Stöckhardt, Von der Rechtfertigung aus dem Glauben


V O N    D E R

R E C H T F E R T I G U N G

A U S    D E M    G L A U B E N

Von

Georg Stöckhardt

Neu herausgegeben

von

Roland Sckerl

Inhaltsverzeichnis

Worin besteht die hohe Bedeutung dieses Artikels?

Und wie, wodurch werden wir nun vor Gott gerecht?

Wie wird heutzutage vielfach diese Lehre dargestellt?

Der Gegensatz von Glaube und guten Werken

Ist der Glaube ein gutes Werk?

Welches ist aber nun der rechte Begriff von dem rechtfertigenden Glauben?

In wiefern rechtfertigt uns der Glaube?

Rechtfertigung ist gleichbedeutend mit Vergebung der Sünden

Der Glaube ergreift Gottes Gnade

Aus Gnaden und durch den Glauben

Der Glaube hängt am Wort Gottes

Die Gnade der Rechtfertigung wird uns durch Gottes Wort zugeeignet

Demgemäß lehrt auch das lutherische Bekenntnis

Der große Trost dieser Lehre

Der rechte Begriff des Glaubens

    Der Artikel von der Rechtfertigung ist Kern und Stern der christlichen Lehre, des lutherischen Bekenntnisses. In der Konkordienformel heißt es:

„Dieser Artikel von der Rechtfertigung des Glaubens (wie die Apologia sagt) ist der vornehmste der ganzen christlichen Lehre, ohne welchen kein armes Gewissen einigen beständigen Trost haben oder den Reichtum der Gnade Christi recht erkennen mag; wie auch Dr Luther geschrieben: Wo dieser einige Artikel rein auf dem Plan bleibt, so bleibet die Christenheit auch rein und fein einträchtig und ohne alle Rotten; wo er aber nicht rein bleibet, da ist es nicht möglich, daß man einigem Irrtum oder Rottengeist wehren möge. Tom. 5 Jenens. P 159“. (Ausführliche Darlegung, 3. Artikel, Konkordienbuch, St Louiser Ausgabe, S 417).

    So ist es. Der Artikel von der Rechtfertigung ist der wichtigste, vornehmste Artikel der christlichen Lehre. Von dem aus fällt Licht auf die andern Artikel der Lehre. Wo dieser Artikel nicht rein bleibt, ist aller möglichen Ketzerei Tür und Tor geöffnet. Und er ist eben darum so wichtig, weil der ganze Trost der Christen daran hängt. Ein Christ, welcher diesen Artikel recht gefasst hat, hat ein fröhlich Herz und Gewissen und behält guten Mut im Leben und Sterben.

    So ist es gewiss nicht außer der Ordnung, wenn man bei Betrachtung der christlichen Lehre, in Schrift sowohl wie in Predigt und Unterricht, immer wieder auf diesen Artikel zurückkommt. Es liegt so viel daran, dass man diesen Artikel rein behält. Darum muss man ihn immer wieder von Neuem besehen und erwägen. Der Trost, welcher aus dieser Lehre fließt, ist unerschöpflich. Wer darum nach Trost begehrt, der wird dieser Lehre nimmer satt. So werden es die christlichen Leser sich wohl gefallen lassen, wenn ihnen auch in diesem Blatt [Der Lutheraner], welches ja auch zur Lehre und Erbauung dient, die alte bekannte Wahrheit immer von Neuem unter die Augen tritt.

Worin besteht die hohe Bedeutung dieses Artikels?

Welches ist der besondere Trost dieser Lehre? Oder mit andern Worten: Um was handelt es sich bei der Rechtfertigung? Was heißt Rechtfertigung? Darum handelt es sich hier, um mit unserem lutherischen Bekenntnis, der Konkordienformel, zu reden, „dass ein armer, sündiger Mensch vor Gott gerechtfertigt, das ist, absolviert, los und ledig gesprochen werde von allen seinen Sünden und von dem Urteil der wohlverdienten Verdammnis, auch angenommen werde zur Kindschaft und Erbschaft des ewigen Lebens“. (Konkordienbuch, S. 417). Darauf kommt es hier an, wie wir einen gnädigen Gott gewinnen, wie wir im Leben und Sterben vor Gott bestehen können. Gott macht uns gerecht, Gott rechtfertigt uns, das heißt: Gott ist uns gnädig und gewogen, Gott sieht und nimmt uns für gerecht an, Gott hält uns für seine lieben Kinder, Gott hat nichts mehr wider uns. Wir sind gerecht vor Gott, das heißt: Wir sind vor Gottes Augen rein, fromm und gerecht, ganz schön und vollkommen, wir haben Gott, Gottes Urteil für uns, wir sind bei Gott in Gnaden, Gottes Wohlgefallen ruhet auf uns. In diesem Sinn redet Paulus in allen seinen Briefen von der Rechtfertigung.

Und wie, wodurch werden wir nun vor Gott gerecht?

Durch den Glauben, allein durch den Glauben. Wir nennen diesen Artikel kurzweg den Artikel von der Rechtfertigung aus dem Glauben. „Den Glauben will Gott für Gerechtigkeit vor ihm halten und zurechnen, wie Paulus sagt zu den Römern im 3 und 4 [Kapitel].“. So sagt die Augsburgische Konfession im 4. Artikel, welcher „Von der Rechtfertigung“ handelt. (Konkordienbuch, S. 28). Und die Apologie der Augsburgischen Konfession führt bei Verteidigung dieses Artikels des Näheren aus und beweist aus der Schrift, „dass der Mensch durch den Glauben vor Gott fromm und gerecht werde“. Ja, so redet, so lehrt die Schrift. „So halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“. Römer 3, 28. „Was saget aber die Schrift? Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“. Römer 4,3. „Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern HErrn Jesus Christus.“ Römer 5,1. „Die Schrift aber hat es zuvor ersehen, dass Gott die Heiden durch den Glauben gerecht mache.“ Gal. 3,8. Paulus redet kurzweg von „der Gerechtigkeit aus dem Glauben“, z.B. Röm. 10,6. Wer heutzutage nur noch auf den Namen eines Lutheraners Anspruch macht, der bekennt sich zu „der Rechtfertigung aus dem Glauben“. Indes, was will das nun sagen und bedeuten, daß wir durch den Glauben gerecht werden?

Wie wird heutzutage vielfach diese Lehre dargestellt?

    Angesehene Lehrer der lutherischen Christenheit, die deutschen Theologen, und gerade solche, die als lutherische Theologen gelten wollen, auch gar viele Prediger führen, wenn sie von dem rechtfertigenden Glauben handeln, etwa folgende Rede. Durch den Glauben werde der arme, sündige Mensch vor Gott gerecht, ja, allein durch den Glauben, nicht durch die Werke. Das heißt, nicht durch äußerliche Werke. Werk und Wandel sei auch bei dem besten Leben gebrechlich und unvollkommen. Das könne dem guten, vollkommenen Gott nicht genügen. Gott sehe das Herz an. Die Gesinnung des Herzens gebe dem, was der Mensch tut, erst den rechten Wert. Gottes Augen sehen nach dem Glauben. Der Glaube sei die rechte, Gott gefällige Gesinnung. Diese Gesinnung sei es, die den Menschen vor Gott rechtfertige. Gott nehme die Gesinnung, den guten Willen für die Tat. Gott sehe in dem Samenkorn, das im Herzen keimt, schon die Frucht. Gott sehe es so an, als wären schon alle die guten Früchte, die guten Werke vorhanden, die eigentlich aus dem Glauben kommen sollen, welche der Glaube als im Keim in sich trägt. Der Glaube sei das rechte Verhalten, das Gott vor allem von dem Menschen fordert. Wer glaubt, dessen Herz stehe richtig zu Gott, der ehre Gott. Der Glaube sei der Anfang, das erste und vornehmste Stück der Gesetzeserfüllung. Und nun nehme Gott den Anfang, die Erstlinge des Gehorsams für das Ganze. Weil der Mensch, indem er glaubt und Gott vertraut, das erste Gebot, das durch alle Gebote geht, erfüllt habe, so sehe es Gott so an, als hätte er alle Gebote, das ganze Gesetz, alle Gerechtigkeit erfüllt. Auf diese Weise rechne Gott den Glauben zur Gerechtigkeit. Kurz, Gott beurteile die ganze Person nach dem, was der Person Wert gebe, nach dem Willen, der auf Gott gerichtet ist, oder nach dem Glauben. Und man fasst, indem man so redet, den Glauben nicht nur im allgemeinen als Gottvertrauen, sondern als Vertrauen auf Christus, den Erlöser. Gerade der Glaube an Christus gilt als wahrhaft christliche Gesinnung, als das vom Evangelium gefordert Wohlverhalten des Menschen.

    Das ist die Lehre von der Rechtfertigung aus dem Glauben, wie sie jetzt durch gelehrte und populäre Schriften, durch Predigten und Erbauungsbücher durch die protestantische Christenheit verbreitet wird. Aber auch andere, welche von dieser neuen Weisheit weiter nicht berührt sind, haben ähnliche Begriffe von diesem Artikel. Derartige Gedanken steigen fort und fort aus dem eigenen Herzen auf. Gar mancher „Lutheraner“ würde, wenn man ihn examinierte, etwa folgendes Glaubensbekenntnis ablegen. Wenn man fragt, wie er vor Gott gerecht und selig werden wolle, so antwortet er: Allein durch den Glauben. Aber wenn man dann weiter fragt und forscht, wie er das verstehe, so findet man, was seines Herzens Meinung ist. Er denkt und spricht also: Ich glaube an Gott. Ich glaube an Jesus Christus, meinen Heiland. Und ich meine es aufrichtig mit Gott, mit Christus. Die Menschen verkennen mich oft. Gott weiß, wie mein Herz zu ihm steht. Menschen, die meinen Wandel beobachten, haben wohl Manches an mir auszusetzen. Aber Gott kennt meine Gesinnung. Ich suche auch meinen Glauben mit der Tat zu beweisen. Freilich bleibt das Tun noch hinter dem Wollen zurück. Doch Gott sieht meinen redlichen Willen. Und eben darum, weil ich von Herzen glaube, weil es mir mit Gott und meinem Christentum Ernst ist, wird Gott mir gnädig sein und es mir zu gute halten, wenn ich noch strauchle und irre. Ich liebe Gott und meinen Heiland, so wird Gott mich wieder lieben und sein Angesicht von mir nicht abwenden.

    Es leuchtet ein, dass man auf solche Weise aus dem Glauben selbst ein Werk macht, eine Tugend, eine Leistung und damit ein Verdienst des Menschen. Aber auch, wenn man ernstlich bemüht ist, alle Gedanken von dem eigenen Werk und Verdienst, von dem eigenen Wert und Würdigkeit von dem „rechtfertigenden Glauben“ fernzuhalten, wenn man ausdrücklich alle Ehre Gott, alles Verdienst Christo beilegt, fasst man doch die Sache so auf, als ob der Glaube die Rechtfertigung erst zu Stande brächte, als wenn der Glaube des Menschen Gott bestimmte und bewöge und es ihm erst ermöglichte, den Sünder für gerecht zu erklären. Der Sünder glaubt ernstlich, dass Christus alle Gerechtigkeit erfüllt, alle Schuld bezahlt hat, und erst dann, wenn es der Sünder so weit gebracht hat, und eben darum kann nun Gott auch tatsächlich Sünde vergeben und Gnade für Recht ergehen lassen. So denkt man sich diesen Handel von der Rechtfertigung. So redet man davon. Und so macht man immerhin Gottes Tun von des Menschen Tun und Verhalten abhängig und baut Gottes Urteil und Rechtfertigung auf das Glauben des Menschen.

Diese dargelegte Meinung von Glauben und Rechtfertigung ist eine falsche, üble Meinung. Wo solche Meinung Raum gewinnt, da bleibt der hohe Artikel von der Rechtfertigung nicht mehr rein bestehen, dann ist es auch um den Trost dieser Lehre geschehen. Diesen Irrtum, der ein Irrtum dieser Zeit ist, und welcher also die christliche Lehre und den Trost der Christen gefährdet, möchten wir gründlich ausfegen. Denn er schleicht sich nur zu leicht auch in die Herzen wahrhaft gläubiger Christen ein. Und so ist es nicht die Absicht, im Folgenden die Lehre von der Rechtfertigung nach allen Seiten abzuhandeln, sondern den einen Punkt wollen wir besehen und uns deutlich machen, was das eigentlich heißt, was die Überschrift besagt, „Rechtfertigung aus dem Glauben“, dass wir durch den Glauben gerecht werden.

Der Gegensatz von Glaube und guten Werken

    Durch den Glauben werden wir vor Gott fromm und gerecht. Wollen wir von dem Glauben den rechten Begriff haben und alle irrigen Gedanken fernhalten, so müssen wir auf den Gegensatz wohl Acht haben. Wo die Schrift von der Rechtfertigung handelt, da wird durchweg der Gegensatz von Glaube und Werken hervorgekehrt.

    Paulus bezeugt: „So halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“. Römer 3,29. Er weist darauf hin, dass schon im Alten Testament der Glaube der alleinige Weg zur Gerechtigkeit gewesen sei, und erinnert an das Beispiel Abrahams, dass nach der Schrift Abraham Gott geglaubt habe, und zieht eben daraus den Schluss, dass er sich nicht mit Werken befasst habe, um dadurch vor Gott gerecht zu werden. „Ist Abraham durch die Werke gerecht, so hat er wohl Ruhm, aber nicht vor Gott. Was saget aber die Schrift? Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. Dem aber, der mit Werken umgehet, wird der Lohn nicht aus Gnaden zugerechnet, sondern aus Pflicht. Dem aber, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an den, der die Gottlosen gerecht machet, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit“. Römer 4,2-5. Wer da glaubt, der geht nicht mit Werken um. Wird dem Menschen der Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet, so ist Werk, Schuldigkeit, Verdienst, Lohn, Ruhm ausgeschlossen. Das ist die Meinung. Galater 2,16 heißt es: „Weil wir wissen, dass der Mensch durch des Gesetzes Werke nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, so glauben wir auch an Christus Jesus, auf dass wir gerecht werden durch den Glauben an Christum, und nicht durch des Gesetzes Werke, denn durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht“. Glaube und Gesetzes Werke vertragen sich nicht mit einander. Wer durch den Glauben gerecht werden will, lässt die Werke des Gesetzes beiseite. Und Galater 3,11 lesen wir: „Dass aber durchs Gesetz niemand gerecht wird vor Gott, ist offenbar, denn der Gerechte wird seines Glaubens leben“. Erlangt der Gerechte durch den Glauben das Leben, so ist offenbar, so folgt daraus, dass niemand durchs Gesetz gerecht wird. Glaube und Gesetz, Gesetzeswerk sind stracks gegeneinander. Wollen wir also recht verstehen, was der rechtfertigende Glaube ist, wiefern und warum der Glaube den Menschen vor Gott fromm und gerecht macht, so müssen wir vor allen Dingen alle Gedanken an Gesetz und Gesetzes Werke abweisen und ausscheiden.

    Was versteht aber nun der Apostel unter dem Ausdruck „des Gesetzes Werke“? Die Papisten meinen, Paulus habe hier nur das jüdische Zeremoniengesetz im Sinn, und wolle sagen, dass solche Werke der Juden, wie Beschneidung, Sabbathheiligung, Opfern, jetzt im Neuen Testament uns nicht mehr zur Gerechtigkeit und Seligkeit helfen. Damit fälschen sie die Schrift. Sie wollen, wie die Juden, ihre eigene Gerechtigkeit vor Gott aufrichten, sie mögen dem Verdienst und Ruhm ihrer Werke nicht entsagen, sie lehren, dass der Mensch durch Glaube und Werke gerecht werde. Darum verdrehen sie die Schrift. Wenn der Apostel kurzweg sagt, dass der Mensch nicht durch des Gesetzes Werke, ohne des Gesetzes Werk vor Gott gerecht werde, allein durch den Glauben, so ist es offenbar, dass er alle Werke, die im Gesetz geboten sind, nicht nur die jüdischen Satzungen, von dem Handel der Rechtfertigung und vom Glauben ausschließt. „Paulus verwirft nicht schlechte, gemeine Werke, sondern des Gesetzes Weerke selbst“ (Luther), also auch die trefflichen, edeln, hohen Werke, von denen das Gesetz redet. Von allem und jedem Werk müssen wir absehen, wenn wir den rechten Begriff vom Glauben fassen wollen.

    So geht aber die Meinung des Apostels etwa dahin, dass das äußerliche Werk allein, die bloße äußerliche Erfüllung des Gesetzes nicht rechtfertige, dass noch etwas anderes dazu kommen müsse, der Gehorsam des Herzens, damit Gott am Menschen Wohlgefallen haben könne? Gar viele sogenannte lutherische Lehrer lehren heute die Leute also. Sie sagen, das Werk für sich allein, dass der Mensch nicht tötet, hurt, stiehlt, dass er seinem Mitmenschen einmal eine Wohltat erweist, daß er äußerlich ehrbar lebt, mache den Menschen nicht vor Gott gerecht und fromm; wenn aber die Werke aus der rechten Gesinnung fließen, aus Liebe zu Gott und zum Nächsten geschehen, das sei wohlgefällig vor Gott und mache den Menschen vor Gott angenehm.

    Es ist wahr, die Gesinnung des Herzens gibt den Werken ihren Wert, und Werke, die aus der rechten Gesinnung kommen, sind wohlgefällig vor Gott. Aber sie machen den Menschen, die Person nicht vor Gott wohlgefällig. Paulus zeugt und bekräftigt es ein Mal über das andere: Nicht durch des Gesetzes Werke! Ohne des Gesetzes Werke! Und da fasst er unter des Gesetzes Werke alles zusammen, was Gott im Gesetz vom Menschen fordert. Unter des Gesetzes Werk ist auch die erste und vornehmste Forderung des Gesetzes, dass wir Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen sollen, begriffen. Gottes Forderung und Gebot betrifft auch Herz und Gesinnung, und die rechte, von Gott geforderte Gesinnung des Herzens ist Gesetzeserfüllung, Gesetzesgehorsam, Werk des Gesetzes. Dass wir Gott von ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Gemüt, aus allen Kräften lieben, und unsern Nächsten wie uns selbst, das ist die Zusammenfassung des Gesetzes. Und Paulus sagt kurzweg, dass „durch das Gesetz“ niemand gerecht wird. Gesetz, Gesetzeserfüllung und Werk des Gesetzes ist bei ihm ein und dasselbe. Also auch die rechten, guten Werke, die aus Liebe, in der Liebe geschehen, nicht nur die Heuchelwerke der Pharisäer, werden von dem Apostel hier ausgeschlossen. Auch die besten Werke sind ja noch befleckt. Die Liebe ist immer noch unvollkommen. Darum kann kein Mensch durch Werke und Liebe Gott genügen und zufrieden stellen. „Durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht“.

    Wir müssen also, wenn wir von der Rechtfertigung reden, wenn wir den rechten Begriff vom Glauben fassen wollen, das, was wir getan haben und tun, was wir Gutes getan, was wir Gutes denken, reden, vollbringen, dass wir unsern Gott doch aufrichtig lieben und fürchten, und ernstlich bemüht sind, ihm und den Nächsten zu dienen, ganz und gar vergessen und weit aus den Augen tun.

    Unser lutherisches Bekenntnis hat den Apostel recht verstanden. In der Apologie heißt es:

„Darum schließt er (Paulus) gewisslich aus alles Verdienst und alle Werke, nicht allein jüdischer Zeremonien, sondern auch alle anderen guten Werke. Denn so wir durch dieselben Werke fromm würden vor Gott, so würde uns der Glaube nicht gerechnet zur Gerechtigkeit ohne alle Werke, wie doch Paulus klar sagt“. (Konkordienbuch S 79). Die Konkordienformel bezeugt: „Also ist ein wahrer, seligmachender Glaube nicht in denen, so ohne Reue und Leid sind und einen bösen Vorsatz haben, in Sünden zu bleiben und zu beharren, sondern wahre Reue gehet vorher, und rechter Glaube ist in oder bei wahrer Buße. Es ist auch die Liebe eine Frucht, so dem wahren Glauben gewisslich notwendig folget. Aber wenn Paulus spricht: Wir werden durch den Glauben gerecht ohne Werke, zeigt er damit an, dass weder vorhergehende Reue, noch folgende Werke in den Artikel oder Handel der Rechtfertigung des Glaubens gehören“. (Konkordienbuch S 419-420).

Ist der Glaube ein gutes Werk?

    Die dem Glauben vorhergehende Reue, die dem Glauben nachfolgende Liebe und alle anderen guten Werke müssen wir vom Handel der Rechtfertigung des Glaubens ausscheiden. Aber wie? Ist denn der Glaube selbst, von Reue und Liebe ganz abgesehen, nicht ein gutes Werk? Ist der Glaube nicht eine gute, Gott wohlgefällige Gesinnung des Herzens? Ist der Glaube nicht die Quelle der Liebe und aller anderen guten Werke? Eben darauf legen die neueren Theologen im Handel von der Rechtfertigung allen Nachdruck und lehren, dass der Glaube, nicht Reue und Liebe, aber der Glaube, sofern und dieweil er die Liebe und alle guten Werke schon in sich begreife, von Gott zur Gerechtigkeit gerechnet werde. Und wenn Paulus den Glauben den Werken des Gesetzes entgegensetzt, so erklären sie das so, dass der Glaube an Christum eben nicht zu den im Gesetz Mosis gebotenen Werken gehöre, dass der Glaube an Christum weit über das Gesetz hinausliege, dass er ein viel besseres, höheres, edleres Werk sei, als die Werke der zehn Gebote, ein Werk, das Gott im Evangelium geboten habe. Dieses Werk, der Glaubensgehorsam, sei Gehorsam, wie Gott ihn haben wolle, und alle Gerechtigkeit des Gesetzes sei daher in diesem einen Werk schon erfüllt. Das ist aber eine leere Ausflucht und eitel Täuscherei. Wenn der Apostel sagt: „Nicht durch des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“, so schließt er alles und jedes Werk vom Glauben aus. Alles, was der Mensch denkt, will, wirkt und womit er ein Gebot Gottes erfüllt, man mag das Ding nennen, wie man will, Glaube oder Liebe, begreift der Apostel unter dem Titel „Gesetzes Werk“. So hebt er von Abraham hervor, dass er geglaubt habe und eben darum nicht mit Werken umgegangen sei, nicht selber etwas getan oder gewirkt habe, und schweigt da ganz vom „Gesetz“. Mit Werken umgehen, selber etwas tun und wirken, und Gesetzes Werk ist ihm ganz ein und dasselbe. Wenn wir also recht erkennen wollen, was der Glaube im Artikel von der Rechtfertigung zu bedeuten habe, so dürfen wir den Glauben nicht als gutes Werk, auch nicht als Quelle und Summa aller guten Werke ansehen, so müssen wir alle solche Gedanken, wie dass der Mensch hier etwas denkt, dichtet, will, sich vornimmt, tut und wirkt, uns aus dem Sinn schlagen.

    Die Apologie der Augsburgischen Konfession erinnert die Widersacher, dass, wenn sie, die Lutherischen, vom Glauben reden, sie dann nicht einen solchen Glauben meinen, welcher ein „müßiger Gedanke ist“, sondern „ein solch neues Licht, Leben und Kraft im Herzen, welche Herz, Sinn und Mut erneuert, einen andern Menschen und neue Kreatur aus uns machet“. Aber sie fährt fort: „Etliche, wenn man sagt, der Glaube macht rechtfertig vor Gott..., meinen, der Glaube werde allein derhalben gelobt in der Schrift, dass er ein Anfang sei guter Werke, wie denn allezeit viel am Anfang gelegen ist. Dies ist aber nicht unsere Meinung.“ (Konkordienbuch, S 74-75). Nein, das ist nicht unsere Meinung, dass man, wenn man vom rechtfertigenden Glauben redet, den Glauben als ein neues Licht und Leben, als den Anfang aller guten Werke auffasse, als ob der Glaube um eben dieser Art und Beschaffenheit willen rechtfertige.

    Wo Luther den Spruch 1. Mose 15,6, dass dem Abraham sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet sei, auslegt, bemerkt er: „Wenn Gott Verheißungen tut, so handelt er selbst mit uns und gibt und bietet uns etwas; wenn er aber durch das Gesetz heißt und gebietet, fordert er etwas von uns, und will, dass wir etwas tun sollen.“ „Gleichwie aber die Verheißung und das Gesetz müssen unterschieden werden, so soll auch der Glaube und die Liebe und des Glaubens und der Liebe Zweck unterschieden sein.“ (St Louiser Ausgabe I, Sp. 947). Luther will sagen, dass der Glaube, der uns rechtfertigt, mit Gebot, Gesetz, mit des Menschen Tun und Werk nichts zu schaffen hat, davon geschieden und unterschieden werden muss, dass der Glaube etwas ganz anderes ist als Werke, dadurch man die Gebote Gottes erfüllt.

    Die Werke der Menschen schließen ein Verdienst in sich und geben Anspruch auf Lohn. Wer selber etwas tut und wirkt, der erwirbt sich irgend welchen Lohn, und es ist Pflicht und Schuldigkeit, daß man ihm seinen Lohn auszahlt. „Wer mit Werken umgehet, dem wird der Lohn zugerechnet aus Pflicht“. So sagt der Apostel. Würde der Mensch durch Werke gerecht, so würde eben das, was der Mensch tut und wirkt, Gott nötigen und bestimmen, ihn gerecht zu sprechen. Aber nein, so ist es nicht! Nicht durch die Werke! Allein durch den Glauben! Der Glaube schließt alle Werke aus und kommt bei der Rechtfertigung auch nicht selbst als gutes Werk des Menschen in Betracht. Und eben deshalb, weil der Glaube ein ganz anderes Ding ist als die Werke, so ist auch der Glaube nicht etwas, was Gott bestimmt und bewegt, ein günstiges Urteil uns zu sprechen.

Und schon hieraus erhellt, dass der Artikel von der Rechtfertigung aus dem Glauben ein gar tröstlicher Artikel ist. Wir haben bisher uns nur deutlich gemacht, was der Glaube nicht ist, wie man das nicht verstehen darf, dass der Mensch durch den Glauben gerecht wird. Eben nicht so, daß man dabei an irgend welches Tun des Menschen denkt. Und diese Erkenntnis an sich ist schon hochtröstlich. Wie übel wären wir daran, wenn wir erst aus unserm Wandel, aus dem Zustand, aus den Gefühlen und Bewegungen unseres Herzens uns davon überzeugen müssten, dass es im Ganzen mit uns richtig steht, ehe wir unserer Rechtfertigung gewiss sein könnten! Dann ruhte unsere Rechtfertigung auf sehr schwankendem Boden. Dann wäre unser Trost dahin. Aber nein, wenn wir dessen gewiss werden wollen, wie Gott zu uns steht, ob wir einen gnädigen Gott haben, dürfen und sollen wir nicht auf unsere Werke hin sehen, auch nicht in unser Herz hineinsehen, ob das auch in der rechten Verfassung ist. Gott richtet sich, wenn er uns rechtfertigt, in keiner Weise nach unserem Denken, Wollen, Wirken. Er sieht davon ganz ab. So sollen auch wir, wenn wir unserer Rechtfertigung gedenken, von uns selber, unserer Art und Beschaffenheit, unserem Wollen und Vollbringen ganz und gar absehen. Was uns bei dem Hinblick auf uns selbst und unser Tun stören und irre machen möchte, das darf und soll uns nicht stören und bedenklich machen, wenn wir auf die Frage, ob Gott uns gnädig sei, Antwort suchen. Unsere Rechtfertigung ruht ganz außer uns auf festem, ewigem Grunde. Wir werden durch den Glauben vor Gott fromm und gerecht. Was hiermit nicht gemeint ist, dass wir hier von all und jedem Tun des Menschen absehen müssen, haben wir aus Gottes Wort erkannt.

Welches ist aber nun der rechte Begriff von dem rechtfertigenden Glauben?

    Warum, inwiefern wird der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt? Der Beantwortung dieser Frage soll das Folgende dienen. Wir entnehmen die Antwort aus der heiligen Schrift.

Zunächst erinnern wir uns jener bekannten Worte unseres schriftgemäßen Bekenntnisses, aus dem 4. Artikel der Augsburgischen Konfession:

„Weiter wird gelehrt, dass wir Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit vor Gott nicht erlangen können durch unser Verdienst, Werk und Genugtuung, sondern dass wir Vergebung der Sünden bekommen und vor Gott gerecht werden aus Gnaden um Christus willen durch den Glauben“ usw.

Was hier von der Rechtfertigung gesagt ist, wird schließlich in den Satz zusammengefasst: „Diesen Glauben will Gott für Gerechtigkeit vor ihm halten und rechnen, wie Paulus sagt zu den Römern im 3. und 4. [Kapitel].“ (Konkordienbuch, S 28.) Alle anderen Aussagen über die Rechtfertigung sind in der einen Aussage beschlossen, dass Gott uns den Glauben zur Gerechtigkeit rechnet. Der Glaube ist es, der uns rechtfertigt, und darum ist all unser eigen „Verdienst, Werk und Genugtuung“ ausgeschlossen. Wir werden „um Christus willen“ vor Gott gerecht, eben deshalb, weil wir „aus Gnaden“ gerecht werden. Wir werden „um Christus willen“ vor Gott gerecht, und so ist es der Glaube, der Glaube an Christus, der uns gerecht macht. Die Sache, von der wir handeln, wird uns recht klar, wenn wir diese einzelnen Aussagen, eine nach der andern, genau besehen. Dass der Glaube alles eigene „Werk und Verdienst“ ausschließt, davon haben wir schon gehandelt. Wie der Glaube jenes „aus Gnaden“ in sich schließt, wie eng das zusammenhängt „aus Gnaden“ und „durch den Glauben“, wollen wir uns jetzt vergegenwärtigen. Wenn wir recht verstehen, was das heißt, dass wir aus Gnaden vor Gott gerecht werden, dann erkennen wir auch, warum und inwiefern der Glaube uns rechtfertigt, was der Glaube in dem Handel von der Rechtfertigung zu bedeuten hat.

In wiefern rechtfertigt uns der Glaube?

    Paulus schreibt Röm. 3,23.24: „Es ist hier kein Unterscheid, sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie an Gott haben sollen, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade“ usw. Tit 3,7 sagt der Apostel kurzweg, indem er der Rechtfertigung gedenkt: „auf dass wir durch desselben Gnade gerecht“ und Erben seien usw. Aus Gnaden werden wir vor Gott gerecht, „aus seiner Gnade“. Gottes Gnade ist der Grund unserer Rechtfertigung. Was heißt Gnade? Der Gegensatz macht das deutlich. „Aus Gnaden“, das ist so viel, wie „ohne Verdienst“ oder „geschenkweise“. Ein Geschenk ist freie Gabe der Liebe Ein Geschenk schuldet man niemandem. „Dem aber, der mit Werken umgehet, wird der Lohn nicht aus Gnaden zugerechnet, sondern aus Pflicht.“ Röm 4,4. „Ist es aber aus Gnaden, so ist es nicht aus Verdienst der Werke, sonst würde Gnade nicht Gnade sein. Ist es aber aus Verdienst der Werke, so ist die Gnade nichts, sonst wäre Verdienst nicht Verdienst.“ Röm 11,6 „Das Wort ‚aus Gnaden’ schließt Verdienst und alle Werke aus.“ (Apologie Konkordienbuch S 76.) Gottes Gnade ist Gottes Gunst und Huld, und zwar freie Gunst, die allein in Gott selbst ihren Grund hat, und nicht in irgendwelchem Tun oder Verdienst des Menschen, freie Gunst der Liebe, die Gott niemandem schuldet. „Gnade heißt eigentlich Gottes Huld und Gunst, die er zu uns trägt bei sich selbst.“ (Luther, Vorrede zur Apostelgeschichte Erl. Ausg. 63 123.) „Gottes Barmherzigkeit und Gnade wird umsonst den Unverdienten gegeben“. „Die Gnade wird nicht allein gegeben den Unverdienten, sondern auch den übelverdienten Menschen und Feinden der Gnade". (Luther, als Erklärung von Röm 3, 24, in „Grund und Ursach aller Artikel“ usw. 1520. Erl. Ausg. 24, 98.) Wir werden aus Gnaden vor Gott gerecht, das heißt also: Ohne all unser Verdienst und Würdigkeit werden wir gerecht, aus Gottes Geschenk, frei, umsonst, aus lauter Barmherzigkeit Gottes. Gott macht uns arme Sünder gerecht, nicht, weil er doch etwas Gutes in uns sähe und fände, was ihn dazu bestimmte, sondern weil er nach seiner unbegreiflichen Liebe uns, den Unverdienten, den Übelverdienten, einmal günstig, geneigt und gewogen ist. Es ist nichts als das unergründliche, grundlose Erbarmen Gottes, Was Gottes Herz bewegt, wenn er uns rechtfertigt.

Und weil wir aus Gnaden gerecht werden, eben darum werden wir durch den Glauben gerecht. Ja, nun verstehen wir, in wiefern der Glaube uns vor Gott fromm und gerecht macht. Gnade und Glaube hängen auf`s engste zusammen. „Daher kommt`s, dass diese Worte, Barmherzigkeit, Güte, Glaube, so oft in Psalmen und Propheten wiederholt werden“. (Apologie Konkordienbuch S.73.) Paulus schreibt: „Derhalben muss die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf dass sie sei aus Gnaden“. Röm. 4,16 Damit das feststehe, „aus Gnaden“, müssen wir auch festhalten, dass die Gerechtigkeit allein durch den Glauben kommt. Glaube ist Vertrauen. Und das ist nun der rechte Glaube, dass wir uns ganz und gar auf Gottes freie Gunst und Huld, auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit verlassen. Der Glaube geht über sich selbst hinaus und greift in Gott, in Gottes Herz und Gesinnung hinein und tröstet sich dessen und baut darauf, daß Gott so gnädig und barmherzig ist. Der Glaube sieht von allem eigenen Werk, von der eigenen Person ganz ab und eignet sich Gottes Gunst und Gnade zu, welche gerade den Unverdienten, den Übelverdienten vermeint ist. Wer glaubt, spricht bei sich selbst also: Ich bin vor Gott ganz und gar unwürdig, habe keinen Ruhm vor Gott, ich bin keines Erbarmens, keiner Gnade wert, aber dennoch fliehe ich zu der Gnade, ja, eben deshalb, weil bei Gott nichts gilt als Gunst und Gnade, bin ich gewiss, dass Gott mich Unwürdigen, Unverdienten zu Gnaden annehmen wird. Das ist einmal Gottes Weise, dass er den Unwürdigen, Unverdienten gnädig ist. Der Glaube ist also das Mittel, dadurch wir Gottes Gnade und Barmherzigkeit fassen und uns zuwenden. Der Glaube fasst und hat und hält die Gnade Gottes, kraft welcher wir gerecht werden. Wer glaubt, der fasst und hat und besitzt nun die rechtfertigende Gnade als sein eigen und ist also vor Gott fromm und gerecht.

Rechtfertigung ist gleichbedeutend mit Vergebung der Sünden

    So sagt Paulus, dass David den Menschen selig preise, welchem Gott die Gerechtigkeit ohne Werke zurechnet, und zwar mit den Worten: „Selig sind die, welchen ihre Sünden bedecket sind; selig ist der Mann, welchem Gott keine Sünde zurechnet.“ Röm 4,6.7 Darum heißt es in der Augsburgischen Konfession, „dass wir Vergebung der Sünden bekommen und vor Gott gerecht werden aus Gnaden“ usw. (Konkordienbuch S 28.) Und in der Apologie der Konfession: „Vergebung der Sünden erlangen und haben, dasselbige heißt vor Gott gerecht und fromm werden, wie der 32. Psalm sagt: Wohl dem, dem die Übertretung vergeben ist.“ (Konkordienbuch S. 76.) Die Vergebung der Sünden wird auch selbst oft Gnade genannt, eben deshalb, weil sie ein freies Geschenk der Liebe Gottes ist. Und wenn man nun sich so ausdrückt, dass wir Gnade oder Vergebung der Sünden bekommen aus Gnaden, so will das sagen, dass eben dies Gottes Tun und Werk ist, dass er Sünde vergibt, und dass er das von sich selber tut, aus freien Stücken, aus freier Gunst, um seiner selbst willen, dass also nichts, was außer ihm ist, nichts, was im Menschen ist, hierzu mitwirkt und mithilft.

    In diesem Sinn wird die Vergebung der Sünden gar oft in der Schrift gepriesen. Der Prophet Micha ruft aus: „Wo ist ein solcher Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt, und erlässt die Missetat den Übrigen seines Erbteiles? Der seinen Zorn nicht ewiglich behält, denn er ist barmherzig.“ Micha 7, 18 Das ist die unvergleichliche Größe Gottes, dass er Sünde vergibt und Missetat erlässt, und zwar allein aus dem Grund, weil er barmherzig ist, oder, wie es eigentlich heißt, „weil er Wohlgefallen hat an Barmherzigkeit“. Das ist Gottes Ruhm und Ehre. So verkündigte Gott einst seinen eigenen Ruhm. Als der HErr vor dem Angesicht Moses vorüberging, predigte er von dem Namen des Herrn und rief: „Herr, Herr Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, der du bewahrest Gnade in tausend Glied, und vergibst Missetat, Übertretung und Sünde.“ 2. Mose 34,5-7 Da er dem Mose diese hohe Offenbarung ankündigte, fügte er hinzu: „Wem ich aber gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, des erbarme ich mich.“ 2. Mose 33,19. Damit bezeugt Gott, dass seine Gnade und Erbarmen allein in ihm selbst, eben in seiner Gnade, in seinem Erbarmen, begründet ist. Gott ist gnädig und erbarmt sich der Sünder und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde eben darum, weil er gnädig und barmherzig ist. Durch den Propheten Jesaja spricht Gott: „Ich, ich tilge deine Übertretung um meinetwillen, und gedenke deiner Sünden nicht.“ Jes. 43,25 Gott tilgt die Übertretung und vergibt und vergisst die Sünde um seiner selbst willen, weil es ihm also wohlgefällt. Das ist sein Vorrecht, daran hat er seine Lust. Nach Jes. 1,18 geht der Herr mit seinem Volk in’s Gericht und ruft: „So kommt dann und lasst uns mit einander rechten, spricht der Herr. Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden.“ Im Namen Gottes hat der Prophet vorher das Volk seiner schweren Sünde und Missetat überführt. Nun steht das sündige Volk vor Gottes Gericht und erwartet den Urteilsspruch. Es kann nichts anderes erwarten, als das Urteil der Verdammnis. Aber wie wunderbar lautet das Urteil! Es lautet auf Rechtfertigung, statt auf Verdammnis. Die Sünde, die blutrote Schuld soll weiß, wie Schnee und Wolle, werden. Das ist Gottes wunderbare Macht und Gnade, dass er Rot in Weiß, Blutschuld in Unschuld verwandelt.

Und gerade diese letzte Stelle zeigt nun, wiefern der Glaube in diesem Handel von Belang ist. Der Prophet fährt fort: „Wollt ihr mir gehorchen, so sollt ihr des Landes Gut genießen; weigert ihr euch aber und seid ungehorsam, so sollt ihr vom Schwert gefressen werden, denn der Mund des Herrn saget es.“ Jes. 1,19.20 Es heißt eigentlich: „Wenn ihr willig seid und höret, so“ usw. Darauf kommt es nun an, dass die Sünder jenes wunderbare Urteil Gottes, das sie von ihrer Sünde rein spricht, willig hören, sich gesagt sein lassen, dasselbe hinnehmen, annehmen, mit einem Wort, dass sie das glauben, was der Herr spricht. Wenn sie das hören und glauben, so sind sie eben rein von Sünden und werden den Segen ererben. Die sich aber jenes Urteils wehren, demselben widerstreben, die das nicht glauben, sondern zurückweisen, was der Herr sagt, die bleiben eben damit in ihren Sünden und also unter dem Zorn und werden schließlich um kommen. Das ist das unvergleichliche Werk Gottes, dass er Sünde vergibt, die Missetat erlässt, weil er barmherzig ist. Micha 7,18 Daran hält sich der Glaube und macht den Schluß: „Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Missetat dämpfen und alle unsere Sünde in die Tiefe des Meeres werfen.“ Micha 7,19

Der Glaube ergreift Gottes Gnade

    Also der Glaube sieht und erkennt dieses Werk Gottes, fasst und nimmt diese Gabe Gottes, die Vergebung der Sünden. Der Glaube sieht von dem eigenen Werk, der eigenen Person ganz ab und freut und tröstet sich dessen, was Gott tut, was Gott gibt, aus freier Gunst, um seiner selbst willen, tröstet sich dessen, daß Gott so über alle Maßen gnädig und barmherzig ist und Missetat, Übertretung und Sünde vergibt. Und eben deshalb macht der Glaube vor Gott fromm und gerecht, weil er die Vergebung der Sünden, die Vergebung Gottes hinnimmt und sich zueignet. Die Sache ist so schlicht und einfach, das sie jedes Christenkind fassen kann. Den ganzen Handel von der Rechtfertigung begreift der Katechismus in das Wort: „Ich glaube eine Vergebung der Sünden.“ Es gibt eine Vergebung der Sünden. Bei Gott ist viel Vergebung. Wer das glaubt und annimmt und auf sich bezieht, wer da von Herzen spricht: „Ich glaube eine Vergebung der Sünden“, der hat Vergebung, der ist vor Gott rein und gerecht.

    Was wir hier von Glaube und Rechtfertigung gesagt haben, wird noch durch einen Spruch des Paulus ins helle Licht gestellt. Römer 4,5 lesen wir: „Dem aber, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“ Der Apostel hebt hier nachdrücklich hervor, dass Gott der sei, der die Gottlosen gerecht macht. Der Mensch steht vor Gott als Sünder, als Gottloser, in seiner Schande und Blöße, ohne Decke und Hülle, und hat nichts, nichts, das er zu seiner Entschuldigung vorbringen könnte. Und was tut nun Gott? Statt dass er den Gottlosen verdammt, wie es das Recht erforderte, lässt er Gnade für Recht ergehen und macht den Gottlosen gerecht. Und das ist dann der rechte Glaube, dass man, wie Abraham, auf eben diesen Gott vertraut, der die Gottlosen gerecht macht. Wer glaubt, der spricht bei sich selbst also: Ich gehöre in die Zahl der Sünder, der Gottlosen. Daran ist kein Zweifel. Aber das ist nun Gottes Weise, dass er die Gottlosen gerecht macht. So bin ich also auch vor Gott gerecht. Die Sache ist einfach und leicht zu fassen. Gott ist ein solcher Gott, der die Gottlosen gerecht macht. Das glauben wir von Herzen und trösten uns dessen. Damit ist der Handel abgeschlossen. Dem, welcher an den Gott glaubt, der die Gottlosen gerecht macht, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet, der gilt und ist vor Gott rein und gerecht, eben weil er die Gerechtigkeit ergreift, die Gott den Gottlosen zuspricht, weil er den Gott für seinen Gott hält der die Gottlosen gerecht macht.

    Ganz in der angegebenen Weise beschreibt nun auch unser Bekenntnis den rechtfertigenden Glauben. Die Apologie sagt, „dass niemand die Gnade mit Werken fassen könne, sondern allein durch den Glauben, dass der Glaube Gott dem Herrn kein Werk, kein eigen Verdienst bringe und schenke, sondern bloß auf lauter Gnade baue und sich nichts zu trösten noch zu verlassen wisse, denn allein auf Barmherzigkeit“, „dass wir allein durch den Glauben Vergebung der Sünden erlangen“, „dass der Glaube fromm und gerecht mache, nicht derhalben, dass unser Glauben ein solch köstlich rein Werk sei, sondern allein deshalb, dass wir durch Glauben und sonst mit keinen Dinge die angebotene Barmherzigkeit empfangen“. (Konkordienbuch S 71 77 78.) Die Konkordienformel gibt eine deutliche, genaue Erklärung vom Glauben, indem sie erklärt, „dass das Amt und die Eigenschaft des Glaubens allein bleibe, dass er allein und sonst nichts anders sei das Mittel oder Werkzeug, damit und dadurch Gottes Gnade empfangen, ergriffen, angenommen, uns appliziert und zugeeignet werde“. (Konkordienbuch S 422)

Alles, was hier von dem rechtfertigenden Glauben gesagt ist, das ist offenbar nichts als Trost für arme Sünder. Auch wir Christen können dieses Trostes nimmer entbehren. Wenn wir vor Gottes Gericht stehen, besonders in der letzten Not und Angst, schwindet aller Trost der eigenen Werke. Wir sehen und finden bei und in uns nichts Gutes, sondern nur Sünde, Missetat, Übertretung, Gottlosigkeit. Da sehen allein auf Gott, auf den Gott, welcher Missetat, Übertretung und Sünde vergibt, welcher alle unsere Sünden tilgt um seinetwillen, welcher frei, umsonst die Gottlosen gerecht macht. Diesem Gott werfen wir uns in die Arme und geben uns ganz und gar in seine Gnade und Barmherzigkeit dahin. Das ist der Glaube. So bestehen wir im Gericht.

Aus Gnaden und durch den Glauben

    Wir werden vor Gott gerecht „aus Gnaden um Christus willen durch den Glauben“. So heißt es in der Augsburgischen Konfession. Wie eng die zwei Stücke „aus Gnaden“ und „durch den Glauben“ zusammenhängen, davon haben wir zuletzt gehandelt. Ebenso unzertrennlich sind aber die zwei Stücke „um Christus willen“ und „durch den Glauben“ mit einander verbunden. Darum fügt die Augsburgische Konfession hinzu, dass wir gerecht werden, „so wir glauben, dass Christus für uns gelitten hat, und dass uns um seinetwillen die Sünden vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt wird“. (Konkordienbuch S 28.) Die Schrift beschreibt kurzweg den rechtfertigenden Glauben als den Glauben an Christum. Nachdem Paulus das Beispiel des Glaubens Abrahams angeführt hat, macht er die Anwendung mit den Worten: „Das ist nicht geschrieben allein um seinetwillen, dass es ihm zugerechnet ist, sondern auch um unsertwillen, welchen es soll zugerechnet werden, so wir glauben an den, der unsern Herrn Jesus auferwecket hat von den Toten, welcher ist um unserer Sünde willen dahin gegeben, und um unserer Gerechtigkeit willen auferwecket.“ Römer 4,23-25. Phil. 3,9 redet der Apostel von der Gerechtigkeit, „die durch den Glauben an Christum kommt“. Gal 2, 16 lesen wir: „Weil wir wissen, dass der Mensch durch des Gesetzes Werke nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christ, so glauben wir auch an Christus Jesus, auf dass wir gerecht werden durch den Glauben an Christus, und nicht durch des Gesetzes Werke, denn durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht.“ Dreimal nennt der Apostel hier, wo er zeigt, wie wir vor Gott gerecht werden, den Glauben an Christus. Wenn wir das recht verstehen, so erkennen wir, in wiefern, warum der Glaube uns vor Gott fromm und gerecht macht.

    Nachdem der Apostel Gal 2, 16 dargelegt, dass wir allein durch den Glauben an Christus gerecht werden, fährt er fort: „Sollten wir aber, die da suchen durch Christus gerecht zu werden, auch noch selbst Sünder erfunden werden, so wäre Christus ein Sündendiener. Das sei ferne!“ Gal. 2,17. Die durch den Glauben an Christus Jesus gerecht werden wollen (Gal. 2,16), sind eben die, welche durch Christus gerecht zu werden suchen. Durch den Glauben an Christus gerecht werden, ist ganz dasselbe, wie durch Christus gerecht werden. Nicht dass wir es sind, die da glauben, nicht dass wir dieses Eine wenigstens leisten und an Christus glauben, sondern, dass Christus es ist, an den wir glauben, das macht uns gerecht. Oder mit einem Wort: Christus macht uns gerecht. An den glauben wir, so macht uns der Glaube an Christus gerecht. Römer 3,24.25 schreibt Paulus, dass „wir gerecht werden aus seiner (Gottes) Gnade, durch die Erlösung, so durch Christus Jesus geschehen ist, welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut“. Da erklärt er des Näheren, in wiefern, warum wir durch Christus gerecht werden. Christus hat uns erlöst, losgekauft von unsern Sünden. Das Lösegeld ist sein eigenes Blut. Das hat alle Schuld der Menschen bezahlt. Christus ist der neutestamentliche Gnadenstuhl, welcher vermöge seines eigenen Blutes unsere Sünden deckt und sühnt, welcher durch sein Leiden, Sterben, Bluten uns mit Gott versöhnt hat. Eben durch die Erlösung, so durch Christus Jesus geschehen ist, werden wir vor Gott gerecht. Dass Christus uns von unseren Sünden erlöst, unsere Sünden gesühnt, uns mit Gott versöhnt hat, das macht uns vor Gott gerecht. „Durch den Glauben“: diese Worte sind in diesen Zusammenhang eingefügt. Durch den Glauben werden wir gerecht, eben weil wir durch den Glauben Christus und sein Blut, Christus und seine Erlösung, die Sühne und Versöhnung, die Christus durch sein Blut erwirkt hat, uns zueignen. Der Glaube ergreift Christus und sein Blut und Verdienst, flieht zu Christus, dem Gnadenstuhl, tröstet sich der Erlösung und Versöhnung, so durch Christus Jesus geschehen ist. So kommt der Glaube hier in Betracht als das Mittel, dadurch Christus und seine Erlösung unser eigen wird. Haben wir Christus und seine Erlösung uns selbst, unserer Person zugewendet, nun so sind wir für unsere Person von Sünden rein, vor Gott rein und gerecht.

    In eben dieser Weise redet unser Bekenntnis von Christo und dem Glauben. Die Apologie lehrt und bekennt:

„Das Verdienst Christi aber ist der Schatz; denn es muss ja ein Schatz und edles Pfand sein, dadurch die Sünden aller Welt bezahlet sind“. Und im Folgenden heißt es: „Denn der Glaube nicht darum vor Gott fromm und gerecht macht, dass er an sich selbst unser Werk und unser ist, sondern allein darum, dass er die verheißene angebotene Gnade ohne Verdienst aus reichem Schatz geschenkt nimmt“. (Konkordienbuch S. 73)

Das Verdienst Christi ist der Schatz. Und eben darum macht der Glaube gerecht, weil er diesen reichen Schatz, dieses teuere Geschenk nimmt, nicht darum, weil er unser Werk oder unser ist. Nichts, was unser ist, nichts, was von uns und in uns ist, ist Grund der Rechtfertigung. Ferner:

„Nun wollen wir anzeigen, dass derselbige Glaube und sonst nichts uns vor Gott gerecht macht. Und erstlich will ich dieses hier den Leser verwarnen, gleichwie dieser Spruch muss und soll stehen bleiben, und kann ihn niemand umstoßen: Christus ist unser einiger Mittler; also kann auch diesen Spruch niemand umstoßen: Durch den Glauben werden wir rechtfertig ohne Werke. Denn wie will Christus der Mittler sein und bleiben, wenn wir nicht durch den Glauben uns an ihn halten als an den Mittler, und also Gott versöhnet werden, wenn wir nicht gewiss im Herzen halten, dass wir um seinetwillen vor Gott gerecht geschätzt werden? Das heißt nun glauben: also vertrauen, also sich trösten des Verdienstes Christi, dass um seinetwillen Gott gewiss uns wolle gnädig sein.“ (Konkordienbuch S. 75)

Also der Glaube hält sich an Christus, den einigen Mittler, und verlässt sich darauf, dass wir allein um seinetwillen vor Gott gerecht geschätzt werden. Die Konkordienformel betont auch hier, dass der Glaube „das Mittel und Werkzeug sei“, das Mittel, dadurch „Christi Verdienst empfangen, ergriffen, angenommen, uns applizieret und zugeeignet werde“. „Wenn man von dem Glauben redet, wie der gerecht mache, so ist des Paulus Lehre, dass der Glaube allein gerecht mache ohne Werke, indem er uns den Verdienst Christi, wie gesagt, applizieret und zueignet.“ (Konkordienbuch S 422) „Der Glaube macht gerecht, nicht darum und daher, dass er so ein gut Werk und schöne Tugend wäre, sondern weil er in der Verheißung des heiligen Evangeliums den Verdienst Christi ergreift und annimmt.“ (Konkordienbuch S 418) Das Bekenntnis legt den Nachdruck darauf, dass „der Gehorsam Christi“ oder „die Gerechtigkeit Christi“ „uns zur Gerechtigkeit zugerechnet wird“. (S 417 418) Der Glaube nimmt und ergreift den Gehorsam Christi. Und so wird der Glaube uns zur Gerechtigkeit zugerechnet.

    Wir haben erst davon gehandelt, dass der Glaube das Mittel sei, dadurch Gottes Gnade und Barmherzigkeit uns zugeeignet wird. Jetzt nennen wir den Glauben das Mittel, dadurch wir das Verdienst Christi uns aneignen. Das ist nun aber nicht so zu verstehen, als wären es zwei getrennte Dinge und Güter, welche der Glaube in Empfang nähme, als ob der Glaube erst das eine fasste und ergriffe, dann das andere. Nein, der Glaube fasst und nimmt beides zumal, das eine in und mit dem andern. Diese zwei Stücke, „Gottes Gnade“ und „Christi Verdienst“, liegen nicht nebeneinander, sondern ineinander. Die Konkordienformel drückt sich öfter so aus, dass die „Gerechtigkeit Christi“ oder „der Gehorsam Christi den armen Sündern aus lauter Gnaden zur Gerechtigkeit zugerechnet wird“. (Konkordienbuch S. 416.418) Das ist der Schrift gemäß. Es ist nach der Schrift lauter Gnade, dass Gott uns um Christi willen gerecht macht. Wenn der Apostel sagt, dass wir aus Gottes Gnade durch die Erlösung, so durch Christus Jesus geschehen ist usw., gerecht werden, Römer 3, 24 25, so fasst er alles, was er von der Erlösung sagt, unter „die Gnade Gottes“. Es ist lauter Gnade, dass Gott uns gerecht macht, die Sünden vergibt, und es ist lauter Gnade, dass Gott uns gerade auf diese Weise gerecht macht, um Christi willen, durch die Erlösung, so durch Christus Jesus geschehen ist. Es musste ja freilich, wie unser Bekenntnis sagt (Konkordienbuch S 425), „der wahren, unwandelbaren Gerechtigkeit Gottes, so im Gesetz geoffenbart, genug geschehen“. Gott wollte auch seine Gerechtigkeit, seine Strafgerechtigkeit, erwiesen. Gott wollte auch der sein, welcher allein gerecht ist und bleibt. Römer 3, 25 26. Darum musste Christus leiden und sterben und den Fluch tragen. Dass Gott aber an Christus statt an den Sündern die Sünde gestraft und verdammt und also die Sünder von Sünde und Strafe erlöst hat, das ist eitel Gnade und Erbarmen. Gott hat, aus freien Stücken, aus freier Gunst und Huld, um seiner selbst willen, Christus gesandt und Christus in den Tod dahingegeben und also durch Christus die Welt sich versöhnt. „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber“. 2. Kor. 5, 19. Gott hat, „zu Lobe seiner herrlichen Gnade“, „durch diese seine Gnade“ „uns angenehm gemacht in dem Geliebten“. Eph. 1, 6. Und so fasst und ergreift, nimmt und empfängt der Glaube beides zumal, das eine in dem andern, Gottes Gnade in Christus, und macht eben damit uns vor Gott gerecht. „Der Glaube ergreifet Gottes Gnade in Christus, dadurch die Person gerechtfertigt wird.“ (Konkordienbuch S 422)

    Noch einen Punkt aber, der schon in dem vorhin Gesagten enthalten ist, müssen wir besonders hervorkehren. Wir lehren und bekennen, dass wir um Christi willen, um des Verdienstes Christi willen, welches wir im Glauben ergreifen, vor Gott gerecht werden. Das darf man jedoch nicht so verstehen, als wären Christi Verdienst, Gehorsam und unsere Gerechtigkeit, unsere Rechtfertigung getrennte, ganz verschiedene Dinge, als ergriffe der Glaube nur einseitig Christi Verdienst und Gehorsam und als würde durch solches Glauben und Ergreifen die Gerechtigkeit erst bewirkt und zu Stande gebracht. Nein Christi Verdienst und Gehorsam, eben das ist unsere Gerechtigkeit, eben das ist die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, in welcher wir vor Gott bestehen können. Und indem der Glaube Christus und sein Verdienst sich zueignet, eignet er sich eben damit die Gerechtigkeit zu, die vor Gott gilt. So geschieht’s, daß wir durch den Glauben vor Gott gerecht werden. Das ist die klare Lehre der Schrift und unseres Bekenntnisses.

    Unser Glaube hält sich daran, wie Paulus Römer 4,25 schreibt, dass Christus „um unserer Sünde willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen, um unserer Rechtfertigung willen, auferwecket ist“. Das heißt: Gott hat Christus in den Tod dahingegeben und von den Toten wieder auferwecket. Und eben damit ist unsere Sünde gesühnt und getilgt, und unsere Gerechtigkeit, unsere Rechtfertigung hergestellt. Dass dem so ist, das glauben wir. Darauf verlassen wir uns von ganzem Herzen. Das ist die ganze Sache. Es ist für den Apostel ganz gleichbedeutend, ob er sagt, dass „wir durch den Tod des Sohnes Gottes Gott versöhnet sind“, oder ob er sagt, dass „wir durch sein Blut gerecht worden sind“. Römer 5,9.10. Durch den Einen, Christum, durch den Gehorsam dieses Einen ist „die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen“. Römer 5,18. Und durch den Glauben „nehmen, empfangen“ wir nun „die Gabe der Gerechtigkeit“ oder „die Versöhnung“. Römer 5,17.11. „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu“. 2. Kor. 5,19. Gott hat in Christus die Welt mit ihm selber versöhnt und hat eben damit der Welt, allen Sündern ihre Sünden vergeben. Es ist nur noch nötig, dass wir das glauben und uns also „mit Gott versöhnen lassen“, 2. Kor. 5, 20. Petrus bezeugt: „Von diesem zeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.“ Apg. 10,43. Alle, die an Christus, an seinen Namen glauben, nehmen und empfangen damit Vergebung der Sünden. Alle Gläubigen sprechen mit Paulus: „An welchem (Christus) wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden.“ Eph. 1, 7. Wir, die wir an Christus glauben, haben Christus und eben damit, an Christus, haben wir die Erlösung durch sein Blut oder, was dasselbe ist, die Vergebung der Sünden. Das ist der Gewinn, den wir an Christus haben, der in Christus beschlossen ist, der in und mit Christus gegeben wird, Vergebung der Sünden. Dieser „Jesus Christus ist uns von Gott gemacht zur Gerechtigkeit“. 1. Kor. 1,30. Also „wer an den glaubet, der ist gerecht“. Römer 10, 4.

    Mit der Schrift stimmt das Bekenntnis. Die Apologie bemerkt, „dass Gott uns anbietet Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit durch Christus. Und dieselbige Vergebung, Versöhnung und Gerechtigkeit wird durch den Glauben empfangen“. (Konkordienbuch S. 74) In der Konkordienformel heißt es: „Wir glauben, lehren und bekennen, dass allein der Glaube das Mittel und der Werkzeug sei, damit wir Christus und in Christus solche Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ergreifen.“ (Konkordienbuch S 362) Und weiterhin: „dass also die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben oder den gläubigen aus lauter Gnade zugerechnet wird, ist der Gehorsam, Leiden und Auferstehung Christi, da er für uns dem Gesetz genuggetan und für unsere Sünde bezahlt hat“. (Konkordienbuch S 418) „Weil aber der Gehorsam der ganzen Person ist, so ist er eine vollkommene Genugtuung und Versöhnung des menschlichen Geschlechts, ...und also unsere Gerechtigkeit, die vor Gott gilt ..., darauf sich der Glaube vor Gott verläßt.“ (Konkordienbuch S. 425) Also Leiden und Sterben Christi, der Gehorsam Christi ist die Versöhnung des menschlichen Geschlechts und ist also unsere Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Eben darauf verlässt sich der Glaube vor Gott. Und eben darum, weil der Glaube Christus und seine Gerechtigkeit, welche unsere Gerechtigkeit ist, ergreift, macht uns der Glaube vor Gott gerecht.

Es zeigt sich wiederum, dass die Lehre von der Rechtfertigung aus dem Glauben den armen Gewissen beständigen Trost gibt. Eben das, woran die natürliche Vernunft sich ärgert, dass wir durch eine fremde Gerechtigkeit, Christi Gerechtigkeit, vor Gott gerecht werden, ist für arme Sünder der einige Trost im Leben und Sterben. Mit unserer eigenen Gerechtigkeit können wir in Gottes Gericht nicht bestehen. Aber der Glaube greift über sich hinaus, ergreift den vollkommenen Gehorsam Christi, und das ist die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Der Glaube hält sich an Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen. Das ist eine gewisse Tatsache, dass Christus am Kreuze gestorben und dann wieder auferstanden ist von den Toten. Und eben damit sind wir von unsern Sünden erledigt und gerechtfertigt. Durch den Glauben fassen, halten und haben wir Christus. Und wenn wir nur Christus haben, dann haben wir alles, was wir brauchen. An Christus haben wir Vergebung der Sünden, und wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit.

Der Glaube hängt am Wort Gottes

    Aus Gnaden, um Christi willen wird der Sünder vor Gott gerecht. Und der Glaube fasst die Gnade Gottes in Christus und damit die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Und so macht uns der Glaube vor Gott fromm und gerecht. Davon haben wir geredet. Diese Güter, Gottes Gnade und Barmherzigkeit, die vor Gott gilt, werden uns aber dargeboten und mitgeteilt durch das Wort, durch das Evangelium. Und der Glaube hält sich an das Wort. Wenn wir recht bedenken, wie der Glaube am Worte hängt, wird es uns vollends klar, inwiefern und warum der Glaube uns rechtfertigt. Es sind geistliche, unsichtbare Güter, um welche es sich hier handelt, Gnade, Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit. Gott aber hat diese unsichtbaren Güter, damit die Menschen, welche Fleisch und Blut sind, derselben ja habhaft werden, in eine sinnliche, greifbare Hülle eingekleidet, in das Wort, in die Predigt des Evangeliums. Das Wort fällt in die Augen, in die Ohren. Wir lesen das Wort, das Evangelium mit unsern Augen, wir hören es mit unsern Ohren. Und so kommt nun Alles darauf an, dass wir das Wort, welches wir vor Augen haben, welches vor unsern Ohren schallt, auch zu Herzen fassen, in unser Herz aufnehmen. Das ist der rechte Glaube, dass man das Wort, das teuerwerte Wort von der Vergebung der Sünden, annimmt, aufnimmt. Dann hat man das zu eigen, was in das Wort beschlossen ist, dann hat man Vergebung der Sünden. Hier zeigt es sich recht deutlich, daß der Glaube im Artikel von der Rechtfertigung nicht als unser Werk, als etwas, was wir Gott leisten, sondern nur als das Mittel in Betracht kommt, durch welches wir die Gabe Gottes, die Gabe der Gerechtigkeit, nehmen, empfangen, uns zueignen.

Wir Christen wissen, was wir an dem Evangelium haben. Es ist „das Evangelium von Christus, dem Erlöser: Es ist „die Predigt von der Vergebung der Sünden““. Luk. 24,47. Das Evangelium sagt uns: Gott ist den Sündern gnädig. Gott vergibt Missetat, Übertretung und Sünde. Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu. Christus ist für die Sünder gestorben und hat alle Schuld mit seinem Blut bezahlt. Christus ist um unserer Sünde willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt. So ist den Sündern, die alles Ruhmes vor Gott mangeln, eine Gerechtigkeit erworben, die vor Gott gilt. So ist den verdammten Sündern die Seligkeit bereitet. Der Himmel steht ihnen offen. Und das ist nun der rechte Glaube, dass der Mensch für seine Person sich das gelten lässt, dem zustimmt, zu dem Ja und Amen sagt, das für gewiss hält, was das Evangelium sagt. Wer also dem Wort, dem Evangelium glaubt, von dem gilt das, was das Evangelium sagt, an dem hat sich das bewahrheitet, was das Evangelium aussagt und verkündigt, der hat einen gnädigen Gott, der hat Erlösung durch Christi Blut, der hat Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und damit Leben und Seligkeit, der ist also vor Gott gerecht und wird selig. Das Evangelium ist nicht nur Aussage, nicht nur einfache Belehrung, über Gott und Christus, über Gottes Gesinnung, Christi Werk, sondern diese Aussage ist zugleich Zusage. Das Evangelium ist und heißt oft in der Schrift „Verheißung“. Wenn Gott aber etwas verheißt, so ist das kein leeres Versprechen. Indem Gott dem Menschen etwas verheißt, gibt und schenkt er ihm eben damit das, was er verheißt. Das Evangelium wendet sich an die einzelnen Sünder und spricht zu ihnen: Hier schenke ich dir, was dir fehlt und wessen du so dringlich bedarfst. Hier hast du in Christus Gnade, Vergebung, Gerechtigkeit, Trost, Friede, Seligkeit. Nimm nur, was ich dir zusage, was ich dir gebe. Und das ist nun der rechte Glaube, dass der Mensch auf Gottes Zusage baut und vertraut und mit Dank und Freude das hinnimmt, was Gott aus lauter Gnade ihm verheißt und darreicht. Wer also dem Wort, dem Evangelium glaubt, an dem hat sich die Verheißung Gottes erfüllt und bestätigt, der ist im Besitz der Gabe Gottes, der ist vor Gott rein von Sünden, fromm und gerecht und schon selig in Hoffnung. Das Evangelium ist und heißt „das Evangelium Gottes“. Es ist Gottes Wort. In dem Evangelium vernehmen wir, so oft wir es hören, lesen, betrachten, die Stimme Gottes, das gnädige Urteil Gottes: Ich, ich tilge deine Übertretung um meinetwillen, und gedenke deiner Sünden nicht. Ob deine Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden. Und das ist nun der rechte Glaube, dass der Mensch sich dieses Worts und Urteils seines Gottes von Herzen freut und tröstet und Gottes Wort und Urteil dem Urteil, der Anklage seines eigenen Gewissens entgegensetzt. Wer also dem Wort, dem Evangelium glaubt, der steht für seine Person unter dem rechtfertigenden Urteil Gottes, der ist vor Gottes Augen, nach Gottes Urteil rein und gerecht.

Die Gnade der Rechtfertigung wird uns durch Gottes Wort zugeeignet

Ein Christ, der nur einigermaßen erkannt hat, aus der Schrift erkannt hat, was es um das Evangelium ist, der versteht auch den Artikel von der Rechtfertigung aus dem Glauben. Wir wollen nun aber wiederum einzelnen Schriftaussagen, eben denen, welche vor allem von der Rechtfertigung handeln, unser Augenmerk zuwenden. Diese Schriftstellen gehören ja zu den Kernsprüchen, den kräftigsten Trostsprüchen der Schrift, die ein Christ nicht oft genug hören und lesen, nicht fleißig genug bedenken und betrachten kann. Eben diese Schriftstellen zeigen uns, dass die Gnade der Rechtfertigung durch das Wort, durch das Evangelium, durch die Verheißung vermittelt, uns zugeeignet wird, dass Gott durch das Evangelium uns rechtfertigt, und wie eng Evangelium, Verheißung und Glaube zusammenhängen, lehren uns also, was das heißt, dass der Glaube uns vor Gott fromm und gerecht macht.

    Im ganzen ersten Teil des Römerbriefs, Kapitel 1-5, erörtert Paulus die Lehre von der Rechtfertigung und gibt Röm. 1,16.17 das Thema dieser Erörterung mit den Worten an: „Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig machet alle, die daran glauben, die Juden vornehmlich, und auch die Griechen; da darinnen geoffenbaret wird die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben, wie denn geschrieben stehet: Der Gerechte wird seines Glaubens leben“. Hier bezeugt der Apostel, dass die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, die durch Christus bereitet ist, in dem Evangelium von Christus offenbart, den Menschen kund getan und dargeboten wird, weshalb eben das Evangelium eine Kraft Gottes zur Seligkeit ist. Diese Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, kommt aus dem Glauben, wird in Folge des Glaubens erlangt, ist für den Glauben bestimmt, dazu bestimmt, dass der Mensch sie im Glauben annehme. Und der Glaube holt sie also aus dem Evangelium heraus, welches sie ihm vorhält. Darum werden alle die selig, welche an das Evangelium glauben. Von Kap. 1,18 bis 3,20 weist Paulus nach, dass sie allzumal Sünder sind, Juden und Griechen, und keine eigene Gerechtigkeit vor Gott bringen können, dass niemand durch des Gesetzes Werke gerecht werden kann. Und indem er dann dazu übergeht, die Glaubensgerechtigkeit zu beschreiben, stellt er den Satz an die Spitze: „Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, geoffenbaret, und bezeuget durch das Gesetz und die Propheten; ich sage aber von solcher Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christ zu allen und auf alle, die da glauben.“ Kap. 3,21.22. Da wiederholt und bekräftigt es der Apostel, dass die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, die durch Jesus Christus den Sündern bereitet ist, jetzt geoffenbaret ist, seit das Evangelium Juden und Heiden verkündigt wird. Schon die Schrift des Alten Bundes, Gesetz und Propheten, zeugt von dieser Gerechtigkeit. Durch das Evangelium, das nun in aller Welt gepredigt wird, ist sie aber erst recht klar und deutlich offenbaret, den Sündern dargelegt und zur Annahme vorgelegt. Diese Gerechtigkeit vor Gott kommt durch den Glauben, zu allen und auf alle, die glauben, alle, die da glauben, werden derselben teilhaftig. Wer da glaubt, hört auf die Stimme Moses und der Propheten, des Evangeliums, erkennt aus dem Evangelium und ergreift in demselben die Gerechtigkeit, in der er vor Gott bestehen kann. Römer 9,30 ff. führt der Apostel aus, dass die von Israel die Gerechtigkeit nicht erlangt haben, weil sie dem Evangelium nicht gehorsam geworden sind 11,16.

An anderen Stellen nennt Paulus das Wort als das Mittel, dadurch die Gerechtigkeit den Menschen zugewendet und mitgeteilt wird, dadurch der Glaube die Gerechtigkeit erlangt. Er meint aber auch da nur das Wort des Evangeliums. So lesen wir Römer 10,5-8: „Mose aber schreibt wohl von der Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt: Welcher Mensch dies tut, der wird darinnen leben. Aber die Gerechtigkeit aus dem Glauben spricht also: Sprich nicht in deinem Herzen: Wer will hinauf gen Himmel fahren? Das ist nichts anders, denn Christus herab holen. Oder wer will hinab in die Tiefe fahren? Das ist nichts anders, denn Christus von den Toten holen. Aber was saget sie? Das Wort ist dir nahe, nämlich in deinem Munde und in deinem Herzen. Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen“. Hier stellt der Apostel die Gerechtigkeit aus dem Gesetz und die Glaubensgerechtigkeit einander gegenüber. Die erstere macht es dem Menschen schwer, ja unmöglich, die Gerechtigkeit zu erlangen. Denn wer da nicht alle Worte des Gesetzes hält, der kann nicht gerecht und selig werden. Die Glaubensgerechtigkeit dagegen macht es dem Menschen gar leicht, gerecht zu werden, bringt dem Menschen das Heil gar nahe. Man braucht Christus nicht weit herzuholen, nicht erst vom Himmel herab- oder aus der Tiefe heraufzuholen. Christus ist schon gekommen, vom Himmel auf die Erde herniedergekommen, ist gestorben und vom Tode wieder auferstanden, aus der Tiefe hervorgekommen und hat durch seine Menschwerdung, durch sein Leiden, Sterben, Auferstehen das Heil erworben, die Gerechtigkeit hergestellt, die vor Gott gilt. Und nun heißt es weiter: Das Wort ist dir nahe, in deinem Mund, in deinem Herzen, das Wort des Glaubens, das wir predigen. So spricht die Glaubensgerechtigkeit. Also Christus, das Heil, die Gerechtigkeit ist in das Wort gefasst und beschlossen. Das Wort ist allen nahe. Dies Wort wird gepredigt. Diesem Worte glauben wir, wir bewegen es in unserem Herzen, bekennen es mit unserem Mund. Und so ist Christus, das Heil, die Gerechtigkeit uns nahegekommen, unser eigen geworden. Ähnlich redet der Apostel 2. Kor. 5,19.20 von dem Wort. Nachdem er daran erinnert hat, dass Gott in Christus die Welt mit ihm selber versühnte und ihnen ihre Sünden nicht zurechnete, fährt er fort: „Und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott vermahnet durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott“. Die Versöhnung, die Gott in Christus gestiftet hat, die Vergebung der Sünden hat Gott in’s Wort hineingelegt, daher heißt es das Wort von der Versöhnung. Durch das Wort, das die Boten Gottes predigen, wird die Versöhnung, die Vergebung der Sünden in der Sünderwelt verbreitet. Gott vermahnt die Sünder durch die Prediger, dass sie dieses Wort annehmen, dem Worte glauben und also der Versöhnung, der Vergebung der Sünden teilhaftig werden.

Wo Paulus von der Rechtfertigung aus dem Glauben handelt, verbindet er öfter die zwei Stücke mit einander: die Verheißung und den Glauben. Und er hat, wenn er von der Verheißung redet, wiederum nichts anderes im Sinn, als das Wort des Evangeliums. So heißt es Römer 4,16: „Derhalben muss die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf dass sie sei aus Gnaden, und die Verheißung fest bleibe allem Samen, nicht dem allein, der unter dem Gesetz ist, sondern auch dem, der des Glaubens Abrahams ist.“ Vorher hat er gesagt: „Denn wo die vom Gesetz Erben sind, so ist der Glaube nichts und die Verheißung ist ab.“ Röm. 4,14. Wenn der Mensch durch Werke des Gesetzes Gerechtigkeit und das Erbe erlangte, das ist die Meinung des Apostels, so würde beides dahinfallen, der Glaube und die Verheißung. Denn die Verheißung ist das Widerspiel des Gesetzes. Die Verheißung fordert nichts von dem Menschen, dass der Mensch etwas leiste, damit er gerecht und selig werde, wie das Gesetz, sondern hier verheißt Gott aus Gnaden, frei umsonst Gerechtigkeit und das Erbe. Was er von dem Menschen fordert, das ist nur der Glaube. Aber der Glaube ist eben kein Werk des Gesetzes, sondern der Mensch soll nur zugreifen und das hinnehmen, was Gott ihm verheißt. Nein, nicht durch das Gesetz, sondern allein durch den Glauben kommt die Gerechtigkeit und das Erbe. So bleibt auch die Verheißung fest und gewiss. So bleibt die Verheißung in ihrem Recht und Bestand, ja, so kommt die Verheißung erst zu ihrem Recht und Bestand, wenn der Mensch alle eigenen Werke bei Seite setzt, und einfältig das glaubt und nimmt, was Gott ihm aus Gnaden verheißt. Aller Same, der da glaubt, erlangt durch den Glauben die verheißene Gerechtigkeit, das verheißene Erbe. Demgemäß sagt der Apostel von Abraham, dass „er an die Verheißung glaubte und nicht zweifelte im Unglauben“. Römer 3,20. Im Galaterbrief redet Paulus 3,15ff. von dem Testament der Verheißung, welches älter ist als die Ordnung des Gesetzes. Die Verheißung lautet auf den Einen Samen, Christus, Kap. 3,16, die Gerechtigkeit, Kap. 3,21, das Erbe, Kap. 3,18. In diesem Zusammenhang heißt es: „Gott aber hat’s Abraham durch Verheißung frei geschenkt.“ Kap. 3,18. Also was Gott in Christus verheißt, Gerechtigkeit und das Erbe, das ewige Leben, das schenkt er eben damit, dass er es verheißt. Und dieses Geschenks wird der Mensch habhaft durch den Glauben. Die da glauben, sind nun im Besitz der Verheißung, der verheißenen Gabe, der Gerechtigkeit und Seligkeit. Das besagt der Schlußsatz: „Aber die Schrift hat es alles beschlossen unter die Sünde, auf dass die Verheißung käme durch den Glauben an Jesus Christus, gegeben denen, die da glauben.“ Kap. 3, 22.

Demgemäß lehrt auch das lutherische Bekenntnis

    Das lutherische Bekenntnis ist auch in diesem Stück nur ein treues Echo der Offenbarung Gottes. Die Augsburgische Konfession gedenkt im 5. Artikel, welcher mit dem 4. Artikel „Von der Rechtfertigung“ eng zusammenhängt, des Predigtamtes, des Evangeliums und bemerkt da nicht nur, dass Gott durch das Evangelium den Heiligen Geist gibt und den Glauben wirkt, sondern hebt auch hervor, dass das Evangelium „lehret, dass wir durch Christus Verdienst, nicht durch unser Verdienst, einen gnädigen Gott haben, so wir solches glauben“, dass also der Glaube auf das Evangelium gerichtet ist und im Evangelium einen gnädigen Gott findet. Die Apologie der Augsburgischen Konfession weist in der Erklärung des 4. Artikels „Von der Rechtfertigung“ nachdrücklich darauf hin, dass der Glaube an der göttlichen Verheißung hängt und haftet. „Dass aber der Glaube nicht allein sei die Historia wissen, sondern der da fest hält die göttlichen Verheißungen, zeigt Paulus genugsam an, der da sagt zu den Römern am 4, 16: Derhalben muss die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf dass die Verheißung fest bleibe. Da heftet und verbindet Paulus die zwei also zusammen, dass, wo Verheißung ist, da muss auch Glaube sein usw., und wiederum correlative, wo Verheißung ist, da fordert Gott auch Glauben.“ (Konkordienbuch, S. 72) „Darum muss das bestehen, dass zur Seligkeit die Verheißung Christi vonnöten ist. Dieselbe kann nun niemand fassen noch empfangen, denn allein durch den Glauben.“ (Konkordienbuch, S. 75) Die Apologie zeigt dann ferner, dass Gottes Gnade Christi Verdienst durch die göttliche Verheißung fasst und auf diese Weise den Menschen gerecht macht. „Derhalben so oft wir reden von dem Glauben, der gerecht macht, oder fide justificante, so sind allezeit diese drei Stücke oder objecta beieinander: erstlich, die göttliche Verheißung; zum andern dass dieselbige umsonst ohne Verdienst Gnade anbietet, für das dritte, dass Christi Blut und Verdienst der Schatz ist, durch welchen die Sünde bezahlet ist. Die Verheißung wird durch den Glauben empfangen“ usw. (Konkordienbuch, S 72) Das sind also die drei Stücke oder Objekte des Glaubens, die göttliche Verheißung, Gottes Gnade, Christi Blut und Verdienst. Diese drei Stücke sind aber allezeit beieinander. Der Glaube empfängt die Verheißung und empfängt damit das, wovon die Verheißung sagt, Gottes Gnade, Christi Verdienst, und machet damit den Menschen gerecht. Dasselbe besagt der andere Satz: „Die göttliche Zusage bietet uns an, als denjenigen, die von der Sünde und Tode überwältigt sind, Hilfe, Gnade und Versöhnung um Christus willen; welche Gnade niemand mit Werken fassen kann, sondern allein durch den Glauben an Christum.“ (Konkordienbuch, S. 71) Es ist mit einem Wort die Vergebung der Sünden, welche wir durch die göttliche Zusage und durch den Glauben an diese Zusage erlangen: „Damit stimmt Paulus zu den Galatern: Gott hat alles unter die Sünde beschlossen, dass die Verheißung aus dem Glauben Christi den Gläubigen widerfahre. Da stößt Paulus all unser Verdienst darnieder, denn er sagt: wir sind alle schuldig des Todes und unter der Sünde beschlossen; und gedenkt der göttlichen Zusage, dadurch wir allein Vergebung der Sünden erlangen, und setzt noch weiter dazu, wie wir der Verheißung teilhaftig werden, nämlich durch den Glauben.“ (Konkordienbuch, S 78)

    Die Konkordienformel zeigt im 3. Artikel „Von der Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott“, dass diese Güter, Gottes Gnade, Verdienst Christi, Vergebung der Sünden, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, im Evangelium vorgetragen und durch den Glauben, welcher eben das Evangelium fasset, angenommen, uns zugeeignet werden. Sie lehrt, „dass Gott uns um solches ganzen Gehorsams willen, so er (Christus) im Tun und Leiden, im Leben und Sterben für uns seinem himmlischen Vater geleistet, die Sünde vergibt, uns für fromm und gerecht hält und ewig selig macht. Solche Gerechtigkeit wird durch’s Evangelium und in den Sakramenten von dem Heiligen Geist uns vorgetragen und durch den Glauben appliziert, zugeeignet und angenommen, daher die Gläubigen haben Versöhnung mit Gott, Vergebung der Sünden, Gottes Gnade, die Kindschaft und Erbschaft des ewigen Lebens.“ (Konkordienbuch S. 418) Die Konkordienformel bekennt, „dass die Gerechtigkeit des Glaubens allein stehe in Vergebung der Sünden, lauter aus Gnaden, allein um des Verdiensts Christi willen, welche Güter in der Verheißung des Evangeliums uns vorgetragen und allein durch den Glauben empfangen, angenommen, uns appliziert und zugeeignet werden.“ (Konkordienbuch S. 422) Und hieraus zieht dann die Konkordienformel den Schluss, dass der Glaube uns allein darum gerecht macht, weil er die Verheißung des Evangeliums und in der Verheißung des Evangeliums Gottes Gnade und Christi Verdienst (und das ist ja nach der Konkordienformel die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt), die Vergebung der Sünden ergreift. „Denn der Glaube macht gerecht nicht darum und daher, dass er so ein gut Werk und schöne Tugend, sondern weil er in der Verheißung des heiligen Evangeliums den Verdienst Christi ergreift und annimmt.“ (Konkordienbuch S. 418) „Denn der Glaube macht gerecht allein darum und daher, weil er Gottes Gnade und das Verdienst Christi in der Verheißung des Evangeliums als ein Mittel und Werkzeug ergreift und annimmt.“ (Konkordienbuch S. 423) „Der Glaube ist das einige Mittel und Werkzeug, damit und dadurch wir Gottes Gnade, das Verdienst Christi und Vergebung der Sünden, so uns in der Verheißung des Evangeliums vorgetragen werden, empfangen und annehmen können". (Konkordienbuch S. 420)

Wir erinnern schließlich noch an eine bekannte Stelle aus Luthers Schrift: „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, welche hierher gehört: „Wenn nun der Mensch aus den Geboten sein Unvermögen gelernt und empfunden hat, dass ihm nun Angst wird, wie er dem Gebot genug tue, da das Gebot muss erfüllet sein oder er muss verdammt sein: So ist er recht gedemütigt und zunichte geworden in seinen Augen, findet nichts in sich selbst, womit er kann fromm werden. Dann so kommt das andere Wort, die göttliche Verheißung und Zusagung, und spricht: Willst du alle Gebote erfüllen, deiner bösen Begierde und Sünde los werden, wie die Gebote zwingen und fordern; siehe da, glaub in Christus, in welchem ich dir zusage alle Gnade, Gerechtigkeit, Friede und Freiheit, glaubst du, so hast du; glaubst du nicht, so hast du nicht. Denn das dir unmöglich ist mit allen Werken der Gebote, das wird dir leicht und kurz durch den Glauben. Denn ich habe kürzlich in den Glauben gestellt alle Dinge, dass wer ihn hat, soll alle Dinge haben und selig sein; wer ihn nicht hat, soll nichts haben.“ (Erl. Ausg. 27,180)

Der große Trost dieser Lehre

    Welche tröstliche Lehre! Wir haben das Wort, das Evangelium. Das wird uns fort und fort gepredigt. Darin suchen und forschen wir täglich. Dies Wort ist uns nahe, vor unsern Ohren, vor unsern Augen, in unserm Mund, in unserm Herzen. Diesem Wort Glauben wir. Das halten wir fest, so lange wir leben. Das gibt uns das Geleit zum Tode. Und in diesem Wort haben wir also alles, was wir brauchen, womit wir im Leben und Sterben vor Gott bestehen können, Gottes Gnade, Christi Blut und Verdienst, die Vergebung der Sünden, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, das ewige Leben. Dieses Wort ist nicht unser eigen, nicht aus der Menschen Herzen und Gedanken hervorgegangen, es ist Gottes Wort, und was Gott im Wort uns sagt und verheißt, dass er uns gnädig sei, dass er uns für fromm und gerecht halte, diese teure Verheißung des Evangeliums bleibt also ewig fest stehen, wenn auch Teufel, Welt und unser eigenes Herz uns verklagt und verdammt. Dies Wort, Gottes Wort ist erhaben über alle Stimmungen und Wandlungen unsers innern Lebens, das Evangelium bleibt sich immer gleich; so oft wir zum Wort greifen, sei es auch mit betrübtem, verzagtem Herzen, sei es auch mit unlustigem Herzen, wir hören da immer dieselbe Stimme, die freundliche Stimme unseres Heilandes, das gnädige Urteil Gottes: Dir sind deine Sünden vergeben! Du bist mein liebes Kind! Dass wir uns darum fleißig im Worte üben und aus dem Worte unsern Glauben stärken, so werden wir dessen immer gewisser, wie wir zu Gott stehen, wie Gott zu uns steht, dass Gott nichts wider uns hat, dass wir bei Gott in Gnaden stehen.

    In den vorstehenden Artikeln haben wir uns nach allen Seiten klar und deutlich gemacht, was es um den rechtfertigenden Glauben ist. Der Glaube kommt in der Rechtfertigung als ein Mittel in Betracht, nur als ein Mittel, dadurch wir Gottes Gnade und Barmherzigkeit, dadurch wir Christi Verdienst, Gehorsam und Gerechtigkeit, dadurch wir die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, die Vergebung der Sünden, dadurch wir die Verheißung des Evangeliums, in welcher uns alle diese Güter vorgetragen und dargeboten werden, fassen, nehmen, uns zueignen. Nur darum, weil wir die Gerechtigkeit, die Gott uns darreicht, durch den Glauben nehmen und empfangen, macht der Glaube uns vor Gott fromm und gerecht. Wir wollen noch einmal in Kürze, was wir hierüber aus Schrift und Bekenntnis gelernt haben, überblicken und die eigentümliche Art und Natur des rechtfertigenden Glaubens uns vergegenwärtigen, den rechten Begriff vom Glauben uns fest einprägen.

Der rechte Begriff des Glaubens

    Der Glaube „macht nicht deshalb gerecht, weil er unser Werk und unser ist“. Der Glaube ist der Gegensatz zu allem Werk des Gesetzes. Das Gesetz fordert, dass der Mensch Gott etwas leiste, und fordert nicht nur äußerliche Werke, sondern der Mensch soll Gott fürchten und lieben, sein Herz Gott zum Opfer bringen. In dem Handel von der Rechtfertigung, von welchem das Evangelium sagt, handelt es sich um ganz andere Dinge. Gott fordert hier nichts vom Menschen. Nein, hier öffnet Gott dem Menschen, der Gottes Forderungen nicht erfüllt hat, der kein Verdienst der Werke aufweisen kann, aus freier Gunst und Liebe sein väterliches Herz, zeigt dem Sünder seine gnädige Gesinnung. Hier hat Gott den verlornen und verdammten Menschen Christus als Gnadenstuhl und Freistatt hingestellt. Hier verheißt und schenkt Gott in Christus Vergebung der Sünden, Leben, Seligkeit. Hier offenbart Gott die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Und der Mensch glaubt dem Wort, der Verheißung, glaubt und nimmt das, was Gott ihm darreicht. Er hat Gott nichts zuvor gegeben, dass ihm werde wieder vergolten, er wird zu keiner Gegenleistung von Gott verpflichtet, Gott stellt ihm keine Bedingung. Nein, der Sünder, der nichts hat und nichts leisten kann, was er vor Gott bringen könnte, der alles Ruhmes vor Gott mangelt, nimmt dankbar, mit Freuden, den Dienst an, den Gott ihm leistet. Gott ist es, der hier alles selber leistet, wirkt, tut, schenkt, verheißt. Und der Glaube hält sich an das, tröstet sich dessen, was Gott tut und gibt.

    Wohl, wir sagen: Das Evangelium fordert den Glauben. So heißt es öfter in der Apologie, dass die Verheißung den Glauben fordere. Der Glaube muss zum Evangelium, zur Verheißung hinzukommen, damit man derselben teilhaftig werde. Wer die Gabe Gottes nicht nimmt und empfängt, vielmehr verwirft, hat keinen Teil daran. Das ist Forderung Gottes jetzt in der Zeit des Neuen Testaments: Glaubet an das Evangelium! Es ist das der ernste Wille Gottes, dass wir glauben, an Christus glauben, dem Evangelium glauben. Aber das ist dennoch keine Forderung des Gesetzes, keine Forderung nach Art des fordernden Gesetzes. Diese Forderung, dass die Sünder glauben sollen, fließt aus dem Evangelium, ist selber Evangelium. Glaubet an den Herrn Jesus Christus! Glaubet dem Evangelium! Das ist die stärkste, tröstlichste Zusage und Verheißung, die sich denken lässt. Glaubet an Christus! Glaubet an das Evangelium! Damit sagt Gott nicht: Ich habe alles Übrige getan, nun tut ihr wenigstens dieses eine Werk und glaubet. Alle anderen Werke und Leistungen erlasse ich euch, ich bin zufrieden, wenn ihr glaubt. Das ist doch nicht zu viel verlangt, dass ihr mir nur dies Eine zu Liebe tut. Glaubet an Christus! Glaubet an das Evangelium! Damit sagt Gott vielmehr: Ich habe alles getan, ihr braucht nichts zu tun. Ich schenke euch frei, umsonst, was ihr mit keinem Werk erlangen und erwerben könnt, Gerechtigkeit, vollkommene Gerechtigkeit. Es ist alles bereit, ihr braucht nur zu nehmen und zuzugreifen. Hier habt ihr in Christus Gnade, Vergebung, Gerechtigkeit, Trost, Friede, Seligkeit. So nehmet doch, greifet zu, fasset zu mit beiden Händen, esset, trinket und werdet trunken! Das Heil ist vor der Tür, das ist euch so nahe, das Wort ist euch nahe, ihr habt es vor Augen, vor Ohren. So glaubet nur dem Worte! Wer von Herzen glaubt, wer mit dem Munde bekennt, der wird gerecht und selig. Wahrlich, das ist Evangelium, das ist kräftige Zusage, wenn Gott mit solchen Worten das Heil darbietet und den einfältigen Sündern so dringlich zuredet, dass sie doch nehmen und glauben.

    Gewiss, der Glaube, das Glauben und Nehmen, ist kein äußerliches Ding. Herz und Wille des Menschen ist dabei in Bewegung. Der rechtfertigende Glaube ist herzliches Vertrauen, eine gewisse Zuversicht. Aber doch ist dieses Vertrauen, diese Zuversicht kein Werk des Gesetzes, kein Werk, keine Gesinnung, wie solche das Gesetz erfordert. Wenn der Mensch ein Werk des Gesetzes vollbringt, so leistet er Gott, was er ihm schuldet. Auch Furcht und Liebe zu Gott, das vornehmste Stück des Gesetzesgehorsams, ist ein Opfer des Herzens, das der Mensch Gott darbringt. Wenn der Mensch dagegen dem Evangelium glaubt, so bringt er Gott kein Opfer, leistet Gott keinen schuldigen Dienst, nein, er öffnet vielmehr Gott sein Herz, nimmt Gott, Christus, Gottes Gabe und Gnade, Christi Verdienst und Gerechtigkeit in sein Herz auf. Der Glaube, diese feste, freudige Zuversicht des Herzens, ist kein selbstständiges Werk, das in sich Wert und Geltung hätte. Nein, der Glaube nimmt und fasst nur Gottes Werk, Gottes Geschenk, welches allein Wert und Geltung vor Gott hat. Wir vertrauen von Herzensgrund auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit, wir verlassen uns auf Christi Verdienst und Gehorsam, wir sind der gewissen Zuversicht, daß Gott in Christus uns alles vergeben hat und uns für gerecht hält, wir bauen auf Gottes Zusage und Verheißung. Das ist der Glaube. Sobald man aber das hinwegnimmt, woran der Glaube sich hält, sobald man Gott, Christus, Gottes Gnade, Christi Gerechtigkeit, die Vergebung der Sünden, das Evangelium hinwegtut, so fällt auch das Vertrauen, die Zuversicht hinweg, so ist es mit dem Glauben aus.

    Das Evangelium ermöglicht, macht und schafft erst den Glauben. Das Evangelium, welches uns die Gerechtigkeit offenbart, die vor Gott gilt, das Evangelium von der Vergebung der Sünden ist eine neue Lehre, eine neue Offenbarung, die mit der Lehre und Offenbarung des Gesetzes nichts zu schaffen hat, welche weit über das Gesetz hinaus liegt. Und so ist auch der Glaube, welcher das Evangelium und damit die Gerechtigkeit fasst, die vor Gott gilt, etwas Neues, Besonderes, etwas ganz anderes als irgend ein Werk des Gesetzes. Damit, dass das Evangelium in die Welt gekommen ist, ist auch der Glaube in die Welt gekommen. Indem Gott im Evangelium den Sündern seine Gnade offenbarte und darbot, hat er zugleich Weg und Mittel kundgetan, dadurch der Mensch dieser seiner Gnade habhaft und teilhaftig wird, den Glauben. Gott hat im Evangelium die Fülle seiner Gnade über die Sünderwelt ausgegossen und hat zugleich dafür gesorgt, dass dieser himmlische Segen ja nicht an den Sündern vorbeiginge, hat dafür gesorgt, dass ein Gefäß vorhanden wäre, welches die Fülle der göttlichen Gnade aufnähme, das ist der Glaube. So liegt der Glaube ganz im Bereich des Evangeliums. Der Glaube ist etwas Einziges in seiner Art, von allem sonstigen Verhalten, Werk, Dichten, Trachten des Menschen unterschieden. Die Apologie hebt öfter hervor, daß kein Werk sonst, sondern allein der Glaube die Verheißung fasse, an der Verheißung hafte. Luther schreibt „Wenn du gleich alle deine Werke zusammenflöchtest, ja, nähmest aller andern Werke dazu, dennoch hast du nicht Christus und wirst auch kein Christ davon genannt. Christus ist ein ander Ding und etwas Höheres, denn Gesetz und Menschengebot. Er ist Gottes Sohn, der allein zu geben und nicht zu nehmen bereit ist. Wenn ich so geschickt bin, dass ich von ihm nehme, so habe ich ihn: Habe ich denn ihn, so werde ich billig ein Christ genennet.“ (St Louiser Ausgabe, XI, Sp. 1838). Und dieses Nehmen ist eben der Glaube.

    Wo Paulus im Römerbrief von der Rechtfertigung handelt, beschreibt er an einer Stelle des Näheren die besondere Art und Eigenschaft des rechtfertigenden Glaubens, nämlich Röm. 4,18-22: „Und er (Abraham) hat geglaubt auf Hoffnung, da nichts zu hoffen war, auf dass er würde ein Vater vieler Heiden, wie denn zu ihm gesagt war: Also soll dein Same sein. Und er ward nicht schwach im Glauben, sah auch nicht an seinen eigenen Leib, welcher schon erstorben war, weil er fast hundertjährig war, auch nicht den erstorbenen Leib der Sarah. Denn er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern ward stark im Glauben, und gab Gott die Ehre, und wusste aufs allergewisseste, dass, was Gott verheißet, das kann er auch tun. Darum ist es ihm auch zur Gerechtigkeit gerechnet.“ Abraham hatte die Verheißung von Gott empfangen, sein Same sollte werden wie die Sterne des Himmels, wie der Sand des Meeres, er sollte ein Vater vieler Heiden werden. Von dieser zahlreichen, herrlichen Nachkommenschaft sah er zu der Zeit noch nicht die geringste Spur. Er hatte noch keinen Sohn. Und nach dem Lauf der Natur konnte er auch auf keinen Sohn mehr hoffen. Denn sein Leib war erstorben, wie auch der Leib der Sarah, beide waren hochbetagt. Aber das war nun der Glaube Abrahams, dass er wider Hoffnung auf Hoffnung glaubte, dass er seinen erstorbenen Leib und den der Sarah nicht ansah, von seinem Unvermögen, von seiner Person ganz absah, dass er dagegen seinen Blick stracks auf die Verheißung richtete, dass er steif und fest Gottes Verheißung ins Auge fasste, im Auge behielt, Herz, Sinne und Gedanken an das Wort der Verheißung heftete und fest überzeugt war und nicht zweifelte, dass Gott das auch tun könne und werde, was er verheißen. So gab Abraham durch den Glauben Gott die Ehre, indem er die eigene Wahrnehmung, das eigene Urteil ganz bei Seite setzte und Gott Recht gab in seinem Worte. Und so wurde ihm sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet, indem er Gott alles anheimgab, Gott wirken und walten ließ, Gottes Verheißung, die im letzten Grund auf Christus und das Heil in Christus lautete, frei gewähren ließ.

    Der Apostel bemerkt ausdrücklich, Röm. 4,23 usw., dass dies von Abraham geschrieben sei um unseretwillen, welchen auch der Glaube soll zugerechnet werden, die wir an Christus glauben, den Gekreuzigten und Auferstandenen. Anhand Abrahams Beispiel sollen wir lernen, was es um den rechten Glauben sei. Das ist, wie Abrahams Beispiel zeigt, die Art des Glaubens überhaupt, dass man nicht zweifelt an dem, was man nicht sieht, dass man hoffet, wo nach dem Lauf der Natur nichts zu hoffen ist, dass man also diese sichtbare Welt ganz aus den Augen tut. Und das ist die Art des rechtfertigenden Glaubens, dass derselbe von der eigenen Person, dem eigenen Unvermögen, dem eigenen Unwert gänzlich absieht. Es ist ein eigenes, wunderbares Ding um den Glauben. Der Glaube haftet im eigenen Ich. Es ist eine Bewegung des eigenen Herzens, unseres Willens. Wir sind es, die da glauben. Aber wir verleugnen nun eben, indem wir glauben, uns selbst, unser eigenes Urteil, unsere eigene Erfahrung, unser eigenes Gewissen. Wir sehen und finden in uns nichts Gutes, eitel Schwachheit, Unvermögen, Sünde, Schuld und Übertretung. Wir können es ja nicht leugnen, dass wir täglich viel sündigen. Unser Gewissen verklagt uns. Die Erfahrung lehrt, dass wir untüchtig sind zu allem Guten. Aber darin erweist sich nun der rechte Glaube, dass wir die eigene Person nicht ansehen, dass wir, was sich in und an uns findet, was unser eigen ist, unsere Schwachheit, Sünde, Schuld, auch alle eigene Gerechtigkeit, weit aus den Augen setzen und unsern Blick woanders hin lenken. Der Glaube greift über sich selbst, über die eigene Person hinaus und hängt und klammert sich an einen Andern an.

    Der Glaube sieht aufwärts, wie wir von Abraham lernen, auf Gott, der die Verheißung gegeben hat, heftet sich und haftet an Gottes Wort und Verheißung, baut und traut, der Natur, der Vernunft, dem Zeugnis des eigenen Gewissens zuwider, auf die gnädige Zusage Gottes und gibt also Gott die Ehre. Es ist die Art des Glaubens überhaupt, dass er die Dinge der unsichtbaren Welt fasst und ergreift. Und es ist die Art des rechtfertigenden Glaubens, dass er sich nach Gott, der Gnade Gottes ausstreckt und die Verheißung der Gnade, das Evangelium von Christus umklammert und unter allen Umständen festhält. Das ist der rechte Glaube, dass wir uns, wie wir sind, ohne Scheu und Rückhalt der Gnade und Barmherzigkeit Gottes in die Arme werfen, uns mit der Gnade bedecken, als mit einem Schilde, von der Gnade leben, auf die Gnade leben und sterben. Das ist der rechte Glaube, dass wir Christus ergreifen, Christus in uns aufnehmen, unsere Seele ganz und gar in Christi Blut, Verdienst und Gerechtigkeit einhüllen, dass wir uns mit Christus als in Eine Person zusammenschließen, alles, was Christi ist, uns zueignen, so dass wir so rein und gerecht dastehen, wie Christus, so dass wir vor Gott so erscheinen, als wären wir Christus. Das ist der rechte Glaube, dass wir, wenn unsere Sünde uns sticht und schmerzt, zu dem Artikel von der Vergebung der Sünden unsere Zuflucht nehmen, das große Wort: „Ich glaube eine Vergebung der Sünden“ uns vor Augen setzen, ins Herz einprägen und damit das Gefühl und Bewußtsein der Sünde ersticken.

    Das ist der rechte Glaube, dass wir das Evangelium von Christus, die teuerwerten Verheißungen, die uns Gnade, Trost Friede, Seligkeit zusprechen, uns vorbilden, ins Herz einbilden, dass wir Herz, Sinnen und Gedanken gänzlich in dieses Wort versenken, so dass die Seele voll des Wortes wird, wie Luther sagt, ins Wort verwandelt, vom Wort und im Wort frei, fromm, gerecht, fröhlich, selig wird. Der Glaube geht also gleichsam ganz auf in dem Gegenstand, auf den er gerichtet ist. Wir werden durch den Glauben mit Gott, mit Christus, mit dem Wort, wie Luther öfter sich ausdrückt, Ein Teig, Ein Kuchen. Der Glaube ist eine ganz besondere, einzigartige Fähigkeit und Geschicklichkeit, besteht darin, dass wir, wie Luther sagt, geschickt sind, von Christus, von Gott zu nehmen. Das ist das besondere, Wunderbare an dem Glauben, dass wir das, was außer uns liegt, Gott, Christus, das Wort, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, eine fremde Gerechtigkeit, uns aneignen, zueignen, so dass es nun unser eigen, unser eigenster Besitz ist. So gibt der Glaube, wie die Schrift sagt, Gott die Ehre, indem er von nichts anderem wissen will, als von Gott, von Christus, von dem, was Gott in Christus getan hat und uns schenkt und verheißt. Auch dann, wenn der Mensch Gottes Gebot erfüllt, das tut, was Gott von ihm fordert, ehrt er Gott. In ganz anderem Sinn, in ganz anderer Weise aber geben wir Gott die Ehre, wenn wir glauben, wenn wir erkennen, anerkennen, das gutheißen, dessen uns freuen und trösten, was Gott tut, wirkt, uns darreicht. Und so wird der Glaube uns zur Gerechtigkeit gerechnet, so werden wir durch den Glauben gerecht, indem wir Gott, Gottes Gnade frei schalten und walten lassen und die Gerechtigkeit, die er uns in Christus, im Wort darbietet, von ihm hinnehmen.

    Dieser rechtfertigende Glaube, von dem wir geredet haben, welcher von der eigenen Person, dem eigenen Unwert, dem eigenen Tun und Werk absieht und Gott, Gottes Gnade und Gabe fasset, ist ein Wunderding. Der wächst nicht aus der eigenen Natur, dem eigenen Denken und Wollen heraus. Gott ist es, der hier alles in allem wirkt. Gott ist es auch, der selber den Glauben im Herzen wirkt durch das Evangelium. Diese Frage jedoch, woher der Glaube kommt, wie er entsteht, gehört in den Artikel von der Bekehrung.

    Hier im Artikel von der Rechtfertigung halten wir das eine fest, dass Gott es ist, der uns gerecht macht. Der Glaube macht uns gerecht. Aber das heißt, wie wir erkannt haben: Gott macht uns gerecht. Der Glaube nimmt von Gott die Gerechtigkeit, die er im Wort darreicht, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Wenn ein Armer, der nichts hat, Almosen nimmt, Tag für Tag sein Almosen empfängt, nur von Almosen lebt, so ist es der Wohltäter, der das Almosen darreicht, er allein, welcher den Armen am Leben erhält. Es wäre Hohn und Spott, wollte man sagen, dass der Arme doch auch etwas tue und, indem er das Almosen nimmt, etwas zu seinem Lebensunterhalt beitrage. Also stehen wir zu Gott. So bestehen wir vor Gott. Wir nehmen, als arme Sünder, von Gott Gnade um Gnade, Vergebung, Gerechtigkeit. Wahrlich, so ist alles eigene Mitwirken, aller eigene Ruhm ausgeschlossen. Gott ist es, der gerecht macht. Indem wir glauben und von Gott alles nehmen, sprechen wir: Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre um deine Gnade und Wahrheit!