 323f und 326f dienlich sind; vor allem vgl. Li 69ff. 82ff.).
Dabei ist es
wichtig zu beachten: Das Priestertum des einzelnen Christen ist kein Urbesitz des gläubigen Individuums als eines isolierten
"ich", sondern es ist eine Teilhaberschaft jedes Christen an Christus
zusammen mit seiner Kirche. Jedwedes Christen Priester-Sein ist durch
den Glaubensanschluß an das Haupt selbst sofort
eingebettet in seine Una-Sancta- Mitgliedschaft, in seine Gliedschaft
im Gesamtleib (B 91 f. vgl. 169 n 84). Dementsprechend ist die Übertragung
letztlich immer von Christus und seinem Leib her und nicht einfach von so und
so vielen gläubigen Individuen her zu verstehen, Li 77f.
5. Anm.: (durch die Gemeinde von Christus selbst berufen;
demgemäß...)
(a) ein Doppeltes
steht nunmehr fest. Einerseits ist das Amt kein Stand, der sich selbst
fortpflanzt - ohne verantwortliche Mitwirkung der priesterlichen
Gemeinde, der er dienen soll. Andererseits ist der so örtlich berufene Hirte
Diener Christi, der örtliche Hirte, den der Erhöhte Herr dem coetus loci gesandt hat (1 C 4,1ff; 1 P 5,1ff).
(b) Ist ekklesia immer Leib des einen Christus, ist
jeder Träger des einen Amtes immer letztlich von Christus berufen, so liegt
jedem örtlichen Verhältnis ja immer ein überörtliches zugrunde. Wie die
Ortsekklesia von der ekklesia nicht zu
isolieren ist, so auch der Ortshirte nicht. Demgemäß ist er durch sein
örtliches Amt zugleich auch Kirchendiener überhaupt, Diener der Una Sancta
geworden und steht in einem mindestens latenten Verhältnis auch zu anderen
Gemeinden (GK II 54ff).
6. Anm.: (Versetzung - Absetzung)
(a) Der örtlich
Berufene unterliegt in keiner Weise der Versetzung durch Menschenwillen, sei's
den eignen, sei's durch den anderer. Er kann nur durch einen anderen göttlichen
Beruf mit seiner Gemeinde vor die Frage gestellt werden, ob Gott ihn versetzen
will. Erst recht kann er nur aus vor Gott stichhaltigem Grunde, nämlich wegen
gottlosem Leben, abgesetzt werden. Zur Illustration: während Eheleute
bis zum Tode aneinander gebunden sind, sind Pastor und
Gemeinde durch den ergangenen und angenommenen konkreten Beruf des Erzhirten
solange aneinander gewiesen, bis Christus selbst dazwischentritt, der
das Haupt nicht nur der ekklesia
am Ort, sondern
allerorts ist.
(b) Die Gemeinde
darf bei einem göttlichen Beruf von außen friedliche
Entlassung nicht eigenwillig versagen, der Hirte aber darf nicht
ungehorsam wegstreben, wenn die Gemeinde göttliche Gründe hat, ihn
festzuhalten.
(c) Wie der Pastor
mittelbar (mediate) von Gott berufen wird, so kann er von Gott auch,
falls nötig, in mittelbarer Weise abgesetzt werden. So wie die Gemeinde
ihn normalerweise adhibitis suis
pastoribus [beauftragte oder benachbarte Pastoren
hinzuziehend] beruft, so hat sie erst recht die Pflicht, wenn sie dem Pastor
wegen hartnäckig festgehaltener falscher Lehre oder gottlosem Leben oder auch
Infamie gegenüber der Umwelt das Amt abzuerkennen hat, dies wiederum unter
mitverantwortlicher Beratung und Führung des geistlichen Amtes zu tun, sofern force majeure dies nicht unmöglich macht. Es kann die
Aberkennung des Amtes durchaus in geordnetem Verfahren durch eine Instanz der ecclesia composita, der die ecclesia localis angehört,
geschehen (wird bei Lehrfragen meist so geschehen müssen), doch kann die
betreffende ecclesia localis
nie von der Mitverantwortlichkeit entbunden werden. Sie muß
mit handeln selbst auf die Gefahr der Spaltung.
(d) Christus kann
auch in elementarer Weise zwischen Hirten und Gemeinde bei bestehendem Beruf
treten, nämlich so, daß entweder die Gemeinde, die
berief, verschwindet (wie oft bei Katastrophen), oder daß
die zur Amtsführung nötigen Kräfte schwinden, jedenfalls ein zu großer Mangel
sich hierin offenbart, oder der Tod der Amtsperson dazwischentritt. Nebenbei:
(War bei einem "Berufenen" eine für das Daueramt
ausreichende Befähigung nie da, so war die Vocation
nicht rata.)
7. Anm.: (Handauflegung - Ordination")
(a) Die aus Israel
kommende Handauflegung ist weder von vornherein nur ein "pastoraler Akt (1
T 4,14 vgl. mit 5,17), noch ist sie auf die öffentliche Amtsbestallung
beschränkt (Act 8,17), noch von vornherein und immer mit besonderer Verheißung
verbunden. Von einer der Hirtenordination zuzuschreibenden dringlichen Übergabe
des Heiligen Geistes mit amtlichem Charakter indelebilis
als Folge steht im NT kein Wort. (G 3,2.14!)
(b) Da der ekklesia allerorts, wo die Gnadenmittel sie
ausweisen, PLEROMA-Charakter eignet, und da kein ausdrücklicher Befehl der
Handauflegung vorliegt, wird an sich das Amt durch gültigen Beruf und
Annahme desselben übertragen, ohne daß je ein bestimmter Ritus zur conditio sine qua non erhoben
werden könnte.
(c) Demgemäß ist
im Notfall auch ein nur von "Laien" berufener und eingeführter Hirte im
Vollsinn als "rite vocatus" anzusehen (ES
II B,2; "Dokumentararchiv, Erste Folge" S. 9ff).
(d) Im
reformatorischen Sprachgebrauch ist ordinare Synonymum von vocare. Beide
Ausdrücke bezeichnen zunächst das Ganze des Vorgangs, nicht etwa nur Anfang
oder Ende (AS 3 X). Entscheidend ist die gültige Vocation,
die angenommen wurde, selbst wenn force majeure
einen öffentlichen Ordinationsgottesdienst als Abschluß
des Bestallungsvorgangs verhindern sollte (W 289ff). Wie die Reformation auch
Ordinationsgottesdienst allmählich wieder festlegte, so ist er auch heute nicht
zu unterlassen. Auch ist er keineswegs nur die öffentliche Bestätigung des
rechtmäßig Berufenen, sondern hat auch durch Gottes Wort und die speziellen
Gebete sein eigenes Gewicht (ES III B, Th. 2, Bel. 145f. 149-152;
Dokumentararchiv Erste Folge, Dokument C, b: "Anlage II B" Li 223ff).
diese Eigenbedeutung ist aber nicht dahin zu verstehen, als würde durch die
Ordination seitens eines Amtsträgers oder seitens der Vertretung einer ecclesia composita die örtliche vocatio erst rata und wirksam
(vgl. in der besonderen Thesenreihe KIRCHE, PREDIGTAMT, BERUFUNG DER PREDIGER,
die Th. 15ff).
These
15 A:
Da die Reiche "zur Rechten"
und "zur Linken" auf getrennten Ebenen liegen und die Kirche nur den
Auftrag der Evangeliumsverkündigung (der Gesetzes-
und Gnadenpredigt, der Erbauung der Gemeinden durch Wort und Sakrament) hat,
Christus auch nur den Binde- und Löseschlüssel und nicht noch einen usus civilis-Schlüssel stiftete,
so fällt das öffentliche Predigtsamt ganz und gar unter das dem Christus eigene
Werk (2 C 5,18ff) als das einzige Genus, obschon es örtlich und zeitlich
bedingte species aus sich heraus setzen kann. Alles
Äußerliche ist dabei nur Akzidenz.
These
15 B:
Dem öffentlichen Predigtamt als dem
höchsten geordneten Dienst in der Kirche können freilich besondere Hilfsämter
"zureichende Dienste" leisten (1 T 3,8ff. par). Wie gesagt, kommen
für das öffentliche Predigtamt selbst (nach den Katalogen der
"Bischofseigenschaften", besonders aber nach 1 C 14,34; 1 T 2,11ff)
weibliche Personen nicht in Betracht, wohl aber bedient sich Gott ihrer Charismata für die "zureichenden Dienste" und
natürlich auch für das "öffentliche Zeugnis im Notfall", das jenseits
der Ordnungen steht.
These
16 A:
Was das gegenseitige Verhältnis
der Diener am Wort und der mit ihnen verbundenen Ortsekklesien
betrifft, so hat Luther dafür die einprägsamsten Formeln in AS 2 IV 1 u. 9
geboten. In Wirklichkeit wird in allen Ekklesien die
ekklesia durch die Sammlung um die reinen
Gnadenmittel faßbar (vgl. These 4. und 5., Anm. 1).
Deshalb ist für EKKLESIEN gegenseitige Anerkennung, gemeinsame Verantwortung
der einen Wahrheit und Hilfsleistung untereinander bei dem einen Werk des Herrn
vorgegebenes URDATUM (iuris divini).
Keineswegs aber sind Über- und Unterordnungsverhältnisse, wie sie sich jeweils
- manchmal sehr zu Recht - gestaltet haben, dauernd verpflichtend. Es liegt nie
mehr als ius humanum vor, das von außen nicht aufgezwungen werden kann (ES
III B 3, besonders Belege 158-161).
Übrigens übersehe
man in ES III B 3 nicht die Bemerkung: "Auch bei diesem kirchlichen
Zusammenwirken [der Gemeinden] kommt das Weiden und Regieren mit dem Worte
Gottes dem öffentlichen Predigtamt als dem eigentlichen und höchsten Amt der
Kirche zu."
These
16 B:
Ist ministerium
loci oder ecclesia particularis
nachweislich häretisch überfremdet, so entfallen damit alle Pflichten der
brüderlichen Anerkennung und Zusammenarbeit (vgl. das erste Kapitel Abschn. E).
These
17:
(Antithesen zur
Lehre von der Kirche im Blick auf das Amt)
Vorbemerkung:
Wie bei der Lehre
von der Kirche wird von vornherein abgesehen von dem, was seiner Anlage nach
extra ecclesiam ist. So werden weder die "Sekten
des Verderbens" noch die Theologien des Verderbens, denen Jesus nichts als
ein Mensch ist, einbezogen. Wo die Eine Heilige Christliche Kirche per
definitionem ausgeschlossen ist, kann von einem Amt im Sinne des Neuen
Testaments nicht mehr die Rede sein. Das gilt auch vom konsequenten
Existentialismus in der Theologie: wo Kirche nur "wird", fehlt die
Basis für ein Amt der gesandten und sendenden Kirche. Es handelt sich beim
Gerede vom Amt dann nur noch um Ersatzbegriffe. Diese strömen vom Verhältnis
zur Welt, im Grunde aus dem, was per difinitionem
außer und gegen den Christus des 2. Artikels ist, herbei. Es geht nunmehr
darum, der "mündigen Welt die neutestamentliche Botschaft so zu
"interpretieren", daß der Christus von
Schrift und Bekenntnis dabei verschwindet und ein Pseudoamt der humanistischen
Weltverbesserung und der Politik dient. Mit vollsäkularisiertem oder bizzarem Gegenüber sollen sich die nachfolgenden
Antithesen, die die zur Kirche gestellten ergänzen, nicht abgeben. Sie wollen
vielmehr einerseits negativ der Abwehr der großen historischen (demgemäß subtiler
auftretenden) Irrtümer in der äußeren Christenheit, andererseits aber positiv
der vollen lehrmäßigen Ausgeglichenheit und Balance bei Kirche und Amt dienen.
I. Folgende
Antithesen haben es mit den gröbsten Irrtümern in der äußeren Christenheit
zu tun:
A. Ein den
Grund antastender Irrtum , eine Abgötterei, die das Verhältnis zu Christus und
zu
seinem Worte
verkehrt, liegt vor, wenn man
1. die Kirche
neben Christus zur Heilsmittlerin macht, sei
es
a) in Maria als Mitmittlerin und in den Heiligen als "Fürbittern",
sei es
b) im Opferdienst
der Priester (Messe), sei es
c) durch
"überschüssige gute Werke" heiliger Personen (usw)
2. Wenn man aus
der Kirche als dem Geschöpf und der Tochter des Worts creatrim
et mater Verbi Dei, also Offenbarungsquelle
und -norm, macht, sei es
einer
sichtbaren Kirche (im Blick besonders auf Rechtgläubigkeit oder auf
gottgesetzte
Verfassung) zuweist, oder sei es genauer,
b. daß man nur der "lehrenden Kirche", dem
Lehrstand, den Bischöfen (ordinariis),
speziell
dem römischen Papst, diese Vollmacht einräumt, wobei man dann
c. endlich eine so oder so neben die Schrift tretende "traditio" (der Vergangenheit oder
auch
der Gegenwart) zu gottgesetzter Norm erhebt, ja sie in solchem Gefälle zur
"proxima norma" macht; sei es
3. wenn man die Leitung dieser hierarchischen Kirche zur
äußeren Herrschaft über die Gesellschaft, die Staaten, usw., antreten läßt.
B. Irrtum, der
den Grund antastet, liegt auch vor,
wenn man das von Christus gestiftete Amt
ganz abschafft
oder es grundsätzlich weltlicher Macht unterordnet. Folgende Spielarten der Säkularisation "zur
Linken" treten etwa hervor:
2. daß man die angeschlossenen Christen für derart sichtbar bestätigt hält, etwa durch nachweisbaren Bekehrungsakt oder Erwachsenentaufe, daß nun alle in gleicher Weise mit- und nebeneinander die Verkündigung und die Seelsorge ausüben sollen [indem man die Amtsstiftung leugnet] und können [indem man die göttliche Lehre auf ein Minimum, meist äußere Ethik, reduziert];
3. daß man zwischen den Reichen zur Rechten und zur Linken
eben nicht unterscheidend gesellschaftlichen und politischen Gewalten einen
direkten Anspruch auf die Kirche einräumt, damit das Amt irdischen
"Cäsaren" (einerlei wie auftretend) unterstellt und Christus das einzige
Haupt des soma, der ekklesia,
absetzt.
(Dies
ist das Übliche in Gebieten des Staatskirchentums und seiner
Folgeerscheinungen, aber nicht minder da, wo man eine zur Welt hin
"offene" (nicht durch die NOTAE ECCLESIAE abgegrenzte)
"Kirche" fordert. Wo das Wesen des Christentums noch nicht völlig
preisgegeben ist, ist der verführerische Appell dabei immer der
missionarischer Breitenwirkung und befohlener Weltumgestaltung.
"Heraus aus dem Ghetto".
II. Abgesehen von
solcher offenkundigen Säkularisierung sind alle Behauptungen irrig, die das
richtige Verhältnis zwischen Tract 24 und Ap XIII 12
stören (beachte Li 235ff: "Die Zweipoligkeit von Luthers Amtslehre").
Hierhin zählen auf der einen Seite
(Tract 24)
vergewaltigen, indem sie
1. ein Monopolamt
errichten dadurch, daß sie
a) die ekklesia nicht kraft des
Rechtfertigungsverhältnisses zum Haupte dessen soma
und pleroma sein lassen, sondern die
Amtsträger als Mittler oder "Direktautorität" einschieben (I A),
b) nur dem Amt den
ursprünglichen und unmittelbaren Besitz und die gesamte dosis
der Gnadenmittel zuerkennen,
c) das
neutestamentliche Amt sich eigenständig fortpflanzen lassen,
oder
indem sie
(a) aus
menschlichem (n) Unterhirten und
(b) aus
entsprechender (n) Herde (n).
(Die daraus
entspringenden irreführenden Ordinationslehren sind hier nicht nochmals zu
beachten.
B. Jedoch sind auf
der anderen Seite nicht minder alle Behauptungen zu verwerfen, die das
"ecclesia habet mandatum Dei de constituendis ministris" (Ap XIII 12) und
das "iure divino"
der Amtsvollmacht der berufenen Diener Christi (CA XIV; XXVIII § 20f. par)
antasten:
2. Sie äußern sich
nicht selten nur indirekt und versteckt, etwa in demokratistischen
Auswüchsen, wenn
z. B. der Versuch gemacht wird,
III. Eine mit
"zu eng" und "zu weit" arbeitende Antithesenübersicht diene
nicht eigentlich
der Einführung
neuer Momente, sondern schließe sich an II an im Sinne systematischerer
Übersicht: Alle Amtslehren sind irrig, die das neutestamentliche Daueramt statisch einengen und einschnüren, es in zeremonialgesetzliche Formen zwängen, oder aber es
seiner Unterscheidungsmerkmale berauben und dadurch umgekehrt zu locker, zu
flüssig und weit fassen, es vom ministerium ecclesiasticum in abstracto nicht mehr in concreto abgrenzbar sein lassen. Im einzelnen
A. Zu eng und statisch wird das Amt gefaßt,
wenn man es
(1) unter allen
Umständen gesetzlich nur einer ecclesia simplex (vielleicht sogar im simpelsten Verstand) zuordnen
will und damit die Ausformung von species innerhalb
des genus "Hirtenamt" mehr oder weniger
überhaupt für illegitim erklärt, oder wenn man
(2) die diakonia tes katallages zeremonialgesetzlich
so (meist von der ecclesia composita
her) vergewaltigt, daß man innerhalb des einen Amtes von
Gott vorgeschriebene Amtsstufen ausruft, so daß
nicht alle Diener am Wort grundsätzlich dasselbe Amt haben (entsprechend dem, daß qualitativ ekklesia
sich immer gleich ist.)
(3) Hierhin gehört
auch die reformierte Auffassung, daß das Neue Testament
eine fertige kirchliche Verfassung mit verschiedenen Ämtern vorschreibe.
B. Zu locker
und weit aber wird das Amt gestreckt (d. h. es wird zu mehr verdünnt und
seiner besonderen Obliegenheit und Verantwortlichkeit beraubt), wenn man die
Grenze zwischen ministerium ecclesiasticum
in abstracto, der ganzen ekklesia jeglichen
Ortes befohlen, und ministerium ecclesiasticum
in concreto, das der Herr hinzugestiftet hat,
aufhebt, einebnet, undeutlich macht, sei es, daß man
2. es gar wagt, gegen die klaren Weisungen und Verbote der Schrift weibliche Personen in das Hirtenamt Christi zu berufen (vocatio non rata), oder daß man
3. das
Berufungsrecht (ius vocationis) solchen Gruppen
innerhalb der Kirche zuspricht, die sich nicht durch den im ersten Kapitel
unter den Abschnitten C und E ausgeführten doppelten Bezug zu den
Gnadenmitteln als selbständig handlungsfähige Ekklesien
ausweisen, oder
4. wenn man diesen Beruf nicht grundsätzlich auf
Lebenszeit ausgestellt sein läßt und demgemäß
temporäre Berufe auf Zeit in das heilige Predigtamt duldet, oder endlich
5. wenn man dies spezifische Amt des Wortes und
der Sakramente mit den "zureichenden Diensten" auf eine Stufe
stellt, auch die letzteren (etwa das karitative Diakonenamt)
als ebenso von Gott gestiftet und zum geordneten Kirchsein notwendig erklärt,
wie das heilige Predigtamt.
C. Generalnenner
für alle hartnäckigen Abweichungen ist, daß man
Abschnitt C des ersten Kapitels, also die zweipolige Ganzheit von CA VII
§ 1, nicht geistlich erkennt und durchhält.
Prof.
W.M. Oesch, D.D.,
Dornbachstr.
13,
6370 Oberursel, Oberursel,
den 16.Jan. 1978
B.R.D.
Herrn
Pastor George Gullixon,
RI,
Box
103, Lawler, Iowa 52154
USA
Lieber
Bruder Gullixon:
Die Karte, die ich Dir zu den Festtagen
sandte, teilte Dir mit, dass ich dankbar war für Deinen Brief. Ich danke Dir
auch sehr für die Materialien, die Du beifügtest, und die die theologischen
Positionen darlegten zu einem Aspekt DE ECCLESIA, für die man sich in der ELS entschieden
hat1, und deine Reaktion. Am 29. Dezember
sandte ich Dir eine Zwischenantwort.
Ich will mich nun anstrengen, Deiner
Anfrage mehr im Detail zu begegnen. Ich werde jedoch mich nicht dazu hinreißen
lassen, vielleicht zu schnell Position für eine Seite zu beziehen. Vielmehr
werde ich, wie schon im Voraus angemerkt, einen ausreichenden grundsätzlichen
Punkt in den Vordergrund stellen, in der Hoffnung, dass dies eine direkte
persönliche Erwiderung ziemlich unnötig macht. Darüber hinaus hat ein Kollege eine
ausführliche Übersicht in Englisch erbeten. Es ging darum zu beschreiben, wie
das Konzept von der örtlich vergewisserten EKKLESIA, wenn auch nicht streng
gebunden, von der Reformation an weitergegangen ist, aber bald in politische
Bereiche abglitt. Auch diese Bewertung zeigt, wie die lehrmäßige Bedeutung des
Fortschritts durch C.F.W. Walther [gegenüber dem Staats- bzw. Landeskirchentum, Anm. d. Übers.] zu beurteilen ist – ich
will eher sagen: zurück zu Luther – in einem Land, in dem die Regierung sich nicht
einmischt, der jedoch dennoch in der Zeit der großen Ausbreitung der MISSOURI
Synode falsch verstanden wurde [nämlich was das Verständnis von Ortsgemeinde
und Synode als ekkleesia angeht, Anm. d. Übers.]. Du
wirst in einigen Tagen dazu einen Anhang erhalten, genannt A STUDY (eine
Studie).
Schon in dem Schreiben Ende 1977 verwies
ich Dich auf Professor Kurt Marquarts Buch „The Anatomy
of an Explosion“. Prof. Marquart hat, wie Du gesehen
hast, unsere STELLUNGNAHME DES ÜBERSEEKOMITEES2
im ANHANG B veröffentlicht.
Diese unsere Darlegung wurde den
Repräsentanten der vier die damalige SYNODALKONFERENZ konstituierenden
Kirchenkörper3 unterbreitet, die sich
im April 1961 versammelten. Die vier Synoden4
hatten uns (die von ihren Kirchen auf den verschiedenen Kontinenten als ihre
Repräsentanten bestimmt worden waren) zu Reisen in die Vereinigten Staaten auf
ihre gemeinsamen Kosten eingeladen, Reisen, die 1960 begannen. Die Synoden
forderten uns auf, unser Bestes zu tun, „um den toten Punkt der
Synodalkonferenz zu überwinden“. Wir kamen also 1960, 1961 und im April 1962
hinüber. So trafen wir uns also mit den vier Gruppen eine nach der anderen
selbst nach dem Bruch der WELS mit Missouri noch einmal. Unsere Antwort, wie
Prof. Marquart sie wieder abgedruckt hat, wurde in Thiensville5 übergeben und mit jeder Gruppe 1961 ab
dem 25. April diskutiert.
Wir stellten eine vor allem theologische
Analyse vor, die aber von ihrem Inhalt her weit davon entfernt war, abstrakt zu
sein, und legten den Schwerpunkt darauf, dass das Konzept der
„Kirchengemeinschaft“, besonders der „Gebetsgemeinschaft“ nicht isoliert werde
vom notwendigen neutestamentlichen Hintergrund im Blick auf EKKLESIA,
besonders die offenbarten GNADENMITTEL.
Dieser Hintergrund bestimmt in der
lutherischen Lehre und Bekenntnis zwei Aspekte äußerst sorgfältig. Alles
gründet auf der EKKLEESIA stricte dicta
[Kirche im engeren Sinne, Anm. d. Übers.] aller Gläubigen; die handelnde
EKKLEESIA aber, wieder nur aus Gläubigen bestehend, muss örtlich verstanden
werden unter Beachtung der Personen, die hier und da mit den GNADENMITTELN
verbunden sind. Solche Gruppen von WORT-Empfängern und WORT-Unterstützern6, die die EKKLESIA zu einer örtlichen
göttlichen Gewissheit machen, gegenwärtig in den Gläubigen und einbezogen in
die von Christus angeordnete EKKLEESIA-Tätigkeit, normalerweise mit ihren
berufenen Pastoren, erlauben nie einen eindeutigen Rückschluss. In dieser
Hinsicht sind sie „ungenau bezeichnete Kirchen“ aufgrund der Heuchler, die in
kleiner oder großer Zahl zu ihr gehören, usw., usw., auf Latein „ECCLESIAE
LARGE DICTAE“ [Kirche im weiteren Sinne, Anm. d. Übers.] Was bevorstehende
Tätigkeiten angeht, ist es unbedingt erforderlich, damit die eindeutige
Unterscheidung zu verbinden zwischen Christi Reich (oder Regierungsweise) zur
sogenannten rechten Hand oder erlösenden Seite und dem zu des
aufgefahrenen Königs linker Hand, dazu bestimmt, diese Welt am Laufen zu
halten. Oder, indem wir andere Begriffe Luthers verwenden: Der „Christianus per se“ [der Christ für sich, oder: im Reich
zur Rechten, Anm. d. Übers.], wie in der Bergpredigt, scheint auf den ersten
Blick in eine andere Person verwandelt zu sein, wenn er gefordert ist, als „Christianus in relatione“ [als
Christ in Beziehungen, oder: im Reich zur Linken, Anm. d. Übers.] zu handeln.
Da sieht er sich Geboten Christi gegenüber, die von ihm allerdings das gleiche
Herz verlangen, jedoch nicht die direkten rechte Hand –Handlungen, sondern
vielmehr, wie in der Familie, in der Wirtschaft oder im Staat, Reaktionen
vorschreiben, wie sie unter Menschen, einschließlich aller Christen selbst, üblich und
der Vernunft unterworfen sind, Torheit und Faulheit entgegenstehend. Hier
erbittet Gott die Liebe bei jeder Gelegenheit; nichtsdestotrotz antwortet sie
hier ohne viel Aufhebens auf die zahllosen Bedürfnisse der sündigen Menschheit,
damit sie in den Schranken der äußeren Ordnungen Gottes auf den Tag des
Gerichts bewahrt wird. Lies dazu bitte Luther über Matth., Kapitel 5-7.
Ich war aufgefordert, die vier großen
Synoden persönlich zu treffen. Als jemand, der in Amerika geboren und
aufgewachsen ist,
wusste ich doch ein wenig über die Situationen. So wusste ich zum
Beispiel, dass MISSOURI, einst Walthers Synode, seit Jahrzehnten darunter litt,
dass falsche Lehren sich in seiner Mitte ausbreiteten, was schlussendlich nur
dahin führen konnte, den großen Kirchenkörper in babylonische Gefangenschaft zu
führen. Ich hatte ja Dr. Behnken von London aus über 100 Seiten bereits 1936
geschrieben und dann den „Crucible“ 1938/1939
versandt; und in den vielen Kontakten nach dem zweiten Weltkrieg habe ich nie
aufgehört, die führenden Männer zu ermahnen.
Über das hinaus hatte ich in geschichtlichen Dimensionen wahrgenommen, dass von der Wende zum 20. Jahrhundert an, nennenswerte Missourier mehr und mehr das EKKLEESIA-Konzept veräußerlicht hatten, sobald es um die örtliche Gestalt ging (von der zu sprechen nur möglich ist über die KENNZEICHEN – und zwar die REINEN). Sie glitten in ein Konzept über, das zu nah an der weltlichen Demokratie ist, ja, rühmten davon. Das musste Stück für Stück die Arbeit berühren, die nach Matthäus 18 und 28 und vom Schlüsselamt zu tun ist, letzteres in seiner umfassendsten Bedeutung genommen. Dann bemerkte ich, dass sie bei der Veräußerlichung die Ortsgemeinde als die „primäre Einheit“ (so auch WELS) so weit von der normalen nächsten Stufe trennten, besonders wenn rechtgläubige Gemeinden gemäß göttlicher Verpflichtung zusammenarbeiten, d.h. dann eine neue Einheit [Synode, Anm. d. Übers.] bilden, dass s