Von
Georg Stöckhardt
Neu herausgegeben
von
Roland Sckerl
Worin besteht die hohe Bedeutung dieses Artikels?
Und wie, wodurch werden wir nun vor Gott gerecht?
Wie wird heutzutage vielfach diese Lehre dargestellt?
Der Gegensatz von Glaube und guten Werken
Ist der Glaube ein gutes Werk?
Welches ist aber nun der rechte Begriff von dem rechtfertigenden Glauben?
In wiefern rechtfertigt uns der Glaube?
Rechtfertigung ist gleichbedeutend mit Vergebung der Sünden
Der Glaube ergreift Gottes Gnade
Aus Gnaden und durch den Glauben
Der Glaube hängt am Wort Gottes
Die Gnade der Rechtfertigung wird uns durch Gottes Wort zugeeignet
Demgemäß lehrt auch das lutherische Bekenntnis
Der rechte Begriff des Glaubens
Der Artikel von der Rechtfertigung ist
Kern und Stern der christlichen Lehre, des lutherischen Bekenntnisses. In der
Konkordienformel heißt es:
„Dieser Artikel von der Rechtfertigung des Glaubens
(wie die Apologia sagt) ist der vornehmste der ganzen christlichen Lehre, ohne
welchen kein armes Gewissen einigen beständigen Trost haben oder den Reichtum
der Gnade Christi recht erkennen mag; wie auch Dr Luther geschrieben: Wo dieser
einige Artikel rein auf dem Plan bleibt, so bleibet die Christenheit auch rein
und fein einträchtig und ohne alle Rotten; wo er aber nicht rein bleibet, da
ist es nicht möglich, daß man einigem Irrtum oder Rottengeist wehren möge. Tom.
5 Jenens. P 159“. (Ausführliche Darlegung, 3. Artikel, Konkordienbuch, St
Louiser Ausgabe, S 417).
So ist es. Der Artikel von der
Rechtfertigung ist der wichtigste, vornehmste Artikel der christlichen Lehre.
Von dem aus fällt Licht auf die andern Artikel der Lehre. Wo dieser Artikel
nicht rein bleibt, ist aller möglichen Ketzerei Tür und Tor geöffnet. Und er
ist eben darum so wichtig, weil der ganze Trost der Christen daran hängt. Ein
Christ, welcher diesen Artikel recht gefasst hat, hat ein fröhlich Herz und
Gewissen und behält guten Mut im Leben und Sterben.
So ist es gewiss nicht außer der Ordnung,
wenn man bei Betrachtung der christlichen Lehre, in Schrift sowohl wie in
Predigt und Unterricht, immer wieder auf diesen Artikel zurückkommt. Es liegt
so viel daran, dass man diesen Artikel rein behält. Darum muss man ihn immer
wieder von Neuem besehen und erwägen. Der Trost, welcher aus dieser Lehre
fließt, ist unerschöpflich. Wer darum nach Trost begehrt, der wird dieser Lehre
nimmer satt. So werden es die christlichen Leser sich wohl gefallen lassen, wenn
ihnen auch in diesem Blatt [Der Lutheraner], welches ja auch zur Lehre und Erbauung dient, die alte bekannte
Wahrheit immer von Neuem unter die Augen tritt.
Welches ist der besondere
Trost dieser Lehre? Oder mit andern Worten: Um was handelt es sich bei der
Rechtfertigung? Was heißt Rechtfertigung? Darum handelt es sich hier, um mit
unserem lutherischen Bekenntnis, der Konkordienformel, zu reden, „dass ein
armer, sündiger Mensch vor Gott gerechtfertigt, das ist, absolviert, los und
ledig gesprochen werde von allen seinen Sünden und von dem Urteil der
wohlverdienten Verdammnis, auch angenommen werde zur Kindschaft und Erbschaft
des ewigen Lebens“. (Konkordienbuch, S. 417). Darauf kommt es hier an, wie wir
einen gnädigen Gott gewinnen, wie wir im Leben und Sterben vor Gott bestehen
können. Gott macht uns gerecht, Gott rechtfertigt uns, das heißt: Gott ist uns
gnädig und gewogen, Gott sieht und nimmt uns für gerecht an, Gott hält uns für
seine lieben Kinder, Gott hat nichts mehr wider uns. Wir sind gerecht vor Gott,
das heißt: Wir sind vor Gottes Augen rein, fromm und gerecht, ganz schön und
vollkommen, wir haben Gott, Gottes Urteil für uns, wir sind bei Gott in Gnaden,
Gottes Wohlgefallen ruhet auf uns. In diesem Sinn redet Paulus in allen seinen
Briefen von der Rechtfertigung.
Durch den Glauben,
allein durch den Glauben. Wir nennen diesen Artikel kurzweg den Artikel von der
Rechtfertigung aus dem Glauben. „Den Glauben will Gott für Gerechtigkeit vor
ihm halten und zurechnen, wie Paulus sagt zu den Römern im 3 und 4 [Kapitel].“.
So sagt die Augsburgische Konfession im 4. Artikel, welcher „Von der
Rechtfertigung“ handelt. (Konkordienbuch, S. 28). Und die Apologie der
Augsburgischen Konfession führt bei Verteidigung dieses Artikels des Näheren
aus und beweist aus der Schrift, „dass der Mensch durch den Glauben vor Gott
fromm und gerecht werde“. Ja, so redet, so lehrt die Schrift. „So halten wir es
nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den
Glauben“. Römer 3, 28. „Was saget aber die Schrift? Abraham hat Gott geglaubt,
und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“. Römer 4,3. „Nun wir denn sind
gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern
HErrn Jesus Christus.“ Römer 5,1. „Die Schrift aber hat es zuvor ersehen, dass
Gott die Heiden durch den Glauben gerecht mache.“ Gal. 3,8. Paulus redet
kurzweg von „der Gerechtigkeit aus dem Glauben“, z.B. Röm. 10,6. Wer heutzutage
nur noch auf den Namen eines Lutheraners Anspruch macht, der bekennt sich zu
„der Rechtfertigung aus dem Glauben“. Indes, was will das nun sagen und
bedeuten, daß wir durch den Glauben gerecht werden?
Angesehene Lehrer der lutherischen
Christenheit, die deutschen Theologen, und gerade solche, die als lutherische
Theologen gelten wollen, auch gar viele Prediger führen, wenn sie von dem rechtfertigenden
Glauben handeln, etwa folgende Rede. Durch den Glauben werde der arme, sündige
Mensch vor Gott gerecht, ja, allein durch den Glauben, nicht durch die Werke.
Das heißt, nicht durch äußerliche Werke. Werk und Wandel sei auch bei dem
besten Leben gebrechlich und unvollkommen. Das könne dem guten, vollkommenen
Gott nicht genügen. Gott sehe das Herz an. Die Gesinnung des Herzens gebe dem,
was der Mensch tut, erst den rechten Wert. Gottes Augen sehen nach dem Glauben.
Der Glaube sei die rechte, Gott gefällige Gesinnung. Diese Gesinnung sei es,
die den Menschen vor Gott rechtfertige. Gott nehme die Gesinnung, den guten
Willen für die Tat. Gott sehe in dem Samenkorn, das im Herzen keimt, schon die
Frucht. Gott sehe es so an, als wären schon alle die guten Früchte, die guten
Werke vorhanden, die eigentlich aus dem Glauben kommen sollen, welche der
Glaube als im Keim in sich trägt. Der Glaube sei das rechte Verhalten, das Gott
vor allem von dem Menschen fordert. Wer glaubt, dessen Herz stehe richtig zu
Gott, der ehre Gott. Der Glaube sei der Anfang, das erste und vornehmste
Stück der Gesetzeserfüllung. Und nun nehme Gott den Anfang, die Erstlinge
des Gehorsams für das Ganze. Weil der Mensch, indem er glaubt und Gott
vertraut, das erste Gebot, das durch alle Gebote geht, erfüllt habe, so sehe es
Gott so an, als hätte er alle Gebote, das ganze Gesetz, alle Gerechtigkeit
erfüllt. Auf diese Weise rechne Gott den Glauben zur Gerechtigkeit. Kurz,
Gott beurteile die ganze Person nach dem, was der Person Wert gebe, nach dem
Willen, der auf Gott gerichtet ist, oder nach dem Glauben. Und man fasst,
indem man so redet, den Glauben nicht nur im allgemeinen als Gottvertrauen,
sondern als Vertrauen auf Christus, den Erlöser. Gerade der Glaube an Christus
gilt als wahrhaft christliche Gesinnung, als das vom Evangelium gefordert
Wohlverhalten des Menschen.
Das ist die Lehre von der Rechtfertigung
aus dem Glauben, wie sie jetzt durch gelehrte und populäre Schriften, durch
Predigten und Erbauungsbücher durch die protestantische Christenheit verbreitet
wird. Aber auch andere, welche von dieser neuen Weisheit weiter nicht berührt
sind, haben ähnliche Begriffe von diesem Artikel. Derartige Gedanken steigen
fort und fort aus dem eigenen Herzen auf. Gar mancher „Lutheraner“ würde, wenn
man ihn examinierte, etwa folgendes Glaubensbekenntnis ablegen. Wenn man fragt,
wie er vor Gott gerecht und selig werden wolle, so antwortet er: Allein durch
den Glauben. Aber wenn man dann weiter fragt und forscht, wie er das verstehe,
so findet man, was seines Herzens Meinung ist. Er denkt und spricht also: Ich
glaube an Gott. Ich glaube an Jesus Christus, meinen Heiland. Und ich meine es
aufrichtig mit Gott, mit Christus. Die Menschen verkennen mich oft. Gott weiß,
wie mein Herz zu ihm steht. Menschen, die meinen Wandel beobachten, haben wohl
Manches an mir auszusetzen. Aber Gott kennt meine Gesinnung. Ich suche auch
meinen Glauben mit der Tat zu beweisen. Freilich bleibt das Tun noch hinter dem
Wollen zurück. Doch Gott sieht meinen redlichen Willen. Und eben darum, weil
ich von Herzen glaube, weil es mir mit Gott und meinem Christentum Ernst ist,
wird Gott mir gnädig sein und es mir zu gute halten, wenn ich noch strauchle
und irre. Ich liebe Gott und meinen Heiland, so wird Gott mich wieder lieben
und sein Angesicht von mir nicht abwenden.
Es leuchtet ein, dass man auf solche Weise
aus dem Glauben selbst ein Werk macht, eine Tugend, eine Leistung und damit ein
Verdienst des Menschen. Aber auch, wenn man ernstlich bemüht ist, alle Gedanken
von dem eigenen Werk und Verdienst, von dem eigenen Wert und Würdigkeit von dem
„rechtfertigenden Glauben“ fernzuhalten, wenn man ausdrücklich alle Ehre Gott,
alles Verdienst Christo beilegt, fasst man doch die Sache so auf, als ob der
Glaube die Rechtfertigung erst zu Stande brächte, als wenn der Glaube des
Menschen Gott bestimmte und bewöge und es ihm erst ermöglichte, den Sünder für
gerecht zu erklären. Der Sünder glaubt ernstlich, dass Christus alle
Gerechtigkeit erfüllt, alle Schuld bezahlt hat, und erst dann, wenn es der
Sünder so weit gebracht hat, und eben darum kann nun Gott auch tatsächlich
Sünde vergeben und Gnade für Recht ergehen lassen. So denkt man sich diesen
Handel von der Rechtfertigung. So redet man davon. Und so macht man immerhin
Gottes Tun von des Menschen Tun und Verhalten abhängig und baut Gottes Urteil
und Rechtfertigung auf das Glauben des Menschen.
Diese dargelegte
Meinung von Glauben und Rechtfertigung ist eine falsche, üble Meinung. Wo
solche Meinung Raum gewinnt, da bleibt der hohe Artikel von der Rechtfertigung
nicht mehr rein bestehen, dann ist es auch um den Trost dieser Lehre geschehen.
Diesen Irrtum, der ein Irrtum dieser Zeit ist, und welcher also die christliche
Lehre und den Trost der Christen gefährdet, möchten wir gründlich ausfegen.
Denn er schleicht sich nur zu leicht auch in die Herzen wahrhaft gläubiger
Christen ein. Und so ist es nicht die Absicht, im Folgenden die Lehre von der
Rechtfertigung nach allen Seiten abzuhandeln, sondern den einen Punkt wollen
wir besehen und uns deutlich machen, was das eigentlich heißt, was die
Überschrift besagt, „Rechtfertigung aus dem Glauben“, dass wir durch den
Glauben gerecht werden.
Durch den Glauben werden wir vor Gott
fromm und gerecht. Wollen wir von dem Glauben den rechten Begriff haben und
alle irrigen Gedanken fernhalten, so müssen wir auf den Gegensatz wohl Acht
haben. Wo die Schrift von der Rechtfertigung handelt, da wird durchweg der
Gegensatz von Glaube und Werken hervorgekehrt.
Paulus bezeugt: „So halten wir es nun,
dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den
Glauben“. Römer 3,29. Er weist darauf hin, dass schon im Alten Testament der
Glaube der alleinige Weg zur Gerechtigkeit gewesen sei, und erinnert an das
Beispiel Abrahams, dass nach der Schrift Abraham Gott geglaubt habe, und zieht
eben daraus den Schluss, dass er sich nicht mit Werken befasst habe, um dadurch
vor Gott gerecht zu werden. „Ist Abraham durch die Werke gerecht, so hat er
wohl Ruhm, aber nicht vor Gott. Was saget aber die Schrift? Abraham hat Gott
geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. Dem aber, der mit Werken
umgehet, wird der Lohn nicht aus Gnaden zugerechnet, sondern aus Pflicht. Dem
aber, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an den, der die Gottlosen
gerecht machet, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit“. Römer 4,2-5.
Wer da glaubt, der geht nicht mit Werken um. Wird dem Menschen der Glaube zur
Gerechtigkeit gerechnet, so ist Werk, Schuldigkeit, Verdienst, Lohn, Ruhm
ausgeschlossen. Das ist die Meinung. Galater 2,16 heißt es: „Weil wir
wissen, dass der Mensch durch des Gesetzes Werke nicht gerecht wird, sondern
durch den Glauben an Jesus Christus, so glauben wir auch an Christus Jesus, auf
dass wir gerecht werden durch den Glauben an Christum, und nicht durch des
Gesetzes Werke, denn durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht“. Glaube
und Gesetzes Werke vertragen sich nicht mit einander. Wer durch den Glauben
gerecht werden will, lässt die Werke des Gesetzes beiseite. Und Galater 3,11
lesen wir: „Dass aber durchs Gesetz niemand gerecht wird vor Gott, ist
offenbar, denn der Gerechte wird seines Glaubens leben“. Erlangt der
Gerechte durch den Glauben das Leben, so ist offenbar, so folgt daraus, dass
niemand durchs Gesetz gerecht wird. Glaube und Gesetz, Gesetzeswerk sind
stracks gegeneinander. Wollen wir also recht verstehen, was der rechtfertigende
Glaube ist, wiefern und warum der Glaube den Menschen vor Gott fromm und
gerecht macht, so müssen wir vor allen Dingen alle Gedanken an Gesetz und
Gesetzes Werke abweisen und ausscheiden.
Was versteht aber nun der Apostel unter
dem Ausdruck „des Gesetzes Werke“? Die Papisten meinen, Paulus habe hier nur
das jüdische Zeremoniengesetz im Sinn, und wolle sagen, dass solche Werke der
Juden, wie Beschneidung, Sabbathheiligung, Opfern, jetzt im Neuen Testament uns
nicht mehr zur Gerechtigkeit und Seligkeit helfen. Damit fälschen sie die
Schrift. Sie wollen, wie die Juden, ihre eigene Gerechtigkeit vor Gott
aufrichten, sie mögen dem Verdienst und Ruhm ihrer Werke nicht entsagen, sie
lehren, dass der Mensch durch Glaube und Werke gerecht werde. Darum verdrehen
sie die Schrift. Wenn der Apostel kurzweg sagt, dass der Mensch nicht durch des
Gesetzes Werke, ohne des Gesetzes Werk vor Gott gerecht werde, allein durch den
Glauben, so ist es offenbar, dass er alle Werke, die im Gesetz geboten sind,
nicht nur die jüdischen Satzungen, von dem Handel der Rechtfertigung und vom
Glauben ausschließt. „Paulus verwirft nicht schlechte, gemeine Werke, sondern
des Gesetzes Weerke selbst“ (Luther), also auch die trefflichen, edeln, hohen
Werke, von denen das Gesetz redet. Von allem und jedem Werk müssen wir absehen,
wenn wir den rechten Begriff vom Glauben fassen wollen.
So
geht aber die Meinung des Apostels etwa dahin, dass das äußerliche Werk allein,
die bloße äußerliche Erfüllung des Gesetzes nicht rechtfertige, dass noch etwas
anderes dazu kommen müsse, der Gehorsam des Herzens, damit Gott am Menschen
Wohlgefallen haben könne? Gar viele sogenannte lutherische Lehrer lehren heute
die Leute also. Sie sagen, das Werk für sich allein, dass der Mensch nicht
tötet, hurt, stiehlt, dass er seinem Mitmenschen einmal eine Wohltat erweist,
daß er äußerlich ehrbar lebt, mache den Menschen nicht vor Gott gerecht und
fromm; wenn aber die Werke aus der rechten Gesinnung fließen, aus Liebe zu Gott
und zum Nächsten geschehen, das sei wohlgefällig vor Gott und mache den
Menschen vor Gott angenehm.
Es ist wahr, die Gesinnung des Herzens
gibt den Werken ihren Wert, und Werke, die aus der rechten Gesinnung kommen,
sind wohlgefällig vor Gott. Aber sie machen den Menschen, die Person nicht vor
Gott wohlgefällig. Paulus zeugt und bekräftigt es ein Mal über das andere:
Nicht durch des Gesetzes Werke! Ohne des Gesetzes Werke! Und da fasst er unter
des Gesetzes Werke alles zusammen, was Gott im Gesetz vom Menschen fordert.
Unter des Gesetzes Werk ist auch die erste und vornehmste Forderung des
Gesetzes, dass wir Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen sollen,
begriffen. Gottes Forderung und Gebot betrifft auch Herz und Gesinnung, und die
rechte, von Gott geforderte Gesinnung des Herzens ist Gesetzeserfüllung,
Gesetzesgehorsam, Werk des Gesetzes. Dass wir Gott von ganzem Herzen, ganzer
Seele, ganzem Gemüt, aus allen Kräften lieben, und unsern Nächsten wie uns
selbst, das ist die Zusammenfassung des Gesetzes. Und Paulus sagt kurzweg, dass
„durch das Gesetz“ niemand gerecht wird. Gesetz, Gesetzeserfüllung und Werk des
Gesetzes ist bei ihm ein und dasselbe. Also auch die rechten, guten Werke, die
aus Liebe, in der Liebe geschehen, nicht nur die Heuchelwerke der Pharisäer,
werden von dem Apostel hier ausgeschlossen. Auch die besten Werke sind ja noch
befleckt. Die Liebe ist immer noch unvollkommen. Darum kann kein Mensch durch
Werke und Liebe Gott genügen und zufrieden stellen. „Durch des Gesetzes Werke
wird kein Fleisch gerecht“.
Wir müssen also, wenn wir von der
Rechtfertigung reden, wenn wir den rechten Begriff vom Glauben fassen wollen,
das, was wir getan haben und tun, was wir Gutes getan, was wir Gutes denken,
reden, vollbringen, dass wir unsern Gott doch aufrichtig lieben und fürchten,
und ernstlich bemüht sind, ihm und den Nächsten zu dienen, ganz und gar
vergessen und weit aus den Augen tun.
Unser lutherisches Bekenntnis hat den
Apostel recht verstanden. In der Apologie heißt es:
„Darum schließt er (Paulus) gewisslich aus alles
Verdienst und alle Werke, nicht allein jüdischer Zeremonien, sondern auch alle
anderen guten Werke. Denn so wir durch dieselben Werke fromm würden vor Gott,
so würde uns der Glaube nicht gerechnet zur Gerechtigkeit ohne alle Werke, wie
doch Paulus klar sagt“. (Konkordienbuch S 79). Die Konkordienformel
bezeugt: „Also ist ein wahrer, seligmachender Glaube nicht in denen, so ohne
Reue und Leid sind und einen bösen Vorsatz haben, in Sünden zu bleiben und zu
beharren, sondern wahre Reue gehet vorher, und rechter Glaube ist in oder bei
wahrer Buße. Es ist auch die Liebe eine Frucht, so dem wahren Glauben gewisslich
notwendig folget. Aber wenn Paulus spricht: Wir werden durch den Glauben
gerecht ohne Werke, zeigt er damit an, dass weder vorhergehende Reue, noch
folgende Werke in den Artikel oder Handel der Rechtfertigung des Glaubens
gehören“. (Konkordienbuch S 419-420).
Die dem Glauben vorhergehende Reue, die
dem Glauben nachfolgende Liebe und alle anderen guten Werke müssen wir vom
Handel der Rechtfertigung des Glaubens ausscheiden. Aber wie? Ist denn der
Glaube selbst, von Reue und Liebe ganz abgesehen, nicht ein gutes Werk? Ist der
Glaube nicht eine gute, Gott wohlgefällige Gesinnung des Herzens? Ist der
Glaube nicht die Quelle der Liebe und aller anderen guten Werke? Eben darauf
legen die neueren Theologen im Handel von der Rechtfertigung allen Nachdruck
und lehren, dass der Glaube, nicht Reue und Liebe, aber der Glaube, sofern und
dieweil er die Liebe und alle guten Werke schon in sich begreife, von Gott zur
Gerechtigkeit gerechnet werde. Und wenn Paulus den Glauben den Werken des
Gesetzes entgegensetzt, so erklären sie das so, dass der Glaube an Christum
eben nicht zu den im Gesetz Mosis gebotenen Werken gehöre, dass der Glaube an
Christum weit über das Gesetz hinausliege, dass er ein viel besseres, höheres,
edleres Werk sei, als die Werke der zehn Gebote, ein Werk, das Gott im
Evangelium geboten habe. Dieses Werk, der Glaubensgehorsam, sei Gehorsam, wie
Gott ihn haben wolle, und alle Gerechtigkeit des Gesetzes sei daher in diesem
einen Werk schon erfüllt. Das ist aber eine leere Ausflucht und eitel
Täuscherei. Wenn der Apostel sagt: „Nicht durch des Gesetzes Werke, allein
durch den Glauben“, so schließt er alles und jedes Werk vom Glauben aus. Alles,
was der Mensch denkt, will, wirkt und womit er ein Gebot Gottes erfüllt, man
mag das Ding nennen, wie man will, Glaube oder Liebe, begreift der Apostel
unter dem Titel „Gesetzes Werk“. So hebt er von Abraham hervor, dass er
geglaubt habe und eben darum nicht mit Werken umgegangen sei, nicht selber
etwas getan oder gewirkt habe, und schweigt da ganz vom „Gesetz“. Mit Werken
umgehen, selber etwas tun und wirken, und Gesetzes Werk ist ihm ganz ein und
dasselbe. Wenn wir also recht erkennen wollen, was der Glaube im Artikel von
der Rechtfertigung zu bedeuten habe, so dürfen wir den Glauben nicht als gutes
Werk, auch nicht als Quelle und Summa aller guten Werke ansehen, so müssen wir
alle solche Gedanken, wie dass der Mensch hier etwas denkt, dichtet, will, sich
vornimmt, tut und wirkt, uns aus dem Sinn schlagen.
Die Apologie der Augsburgischen Konfession
erinnert die Widersacher, dass, wenn sie, die Lutherischen, vom Glauben reden,
sie dann nicht einen solchen Glauben meinen, welcher ein „müßiger Gedanke ist“,
sondern „ein solch neues Licht, Leben und Kraft im Herzen, welche Herz, Sinn
und Mut erneuert, einen andern Menschen und neue Kreatur aus uns machet“. Aber
sie fährt fort: „Etliche, wenn man sagt, der Glaube macht rechtfertig vor
Gott..., meinen, der Glaube werde allein derhalben gelobt in der Schrift, dass
er ein Anfang sei guter Werke, wie denn allezeit viel am Anfang gelegen ist.
Dies ist aber nicht unsere Meinung.“ (Konkordienbuch, S 74-75). Nein, das ist
nicht unsere Meinung, dass man, wenn man vom rechtfertigenden Glauben redet,
den Glauben als ein neues Licht und Leben, als den Anfang aller guten Werke
auffasse, als ob der Glaube um eben dieser Art und Beschaffenheit willen
rechtfertige.
Wo Luther den Spruch 1. Mose 15,6, dass
dem Abraham sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet sei, auslegt, bemerkt er:
„Wenn Gott Verheißungen tut, so handelt er selbst mit uns und gibt und bietet
uns etwas; wenn er aber durch das Gesetz heißt und gebietet, fordert er etwas
von uns, und will, dass wir etwas tun sollen.“ „Gleichwie aber die Verheißung
und das Gesetz müssen unterschieden werden, so soll auch der Glaube und die
Liebe und des Glaubens und der Liebe Zweck unterschieden sein.“ (St Louiser
Ausgabe I, Sp. 947). Luther will sagen, dass der Glaube, der uns rechtfertigt,
mit Gebot, Gesetz, mit des Menschen Tun und Werk nichts zu schaffen hat, davon
geschieden und unterschieden werden muss, dass der Glaube etwas ganz anderes
ist als Werke, dadurch man die Gebote Gottes erfüllt.
Die Werke der Menschen schließen ein
Verdienst in sich und geben Anspruch auf Lohn. Wer selber etwas tut und wirkt,
der erwirbt sich irgend welchen Lohn, und es ist Pflicht und Schuldigkeit, daß
man ihm seinen Lohn auszahlt. „Wer mit Werken umgehet, dem wird der Lohn
zugerechnet aus Pflicht“. So sagt der Apostel. Würde der Mensch durch Werke
gerecht, so würde eben das, was der Mensch tut und wirkt, Gott nötigen und
bestimmen, ihn gerecht zu sprechen. Aber nein, so ist es nicht! Nicht durch die
Werke! Allein durch den Glauben! Der Glaube schließt alle Werke aus und kommt
bei der Rechtfertigung auch nicht selbst als gutes Werk des Menschen in
Betracht. Und eben deshalb, weil der Glaube ein ganz anderes Ding ist als die
Werke, so ist auch der Glaube nicht etwas, was Gott bestimmt und bewegt, ein
günstiges Urteil uns zu sprechen.
Und schon hieraus
erhellt, dass der Artikel von der Rechtfertigung aus dem Glauben ein gar
tröstlicher Artikel ist. Wir haben bisher uns nur deutlich gemacht, was der
Glaube nicht ist, wie man das nicht verstehen darf, dass der
Mensch durch den Glauben gerecht wird. Eben nicht so, daß man dabei an irgend
welches Tun des Menschen denkt. Und diese Erkenntnis an sich ist schon
hochtröstlich. Wie übel wären wir daran, wenn wir erst aus unserm Wandel, aus
dem Zustand, aus den Gefühlen und Bewegungen unseres Herzens uns davon
überzeugen müssten, dass es im Ganzen mit uns richtig steht, ehe wir unserer
Rechtfertigung gewiss sein könnten! Dann ruhte unsere Rechtfertigung auf sehr
schwankendem Boden. Dann wäre unser Trost dahin. Aber nein, wenn wir dessen
gewiss werden wollen, wie Gott zu uns steht, ob wir einen gnädigen Gott haben,
dürfen und sollen wir nicht auf unsere Werke hin sehen, auch nicht in unser
Herz hineinsehen, ob das auch in der rechten Verfassung ist. Gott richtet sich,
wenn er uns rechtfertigt, in keiner Weise nach unserem Denken, Wollen, Wirken.
Er sieht davon ganz ab. So sollen auch wir, wenn wir unserer Rechtfertigung
gedenken, von uns selber, unserer Art und Beschaffenheit, unserem Wollen und
Vollbringen ganz und gar absehen. Was uns bei dem Hinblick auf uns selbst und
unser Tun stören und irre machen möchte, das darf und soll uns nicht stören und
bedenklich machen, wenn wir auf die Frage, ob Gott uns gnädig sei, Antwort
suchen. Unsere Rechtfertigung ruht ganz außer uns auf festem, ewigem Grunde.
Wir werden durch den Glauben vor Gott fromm und gerecht. Was hiermit nicht
gemeint ist, dass wir hier von all und jedem Tun des Menschen absehen müssen,
haben wir aus Gottes Wort erkannt.
Warum, inwiefern wird der Mensch durch den
Glauben gerechtfertigt? Der Beantwortung dieser Frage soll das Folgende dienen.
Wir entnehmen die Antwort aus der heiligen Schrift.
Zunächst erinnern wir
uns jener bekannten Worte unseres schriftgemäßen Bekenntnisses, aus dem 4.
Artikel der Augsburgischen Konfession:
„Weiter wird gelehrt, dass wir Vergebung der Sünden
und Gerechtigkeit vor Gott nicht erlangen können durch unser Verdienst, Werk
und Genugtuung, sondern dass wir Vergebung der Sünden bekommen und vor Gott
gerecht werden aus Gnaden um Christus willen durch den Glauben“ usw.
Was hier von der
Rechtfertigung gesagt ist, wird schließlich in den Satz zusammengefasst: „Diesen
Glauben will Gott für Gerechtigkeit vor ihm halten und rechnen, wie Paulus sagt
zu den Römern im 3. und 4. [Kapitel].“ (Konkordienbuch, S 28.) Alle anderen
Aussagen über die Rechtfertigung sind in der einen Aussage beschlossen, dass
Gott uns den Glauben zur Gerechtigkeit rechnet. Der Glaube ist es, der uns
rechtfertigt, und darum ist all unser eigen „Verdienst, Werk und Genugtuung“
ausgeschlossen. Wir werden „um Christus willen“ vor Gott gerecht, eben deshalb,
weil wir „aus Gnaden“ gerecht werden. Wir werden „um Christus willen“ vor Gott
gerecht, und so ist es der Glaube, der Glaube an Christus, der uns gerecht
macht. Die Sache, von der wir handeln, wird uns recht klar, wenn wir diese
einzelnen Aussagen, eine nach der andern, genau besehen. Dass der Glaube
alles eigene „Werk und Verdienst“ ausschließt, davon haben wir schon gehandelt.
Wie der Glaube jenes „aus Gnaden“ in sich schließt, wie eng das zusammenhängt
„aus Gnaden“ und „durch den Glauben“, wollen wir uns jetzt vergegenwärtigen.
Wenn wir recht verstehen, was das heißt, dass wir aus Gnaden vor Gott gerecht
werden, dann erkennen wir auch, warum und inwiefern der Glaube uns
rechtfertigt, was der Glaube in dem Handel von der Rechtfertigung zu bedeuten
hat.
Paulus schreibt Röm. 3,23.24: „Es ist hier
kein Unterscheid, sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie an
Gott haben sollen, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade“ usw. Tit
3,7 sagt der Apostel kurzweg, indem er der Rechtfertigung gedenkt: „auf dass
wir durch desselben Gnade gerecht“ und Erben seien usw. Aus Gnaden werden wir
vor Gott gerecht, „aus seiner Gnade“. Gottes Gnade ist der Grund unserer
Rechtfertigung. Was heißt Gnade? Der Gegensatz macht das deutlich. „Aus
Gnaden“, das ist so viel, wie „ohne Verdienst“ oder „geschenkweise“. Ein
Geschenk ist freie Gabe der Liebe Ein Geschenk schuldet man niemandem. „Dem
aber, der mit Werken umgehet, wird der Lohn nicht aus Gnaden zugerechnet,
sondern aus Pflicht.“ Röm 4,4. „Ist es aber aus Gnaden, so ist es nicht aus
Verdienst der Werke, sonst würde Gnade nicht Gnade sein. Ist es aber aus
Verdienst der Werke, so ist die Gnade nichts, sonst wäre Verdienst nicht
Verdienst.“ Röm 11,6 „Das Wort ‚aus Gnaden’ schließt Verdienst und alle Werke
aus.“ (Apologie Konkordienbuch S 76.) Gottes Gnade ist Gottes Gunst und Huld,
und zwar freie Gunst, die allein in Gott selbst ihren Grund hat, und nicht in
irgendwelchem Tun oder Verdienst des Menschen, freie Gunst der Liebe, die Gott
niemandem schuldet. „Gnade heißt eigentlich Gottes Huld und Gunst, die er zu
uns trägt bei sich selbst.“ (Luther, Vorrede zur Apostelgeschichte Erl. Ausg.
63 123.) „Gottes Barmherzigkeit und Gnade wird umsonst den Unverdienten
gegeben“. „Die Gnade wird nicht allein gegeben den Unverdienten, sondern auch
den übelverdienten Menschen und Feinden der Gnade". (Luther, als Erklärung
von Röm 3, 24, in „Grund und Ursach aller Artikel“ usw. 1520. Erl. Ausg. 24,
98.) Wir werden aus Gnaden vor Gott gerecht, das heißt also: Ohne all unser
Verdienst und Würdigkeit werden wir gerecht, aus Gottes Geschenk, frei,
umsonst, aus lauter Barmherzigkeit Gottes. Gott macht uns arme Sünder gerecht,
nicht, weil er doch etwas Gutes in uns sähe und fände, was ihn dazu bestimmte,
sondern weil er nach seiner unbegreiflichen Liebe uns, den Unverdienten, den
Übelverdienten, einmal günstig, geneigt und gewogen ist. Es ist nichts als das
unergründliche, grundlose Erbarmen Gottes, Was Gottes Herz bewegt, wenn er uns
rechtfertigt.
Und weil wir aus Gnaden
gerecht werden, eben darum werden wir durch den Glauben gerecht. Ja, nun
verstehen wir, in wiefern der Glaube uns vor Gott fromm und gerecht macht.
Gnade und Glaube hängen auf`s engste zusammen. „Daher kommt`s, dass diese
Worte, Barmherzigkeit, Güte, Glaube, so oft in Psalmen und Propheten wiederholt
werden“. (Apologie Konkordienbuch S.73.) Paulus schreibt: „Derhalben muss
die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, auf dass sie sei aus Gnaden“. Röm.
4,16 Damit das feststehe, „aus Gnaden“, müssen wir auch festhalten, dass die
Gerechtigkeit allein durch den Glauben kommt. Glaube ist Vertrauen. Und das ist
nun der rechte Glaube, dass wir uns ganz und gar auf Gottes freie Gunst und
Huld, auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit verlassen. Der Glaube geht über sich
selbst hinaus und greift in Gott, in Gottes Herz und Gesinnung hinein und
tröstet sich dessen und baut darauf, daß Gott so gnädig und barmherzig ist. Der
Glaube sieht von allem eigenen Werk, von der eigenen Person ganz ab und eignet
sich Gottes Gunst und Gnade zu, welche gerade den Unverdienten, den
Übelverdienten vermeint ist. Wer glaubt, spricht bei sich selbst also: Ich bin
vor Gott ganz und gar unwürdig, habe keinen Ruhm vor Gott, ich bin keines
Erbarmens, keiner Gnade wert, aber dennoch fliehe ich zu der Gnade, ja, eben
deshalb, weil bei Gott nichts gilt als Gunst und Gnade, bin ich gewiss, dass
Gott mich Unwürdigen, Unverdienten zu Gnaden annehmen wird. Das ist einmal
Gottes Weise, dass er den Unwürdigen, Unverdienten gnädig ist. Der Glaube ist
also das Mittel, dadurch wir Gottes Gnade und Barmherzigkeit fassen und uns
zuwenden. Der Glaube fasst und hat und hält die Gnade Gottes, kraft welcher wir
gerecht werden. Wer glaubt, der fasst und hat und besitzt nun die
rechtfertigende Gnade als sein eigen und ist also vor Gott fromm und gerecht.
So sagt Paulus, dass David den Menschen
selig preise, welchem Gott die Gerechtigkeit ohne Werke zurechnet, und zwar mit
den Worten: „Selig sind die, welchen ihre Sünden bedecket sind; selig ist der
Mann, welchem Gott keine Sünde zurechnet.“ Röm 4,6.7 Darum heißt es in der
Augsburgischen Konfession, „dass wir Vergebung der Sünden bekommen und vor
Gott gerecht werden aus Gnaden“ usw. (Konkordienbuch S 28.) Und in der
Apologie der Konfession: „Vergebung der Sünden erlangen und haben,
dasselbige heißt vor Gott gerecht und fromm werden, wie der 32. Psalm sagt:
Wohl dem, dem die Übertretung vergeben ist.“ (Konkordienbuch S. 76.) Die
Vergebung der Sünden wird auch selbst oft Gnade genannt, eben deshalb, weil sie
ein freies Geschenk der Liebe Gottes ist. Und wenn man nun sich so ausdrückt,
dass wir Gnade oder Vergebung der Sünden bekommen aus Gnaden, so will das
sagen, dass eben dies Gottes Tun und Werk ist, dass er Sünde vergibt, und dass
er das von sich selber tut, aus freien Stücken, aus freier Gunst, um seiner
selbst willen, dass also nichts, was außer ihm ist, nichts, was im Menschen
ist, hierzu mitwirkt und mithilft.
In diesem Sinn wird die Vergebung der
Sünden gar oft in der Schrift gepriesen. Der Prophet Micha ruft aus: „Wo ist
ein solcher Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt, und erlässt die Missetat
den Übrigen seines Erbteiles? Der seinen Zorn nicht ewiglich behält, denn er
ist barmherzig.“ Micha 7, 18 Das ist die unvergleichliche Größe Gottes, dass er
Sünde vergibt und Missetat erlässt, und zwar allein aus dem Grund, weil er
barmherzig ist, oder, wie es eigentlich heißt, „weil er Wohlgefallen hat an
Barmherzigkeit“. Das ist Gottes Ruhm und Ehre. So verkündigte Gott einst seinen
eigenen Ruhm. Als der HErr vor dem Angesicht Moses vorüberging, predigte er von
dem Namen des Herrn und rief: „Herr, Herr Gott, barmherzig und gnädig und
geduldig und von großer Gnade und Treue, der du bewahrest Gnade in tausend
Glied, und vergibst Missetat, Übertretung und Sünde.“ 2. Mose 34,5-7 Da er dem
Mose diese hohe Offenbarung ankündigte, fügte er hinzu: „Wem ich aber gnädig
bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, des erbarme ich mich.“ 2.
Mose 33,19. Damit bezeugt Gott, dass seine Gnade und Erbarmen allein in ihm
selbst, eben in seiner Gnade, in seinem Erbarmen, begründet ist. Gott ist
gnädig und erbarmt sich der Sünder und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde
eben darum, weil er gnädig und barmherzig ist. Durch den Propheten Jesaja
spricht Gott: „Ich, ich tilge deine Übertretung um meinetwillen, und gedenke
deiner Sünden nicht.“ Jes. 43,25 Gott tilgt die Übertretung und vergibt und
vergisst die Sünde um seiner selbst willen, weil es ihm also wohlgefällt. Das
ist sein Vorrecht, daran hat er seine Lust. Nach Jes. 1,18 geht der Herr mit
seinem Volk in’s Gericht und ruft: „So kommt dann und lasst uns mit einander
rechten, spricht der Herr. Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch
schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie
Wolle werden.“ Im Namen Gottes hat der Prophet vorher das Volk seiner schweren
Sünde und Missetat überführt. Nun steht das sündige Volk vor Gottes Gericht und
erwartet den Urteilsspruch. Es kann nichts anderes erwarten, als das Urteil der
Verdammnis. Aber wie wunderbar lautet das Urteil! Es lautet auf Rechtfertigung,
statt auf Verdammnis. Die Sünde, die blutrote Schuld soll weiß, wie Schnee und
Wolle, werden. Das ist Gottes wunderbare Macht und Gnade, dass er Rot in Weiß,
Blutschuld in Unschuld verwandelt.
Und gerade diese letzte
Stelle zeigt nun, wiefern der Glaube in diesem Handel von Belang ist. Der
Prophet fährt fort: „Wollt ihr mir gehorchen, so sollt ihr des Landes Gut
genießen; weigert ihr euch aber und seid ungehorsam, so sollt ihr vom Schwert
gefressen werden, denn der Mund des Herrn saget es.“ Jes. 1,19.20 Es heißt
eigentlich: „Wenn ihr willig seid und höret, so“ usw. Darauf kommt es nun an,
dass die Sünder jenes wunderbare Urteil Gottes, das sie von ihrer Sünde rein
spricht, willig hören, sich gesagt sein lassen, dasselbe hinnehmen, annehmen,
mit einem Wort, dass sie das glauben, was der Herr spricht. Wenn sie das hören
und glauben, so sind sie eben rein von Sünden und werden den Segen ererben. Die
sich aber jenes Urteils wehren, demselben widerstreben, die das nicht glauben,
sondern zurückweisen, was der Herr sagt, die bleiben eben damit in ihren Sünden
und also unter dem Zorn und werden schließlich um kommen. Das ist das
unvergleichliche Werk Gottes, dass er Sünde vergibt, die Missetat erlässt, weil
er barmherzig ist. Micha 7,18 Daran hält sich der Glaube und macht den Schluß:
„Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Missetat dämpfen und alle unsere
Sünde in die Tiefe des Meeres werfen.“ Micha 7,19
Also der Glaube sieht und erkennt dieses Werk
Gottes, fasst und nimmt diese Gabe Gottes, die Vergebung der Sünden. Der Glaube
sieht von dem eigenen Werk, der eigenen Person ganz ab und freut und tröstet
sich dessen, was Gott tut, was Gott gibt, aus freier Gunst, um seiner selbst
willen, tröstet sich dessen, daß Gott so über alle Maßen gnädig und barmherzig
ist und Missetat, Übertretung und Sünde vergibt. Und eben deshalb macht der
Glaube vor Gott fromm und gerecht, weil er die Vergebung der Sünden, die
Vergebung Gottes hinnimmt und sich zueignet. Die Sache ist so schlicht und
einfach, das sie jedes Christenkind fassen kann. Den ganzen Handel von der
Rechtfertigung begreift der Katechismus in das Wort: „Ich glaube eine Vergebung
der Sünden.“ Es gibt eine Vergebung der Sünden. Bei Gott ist viel Vergebung.
Wer das glaubt und annimmt und auf sich bezieht, wer da von Herzen spricht:
„Ich glaube eine Vergebung der Sünden“, der hat Vergebung, der ist vor Gott
rein und gerecht.
Was wir hier von Glaube und Rechtfertigung
gesagt haben, wird noch durch einen Spruch des Paulus ins helle Licht gestellt.
Römer 4,5 lesen wir: „Dem aber, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an
den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur
Gerechtigkeit.“ Der Apostel hebt hier nachdrücklich hervor, dass Gott der sei,
der die Gottlosen gerecht macht. Der Mensch steht vor Gott als Sünder, als
Gottloser, in seiner Schande und Blöße, ohne Decke und Hülle, und hat nichts,
nichts, das er zu seiner Entschuldigung vorbringen könnte. Und was tut nun
Gott? Statt dass er den Gottlosen verdammt, wie es das Recht erforderte, lässt
er Gnade für Recht ergehen und macht den Gottlosen gerecht. Und das ist dann
der rechte Glaube, dass man, wie Abraham, auf eben diesen Gott vertraut, der
die Gottlosen gerecht macht. Wer glaubt, der spricht bei sich selbst also: Ich
gehöre in die Zahl der Sünder, der Gottlosen. Daran ist kein Zweifel. Aber das
ist nun Gottes Weise, dass er die Gottlosen gerecht macht. So bin ich also auch
vor Gott gerecht. Die Sache ist einfach und leicht zu fassen. Gott ist ein
solcher Gott, der die Gottlosen gerecht macht. Das glauben wir von Herzen und
trösten uns dessen. Damit ist der Handel abgeschlossen. Dem, welcher an den
Gott glaubt, der die Gottlosen gerecht macht, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit
gerechnet, der gilt und ist vor Gott rein und gerecht, eben weil er die
Gerechtigkeit ergreift, die Gott den Gottlosen zuspricht, weil er den Gott für
seinen Gott hält der die Gottlosen gerecht macht.
Ganz in der angegebenen Weise beschreibt
nun auch unser Bekenntnis den rechtfertigenden Glauben. Die Apologie sagt, „dass
niemand die Gnade mit Werken fassen könne, sondern allein durch den Glauben,
dass der Glaube Gott dem Herrn kein Werk, kein eigen Verdienst bringe und
schenke, sondern bloß auf lauter Gnade baue und sich nichts zu trösten noch zu
verlassen wisse, denn allein auf Barmherzigkeit“, „dass wir allein durch den
Glauben Vergebung der Sünden erlangen“, „dass der Glaube fromm und gerecht
mache, nicht derhalben, dass unser Glauben ein solch köstlich rein Werk sei,
sondern allein deshalb, dass wir durch Glauben und sonst mit keinen Dinge die
angebotene Barmherzigkeit empfangen“. (Konkordienbuch S 71 77 78.) Die
Konkordienformel gibt eine deutliche, genaue Erklärung vom Glauben, indem sie
erklärt, „dass das Amt und die Eigenschaft des Glaubens allein bleibe, dass
er allein und sonst nichts anders sei das Mittel oder Werkzeug, damit und
dadurch Gottes Gnade empfangen, ergriffen, angenommen, uns appliziert und
zugeeignet werde“. (Konkordienbuch S 422)
Alles, was hier von dem
rechtfertigenden Glauben gesagt ist, das ist offenbar nichts als Trost für arme
Sünder. Auch wir Christen können dieses Trostes nimmer entbehren. Wenn wir vor
Gottes Gericht stehen, besonders in der letzten Not und Angst, schwindet aller
Trost der eigenen Werke. Wir sehen und finden bei und in uns nichts Gutes,
sondern nur Sünde, Missetat, Übertretung, Gottlosigkeit. Da sehen allein auf
Gott, auf den Gott, welcher Missetat, Übertretung und Sünde vergibt, welcher
alle unsere Sünden tilgt um seinetwillen, welcher frei, umsonst die Gottlosen
gerecht macht. Diesem Gott werfen wir uns in die Arme und geben uns ganz und
gar in seine Gnade und Barmherzigkeit dahin. Das ist der Glaube. So bestehen
wir im Gericht.
Wir werden vor Gott gerecht „aus Gnaden
um Christus willen durch den Glauben“. So heißt es in der Augsburgischen
Konfession. Wie eng die zwei Stücke „aus Gnaden“ und „durch den Glauben“
zusammenhängen, davon haben wir zuletzt gehandelt. Ebenso unzertrennlich sind
aber die zwei Stücke „um Christus willen“ und „durch den Glauben“ mit einander
verbunden. Darum fügt die Augsburgische Konfession hinzu, dass wir gerecht
werden, „so wir glauben, dass Christus für uns gelitten hat, und dass uns um
seinetwillen die Sünden vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt
wird“. (Konkordienbuch S 28.) Die Schrift beschreibt kurzweg den
rechtfertigenden Glauben als den Glauben an Christum. Nachdem Paulus das
Beispiel des Glaubens Abrahams angeführt hat, macht er die Anwendung mit den
Worten: „Das ist nicht geschrieben allein um seinetwillen, dass es ihm
zugerechnet ist, sondern auch um unsertwillen, welchen es soll zugerechnet
werden, so wir glauben an den, der unsern Herrn Jesus auferwecket hat von den
Toten, welcher ist um unserer Sünde willen dahin gegeben, und um unserer
Gerechtigkeit willen auferwecket.“ Römer 4,23-25. Phil. 3,9 redet der Apostel
von der Gerechtigkeit, „die durch den Glauben an Christum kommt“. Gal 2, 16
lesen wir: „Weil wir wissen, dass der Mensch durch des Gesetzes Werke nicht
gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christ, so glauben wir auch an
Christus Jesus, auf dass wir gerecht werden durch den Glauben an Christus, und
nicht durch des Gesetzes Werke, denn durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch
gerecht.“ Dreimal nennt der Apostel hier, wo er zeigt, wie wir vor Gott gerecht
werden, den Glauben an Christus. Wenn wir das recht verstehen, so erkennen wir,
in wiefern, warum der Glaube uns vor Gott fromm und gerecht macht.
Nachdem der Apostel Gal 2, 16 dargelegt,
dass wir allein durch den Glauben an Christus gerecht werden, fährt er fort:
„Sollten wir aber, die da suchen durch Christus gerecht zu werden, auch noch
selbst Sünder erfunden werden, so wäre Christus ein Sündendiener. Das sei
ferne!“ Gal. 2,17. Die durch den Glauben an Christus Jesus gerecht werden
wollen (Gal. 2,16), sind eben die, welche durch Christus gerecht zu werden
suchen. Durch den Glauben an Christus gerecht werden, ist ganz dasselbe, wie
durch Christus gerecht werden. Nicht dass wir es sind, die da glauben, nicht
dass wir dieses Eine wenigstens leisten und an Christus glauben, sondern, dass
Christus es ist, an den wir glauben, das macht uns gerecht. Oder mit einem
Wort: Christus macht uns gerecht. An den glauben wir, so macht uns der Glaube
an Christus gerecht. Römer 3,24.25 schreibt Paulus, dass „wir gerecht werden
aus seiner (Gottes) Gnade, durch die Erlösung, so durch Christus Jesus
geschehen ist, welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den
Glauben in seinem Blut“. Da erklärt er des Näheren, in wiefern, warum wir durch
Christus gerecht werden. Christus hat uns erlöst, losgekauft von unsern Sünden.
Das Lösegeld ist sein eigenes Blut. Das hat alle Schuld der Menschen bezahlt.
Christus ist der neutestamentliche Gnadenstuhl, welcher vermöge seines eigenen
Blutes unsere Sünden deckt und sühnt, welcher durch sein Leiden, Sterben,
Bluten uns mit Gott versöhnt hat. Eben durch die Erlösung, so durch Christus
Jesus geschehen ist, werden wir vor Gott gerecht. Dass Christus uns von unseren
Sünden erlöst, unsere Sünden gesühnt, uns mit Gott versöhnt hat, das macht uns
vor Gott gerecht. „Durch den Glauben“: diese Worte sind in diesen Zusammenhang
eingefügt. Durch den Glauben werden wir gerecht, eben weil wir durch den
Glauben Christus und sein Blut, Christus und seine Erlösung, die Sühne und
Versöhnung, die Christus durch sein Blut erwirkt hat, uns zueignen. Der Glaube
ergreift Christus und sein Blut und Verdienst, flieht zu Christus, dem
Gnadenstuhl, tröstet sich der Erlösung und Versöhnung, so durch Christus Jesus
geschehen ist. So kommt der Glaube hier in Betracht als das Mittel, dadurch
Christus und seine Erlösung unser eigen wird. Haben wir Christus und seine
Erlösung uns selbst, unserer Person zugewendet, nun so sind wir für unsere
Person von Sünden rein, vor Gott rein und gerecht.
In eben dieser Weise redet unser Bekenntnis von Christo und dem Glauben. Die Apologie lehrt und bekennt:
„Das Verdienst Christi aber ist der Schatz; denn es muss ja ein Schatz und edles Pfand sein, dadurch die Sünden aller Welt bezahlet sind“. Und im Folgenden heißt es: „Denn der Glaube nicht darum vor Gott fromm und gerecht macht, dass er an sich selbst unser Werk und unser ist, sondern allein darum, dass er die verheißene angebotene Gnade ohne Verdienst aus reichem Schatz geschenkt nimmt“. (Konkordienbuch S. 73)
Das Verdienst Christi ist
der Schatz. Und eben darum macht der Glaube gerecht, weil er diesen reichen
Schatz, dieses teuere Geschenk nimmt, nicht darum, weil er unser Werk oder
unser ist. Nichts, was unser ist, nichts,
was von uns und in uns ist, ist Grund der Rechtfertigung. Ferner:
„Nun wollen wir anzeigen,
dass derselbige Glaube und sonst nichts uns vor Gott gerecht macht. Und erstlich
will ich dieses hier den Leser verwarnen, gleichwie dieser Spruch muss und soll
stehen bleiben, und kann ihn niemand umstoßen: Christus ist unser einiger
Mittler; also kann auch diesen Spruch niemand umstoßen: Durch den Glauben
werden wir rechtfertig ohne Werke. Denn wie will Christus der Mittler sein und
bleiben, wenn wir nicht durch den Glauben uns an ihn halten als an den Mittler,
und also Gott versöhnet werden, wenn wir nicht gewiss im Herzen halten, dass
wir um seinetwillen vor Gott gerecht geschätzt werden? Das heißt nun glauben:
also vertrauen, also sich trösten des Verdienstes Christi, dass um seinetwillen
Gott gewiss uns wolle gnädig sein.“
(Konkordienbuch S. 75)
Also der Glaube hält sich an
Christus, den einigen Mittler, und verlässt sich darauf, dass wir allein um
seinetwillen vor Gott gerecht geschätzt werden. Die Konkordienformel betont
auch hier, dass der Glaube „das Mittel und Werkzeug sei“, das Mittel,
dadurch „Christi Verdienst empfangen, ergriffen, angenommen, uns applizieret
und zugeeignet werde“. „Wenn man von dem Glauben redet, wie der gerecht
mache, so ist des Paulus Lehre, dass der Glaube allein gerecht mache ohne
Werke, indem er uns den Verdienst Christi, wie gesagt, applizieret und
zueignet.“ (Konkordienbuch S 422) „Der Glaube macht gerecht, nicht darum
und daher, dass er so ein gut Werk und schöne Tugend wäre, sondern weil er in
der Verheißung des heiligen Evangeliums den Verdienst Christi ergreift und
annimmt.“ (Konkordienbuch S 418) Das Bekenntnis legt den Nachdruck darauf,
dass „der Gehorsam Christi“ oder „die Gerechtigkeit Christi“ „uns zur
Gerechtigkeit zugerechnet wird“. (S 417 418) Der Glaube nimmt und ergreift den
Gehorsam Christi. Und so wird der Glaube uns zur Gerechtigkeit zugerechnet.
Wir haben erst davon gehandelt, dass der
Glaube das Mittel sei, dadurch Gottes Gnade und Barmherzigkeit uns zugeeignet
wird. Jetzt nennen wir den Glauben das Mittel, dadurch wir das Verdienst
Christi uns aneignen. Das ist nun aber nicht so zu verstehen, als wären es zwei
getrennte Dinge und Güter, welche der Glaube in Empfang nähme, als ob der
Glaube erst das eine fasste und ergriffe, dann das andere. Nein, der Glaube
fasst und nimmt beides zumal, das eine in und mit dem andern. Diese zwei
Stücke, „Gottes Gnade“ und „Christi Verdienst“, liegen nicht nebeneinander,
sondern ineinander. Die Konkordienformel drückt sich öfter so aus, dass die „Gerechtigkeit
Christi“ oder „der Gehorsam Christi den armen Sündern aus lauter Gnaden
zur Gerechtigkeit zugerechnet wird“. (Konkordienbuch S. 416.418) Das ist
der Schrift gemäß. Es ist nach der Schrift lauter Gnade, dass Gott uns um
Christi willen gerecht macht. Wenn der Apostel sagt, dass wir aus Gottes Gnade
durch die Erlösung, so durch Christus Jesus geschehen ist usw., gerecht werden,
Römer 3, 24 25, so fasst er alles, was er von der Erlösung sagt, unter „die
Gnade Gottes“. Es ist lauter Gnade, dass Gott uns gerecht macht, die Sünden
vergibt, und es ist lauter Gnade, dass Gott uns gerade auf diese Weise gerecht
macht, um Christi willen, durch die Erlösung, so durch Christus Jesus geschehen
ist. Es musste ja freilich, wie unser Bekenntnis sagt (Konkordienbuch S 425), „der
wahren, unwandelbaren Gerechtigkeit Gottes, so im Gesetz geoffenbart, genug
geschehen“. Gott wollte auch seine Gerechtigkeit, seine Strafgerechtigkeit,
erwiesen. Gott wollte auch der sein, welcher allein gerecht ist und bleibt.
Römer 3, 25 26. Darum musste Christus leiden und sterben und den Fluch tragen.
Dass Gott aber an Christus statt an den Sündern die Sünde gestraft und verdammt
und also die Sünder von Sünde und Strafe erlöst hat, das ist eitel Gnade und
Erbarmen. Gott hat, aus freien Stücken, aus freier Gunst und Huld, um seiner
selbst willen, Christus gesandt und Christus in den Tod dahingegeben und also
durch Christus die Welt sich versöhnt. „Gott war in Christus und versöhnte die
Welt mit ihm selber“. 2. Kor. 5, 19. Gott hat, „zu Lobe seiner herrlichen
Gnade“, „durch diese seine Gnade“ „uns angenehm gemacht in dem Geliebten“. Eph.
1, 6. Und so fasst und ergreift, nimmt und empfängt der Glaube beides zumal,
das eine in dem andern, Gottes Gnade in Christus, und macht eben damit uns vor
Gott gerecht. „Der Glaube ergreifet Gottes Gnade in Christus, dadurch die
Person gerechtfertigt wird.“ (Konkordienbuch S 422)
Noch einen Punkt aber, der schon in dem
vorhin Gesagten enthalten ist, müssen wir besonders hervorkehren. Wir lehren
und bekennen, dass wir um Christi willen, um des Verdienstes Christi willen,
welches wir im Glauben ergreifen, vor Gott gerecht werden. Das darf man jedoch
nicht so verstehen, als wären Christi Verdienst, Gehorsam und unsere
Gerechtigkeit, unsere Rechtfertigung getrennte, ganz verschiedene Dinge, als
ergriffe der Glaube nur einseitig Christi Verdienst und Gehorsam und als würde durch
solches Glauben und Ergreifen die Gerechtigkeit erst bewirkt und zu Stande
gebracht. Nein Christi Verdienst und Gehorsam, eben das ist unsere
Gerechtigkeit, eben das ist die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, in welcher
wir vor Gott bestehen können. Und indem der Glaube Christus und sein Verdienst
sich zueignet, eignet er sich eben damit die Gerechtigkeit zu, die vor Gott
gilt. So geschieht’s, daß wir durch den Glauben vor Gott gerecht werden. Das
ist die klare Lehre der Schrift und unseres Bekenntnisses.
Unser Glaube hält sich daran, wie Paulus
Römer 4,25 schreibt, dass Christus „um unserer Sünde willen dahingegeben und um
unserer Gerechtigkeit willen, um unserer Rechtfertigung willen, auferwecket
ist“. Das heißt: Gott hat Christus in den Tod dahingegeben und von den Toten
wieder auferwecket. Und eben damit ist unsere Sünde gesühnt und getilgt, und
unsere Gerechtigkeit, unsere Rechtfertigung hergestellt. Dass dem so ist, das
glauben wir. Darauf verlassen wir uns von ganzem Herzen. Das ist die ganze Sache.
Es ist für den Apostel ganz gleichbedeutend, ob er sagt, dass „wir durch den
Tod des Sohnes Gottes Gott versöhnet sind“, oder ob er sagt, dass „wir durch
sein Blut gerecht worden sind“. Römer 5,9.10. Durch den Einen, Christum, durch
den Gehorsam dieses Einen ist „die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen
gekommen“. Römer 5,18. Und durch den Glauben „nehmen, empfangen“ wir nun „die
Gabe der Gerechtigkeit“ oder „die Versöhnung“. Römer 5,17.11. „Gott war in
Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden
nicht zu“. 2. Kor. 5,19. Gott hat in Christus die Welt mit ihm selber versöhnt
und hat eben damit der Welt, allen Sündern ihre Sünden vergeben. Es ist nur
noch nötig, dass wir das glauben und uns also „mit Gott versöhnen lassen“, 2.
Kor. 5, 20. Petrus bezeugt: „Von diesem zeugen alle Propheten, dass durch
seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.“
Apg. 10,43. Alle, die an Christus, an seinen Namen glauben, nehmen und
empfangen damit Vergebung der Sünden. Alle Gläubigen sprechen mit Paulus: „An
welchem (Christus) wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die
Vergebung der Sünden.“ Eph. 1, 7. Wir, die wir an Christus glauben, haben
Christus und eben damit, an Christus, haben wir die Erlösung durch sein Blut
oder, was dasselbe ist, die Vergebung der Sünden. Das ist der Gewinn, den wir
an Christus haben, der in Christus beschlossen ist, der in und mit Christus
gegeben wird, Vergebung der Sünden. Dieser „Jesus Christus ist uns von Gott
gemacht zur Gerechtigkeit“. 1. Kor. 1,30. Also „wer an den glaubet, der ist
gerecht“. Römer 10, 4.
Mit der Schrift stimmt das Bekenntnis. Die
Apologie bemerkt, „dass Gott uns anbietet Vergebung der Sünden und
Gerechtigkeit durch Christus. Und dieselbige Vergebung, Versöhnung und
Gerechtigkeit wird durch den Glauben empfangen“. (Konkordienbuch S. 74) In
der Konkordienformel heißt es: „Wir glauben, lehren und bekennen, dass
allein der Glaube das Mittel und der Werkzeug sei, damit wir Christus und in
Christus solche Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ergreifen.“
(Konkordienbuch S 362) Und weiterhin: „dass also die Gerechtigkeit, die von
Gott dem Glauben oder den gläubigen aus lauter Gnade zugerechnet wird, ist der
Gehorsam, Leiden und Auferstehung Christi, da er für uns dem Gesetz genuggetan
und für unsere Sünde bezahlt hat“. (Konkordienbuch S 418) „Weil aber der
Gehorsam der ganzen Person ist, so ist er eine vollkommene Genugtuung und
Versöhnung des menschlichen Geschlechts, ...und also unsere Gerechtigkeit, die
vor Gott gilt ..., darauf sich der Glaube vor Gott verläßt.“
(Konkordienbuch S. 425) Also Leiden und Sterben Christi, der Gehorsam Christi
ist die Versöhnung des menschlichen Geschlechts und ist also unsere
Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Eben darauf verlässt sich der Glaube vor
Gott. Und eben darum, weil der Glaube Christus und seine Gerechtigkeit, welche
unsere Gerechtigkeit ist, ergreift, macht uns der Glaube vor Gott gerecht.
Es zeigt sich wiederum,
dass die Lehre von der Rechtfertigung aus dem Glauben den armen Gewissen
beständigen Trost gibt. Eben das, woran die natürliche Vernunft sich ärgert,
dass wir durch eine fremde Gerechtigkeit, Christi Gerechtigkeit, vor Gott
gerecht werden, ist für arme Sünder der einige Trost im Leben und Sterben. Mit
unserer eigenen Gerechtigkeit können wir in Gottes Gericht nicht bestehen. Aber
der Glaube greift über sich hinaus, ergreift den vollkommenen Gehorsam Christi,
und das ist die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Der Glaube hält sich an
Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen. Das ist eine gewisse Tatsache,
dass Christus am Kreuze gestorben und dann wieder auferstanden ist von den
Toten. Und eben damit sind wir von unsern Sünden erledigt und gerechtfertigt.
Durch den Glauben fassen, halten und haben wir Christus. Und wenn wir nur
Christus haben, dann haben wir alles, was wir brauchen. An Christus haben wir
Vergebung der Sünden, und wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und
Seligkeit.
Aus Gnaden, um Christi willen wird der
Sünder vor Gott gerecht. Und der Glaube fasst die Gnade Gottes in Christus und
damit die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Und so macht uns der Glaube vor
Gott fromm und gerecht. Davon haben wir geredet. Diese Güter, Gottes Gnade und
Barmherzigkeit, die vor Gott gilt, werden uns aber dargeboten und mitgeteilt
durch das Wort, durch das Evangelium. Und der Glaube hält sich an das Wort.
Wenn wir recht bedenken, wie der Glaube am Worte hängt, wird es uns vollends
klar, inwiefern und warum der Glaube uns rechtfertigt. Es sind geistliche,
unsichtbare Güter, um welche es sich hier handelt, Gnade, Vergebung der Sünden,
Gerechtigkeit. Gott aber hat diese unsichtbaren Güter, damit die Menschen,
welche Fleisch und Blut sind, derselben ja habhaft werden, in eine sinnliche,
greifbare Hülle eingekleidet, in das Wort, in die Predigt des Evangeliums. Das
Wort fällt in die Augen, in die Ohren. Wir lesen das Wort, das Evangelium mit
unsern Augen, wir hören es mit unsern Ohren. Und so kommt nun Alles darauf an, dass
wir das Wort, welches wir vor Augen haben, welches vor unsern Ohren schallt,
auch zu Herzen fassen, in unser Herz aufnehmen. Das ist der rechte Glaube, dass
man das Wort, das teuerwerte Wort von der Vergebung der Sünden, annimmt,
aufnimmt. Dann hat man das zu eigen, was in das Wort beschlossen ist, dann hat
man Vergebung der Sünden. Hier zeigt es sich recht deutlich, daß der Glaube im
Artikel von der Rechtfertigung nicht als unser Werk, als etwas, was wir Gott
leisten, sondern nur als das Mittel in Betracht kommt, durch welches wir die
Gabe Gottes, die Gabe der Gerechtigkeit, nehmen, empfangen, uns zueignen.
Wir Christen wissen,
was wir an dem Evangelium haben. Es ist „das Evangelium von Christus, dem
Erlöser: Es ist „die Predigt von der Vergebung der Sünden““. Luk. 24,47. Das
Evangelium sagt uns: Gott ist den Sündern gnädig. Gott vergibt Missetat,
Übertretung und Sünde. Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm
selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu. Christus ist für die Sünder
gestorben und hat alle Schuld mit seinem Blut bezahlt. Christus ist um unserer
Sünde willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt. So
ist den Sündern, die alles Ruhmes vor Gott mangeln, eine Gerechtigkeit
erworben, die vor Gott gilt. So ist den verdammten Sündern die Seligkeit
bereitet. Der Himmel steht ihnen offen. Und das ist nun der rechte Glaube, dass
der Mensch für seine Person sich das gelten lässt, dem zustimmt, zu dem Ja und
Amen sagt, das für gewiss hält, was das Evangelium sagt. Wer also dem Wort, dem
Evangelium glaubt, von dem gilt das, was das Evangelium sagt, an dem hat sich
das bewahrheitet, was das Evangelium aussagt und verkündigt, der hat einen
gnädigen Gott, der hat Erlösung durch Christi Blut, der hat Vergebung der
Sünden, Gerechtigkeit und damit Leben und Seligkeit, der ist also vor Gott
gerecht und wird selig. Das Evangelium ist nicht nur Aussage, nicht nur
einfache Belehrung, über Gott und Christus, über Gottes Gesinnung, Christi
Werk, sondern diese Aussage ist zugleich Zusage. Das Evangelium ist und heißt
oft in der Schrift „Verheißung“. Wenn Gott aber etwas verheißt, so ist das kein
leeres Versprechen. Indem Gott dem Menschen etwas verheißt, gibt und schenkt er
ihm eben damit das, was er verheißt. Das Evangelium wendet sich an die
einzelnen Sünder und spricht zu ihnen: Hier schenke ich dir, was dir fehlt und
wessen du so dringlich bedarfst. Hier hast du in Christus Gnade, Vergebung,
Gerechtigkeit, Trost, Friede, Seligkeit. Nimm nur, was ich dir zusage, was ich
dir gebe. Und das ist nun der rechte Glaube, dass der Mensch auf Gottes Zusage
baut und vertraut und mit Dank und Freude das hinnimmt, was Gott aus lauter
Gnade ihm verheißt und darreicht. Wer also dem Wort, dem Evangelium glaubt, an
dem hat sich die Verheißung Gottes erfüllt und bestätigt, der ist im Besitz der
Gabe Gottes, der ist vor Gott rein von Sünden, fromm und gerecht und schon
selig in Hoffnung. Das Evangelium ist und heißt „das Evangelium Gottes“. Es ist
Gottes Wort. In dem Evangelium vernehmen wir, so oft wir es hören, lesen,
betrachten, die Stimme Gottes, das gnädige Urteil Gottes: Ich, ich tilge deine
Übertretung um meinetwillen, und gedenke deiner Sünden nicht. Ob deine Sünde
gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist
wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden. Und das ist nun der rechte
Glaube, dass der Mensch sich dieses Worts und Urteils seines Gottes von Herzen
freut und tröstet und Gottes Wort und Urteil dem Urteil, der Anklage seines
eigenen Gewissens entgegensetzt. Wer also dem Wort, dem Evangelium glaubt, der
steht für seine Person unter dem rechtfertigenden Urteil Gottes, der ist vor
Gottes Augen, nach Gottes Urteil rein und gerecht.
Ein Christ, der nur
einigermaßen erkannt hat, aus der Schrift erkannt hat, was es um das Evangelium
ist, der versteht auch den Artikel von der Rechtfertigung aus dem Glauben. Wir
wollen nun aber wiederum einzelnen Schriftaussagen, eben denen, welche vor
allem von der Rechtfertigung handeln, unser Augenmerk zuwenden. Diese
Schriftstellen gehören ja zu den Kernsprüchen, den kräftigsten Trostsprüchen
der Schrift, die ein Christ nicht oft genug hören und lesen, nicht fleißig
genug bedenken und betrachten kann. Eben diese Schriftstellen zeigen uns, dass
die Gnade der Rechtfertigung durch das Wort, durch das Evangelium, durch die
Verheißung vermittelt, uns zugeeignet wird, dass Gott durch das Evangelium uns
rechtfertigt, und wie eng Evangelium, Verheißung und Glaube zusammenhängen,
lehren uns also, was das heißt, dass der Glaube uns vor Gott fromm und gerecht
macht.
Im ganzen ersten Teil des Römerbriefs,
Kapitel 1-5, erörtert Paulus die Lehre von der Rechtfertigung und gibt Röm.
1,16.17 das Thema dieser Erörterung mit den Worten an: „Denn ich schäme mich
des Evangeliums von Christus nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig
machet alle, die daran glauben, die Juden vornehmlich, und auch die Griechen;
da darinnen geoffenbaret wird die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche
kommt aus Glauben in Glauben, wie denn geschrieben stehet: Der Gerechte wird
seines Glaubens leben“. Hier bezeugt der Apostel, dass die Gerechtigkeit, die
vor Gott gilt, die durch Christus bereitet ist, in dem Evangelium von Christus
offenbart, den Menschen kund getan und dargeboten wird, weshalb eben das
Evangelium eine Kraft Gottes zur Seligkeit ist. Diese Gerechtigkeit, die vor
Gott gilt, kommt aus dem Glauben, wird in Folge des Glaubens erlangt, ist für
den Glauben bestimmt, dazu bestimmt, dass der Mensch sie im Glauben annehme.
Und der Glaube holt sie also aus dem Evangelium heraus, welches sie ihm
vorhält. Darum werden alle die selig, welche an das Evangelium glauben. Von
Kap. 1,18 bis 3,20 weist Paulus nach, dass sie allzumal Sünder sind, Juden und
Griechen, und keine eigene Gerechtigkeit vor Gott bringen können, dass niemand
durch des Gesetzes Werke gerecht werden kann. Und indem er dann dazu übergeht,
die Glaubensgerechtigkeit zu beschreiben, stellt er den Satz an die Spitze:
„Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt,
geoffenbaret, und bezeuget durch das Gesetz und die Propheten; ich sage aber
von solcher Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus
Christ zu allen und auf alle, die da glauben.“ Kap. 3,21.22. Da wiederholt und
bekräftigt es der Apostel, dass die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, die durch
Jesus Christus den Sündern bereitet ist, jetzt geoffenbaret ist, seit das
Evangelium Juden und Heiden verkündigt wird. Schon die Schrift des Alten
Bundes, Gesetz und Propheten, zeugt von dieser Gerechtigkeit. Durch das
Evangelium, das nun in aller Welt gepredigt wird, ist sie aber erst recht klar
und deutlich offenbaret, den Sündern dargelegt und zur Annahme vorgelegt. Diese
Gerechtigkeit vor Gott kommt durch den Glauben, zu allen und auf alle, die
glauben, alle, die da glauben, werden derselben teilhaftig. Wer da glaubt, hört
auf die Stimme Moses und der Propheten, des Evangeliums, erkennt aus dem
Evangelium und ergreift in demselben die Gerechtigkeit, in der er vor Gott
bestehen kann. Römer 9,30 ff. führt der Apostel aus, dass die von Israel die
Gerechtigkeit nicht erlangt haben, weil sie dem Evangelium nicht gehorsam
geworden sind 11,16.
An anderen Stellen
nennt Paulus das Wort als das Mittel, dadurch die Gerechtigkeit den Menschen
zugewendet und mitgeteilt wird, dadurch der Glaube die Gerechtigkeit erlangt.
Er meint aber auch da nur das Wort des Evangeliums. So lesen wir Römer 10,5-8:
„Mose aber schreibt wohl von der Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt:
Welcher Mensch dies tut, der wird darinnen leben. Aber die Gerechtigkeit aus
dem Glauben spricht also: Sprich nicht in deinem Herzen: Wer will hinauf gen
Himmel fahren? Das ist nichts anders, denn Christus herab holen. Oder wer will
hinab in die Tiefe fahren? Das ist nichts anders, denn Christus von den Toten
holen. Aber was saget sie? Das Wort ist dir nahe, nämlich in deinem Munde und
in deinem Herzen. Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen“. Hier stellt
der Apostel die Gerechtigkeit aus dem Gesetz und die Glaubensgerechtigkeit
einander gegenüber. Die erstere macht es dem Menschen schwer, ja unmöglich, die
Gerechtigkeit zu erlangen. Denn wer da nicht alle Worte des Gesetzes hält, der
kann nicht gerecht und selig werden. Die Glaubensgerechtigkeit dagegen macht es
dem Menschen gar leicht, gerecht zu werden, bringt dem Menschen das Heil gar
nahe. Man braucht Christus nicht weit herzuholen, nicht erst vom Himmel herab-
oder aus der Tiefe heraufzuholen. Christus ist schon gekommen, vom Himmel auf
die Erde herniedergekommen, ist gestorben und vom Tode wieder auferstanden, aus
der Tiefe hervorgekommen und hat durch seine Menschwerdung, durch sein Leiden,
Sterben, Auferstehen das Heil erworben, die Gerechtigkeit hergestellt, die vor
Gott gilt. Und nun heißt es weiter: Das Wort ist dir nahe, in deinem Mund, in
deinem Herzen, das Wort des Glaubens, das wir predigen. So spricht die
Glaubensgerechtigkeit. Also Christus, das Heil, die Gerechtigkeit ist in das
Wort gefasst und beschlossen. Das Wort ist allen nahe. Dies Wort wird
gepredigt. Diesem Worte glauben wir, wir bewegen es in unserem Herzen, bekennen
es mit unserem Mund. Und so ist Christus, das Heil, die Gerechtigkeit uns
nahegekommen, unser eigen geworden. Ähnlich redet der Apostel 2. Kor. 5,19.20
von dem Wort. Nachdem er daran erinnert hat, dass Gott in Christus die Welt mit
ihm selber versühnte und ihnen ihre Sünden nicht zurechnete, fährt er fort:
„Und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun
Botschafter an Christi Statt, denn Gott vermahnet durch uns; so bitten wir nun
an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott“. Die Versöhnung, die Gott in
Christus gestiftet hat, die Vergebung der Sünden hat Gott in’s Wort
hineingelegt, daher heißt es das Wort von der Versöhnung. Durch das Wort, das
die Boten Gottes predigen, wird die Versöhnung, die Vergebung der Sünden in der
Sünderwelt verbreitet. Gott vermahnt die Sünder durch die Prediger, dass sie
dieses Wort annehmen, dem Worte glauben und also der Versöhnung, der Vergebung
der Sünden teilhaftig werden.
Wo Paulus von der
Rechtfertigung aus dem Glauben handelt, verbindet er öfter die zwei Stücke mit
einander: die Verheißung und den Glauben. Und er hat, wenn er von der
Verheißung redet, wiederum nichts anderes im Sinn, als das Wort des
Evangeliums. So heißt es Römer 4,16: „Derhalben muss die Gerechtigkeit durch
den Glauben kommen, auf dass sie sei aus Gnaden, und die Verheißung fest bleibe
allem Samen, nicht dem allein, der unter dem Gesetz ist, sondern auch dem, der
des Glaubens Abrahams ist.“ Vorher hat er gesagt: „Denn wo die vom Gesetz Erben
sind, so ist der Glaube nichts und die Verheißung ist ab.“ Röm. 4,14. Wenn der
Mensch durch Werke des Gesetzes Gerechtigkeit und das Erbe erlangte, das ist
die Meinung des Apostels, so würde beides dahinfallen, der Glaube und die
Verheißung. Denn die Verheißung ist das Widerspiel des Gesetzes. Die Verheißung
fordert nichts von dem Menschen, dass der Mensch etwas leiste, damit er gerecht
und selig werde, wie das Gesetz, sondern hier verheißt Gott aus Gnaden, frei
umsonst Gerechtigkeit und das Erbe. Was er von dem Menschen fordert, das ist
nur der Glaube. Aber der Glaube ist eben kein Werk des Gesetzes, sondern der
Mensch soll nur zugreifen und das hinnehmen, was Gott ihm verheißt. Nein, nicht
durch das Gesetz, sondern allein durch den Glauben kommt die Gerechtigkeit und
das Erbe. So bleibt auch die Verheißung fest und gewiss. So bleibt die
Verheißung in ihrem Recht und Bestand, ja, so kommt die Verheißung erst zu
ihrem Recht und Bestand, wenn der Mensch alle eigenen Werke bei Seite setzt,
und einfältig das glaubt und nimmt, was Gott ihm aus Gnaden verheißt. Aller
Same, der da glaubt, erlangt durch den Glauben die verheißene Gerechtigkeit,
das verheißene Erbe. Demgemäß sagt der Apostel von Abraham, dass „er an die
Verheißung glaubte und nicht zweifelte im Unglauben“. Römer 3,20. Im
Galaterbrief redet Paulus 3,15ff. von dem Testament der Verheißung, welches
älter ist als die Ordnung des Gesetzes. Die Verheißung lautet auf den Einen Samen,
Christus, Kap. 3,16, die Gerechtigkeit, Kap. 3,21, das Erbe, Kap. 3,18. In
diesem Zusammenhang heißt es: „Gott aber hat’s Abraham durch Verheißung frei
geschenkt.“ Kap. 3,18. Also was Gott in Christus verheißt, Gerechtigkeit und
das Erbe, das ewige Leben, das schenkt er eben damit, dass er es verheißt. Und
dieses Geschenks wird der Mensch habhaft durch den Glauben. Die da glauben,
sind nun im Besitz der Verheißung, der verheißenen Gabe, der Gerechtigkeit und
Seligkeit. Das besagt der Schlußsatz: „Aber die Schrift hat es alles
beschlossen unter die Sünde, auf dass die Verheißung käme durch den Glauben an
Jesus Christus, gegeben denen, die da glauben.“ Kap. 3, 22.
Das lutherische Bekenntnis ist auch in diesem
Stück nur ein treues Echo der Offenbarung Gottes. Die Augsburgische Konfession
gedenkt im 5. Artikel, welcher mit dem 4. Artikel „Von der Rechtfertigung“ eng
zusammenhängt, des Predigtamtes, des Evangeliums und bemerkt da nicht nur, dass
Gott durch das Evangelium den Heiligen Geist gibt und den Glauben wirkt,
sondern hebt auch hervor, dass das Evangelium „lehret, dass wir durch Christus
Verdienst, nicht durch unser Verdienst, einen gnädigen Gott haben, so wir
solches glauben“, dass also der Glaube auf das Evangelium gerichtet ist und im
Evangelium einen gnädigen Gott findet. Die Apologie der Augsburgischen
Konfession weist in der Erklärung des 4. Artikels „Von der Rechtfertigung“
nachdrücklich darauf hin, dass der Glaube an der göttlichen Verheißung hängt
und haftet. „Dass aber der Glaube nicht allein sei die Historia wissen, sondern
der da fest hält die göttlichen Verheißungen, zeigt Paulus genugsam an, der da
sagt zu den Römern am 4, 16: Derhalben muss die Gerechtigkeit durch den Glauben
kommen, auf dass die Verheißung fest bleibe. Da heftet und verbindet Paulus die
zwei also zusammen, dass, wo Verheißung ist, da muss auch Glaube sein usw., und
wiederum correlative, wo Verheißung ist, da fordert Gott auch Glauben.“
(Konkordienbuch, S. 72) „Darum muss das bestehen, dass zur Seligkeit die
Verheißung Christi vonnöten ist. Dieselbe kann nun niemand fassen noch
empfangen, denn allein durch den Glauben.“ (Konkordienbuch, S. 75) Die Apologie
zeigt dann ferner, dass Gottes Gnade Christi Verdienst durch die göttliche
Verheißung fasst und auf diese Weise den Menschen gerecht macht. „Derhalben so
oft wir reden von dem Glauben, der gerecht macht, oder fide justificante,
so sind allezeit diese drei Stücke oder objecta beieinander: erstlich,
die göttliche Verheißung; zum andern dass dieselbige umsonst ohne Verdienst
Gnade anbietet, für das dritte, dass Christi Blut und Verdienst der Schatz ist,
durch welchen die Sünde bezahlet ist. Die Verheißung wird durch den Glauben
empfangen“ usw. (Konkordienbuch, S 72) Das sind also die drei Stücke oder
Objekte des Glaubens, die göttliche Verheißung, Gottes Gnade, Christi Blut und
Verdienst. Diese drei Stücke sind aber allezeit beieinander. Der Glaube
empfängt die Verheißung und empfängt damit das, wovon die Verheißung sagt, Gottes
Gnade, Christi Verdienst, und machet damit den Menschen gerecht. Dasselbe
besagt der andere Satz: „Die göttliche Zusage bietet uns an, als denjenigen,
die von der Sünde und Tode überwältigt sind, Hilfe, Gnade und Versöhnung um
Christus willen; welche Gnade niemand mit Werken fassen kann, sondern allein
durch den Glauben an Christum.“ (Konkordienbuch, S. 71) Es ist mit einem Wort
die Vergebung der Sünden, welche wir durch die göttliche Zusage und durch den
Glauben an diese Zusage erlangen: „Damit stimmt Paulus zu den Galatern: Gott
hat alles unter die Sünde beschlossen, dass die Verheißung aus dem Glauben
Christi den Gläubigen widerfahre. Da stößt Paulus all unser Verdienst
darnieder, denn er sagt: wir sind alle schuldig des Todes und unter der Sünde
beschlossen; und gedenkt der göttlichen Zusage, dadurch wir allein Vergebung
der Sünden erlangen, und setzt noch weiter dazu, wie wir der Verheißung
teilhaftig werden, nämlich durch den Glauben.“ (Konkordienbuch, S 78)
Die Konkordienformel zeigt im 3. Artikel
„Von der Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott“, dass diese Güter, Gottes Gnade,
Verdienst Christi, Vergebung der Sünden, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt,
im Evangelium vorgetragen und durch den Glauben, welcher eben das Evangelium
fasset, angenommen, uns zugeeignet werden. Sie lehrt, „dass Gott uns um solches
ganzen Gehorsams willen, so er (Christus) im Tun und Leiden, im Leben und
Sterben für uns seinem himmlischen Vater geleistet, die Sünde vergibt, uns für
fromm und gerecht hält und ewig selig macht. Solche Gerechtigkeit wird durch’s
Evangelium und in den Sakramenten von dem Heiligen Geist uns vorgetragen und
durch den Glauben appliziert, zugeeignet und angenommen, daher die Gläubigen
haben Versöhnung mit Gott, Vergebung der Sünden, Gottes Gnade, die Kindschaft
und Erbschaft des ewigen Lebens.“ (Konkordienbuch S. 418) Die Konkordienformel
bekennt, „dass die Gerechtigkeit des Glaubens allein stehe in Vergebung der
Sünden, lauter aus Gnaden, allein um des Verdiensts Christi willen, welche
Güter in der Verheißung des Evangeliums uns vorgetragen und allein durch den
Glauben empfangen, angenommen, uns appliziert und zugeeignet werden.“
(Konkordienbuch S. 422) Und hieraus zieht dann die Konkordienformel den
Schluss, dass der Glaube uns allein darum gerecht macht, weil er die Verheißung
des Evangeliums und in der Verheißung des Evangeliums Gottes Gnade und Christi
Verdienst (und das ist ja nach der Konkordienformel die Gerechtigkeit, die vor
Gott gilt), die Vergebung der Sünden ergreift. „Denn der Glaube macht gerecht
nicht darum und daher, dass er so ein gut Werk und schöne Tugend, sondern weil
er in der Verheißung des heiligen Evangeliums den Verdienst Christi ergreift
und annimmt.“ (Konkordienbuch S. 418) „Denn der Glaube macht gerecht allein
darum und daher, weil er Gottes Gnade und das Verdienst Christi in der
Verheißung des Evangeliums als ein Mittel und Werkzeug ergreift und annimmt.“
(Konkordienbuch S. 423) „Der Glaube ist das einige Mittel und Werkzeug, damit
und dadurch wir Gottes Gnade, das Verdienst Christi und Vergebung der Sünden,
so uns in der Verheißung des Evangeliums vorgetragen werden, empfangen und
annehmen können". (Konkordienbuch S. 420)
Wir erinnern
schließlich noch an eine bekannte Stelle aus Luthers Schrift: „Von der Freiheit
eines Christenmenschen“, welche hierher gehört: „Wenn nun der Mensch aus den
Geboten sein Unvermögen gelernt und empfunden hat, dass ihm nun Angst wird, wie
er dem Gebot genug tue, da das Gebot muss erfüllet sein oder er muss verdammt
sein: So ist er recht gedemütigt und zunichte geworden in seinen Augen, findet
nichts in sich selbst, womit er kann fromm werden. Dann so kommt das andere
Wort, die göttliche Verheißung und Zusagung, und spricht: Willst du alle Gebote
erfüllen, deiner bösen Begierde und Sünde los werden, wie die Gebote zwingen
und fordern; siehe da, glaub in Christus, in welchem ich dir zusage alle Gnade,
Gerechtigkeit, Friede und Freiheit, glaubst du, so hast du; glaubst du nicht,
so hast du nicht. Denn das dir unmöglich ist mit allen Werken der Gebote, das
wird dir leicht und kurz durch den Glauben. Denn ich habe kürzlich in den
Glauben gestellt alle Dinge, dass wer ihn hat, soll alle Dinge haben und selig
sein; wer ihn nicht hat, soll nichts haben.“ (Erl. Ausg. 27,180)
Welche tröstliche Lehre! Wir haben das
Wort, das Evangelium. Das wird uns fort und fort gepredigt. Darin suchen und
forschen wir täglich. Dies Wort ist uns nahe, vor unsern Ohren, vor unsern
Augen, in unserm Mund, in unserm Herzen. Diesem Wort Glauben wir. Das halten
wir fest, so lange wir leben. Das gibt uns das Geleit zum Tode. Und in diesem
Wort haben wir also alles, was wir brauchen, womit wir im Leben und Sterben vor
Gott bestehen können, Gottes Gnade, Christi Blut und Verdienst, die Vergebung
der Sünden, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, das ewige Leben. Dieses Wort
ist nicht unser eigen, nicht aus der Menschen Herzen und Gedanken
hervorgegangen, es ist Gottes Wort, und was Gott im Wort uns sagt und verheißt,
dass er uns gnädig sei, dass er uns für fromm und gerecht halte, diese teure
Verheißung des Evangeliums bleibt also ewig fest stehen, wenn auch Teufel, Welt
und unser eigenes Herz uns verklagt und verdammt. Dies Wort, Gottes Wort ist
erhaben über alle Stimmungen und Wandlungen unsers innern Lebens, das
Evangelium bleibt sich immer gleich; so oft wir zum Wort greifen, sei es auch
mit betrübtem, verzagtem Herzen, sei es auch mit unlustigem Herzen, wir hören
da immer dieselbe Stimme, die freundliche Stimme unseres Heilandes, das gnädige
Urteil Gottes: Dir sind deine Sünden vergeben! Du bist mein liebes Kind! Dass
wir uns darum fleißig im Worte üben und aus dem Worte unsern Glauben stärken,
so werden wir dessen immer gewisser, wie wir zu Gott stehen, wie Gott zu uns
steht, dass Gott nichts wider uns hat, dass wir bei Gott in Gnaden stehen.
In den vorstehenden Artikeln haben wir uns nach allen Seiten klar und deutlich gemacht, was es um den rechtfertigenden Glauben ist. Der Glaube kommt in der Rechtfertigung als ein Mittel in Betracht, nur als ein Mittel, dadurch wir Gottes Gnade und Barmherzigkeit, dadurch wir Christi Verdienst, Gehorsam und Gerechtigkeit, dadurch wir die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, die Vergebung der Sünden, dadurch wir die Verheißung des Evangeliums, in welcher uns alle diese Güter vorgetragen und dargeboten werden, fassen, nehmen, uns zueignen. Nur darum, weil wir die Gerechtigkeit, die Gott uns darreicht, durch den Glauben nehmen und empfangen, macht der Glaube uns vor Gott fromm und gerecht. Wir wollen noch einmal in Kürze, was wir hierüber aus Schrift und Bekenntnis gelernt haben, überblicken und die eigentümliche Art und Natur des rechtfertigenden Glaubens uns vergegenwärtigen, den rechten Begriff vom Glauben uns fest einprägen.
Der Glaube „macht nicht deshalb gerecht,
weil er unser Werk und unser ist“. Der Glaube ist der Gegensatz zu allem Werk
des Gesetzes. Das Gesetz fordert, dass der Mensch Gott etwas leiste, und
fordert nicht nur äußerliche Werke, sondern der Mensch soll Gott fürchten und
lieben, sein Herz Gott zum Opfer bringen. In dem Handel von der Rechtfertigung,
von welchem das Evangelium sagt, handelt es sich um ganz andere Dinge. Gott
fordert hier nichts vom Menschen. Nein, hier öffnet Gott dem Menschen, der
Gottes Forderungen nicht erfüllt hat, der kein Verdienst der Werke aufweisen
kann, aus freier Gunst und Liebe sein väterliches Herz, zeigt dem Sünder seine
gnädige Gesinnung. Hier hat Gott den verlornen und verdammten Menschen Christus
als Gnadenstuhl und Freistatt hingestellt. Hier verheißt und schenkt Gott in
Christus Vergebung der Sünden, Leben, Seligkeit. Hier offenbart Gott die
Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Und der Mensch glaubt dem Wort, der
Verheißung, glaubt und nimmt das, was Gott ihm darreicht. Er hat Gott nichts
zuvor gegeben, dass ihm werde wieder vergolten, er wird zu keiner Gegenleistung
von Gott verpflichtet, Gott stellt ihm keine Bedingung. Nein, der Sünder, der
nichts hat und nichts leisten kann, was er vor Gott bringen könnte, der alles
Ruhmes vor Gott mangelt, nimmt dankbar, mit Freuden, den Dienst an, den Gott
ihm leistet. Gott ist es, der hier alles selber leistet, wirkt, tut, schenkt,
verheißt. Und der Glaube hält sich an das, tröstet sich dessen, was Gott tut
und gibt.
Wohl, wir sagen: Das Evangelium fordert
den Glauben. So heißt es öfter in der Apologie, dass die Verheißung den Glauben
fordere. Der Glaube muss zum Evangelium, zur Verheißung hinzukommen, damit man
derselben teilhaftig werde. Wer die Gabe Gottes nicht nimmt und empfängt,
vielmehr verwirft, hat keinen Teil daran. Das ist Forderung Gottes jetzt in der
Zeit des Neuen Testaments: Glaubet an das Evangelium! Es ist das der ernste
Wille Gottes, dass wir glauben, an Christus glauben, dem Evangelium glauben.
Aber das ist dennoch keine Forderung des Gesetzes, keine Forderung nach Art des
fordernden Gesetzes. Diese Forderung, dass die Sünder glauben sollen, fließt
aus dem Evangelium, ist selber Evangelium. Glaubet an den Herrn Jesus Christus!
Glaubet dem Evangelium! Das ist die stärkste, tröstlichste Zusage und
Verheißung, die sich denken lässt. Glaubet an Christus! Glaubet an das
Evangelium! Damit sagt Gott nicht: Ich habe alles Übrige getan, nun tut ihr
wenigstens dieses eine Werk und glaubet. Alle anderen Werke und Leistungen
erlasse ich euch, ich bin zufrieden, wenn ihr glaubt. Das ist doch nicht zu
viel verlangt, dass ihr mir nur dies Eine zu Liebe tut. Glaubet an Christus!
Glaubet an das Evangelium! Damit sagt Gott vielmehr: Ich habe alles getan, ihr
braucht nichts zu tun. Ich schenke euch frei, umsonst, was ihr mit keinem Werk
erlangen und erwerben könnt, Gerechtigkeit, vollkommene Gerechtigkeit. Es ist
alles bereit, ihr braucht nur zu nehmen und zuzugreifen. Hier habt ihr in
Christus Gnade, Vergebung, Gerechtigkeit, Trost, Friede, Seligkeit. So nehmet
doch, greifet zu, fasset zu mit beiden Händen, esset, trinket und werdet
trunken! Das Heil ist vor der Tür, das ist euch so nahe, das Wort ist euch
nahe, ihr habt es vor Augen, vor Ohren. So glaubet nur dem Worte! Wer von
Herzen glaubt, wer mit dem Munde bekennt, der wird gerecht und selig. Wahrlich,
das ist Evangelium, das ist kräftige Zusage, wenn Gott mit solchen Worten das
Heil darbietet und den einfältigen Sündern so dringlich zuredet, dass sie doch
nehmen und glauben.
Gewiss, der Glaube, das Glauben und
Nehmen, ist kein äußerliches Ding. Herz und Wille des Menschen ist dabei in
Bewegung. Der rechtfertigende Glaube ist herzliches Vertrauen, eine gewisse
Zuversicht. Aber doch ist dieses Vertrauen, diese Zuversicht kein Werk des
Gesetzes, kein Werk, keine Gesinnung, wie solche das Gesetz erfordert. Wenn der
Mensch ein Werk des Gesetzes vollbringt, so leistet er Gott, was er ihm
schuldet. Auch Furcht und Liebe zu Gott, das vornehmste Stück des
Gesetzesgehorsams, ist ein Opfer des Herzens, das der Mensch Gott darbringt.
Wenn der Mensch dagegen dem Evangelium glaubt, so bringt er Gott kein Opfer,
leistet Gott keinen schuldigen Dienst, nein, er öffnet vielmehr Gott sein Herz,
nimmt Gott, Christus, Gottes Gabe und Gnade, Christi Verdienst und Gerechtigkeit
in sein Herz auf. Der Glaube, diese feste, freudige Zuversicht des Herzens, ist
kein selbstständiges Werk, das in sich Wert und Geltung hätte. Nein, der Glaube
nimmt und fasst nur Gottes Werk, Gottes Geschenk, welches allein Wert und
Geltung vor Gott hat. Wir vertrauen von Herzensgrund auf Gottes Gnade und
Barmherzigkeit, wir verlassen uns auf Christi Verdienst und Gehorsam, wir sind
der gewissen Zuversicht, daß Gott in Christus uns alles vergeben hat und uns
für gerecht hält, wir bauen auf Gottes Zusage und Verheißung. Das ist der
Glaube. Sobald man aber das hinwegnimmt, woran der Glaube sich hält, sobald man
Gott, Christus, Gottes Gnade, Christi Gerechtigkeit, die Vergebung der Sünden,
das Evangelium hinwegtut, so fällt auch das Vertrauen, die Zuversicht hinweg,
so ist es mit dem Glauben aus.
Das Evangelium ermöglicht, macht und
schafft erst den Glauben. Das Evangelium, welches uns die Gerechtigkeit
offenbart, die vor Gott gilt, das Evangelium von der Vergebung der Sünden ist
eine neue Lehre, eine neue Offenbarung, die mit der Lehre und Offenbarung des
Gesetzes nichts zu schaffen hat, welche weit über das Gesetz hinaus liegt. Und
so ist auch der Glaube, welcher das Evangelium und damit die Gerechtigkeit
fasst, die vor Gott gilt, etwas Neues, Besonderes, etwas ganz anderes als
irgend ein Werk des Gesetzes. Damit, dass das Evangelium in die Welt gekommen
ist, ist auch der Glaube in die Welt gekommen. Indem Gott im Evangelium den
Sündern seine Gnade offenbarte und darbot, hat er zugleich Weg und Mittel
kundgetan, dadurch der Mensch dieser seiner Gnade habhaft und teilhaftig wird,
den Glauben. Gott hat im Evangelium die Fülle seiner Gnade über die Sünderwelt
ausgegossen und hat zugleich dafür gesorgt, dass dieser himmlische Segen ja
nicht an den Sündern vorbeiginge, hat dafür gesorgt, dass ein Gefäß vorhanden
wäre, welches die Fülle der göttlichen Gnade aufnähme, das ist der Glaube. So
liegt der Glaube ganz im Bereich des Evangeliums. Der Glaube ist etwas Einziges
in seiner Art, von allem sonstigen Verhalten, Werk, Dichten, Trachten des
Menschen unterschieden. Die Apologie hebt öfter hervor, daß kein Werk sonst,
sondern allein der Glaube die Verheißung fasse, an der Verheißung hafte. Luther
schreibt „Wenn du gleich alle deine Werke zusammenflöchtest, ja, nähmest aller
andern Werke dazu, dennoch hast du nicht Christus und wirst auch kein Christ
davon genannt. Christus ist ein ander Ding und etwas Höheres, denn Gesetz und
Menschengebot. Er ist Gottes Sohn, der allein zu geben und nicht zu nehmen bereit
ist. Wenn ich so geschickt bin, dass ich von ihm nehme, so habe ich ihn: Habe
ich denn ihn, so werde ich billig ein Christ genennet.“ (St Louiser Ausgabe,
XI, Sp. 1838). Und dieses Nehmen ist eben der Glaube.
Wo Paulus im Römerbrief von der Rechtfertigung
handelt, beschreibt er an einer Stelle des Näheren die besondere Art und
Eigenschaft des rechtfertigenden Glaubens, nämlich Röm. 4,18-22: „Und er
(Abraham) hat geglaubt auf Hoffnung, da nichts zu hoffen war, auf dass er würde
ein Vater vieler Heiden, wie denn zu ihm gesagt war: Also soll dein Same sein.
Und er ward nicht schwach im Glauben, sah auch nicht an seinen eigenen Leib,
welcher schon erstorben war, weil er fast hundertjährig war, auch nicht den
erstorbenen Leib der Sarah. Denn er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes
durch Unglauben, sondern ward stark im Glauben, und gab Gott die Ehre, und
wusste aufs allergewisseste, dass, was Gott verheißet, das kann er auch tun.
Darum ist es ihm auch zur Gerechtigkeit gerechnet.“ Abraham hatte die Verheißung
von Gott empfangen, sein Same sollte werden wie die Sterne des Himmels, wie der
Sand des Meeres, er sollte ein Vater vieler Heiden werden. Von dieser
zahlreichen, herrlichen Nachkommenschaft sah er zu der Zeit noch nicht die
geringste Spur. Er hatte noch keinen Sohn. Und nach dem Lauf der Natur konnte
er auch auf keinen Sohn mehr hoffen. Denn sein Leib war erstorben, wie auch der
Leib der Sarah, beide waren hochbetagt. Aber das war nun der Glaube Abrahams,
dass er wider Hoffnung auf Hoffnung glaubte, dass er seinen erstorbenen Leib
und den der Sarah nicht ansah, von seinem Unvermögen, von seiner Person ganz
absah, dass er dagegen seinen Blick stracks auf die Verheißung richtete, dass
er steif und fest Gottes Verheißung ins Auge fasste, im Auge behielt, Herz,
Sinne und Gedanken an das Wort der Verheißung heftete und fest überzeugt war
und nicht zweifelte, dass Gott das auch tun könne und werde, was er verheißen.
So gab Abraham durch den Glauben Gott die Ehre, indem er die eigene
Wahrnehmung, das eigene Urteil ganz bei Seite setzte und Gott Recht gab in
seinem Worte. Und so wurde ihm sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet, indem
er Gott alles anheimgab, Gott wirken und walten ließ, Gottes Verheißung, die im
letzten Grund auf Christus und das Heil in Christus lautete, frei gewähren
ließ.
Der Apostel bemerkt ausdrücklich, Röm.
4,23 usw., dass dies von Abraham geschrieben sei um unseretwillen, welchen auch
der Glaube soll zugerechnet werden, die wir an Christus glauben, den
Gekreuzigten und Auferstandenen. Anhand Abrahams Beispiel sollen wir lernen,
was es um den rechten Glauben sei. Das ist, wie Abrahams Beispiel zeigt, die
Art des Glaubens überhaupt, dass man nicht zweifelt an dem, was man nicht
sieht, dass man hoffet, wo nach dem Lauf der Natur nichts zu hoffen ist, dass
man also diese sichtbare Welt ganz aus den Augen tut. Und das ist die Art des
rechtfertigenden Glaubens, dass derselbe von der eigenen Person, dem eigenen
Unvermögen, dem eigenen Unwert gänzlich absieht. Es ist ein eigenes, wunderbares
Ding um den Glauben. Der Glaube haftet im eigenen Ich. Es ist eine Bewegung des
eigenen Herzens, unseres Willens. Wir sind es, die da glauben. Aber wir
verleugnen nun eben, indem wir glauben, uns selbst, unser eigenes Urteil,
unsere eigene Erfahrung, unser eigenes Gewissen. Wir sehen und finden in uns
nichts Gutes, eitel Schwachheit, Unvermögen, Sünde, Schuld und Übertretung. Wir
können es ja nicht leugnen, dass wir täglich viel sündigen. Unser Gewissen
verklagt uns. Die Erfahrung lehrt, dass wir untüchtig sind zu allem Guten. Aber
darin erweist sich nun der rechte Glaube, dass wir die eigene Person nicht
ansehen, dass wir, was sich in und an uns findet, was unser eigen ist, unsere
Schwachheit, Sünde, Schuld, auch alle eigene Gerechtigkeit, weit aus den Augen
setzen und unsern Blick woanders hin lenken. Der Glaube greift über sich
selbst, über die eigene Person hinaus und hängt und klammert sich an einen
Andern an.
Der Glaube sieht aufwärts, wie wir von
Abraham lernen, auf Gott, der die Verheißung gegeben hat, heftet sich und
haftet an Gottes Wort und Verheißung, baut und traut, der Natur, der Vernunft,
dem Zeugnis des eigenen Gewissens zuwider, auf die gnädige Zusage Gottes und
gibt also Gott die Ehre. Es ist die Art des Glaubens überhaupt, dass er die Dinge
der unsichtbaren Welt fasst und ergreift. Und es ist die Art des
rechtfertigenden Glaubens, dass er sich nach Gott, der Gnade Gottes ausstreckt
und die Verheißung der Gnade, das Evangelium von Christus umklammert und unter
allen Umständen festhält. Das ist der rechte Glaube, dass wir uns, wie wir
sind, ohne Scheu und Rückhalt der Gnade und Barmherzigkeit Gottes in die Arme
werfen, uns mit der Gnade bedecken, als mit einem Schilde, von der Gnade leben,
auf die Gnade leben und sterben. Das ist der rechte Glaube, dass wir Christus
ergreifen, Christus in uns aufnehmen, unsere Seele ganz und gar in Christi
Blut, Verdienst und Gerechtigkeit einhüllen, dass wir uns mit Christus als in
Eine Person zusammenschließen, alles, was Christi ist, uns zueignen, so dass wir
so rein und gerecht dastehen, wie Christus, so dass wir vor Gott so erscheinen,
als wären wir Christus. Das ist der rechte Glaube, dass wir, wenn unsere Sünde
uns sticht und schmerzt, zu dem Artikel von der Vergebung der Sünden unsere
Zuflucht nehmen, das große Wort: „Ich glaube eine Vergebung der Sünden“ uns vor
Augen setzen, ins Herz einprägen und damit das Gefühl und Bewußtsein der Sünde
ersticken.
Das ist der rechte Glaube, dass wir das
Evangelium von Christus, die teuerwerten Verheißungen, die uns Gnade, Trost
Friede, Seligkeit zusprechen, uns vorbilden, ins Herz einbilden, dass wir Herz,
Sinnen und Gedanken gänzlich in dieses Wort versenken, so dass die Seele voll
des Wortes wird, wie Luther sagt, ins Wort verwandelt, vom Wort und im Wort frei,
fromm, gerecht, fröhlich, selig wird. Der Glaube geht also gleichsam ganz auf
in dem Gegenstand, auf den er gerichtet ist. Wir werden durch den Glauben mit
Gott, mit Christus, mit dem Wort, wie Luther öfter sich ausdrückt, Ein Teig,
Ein Kuchen. Der Glaube ist eine ganz besondere, einzigartige Fähigkeit und
Geschicklichkeit, besteht darin, dass wir, wie Luther sagt, geschickt sind, von
Christus, von Gott zu nehmen. Das ist das besondere, Wunderbare an dem
Glauben, dass wir das, was außer uns liegt, Gott, Christus, das Wort, die
Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, eine fremde Gerechtigkeit, uns aneignen,
zueignen, so dass es nun unser eigen, unser eigenster Besitz ist. So gibt
der Glaube, wie die Schrift sagt, Gott die Ehre, indem er von nichts anderem
wissen will, als von Gott, von Christus, von dem, was Gott in Christus getan
hat und uns schenkt und verheißt. Auch dann, wenn der Mensch Gottes Gebot
erfüllt, das tut, was Gott von ihm fordert, ehrt er Gott. In ganz anderem Sinn,
in ganz anderer Weise aber geben wir Gott die Ehre, wenn wir glauben, wenn wir
erkennen, anerkennen, das gutheißen, dessen uns freuen und trösten, was Gott
tut, wirkt, uns darreicht. Und so wird der Glaube uns zur Gerechtigkeit
gerechnet, so werden wir durch den Glauben gerecht, indem wir Gott, Gottes
Gnade frei schalten und walten lassen und die Gerechtigkeit, die er uns in
Christus, im Wort darbietet, von ihm hinnehmen.
Dieser rechtfertigende Glaube, von dem wir
geredet haben, welcher von der eigenen Person, dem eigenen Unwert, dem eigenen
Tun und Werk absieht und Gott, Gottes Gnade und Gabe fasset, ist ein
Wunderding. Der wächst nicht aus der eigenen Natur, dem eigenen Denken und
Wollen heraus. Gott ist es, der hier alles in allem wirkt. Gott ist es auch,
der selber den Glauben im Herzen wirkt durch das Evangelium. Diese Frage
jedoch, woher der Glaube kommt, wie er entsteht, gehört in den Artikel von der
Bekehrung.
Hier im
Artikel von der Rechtfertigung halten wir das eine fest, dass Gott es ist, der
uns gerecht macht. Der Glaube macht uns gerecht. Aber das heißt, wie wir
erkannt haben: Gott macht uns gerecht. Der Glaube nimmt von Gott die
Gerechtigkeit, die er im Wort darreicht, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.
Wenn ein Armer, der nichts hat, Almosen nimmt, Tag für Tag sein Almosen
empfängt, nur von Almosen lebt, so ist es der Wohltäter, der das Almosen
darreicht, er allein, welcher den Armen am Leben erhält. Es wäre Hohn und
Spott, wollte man sagen, dass der Arme doch auch etwas tue und, indem er das
Almosen nimmt, etwas zu seinem Lebensunterhalt beitrage. Also stehen wir zu
Gott. So bestehen wir vor Gott. Wir nehmen, als arme Sünder, von Gott Gnade um
Gnade, Vergebung, Gerechtigkeit. Wahrlich, so ist alles eigene Mitwirken, aller
eigene Ruhm ausgeschlossen. Gott ist es, der gerecht macht. Indem wir glauben
und von Gott alles nehmen, sprechen wir: Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern
deinem Namen gib Ehre um deine Gnade und Wahrheit!