Martin Chemnitz

Stich von Robert Boissard um 1600

Inhaltsverzeichnis

1. Herkunft und Jugend

2. Der weite Weg zum Theologen

3. Lehrer der Kirche in Braunschweig und Niedersachsen

3.1. Die Lage der lutherischen Kirche

3.2. Kirchenleitung in Braunschweig

3.3. Die lutherische Reformation in den Herzogtümern Wolfenbüttel und Lüneburg

3.4. Die Neuordnung in Braunschweig

4. Der Lehrer der lutherischen Kirche

4.1. Das Schriftverständnis von Martin Chemnitz

4.2. Die Rechtfertigung des Sünders vor Gott

4.3. Um das Abendmahl des HERRN

4.4. Die Loci theologici (Theologische Sätze)

4.5. Gegen Rom und die Jesuiten

5. Um das Bekenntnis und die Einheit der Kirche – die Konkordienformel

5.1. Der Kampf um die reine Lehre – wider die Philippisten

5.2. Um die Konkordie (Eintracht) in der Wahrheit

5.3. Herzog Julius auf Abwegen

5.4. Die Verteidigung der Konkordienformel

6. Familie und letzte Jahre. Die Bedeutung von Chemnitz

ANHANG

1. Herkunft und Jugend

    Der Vater von Martin Chemnitz, Paul Kemnitz (so wohl die ursprüngliche Form des Namens, der wohl wendischen Ursprungs ist), war zwar Kaufmann und Tuchhändler in Treuenbrietzen, aber eigentlich kam die Familie aus Hinterpommern, wo sie einst eine mächtige, begüterte Adelsfamilie gewesen, aber durch Kriegswirren dann nach Brandenburg verschlagen wurde. Dort ließ sie sich in der Alt- und Uckermark nieder und gehörte zu den Miterbauern der Stadt Pritzwalk.[1]

    Paul Kemnitz hatte in Treuenbrietzen Euphemia Koldeborn geheiratet, eine Ehe, die Gott mit drei Kindern segnete: Matthäus, Ursula und Martin.[2] Als Martin Chemnitz am 9. November 1522 geboren wurde, stand die Reformation erst am Anfang. Aber in Brandenburg sollte es noch sehr lange dauern, bis sie eingeführt wurde, denn Kurfürst Joachim I. war ein fanatischer römischer Katholik und verfolgte die lutherische Reformation und Lehre, so sehr, dass sogar seine Frau, Kurfürstin Elisabeth, nach Sachsen fliehen musste. Dort, und zwar in Wittenberg selbst, wohnte allerdings auch ein Verwandter Martins, Georg Sabinus.[3]

    Martin wurde als ein stilles, zurückgezogenes Kind geschildert, das viel für sich spielte und las und zur Melancholie neigte. Hintergrund war wohl, dass er als ein kleines Kind in einen Bach gefallen war, aus dem er zwar schnell gerettet wurde, aber danach drei oder vier Jahre stammelte und schlafwandelte. Sein Lehrer, Lorenz Barthold, erkannte aber früh seine Begabung, denn er lernte immer mehr als er musste. Da aber der Vater früh starb, wurde es schwierig, Martin auf eine höhere Schule zu schicken. Im Jahr 1536 kam er zwar auf eine Trivialschule (damals eine Lateinschule, auf der das Trivium, Grammatik, Rhetorik, Dialektik, unterrichtet wurde) nach Wittenberg und lernte dort sogar Luther kennen, der einen großen Eindruck auf ihn machte; aber da er in den ersten sechs Monaten nicht die Lernerfolge brachte, die man erhofft hatte, musste er auf Wunsch der Verwandten, bei denen er lebte, wieder nach Hause zurückkehren und sollte nun, auf Druck seines Bruders, wie einst sein Vater Tuchmacher werden. Das war eine Arbeit, die er nicht mochte, in der er nach eigenem ‚Bekunden auch nicht viel zustande brachte und daneben sich vielmehr mit der lateinischen Sprache beschäftigte. Aber schließlich ermöglichte es ihm ein Bekannter aus Magdeburg, dass er 1539-42 eine Schule besuchte, auf der er Latein, Dichtkunst, Dialektik, Rhetorik, Astronomie und Griechisch studierte und sich dann durch eisernen Fleiß und musterhaftes Betragen auszeichnete.[4]

2. Der weite Weg zum Theologen

    Auch der Weg zum Studium wurde Martin Chemnitz durch die Verwandten nicht einfach gemacht, da seine eigene Familie in schwierigen finanziellen Verhältnissen lebte. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitete er ab 1542 in Kalbe an der Saale und konnte sich dann 1543 mit Hilfe von Sabinus an der Viadrina in Frankfurt an der Oder einschreiben, wo er allerdings mehr auf die Methodik des Lernens achtete, um sich vor allem im Selbststudium zu unterrichten und sich vor allem mit Latein, Mathematik, Astronomie, Physik beschäftigte, während er sich seinen Lebensunterhalt als Lehrer und Zollschreiber in Wriezen verdiente. Zwei Jahre später konnte er dann nach Wittenberg übersiedeln und legte sich da besonders auf die philologischen (altsprachlichen) Studien. Sabinus hatte es durch einen Verwandten, dem Bürgermeister von Brück, ermöglicht, dass Chemnitz Melanchthon vorgestellt und empfohlen wurde, der ihn auf mathematische Studien verwies. Chemnitz wurde aber dort 1546 vom Schmalkaldischen Krieg überrollt, der in seinem Gefolge das Augsburger und Leipziger Interim mitbrachte.[5]

    Wie von Melanchthon empfohlen, folgte er dem Beispiel seines Vetters Georg Sabinus und ging ins Herzogtum Preußen (größter Teil des späteren Ostpreußen, aber ohne das Fürstbistum Ermland), wo der einstige Hochmeister des Deutschen Ritterordens, Albrecht von Hohenzollern, seit 1525 als weltlicher Herzog regierte und damit einer der ersten deutschen lutherischen Fürsten war. Dieser holte nun viele durch den Schmalkaldischen Krieg vertriebene Lutheraner in sein Land, unter anderem auch Andreas Osiander aus Nürnberg und Joachim Mörlin. Martin Chemnitz war zunächst Lehrer einiger polnischer Edelleute (auf Sabinus‘ Vermittlung) und wurde dann Leiter der Schule im Kneiphof, der ältesten Schule (Ost-) Preußens und schrieb sich außerdem an der vom Herzog gegründeten Universität Albertina in Königsberg ein, wo er 1548 als erster Magister wurde. Leider ließ er sich in dieser Zeit von einigen, wahrscheinlich von Melanchthon beeinflussten, Lehrern zur Astrologie verführen, die er nun einige Zeit betrieb, dann aber den Irrweg erkannte und sich von ihr wieder abwandte.[6] Er begann allerdings auch, sich stärker mit Theologie zu beschäftigen, las vor allem Luthers Postille, die Kirchenväter und die Heilige Schrift, an der er alle theologischen Fragen prüfte. Dabei war es für ihn ein Vorteil, dass Herzog Albrecht ihn 1550 zu seinem Bibliothekar ernannt hatte und er so auch selbst die Bibliothek eifrig benutzen konnte. Melanchthon hatte ihm als Rat für das Theologiestudium mitgegeben: „Das Hauptlicht und die beste Methode im Theologiestudium ist, den Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium zu beachten.“[7]

    In dieser Zeit begann der schon erwähnte Andreas Osiander, der mit dem Herzog schon seit längerer Zeit bekannt war, seine Irrlehren in der Lehre von der Rechtfertigung und der Christologie zu verbreiteten. Er behauptete, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, sei nicht die fremde, von Christus durch seinen Gehorsam, Leiden und Sterben erworbene Gerechtigkeit, die der Glaube empfängt, ergreift, und die dem Glauben zugerechnet wird, sondern die rechtfertigende Gerechtigkeit sei Christus in uns mit seiner wesentlichen Gerechtigkeit, also der Glaube, der in der Liebe tätig ist. Anders gesagt: Osiander mischte die Werke wieder in den Artikel von der Rechtfertigung, leugnete damit, dass der Glaube allein, ohne Werke, gerecht mache. Er trennte dabei auch die menschliche und göttliche Natur Christi im Blick auf Christi Gerechtigkeit und Einwohnung. Chemnitz erkannte diese falsche Lehre schnell und disputierte mit Osiander, in der Hoffnung, ihn zur Wahrheit zurückzuführen, aber vergeblich. Daraufhin legte Joachim Mörlin ein öffentliches Bekenntnis gegen Osiander ab und schloss ihn aus seiner Gemeinde aus. Herzog Albrecht aber hatte sich in völliger Blindheit von Osiander einnehmen lassen, stellte sich auf dessen Seite und vertrieb gegen den Einspruch der preußischen Stände Mörlin. Daraufhin verließ auch Chemnitz das Land.[8]

    Nun wandte er sich wieder nach Wittenberg, gehörte zum engsten Schülerkreis von Melanchthon und schloss sein Studium ab. 1554 hielt er erstmals dogmatische Vorlesungen über Melanchthons Loci communes, bei denen seine große Lehrgabe deutlich wurde, und die auch bei den Studenten guten Anklang fanden.

    Inzwischen war Joachim Mörlin Superintendent in Braunschweig geworden und bot dem Gefährten der Königsberger Zeit die Stelle des Coadjutors (Stellvertreters) an. Am 25. November 1554 wurde Chemnitz von Johannes Bugenhagen ordiniert und am 30. November zog er an seine nun dauerhafte Wirkungsstätte: Braunschweig.[9]

3. Lehrer der Kirche in Braunschweig und Niedersachsen

3.1. Die Lage der lutherischen Kirche

    Braunschweig hatte früh sich der Reformation angeschlossen, was nur dadurch möglich war, dass die Stadt eine relative Selbständigkeit gegenüber Herzog Heinrich dem Jüngeren, der römisch-katholisch gesonnen war, errungen hatte.[10] In dieser Stadt also war Joachim Mörlin Superintendent geworden und hatte Martin Chemnitz als seinen Stellvertreter (Coadjutor) gewonnen. Die Aufgaben von Chemnitz bestanden vor allem in mehreren lateinischen Vorlesungen in der Woche, Teilnahme am Kirchenregiment, dazu Predigten, die von den Hörern als ruhig, besonnen, dabei lehrhaft und eindrücklich geschildert wurden.[11] Schon recht bald konnte Chemnitz heiraten, am 19. August 1555 Anna Jäger.

    Er selbst wird in dieser Zeit als ein ruhiger, besonnener Mann geschildert, der sich aber erst allmählich von dem Einfluss Melanchthons lösen konnte um zu einem eindeutigen Bekenntnis zu kommen. Gerade deshalb war es gut, dass er mit dem eifrigen und kampfesmutigen Bekenner Mörlin zusammenarbeitete.[12]

    Denn nur zu bald wurde wieder deutlich, wie angefochten und umkämpft die lutherische Kirche war: Johannes Westphal hatte 1556 seine Stimme erheben müssen gegen den immer dreister vordringenden Calvinismus, denn niemand war dem entgegen getreten; im Gegenteil, die Philippisten (Anhänger Melanchthons) förderten ihn vielmehr. Damit waren die Frontstellungen klar gegeben: gegen die offen an den Tag tretende Irrlehre der Calvinisten einerseits und gegen die versteckte, aber mit der Zeit immer deutlicher werdende der Philippisten oder Kryptocalvinisten (heimliche Calvinisten) andererseits.[13] Daher versammelten sich die Kreisstände des niedersächsischen Kreises[14] 1561, um gegen den Bremer Philippisten Hardenberg zu verhandeln, der die Gabe von Christi Leib und Blut zum mündlichen (wenn auch übernatürlichen) Essen und Trinken im heiligen Abendmahl leugnete und daher abgesetzt wurde[15]. Chemnitz hatte in diesem Zusammenhang eine biblische Widerlegung Hardenbergs zusammengestellt.[16] Als dann auf dem Frankfurter Fürstentag ein Rezess (vertraglicher Vergleich) verabschiedet wurde, der den Philippismus stärkte und vor allem das geänderte Augsburger Bekenntnis zur Norm erheben wollte, versammelten sich die niedersächsischen Theologen unter der Leitung Mörlin im Juli 1561 in Lüneburg zu einem Konvent, auf dem Mörlin ein Bekenntnis vorlegte, das sich zur ungeänderten Augsburger Konfession bekannte und die bisher aufgetretenen Irrlehren namentlich verwarf, ähnlich wie es auch im Weimarer Konfutationsbuch[17] der Fall. Es ging um nichts weniger als darum, die reine biblische Lehre aufrecht zu erhalten. Auch Chemnitz unterschrieb.[18] Die Stände des niedersächsischen Kreises erließen daraufhin zwar das Lüneburger Mandat, in dem sie verbieten wollten, dass Irrlehren öffentlich verdammt werden, aber dagegen protestierte Mörlin heftig.[19]

    All das veranlasste Chemnitz, sich noch stärker als bisher mit den bis zu jenem Zeitpunkt aufgekommenen Irrlehren auseinanderzusetzen, denn noch war sein Standpunkt in manchem von Melanchthon geprägt. Aber durch intensives Schriftstudium drang er zur biblisch-lutherischen Wahrheit durch. Denn eines wurde ihm immer deutlicher: Christus fordert beides: Die wahre Stimme hören, die fremde fliehen; die gesunde Lehre festhalten, die Widersprecher widerlegen und verwerfen.[20] Darum wandte er sich auch heftig gegen eine künstliche, die Unterschiede zudeckende Einigung und Versöhnung und erkannte, dass für die Kirche eine einheitliche, verbindliche, an der Schrift ausgerichtete Lehrnorm notwendig ist.[21] Zum endgültigen Bruch mit Melanchthon war es 1557 gekommen, als Chemnitz im Zusammenhang mit den adiaphoristischen Streitigkeiten (es ging um das Augsburger und Leipziger Interim, letzteres von Melanchthon ausgearbeitet) in Wittenberg war, um zu versuchen, diese Auseinandersetzung beizulegen und Melanchthon für die Thüringer Gnesiolutheraner zu gewinnen – Melanchthon aber weigerte sich. Im gleichen Jahr kam eine weitere tiefgreifende Enttäuschung mit Melanchthon bei der Tagung in Worms dazu, als die Gnesiolutheraner versuchten, mit den Philippisten zusammen gegen Rom zu stehen – und Melanchthon das verweigerte.[22]

3.2. Kirchenleitung in Braunschweig

    In seinem Amt in Braunschweig konnte Chemnitz nicht nur seine wissenschaftliche, sondern auch seine praktisch-organisatorische Begabung voll einsetzen.[23] Wie eng diese Bereiche zusammenhingen, hatte er bemerkt, als eine Lehrnorm nötig wurde – und die Lüneburger Artikel Mörlins waren solch eine Lehrnorm für Braunschweig geworden, wo sie in die Kirchenordnung aufgenommen wurden.

    In Preußen war es inzwischen nach Jahren theologischer Wirren zum Umschwung gekommen: Die Stände hatten die Verdammung des Osiandrinismus erreicht und nun sollten Mörlin und Chemnitz kommen, um die Kirche zu erneuern. Nur ungern, und mit dem Versprechen, möglichst bald zurückzukommen, ließ die Stadt Braunschweig die beiden ziehen. In Preußen wurde nun die alte Lehrnorm, die vor den Auseinandersetzungen bestanden hatte, wieder hergestellt und erweitert und die Bischöfe, Prälaten und Professoren auf die Einhaltung dieser Lehrnorm verpflichtet, die „Repetitio Corporis Doctrinae Ecclesiasticae“ (Wiederholung der kirchlichen Lehrnorm), der als Leitwort aus Psalm 119 gegeben war: Ich hasse die Flattergeister und alle falschen Wege; Lügen bin ich gram und liebe dein Gesetz. Diese Lehrnorm trat am 9. Juni 1567 in Kraft und wurde im folgenden Jahr noch um die Bestimmungen zur Bischofswahl, Visitationsfragen, Lehrordnungen, Synoden- und Disziplinarordnungen erweitert. Mörlin und Chemnitz kehrten danach wieder nach Braunschweig zurück, aber die preußischen Stände richteten die Bitte an den Braunschweiger Rat, sie ihnen doch ganz zu überlassen. Mörlin, der nun Bischof von Samland wurde, wurde freigegeben, während Chemnitz als dessen Nachfolger in Braunschweig blieb und 1568 an der Universität Rostock promovierte.[24]

3.3. Die lutherische Reformation in den Herzogtümern Wolfenbüttel und Lüneburg

    Im Jahr 1568 starb Herzog Heinrich der Jüngere, der bis zum Schluss im Papsttum verharrte und immer stärker auch die Lutheraner in seinem Gebiet verfolgt hatte. Nun folgte auf ihn sein lutherischer Sohn Herzog Julius, der Chemnitz und als dessen Gehilfen noch Jakob Andreä rief, um die Reformation in Braunschweig-Wolfenbüttel durchzuführen. Martin Chemnitz erkannte sehr deutlich, was vonnöten war, sollte die lutherische Kirche im Land Bestand haben: Eine Lehrgrundlage war nötig, und zwar als Erklärung der Bekenntnisschriften nach der Art der preußischen Norm, damit dann durch die Unterweisungen und Visitationen auf dieser Grundlage die reine Lehre durchgesetzt werden konnte.[25] Chemnitz wusste dabei, dass man in einem Land, das kaum geschulte Pastoren hatte, streng vorgehen musste, sollte die Kirche nicht wieder in sich zusammenfallen. So wurden alle, die unfähig waren sowie alle, die das Augsburger Bekenntnis nicht anerkannten und unterschrieben, entlassen.[26] Schließlich wurden dann alle Pastoren in Wolfenbüttel versammelt und unterwiesen. Dabei erkannte Chemnitz, dass es nötig war, nach der Kirchenordnung ein Handbuch für die Pastoren zu schreiben, in dem die Lehrnorm dar- und ausgelegt wurde.

    Die Kirchenordnung enthielt zwei große Teile: Zunächst den Corpus doctrinae (Lehrnorm), dann die Agende, sowie einen Anhang, der Ordnungsfragen, Pastorenberufung, Kirchenämter, Konsistorien, Eheschließung, Schulwesen, kirchliche Diakonie behandelte: „Was der Corpus Doctrinae, das ist, die Form und das Vorbild der reinen Lehre, die in der Kirche hinfort sein soll … wo eine rechtschaffene und beständige Kirchenordnung soll gestellet und aufgerichtet werden, muss das vornehmste ja der Grund und Boden sein, dass die Lehre rein und einträchtig sei. … Was für Meinungen der gesunden Lehre zuwider und unangemessen, sollen ausgesetzt und verworfen werden. … In gemäß mit diesem Lehrkörper soll der Unterricht in Kirchen und Schulen erteilt werden.“[27] Diese Lehrnorm wurde unter dem Namen Corpus Doctrinae Julium eingeführt und bestand bis zum Jahr 1576, als sie dann nochmals erweitert wurde.[28]

    Chemnitz schrieb im Anschluss daran sein „Enchiridion, ein Handbuch zur Unterweisung und Visitierung der Pastoren“: „… Dass es zugleich ein Unterricht und Unterweisung sei vom Grunde und rechten Verstande der reinen Lehre, wie einfältige Pastoren ihr Studium anstellen, vor falscher Lehre sich hüten und wie sie ihren Zuhörern die Lehre einfältig vortragen mögen.“[29] Er ließ auch deutsche Ausgaben drucken, damit die Kirchenglieder sich auch unterrichten konnten: „Handbüchlein der vornehmsten Hauptstücke der christlichen Lehre“.[30]

    Durch diese Reformation in Wolfenbüttel war Herzog Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg, einem Gebiet, das schon lutherisch war (Urbanus Rhegius hatte dort von Celle aus gewirkt), angeregt worden, auch für sein Herzogtum eine einheitliche Lehrnorm aufstellen zu lassen und holte dafür Chemnitz.[31] In diese Lehrnorm wurden auch Aussagen zu den strittigen Fragen aufgenommen, denn Chemnitz betonte, dass ein Schweigen über Irrlehren ernsthaft gestraft werden muss. So entstand dann 1576 der Corpus Doctrinae Wilhelmium: „…also ist dieses weit vorzuziehen, wenn Gottes heiligwertes Wort lauter und rein gepredigt, die Sakramente nach der Stiftung und Ordnung Christi gereicht, Kirchen und Schulen mit tüchtigen, qualifizierten Personen, die in Lehre und Leben unsträflich, besetzt und die Diener mit notwendigem Unterhalt versehen werden …“ Auch die Familienväter, die ja ihr Haus, ihre Familie zu unterweisen haben, wurden auf diese Lehrnorm verpflichtet.[32]

    Im gleichen Jahr wurde der Corpus Doctrinae Julium um den „Kurzen, einfältigen und wohlgegründeten Bericht“ von Chemnitz erweitert und dieser Corpus auch der neugegründeten Universität Helmstedt übergeben. Er setzte sich später auch in Halberstadt, Nordhausen und im Herzogtum Braunschweig-Kalenberg durch.[33]

    Für den Aufbau der Kirche wurden Spezialsuperintendenten in den Bezirken eingesetzt, über ihnen Generalsuperintendenten und an der Spitze ein Generalissimus Superintendent, der mit Theologen und Verwaltungsfachleuten das Konsistorium bildete. Eine Synode, die aus dem Generalissimus Superintendent, den Generalsuperintendenten und Kirchenräten bestand, war die oberste Instanz für Kirchendisziplin.[34] Das Kirchengut verblieb bei der Kirche, die Kirchen wurden in Schulanstalten umgewandelt, denen Partikular-Lateinschulen in den Städten zur Seite standen und ein Pädagogium in Gandersheim, das zum Abschluss vor der Universität führte. Auf dem Land wurde für deutsche Schulen gesorgt. Die damals gegründete Universität in Helmstedt erlangte leider nicht die Bedeutung, die ihr zugedacht war, nämlich eine Stütze des rechtgläubigen Luthertums zu sein, sondern fiel schon nach kurzer Zeit, vor allem nach den Spannungen zwischen Chemnitz und Herzog Julius (siehe unten), vom geraden Weg ab und wurde später, besonders durch Calixt, zu einem Hort der Irrlehre, des Synkretismus in Deutschland.[35]

    In den Kirchen wurde unter anderem Sonntag nachmittags Kinderpredigt mit Katechismusunterweisung gehalten, die Jugend wurde freitags im Katechismus unterwiesen, und für die Erwachsenen fand neben den Katechismuspredigten zusammenhängende Katechismusunterweisung in den Quatemberzeiten (erste Fastenwoche, Pfingstwoche, Mitte Juni und Mitte Dezember) statt.[36]

3.4. Die Neuordnung in Braunschweig

    Die Grundlage für die lutherische Kirche war in Braunschweig 1528 durch Johannes Bugenhagen gelegt worden. Daran rüttelte weder Mörlin noch Chemnitz, aber sie bauten auf diesem Fundament weiter und sahen zu, dass die Grundordnung auch durchgesetzt wurde: Es ging um die wirkliche Trennung von Stadtregiment und Kirche, wobei der Stadt das äußere Recht, der Kirche durch ihre Diener das Lehramt und die Kirchenzucht zustanden und die Kirchengemeinde die Diener wählte.[37]

    Bevor Mörlin Superintendent in Braunschweig geworden war, hatte es dort manche Unruhen gegeben, und er hatte damit begonnen, in der Stadt die Ordnung mit Lehre und Zucht durchzusetzen.[38] Chemnitz ging auf diesem eingeschlagenen Weg weiter und wies den verschiedenen Ständen ihre Aufgaben zu: Da war zum einen das Colloquium als Versammlung aller Pastoren der lutherischen Kirche in Braunschweig. Ihm oblag es, die klare und eindeutige lehrmäßige Ausrichtung aufrecht zu erhalten, untereinander Lehr- und Kirchenzucht zu üben, vor allem durch den Superintendenten, einander zu beraten und zu ermahnen und schließlich die Kirche durch einheitliches Handeln zu führen. Mörlin hatte bereits „leges pro Ministerio“ (Richtlinien für kirchliche Diener) vorgelegt, und Chemnitz baute darauf auf.[39]

    Der Superintendent war Vorsitzender des Colloquiums und übte die Aufsicht über die Diener des Wortes aus, hatte die Einhaltung der reinen Lehre zu überwachen und Lehrzucht durchzuführen, aber auch gegen gottloses Leben vorzugehen, „… es betreffe kleinen Hans oder großen Hans, Obrigkeit oder Untertanen …“[40] Außerdem oblag ihm die Schulaufsicht sowie eine Mitsprache bei der Anstellung neuer Lehrer. Er agierte faktisch wie ein Bischof über die Braunschweigische Kirche und hatte auch seinen Ort, wo er predigen und die Sakramente verwalten sollte, nach der Bugenhagen’schen Ordnung die Brüdernkirche.[41]

    Der Stadtrat sollte für die äußere Ordnung sorgen und sich in kirchliche Dinge nicht einmischen, besonders nicht in Lehrfragen.[42]

    Besonders wichtig war auch, dass die Kirche die Binde- und Löseschlüssel betätigte, nämlich gegen offenbare Sünden und öffentliche Laster, wozu auch das Konsistorium eingesetzt worden war. In den Gemeinden hatte schon Mörlin damit begonnen, Laien heranzuziehen, nämlich die Kastenvorsteher.[43] Chemnitz über auch den Bann aus, viermal während seiner Amtszeit. [44]

    Was nun die Einsetzung der Pastoren betraf, so wurde sie so geregelt, dass die Gemeinde Vorschläge vorlegte, aus denen der Superintendent mit dem Colloquium Streichungen vornehmen konnte, die Gemeinde anschließende wählte und der Gewählte dann examiniert werden musste, bevor er eingesetzt wurde.[45]

    Chemnitz schreckte auch nicht davor zurück, gegen den Wucher zu predigten und für den Kirchgang, vor allem für den Gang zum Abendmahl, und schlichte Kleidung zu fordern.[46]

4. Der Lehrer der lutherischen Kirche

4.1. Das Schriftverständnis von Martin Chemnitz

    In seiner Schrift „Repetitio sanae doctrinae …” (Die reine gesunde Lehre …) hat Chemnitz nicht nur sich ausführlich mit der biblischen Lehre vom Abendmahl beschäftigt, sondern er hat in diesem Buch auch deutlich Rechenschaft über seine Stellung zur Bibel und sein Schriftverständnis gegeben. Grundlage für ihn ist, dass alle Lehre „muss … auferbaut sein auf den Grund der Propheten und Apostel“. Nur dadurch, dass alle Lehre fest in der Schrift gegründet ist, können die Gewissen sich und fest sein, denn das, was die Bibel uns lehrt, ist göttliche Lehre, doctrina divina. Die Bibel ist eben nicht Menschenwort, auch nicht ein Ineinander von Gottes- und Menschenwort, sondern allein Gottes Wort, „göttliches Wort“. Chemnitz bezeugt also klar die Verbalinspiration und Irrtumslosigkeit der Schrift.[47] Dabei ist es wichtig, dass die verschiedenen Lehrartikeln jeweils in bestimmten Schriftstellen ihren Sitz haben: „Wie nun alle Artikel des Glaubens an etlichen gewissen Örtern in der Schrift ihren rechten Grund haben, aus welchen man den wahren und eigentlichen Verstand derselben Artikel nehmen muss, so muss man auch in diesem Handel vor allen Dingen darauf achten, in welchen Zeugnissen der Schrift die Lehre vom Abendmahl des Herrn ihren rechten wahren Grund habe, da man forschen, lernen und suchen soll wahrhaftigen Bericht von diesem Artikel.“[48] Das heißt, jeder Lehrartikel ist an mindestens einer Stelle in der Schrift klar und deutlich dargelegt, ohne dass es weiterer Exegese bedarf, um ihn dort eindeutig vorzufinden. „In etlichen Sprüchen aber der Schrift werden die Lehre oder Artikel des Glaubens, gleich als an ihrem rechten eigentlichen Ort gegründet. In solchen Sprüchen muss man ja unbedingt bei der einfältigen, wahren, natürlichen Eigenschaft der Worte bleiben, soll man anders des rechten, wahren Verstandes gewiss sein. Wo man aber auch in solchen Sprüchen eine fremde und andere Auslegung, als des Buchstabens Eigenschaft gibt, annehmen und gestatten sollte, darum, weil es etwa andern Sprüchen der Schrift gemäß scheint, so würde in der ganzen Heiligen Schrift nichts gewiss oder beständig bleiben.“[49] Es gilt also, nicht seine Meinung in den Text hineinzutragen, sondern die Lehre aus dem Text, aus den Buchstaben, den Worten direkt zu nehmen. Was das Abendmahl angeht, so sind das zum Beispiel die Einsetzungsworte (siehe dazu weiter unten). Es gilt also, die Worte der Schrift, so, wie sie dastehen, zu nehmen und aus ihnen das Verständnis der Lehre zu entnehmen. Diese Worte stehen auch über allen Einwürfen der Vernunft: „Also dass man in den Worten suchen und daraus lernen soll, was wir von diesem Sakrament glauben sollen, und wenn etwa Zweifel, Irrung, Fragen oder Disputationen [Streitgespräche] von diesem Sakrament vorfallen, es sei aus der Vernunft oder sonst aus anderen Sprüchen der Schrift, sollen wir zu der Einsetzung als zu den Hauptquellen eilen und laufen, daselbst Bericht und Bescheid suchen und holen.“[50] Dass dies das rechte Verständnis ist, mit der Schrift Gottes umzugehen, hat uns unser HERR Jesus Christus selbst gezeigt, darauf verweist Chemnitz, in seinem Streitgespräch mit den Pharisäern über Ehe und Ehescheidung. Da ging der HERR auch auf den Grund und Ursprung der Ehe in 1. Mose 2 zurück und blieb nicht bei dem Ehescheidungsgesetz in 5. Mose 24. Die Lehre ist also aus den hellen, klaren Stellen der Schrift zu nehmen, nicht aus den bildhaften oder dunklen Stellen. Diese sind vielmehr gemäß der hellen Stellen zu dem Thema auszulegen.[51] Dies ist, wie Chemnitz an anderer Stelle betont, die „gewisse Regel, Form, Art und Weise, so der Heilige Geist selbst vorgeschrieben hat zu halten in Auslegung der Schrift und Sprüche, darin die Hauptstücke und Artikel des Glaubens gegründet sind“.[52] Auch hier ein klares Bekenntnis also zur Verbalinspiration der Schrift.

    Welche Regeln der Heilige Geist gegeben hat in der Bibel, darauf geht Chemnitz dann weiter ein: 1) „dass wir in den Sprüchen, darin die Artikel des Glaubens gegründet sind, nicht leichtfertig ohne helle, klare Ursache und Grund annehmen sollen solche Auslegungen, sie scheinen, wie gut sie wollen, die da abweichen von den klaren Worten, wie die nach bekannter gewisser Eigenschaft der Schrift lauten.“[53] 2) In den Geschichten, in den von den Handlungen der Menschen geschrieben wird, kann man die Vernunft walten lassen und feststellen, dass etwas Bildrede ist und der wörtliche Verstand nicht sinnführend ist. Aber wenn es sich um Gottes ausdrücklichen Befehl oder die Artikel von Gottes Wesen und Willen handelt, dann muss man beim einfältigen Wortsinn bleiben. 3) „Zu weiterer und zusätzlicher Erklärung der oben gesetzten nützlichen und ganz nötigen Regeln wollen wir auch diese Erinnerung mitnehmen, wie mit besonderem Fleiß der Sohn Gottes darauf Acht gegeben, dass er ja nicht in den nötigen Artikeln etwas ohne gewisse deutliche Erklärung, so dunkel und zweifelhaft stehen, ließe, dadurch die Gewissen könnten verwirrt werden. … Wenn Christus schon was dunkel durch Gleichnis und Parabel geredet hatte, wenn ihn seine Jünger fragten, oft auch ohne alles Fragen, legt er’s ihnen alles besonders aus.“[54] 4) Christus hatte im Abendmahl keine Ursache, bildhaft zu reden, weil er ja wollte, dass das, was er einsetzte, in seiner Kirche gehalten werden sollte.[55] 5) Wir sollen Gott in allem glauben und ihm nicht widerstreben, wenn wir es auch mit unseren Sinnen nicht begreifen. 6) Wir sollen nicht gleich vom Buchstaben weichen, nur weil er uns dunkel und hart zu sein scheint.[56]

4.2. Die Rechtfertigung des Sünders vor Gott

    Dieser Artikel kann nur recht verstanden werden, wenn zuvor die Lehre von der Sünde, besonders von der Erbsünde und abgrundtiefen Verdorbenheit des Sünders recht begriffen wurde. Deshalb hebt Chemnitz im Blick auf die Erbsünde hervor, dass sie beschrieben wird durch das Fehlen der Gleichförmigkeit mit Gottes Wort und Willen oder Gottebenbildlichkeit, wobei der Mensch natürlicherweise auch keinerlei Kraft hat, solche Gleichförmigkeit zumindest anfangsweise wieder herzustellen, sondern er ist durch die Erbsünde auch all dieser Kraft und Vermögen beraubt.[57] Zu diesem Mangel kommt noch, dass „… in die Natur eingesessen eine böse, giftige Unart, Zerrüttung und Verderbung aller Kräfte des Menschen, also dass der Mensch von Natur zu dem, was Gottes Wille erfordert, unlustig und unwillig ist, hängt aber, neigt, reizt, lockt, treibt mit Lust, Liebe und Willen zu dem, was Gottes Willen entgegen ist, also dass aus der bösen Wurzel nichts anderes als böse Früchte hervorkommen können. 1. Mose 6 und 8; Ps. 51; Matth. 7; 12; 15; Jer. 15; Joh. 3; Röm. 5 und 7.“[58] Und diese Grundsünde, dieser Sündenzustand, tritt nicht erst ein, „wenn (der Mensch) zu Verstand kommt, gut und böse unterscheiden kann, ja nicht allein, wenn er erst auf diese Welt geboren wird, sondern wenn er erst in Mutterleib empfangen wird. 1. Mose 8; Joh. 3; Ps. 51.“[59]

    Martin Chemnitz hat sich gerade mit dem zentralen Artikel der biblischen Lehre, der Lehre von der Rechtfertigung, intensiv beschäftigt und ihn sehr gründlich in seinen Loci dargelegt. Er sah vor allem drei Problemfelder, durch die die Rechtfertigung des Sünders vor Gott gefährdet wird: 1) Wenn die Gerechtigkeit des Fleisches, also gute Werke, hineingemengt werden, vor allem auch wenn sie vor der Bekehrung stattfanden. 2) Wenn Sündenerkenntnis, Reue, Traurigkeit über die Sünde in den Artikel von der Rechtfertigung gemengt werden. 3) Wenn die Erneuerung, also die guten Werke, das christliche Leben nach der Bekehrung, mit der Rechtfertigung verbunden werden.[60] Die Fragen, um die es dabei geht, sind folgende: 1) „Was ist es, wodurch der Sünde, der vor Gottes Gericht zu ewiger Strafe verdammt wurde, Vergebung der Sünden erhält, von dem Verdammungsurteil erlöst wird und zum ewigen Leben angenommen wird?“ 2) „Was ist das Werkzeug oder Mittel, wodurch die Verheißung des Evangeliums, das ist, die Verheißung der Gnade, Barmherzigkeit Versöhnung, Erlösung und ewiges Leben, empfangen, bestärkt und angewendet wird?“[61]

    Chemnitz geht dann auf die einzelnen Wörter, Begriffe ein, die für die Lehre von der Rechtfertigung eine große Bedeutung spielen. Dabei hebt er hervor: „Es ist daher klar, dass unter den Griechen dieses Wort [rechtfertigen] nur forensisch oder in juristischer Weise verwendet wurde. Die Apostel verwendeten das Wort in der gleichen Weise im Artikel von der Rechtfertigung, wie er von dem juristischen Gebrauch in der Welt im volkstümlichen Griechisch verwendet wurde.“[62] Er hebt besonders hervor: „Wir müssen noch diesen Punkt festmachen, dass es in der gesamten Schrift unmöglich ist, klar durch ein einziges Beispiel zu beweisen, dass das Wort „rechtfertigen“, wenn es von Gottes Rechtfertigen spricht, je verstanden werden kann als etwas, das sie auf die Erneuerung durch das Eingießen neuer Kräfte bezieht.“[63] Er stellt deshalb fest: „Paulus beschreibt den Artikel von der Rechtfertigung überall als einen Gerichtsprozess, in dem das Gewissen des Sünders, durch das göttliche Gesetz verklagt vor dem Richterstuhl Gottes, für schuldig befunden und dem Urteil der ewigen Verdammnis unterworfen, zum Thron der Gnade flieht und wiederhergestellt, freigesprochen und befreit wird vom Verdammungsurteil und ewiges Leben empfängt um des Gehorsams und Dazwischentretens des Sohnes Gottes, unseres Mittlers willen, was ergriffen und zu eigen gemacht wird durch den Glauben.“[64] Da aber Gott ein heiliger Gott ist, der den Gottlosen, Ungerechten nicht einfach unter Beugung des Rechts freisprechen kann, „… und weil die gerechte Forderung des Gesetzes erfüllt werden muss bei denen, die gerechtfertigt werden sollen, Röm. 8,4, darum muss eine fremde Gerechtigkeit [Hervorhebung durch Hrsg.] eintreten – die Art von Gerechtigkeit, die nicht nur durch das Bezahlen der Schulden, sondern auch durch vollkommenen Gehorsam gegenüber dem göttlichen Gesetz Genugtuung auf die Weise erbrachte, dass sie eine Genugtuung für die Sünden der ganzen Welt sein konnte.“[65] Darum hat Gott „ ‚der reich ist an Erbarmen‘ (Eph. 2,4), Erbarmen mit uns gehabt, und hat eine Genugtuung durch den Glauben an das Blut Christi festgestellt, und denjenigen, die als Bittsteller zu diesem Thron der Gnade fliehen, spricht er los von dem umfassenden Urteil der Verdammnis, und durch die Zurechnung der Gerechtigkeit Seines Sohnes, die sie im Glauben ergreifen, spricht er gerecht, nimmt sie in Gnaden an, und erklärt sie zu Erben des ewigen Lebens.“[66]

    Die Gerechtigkeit, die wir empfangen, ist eine „Gerechtigkeit des Glaubens“; ja, der Glaube ist das einzige Mittel und Werkzeug, wodurch wir die Gerechtigkeit Christi erlangen, empfangen und auf uns anwenden.[67] Und dieser Glaube ist allem menschlichen Mitwirken entgegengesetzt. „Wir sind gerechtfertigt, das ist, freigesprochen von unseren Sünden und als gerecht angenommen, nicht durch unsere Werke, sondern durch den Glauben an Christus.“[68]

    Denn der rettende Glaube rettet nur aufgrund seines Gegenstands, Objekts, Jesus Christus. Das schließt aber die anderen Artikel des Glaubens nicht aus dem rechtfertigenden Glauben aus, denn die Erlösung kann ohne die anderen Artikel kaum recht verstanden werden.[69] Was ist nun das eigentliche, hauptsächliche Objekt des rechtfertigenden Glaubens? „Da der rechtfertigende Glaube die Versöhnung mit Gott sucht, Vergebung der Sünden, Aufnahme (Adoption) und Annahme zum ewigen Leben, ist es klar, was der eigentliche und hauptsächliche Gegenstand des Glaubens ist, nämlich die Verheißung der Gnade um des Mittlers willen. Im Blick darauf und wenn wir daran festhalten, sind wir gerechtfertigt.“[70]

    Die Rechtfertigung besteht also „Darin, dass uns Gott die Gerechtigkeit des Gehorsams und Leidens des Mittlers Christus zugerechnet und allein um derselben willen, lauter aus Gnaden, ohne Zutun unserer Werke und Verdienste, allein durch den Glauben die Sünde vergibt, uns zu Gnaden aufnimmt, macht uns zu Kindern und Erben des ewigen Lebens. Röm. 3; 4; 10; Gal. 3; Eph. 2; Tit. 3.“[71] Dabei hat der neue Gehorsam der Gläubigen gar nichts in diesem Artikel zu tun: „Der neue Gehorsam der Gläubigen heißt ja auch wohl Gerechtigkeit, Röm. 6; 1. Joh. 2; aber er kann die Gerechtigkeit nicht sein, dadurch wir vor Gott gerechtfertigt werden zum ewigen Leben; denn es muss die Person vorhin gerecht sein, ehe sie könne Gerechtigkeit tun, 1. Joh. 2.“[72] Der rettende Glaube ist dabei nichts anderes, als dass wir das, was Gott uns vorträgt, anbietet, reicht, schenkt, gibt durch seinen Geist, „… an und zu uns nehmen und das applizieren. Und das geschieht durch den Glauben, Röm. 1; 3; 4; Joh. 3; Gal. 3; denn der Glaube ist gleichwie unsere Hand, dadurch wir als dürftige Bettler Christi Wohltaten zu uns nehmen, Joh. 1; und ist das Band, dadurch Christus in uns wohnt, Eph. 3; und wir in ihm gefunden werden, Phil. 3.“[73]

4.3. Um das Abendmahl des HERRN

    Durch die oben erwähnte Auseinandersetzung mit den Calvinisten und Philippisten war Chemnitz auf die Abendmahlskontroverse gestoßen worden und erkannte auch zugleich den christologischen Hintergrund dieser Angelegenheit. Er erarbeitete die Abendmahlslehre anhand der Bibel und hob hervor, dass es um die Gabe von Leib und Blut Christi zum Essen und Trinken geht[74], was aus den Einsetzungsworten klar hervorgeht, da sie, als Worte einer Stiftung, deutlich und normierend sein mussten, damit die Jünger wussten, woran sie waren: „Die festen und gewissen Grundlagen dieser Lehre, mit denen die Gewissen gestärkt gegen alle irgendwie einsichtigen Erörterungen sicher und fest in der wahren Lehre beharren könnten, müssen folglich aus dem Worte Gottes erwiesen werden.“ Daher war ihm eine gründliche Exegese der Einsetzungsworte bei Matthäus, Markus, Lukas und Paulus besonders wichtig.[75] Auch Paulus hat sie genau so verstanden, nämlich buchstäblich. Anders sind sie auch gar nicht zu nehmen. Es sind Worte des Testamentes Christi, von denen nicht abgewichen werden darf.[76] Die Einsetzungsworte sind der Sitz der Lehre vom Abendmahl, darum sind auch allein sie es, die über wahre und falsche Lehre vom Abendmahl entscheiden. „… dass also in diesen Worten der Einsetzung der eigentliche Ort der Lehre vom Abendmahl des Herrn ist, geht deutlich aus dem hervor, was wir gesagt haben, weshalb auch von ihnen her der rechte Glaube vom Abendmahl des Herrn zu erheben ist, auf dass wir uns nicht irgendeine andere Meinung ersinnen und nach ihr schließlich die Einsetzungsworte zurechtbiegen …“[77] Denn: „Wahr nämlich, ewig und unbeweglich ist diese Regel: Von den Sakramenten muss geurteilt werden aus deren eigener Einsetzung und Beschreibung, so dass nicht aus der möglichen Ähnlichkeit, sondern aus dem Worte Gottes, das von den einzelnen Sakramenten besonders handelt, die Art der Ähnlichkeit zu behandeln und darzulegen ist, die zwischen den Sakramenten besteht.“[78]

    Dass die Einsetzungsworte nicht anders als buchstäblich zu verstehen sind, macht Chemnitz daran deutlich, dass Christus ja ein neues Mysterium eingesetzt hat, das jeder verstehen sollte. Wäre es nicht buchstäblich zu verstehen, hätte er gewiss eine Auslegung dazu gegeben. Genau das aber hat er nicht getan. Darum darf an den Einsetzungsworten nicht herumgedeutelt werden.[79] Dazu kommt, dass der Heilige Geist sie an vier Stellen uns überliefert hat und damit zweifelsfrei darlegen, worum es geht.[80] Denn diese Worte Christi sind es, die deutlich machen, was wir im Abendmahl empfangen, was also auch durch die Konsekration mittels der Einsetzungsworte bewirkt wird: Das ist mein Leib; das ist mein Blut. Es findet dabei aber keine Verwandlung statt, denn von ihr spricht die Schrift an keiner Stelle; aber die irdischen Elemente sind auch keine bloßen Symbole für etwas, das tatsächlich abwesend oder im Himmel zu finden wäre und nur geistlich, nicht mündlich genossen würde. Vielmehr gilt aufgrund der Einsetzungsworte, „ … dass die Eucharistie aus zwei Dingen besteht, einem irdischen und einem himmlischen, und dass mit jenen Dingen, die gesehen werden, dem Brote und dem Weine, der Leib und das Blut Christi wahrhaft und wesentlich gegenwärtig sind und ausgeteilt werden, wenn auch unsichtbarer Weise.“[81] „Wie in der Eucharistie die Natur des Brotes bleibt, bezeichnet ‚Leib‘ jene Substanz, die für uns am Kreuze gegeben ist; die Kopula aber ‚ist‘ bezeichnet eine solche Einheit zwischen Subjekt und Prädikat, dass mit jenen Dingen, die gesehen werden, mit Brot und Wein, der Leib und das Blut Christi (wenn auch unsichtbar) wahrhaft und wesentlich gegenwärtig sind und den Speisenden dargeboten werden.“[82] Diese Gegenwart von Christi Leib und Blut ist nicht nur unsichtbar, sondern auch übernatürlich. Deshalb darf nicht behauptet werden, dass sie durch das Brot oder den Wein eingeschlossen, umfangen würden. Wie also genau Christi Leib und Blut mit Brot und Wein uns im Sakrament gegeben werden, das bleibt ein göttliches Geheimnis: „… befehlen wir es der göttlichen Allmacht, auf welche Weise sein Leib und Blut uns im Abendmahl gegeben und dargeboten werden. …“[83]

    Diese Einsetzungsworte sind auch wichtig, dass wir überhaupt das heilige Abendmahl feiern können, weil durch sie die Konsekration geschieht. Denn es sind diese Worte, die zu den Elementen hinzukommen – und durch diese Worte, gesprochen von dem Prediger, bewirkt Christus die Realpräsenz, die tatsächliche substantielle Gegenwart seines Leibes im Brot und seines Blutes im Wein (praesentia in rebus): „Christus selbst gibt uns durch sein Wort in diesem Abendmahl seinen Leib und sein Blut, wenn auch nur durch seinen Diener. Denn dieses Wort (vox) ‚Nehmet hin und esset, das ist mein Leib‘ ist nicht das des menschlichen Dieners. … Nicht wir machen das Brot zum Leib Christi und den Wein zu seinem Blut, sondern wir wiederholen die gesamte Einsetzung Christi über dem Brot und Kelch.“[84] Sie sind eben nicht nur Verkündigungsworte, sondern aufgrund von Christi Einsetzung, Ordnung und Befehl wirkmächtige Worte, durch die Christus die Realpräsenz bewirkt. Darum sind es unerlässlich, dass sie über allen auszuteilenden Elementen gesprochen werden, das heißt, dass alle Elemente, die ausgeteilt werden, zuvor konsekriert wurden. „Es ist aus den allerältesten Kirchenschriftstellern offenkundig, dass die Rezitation der Einsetzung immer bei der Verwaltung des Abendmahls erfolgen muss …“[85] Dabei ist allerdings die Gegenwart von Christi Leib und Blut gemäß der Einsetzung, Ordnung und Befehl Christi an die von ihm geordnete Handlung oder Gebrauch (usus) gebunden, also keine dauerhafte Gegenwart über die Handlung hinaus. Die sakramentale Handlung oder der usus aber umfasst nicht nur den mündlichen Genuss, sondern wie im Artikel 7 der Konkordienformel, der wohl hauptsächlich von Chemnitz ausgearbeitet wurde[86], dargelegt, umfasst sie segnen (konsekrieren), austeilen, empfangen, essen und trinken (Konk. Formel, SD, Art. VI, 84).[87] Im Examen Concilii Tridentini sagt er es ganz klar: „Deshalb wird alles, was nicht konsekriert ist, seien es auch Brot und Kelch, lediglich Nahrung zur Stärkung des Leibes sein und nicht ein geistliches Sakrament. … Das heißt nicht, dass das gesegnete Brot, welches gebrochen, ausgeteilt und von den Aposteln aus der Hand Christi empfangen wird, etwa noch nicht der Leib Christi sei, sondern erst beim Essen dazu werde. Denn die ganze Handlung der Einsetzung gehört zusammen, und die Worte: ‚Dies ist mein Leib‘, gehören zur gesamten Handlung. Daher ist es hinsichtlich des Brotes, das gesegnet, das gebrochen oder geteilt, das angeboten, empfangen und gegessen wird – ich sage, es ist hinsichtlich jenes Brotes, dass Christus sagt: ‚Dies ist mein Leib.‘“[88] Damit ist die später von Ägidius Hunnis aufgebrachte philippistische Lehre, dass erst im Essen es zur sakramentalen Vereinigung komme, klar abgewiesen. Wo aber die gesamte Handlung nicht stattfindet, also die konsekrierten Elemente nicht ausgeteilt werden, da findet auch keine sakramentale Vereinigung statt: „Denn wenn die Einsetzungsworte wiederholt werden, wir aber nicht das machen, was Christus im Abendmahl machte und uns befahl zu tun, dann ist es keine Konsekration, sondern nur eine historische Rezitation. Wenn wir aber diese Worte wiederholen und tun, was er befohlen hat, dann segnen wir das Brot und den Wein mit diesen Worten.“[89] Da aber, wo gemäß Christi Ordnung und Befehl gehandelt wird, auch das betont Chemnitz immer wieder, da haben wir in der sakramentalen Handlung, nach der Konsekration, die sakramentale Gegenwart von Christi Leib und Blut unter Brot und Wein.[90]

    In der christologischen Frage, dem Verhältnis der beiden Naturen Christi in der einen Person Jesus Christus, bekräftigt Chemnitz zunächst die Unterschiedenheit der beiden Naturen und schrieb dazu 1561: „Wiederholung der gesunden Lehre von der wahren Gegenwart des Leibes und Blutes des Herrn im Mahl“ (Repetitio sanae doctrinae de vera praesentia corporis et sanguinis Domini in coena), die er 1569 erweitert als „Fundamente der gesunden Lehre …“ nochmals herausgab.[91] Dabei hob er zum einen hervor, dass die Vereinigung der beiden Naturen zu unserem Heil geschehen ist, und dass in der einen Person beide Naturen zusammenwirken und das, was der einen Natur eigen ist, dadurch auch der anderen zugute kommt (Mitteilung der Eigenschaften). Jede Natur verrichtet alles mit der anderen zusammen, und die göttliche Natur teilt der menschlichen alles mit, jede Natur hat an dem Wirken und den Eigenschaften der anderen Anteil, ohne dass darum eine Vermischung stattfindet. Und dies ist so seit der Empfängnis des HERRN in Maria durch den Heiligen Geist; Christus hat aber von die mitgeteilte Majestät nach seiner menschlichen Natur während seines Erdenlebens zumeist verborgen gehalten. In seiner Schrift „De duabis naturis in Christo …“ (Von den zwei Naturen in Christus …) hat er dies 1570 ausführlich, mit vielen Zitaten aus den Kirchenvätern (ähnlich wie in der Repetitio, wo dieser Teil ein Fünftel des Buches ausmacht), entfaltet.[92] Dabei war für Chemnitz die Lehre von der Allgegenwart (Ubiquität) nicht das Entscheidende für die Abendmahlslehre. Vielmehr ist ihm der Wille Gottes wichtig, der in den Einsetzungsworten zum Ausdruck kommt. Gottes Wille kann es auch machen, dass Christus auch nach seiner menschlichen Natur überall zugegen sein kann (es aber nicht überall sein muss). Dass er es im heiligen Abendmahl ist, das bezeugen die Einsetzungsworte.[93]

    Dabei ist es Chemnitz wichtig zu betonen, dass der sakramentliche Genuss kein kapernaitischer Genuss ist, Christi Leib und Blut nicht mit den Zähnen verbissen und die Kehle heruntergeschluckt wird, sondern übernatürlich ist: „Die Vereinigung nämlich oder die Gegenwart des Leibes Christi mit dem Brot und des Blutes mit dem Wein ist nicht physisch, sondern übernatürlich und himmlisch.“[94] Die sakramentliche Vereinigung der irdischen und himmlischen Elemente ist also keine natürliche, physische, sondern eine übernatürliche, letztlich eine geheimnisvolle Realität.[95] Für das Heil entscheidend aber ist der geistliche Genuss, also die Aneignung dessen, was Christus uns durch das Opfer seines Leibes und Blutes auf Golgatha erworben hat. „Die geistliche Nahrung ist die Aneignung Christi, des Gottmenschen, und aller seiner Wohltaten, die er mit der Hingabe seines Leibes und der Vergießung seines Blutes verdient hat, durch den Glauben zum ewigen Leben und Heil.“[96] So empfängt er Sündenvergebung, damit Leben und Seligkeit. An ihr haben die Ungläubigen keinen Anteil; sie empfangen zwar Christi Leib und Blut, aber nicht das, was diese uns auf Golgatha erworben haben, sondern ziehen vielmehr Gottes Zorn auf sich.[97]

4.4. Die Loci theologici (Theologische Sätze)

    Das dogmatische Hauptwerk von Martin Chemnitz waren die Loci theologici, in denen er sich zwar an Melanchthons Loci communes orientiert, aber die reine lutherische Lehre darlegte. Sie zeigen eine ausführliche biblische, exegetische Bearbeitung des Stoffes, auch einzelner Begriffe, verbunden mit der Auseinandersetzung mit den Irrlehren und einem dogmengeschichtlichen Überblick zu dem jeweiligen Thema. Chemnitz führte über diese Loci halbjährlich in Braunschweig Disputationen (Streitgespräche) durch.[98]

    Aus seiner reichen exegetischen Tätigkeit erwuchs die Evangelienharmonie, die Polycarp Leyser 1593/1600 herausgab und die von Johann Gerhard 1634 vollendet wurde.[99]

4.5. Gegen Rom und die Jesuiten

    Ein bedeutender Teil seiner Arbeit aber war die Auseinandersetzung mit dem Papsttum, das damals gerade sein Konzil in Trient abhielt (Tridentinum) und 1563 abschloss. Wie wichtig dieser Kampf ist, wurde Chemnitz erstmals bewusst, als die Jesuiten einen lutherischen Katechismus, der in Düsseldorf erschienen war, heftig angriffen und niemand sich zur Verteidigung des Katechismus erhob. So schrieb Chemnitz 1560 gegen die Jesuiten seine Kampfschrift „Die Hauptstücke der jesuitischen Theologie“, die 1562 erschien und eine große Aufregung unter den Römischen hervorrief. Er geht hier klar, dabei hart und zugleich ironisch vor, deckt das falsche Schriftverständnis der Römer auf und bespricht dann die einzelnen theologischen Stücke.[100]

    Sein Hauptwerk auf diesem Gebiet, das bis heute seine Gültigkeit nicht verloren hat (denn die römische Kirche hat die Ergebnisse des Trienter Konzils nie widerrufen; auch die Konzilsteilnehmer des Vaticanum II wurden auf das Tridentinum verpflichtet), ist sein „Examen Concilii Tridentini“ (Prüfung des Trienter Konzils).[101] Angeregt wurde Chemnitz durch eine Entgegnungsschrift des portugiesischen Vertreters auf dem Konzil, Diego Payra de Andrada, der die Jesuiten und die Konzilsbeschlüsse verteidigen wollte und dabei auch alle Dekrete des Tridentinums anführte.[102] Mit großer Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit prüfte Chemnitz nun die Dekrete anhand der Bibel und ihrer Mitte, der Rechtfertigung des Sünders um Christi willen, und brachte sein Werk in drei Teilen 1565, 1566 und 1573 heraus. Im ersten Teil behandelte er die Beschlüsse zu Tradition, Schrift, Erbsünde, den Werken der Ungläubigen, dem freien Willen, die Rechtfertigung, Glauben und Werke; im zweiten Teil ging er auf die Sakramente ein und im dritten und vierten auf die Jungfrauenschaft, Zölibat, Fegfeuer, Heiligenverehrung, Reliquien, Bilder, Fasten, Ablass und Feste. Mit großer Sorgfalt führte er immer zunächst das Dekret von Trient an, stellte dann den Streitpunkt heraus, begründete die wahre biblische Lehre und brachte dann noch einen dogmengeschichtlichen Überblick. Sein Werk wurde für lange Zeit ein Standardwerk, erlebte im 16. und 17. Jahrhundert 22 Auflagen; auch im 18. und 19. Jahrhundert wurde es jeweils noch einmal herausgegeben.[103]

5. Um das Bekenntnis und die Einheit der Kirche – die Konkordienformel

5.1. Der Kampf um die reine Lehre – wider die Philippisten

    Viele, die die Not der lutherischen Kirche sahen, mühten sich, sie auf dem Boden der Wahrheit wieder zu einen. Seit 1568 war Jakob Andreae unterwegs: Aber er hatte doch noch keine rechte bekenntnisgemäße Ausrichtung, neigte noch den philippistischen Irrtümern und Zweideutigkeiten zu – darum musste Chemnitz ganz eindeutig Nein sagen zu seinem Unternehmen.[104] Auch Nikolaus Selnecker, der sich zwar allmählich vom Philippismus löste und dessen Irrtümer erkannte, stand noch nicht ganz klar. So schrieb Chemnitz zu den Bemühungen Andreaes: „Einfeltige Christliche erklerung und bekenntniss …“, worin er schon einzelne Stücke abhandelte, nämlich Rechtfertigung, gute Werke, freier Wille, Adiaphora, Abendmahl, Vorsehung, die Lehrnorm, und erklärte, dass eine Einigung nur bei wirklicher Verständigung und dem eindeutigen Bekenntnis der Wahrheit, nicht aber bei zweideutigen und allgemeinen Formeln möglich ist. So gab er in seiner Erklärung auch die zu verwerfenden Irrlehren deutlich an.[105] Er unterbreitete sie zunächst den niedersächsischen Theologen und erfuhr hier sowohl von Herzog Julius als auch von Nikolaus Selnecker Widerstand. Mit letzterem kam es zu einer Aussprache, aufgrund deren dieser nun klar kam in den Bekenntnisfragen und sich auch auf den Boden des Corpus Doctrinae Julium stelle, der für Chemnitz eine Grundlage bildete.[106]

    Der Hauptkampf aber geschah mit Wittenberg, damals die Hochburg der philippistischen Irrlehre, von wo aus versucht wurde, Kursachen calvinistisch zu machen (Kryptocalvinisten, d.h. versteckte Calvinisten). Chemnitz forderte die dortigen Theologen zu klaren Stellungnahmen auf, das sie bisher immer nichtssagende, zweideutige Antworten gegeben hatten, aber in vielen Dingen tatsächlich calvinistisch redeten.[107]

5.2. Um die Konkordie (Eintracht) in der Wahrheit

    Erst nachdem Jakob Andreae sich vom Philippismus losgesagt und zu einem Bekenner des eindeutigen, bibeltreuen Luthertums geworden war, war eine wirklich Zusammenarbeit zwischen Chemnitz und ihm möglich. Im Jahr 1573 gab Andreae zu den strittigen Punkten sechs Kontroverspredigten heraus, durch die er die Grundlagen für das Bekenntnis legte, und zu denen auch Herzog Julius seine Zustimmung gab. Daraus wurde die Schwäbische Konkordie. Chemnitz stimmte ihr zu, wollte sie aber gerne noch vervollständigen und arbeitete daran mit den niedersächsischen Städten.[108] Auch die Hansestädte schlossen sich an und es entstand 1575 die sächsische oder sächsisch-schwäbische Konkordie. Daraufhin legten Baden, Henneberg und Württemberg 1576 in Maulbronn das Maulbronner Buch vor, an dem vor allem Lucas Osiander mitgearbeitet, das Andreae wegen der Verhandlungen um das Bekenntnis an Kurfürst August von Sachsen sandte[109]. Dieser rief nun Andreae, Chemnitz, Chyträus, Körner, Musculus und Selnecker mit noch einigen Theologen für den 27. Mai 1576 nach Torgau, wo nach vielem Ringen um die Wahrheit aus den bisherigen Konkordien das Torgische Buch entstand, das dann als Epitome (Kurze Darlegung) der Konkordienformel Aufnahme in das Konkordienbuch fand.[110] Im darauffolgenden Jahr versammelte man sich nochmals im Kloster Bergen bei Magdeburg, wobei weiter Ausführungen, Erklärungen in das Torgische Buch eingearbeitet wurden, woraus das Bergische Buch oder die Solida Declaratio (Ausführliche Darlegung) der Konkordienformel wurde.

    Chemnitz versammelte nun die niedersächsischen Städte und legte ihnen die Konkordienformel vor. Diese wurde von ihnen vom 15. bis 17. Juli 1577 unterzeichnet und damit die dort angeführte falsche Lehre verworfen. In den folgenden Jahren zeichnete sich aber auch ab, wo der Philippismus weiterhin herrschend war und ja dann in den nächsten Jahrzehnten Calvinismus und Union eindringen sollten: Hessen und Anhalt.[111]

5.3. Herzog Julius auf Abwegen

    Ein Ereignis wirkte sich noch besonders tragisch aus auf die Ausbreitung des klaren lutherischen Bekenntnisses: Der Sohn von Herzog Julius, Heinrich Julius, war noch zu Lebzeiten von Herzog Heinrich durch das Halberstädter Stift zum Bischof gewählt worden und sollte nun sein Amt antreten. Halberstadt aber war zu der Zeit noch römisch-katholisch, und das bedeutete, dass er praktisch ein römischer Bischof wurde. Um des äußeren Machtzuwachses willen, den er sich erhoffte, stimmte Julius zu, dass die römischen Amtszeremonien wie Tonsur (was den Eintritt in den römischen Priesterstand bezeichnet), römisches Brauchtum beim Einzug, römische Messe in Halberstadt stattfanden.[112] Das alles erregte verständlicherweise ein großes Ärgernis, weil mit diesen Handlungen die lutherische Kirche und ihr Bekenntnis aufgegeben und eine Gemeinschaft mit den Römischen bezeugt wurde, die in Wirklichkeit überhaupt nicht vorhanden war (und ist).

    Chemnitz wandte sich daher empört an Herzog Julius und erklärte, dass, da die römische Kirche abgöttisch ist, man sich von ihr fernhalten muss. Es war die klare Position von Chemnitz, dass der Prediger des Wortes Gottes Auftrag vor den Herrscher tragen und ihn zur Buße rufen muss, wie er Herzog Julius schrieb. Es ging ihm da auch um die Unabhängigkeit der Kirche von den Obrigkeiten und das prophetische Amt, das die Prediger gegenüber Regierung und Gesellschaft inne haben. Auch in öffentlichen Predigten wurde dieser Irrweg des Herzogs angegriffen. Dieser wies nun Chemnitz und Timotheus Kirchner aus und erklärte sich auch nicht für die Konkordienformel, denn sonst hätte er sich ja öffentlich von seiner Untat lossagen müssen.[113] Er hatte sie zwar unterschrieben, machte sie aber nach dem Streit für sein Herrschaftsgebiet nicht verbindlich.[114]

5.4. Die Verteidigung der Konkordienformel

    Mit der Unterzeichnung der Konkordienformel durch 8000-9000 Pastoren sowie der Annahme durch Brandenburg, die Kurpfalz, Kursachen, 20 Herzogtümer, 24 Grafschaften und 35 Reichsstädte[115] war der Kampf aber immer noch nicht beendet. Vielmehr mussten Chemnitz, Kirchner und Selnecker sie nun gegen mache Gegner in den eigenen Reihen verteidigen, wie etwa Tileman Hesshusius, der die Ubiquität (Allgegenwart) Christi leugnete und die Helmstedter Universität auf seine Seite zog. So kam es 1583 in Quedlinburg nochmals zu einer Theologenzusammenkunft, an der von bekenntnistreuer Seite Chemnitz, Kirchner, Körner, Leyser, Selnecker und Zimmermann teilnahmen, während von der Gegenseite Hesshusius, Hofmann, Malsius und Sattler zugegen waren. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden; Helmstedt und seine Theologen verweigerten die Annahme der Konkordienformel. Die Universität wurde so je länger je mehr zum Hort falscher Lehre.[116]

    Aber noch von anderer Seite kam ein Angriff, dessen man sich erwehren musste: Der calvinistische Theologe Zacharias Ursinus, der Verfasser des Heidelberger Katechismus, verfasste in Neustadt an der Weinstraße, wo er Lehrer am Casimirianum war, seine „Admonitio Christiana“ (Neustädter Buch), in der er heftig die Lehre der Konkordienformel angriff. Chemnitz, Kirchner, Musculus und Selnecker antworteten darauf mit der „Apologia oder Verantwortung des Christlichen Konkordienbuchs“ 1583.[117]

6. Familie und letzte Jahre. Die Bedeutung von Chemnitz

    Am Beginn seiner Braunschweiger Zeit, am 19. August 1555, hatte Chemnitz Anna Jäger geheiratet. Sie gebar ihm im Laufe der Jahre zehn Kinder, von denen vier Töchter und zwei Söhne den Vater überlebten: Magdalena, Anna, Eva, Julia, Martin und Paul. Chemnitz achtete trotz seiner vielen Arbeit darauf, dass er seine Kinder in rechter Zucht und Ermahnung zu Christus im lutherischen Bekenntnis und der lutherischen Kirche erziehen konnte.[118]

    Seine letzten Jahre waren zum einen ausgefüllt mit der Verteidigung der Konkordienformel; dann aber litt er daran, dass seine körperlichen Kräfte abnahmen, vor allem durch ein Tertianfieber[119], so dass er sein Amt aufgeben musste. Am 8. April 1586 ging er heim.[120]

    Theologie und Glaube standen für Martin Chemnitz in engster Beziehung zueinander. Davon zeugt schon sein Wahlspruch aus Galater 2,20: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben.“ Sein Leben war bestimmt von Christus, vom Glauben an ihn, vom Vertrauen auf ihn, der ihn so sehr geliebt hat.[121] So konnte er zum theologischen Genius seiner Zeit werden, zum Hauptautor der Konkordienformel und Vater der lutherischen Orthodoxie.[122] Seine Bedeutung unterstreicht vor allem das Wort, das zu einem geflügelten Wort wurde: Wäre der zweite Martin [Chemnitz] nicht gekommen, so hätte der erste [Luther] keinen Bestand gehabt.[123]

ANHANG

Die Lehre von Kirche und Amt bei Martin Chemnitz

    Gott will allezeit durch die Verwaltung von Wort und Sakrament eine ekklesia auf Erden sammeln und erhalten, Matth. 16,18; 28,20; 1. Kor. 11,26; Joh. 10,10.28. Jeder, der gerettet werden will, muss ein Glied der verborgenen, allgemeinen, apostolischen Kirche sein (Eph. 2,12-13.19-21; Röm. 8,30; 1. Petr. 2,4-5.10; Eph. 4,15-16). Außerhalb dieser verborgenen Kirche gibt es kein Heil (Jud. 19; 1. Joh. 2,19; Offenb. 22,14-15). (LTh, II, S. 695)

    Die ekklesia ist ekklesia tou theou, Kirche Gottes, also Gott zugeeignet, Apg. 20,28; 1. Kor. 10,32; 11,16; 1. Thess. 1,1; 2,14; 1. Tim. 3,15. (LTh, II, S. 693)

    Die ekklesia ist heilig, denn sie ist abgesondert von der Welt, Gott geheiligt, und zwar durch Gottes Wort, Joh. 17,17, ist die heilige Stadt (Offenb. 11,2; 22,19). (LTh, II, S. 694)

    Die wahre christliche Kirche hat nur ein Haupt, Jesus Christus (Eph. 1; 4; 5; Kol. 2). (EnD, S. 212)

    Die ekklesia ist apostolisch, weil sie gegründet ist auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist (Eph. 2,19-22). (LTh, II, S. 692.694)

    Die ekklesia im Neuen Bund ist allgemein, weil sie, im Unterschied zur ekklesia im Alten Bund, berufen ist aus allen Völkern und Sprachen. (LTh, II, S. 693) (Apg. 1,8; Matth. 28,19; Mark. 16,15; Luk. 24,47; Apg. 2,5; Kol. 1,6; Ps. 19,4). Sie ist auch allgemein in dem Sinne, dass sie die Kirche aller Zeiten ist (Matth. 28,20; 1. Kor. 11,26). (LTh, II, S. 694)

    Die ekklesia ist dabei die Versammlung derer, die an den offenbarten Jesus Christus glauben (Kirche im eigentlichen Sinne: Gemeinde der Gläubigen, Hebr. 12,22; Apg. 26,18; Kol. 1,12; 1. Kor. 14,33; Eph. 1,18) und ihn bekennen (Kirche im weiteren Sinne) (Röm. 16,16; Kol. 1,24; Matth. 16,18). (LTh, II, S. 693.694)

    Die ekklesia im eigentlichen Sinne ist verborgen, nur Gott bekannt (2. Tim. 2,19), ist die Gemeinschaft der Heiligen, an Christus Gläubigen. (LTh, II, S. 696)

    In einem weiteren Sinne wird auch die Versammlung um Wort und Sakrament als ekklesia bezeichnet; sie ist ein gemischter Haufen, dem auch Heuchler und Scheinchristen angehören (2. Tim. 2,20; Matth. 13,47-48; 22,10-12; 25,2). Ihre Glieder sind durch das äußere Bekenntnis verbunden. Offenbare Sünder aber sind nach Matth. 18 auszuschließen. (LTh, II, S. 696-697)

    Die ekklesia ist nicht an bestimmte Orte gebunden, sondern an Wort und Sakrament (Matth. 28,18-20; 18,18; 20,1; 1. Kor. 12,13; 10,16-17; 14,26), denn Gott wirkt und erhält den Glauben durch die Gnadenmittel (Röm. 1,16; 1. Petr. 1,23; Eph. 5,26; Tit. 3,5). (LTh, II, S. 697)

    Die ekklesia ist also als äußere Versammlung um Wort und Sakrament dazu da, dass der Heilige Geist Menschen durch die Gnadenmittel zum Glauben bringt und darin erhält. (LTh, II, S. 698)

    Die rechte ekklesia ist da, wo Gottes Wort rein und lauter gelehrt wird (Joh. 10; Eph. 2 u. 4; 2. Kor 2; 2. Tim. 1) und die Sakramente nach Gottes Einsetzung und Ordnung gehandelt werden (Matth.28). (EnD, S. 210)

    Gott hat in der ekklesia das öffentliche Amt des Wortes und der Sakramente geordnet, 2. Kor. 10,4-6; 13,2-4; Apg. 21,8; Eph. 4,11. (ET, II, S. 678 f.) Er will, dass der Dienst an Wort und Sakrament durch geordnete Mittel in seiner ekklesia ausgeübt wird, damit Hirten, Lehrer, die Diener Gottes und der ekklesia sind, Haushalter der Geheimnisse Gottes, berufen werden (Luk. 1,70; Hebr. 1,1.2; 2. Kor. 5,20; 1. Kor. 4,1; Kol. 1,25; 2. Kor. 4,5). (LTh, II, S. 699; En S. 26)

    Dieses Amt hat weder eine zivile Macht, Luk. 22,25-26, 2. Tim. 2,4, noch sonst eine willkürliche Macht, 2. Kor. 1,14; 1. Petr. 5,3, stellt auch kein Geschäft dar, 1. Tim. 3,2-3.8; 6,5; 1. Petr. 5,2. (En S. 26)

    Christus gibt seiner Gemeinde Lehrer, Diener an Wort und Sakrament (Matth. 9,38; Eph. 4,11; 1. Kor. 12,28). (LTh, II, S. 699)

    Zu diesem Amt gehört: Gottes Wort predigen, die rechte Lehre bringen (Mal. 2,7), andere zum Dienst unterrichten (2. Tim. 2,2), den ganzen Rat Gottes verkündigen (Apg. 20,27), Gesetz und Evangelium recht teilen (2. Tim. 2,15), die Gemeinde durch Gottes Wort stärken (1. Kor. 14,12.19.26), die Irrenden lehren (2. Tim. 3,16), Sünder ermahnen (2. Tim. 3,16; 1. Kor. 10,11), Trauernde trösten, Schwache stärken, Falschlehrenden widerstehen (Tit. 1,9), falsche Lehre widerlegen (Tit. 1,9), schlechte Bräuche strafen, die Sakramente gemäß der Einsetzung Christi verwalten, Sündern vergeben oder mit der Gemeinde aus Gottes Reich ausschließen, für die Kirche beten, sich der Armen annehmen, kurz: die Gemeinde Gottes zu weiden mit der wahren, reinen, heilsamen Lehre des göttlichen Wortes (Apg. 20,28; Eph. 4,11; 1. Petr. 5,2) (ET, II, S. 678 f.; LTh, II, 706-707; En S. 26)

    Die Fülle dieser Aufgaben ist für einen Mann zu viel. Darum können die Aufgaben aufgeteilt werden auf verschiedene Dienste (Grade, Ordnungen), wie es z.B. mit der Armenfürsorge Apg. 6 geschah, und zwar zum Wohl der Gemeinde, z.B. auch Ausleger, Lehrer (1. Kor. 14,29-32; Apg. 13,1; Hebr. 5,12-14; 1. Kor. 12,28-30; 14,26-27), Apostel, Evangelisten, Ausleger, Hirten, Lehrer (Eph. 4,11). All diese verschiedenen Dienste werden unter den Begriffen „Bischof“ oder „Presbyter/Ältester“ zusammengefasst. (ET, II, S. 682-684)

    Es gibt keine Ordnung Gottes darüber, wie das öffentliche Amt gestaltet werden soll, ob und wie viele Dienste es in der Entfaltung haben kann; die praktische Ausgestaltung des Amtes wird von Ort zu Ort durchaus unterschiedlich sein. Diese Dienste sind also nicht zusätzlich zum öffentlichen Amt, sondern vielmehr Entfaltungen dieses einen öffentlichen Amtes. (ET, II, S. 685)

    Dabei soll nur der in der Kirche predigen, der auch recht berufen ist (Röm. 10,14-15), denn das öffentliche Amt ist nicht allen zur Ausübung gegeben (1. Kor. 12,7-9.29). (LTh, II, S. 698)

    Alle Christen sind Priester, denn sie bringen Gott geistliche Opfer dar (1. Petr. 2,9; Offenb. 1,6; Röm. 12,1; Hebr. 13,15-16). Jeder kann und soll auch Gottes Wort in seinem Haus lehren (5. Mose 6,7; 1. Kor. 14,35). Die Schlüssel sind von Christus auch der gesamten Kirche übergeben, Matth. 18,19. Ihr hat Jesus Christus damit auch Wort und Sakrament anvertraut, alles, auch das öffentliche Amt, gehört der Gemeinde, 1. Kor. 3,21-22. Aber nicht jeder darf den öffentlichen Dienst übernehmen, denn nicht alle sind Apostel und Lehrer (1. Kor. 12,29), sondern nur diejenigen, die von Gott durch einen besonderen und gültigen Ruf, unmittelbar (Propheten, Apostel) oder mittelbar (Diener seit der Apostel Zeit) berufen werden (Apg. 13,2; Jer. 23,21; Röm. 10,15). Diese mittelbare Berufung geschieht durch die ekklesia (1. Tim. 3,2-7; Tit. 1,5-9) (LTh, II, 698.701; ET, II, S. 678).

    Um diesen öffentlichen Dienst ausüben zu können, bedarf es auch entsprechender geistlicher und intellektueller Gaben und Fähigkeiten (1. Tim. 3,1 ff.) Die Gemeinde ist aufgerufen, vor der Berufung die vorgesehenen Diener im Blick auf ihre Lehre, ihr Verhalten, ihre Gabe zu lehren, Vorbilder der Herde zu sein, zu prüfen (1. Petr. 5,3; s.a. 1. Tim. 5,22; 2. Tim. 2,2) (LTh, II, S. 700; En S. 26 f.)

    Die Berufung kann nicht nur durch wenige geschehen, etwa nur durch solche, die schon im öffentlichen Amt sind, sondern sie muss durch die Gemeinde geschehen, der ja die gesamte Kirchengewalt gehört (Matth. 18,18; Röm. 3,2; 9,4; Eph. 4,12; 1. Kor. 3,21-22), und die diejenigen hinzuzieht, die schon im öffentlichen Amt stehen (Apg. 14,23). (LTh, II, S. 700; En S. 32 f.)

    Die öffentlichen Diener am Wort werden dabei für eine bestimmte Herde berufen (Apg. 14,23; Tit. 1,5). (LTh, II, S. 703)

    Die Ordination ist dabei nichts weiter als eine öffentliche Bestätigung der recht geschehenen Berufung. Sie geschieht unter Gebet zum HERRN, der solches Gebet gewiss in Gnaden erhört. Die Ordination ist aber keine göttliche Einrichtung, hat auch keinerlei Gnadenverheißung, sondern ist eine menschliche, kirchliche Einrichtung. (LTh, II, S. 704.705)

    Die ekklesia ist aber  nicht an Menschen gebunden, sondern allein an Gottes Wort und muss deshalb die Geister prüfen (Joh. 10,5.27; 1. Joh. 4,1). (LTh, II, S. 708)

En = Martin Chemnitz: Ministry, Word and Sacrament. An Enchiridion

EnD = Martin Chemnitz: Enchiridion. Handbüchlein der vornehmsten Hauptstücke der christlichen Lehre. 1886.

ET = Martin Chemnitz: Examination of the Council of Trent

LTh = Martin Chemnitz: Loci Theologici

Exkurs: Martin Chemnitz zu dem Einen Amt und seiner Auffächerung in verschiedene Dienste

    Die Frage, wie viele Ämter oder Dienste Gott eingesetzt hat und wie es um die verschiedenen Dienste steht, beschäftigte auch die Theologen zur Zeit von Chemnitz, gerade in Auseinandersetzung mit Rom, das ja für seine siebengliedrige Hierarchie eine göttliche Einsetzung reklamiert, und in der Auseinandersetzung mit den Reformierten, die ja von einem viergegliederten Amt als göttliche Ordnung sprechen. Wie hat Martin Chemnitz sich dazu geäußert?

    „Die Tatsache in dieser Angelegenheit ist die: Weil viele Pflichten zum Kirchenamt gehören, die nicht alle gut von einer Person oder wenigen Personen ausgeführt werden können, begann man, als die Zahl der Gläubigen sehr groß wurde – damit alle Dinge auf eine ordentliche Art und Weise getan werden mögen und zur Unterweisung, diese Pflichten des Amtes, als die Versammlung der Kirche groß wurde, auf verschiedene Grade oder Diener zu verteilen, die sie später taxeis (Grade) oder tagmata (Ordnungen) nannten, so dass jeder eine bestimmte festgelegte Aufgabe habe möge, in welcher er der Kirche in bestimmten Pflichten des Amtes dienen möge. So trugen die Apostel zu Beginn Sorge für den Dienst des Wortes und der Sakramente und zur gleichen Zeit auch für die Verteilung und Haushaltung der Almosen. Dann aber, als die Zahl der Jünger wuchs, vertrauten sie diesen Teil des Amtes, der mit den Almosen zu tun hatte, anderen an, die sie Diakone nannten. Sie gaben auch den Grund an, warum sie dies taten – damit sie in der Lage waren, sich selbst sorgfältiger dem Dienst des Wortes und dem Gebet zu widmen, ohne Zerstreuung. (Apg. 6,1-4)

    Diese erste Einführung von Graden oder Ordnungen im Amt in der apostolischen Kirche zeigt, was die Ursache, was der Grund, der Zweck und der Gebrauch solcher Grade oder Ordnungen sein soll – dass zur Wohlfahrt der Versammlung der Kirche die einzelnen Pflichten, die zum Amt gehören, besser, richtiger, sorgfältiger und ordentlicher und mit einem Grad an Würde und zur Unterweisung erledigt werden können. Und weil die Apostel später im Lehramt solche annahmen, die aus den Diakonen kamen, die erprobt waren, wie Stephanus und Philippus, so schließen wir, dass dies auch ein Gebrauch dieser Grade oder Ordnungen ist, dass Männer zuerst vorbereitet oder erprobt werden in geringeren Pflichten, damit später schwerere Pflichten ihnen umso sicherer und erfolgreicher anvertraut werden können.“1

    So findet Chemnitz auch in der Gemeinde in Antiochien verschiedene Grade: „So waren im Gottesdienst in der Gemeinde in Antiochien (Apg. 13,1) Propheten und Lehrer, von denen die ersteren entweder von zukünftigen Dingen weissagten oder die schwierigeren Schriftstellen auslegten (1. Kor. 14,29-32), während die letzteren dem Volk die Abschnitte der christlichen Lehre vorstellten (Hebr. 5,12-14). … In der Gemeinde von Korinth gab es Apostel, Propheten und Lehrer; einige sprachen in Zungen, einige übersetzten, einige hatten Psalmen, einige Gebete, Segnungen und Danksagungen, nicht in privaten Übungen, sondern in den öffentlichen Versammlungen der Gemeinde. (1. Kor. 12,28-30; 14,26-27)

    In Eph. 4,11 werden folgende Grade von Dienern aufgeführt: 1) Apostel, die nicht an eine bestimmte Gemeinde berufen waren, und die nicht durch Menschen berufen waren, sondern unmittelbar durch Christus, und die den Befehl hatten, überall zu lehren, und die mit dem Zeugnis des Geistes und mit Wundern ausgerüstet waren, damit sie in der Lehre nicht irrten, sondern damit ihre Lehre göttlich und himmlisch sei, an die alle anderen Lehrer gebunden sein sollten; 2) Propheten, die entweder Offenbarungen über zukünftige Ereignisse hatten oder Zungenrede auslegten und die Schrift für die Fortgeschritteneren, denn diese Dinge werden den neutestamentlichen Propheten zugeschrieben in 1. Kor. 14; 3) Evangelisten, die nicht Apostel waren und doch nicht an eine bestimmte Gemeinde gebunden, sondern die zu verschiedenen Gemeinden gesendet wurden, das Evangelium dort zu verkündigen; hauptsächlich aber, um den ersten Grund zu legen; solch ein Evangelist waren Philippus (Apg. 21,8) und Timotheus (2. Tim. 4,5), Tychikus, Sylvanus usw. Dass es solche Evangelisten auch nach der Zeit der Apostel gab, bezeugt Eusebius, 3. Buch, Kapitel 37, usw. 4) Pastoren, die über eine bestimmte Herde gesetzt waren, wie Petrus zeigt (1. Petr. 5,2-3), und die nicht nur lehrten, sondern die Sakramente verwalteten und Aufsicht über ihre Hörer hatten, wie Hesekiel (34,2 ff.) das Hirtenamt beschreibt: 5) Lehrer, denen die oberste Leitung oder Aufsicht über die Gemeinde nicht anvertraut war, sondern die nur die Lehre in einfacher Weise dem Volk vorsetzten, so wie die Katecheten später … Alle diese Grade fassen die Apostel zusammen unter den Begriffen „Ältestenamt“ oder „Aufseheramt“. Manchmal bezeichnen sie auch solche, denen der Dienst des Wortes und der Sakramente übertragen war mit dem Begriff „Diener“. (Kol. 1,7.23; 1. Thess. 3,2; 2. Kor. 3,6; 11,23; Eph. 3,7)

    Auch Paulus selbst übte manchmal den Dienst des Wortes in einer solchen Weise aus, dass er die Verwaltung der Sakramente anderen anvertraute. 1. Kor. 1,17. … Und in 1. Tim. 5,17 erwähnt er zwei Arten von Ältesten, von denen einige im Predigen und Lehren arbeiteten, während andere in die Aufgabe der Kirchenzucht gesetzt waren. Auch Tertullian erwähnt diese Art von Ältestenamt, Apologeticus, Kap. 39. Damit ist die Liste der Grade vervollständigt, von denen wir lesen, dass das Kirchenamt in der Zeit der Apostel aufgegliedert war.“2

    Chemnitz betont, dass wir keine von Gott vorgegebene Ordnung für die Ausführung des Einen Amtes haben: „Jedoch, wegen des gegenwärtigen Streites, muss die folgende Anmerkung hinzugefügt werden: 1) Dass es kein Gebot in Gottes Wort gibt, welche oder wie viele Grade oder Ordnungen sein sollten; 2) dass zur Zeit der Apostel nicht in allen Gemeinden und zu allen Zeiten dieselben Grade oder Ordnungen und dieselbe Anzahl war, wie klar aus den Briefen von Paulus man sich vergewissern kann, die an verschiedene Gemeinden geschrieben sind; 3) dass es zur Zeit der Apostel nicht solch eine Aufteilung dieser Grade [immer und überall] gab, sondern dass wiederholt ein und dieselbe Person alle Pflichten innehatte und ausübte, die zum Amt gehören, wie aus der apostolischen Geschichte deutlich ist. Daher waren solche Ordnungen zur Zeit der Apostel frei und wurden beobachtet um der guten Ordnung willen, der Schicklichkeit und Unterweisung, ausgenommen dass in dieser Zeit gewisse besondere Gaben, wie Zungenrede, Weissagung, Apostelamt und Wunder von Gott bestimmten Personen übergeben wurden. Diese Grade, über die wir bis jetzt gesprochen haben, waren nicht etwas neben oder jenseits des Amtes des Wortes und der Sakramente, sondern die tatsächlichen und wahren Pflichten des Amtes, aufgeteilt unter verschiedene Grade um der schon angeführten Gründe willen.“3 Chemnitz macht damit deutlich, dass das Eine Amt in viele verschiedene Dienste aufgeteilt werden kann. Man kann wohl einerseits von einem konkreten Amt oder öffentlichen Predigtdienst sprechen, der in der Gemeinde ausgeübt werden soll, und den Chemnitz mit dem Ältesten- oder Aufseherdienst umschreibt, aber er kann ebenso in viele Dienste aufgegliedert sein, ganz in der Freiheit der Gemeinde. Es gibt keine von Gott vorgegebene Monopolform, die sein muss.4



[1] vgl. Hermann Hachfeld: Martin Chemnitz nach seinem Leben und Wirken, insbesondere nach seinem Verhältnis zum Tridentinum. Leipzig 1867. S. 2; J.A.O. Preus: The Second Martin. The Life and Theology of Martin Chemnitz. St. Louis, MO: Concordia Publishing House. 1994. S. 87

[2] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 3

[3] vgl. ebd. S. 1-2

[4] vgl. ebd. S. 3-4; Preus, Second Martin, a.a.O., S. 89 f.

[5] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 5; Preus, Second Martin, a.a.O., S. 90 f.

[6] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 6

[7] vgl. ebd. S. 7-8; Preus, Second Martin, a.a.O., S. 92

[8] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 9-11

[9] vgl. ebd. S. 12-13

[10] vgl. ebd. S. 13

[11] vgl. ebd. S. 14-15

[12] vgl. ebd. S. 16

[13] vgl. ebd. S. 17

[14] Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war 1500 von Kaiser Maximilian I. in sechs Reichskreise eingeteilt worden, aus denen durch Teilung verschiedener Kreise 1512/22 zehn wurden. Der niedersächsische Kreis war dabei aus dem Sächsischen Kreis hervorgegangen (der östliche Teil wurde der Obersächsische Kreis) und umfasste in etwa die Herzogtümer Braunschweig-Lüneburg, Mecklenburg, Holstein sowie das Erzbistum Magdeburg, das Hochstift Verden und die freien Reichs- und Hansestädte Bremen und Hamburg, also den östlichen Teil des heutigen Niedersachsens, den nördlichen Teil Sachsen-Anhalts ohne die Altmark, Schleswig-Holstein südlich der Eider, Mecklenburg (ohne Vorpommern) sowie die beiden Hansestädte.

[15] Langfristig gelang es dem Philippisten Albert Hardenberg leider, Bremen zum Calvinismus zu verführen.

[16] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 19

[17] Das 1559 von Herzog Johann Friedrich dem Mittleren unter Mithilfe von Flacius und Aurifaber veröffentliche Konfutationsbuch wurde als Lehrnorm für das Herzogtum herausgegeben und setzte sich in neun Artikeln auseinander mit den Irrlehren 1) Servets, 2) Schwenckfelds, 3) der Antinomisten, 4) der Wiedertäufer, 5) der Zwinglianer, 6) der Synergisten, 7) Osianders und Stancraus‘, 8) der Majoristen und 9) der Adiaphoristen. (vgl. Friedrich Bente: Historical Introduction into the Formula of Concord. St. Louis, Missouri: Concordia Publishing House. 1921. Repr. Milwaukee, Wisconsin: Northwestern Publishing House. 1988. S. 134)

[18] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 20

[19] vgl. ebd. S. 21

[20] vgl. ebd. S. 22

[21] vgl. ebd. S. 23

[22] vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Chemnitz_(Theologe); Der zweite Martin der Lutherischen Kirche. Festschrift zum 400. Todestag von Martin Chemnitz. Hrsg. vom Ev.-Luth. Stadtkirchenverband und Propstei Braunschweig. Braunschweig 1986. S. 122

[23] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 49

[24] vgl. ebd. S. 51-53

[25] vgl. ebd. S. 56-57

[26] vgl. ebd. S. 58

[27] ebd. S. 59-60

[28] vgl. ebd. S. 62

[29] ebd. S. 63

[30] ebd. Das deutsche Handbüchlein wurde von August Lawrence Gräbner 1886 in St. Louis, Missouri, wieder herausgegeben und 2019 neu vom Freimund-Verlag in Neuendettelsau.

[31] vgl. Hachfeld, a.a.aO., S. 66

[32] vgl. ebd. S. 67

[33] vgl. ebd. S. 68-69

[34] vgl. ebd. S. 69

[35] vgl. ebd. S. 70.72-73

[36] vgl. ebd. S. 72

[37] vgl. ebd. S. 81

[38] vgl. ebd. S. 83

[39] vgl. ebd. S. 85

[40] Der zweite Martin, a.a.O., S. 288

[41] vgl. ebd. S. 284 ff.

[42] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 86

[43] vgl. ebd. S. 87-88

[44] vgl. ebd. S. 91

[45] vgl. ebd. S. 97

[46] vgl. ebd. S. 99-100

[47] Martin Chemnitz: Die reine gesunde Lehre von der wahren Gegenwärtigkeit des Leibs und Bluts Christi in seinem Abendmahl. Deutsch durch Johannes Zanger. Leipzig 1561. S. 46.55.57

[48] ebd. S. 47

[49] ebd. S. 50 f.

[50] ebd. S. 51.48

[51] vgl. ebd. S. 50

[52] vgl. ebd. S. 58

[53] ebd. S. 59-60

[54] ebd. S. 72

[55] vgl. ebd. S. 75

[56] vgl. ebd. S. 77 f.

[57] vgl. Martin Chemnitz: Enchiridion. Handbüchlein der vornehmsten Hauptstücke der christlichen Lehre. Hrsg. von A. L. Gräbner. Milwaukee, Wisc.: Georg Brumder. 1886. S. 59

[58] ebd. S. 60

[59] ebd. S. 67

[60] vgl. Martin Chemnitz: Loci Theologici. Vol. II. Translated by J.A.O. Preus. St. Louis, Missouri: Concordia Publishing House.1989. S. 474 (Übers. durch Hrsg.)

[61] ebd. (Übers. durch Hrsg.)

[62] ebd. S. 477 (Übers. durch. Hrsg.)

[63] ebd. S. 479 (Übers. durch Hrsg.)

[64] ebd. S. 480 (Übers. durch Hrsg.)

[65] ebd. S. 481 (Übers. durch Hrsg.)

[66] ebd. S. 482 (Übers. durch Hrsg.)

[67] vgl. ebd. S. 490

[68] ebd. S. 491 (Übers. durch Hrsg.)

[69] vgl. ebd. S. 500 f.

[70] ebd. S. 501 (Übers. durch Hrsg.)

[71] Enchiridion, a.a.O., S. 83

[72] ebd. S. 85

[73] ebd. S. 86

[74] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 30

[75] Der zweite Martin, a.a.O., S. 10 f.

[76] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 31. Zur Abendmahlslehre von Chemnitz hat der bedeutende Theologe der Evangelical Lutheran Synod und frühere Präsident des Bethany Lutheran College, Bjarne Wollan Teigen, eine ausführliche Abhandlung herausgebracht: The Lord’s Supper in the theology of Martin Chemnitz. (Die Abhandlung kann im Internet abgerufen werden: http://www.lhf.ru/pdf/Teigen_eng.pdf). Ein weiterer interessanter Artikel zu dem Thema ist von Michal Valco erschienen: Sedes Doctrinae in the Eucharist Theology of Martin Chemnitz. https://www.researchgate.net/publication/270257213_Sedes_Doctrinae_in_the_Eucharistic_Christology_of_Martin_Chemnitz

[77] Repetitio, S. 62 ff., in: Der zweite Martin, a.a.O., S. 13

[78] Repetitio, S. 275 f, in: Der zweite Martin, a.a.O., S. 14

[79] Repetitio, S. 95-98, in: Der zweite Martin, a.a.O., S. 17 f.

[80] Repetitio, S. 105, in: Der zweite Martin, a.a.O., S. 19

[81] Repetitio, S. 31 f., in: Der zweite Martin, a.a.O., S. (32-)33

[82] Repetitio, S. 28 f., in: Der zweite Martin, a.a.O., S. 34

[83] Repetitio, S. 16-18, in: Der zweite Martin, a.a.O., S. 35 f.

[84] Repetitio, S. 190, in: Der zweite Martin, a.a.O., S. 31

[85] Repetitio, S. 193, in: Der zweite Martin, a.a.O., S. 32

[86] vgl. Der zweite Martin, a.a.O., S. 242 f.

[87] vgl. ebd. S. 243

[88] Examen (engl. Ausgabe), S. 225.248, in: Der zweite Martin, a.a.O., S. 247 (Übers. teilw. vom Hrsg.)

[89] Examen, Bd. 2. St. Louis, Missouri: Concordia Publishing House. 1978. S. 230.243: „… Sakramente abseits ihres göttlich eingesetzten Gebrauchs sind keine Sakramente.“ (Übers. vom Hrsg.)

[90] vgl. ebd. S. 229

[91] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 34-36. Gleichzeitig ist 1561 auch eine deutsche Ausgabe erschienen (Die reine gesunde Lehre von der wahren Gegenwärtigkeit des Leibs und Bluts Christi in seinem Abendmahl, über google books im Internet abrufbar). Die Schrift von 1570 wurde von Jacob Aal Ottesen Preus ins Englische übersetzt (The Lord’s Supper) und erschien 1979 im Concordia Publishing House in St. Louis, Missouri.

[92] vgl. ebd. S. 37.54. Dieses Werk wurde von Jacob Aal Ottesen Preus ins Englische übersetzt und ist 1971 im Concordia Publishing House in St. Louis, Missouri, erschienen. Vgl. auch: Der zweite Martin, a.a.O., S. 29

[93] vgl. Der zweite Martin, a.a.O., S. 21 f.

[94] Repetitio, S. 40 f., in: Der zweite Martin, a.a.O., S. 37

[95] vgl. Repetitio, S. 38, in: Der zweite Martin, a.a.O.

[96] Repetitio, S. 40, in: Der zweite Martin, a.a.O.

[97] vgl. Repetitio, S. 42.37; Chemnitz: Läuterung der Propositionen Hardenbergs, in: Der zweite Martin, a.a.O.

[98] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 42-43. Der einstige Präses der lutherischen Missouri-Synode, Jacob Aal Ottesen Preus, hat Teile der Loci theologici ins Englische übersetzt und 1989 im Concordia Publishing House, St. Louis, Missouri, veröffentlicht.

[99] vgl. ebd. S. 43

[100] vgl. ebd. S. 44-46.159.162

[101] Fred Kramer hat das gesamte Werk ins Englische übersetzt. Es wurde 1971-1986 im Concordia Publishing House in St. Louis, Missouri, veröffentlicht. Eine gekürzte deutsche Fassung gaben R. Bendixen und Chr. E. Luthardt 1884 im Verlag Dörffling und Franke in Leipzig heraus.

[102] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 229

[103] vgl. ebd. S. 230-245

[104] vgl. ebd. S. 106

[105] vgl. ebd. S. 107-108

[106] vgl. ebd. S. 110

[107] vgl. ebd. S. 111-112

[108] vgl. ebd. S. 115-116

[109] Kurfürst August hatte bis zur Bartholomäusnacht in Frankreich uneingeschränkt die Philippisten unterstützt, wandte sich danach aber stärker den Gnesiolutheranern oder treuen Lutheranern zu. Durch die Veröffentlichung der Schrift „Exegesis perspicua“ von Johann Curäus gingen dem Kurfürsten dann immer mehr die Augen auf über das zweideutige Spiel der Kryptocalvinisten Georg Cracow und Caspar Peucer, deren Ziel es war, Kursachen calvinistisch zu machen. Durch die vor allem von Paul Crell, Heinrich Salmuth und Martin Mirus erstellen Torgauer Artikel von 1574 zur Abendmahlslehre wurde noch eine Vermittlung versucht, die aber scheiterte, da die Kryptocalvinisten die Unterschrift verweigerten. Dies führte zur Entlassung der Kryptocalvinisten oder Philippisten in Sachsen. Damit war Kurfürst August offen für eine bibeltreue lutherische Bekenntnisschrift. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Torgauer_Artikel_(1574)

[110] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 117

[111] vgl. ebd. S. 118-119

[112] vgl. ebd. S. 123-125

[113] vgl. ebd. S. 127-132; Der zweite Martin, a.a.O., S. 125 f.

[114] vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_(Braunschweig-Wolfenb%C3%BCttel)

[115] vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Konkordienformel

[116] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 133-134

[117] Abrufbar in google.books unter: https://books.google.de/books?id=avJIAAAAcAAJ&printsec=frontcover&dq=kirchner+apologia&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwji_J2r9JDsAhXRC-wKHSylDrMQ6AEwAHoECAYQAg#v=onepage&q=kirchner%20apologia&f=false

[118] vgl. Hachfeld, a.a.O., S. 143

[119] Sich alle 48 Stunden wiederholendes Wechselfieber

[120] vgl. ebd. S. 138-139

[121] vgl.  Der zweite Martin, a.a.O., S. 5

[122] vgl. Preus, The Second Martin, a.a.O., S. 15

[123] vgl. Realencyclopädie für protestantische Theologie und Kirche. Hrsg. v. Albert Hauck. 3., verb. und verm. Aufl. Leipzig: J.C. Hinrichs’sche Buchhandlung. 1897. S. 803

1 Martin Chemnitz: Examination of the Council of Trent. Part II. St. Louis 1978. S. 682 f. (Übers. vom Verfasser)

2 Chemnitz, a.a.O., S. 683 f. (Übers. vom Verfasser) Es ist interessant, dass Chemnitz, im Unterschied zu manch anderen Auslegern, wie etwa Carl Manthey-Zorn, in Eph. 4,11 Hirten und Lehrer als zwei Dienste erkennt. Allerdings ist die Zuordnung von Aufgaben sehr schwierig. Bei den Aposteln und Propheten sind sie von der Schrift her noch am klarsten; schon bei den Evangelisten ist es schwieriger, weil wir nur sehr wenig über sie hören; und was die Hirten und Lehrer angeht, so sind die Aussagen von Chemnitz doch sehr gewagt und eher von der weiteren historischen Entwicklung bestimmt, da die Bibel kaum etwas über ihre Aufgaben mitteilt. Was die „Ältesten“ und „Aufseher (Bischöfe)“ angeht, so haben wir zwar etliche Angaben, aber auch sie sind nicht umfassend. Ob man Älteste/Aufseher als Globalbegriff bezeichnen kann, ist wohl nach Apg. 20,28; 1. Tim. 3,1 ff.;  Tit. 1,5 nicht völlig ausgeschlossen, aber auch nicht gesichert. Wir wissen einfach zu wenig über die vielerlei Dienste in der frühen Kirche und ihre Abgrenzungen zueinander, die auch eher fließend erscheinen. Dies hat der Heilige Geist gewiss nicht ohne Grund so gemacht, weil er damit deutlich machen will, dass es keine von Gott vorgegebene äußere Ordnung für den öffentlichen Predigtdienst gibt, sondern das Eine Amt so aufgefächert werden kann, wie es für die Gemeinde gerade gut ist. Auch Chemnitz schließt ja, wie sein letzter Satz in jenem Abschnitt zeigt, weitere Untergliederungen nicht aus, im Unterschied zu Manthey-Zorn, dessen kategorische Einschränkung auf vier Grade biblisch nicht begründbar ist, denn Eph. 4,11 besagt nirgends, dass es nicht mehr geben kann, sondern nur, dass damals diese Diener der Gemeinde von Christus gegeben waren.

3 Chemnitz, a.a.O., S. 685 (Übers. vom Verfasser)

4 Es erscheint mir deshalb sehr gewagt, wenn Teile des alten Missouri im 20. Jahrhundert ihre Sicht darauf versteift haben, dass das Pfarramt der einzige von Gott eingesetzte Dienst sei, alle anderen dagegen Zweigdienste aus diesem einen, wenn auch mit ihm von Gott gegeben. Hier erscheint Wisconsins Ansatz realistischer, wenn dort vom öffentlichen Predigtdienst in einer allgemeineren Weise gesprochen wird. Allerdings ist der Ansatz bei Wisconsin insofern schwach, als dieser öffentliche Predigtdienst als das Eine Amt in der ecclesia simplex zu wenig verdeutlicht wird. Dass der Dienst immer Dienst im Blick auf eine bestimmte Herde ist, und dass diese Herde normalerweise zunächst die ecclesia simplex ist (es gibt auch Sonderformen, wie Seminare, Diakonissenhäuser, Studentengemeinden), das gilt es festzuhalten. Beides muss zusammen gesehen werden.