Valentin Ernst Löscher[1]
Inhaltsverzeichnis
3.
Löscher im Amt der Kirche (ministerium ecclesiasticum)
4.
Um die innere Erneuerung der Kirche
6.
Auseinandersetzung mit dem Pietismus
7.
Das Wirken Löschers in Dresden
8.
Warnung vor den römischen Katholiken
9.
Auseinandersetzung mit dem Rationalismus
10.
Familienleben. Charakter. Tod
Valentin Ernst Löscher stammte aus einer weitverzweigten Pfarrfamilie,
aus der eine Reihe angesehener Pastoren, unter anderem Jodokus Löscher, Luthers
Schüler und Hausgenosse, später Rektor in Oelsnitz, Lehrer in Weimar und
Diakonus in Werdau[2], und auch
Abraham Löscher hervorgingen. Valentin Ernst Löscher wurde am 29. Dezember 1673
(julianischer Kalender) als ältester Sohn (vor drei Schwestern und fünf
Brüdern) von Caspar Löscher und seiner Frau Cleophe
Salome, geborene Sittig, Tochter des Merseburger Hofpredigers, zu Sondershausen
geboren, wo sein Vater das Amt eines Superintendenten bekleidete. Mit diesem
siedelte er 1676 nach Erfurt, 1679 nach Zwickau über, wo er an der berühmten
Ratsschule den Unterricht des Magisters Feustel und des Rektors Daum genoss und
sich durch Fleiß, schnelle Auffassungsgabe und ein gutes Gedächtnis
auszeichnete. Schon mit 13 Jahren konnte er in die erste Klasse (Prima)
versetzt werden.[3] Seine
Mutter Cleophe Salome war die Tochter des
Stiftssuperintendenten von Merseburg.[4]
Nachdem sein Vater 1687 als Generalsuperintendent des Kurkreises und Professor
der Theologie nach Wittenberg berufen worden war, bezog Valentin Ernst zunächst
die dortige Stadtschule und am 13.03.1690 die Universität. Um diese Zeit
begannen die pietistischen Streitigkeiten.
Schon damals trat ein Zug in Löschers Wesen sehr deutlich hervor, der im
Zusammenhang mit seinem wissenschaftlichen Streben stand: Er war ein Sammler,
der Stoff aus allen möglichen Wissensgebieten zusammentrug. Allerdings warnte
ihn sein Vater vor den Gefahren der Polyhistorie und veranlasste ihn, vor allem
die griechische und lateinische Sprache und Literatur intensiv zu studieren.[5]
Die theologische Fakultät in Wittenberg nahm von vornherein sehr
entschieden Stellung gegen den Pietismus. Löscher zeigte nur geringes Interesse
für die kirchlichen und theologischen Fragen. Er studierte zunächst ausschließlich
Philologie, Philosophie und Geschichte (bei Konrad Samuel Schurzfleisch) und
träumte von künftigem Gelehrtenruhm. Unzählige Projekte zu literarhistorischen
Arbeiten und wissenschaftlichen Unternehmungen aller Art kreuzten sich in
seinem Kopf. Erst spät wandte er sich, seinem Vater zuliebe, der Theologie zu
und hörte neben seinem Vater Philipp Ludwig Hanneken,
Johann Deutschmann und Michael Walther.[6]
In seiner Magisterdissertation 1692 behandelte er dann ein theologisches Thema
und eine Zeitfrage: „Die rechte Lehre von den Visionen und Offenbarungen“ gegen
den Pietisten Petersen. Ein längerer Aufenthalt in Jena (mit
kirchengeschichtlichem Quellenstudium bei Friedemann Bechmann, wodurch er einen
Grundstock für seine späteren apologetischen Arbeiten legte) und der Verkehr
mit Baier und Sagittarius weckten das Interesse für
Kirchengeschichte. Historisches Verständnis der „naturalistischen“ und
„schwärmerischen“ (d.h. extrem pietistischen) Denkart erschien ihm nunmehr als
die erste Bedingung einer erfolgreichen Bekämpfung der antikirchlichen
Zeitrichtungen. In Jena wuchs Löschers Interesse an der Kirche und ihrer Lehre.[7]
1695 unternahm er die akademische Bildungsreise, bei der Universitäten,
Bibliotheken und Museen besucht und mit namhaften Gelehrten Kontakt aufgenommen
wurde, um den menschlichen und wissenschaftlichen Gesichtskreis zu erweitern,
Beziehungen zu knüfen[8].
In Hamburg verkehrte er mit dem entschiedenen Gegner Speners,
dem orthodoxen Pastor Johann Friedrich Mayer[9].
In Holland besuchte er die reformierten Hochschulen und die arminianischen
Theologen Limborch und Clericus. Über Kopenhagen ging
er nach Rostock und befreundete sich dort mit dem Gesinnungsgenossen Mayers,
dem Professor Fecht[10],
welcher es damals für geboten hielt, Spener die
Seligkeit abzusprechen. Da die theologische Fakultät zu Wittenberg eben damals
(1695) ihre „christlutherische Vorstellung“ gegen Spener
veröffentlicht hatte, so vermied Löscher es in Berlin, Spener
aufzusuchen. Diese Bildungsreise hatte Valentin Ernst Löscher einen tiefen
Blick in die Nöte seiner Zeit tun lassen, ihm vor allem den Gegensatz zwischen
Orthodoxie und Pietismus gezeigt und dessen Bedeutung als ein geschichtliches
Ereignis[11]. 1696
eröffnete er in Wittenberg seine akademischen Vorlesungen über die Anfänge des
Deismus und Pietismus und wirkte sonst vor allem noch einmal als Polyhistor auf
den Gebieten der Geschichte, Erdkunde, Chronologie, Astronomie und vor allem
seinem Lieblingsgebiet, der Münzkunde. Er findet die ersten Keime pietistischer
Anschauungen von Philo her bei den platonisierenden
Alexandrinern und beim Areopagiten.[12]
1698 wurde Löscher durch Herzog Johann Georg von Sachsen-Weißenfels als Pastor
und Superintendent in Jüterbog vorgeschlagen, am 16.12.1698 von Dr. Olearius in
Weißenfels ordiniert und am 29.12.1698 trat er sein Amt als Pfarrer an der St.
Nicolai-Kirche an. Mit der Übernahme dieses Amtes verwuchs sein inneres Leben
immer mehr mit dem der Kirche. Jetzt war es für ihn endgültig, dass er seine
Gaben, seine Kenntnisse, seinen Eifer in ihren Dienst stellte. Seinem Amt galt all
seine Aufmerksamkeit, seinen wissenschaftlichen Interessen in Verbindung mit
dem Amt nahmen die zweite ein; und erst danach kamen seine Liebhabereien. Das
war für ihn als einem gewissenhaften Mann selbstverständlich.[13]
Er wollte vor allem das religiöse Interesse der Jugend wecken und führte
Katechismus-Examina ein, ein Vorläufer des Konfirmandenunterrichts (s.a. unter
4.), sowohl in seiner Gemeinde selbst wie auch in der gesamten Inspektion.
Löscher erwies sich schon dort als Reformlutheraner, der durchaus auch von Spener gelernt hatte. Er sah die Mängel in der Gemeinde,
sah den Verfall christlichen Lebens und studierte durchaus die Vorschläge Speners, prüfte aber auch, in welcher Weise sie anwendbar
waren. Neben seiner direkten Amtstätigkeit betrieb er geschichtliche und
biblische Studien und promovierte daraufhin 1700 bei Gottlieb Wernsdorf dem
Älteren zum Doktor der Theologie.[14]
Löscher hatte erkannt, dass Wissenschaft nicht um ihrer selbst willen betrieben
werden darf, sondern dass sie Dienst für Gott am Nächsten sein soll.[15]
Er lernte aber auch, dass er sich nicht mit zu viel und zu verschiedenartiger
Arbeit überhäufen darf, weil dies sein Leben mit Gott stört: „Man kann mit
freiem, fröhlichen Gemüte das Seine viel eher und besser verrichten, als wenn
der Kopf mit so vielen Anschlägen verwirrt ist. Ein Wasser, das immer bewegt
wird, kann das Bild der darauf scheinenden Sonne nicht so fassen, als wenn es
ruht. So kann auch das Andachtsbild der ewigen Gnadensonne in einem so
beschäftigten Gemüt nicht gebildet werden.“[16]
1701 wurde er von Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Merseburg als
Superintendent nach Delitzsch berufen. Dort vertiefte er sich immer stärker in
ein intensives Bibelstudium mit dem Ziel der Erneuerung der theologischen
Wissenschaft. Besonders wichtig war es ihm dabei, dass die Kandidaten der
Theologie in rechter Weise geschult wurden und sittlich reif waren, wenn sie
ihr Amt antraten. Er selbst war bestrebt, Vorbild zu sein und lebte intensiv
mit der Schrift und war eifrig im Gebet und bei den Werken der Barmherzigkeit.[17]
Er setzte sich auch dafür ein, die Visitationen wieder einzuführen.[18]
Von 1707-1709 war er Professor in Wittenberg. 1709 wurde er als Pfarrer
an die Kreuzkirche nach Dresden berufen und zum Superintendenten der Dresdener
Inspektion, wie zum Assessor im Oberkonsistorium ernannt. Diese Stellung war
umso wichtiger, als 1697 das sächsische Herrscherhaus um der polnischen
Königskrone Willen zu römischen Katholizismus abgefallen war und ein Riss
zwischen dem Volk und dem Kurfürsten bestand[19]
und letzterer anfing, den Katholizismus zu fördern. In dieser einflussreichen
Stellung verblieb Löscher bis zu seinem Tod 1749.
Der Eintritt ins geistliche Amt gab seinem Geist eine andere Richtung.
Den Bedürfnissen der Kirche wandte er fortan seine Aufmerksamkeit zu. Seine
umfassenden Kenntnisse und seine wissenschaftlichen Forschungen stellte er von
nun an in ihren Dienst. Obgleich von Herzen der orthodoxen Richtung zugetan,
war er unbefangen genug, die von allen ernsten Christen beklagten und von Spener gerügten Notstände in der Kirche anzuerkennen und
die Äußerlichkeit des christlichen Lebens in den Gemeinden auf die Versäumnisse
der orthodoxen Pastoren zurückzuführen. Er weigerte sich daher auch nicht, sich
der Mittel zu bedienen, die Spener zur Belebung des
Glaubens vorgeschlagen hatte. Als Superintendent drang er auf Einführung der Katechismusexamina und empfahl unter gewissen
Bedingungen collegia pietatis
(Bibelkreise).
Immer aber blieb sein Blick auf die Kirche als Ganzes gerichtet. Schon
in Jüterbog reifte sein Plan, eine deutsche theologische Zeitschrift
zu gründen. Mit dem Beginn des Jahres 1701 erschienen die „Unschuldigen
Nachrichten von alten und neuen theologischen Sachen“, im ersten Jahrgang unter
dem Titel „Altes und Neues aus dem Schatze theologischer Wissenschaft“, von
1721-31 unter dem Titel „Fortgesetzte Sammlung von alten und neuen
theologischen Sachen“ und unter der Redaktion des Magisters Reinhard, seit 1731
wieder unter Löschers Leitung. Sie wurde auch nach Löschers Tod noch weiter
herausgegeben bis 1761. Es ist die erste theologische Zeitschrift. Sie erschien
allmonatlich, bisweilen auch allwöchentlich, und brachte Rezensionen und Artikel.
Die Neuheit des Unternehmens, die Tüchtigkeit des Herausgebers, der alle
bedeutenderen literarischen Erscheinungen berücksichtigte und den Bewegungen in
der katholischen und reformierten Kirche, sowie allen Werken in französischer,
englischer, italienischer Sprache seine Aufmerksamkeit zuwandte, auch die im
ganzen würdige Haltung in der Polemik gaben der Zeitschrift eine ganz
außerordentliche Bedeutung. Sie musste nach einigen Jahren in zweiter Auflage
erscheinen. Löscher hatte sich durch sie zum Führer der orthodoxen Partei in
der lutherischen Kirche und zum Vertreter der lutherischen wissenschaftlichen
Theologie aufgeschwungen. Der Kampf, den die Zeitschrift führte, galt den
„naturalistischen und fanatischen Irrlehren“. Das Programm dieses Blattes lautete:
„Gott hat uns in diesen trübseligen Zeiten, da man so viele bedauernswürdige
Risse in den Mauern des evangelischen Jerusalem sehen muss, zu Wächtern seiner
Kirche gesetzt und durch verliehene theologische Würden zu mehr Ausbreitung
seines Namens verbunden, also, dass wir schuldig sind, anderen mit dem, was des
Herrn Hand uns anvertrauet hat, zu dienen.“[20]
Es wurde eifrig gelesen, von Freunden wie von Feinden; Löscher wurde mit Lob
überhäuft, aber auch auf das heftigste angegriffen. Nicht zuletzt durch diese
Zeitschrift wurde er als das Haupt der lutherischen Orthodoxie begriffen, die
für die Reinheit der Lehre und für die Kirche kämpfte.[21]
In dem Bestreben, die berechtigten Forderungen des Pietismus zur Anerkennung
zu bringen, veröffentlichte er in Jüterbog seine „Edlen Andachtsfrüchte“
zur Empfehlung der theologia mystica orthodoxa, rügte die „große Verderbung“
aller drei Stände im Land und forderte den „innerlichen Gottesdienst“:
heilige Andacht, Verleugnung des Willens, Tötung des Fleisches. Er will die „Herzenstheologie“
lehren und zeigen, dass es außer der Wissenschaft und dem Bekenntnis der
Glaubensartikel und dem äußerlichen Tugendwandel noch etwas Innerliches gibt,
daran man wachsen muss. Herzenstheologie, das heißt für ihn: nicht nur Wissen
um die Glaubensartikel und äußerlicher sittlicher Wandel, sondern gläubiges
Gottvertrauen, Liebe, Furcht und Anbetung Gottes, Hass der Sünde, Verachtung
der Welt, Hoffnung des ewigen Lebens, Furcht des göttlichen Zorns, Freude in
Gott – aber nicht aus einem „inneren Licht“, sondern aus der Bibel geschöpft,
gemäß der lutherischen Lehre, eben: veritas et pietas, Wahrheit und Frömmigkeit.[22]
„Aber dass unser Christentum nicht bei der bloßen Wissenschaft der
Glaubensartikel und einem äußerlichen Sittenwandel bleiben müsse, sondern man
suchen soll den Verstand durch heilige Andacht, den Willen durch Verleugnung
seiner selbst, die Affekte durch Tötung des Fleisches zu erneuern, ist
unwidersprechliche Wahrheit. Dass in einer gottgeheiligten Seele, die
dergestalt ihre Besserung sucht, der Geist der Gnade, der Liebe und des Gebets,
der Freude und des Trostes seine heilige Einwohnung und Wirkung spüren und
fühlen lasse, kann ebenso wenig geleugnet werden. Die Wissenschaft von diesen göttlichen
Geheimnissen, die der Vernunft sehr fremd vorkommen und auch den Anfängern im
Christentum nicht vorgetragen werden, nennt man die theologia
mystica.“[23] Aber er
will auch Grenzen ziehen zwischen der in den Schranken der reinen Lehre
bleibenden „wahren Andacht“ und dem gegen die Kirche und ihre Lehre
gleichgültigen „fanatischen Enthusiasmus“. Rechte Erbauung kann nur auf der
Grundlage reiner biblischer Lehre geschehen. Dazu bedarf es keiner neuen
Reformation, sondern rechter Amtsführung mit den Gnadenmitteln. Die Kirche soll
wieder lebendig werden, nicht nur einzelne Personen. Weil die orthodoxe
lutherische Lehre Bibeltheologie und zugleich Herzenstheologie ist, ist
jegliche Veränderung Angriff auf die biblische Wahrheit.[24]
Der Pietismus führte ja einer „mystischen Herzenstheologie“ das Wort, die vom
Wort der Schrift losgelöst war. Sie ließen es auch zu Abweichungen in der Lehre
kommen, da sie gegenüber der reinen Lehre eher gleichgültig waren, oft war es
eine Vermischung von Wahrem und Falschem, wie die Entgegensetzung von Geist und
Buchstabe, fleischlich und geistlich, äußerlich und innerlich. Rechtfertigung
und Heiligung dagegen, Bekehrung und Erleuchtung wurden nicht recht
unterschieden.[25] Den
einzelnen Abschnitten dieses Werkes fügte er einige von ihm selbst gedichtete
geistliche Lieder bei, von denen nicht wenige in die kirchlichen Gesangbücher
übergegangen sind. Das Bußlied „O König, dessen
Majestät“ braucht den Vergleich mit denen seiner theologischen Gegner nicht zu
scheuen.[26] Insgesamt
hat er 120 Choräle gedichtet, die auf zehn seiner Schriften verteilt sind. Sie
geben etwas wieder von dem persönlichen Glaubensleben Löschers, kommen aus seinem Herzens, sind Kampf- und Siegeslieder. Sie zeugen
von seinem Gebetsleben und der Prüfung seines Wandels. Häufig hat er auch die
Melodie selbst komponiert. Allerdings haben auf die Dauer nur wenige sich den
in Gesangbüchern gehalten, bei denen die innere Bewegung am trefflichsten sich
ausdrückte.[27]
Zu Förderung des geistlichen Lebens und dessen rechter Gründung in
Schrift und Bekenntnis begann Löscher schon in Jüterbog mit
Katechismusunterricht und Katechismusexamina, was er
in allen Gemeinden seines Inspektionsbezirks einführte. Auch um die Armen
kümmerte er sich. Er kannte Speners Vorschläge zu
Reformen, prüfte sie genau auf ihren Hintergrund und ihre Auswirkungen und
wandelte sie in einem kirchlich-lutherischen Sinn ab.[28]
Die Übersiedlung nach Delitzsch (1701) gewährte ihm die Muße zu
gründlichem Studium der hebräischen Sprache und zu exegetischen und
biblisch-theologischen Arbeiten (s. unter 3.), denn er wollte die
Theologie zu intensiverem Studium der Schrift zurückführen und ihr exegetische
Hilfsmittel an die Hand geben. Überhaupt war ihm die exegetische Arbeit von
großer Bedeutung. In ihrer Vernachlässigung sah er eine der Hauptursachen für
den problematischen Zustand in der Theologie, nicht zuletzt auch deshalb, weil
die Sprachen zu wenig bearbeitet wurden. „Die rechtschaffene Untersuchung des
Grundtextes ist das Hauptmittel, mit welchem man auch allein den Gegnern
gegenüber ankommen kann“[29].
In den Unschuldigen Nachrichten veröffentlichte er 1703 „pia
desideria“ (Fromme Wünsche), die darauf ausgehen,
in gleicher Weise der Veritas (Wahrheit) wie der Pietas (Frömmigkeit) die
Herrschaft zu sichern und dabei, soweit möglich, auf Altes, Bewährtes
zurückzugreifen, das zu erneuern sei, und nur ausnahmsweise auch Neuerungen
einzuführen. Vorzugsweise an seine Amtsbrüder wandte er sich, warnte sie vor
der „fluchwürdigen Geldgier“ und der maßlosen
Ehrsucht, Titelsucht, Herrschsucht und erinnerte sie daran, dass ihnen die
Herzen und nicht die Ohren anvertraut seien: „Es ist ja unleugbar, geliebte
Mitbrüder, dass unter uns, die wir verordnet sind zum Dienst der Kirche und zur
Heilung der Gewissen, viele ihrem Berufe Genüge getan zu haben meinen, wenn sie
nur regelmäßig die Predigten vor der Gemeinde halten und häufig die Sakramente
verwalten. Wollen wir doch ja nicht vergessen, dass uns die Herzen und nicht
die Ohren anvertraut sind, und dass eine solche Vernachlässigung ewiges
Verderben nach sich zieht.“ Die Pastoren sollten Vorbilder der Gläubigen sein. Er
empfahl daher Predigerversammlungen, Erneuerung der Kirchenzucht und
Einzelseelsorge, sowie eine Zeitung für die Prediger, in der es vor
allem um die praktischen Erfahrungen im Amt gehen sollte und um
Verbesserungsvorschläge..[30]
Die Studierenden der Theologie und die Kandidaten fasste er ins Auge und
empfahl Vereine der Gleichgesinnten und sittliche Anleitung durch die
Dozenten. Vom Kirchenregiment forderte er Wiedereinführung der Kirchenvisitationen.
Die Gemeinden suchte er durch Einrichtung von Laiendiakonaten zu beleben,
denen die Armenpflege, sowohl der Haus-Armen wie der Armenhäuser, und auch die
Sorge für die verwaisten Kinder übertragen werden sollte. Besonderes Gewicht
legte er auf die Heiligung des Sonntags, sowohl durch die Einführung von
Liebesmahlen, die er vorschlug, bei denen mittellose Gemeindeglieder
durch die reicheren gespeist werden sollten, als auch Versammlungen der
Gemeinde nach dem Gottesdienst zu Schriftlese, Gebet und Gesang.[31]
Während der Auseinandersetzung wegen der Unionsbestrebungen (siehe unter
5.) erschien sein Buch „des causis linguae Ebraeae“ (Von der
Herkunft der hebräischen Sprache) und seine „historia
meretricii imperii“, ferner „geheime Gerichte Gottes
über das Papsttum“ und „Jon, sive origines
Graeciae restauratae“, eine
Untersuchung über die Herkunft der kleinasiatischen Griechen. Zur Erweckung des
Glaubens oder „zu Erweckung wahrer Pietät“ gab er 1704-1710 seine
„Evangelischen Zehenden gottgeheiligter Amtssorgen“
heraus, die allgemein mit Beifall aufgenommen wurden.
In die Zeit seines Delitzscher Aufenthalts fiel auch sein Kampf gegen
die Unionstendenzen des Berliner Hofs und der diesen Bestrebungen entgegen kommenden pietistischen Theologen. Diese Tendenzen
kamen nicht von ungefähr. Sie waren nicht nur seit dem Abfall der Hohenzollern
zum Calvinismus und dem damit einhergehenden Bestreben dieser Herrscher, das
Luthertum in ihren Ländern faktisch zu eliminieren, praktisch ständig auf der
Tagesordnung. Vielmehr griff die geistliche und konfessionelle Gleichgültigkeit
besonders in den politischen und vornehmen Kreisen immer mehr um sich. Das
wurde durch die aufkommende Aufklärung und Philosophen wie Christian Thomasius
noch gefördert, die überhaupt die Kirche dem Staat unterwerfen wollten und
grenzenlose Willkür gegen die Konfessionen befürworteten, ja geradezu
forderten. Der Pietismus nahm zwar nicht so offen eine Stellung ein, aber seine
eher gleichgültige Position in Lehrfragen, seine Tendenz, die Lehre hinter dem
Leben zurücktreten zu lassen, sein Hang, der Erfahrung den Vorrang vor der
Lehre und dem Bekenntnis zu geben förderten nicht das konfessionelle
Bewusstsein, sondern unterminierten es weiter.[32]
König Friedrich I. (nicht zuletzt unter dem Einfluss von Leibniz, der
gerne eine Vereinigung der reformierten, anglikanischen und lutherischen Kirche
erreicht hätte) berief 1703 ein Unions-Kollegium unter dem Präsidium des
Hofpredigers Benjamin Ursinus. Spener,
aufgefordert, an diesem sich zu beteiligen, lehnte ab, verhehlte auch nicht
seine Bedenken gegen das Unternehmen. Der lutherische Propst Julius Lütkens schied bald aus. Der pietistische Pastor Winkler
dagegen, ebenfalls Mitglied des Kollegiums, veröffentlichte sein „arcanum regum“, in welchem er dem König als summus episcopus (Notbischof) das
Recht der Union zusprach und die Pflege des Pietismus als das beste Mittel zur
Förderung der Kircheneinigung empfahl.[33]
Diesen Machenschaften trat Löscher anonym mit seiner „Allerunterthänigsten
Adresse … die Religionsvereinigung betreffend“ entgegen (1703). Er betonte die
durchgehenden Lehrunterschiede der beiden evangelischen Kirchen. Er bezog sich
dabei auf die Lehren von der Erwählung, des Abendmahls, der Person Christi und
der Gnadenmittel, wobei er reformierterseits immer
diejenige Auffassung zu Rate zog, die der lutherischen noch am nächsten steht
(denn die reformierte Kirche in vielen Lehrpunkten in sich nicht einig ist).[34]
Er fand in der Begünstigung der Union von Seiten der Pietisten den schlagendsten Beweis für ihre Gleichgültigkeit der Kirche
und der reinen Lehre gegenüber. So weit komme man,
meinte er, wenn die „allgemeine Dependenz des Verstandes vom Willen und der
Orthodoxie von dem frommen Leben gelehrt wird“. Infolge des durch die „Adresse“
erregten Streits ließ Löscher seine „Historie der ersten Religions-motuum zwischen den Evangelisch-Lutherischen und
Reformierten“ erscheinen (1704) und in den Jahren 1707 und 1708 die
„Ausführliche Historia motuum“
in zwei Teilen, eine wertvolle Zusammenstellung der auf den Streit beider
Kirchen sich beziehenden Tatsachen. Den dritten Teil der Historia
publizierte er erst 1724 mit einem paränetischen Anhang „Ermahnung an die
reformierten Gemeinden in Deutschland“, nachdem die Unionsvorschläge der
Württemberger Theologen Chr. Klemm und M. Pfaff bei den evangelischen Ständen
in Regensburg Anklang gefunden hatten. Auch gegen den Bau eine „Simultankirche“
für Lutheraner und Reformierte in Berlin durch den Hohenzoller Friedrich I.,
bei der Luthers und der Heidelberger Katechismus auf dem Altar lagen, hatte
1709 deutlich protestiert und die beteiligten Pfarrer korrekt „Religionsmenger“ genannt. Dabei wusste er, dass die Not ja
tiefer ging: „Der Schaden Josephs ist groß. Der Indifferentismus gegen die
Wahrheit nimmt überhand. Die Universitäten und Ministerien sind erfüllt mit
Leuten, welche unsere symbolischen Bücher verhöhnen und verachten, Leute, die
mit den Reformierten das heilige Abendmahl zu halten nicht für unrecht
erachten.“[35]
Zum Streit mit den Pietisten kam es erst, nachdem Spener
gestorben und 1706 Joachim Lange als Vorkämpfer der Hallenser aufgetreten war,
und zwar durch Veröffentlichung der „Aufrichtigen Nachrichten von der
Unrichtigkeit der Unsch. Nachrichten“. Mit dieser
Schrift ging der Pietismus zur Offensive über. In ihr wird die Behauptung
aufgestellt, die sog. Orthodoxie sei Irrlehre und die Orthodoxen seien Epikuräer, Atheisten und insbesondere Pelagianer, letzteres
wegen ihrer Lehre von der theologia irregenitorum (Theologie der Nichtwiedergeborenen) oder
wegen des Satzes, den Schelwig verfochten hatte, ein
gottloser Orthodoxer sei kein natürlicher Mensch mehr, sondern erleuchtet und
könne ein rechtschaffener Prediger sein. J. Lange behauptete, die wirkliche
Orthodoxie fände sich nur bei den Pietisten. Damit war der bisherige Streit zu
einem Lehrstreit gestempelt, die pietistische Lehrweise als die allein
berechtigte dargestellt und der Orthodoxie die Fehde angekündigt. Überall und
besonders in den Lehren von der Erleuchtung, von der Beichte und Absolution,
von der Heiligen Schrift, vom Glauben, von der Rechtfertigung und Heiligung,
von den Mitteldingen wollte Lange den Orthodoxen die bedenklichsten Irrlehren
nachweisen. Dazu führte Joachim Lange den Streit in der leidenschaftlichsten
Weise, mit einer Rohheit und Selbstüberhebung, die nur in der Polemik eines
Meyer und Schelwig ihr Vorbild hatte, ja, in ihrer
Bösartigkeit, persönlichen Beleidigungen weit darüber hinaus ging.
Löscher übernahm die Verteidigung der Orthodoxie und die Bekämpfung des
so trotzig auftretenden Gegners. Seine Berufung als Professor nach Wittenberg
an Deutschmanns Stelle (1707) kam ihm unter diesen Umständen erwünscht. Er fand
Zeit, Geschichte und Wesen des Pietismus zu studieren. Als erste Frucht dieser
Arbeit erschienen seine „praenotiones et notiones theologiae“, eine
Untersuchung der theologischen Begriffe, deren Auffassung zwischen beiden
Parteien streitig war (Wiedergeburt, Heiligung, Erneuerung, Erleuchtung). Auch
verteidigte er hier den Satz: doctores orthodoxos impios esse illuminatos (Orthodoxe ungläubige Lehrer sind erleuchtet).[36]
Obwohl Löscher nach seiner Berufung nach Dresden (siehe 7.) eine
ungeheure Arbeitslast zu bewältigen hatte, setzte er seine Studien fort,
unterstützt durch seine ungewöhnlich kostbare und reichhaltige Bibliothek,
angeregt durch die Angriffe Langes, der seine idea theologiae pseudoorthodoxae, den Antibabarbarus orthodoxae und die
„Mittelstraße“ hatte erscheinen lassen. Endlich trat Löscher mit einer
umfassenden Kritik des Pietismus hervor. Es geschah in einer Serie von
Aufsätzen in den „Unschuldigen Nachrichten“ unter dem Titel „Timotheus Verinus“. Dieser Titel sollte andeuten, dass Löscher
als Timotheus die Gottesfurcht, als Verinus die
Wahrheit verteidigen und sowohl für die Frömmigkeit wie für die reine Lehre
eintreten wolle, und zwar zur Förderung des Friedens und der Frömmigkeit. Dabei
stimmte Löscher mit dem Pietismus überein, dass die Kirche an gewissen
Gebrechen litt. „Die Zeiten sind da, die Luther vorausgesagt, da Epikureismus
und Enthusiasmus miteinander im Bunde die wahre Gottseligkeit und den wahren
Glauben antasten wollen. Weltliche Häupter, Lehrer und Zuhörer sind des
Evangeliums müde geworden. Ich muss darum kraft meines Berufes und vermöge der
Erkenntnis, die mir Gott gegeben hat, die Gefahr, so vom Pietismus herrührt,
mit erhobener Stimme vorstellen und darf nicht schonen.“[37]
Er stellt den Ausbruch eines die wichtigsten Lehren des Christentums
berührenden Streits fest, nämlich: von der Wissenschaft der geistlichen Dinge,
von der Erleuchtung eines übellebenden Orthodoxen, von der Beichte, von den
Mitteldingen, vom Chiliasmus, vom Gnadentermin.[38]
Löscher erkennt dabei sehr wohl an, dass die orthodoxen Kämpfer nicht überall
den Ernst, die Treue und den Eifer, den man verlangen und wünsche könne,
angewendet hätten, die wahre Gottseligkeit und das rechtschaffene Wesen in
Christus nicht überall gefördert, auch die Pflichten der Liebe und
Friedfertigkeit nicht recht vor Augen gehabt hatten, die Sanftmut nicht immer
beachtet wurde.[39]
Sodann untersucht er die Grundanschauungen des Gegners, namentlich seine
Auffassung des Verhältnisses von Pietät und Religion, und zeigt, dass der
Pietismus dasselbe falsch bestimme, unter Frömmigkeit etwas ganz Absonderliches
verstehe und im Eifer für die Frömmigkeit das wahre Christentum und die Kirche
gefährde, ja sogar mit der Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben in
Widerspruch gerate. Als den zentralen Grundfehler des Pietismus stellt er
dabei heraus, dass die Pietisten den Eifer für die Frömmigkeit überzogen, denn
diese gehört wohl in Gottes Ordnung, aber nicht zum Kern der Seligkeit. Die
Rechtfertigung allein aus Gnaden, allein um Christi Verdienst willen, allein
durch den Glauben darf durch die Überbewertung des christlichen Lebens, durch
die Verschiebung der Schwerpunkte, nicht gefährdet oder gar aufgehoben werden.[40]
Pietas, Frömmigkeit oder Gottseligkeit, das machte Löscher deutlich,
umfasst die gesamte Religion, also den gesamten christlichen Glauben, nicht nur
das Leben. Sie ist, wie er schreibt, die zur Praxis gebrachte Religion, die
wiederum aus der Praxis der Gnadenmittel und in der Praxis der Früchte, die aus
dem Gebrauch der Gnadenmittel folgen, besteht. Gottselig ist also, wer 1) Gottes
Wort gemäß der biblischen Lehre hört, betrachtet, behält, glaubt, bekennt; die
Taufe und das Abendmahl gemäß Christi Einsetzung gebraucht und damit lebt, und
zwar nicht nur äußerlich, sondern als Gottes Wort und Sakrament für ihn, also
Wort und Sakrament mit Hochachtung, Aufmerksamkeit und Verlangen begegnet und
2) mit den Früchten des Heils innerlich und äußerlich geschmückt ist, also
bewusst als Christ Gott fürchtet und liebt und mit Ernst ihm treu dient, also
in täglicher Bibellese, in täglicher Sündenerkenntnis, Umkehr, Vergebung und
guten Werken lebt. Die Pietisten haben dabei den Schwerpunkt auf den zweiten
Teil gelegt. Der gehört zwar sehr wohl zu dem, was Gott von einem Christen
will, gehört aber nicht zum Grund und Wesen der Seligkeit (Unterscheidung von
Gesetz und Evangelium, Rechtfertigung und Heiligung). Dieses Christenleben kann
aber nur aus dem rechten Gebrauch der Gnadenmittel, vor allem rechter
Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, kommen. „Es ist demnach die
Pietät, in jener Beschränkung aufgefasst, nötig zur wahren Religion in ihrer
Fülle (completive), und zwar als nötige Folge
derselben. Sie ist nötig, nicht zur Seligkeit, sondern denen, die selig werden
wollen, als Teil göttlicher Ordnung. Sie ist nötig zum wahren Christentum als
dessen Frucht und ex capite periculi
(als Erweis desselben). Sie ist absolut nötig zum tätigen
Christenwandel, oder sie ist vielmehr derselbe selbst. Sie ist nicht nötig zu
den Gnadenmitteln, aber wohl nötig dem, der die Gnadenmittel nach Gottes
Ordnung ohne seiner Seelen Schaden fort brauchen will.“ Er hebt hervor,
dass das Verständnis der Frömmigkeit aber verschoben wurde, wenn man darin mehr
den inneren Trieb, den Ernst, Gott redlich zu dienen und seiner Seele Heil zu
suchen meint und dies dann von den übrigen Früchten des Heils trennt – und
vergisst, dass auch diese Empfindungen Früchte der Gnadenmittel sind. Ganz
schief wird es da, wo in die Frömmigkeit nach dem zweiten, engeren Verständnis,
auch die Gotteskindschaft und Einwohnung Christi einbezogen wird. Der Pietismus
hatte ja immer mehr den Eindruck erweckt, als hänge alles, auch die Seligkeit,
von den Früchten des Heils ab. Dadurch treten dann Gottes Wort, reine Lehre,
Wahrheit, Evangelium, die Gnadenmittel stark zurück, auch das Predigtamt. Die
Gnadenmittel in ihrer Kraft drohen letztlich von der Frömmigkeit abhängig zu
werden, das Gesetz, die guten Werke drohen so zur Grundlage des Heils zu werden.[41]
Dabei wird Löscher nicht müde zu betonen, dass die Pietas allerdings
unbedingt wichtig, hochnötig ist, der tätige Christenwandel sehr gefördert
werden muss. Denn wer sich nicht in der Pietas
betätigt, der steht in der Gefahr, die empfangene Gnade und den Glauben wieder
zu verlieren und in Verstockung zu fallen.[42]
Als weiteren entscheidenden Problempunkt erkannte Löscher, dass die
Bedeutung der Orthodoxie, der reinen Lehre, zurückgeschoben wurde, denn
es wurde behauptet, deren Studium solle nicht so hoch
geschätzt werden. Dem ist aber entgegen zu halten, dass es bei der
Orthodoxie 1) um das reine Gotteswort geht, ein heilbringendes, kräftiges
Gnadenmittel. Es geht um die Erkenntnis Gottes zum Heil. Weiter aber 2) geht es
um seine Lehre, doctrina divina,
die auch eng mit der heilsamen Lehre nach 1) verknüpft ist, da in dieser Welt
viele Irrtümer, Verführung vorhanden sind und es ja um Gottes Wort geht, das
uns anvertraut ist, worüber wir kein Recht haben, Abstriche zu machen. Und die
wahre Orthodoxie ist keineswegs nur mit natürlichen Kräften zu erlangen,
sondern ist und bleibt ein Gnadengeschenk, denn es geht nicht nur um das äußere
Lehrgebäude, sondern auch um den rechten Verstand der Lehre, der
Glaubensähnlichkeit, der Verbindung der Lehrartikel. Ohne den Heilligen Geist
aber fehlt dieser rechte Verstand, der wahre Sinn des Gotteswortes kann nicht
erfasst werden. Ein ungläubiger Lehrer hat daher nicht die Orthodoxie im
Vollsinn des Wortes, hat nicht die ganze Substanz der rechten Lehre.[43]
Als dritten Grundirrtum, der sich aus dem ergibt, was zur
Pietas gesagt wurde, erkannte Löscher die Beeinträchtigung in der wahren
Lehre von der Rechtfertigung. Hier betonte er, wie wichtig es ist, dass
zwischen dem Grund des Heils und dessen Früchten, zwischen Glauben und Werken,
zwischen Christus und seine Gerechtigkeit haben und unserem Tun klar
unterschieden werden muss. Dabei erkennt er durchaus an, dass der direkte
Angriff gegen diesen Artikel von den Extremisten wie Dippel ausgegangen ist und
auch die Fakultät in Halle sich gegen diese Extremisten gestellt hat. Aber er
erkennt auch bei Halle eine Veränderung in der Rechtfertigungslehre, indem sie
letztlich eine doppelte Rechtfertigung lehrten (etwa Breithaupt in seinen Theses credendorum, S. 131), eine
unreife, schwache, die nur so viel bewirke, als dass des Menschen Gebet
gefalle, er aber noch nicht voll gerechtfertigt sei. In die völlige
Rechtfertigung aber werden dann die Pietas, die guten Werke mit hineingezogen.
Auch Halle brachte schon die Lehre vom „tätigen Glauben“ auf (s.o. Anm. 41),
der gerecht mache bzw. gerecht mache, sofern er tätig sei, und griffen auch die
majoristische Irrlehre wieder auf, dass gute Werke
zum Heil nötig seien.[44]
Als weiteren Grundirrtum machte Löscher die pietistische Lehre vom
Geist und Buchstaben, von Geist und Fleisch aus. „Buchstabe“ war
hier nicht mehr das Gesetz, sondern das Wort, die Lehre, „Geist“ dagegen die
Pietas, die Erfahrung, das Erlebnis, das Empfinden. Er sieht wohl den Gegensatz
zwischen Geist und Fleisch, aber auch, dass der Geist über das Fleisch
herrschen müsse, dass also der Christ Gerechter und Sünder zugleich ist, nicht
nur Gerechter, was im Pietismus zu kurz kam.[45]
Um den Pietisten, die in sich ja kein einheitliche Gruppe bildeten,
gerecht zu werden, unterschied er drei Abteilungen bei ihnen: die einen die
extremen, wie Dippel, Arnold, Petersen, die in allen von ihm angeführten 32
Punkten grob irrten; zur zweiten zählt er diejenigen, die zwar auch in allen
Punkten irren würden, aber in subtilerer Weise, zu ihnen zählte er die Fakultät
in Halle um A.H. Francke; die dritte Abteilung schließlich waren für ihn
diejenigen, die nur in dem einen oder anderen Punkt irrten, aber dennoch nicht
wollten, dass man gegen den Pietismus zeugte.[46]
Der Angriff war so geschickt, dass die Hallenser sofort ein Mitglied der
Fakultät und leider abermals Lange mit einer Erwiderung beauftragten. In seiner
„Gestalt des Kreuzreiches“ sucht er Löscher als einen Menschen von
vorsätzlicher Bosheit abzustempeln, der ohne einen Funken wahrer Gottesfurcht
mit schamloser Lügenstirn teuflische Lästerungen gegen das Kreuz-Reich Christi
ausstoße; der Teufel aus der Hölle könne es nicht gröber tun. Löscher antwortete
zunächst gar nicht, suchte vielmehr durch Buddeus in
Jena Friedensverhandlungen mit den Hallensern anzuknüpfen und übersandte ihm
sorgfältig abgewogene Lehrsätze. Buddeus erklärte sie
für unannehmbar, die Verhandlungen zerschlugen sich, und nun veröffentlichte
Löscher zur 200-jährigen Jubelfeier der Reformation seinen „Vollständigen
Timotheus Verinus“ (Erster Teil, Wittenberg 1718).
Diese war ihm umso wichtiger, als er im Pietismus vor allem auch eine
Erscheinung seiner Zeit sah, die geprägt war von Lauheit und Gleichgültigkeit
gegen die lutherische Kirche, ihr Bekenntnis und ihre Lehre. Wahres Christentum
und Pietismus sind daher durchaus zweierlei Dinge.[47]
Das ist Löschers Hauptwerk. In 16 Kapiteln handelt er von den
Generalkennzeichen des Mali pietistici (pietistischen
Übels), von den Anfängen dieser Richtung in den Zeiten vor Spener,
dem Ausbruch derselben durch Spener und von dem
reißend schnellen Fortgang der Bewegung in den letzten Jahrzehnten und endlich
von den charakteristischen Merkmalen des Pietismus. Als solche zählt er auf den
frommscheinenden Indifferentismus (Gleichgültigkeit) gegen die reine Lehre, die
Geringschätzung der Gnadenmittel, namentlich des Wortes Gottes, überhaupt
Ablehnung der Absolution und daher auch der Gabe der Vergebung im Abendmahl, die
Entkräftung des kirchlichen Amtes und die Verspottung der Amtsgnade, die
Vermengung der Glaubensgerechtigkeit mit den Werken, die Hinneigung zum
Chiliasmus, den Terminismus oder die Einschränkung der Bußzeit, den Präzisismus oder die Verdammung aller natürlichen Lust und
des Gebrauchs der Mitteldinge (Spiel, Tanz, Komödie[48]),
den Mystizismus oder die Vermischung von Natur und Gnade, das Reden von der
Vergottung der Frommen sowie die Überschätzung der „Empfindung geistlicher
Dinge“. Ferner rügt er „die Vernichtung der subsidia
religionis“, das heißt der Dinge, die zum Bestand der wahren Religion
erforderlich sind, wie namentlich der äußeren, sichtbaren Kirche, der Warnung
vor den Irrlehren, der Bekenntnisschriften, der theologischen Lehrart, der
regelmäßigen Versammlung der Gemeinde in der Kirche, der Kirchenordnungen, der
Kirchendisziplin und der Orthodoxie. Es ist bedeutsam, dass Löscher die
Orthodoxie hier zu den subsidiis religionis rechnet.
Denn das sind solche Dinge, „welche die Würde der Gnadenmittel nicht haben“,
sondern „ihr Absehen auf der Christen allgemeinen Zustand und auf die Erhaltung
der wahren Religion haben“. Zum Vorwurf macht er dem Pietismus ferner „die Hegung und Entschuldigung der Schwärmer“, wie der Anhänger
Schwenkfelds, Böhmes, Hoburgs, Brecklings,
ja selbst der Quäker. Charakteristisch für den Pietismus ist auch der
Perfektionismus, das heißt, eine Überspannung der Forderung, vollkommen zu
sein, oder die Aufstellung eines falschen Maßstabs für das sogenannte „wahre
Christentum“. Das zwölfte Merkmal ist der Reformatismus,
das heißt, die donatistische Art und Weise, auf eine
Reformation der Kirche von Grund aus zu dringen, und die damit verbundene
geringschätzige Beurteilung der Reformation Luthers im Vergleich mit der von Spener begonnenen Erneuerung des christlichen Lebens. Das
13. Merkmal ist die Neigung zum Schisma oder der Separatismus, welcher auf
Errichtung von ecclesiolae in ecclesia
(Kirchlein in der Kirche, damit sind die Konventikel oder Versammlungen neben
der Gemeinde gemeint, wie sie später dann besonders durch die
Gemeinschaftsbewegung aufgekommen sind) ausgeht und die Frommen in der Gemeinde
zu einem besonderen Häuflein verbinden will.
Man mag die Aufzählung der Merkmale des Pietismus pedantisch nennen und
Löschers Aufstellungen hier und dort beanstanden; im Großen und Ganzen hat er
richtig beobachtet und mit Sorgfalt und Vorsicht alles zusammengestellt, was
bei der Beurteilung des Pietismus in Betracht kommt. Er ist bestrebt, die
pietistische Reform historisch zu begreifen, und er hat die redliche Absicht,
das Berechtigte in der ganzen Bewegung anzuerkennen. „Wir sind ja einig, sagt
er, in dem Zwecke, das Herz, den Wandel zu bessern und das rechtschaffene Wesen
zu fördern. Geht es denn nicht auch in den Mitteln?“ Dennoch vermochte er weder
das siegreiche Vordringen der pietistischen Denkweise zu hemmen, noch auch zu
einer völlig gerechten und sachgemäßen Beurteilung der epochemachenden Bewegung
durchzudringen. – Lange antwortete mit seiner „Abgenötigten völligen
Abfertigung des sog. vollständ. Tim. Verini“ und veröffentliche die Schrift im Namen seiner
Kollegen 1719. Löscher dagegen erbat sich eine Konferenz mit seinen Gegnern.
Zum Teil durch Zinzendorfs Vermittlung kam sie zustande. Am 10. März 1719 traf
man in Merseburg zusammen. Von Halle waren Herrnschmidt
und A.H. Francke erschienen. Man verhandelte im Grunde nur die Lehre von der
Erleuchtung der Gottlosen und die Lehre von den Mitteldingen. Eine
Verständigung wurde nicht erzielt. A. H. Francke übergab vielmehr zum Schluss
seinen Gegnern eine versiegelte Schrift, in der jedes Zugeständnis, dass die
Hallenser in einem Punkt geirrt hätten, aufs entschiedenste abgelehnt und
Löscher ermahnt wurde, in Zukunft das Gerede vom Dasein eines pietistischen Übels
einzustellen und sich zu bekehren. Damit war jede Aussicht auf einen Ausgleich
geschwunden. Francke und seine Mitstreiter gingen in ihrer Arroganz und ihrem
leider im Pietismus häufigen Herzensrichten so weit, Löscher die Herzensbuße,
überhaupt die Wiedergeburt abzusprechen.[49]
Lange gab noch einmal eine „Erläuterung der neuesten Historie von 1689 bis
1719“ heraus, denunzierte auch seine Gegner bei der sächsischen Regierung und
bewirkte das Verbot der Unschuldigen Nachrichten. Löscher veröffentlichte 1722
im zweiten Teil des Timotheus Verinus einen Nachtrag
zu den historischen und sachlichen Darlegungen seines Hauptwerks und schwieg
seitdem. Der pietistische Streit hörte damit auf, der Gegensatz aber zwischen
orthodoxer und pietistischer Denkweise verwischte sich je länger je mehr, als
der Rationalismus die Herrschaft gewann und eben dasjenige in Frage stellte,
was Orthodoxen und Pietisten gleich teuer war und von beiden Teilen als
wesentliche Grundlage des Christentums verteidigt wurde. Erst im 19. Jahrhundert,
nach dem Wiedererwachen des Glaubens und dem Wiederaufleben der alten
Gegensätze, namentlich seitdem das kirchliche Bewusstsein wieder erstarkte,
erinnerte man sich des frommen und edlen Vorkämpfers der Orthodoxie und
erkannte, dass jede besonnene Beurteilung des Pietismus an seine Untersuchungen
und an seine Kritik anknüpfen müsse.
Auch zu dem Grafen Zinzendorf und zu der Brüdergemeine ist
Löscher in Beziehung getreten. Zinzendorf hatte einen tiefen Respekt vor der
Frömmigkeit und Gelehrsamkeit des Dresdener Superintendenten. Er vermittelte
zwischen ihm und den Hallensern. Er fragte Löscher um Rat wegen seines
Eintritts ins geistliche Amt, nachdem er ja zuvor schon in Dresden
Privatversammlungen abgehalten hatte, die aber, wegen der dem Bekenntnis
widersprechenden Lehren, die dabei geäußert wurden, 1727 untersagt worden waren.
Die Unschuldigen Nachrichten wiederum beschäftigten sich vielfach mit der
Brüdergemeine und 1736 gehörte Löscher zu der Untersuchungskommission, die
Lehre und Leben der Gemeine in Herrnhut
prüfen sollte. Löscher unterschrieb den günstig ausfallenden
Kommissionsbericht. Die Lehre schien ihm korrekt, die Ordnungen der Gemeinde bewunderte
er. Die Herrnhuter Gesangbücher tadelte er allerdings scharf. Mit der Zeit
scheint sich Löschers Stellung geändert zu haben, doch ist Genaueres darüber
nicht zu ermitteln. Unter Umständen haben die Vorkommnisse in Marienborn und
London dazu beigetragen. Auch Johann Albrecht Bengel hat ja umfassende Kritik
an Herrnhut geübt[50].
Nachdem er 1709 unter großen Ehrenbezeugungen sein Dresdner Amt
angetreten hatte, entfaltete er in diesem eine vielseitige, überaus
segensreiche Tätigkeit. Jeden Sonntag und Donnerstag hat er gepredigt,
924 Pastoren in der Kreuzkirche ordiniert, die Lokalvisitationen
wieder eingeführt. Sechs Dresdener Kirchen, darunter die Frauen- (1734) und die
Dreikönigskirche (in der Neustadt, 1739), hat er geweiht, die Teilung der
großen Parochien in Angriff genommen, die Gründung von vier Predigtstellen
durchgesetzt. Die Vorbereitung der Kandidaten der Theologie nahm er
kräftig und erfolgreich in die Hand und eröffnete für sie ein Konvikt, in dem
sie gemeinsam leben sollten. Dort unterrichtete er sie auch, leitete sie in
praktischen Amtsdingen an, ließ sie Christenlehrunterricht halten, übertrug
ihnen die Unterweisung der Armen und die Ausbildung anderer Katecheten. Immer
wieder lud er sie auch zu sich ein, um ihnen auch durch sein Leben ein Vorbild
sein zu können[51]. Seine
besondere Fürsorge galt der Volksschule und der Bildung der Lehrer. Kurz
nach seinem Amtsantritt, am 1. Dezember 1710, trat die erste Armenschule ins
Leben, bald folgten sieben andere. Er sorgte nicht nur für die Unterhaltung,
sondern auch für den Ausbau des Unterrichts, wozu er selbst Vorlagen schrieb,
und eine straffere Handhabung der Schulzucht. Leitender Grundsatz für den
Unterricht war die Erziehung zur Frömmigkeit. Deshalb sollten Luthers Kleiner
Katechismus und der Dresdner Katechismus nicht nur äußerlich auswendig gelernt,
sondern den Kindern auch anschaulich erklärt werden.[52]
Am 12. September 1713 hielt er die erste Konferenz der Lehrer seines Sprengels
ab. Im gleichen Jahr trat er auch als eines der Gründungsmitglieder in die
„Sozietät der christlichen Liebe und Wissenschaft“ ein, einer
Gelehrtenvereinigung mit Witwenkasse, der Samuel Steurlin
vorstand.[53]
Löscher galt als ein hervorragender Prediger, der auf Aufforderung des
Rates der Stadt Dresden seinen ersten Jahrgang Predigten „Übung der
Gottseligkeit“ veröffentlichte. Obwohl er als geborener, begeisterter und
hinreißender Kanzelredner bezeichnet wurde, hat er ständig an seinen Predigten
gefeilt, sie immer wieder verbessert. Für heute mag man sie als zu langatmig,
weitschweifig, umfangreich ansehen. Aber die Menschen seiner Zeit wurden sehr
angesprochen und gerade durch die einprägsamen Wiederholungen und ausführlichen
Auseinandersetzungen unterwiesen.[54]
In den Donnerstagspredigten legte er innerhalb 30 Jahren die gesamte Bibel
seiner Gemeinde aus.[55]
In den Kämpfen der Zeit zeigte er sich als furchtloser Charakter, der
mit seinem Wort und seiner Persönlichkeit die Gemüter beruhigte, so bei der
Ermordung des Predigers M. Hahn 1726 durch einen römischen Katholiken, bei der
Verlegung der Hofgottesdienste aus der Schlosskirche in die Sophienkapelle
1737, bei dem Erscheinen des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau vor den Toren
Dresdens nach der Schlacht bei Kesselsdorf 1745. Ohne
Scheu hatte er die Mätresse Friedrich August I., die Reichsgräfin Konstanze von
Kosel, auf der Kanzel als die „Bathseba Sachsens“ bezeichnet, und seine Predigt
am 10. Sonntag nach Trinitatis 1748 über die Miss-Stände des Brühl’schen Regiments und Warnung vor Gottes kommendem
Gericht veranlasste Karl Friedrich von Moser zu den Worten: „Man sagt, unsere
Zeit hätte keine Propheten mehr; hier steht einer!“ Gegen den Raub der Kollekte
für die Salzburger 1733, die das verschwendungssüchtige kursächsische Regime für die Kuppel der
Frauenkirche verwendete, hatte Löscher, wie der Geheime Rat, ohne Erfolg
protestiert, ging darauf aber in seinem Gebet am Schluss der Einweihungspredigt
ein: „Herr, hebe an, zu segnen dieses Haus, nimm allen Unsegen hinweg, welcher
da und dort bei diesem Werk ist verursacht und vielleicht auch, Gott wende es,
über dasselbe gezogen worden. Ach, vergib und vergiss aus Gnaden, was wider
deinen Willen und wider die Ermahnung deiner Knechte geschehen ist.“[56]
Löscher sah sehr deutlich, wie das Umfeld, in dem die Kirche lebte, sich
negativ veränderte. In dem aus Opportunitätsgründen erfolgten Religionswechsel
von Kurfürst Friedrich August I. erkannte er, wie sehr biblisch-religiöse
Wahrheit aufgelöst wurde um politischer und Machtgründe willen. Er sah darin
einen ersten Schritt in einem Prozess, in dem schließlich alle Werte und
Normen, die Gott vorgegeben hatte, aufgelöst würden (wie es ja dann auch
gekommen ist). Auch sah er die reale Gefahr, dass die Fürstenmacht sich durch
den Absolutismus immer mehr ausweitete und zu reiner Fürstenwillkür zu führen
drohte, die sich dann auch gegen die Kirche wenden konnte (wie es ja in Preußen
dann auch einige Jahrzehnte später geschah), wie es sehr deutlich darin
geschah, dass die Schlosskirche, in der über 200 Jahre lutherischer
Gottesdienst gehalten worden war, der lutherischen Kirche in despotischer Weise
von Friedrich August II. geraubt und dann profaniert wurde. (Gottes Strafe über
Sachsen hat nicht lange auf sich warten lassen, auch wenn Löscher sie nicht
mehr erlebte. Im siebenjährigen Krieg wurde das Land
furchtbar verheert und noch einmal 60 Jahre später auf weniger als die Hälfte
seiner einstigen Größe reduziert.)[57]
Löscher dagegen erstrebte eine Politik, die sich an den christlichen Werten und
Normen orientierte und die Kirche frei hielt von Machtansprüchen des Staates.
Gerne hätte er aus den in der Kirche vertretenen Ständen von Adel, Predigern
und Volk eine entsprechende Vertretung geschaffen zur Leitung der Kirche. Das
scheiterte aber am Machtanspruch des absolutistischen Staates. Da Löscher auch,
wie oben dargestellt, die Miss-Stände am Hof anprangerte und die Irrlehren Roms
zur Sprache brachte, fiel er bei den Herrschenden seit 1720 immer stärker in
Misskredit, so dass sie seine Möglichkeiten zu Veröffentlichungen einschränkten
und ihm schließlich sogar Verboten, Dresden ohne behördliche Genehmigung länger
als einen Tag zu verlassen. Auch im Oberkonsistorium wurde er mehr und mehr
isoliert. Dies zeigte sich besonders 1724, als nicht er zum Oberhofprediger
berufen wurde, sondern der pietistische Schützling August Hermann Franckes
Bernhard Walther Marperger.[58]
Trotz dieser ungeheuren Arbeitslast unterhielt er einen weitausgedehnten
Briefwechsel im Interesse der Kirche und zur Aufrechterhaltung der reinen
Lehre.
Es war Löscher ungeheuer wichtig, dass die Menschen die frohe Botschaft
in ihrer Muttersprache hören konnten. Darum setzte er sich besonders für
die Sorben in Sachsen und Preußen ein, dass ihre Sprache in der Liturgie
verwendet wurde und schrieb auch ein Vorwort zur sorbischen Ausgabe der
Kinderpostille von Langhans, die 1717 in Bautzen erschien. Er widersetzte sich
auch vehement Versuchen innerhalb der sächsischen Kirche, den Sorben ihre
Sprache zu nehmen und sie auch sprachlich zu assimilieren. Daher wurde er im
Vorwort zur ersten Gesamtausgabe der Obersorbischen Bibel 1728 erwähnt.[59]
Die Auseinandersetzung mit Rom war durch den Abfall den Kurfürsten
Friedrich August I. um der polnischen Krone willen vorgegeben und wurde durch
den mit viel hinterhältigen und brutalen Mitteln betriebenen Abfall des
Kurprinzen, eine Zwangsbekehrung, gegen die dieser sich lange gewehrt hatte,
noch verschärft[60].
Friedrich August II., ein durch und durch gottloser Barockfürst, dem es nur um
politischen Gewinn ging, versicherte einerseits dem Papst, den römischen
Katholizismus im Land zu fördern und den Kurprinz zur Konversion zu bringen und
heuchelte andererseits seinem Volk gegenüber, dass sich am
evangelisch-lutherischen Charakter Sachsens und der entsprechenden Erziehung
des Kurprinzen nichts ändern sollte.[61]
Um der immer mehr um sich greifenden Gleichgültigkeit in Konfessionsfragen
entgegenzutreten, weil auch die römische Kirche die lutherische Taufe nicht als
heilige Taufe anerkannte, widersprach Löscher auch im Zusammenhang mit der
Geburt des ersten Kindes des Kurprinzen und seiner habsburgischen Ehefrau der
vom willfährigen Hofprediger Pipping gesetzten Formel
von der „heiligen Taufe“ und setzte dagegen das „Bad der Taufe“. Er hat deshalb
auch, um nicht gezwungen zu werden, die offizielle Formel verwenden zu müssen,
acht Wochen nicht gepredigt. Schließlich hat er sich dem Druck beugen müssen,
völlig unverstanden vom Geheimen Rat und dem Oberhofprediger, der mehr und mehr
ein Lakai des Despoten geworden war. Ausschlaggebend für sein Nachgeben war
wahrscheinlich sein Ansinnen, für seine Gemeinde verantwortlich zu sein[62],
so fragwürdig dieses Einlenken dennoch bleibt.
An der Polemik gegen die römisch-katholische Kirche, die in Dresden
immer mehr Boden gewann, beteiligte sich Löscher in ernster und würdiger Weise.
Abgesehen von den schon genannten historischen Untersuchungen über die
Geschichte des Papsttums und einer Abhandlung „de periodis
et conversionibus hierarchiae
ecclesiasticae“ kommt hier in Betracht sein
„Abgeschiedener Demas“ (1713), ein Dialog, welcher
vor Abfall zur römischen Kirche warnen soll, „Römisch-katholische Diskurse“
(1717) und die „Historie der mittleren Zeiten als ein Licht aus der Finsternis
dargestellt“. Ebenso durch polemische Rücksichten veranlasst ist sein großes
und wertvolles, leider unvollendetes Werk “Vollständige Reformations-Acta und
Documenta“ (3 Teile aus den Jahren 1720, 1723 und 1729), die bis zum Jahr 1519
die Quellen zusammenstellt.
Sehr bemerkenswert war endlich Löschers Auftreten gegen die Wolffsche Philosophie. Von Jugend an hatte er sich mit der
Richtung beschäftigt, welche fast gleichzeitig mit dem Pietismus vom Standpunkt
einer rein vernünftigen Weltbetrachtung aus Kritik zu üben begann an der
Orthodoxie und an dem Glauben der christlichen Kirche aller Konfessionen. Schon
in Wittenberg hatte Löscher über den Deismus gelesen. Seit dem Jahr 1722 wandte
er dieser rationalistischen Denkweise oder „der freieren Art zu denken“ seine
ganze Aufmerksamkeit zu; denn in dem „philosophischen Indifferentismus“, wie er
sich ausdrückte, erkannte er die Macht, welche bisher unerhörte Umwälzungen in
der Christenheit herbeiführen werde. Die Leibniz-Wolffsche
Philosophie war in Löschers Augen, trotz ihrer konservativen Haltung, ganz dazu
angetan, dem philosophischen Indifferentismus (Gleichgültigkeit) den Weg zu
bahnen. Seit dem Jahr 1723 warnte er in Aufsätzen und Predigten vor den
Gefahren der neuen Philosophie. 1724 erschien sein „Stromateus“
und sein „Antilatitudinarius“. Das letztere Werk
beschäftigte sich vor allem mit der französischen und englischen
freidenkerischen Literatur. Endlich (1735) trat er direkt gegen Wolff auf mit
einer Reihe von Abhandlungen in den „Unschuldigen Nachrichten“ unter dem Titel
„Quo ruitis?“ (Wo eilst du hin?). Er wandte sich an
die studierende Jugend und deckte in klarer und überzeugender Weise den
Widerspruch auf, der zwischen der Wolffschen
Philosophie und dem Christentum besteht. Er bekämpfte z.B. die Lehre vom
zureichenden Grund, wenn sie über den Bereich der Mathematik und Naturwissenschaft
hinaus Berechtigung beanspruchte, d.h. dass sie Vernunft, die Wissenschaft in
der Lage sei, alles zu erforschen. Sie ist unvereinbar mit dem Glauben an die
Offenbarung und hängt zusammen mit dem Begehren nach einer Philosophie a priori
(im vorhinein); „wir aber
müssen zufrieden sein mit dem Wissen a posteriori“ (nachträglich). Scharfsinnig
kritisierte er die Lehren von der besten Welt (die allein schon durch die
Sündhaftigkeit der Menschen widerlegt wird), von der Ewigkeit der Welt, vom
Gewissen (das angeblich nur von des Menschen Erziehung und eigenständiger
Aufnahme von Ansichten herrühre), vom Gebet und von den Wundern usw. Er
erkannte auch, wie unter dem Deckmantel von Gewissensfreiheit und Toleranz
religiöse Gleichgültigkeit gefördert wurde. Für ihn war klar: Das offenbarte
Christentum kann und darf sich keiner Philosophie unterwerfen.[63]
Es kann auch ohne wahre Geheimnisse, die in diesem Leben nicht zu ergründen
sind, nicht bestehen. Ebenso kann eine bloß mechanische Welt mit ihm nicht
bestehen. Es setzt auch ein Gewissen als Werk Gottes und Regel aller
Verrichtungen voraus. Schließlich kann das wahre Christentum eine „ewige Welt“
nicht akzeptieren.[64]
Besonders verderblich ist auch die rationalistische Lehre von der menschlichen
Seele, die rein mathematisch, mechanisch gefasst werden sollte und alles Denken
und Wollen von einer metaphysischen Notwendigkeit herrühre, womit geleugnet
wird, dass der Mensch etwa dem Gnadenhandeln Gottes widerstreben kann.[65]
Deutlich bemerkte er auch, wie gerade diese rationalistische Philosophie
dazu neigte, das rein diesseitig orientierte,
politischem Opportunismus huldigende Vorgehen des sächsischen Hofes zu
rechtfertigen – und somit unchristliches Verhalten und den um sich greifenden
Absolutismus förderte.[66]
So stand Löscher in jeder Beziehung mitten in den Bewegungen seiner
Zeit. Aufgeschlossen für die Wahrheitsmomente aller Richtungen blieb er doch
fest und unerschüttert bei der lutherischen Kirchenlehre und behauptete das
gute Recht des evangelisch-lutherischen Bekenntnisses gegen alle seine Gegner.
Am 15. Mai 1702 hatte Valentin Ernst Löscher Catharina Elisabeth Krausold geheiratet, eine Tochter des fürstlich-merseburgischen Hof- und Justizrats Friedrich Krausold und dessen erster Frau Anna Charitas,
geborene Sittig. Elf Kinder entstammten dieser Ehe, von denen aber vier früh
starben und auch der älteste Sohn 1746 noch vor seinem Vater heimging.[67]
Sein Haushalt galt als schlicht und einfach, aber von tiefer Frömmigkeit und
echter Herzensliebe geprägt; das bescheidene Auftreten seiner Frau und seiner
Kinder wurde sehr gewürdigt. So wurde das Haus des Superintendenten auch zu
einem Gegenpol in der sächsischen Hauptstadt, deren Hof ein Ausdruck von
Pracht, Prunk, Verschwendung und Üppigkeit war.[68]
Valentin Ernst Löscher war ein ernster Beter von seiner Kindheit an. Vor
den hohen Feiertagen hielt er Nachtwachen und brachte einen Teil der Nacht in
geistlichen Betrachtungen und Gebet zu.[69]
Im Jahr 1748 feierte er sein 50-jähriges Amtsjubiläum unter großer
Beteiligung zahlreicher Verehrer. Neben Ernst Salomon Cyprian und Erdmann
Neumeister war er der bedeutendste Vertreter der lutherischen Spätorthodoxie.[70]
Er starb am 12. Februar 1749. Seine von ihm selbst diktierte Grabschrift
lautet: „V.E. Loescheri inquieta
in laboribus peracta vita, per vulnera Christi lenita tandem in quiete mortis finita.“ (V.E.
Löschers Leben, ruhelos hingebracht in Drangsalen, durch Christi Wunden
gesänftigt, endlich vollendet in der Ruhe des Todes)[71]
[1]
Dem Text liegt hauptsächlich zugrunde: Moritz von
Engelhardt, Georg Müller: Valentin Ernst Löscher. In: Realencyclopädie für
protestantische Theologie und Kirche. Hrsg. von Albert Hauck. 3., verb. und
verm. Aufl. Leipzig: J.C. Hinrich. 1902. S. 593 ff.
[2]
vgl. Hans Friese: Valentin Ernst Löscher. Berlin:
Evangelische Verlagsanstalt. o.J. S. 9
[3]
vgl. ebd. S. 12
[4]
vgl.
https://www.wikiwand.com/de/Valentin_Ernst_Löscher
[5]
vgl. Friese, a.a.O., S. 13 f.
[6]
vgl. wikiwand, a.a.O.
[7]
vgl. Moritz von Engelhardt: Valentin Ernst
Löscher nach seinem Leben und Wirken. 2., durchges. Aufl. Stuttgart. 1856. S. 55.56
[8]
vgl. Friese, a.a.O., S. 17
[9]
Mayer hatte zunächst, als er Professor in
Wittenberg geworden war, Spener als ein Vorbild hingestellt, sich später aber
entschieden gegen ihn gestellt. Möglich, dass die schriftliche Ermahnung, die
Spener als Oberhofprediger und Mitglied des Oberkonsistoriums an ihn richtete
wegen der (allerdings nicht zu rechtfertigenden) Trennung von seiner Frau, mit
dazu beigetragen hat. Immerhin hat er die Gefahr gesehen, die vom Pietismus für
die Rechtfertigungslehre ausging, ebenso die Probleme und Gefahren durch das
Konventikelwesen und die schwärmerischen Ausartungen. Später, als er in
Greifswald Professor war, hat er sich um den Kirchengesang bemüht und um eine
bessere katechetische und homiletische Ausbildung der Studenten und richtete
ein „Seelsorge-Seminar“ ein, griff also durchaus Anliegen Speners wieder auf. Vgl.
Friese, a.a.O., S. 18
[10]
Johannes Fecht war ein Verwandter Speners und hat
in Mecklenburg, nach dem Vorbild Herzog Ernst des Frommen von Gotha-Altenburg,
die Bibelverbreitung und das Schulwesen gefördert. Er galt als ein beliebter
akademischer Lehrer und stand mit fast allen Gelehrten seiner Zeit in
Briefwechsel. Er war für seine Friedensliebe gekannt und trat eifrig für die
praxis pietatis, die Frömmigkeit der Tat ein, vertrat aber Spener gegenüber die
reine biblisch-lutherische Lehre und widersetzte sich vor allem der radikalen
Weiterentwicklung des Pietismus. Er stand vielmehr für ein kirchliches
Reformluthertum oder lutherische Reformorthodoxie. Vgl. Friese, a.a.O., S. 19
f.
[11]
vgl. Friese a.a.O., S. 20
[12]
vgl. Engelhardt, a.a.O., S. 59
[13]
vgl. ebd. S. 62 f.
[14]
vgl. wikiwand, a.a.O.
[15]
vgl. Friese, a.a.O., S. 23
[16]
vgl. Engelhardt, a.a.O., S. 65
[17]
vgl. ebd. S. 66
[18]
vgl. wikiwand, a.a.O.
[19] vgl. https://saebi.isgv.de/biografie/Valentin%20Ernst%20L%c3%b6scher%20(1673-1749)
[20]
vgl. Friese, a.a.O., S. 24
[21]
vgl. Engelhardt, a.a.O., S. 68 f.
[22]
vgl. Friese, a.a.O., S. 27
[23]
Engelhardt, a.a.O., S. 73
[24]
vgl. wikiwand, a.a.O.
[25]
vgl. Engelhardt, a.a.O., S. 75
[26]
Im „Lutherischen Gesangbuch“ der
Evangelisch-Lutherischen Freikirche finden sich von Löscher: Ich grüße dich am
Kreuzesstamm (LG 96) und Wie heilig ist die Stätte hier (LG 243). (Anm. d.
Hrsg.)
[27]
vgl. Friese, a.a.O., S. 164 f.; Engelhardt,
a.a.O., S. 79
[28]
vgl. Engelhardt, a.a.O., S. 63.64
[29]
vgl. ebd. S. 83-.85
[30]
Franz Blanckmeister: Sächsische
Kirchengeschichte. Dresden: Franz Sturm & Co. 1899. S. 225; Engelhardt,
a.a.O., S. 88
[31]
vgl. Engelhardt, a.a.O., S. 93.94. Die Schwäche
der durchaus guten und hilfreichen Vorschläge Löschers liegt darin, dass er
zwei wichtige Punkte nicht bzw. zu wenig angeht: die klare Unterscheidung von
Gesetz und Evangelium und deren konsequente Handhabung in der Verkündigung
sowie das allgemeine Priestertum aller Gläubigen und dessen Betätigung, zu dem
zwar gewisse Ansätze durch das Laiendiakonat und durch die Bibelstunden
vorgeschlagen wurden, aber eine weitergehende Förderung, etwa durch
Gemeindeversammlungen, war nicht vorgesehen, ebenso wenig ein Hineinnehmen der
Gemeindeglieder in die Regierung der Gemeinde. Dadurch war alles zu sehr auf
das Amt abgestellt, ein Problem, das Löscher durchaus sah. (Anm. d. Hrsg.)
[32]
vgl. ebd. S. 96 f.
[33]
Hier werden Grundtendenzen des Pietismus
deutlich, wie sie von diesem heute gerne auch verschwiegen oder beschönigt
werden. Zum einen ist es die Stärkung des Staatskirchentums, wie es in der
verheerenden Weise, wie es dann im 19. Jahrhundert zum Schaden von Kirche und
Volk in Erscheinung trat, ja erst durch Aufklärung und Pietismus ausgebildet
wurde. Der Pietismus ist also nicht nur Opfer staatlicher Verfolgung geworden, wie
er sich immer gerne darstellt, sondern hat vielfach selbst von staatlicher
Bevorzugung profitiert und dem Staat unberechtigte Befugnisse zugesprochen.
Weiter kommt in dieser Schrift deutlich heraus, wie wenig dem Pietismus
letztlich die doctrina divina, die wahre göttliche Lehre gilt, wie wenig das
Bekenntnis, das diese bezeugt, wie sehr es ihm vielmehr hauptsächlich um das
fromme Ich, das fromme Erlebnis, die gemeinsamen frommen Erfahrungen geht, wie
sehr er also selbst da, wo er formal noch die orthodoxen Begriffe verwenden
mag, die Schwerpunkt entscheidend verschoben hat: von Gott zum Menschen, von
der Rechtfertigung zur Heiligung, von der Kirche zum Ich, von den objektiven
Gnadenmitteln und objektiven Lehren zu menschlichem Handeln und Erleben. Es ist
daher auch nicht verwunderlich, dass nicht zuletzt die „Evangelische Allianz“
von pietistischen oder pietistisch beeinflussten Kreisen (neben den von ihrem
Ursprung her unionistisch gesonnenen Anglikanern) gegründet und getragen wurde,
wie auch andere, die schriftwidrige Ökumene befördernde Unternehmen, wie der
ebenfalls nicht konfessionell gebundene „Christliche Verein junger Menschen“
(CVJM) oder der konservativere, aber ebenfalls nichtkonfessionelle „Jugendbund
entschieden für Christus“, die Internationale Missionskonferenz in Edinburgh
1911 als Ausgangspunkt der ökumenischen Bewegung aus diesem Umfeld
entscheidende Impulse enthielten. Neben der Durchsetzung der Union durch die
Hohenzollern und dann mittels der EKD ist dies einer der entscheidenden Gründe
für den fast völligen Niedergang biblisch-konfessioneller Haltung und Kirchen
im deutschsprachigen Raum. (Anm. d. Hrsg.)
[34]
vgl. Engelhardt, a.a.O., S. 102-105
[35]
vgl. Friese, a.a.O., S. 47 f.
[36]
So richtig es zwar ist, dass die rechte
Erkenntnis der biblischen Lehre kein bloßes Produkt der verfinsterten Vernunft
ist, sondern auch und vor allem auf Einwirkung des Heiligen Geistes von außen
auf den unbekehrten Theologen beruht, so ist doch andererseits festzuhalten,
dass ein unbekehrter Theologe eigentlich ein Widerspruch in sich ist und eine
Theologie der Nichtwiedergeborenen immer große Mängel haben wird, da der
Theologe von Dingen redet, von denen er tatsächlich keine wirkliche Ahnung hat.
Hier hatten sich die Vertreter der Orthodoxie leider in etwas verrannt.
Späterhin hat das bibel- und bekenntnistreue Luthertum eine theologia
irregenitorum verworfen (s. Franz Pieper). (Anm. d. Hrsg.) Löscher hat durchaus
die Verbindung von reiner Lehre und heiligem Leben erkannt und vertreten und um
die Problematik ungläubiger Theologen gewusst: „Freilich mangelt der Erkenntnis
eines Gottlosen sehr viel, nämlich die selige Empfindung, Vergnügung und
Herzensbewegung, der recht versicherte Beifall, das kindliche Erfassen und
Vertrauen, ja kürzlich der wahre Glaube, aber darum wird die von ihm
verstandene Wahrheit nicht unwahr.“ Engelhardt, a.a.O., S. 109 f., Anm. 1
[37]
Vorbericht des Vollständigen Timotheus Verinus;
in: Friese, a.a.O., S. 92
[38]
vgl. Engelhardt, a.a.O., S. 166
[39]
vgl. ebd. S. 167 f.
[40]
vgl. Friese, a.a.O., S. 66
[41]
vgl. Engelhardt, a.a.O., S. 170-172. Tatsächlich
ist ja für pietistische Kreise dann „der Glaube, der in der Liebe tätig ist“
als rechtfertigender Glaube verstanden worden, bis in unsere Tage, weshalb auch
von diesen Kreisen (Pfr. Morgner) die „Gemeinsame Erklärung“ zwischen
Lutherischem Weltbund und Rom zur Rechtfertigungslehre befürwortet wurde. (Anm.
d. Hrsg.)
[42]
vgl. ebd. S. 173
[43]
vgl. ebd. S. 174-176
[44]
vgl. ebd. S. 178-180
[45]
vgl. ebd. S. 180 f. Gerade die Frage nach dem
Verhältnis von Geist und Fleisch ist im 20. Jahrhundert im evangelikalen
Bereich durch die Lehre von Watchman Nee wieder aufgebracht worden, der vom
„fleischlichen“ und vom „geistlichen“ Christen sprach, wie auch in den schon im
19. Jahrhundert als Vorläufer der Pfingstbewegung auftretenden
Heiligungsbewegung (und zuvor deren geistlichen Vater, dem Methodismus), die
von „völliger Heiligung“, „Perfektionismus“ sprachen und damit die Tatsache,
dass der Christ Gerechter und Sünder zugleich ist, verdrängten, leugneten und
dadurch großen Schaden in der Christenheit anrichteten. (Anm. d. Hrsg.)
[46]
vgl. ebd. S. 168
[47]
vgl. ebd. S. 197
[48]
Wobei diese Dinge, also Glücksspiel, Paartanz und
Theater allerdings durchaus problematische bis sündige Dinge darstellen, wie
das etwa Johann Melchior Goeze einige Jahrzehnte später in Hamburg deutlich
bezeugt hat, wenn es auch durchaus immer zu differenzieren gilt bei den
Stücken. Der Pietismus neigt sehr zur generellen Verteufelung von Dingen, auch
die nicht direkt verboten sind. (Anm. d. Hrsg.)
[49]
vgl. Friese, a.a.O., S. 68
[50]
vgl. F.S. Hark: Der Konflikt der kursächsischen
Regierung mit Herrnhut und dem Grafen Zinzendorf 1733-1738, in: Neues Archiv
für sächsische Geschichte und Altertumskunde. Bd. 3. Dresden 1882. S. 9.18.39
f.
[51]
vgl. Engelhardt, a.a.O., S. 154-156
[52]
Vgl. Friese, a.a.O., S. 90
[53]
vgl. wikiwand, a.a.O.
[54]
vgl. Friese, a.a.O., S. 60-63
[55]
vgl. ebd. S. 192
[56]
ebd. S. 140
[57]
Im Rahmen des Wiederaufbaus des Dresdner
Schlosses in den 1980er Jahren wurde auch die evangelische Schlosskapelle in
ihrer ursprünglichen Form wieder errichtet. (Anm. d. Hrsg.)
[58]
vgl. saebi, a.a.O.
[59]
vgl. wikiwand, a.a.O.
[60]
Der brutale Umgang mit dem Kurprinzen, dem
späteren Kurfürsten Friedrich August II., von Seiten seines Vaters und der
römischen Lakaien, haben diesen eigentlich gutgearteten jungen Mann letztlich
gebrochen und zu einem willenlosen, unselbständigen Menschen gemacht, der seine
Pflichten nicht mehr recht ausführte und einem gewissenlosen Opportunisten,
Graf Brühl, die Regierung überließ. Vgl. Friese, a.a.O., S. 52 ff.
[61]
vgl. Friese, a.a.O., S. 50
[62]
vgl. ebd. S. 94-102
[63]
vgl. ebd. S. 144
[64]
vgl. Engelhardt, a.a.O., S. 270
[65]
vgl. ebd. S. 278
[66]
vgl. saebi, a.a.O.
[67]
vgl. ebd.; Engelhardt, a.a.O., S. 152.153;
Friese, a.a.O., S. 28.175.179
[68]
vgl. Friese, a.a.O., S. 41.73
[69]
vgl. ebd. S. 159
[70] vgl. saebi, a.a.O.
[71] vgl. Friese, a.a.O., S. 197 f.