Johann Gottfried Scheibel[1]
Inhaltsverzeichnis
1.
Herkunft und Elternhaus. Studium und erste Tätigkeit
1.1. Das
Elternhaus, verwurzelt im schlesischen Luthertum
1.2.
Studium in rationalistischer Zeit
1.3.
Scheibels Weg zum bewussten, konfessionellen Luthertum
2.
Scheibels Lehrämter und erste theologische Auseinandersetzungen
3.
Scheibel und die Erweckungsbewegung
4. Der
Kampf gegen die Union und das Ringen um eine freie lutherische Kirche. Scheibel
als Theologe
4.1.
Scheibels Auffassung über Kirchenordnungen
4.2.
Scheibels Abendmahlslehre
4.4.
Scheibels Erkenntnislehre
4.5.
Scheibels Kampf gegen die Union.
5. Wirken
aus dem Exil für die lutherische Kirche
6.
Scheibels Wirken für lutherische Mission. Letzte Lebensjahre
Johann Gottfried Scheibel, der Führer der lutherischen Bewegung gegen
die Einführung der Union in Preußen, geboren am 16.09.1783 in Breslau, entstammte
einer Gelehrtenfamilie Breslaus. Sein Vater war der durch mathematische und
naturwissenschaftliche Schriften bekannte Rektor des dortigen
Elisabeth-Gymnasiums Johann Ephraim Scheibel, sein Großvater, Magister an
diesem Gymnasium, der Verfasser des Liedes: „Herr, ich bin noch hier auf
Erden“. Scheibels Mutter, Johanne Christiane, geb. Morgenrot, gehörte, wie auch
seine Frau Luise, geb. Philippi, einer begüterten Kaufmannsfamilie an.
Schon die ernste, streng religiöse Erziehung des Vaterhauses hatte in
dem Knaben eine große Ehrfurcht vor der Bibel geweckt. Dazu muss man bedenken,
dass die schlesische lutherische Kirche bis nur wenig mehr als 40 Jahre vor
Scheibels Geburt über 200 Jahre unter Habsburgerherrschaft stand und
entsprechend Verfolgung und Bedrückung zu leiden hatte. Das aber hat mit dazu
beigetragen, ein biblisch-kraftvolles Luthertum zu erhalten mit nüchterner
lutherischer Frömmigkeit, wie sie auch in seinem Elternhaus zu finden war.[2]
Es ist ein Luthertum, wie es sich auch ausdrückt in den schlesischen
Liederdichtern und Predigern, wie Johann Heermann, Valerius Herberger, Benjamin
Schmolck, Kaspar Neumann, Johann Neunherz,
Ernst Gottlieb Woltersdorf, Johann Friedrich Burg, ein Luthertum strenger
Rechtgläubigkeit und inniger Frömmigkeit.[3]
In all den Zeiten der Kämpfe hatte Breslau sich sein lutherisches Konsistorium
bewahrt und so ein unabhängiges Kirchenregiment gehabt, bis durch die
Hohenzollerntyrannei die schlesischen Freiheiten im politischen und kirchlichen
Bereich mehr und mehr beseitigt wurden.[4]
Im Elternhaus war sonntäglicher Gottesdienstbesuch ebenso selbstverständlich wie
die nachmittägliche Versammlung am Sonntag um den Hausvater, bei der Lieder
gesungen und eine Predigt von J.F. Burg vorgelesen wurde. Die Mutter hielt an
jedem Tag morgens und abends mit den Kindern Hausandacht. Groß Gesellschaften
oder Bälle oder gar Schauspiele hat Scheibel in seiner Jugend so gut wie gar
nicht gekannt.[5]
Das Studium der Theologie in Halle 1801-1804 diente Scheibel trotz des
dort herrschenden Rationalismus von Vater, Niemeyer und Nösselt
zu tieferer Sündenerkenntnis und gläubiger Versenkung in die Heilige Schrift, nicht
zuletzt auch bestärkt durch Georg Christian Knapp, der so etwas wie einen
biblischen Supranaturalismus vortrug, ohne lutherische Abendmahlslehre.[6]
Von der furchtbaren Unsittlichkeit der damaligen studierenden Jugend wandte Scheibel
sich mit Abscheu ab. Er gewann hier den deutlichen Eindruck, dass sittliche
Laxheit mit Unfähigkeit zu Glauben, vor allem zum biblischen Glauben,
zusammenhängt. Sittliche Reinheit sah er als eine Grundvoraussetzung dafür, die
göttliche Wahrheit zu empfangen, also Nein zu geschlechtlichen Verirrungen, zu
Hochmut, Eitelkeit, Ruhmbegierde, Heuchelei.[7]
Neben der Theologie zog ihn seine Neigung besonders zum Studium der Geschichte.
1804 kam es, nachdem zuvor die Vorlesungen in Halle ihn in einen romantischen
Strudel, in Pantheismus, menschlich geprägte Religiosität gezogen hatten, durch
die Lektüre der Offenbarung Jesu Christi an Johannes zu einer erneuten
Hinwendung – ohne allen gefühlsmäßigen Überschwang – zu dem Gott, der ihm doch
von der Kindheit her schon bekannt war. Es war dies eine Absage an die
menschliche Hybris und den „Vernunftstolz“ des Menschen, der die Vernunft zum
Maß aller Dinge erklärt und eine entschiedene Hinwendung zur Bibel. Allmählich
wurde ihm immer klarer, „dass die einzig wahrste und tiefste Lehre von Gott und
allen Dingen, das, was die Philosophie durch des Menschen Geist vergeblich zu
erreichen sucht, in der Schrift enthalten sei“. Bewusster Lutheraner war
Scheibel damals noch nicht, niemand in Halle hatte ihm biblisches Luthertum
gelehrt.[8]
Nach Breslau 1804 zurückgekehrt, durchlief er die dort übliche
Predigerlaufbahn als Lektor, Mittagsprediger und schließlich Diakonus an den
Kirchen St. Barbara und St. Elisabeth und wurde an letzterer Kirche 1815 als
dritter Pfarrer angestellt. Er war von der Erweckung ergriffen und kämpfte von
der Kanzel und später auch vom Katheder entschieden gegen den Rationalismus. Wie
damals üblich, interessierte er sich, der immer auch noch historische Studien
trieb, sehr für die Antike, stellte sie aber anders da, als damals üblich. Er
sah den sittlichen Verfall, der auch in der Antike immer weiter um sich
gegriffen hatte – und stelle auch den Grund fest: Es fehlte an der Religion der
Wahrheit. Das war auch eine ernste Warnung an seine Zeit – und ist es auch für
uns heute![9]
Durch die Dogmengeschichte hatte er, ganz im Gegensatz zur damaligen Auffassung
von Kirchengeschichte, die lutherische Orthodoxie ganz neu entdeckt und auch zu
den Bekenntnissen der lutherischen Kirche als „verpflichtenden Zeugnissen
biblischer Wahrheit“ gefunden, die gerade deshalb uneingeschränkt anzunehmen
sind: „So fand ich nun auch unsere symbolischen Bücher gegründet auf
wahrhaftiges Erforschen des göttlichen Wortes. Ich leugne nicht die
Fortschritte der neueren Philologie, aber was die deutschen Reformatoren als Glaubenslehre
in der Schrift erkannten, das haben sie richtig erkannt und konnten es richtig
erkennen. So viel Sprachkenntnisse besaßen sie! Deshalb erkläre ich echt
lutherisch (siehe Einleitung zur Konkordienformel) die symbolischen Bücher
nicht für der Heiligen Schrift gleich, wohl aber für die richtigste Darstellung
und Erklärung ihrer Lehren.“[10]
Er erkannte auch, dass die Zeit der lutherischen Orthodoxie eben nicht, wie
Pietismus und Rationalismus behaupteten, „tot“ gewesen sei, sondern Scheibel
erkennt auch die lebendige Frömmigkeit jener Zeit, auch bei den Dogmatikern
selbst. „Und die Geschichte der deutschen Theologie im 16. und 17. Jahrhundert,
die Frömmigkeit von vielen tausend Gesängen und Agenden, die heilige,
gottesfürchtige Sitte der vergangenen Zeit zeigten, dass diese
Bekenntnisschriften und auch diese Konkordienformel, wie sie selbst nicht von
toten Orthodoxen verfertigt waren, so auch nichts weniger als toten Glauben
hervorbrachte. Die Verfasser aller dieser Gesänge und Bücher, das redlich
fromme Leben der Vorzeit unsrer Kirche war auf die Treue gegen diese
Bekenntnisse gegründet.“[11]
Tote Orthodoxie sah Scheibel erst mit dem Niedergang der lutherischen
Orthodoxie gegen Ende des 17. Jahrhunderts, vor allem dann, nachdem der
Pietismus vieles zerstört hatte, nach 1730.
Wie zur lutherischen Orthodoxie überhaupt, so fand Scheibel auch zu den
lutherischen Bekenntnisschriften, die damals allgemein verpönt waren und als
überholt angesehen wurden, zurück. „Also deswegen stimme ich mit den
symbolischen Büchern der Gemeine Jesu in Deutschland überein, nicht weil diese
Bücher Gottes Wort sind, sondern weil diese Bücher mit Gottes Wort
übereinstimmen. Hat dies jemand Lust, nach echt geschichtlicher Forschung zu
leugnen? Insbesondere aber sind die vielen biblischen Stellen, auf welchen
alles in diesen Büchern, auch in der Konkordienformel gegründet ist, nicht
entstellt oder künstlich gedeutet. Getrost möchten die treuen Verfasser
derselben, die gelehrten Zöglinge Melanchthons, Chemnitz, Selnecker
usw. mit allen jetzigen Theologen Deutschland in die Schranken treten können.“[12]
Außerdem hatte er aufgrund einer Abhandlung über das Studium der Kirchengeschichte
an der eben von Frankfurt an der Oder nach Breslau verlegten Universität eine
außerordentliche Professur erhalten. 1818 wurde er, nachdem er einen Ruf nach
Dorpat ausgeschlagen hatte, ordentlicher Professor der Theologie. Seine
Amtsgenossen an der Universität wie im Pfarramt waren mehr oder weniger Rationalisten;
unter den Gemeindegliedern zeigten sich wohl noch Reste orthodoxen Glaubens,
aber ohne innere Lebenskraft.
Scheibels offenes Bekenntnis zur Inspiration der ganzen Heiligen Schrift
und zu den Glaubenslehren der lutherischen Kirche von der Erbsünde, der
wahrhaftigen Gottheit Christi, der Rechtfertigung und der Gegenwart des Leibes
und Blutes Christi im Abendmahl war etwas ganz Ungewohntes und erregte viel
Widerspruch. Doch allmählich sammelte sich eine Gemeinde gläubiger,
entschiedener Christen aus allen Ständen um seine Kanzel, obwohl seine
Ausdrucksweise nicht gerade populär, sondern oft durch ihre eigentümliche Kürze
nur tieferem Nachdenken verständlich war. Vielfach wurde er auch als
Beichtvater und spezieller Seelsorger gesucht. Professor Steffens, der durch
Scheibel „wieder Lutheraner wurde“, schreibt 1823: „Gott hat ihm eine Gabe
gegeben, dem inneren Zweifel einer ringenden Seele zu begegnen, wie sie wenigen
zuteil ward. Wenn er sich abwendet von allem Äußeren, wenn das Geheimnis der
ewigen Liebe des Heilandes ihn durchdringt, dann ist seiner Rede eine Kraft
gegeben, die alle Zweifel gewaltsam niederreißt, dann eröffnet sich eine Tiefe
der Sprache, eine innere Fülle der Andacht, dann ergreift uns eine heilige
Zuversicht, die ihn erleuchtet und durchströmt, und ich hörte Vorträge von ihm,
die mir unvergesslich sind.“[13]
„Im Anfang schien seine Sprache etwas Ungeschicktes, der Zeit Fremdes zu haben.
Hörte man ihn aber in seinen besten Stunden, dann war es, als hätte sich alles
in ihm verwandelt; es lag dann in seinen Worten eine Gewalt, die er selbst
nicht zu kennen schien. Die Religion lag als ein Fertiges in ihm; nicht bloß was
offenbart wurde, sondern auch, wie es ihm entgegentrat, erschien ihm notwendig
und wichtig. Wenn er die Überzeugung hatte, es stände in der Heiligen Schrift
so, dann hatte er eine Erfahrung gemacht, die ihn so sicher leitete, wie der
Bau seines organischen Leibes seine Bewegungen. Diese völlige Sicherheit war
ihm der Glaube. Sie teilte sich unwiderstehlich den Zuhörern mit.“[14]
Gleich Scheibels erste theologische Schrift „Einige Worte über die
Wahrheit der christlichen Religion“, die er 1815 zur Stiftung der schlesischen
Bibelgesellschaft veröffentlichte, war gegen die rationalistischen Angriffe auf
die Bibel, die Schöpfungs- und Versöhnungslehre gerichtet. Sein grader Sinn sah
in der Leugnung der Schriftwahrheit durch Männer, die sich doch christliche
Theologen nannten, eine Unlauterkeit. „Entweder ganz Heide oder ganz Christ!
Heide sein und doch christlicher Theolog sich nennen
lassen, und darum, weil nun einmal die Bibel Organ der evangelischen Katheder
und Kanzeln bleiben muss, seinen Unglauben in die Bibel hinein erklären, ist
elende Schlauheit.“[15]
1816 folge Scheibels „Untersuchungen über Bibel und Kirchengeschichte“, in
denen er besonders für die Authentie der Bücher des Alten Testaments eintrat.
Seine scharfe Verurteilung der damaligen Theologie – „Unsere Theologen wollen
eben wegen ihrem bloßen heidnischen Rationalismus mitten in die Lehren des
Evangeliums hinein ihr Nichtevangelium lehren, wollen die Maske von Doktoren
und Professoren christlicher Theologie haben, um affirmativ zu zerstören, was
ihnen negativ ohnehin missbehagt.“[16]
– zog ihm Angriffe von Seiten rationalistischer Amtsgenossen zu, gegen die er
sich 1817 in einer kleinen Schrift, „Rechtfertigung meines moralischen
Charakters gegen die Anschuldigungen des Herrn Dr. Schulz“, verteidigte.
Scheibel war ein Mann von tiefer innerer, aus der Bibel genährter
Frömmigkeit und stand damit der Erweckungsbewegung, die, nicht zuletzt durch
die Gerichte Gottes im Zusammenhang mit der französischen Revolution und die
von ihnen ausgelösten Kriege, sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
mehr und mehr in vielen Gegenden Europas ausbreitete, durchaus nahe. Er war
aber auch konfessionell, was vielen aus der Erweckungsbewegung, zumindest
zunächst, fremd war[17]
(erst allmählich ist die Erweckungsbewegung in einigen Gegenden konfessionell
geworden, so etwa in Bayern, in Nassau, im Lüneburgischen,
später auch im Elsass, in Norwegen, in Schweden, in Finnland, um nur einige
lutherisch geprägte zu nennen). Wahrscheinlich hat Scheibel zu den Kreisen, die
es auch in Breslau gab, Kontakt gehabt, denn 1821 trat er für sie ein, als die
Stadtpfarrer im Anschluss an die Kreissynode die „Konventikel“ verurteilten.
Immerhin hat er 1820 in der sogenannten Pietisten-Gesellschaft drei Vorträge
gehalten. Auch zur Herrnhutischen Brüdergemeine in Breslau hatte er zunächst
Beziehungen und hielt dort Vorträge, brach den Kontakt aber ab, als er mehr und
mehr zum bewussten Lutheraner wurde.[18]
Längere Zeit gehörte Scheibel zu einem Collegium pietatis,
einer Erbauungsversammlung, in der wohl auch Professor Augusti verkehrte,
ebenso der spätere Unionstheologe Julius Müller, Richard Rothe, der später
liberaler Vermittlungstheologe wurde, Mila, der Freund Otto von Gerlachs, und
auch der Naturphilosoph Steffens sowie Graf von der Gröben, später Adjutant des
Kronprinzen. Scheibel hatte gegen Privaterbauungsstunden nichts einzuwenden,
wenn die Schrift nicht durch Unberufene ausgelegt werde. Sie sind ja allerdings
als eine vorübergehende Erscheinung, die dann aufhören wird, wenn Gemeinde und
Kirche erneuert sind und selbst entsprechende Stunden anbieten. Scheibel hat
sich später dann auf die Gemeindearbeit konzentriert.[19]
Kontakte hatte er auch zu dem hochadligen Fischbacher Kreis, zu dem unter
anderem Gräfin Reden, Graf Christian Friedrich von Stolberg-Wernigerode, Graf
Reuß, Fürstenfamilie Radziwill und die lutherisch eingestellte Frau von Prinz
Wilhelm, dem Bruder des Königs, gehörten. Durch Baron von Kottwitz
hatte er auch Verbindung zu dem Berliner Erweckungskreis. Auch an der Erweckung
im Wuppertal nahm er Anteil und hatte wohl Beziehungen dahin.[20]
Trotz dieser Beziehungen, trotz der aus der Bibel genährten Frömmigkeit
bei Scheibel und den Erweckten, gab es dennoch erhebliche Unterschiede zwischen
beiden, die sich mit der Zeit immer stärker zeigten, je mehr Scheibel mit
seinem in der Bibel gegründeten Glauben Ernst machte, und zwar eben auch im
Blick auf Theologie, Kirche und Bekenntnis. Die Erweckungskreise waren doch
mehr religiös ausgerichtet als wirklich an der biblischen Wahrheit mit all
ihren Konsequenzen, vor allem nicht an der biblischen Lehre, die diese
biblische Wahrheit formuliert und bekennt. Das wurde von vielen nicht
verstanden, ja geradezu abgelehnt. Denn den Erweckten ging es mehr um das
innere Erleben, innere Herzensfrömmigkeit, bei der es um Sünde und Gnade geht,
nicht um die Lehre Gottes, die Bibellehre, die unverrückbare biblische Wahrheit;
die in Wort und Sakrament offenbarte Wahrheit wird weithin nicht erkannt.
Darauf zu pochen, und das ist ja bis heute in den pietistischen und vielen
evangelikalen Kreisen so, gilt als eine „unzureichende Stufe der Frömmigkeit“.
Baron von Kottwitz etwa hat Scheibel überhaupt nicht
verstanden in seinem Kampf gegen die Union und für die lutherische Kirche und
als „Verstandesorthodoxen“ bezeichnet. Die Erweckten fanden leider vielfach
nicht den Weg aus der subjektiven Erfahrungsfrömmigkeit, die auch stark am
Gefühlsleben orientiert ist, zum persönlichen objektiven Bibelglauben mit der
aus der Bibel geschöpften Lehre, dem bibelgebundenen Bekenntnis und damit zur
Bekenntniskirche. Bei Scheibel finden wir eine gesunde Verbindung von tiefer
Herzensfrömmigkeit und Bibelglauben, kirchlichem Bekenntnis, biblischer Lehre,
in den sie eingebettet ist.[21]
Scheibel hat die Schwächen und Irrungen der Erweckungsbewegungen erkannt
und auch kritisiert, nämlich dass bei ihnen kein fester Bibelglaube, kein
reines Bibelchristentum zu finden ist, sondern eben viel Subjektives und auch
manches Rationalistische einbrach. Dass er damit durchaus geistlich einsam
stand, wusste er: „Doch eben mit diesem meinem so strengen Luthertum bin ich ja
mit dem ganzen gegenwärtigen theologischen Zeitalter, und zwar auch selbst mit
den Gläubigen in ihm, in Zwiespalt.“[22]
Noch heftiger wurden die Anfeindungen, als er es wagte, seine Bedenken
gegen das vom König so eifrig betriebene Unionswerk auszusprechen. Schon 1814
hatte er eine Reformationspredigt über „Die wahre Würde der evangelisch-lutherischen
Kirche“ der in Berlin mit der Neuordnung des evangelischen Kultus beauftragten
Kommission eingesandt und vor jedem Eingriff in den lutherischen
Abendmahlskultus dringend gewarnt. Das Reformationsfest 1817 gab ihm
Gelegenheit zu öffentlichem Zeugnis für die lutherische Abendmahlslehre und
gegen die Union.[23]
Gleichzeitig schrieb er „Über Luthers christliche Frömmigkeit“, eine
Darstellung des psychologischen Entwicklungsgangs Luthers. Bald darauf fand die
erste Synode der Breslauer Superintendentur statt, auf der er erklärte, sein
Gewissen erlaube ihm nicht die Annahme der Union. Noch sollte diese ja der
freien Entscheidung eines jeden überlassen sein. Scheibel war im preußischen
Staat wohl der Einzige, der sich entschieden wehrte: „In den übrigen Provinzen
der Preußischen Monarchie fand nun diese in der halben und toten Orthodoxie,
dem Leichtsein und dem Rationalismus der allermeisten Geistlichen längst
vorbereitete Idee wenig Widerspruch. Den entschiedenen und ernstesten fühlte
ich mich auf der Breslauer Stadt-Synode zu erheben gedrungen.“[24]
Die im folgenden Jahr der Breslauer Synode aufgetragene Beratung eines Entwurfs
einer neuen Kirchenordnung nötigte Scheibel zu genauen Studien der
Kirchenverfassungen, deren Ergebnisse er in einem ausführlichen Votum[25]
und in der Schrift „Allgemeine Untersuchung der christlichen Verfassungs- und
Dogmengeschichte“ 1819 veröffentlichte. Er sieht in den Pastoralbriefen die
Grundzüge einer vom Heiligen Geist der Kirche offenbarten Verfassung, nach
welcher die Gemeinde, geleitet von Ältesten aus dem Lehr- und Laienstand, in
freier Liebe für den Unterhalt der Geistlichen sorgt und seelsorgerisch Lehr-
und Kirchenzucht geübt werden soll. Diese „biblische Verfassung“ habe auch
Luther ursprünglich gewollt[26],
doch sei sie in Folge der Übertragung der Kirchenleitung an die Landesfürsten
nicht recht zur Durchführung gekommen. Aber in kleineren Gebieten, z.B. in
Breslau selbst, seien in den aus Laien und Geistlichen zusammengesetzten
Stadtkonsistorien die Grundzüge jener biblischen Ältestenverfassung schon vorhanden.
Man hat Scheibel vorgeworfen, er habe eine neue, wesentlich reformierte
Verfassung einführen wollen, aber mit Unrecht; denn er unterscheidet diese
biblische Ältestenverfassung von der reformierten Presbyterialverfassung, die
nach seiner Überzeugung auf einer Vermengung des geistlichen und weltlichen
Regiments beruhe. Auch der Vorwurf, er habe zur Verwirklichung seiner
Verfassungsideen die Separation veranlasst, ist unberechtigt; er war erst durch
den Gegensatz zu der unierten Staatskirche genötigt, für die lutherische Kirche
eine selbständige Verfassung auf biblischer Grundlage zu fordern. Auch wollte
er eigentlich gar keine neue, sondern nur die Beibehaltung der in Breslau vor
Einführung der Union bestehenden Verfassung.[27]
Scheibels Stellung zur Verfassungsfrage kennzeichnet seine Äußerung im
Archiv für historische Entwicklung der lutherischen Kirche 1841, S. 7: „Wir
kennen keine ausschließliche lutherische Kirchenverfassung, unsere Kirche
gedieh und gedeiht unter jeglicher äußerer Firn und nie kam es uns in den Sinn,
Verfassung, unlogisch und unsymbolisch, für einen
Lehrartikel oder eine Glaubensnorm zu erklären. 1821 zog ihm eine
Passionspredigt über „Das Opfermahl des neuen Bundes“ und eine kleine Schrift
über das Abendmahl einen maßlos heftigen literarischen Angriff von Seiten
seines Kollegen Professor David Schulz unter dem Titel „Unfug an heiliger
Stätte“ zu. Er wurde als „Finsterling“, als „düsteres, geistliches
Schweifgestirn, das von einem Häuflein frömmelnder Schwächlinge, die am Pips
kränkeln, gefolgt würde“, geschmäht. Er antwortete, die persönliche Kränkung
verzeihend, in der Schrift „Das Abendmahl des Herrn“ 1823, in welcher er nach
einer religionsgeschichtlichen Untersuchung der heidnischen, besonders
ägyptischen Opfer den exegetischen Nachweis zu führen suchte, dass Brot und
Wein im heiligen Abendmahl Leib und Blut Christi nicht nur bedeuten, sondern
real mitteilen, während die symbolische Auffassung der Reformierten ein
versteckter Gnostizismus sei. 1827 erschien von ihm ein „Kommunionbuch“, eine
Sammlung seiner Beichtansprachen und Gebete. Die Abendmahlslehre war für
Scheibel so etwas wie der Kern seiner Theologie, ein Thema, das er exegetisch,
kirchengeschichtlich, seelsorgerlich und homiletisch bearbeitete, und das ihm
zum Prüfstein wurde.[28]
„Es war besonders nötig, uns daran zu erinnern, dass die Überzeugung, die Lehre
des N.T.: Das gesegnete Brot und der gesegnete Wein sind der wahre Leib und das
wahre Blut Christi, nicht bloß eine einzelne Meinung, eine gleichgültige
Ansicht sei, sondern dass sie den allerwesentlichsten Einfluss auf die ganze
Überzeugung von unserem Herrn habe, dass wir nur dann ihn als lebendigen Gott
glauben, nur dann also als Sohn Gottes, als unseren vollgültigen Versöhner, als
den Herrn, der zur Rechten des Vaters die Welt und insbesondere seine Kirche
regiert, wir nur dann also seinem Geist nachfolgen, nur dann ihn als den
anerkennen, der uns auferwecken und richten wird, nur dann also das Wesen des
Christentums von uns bekannt wird, wenn wir diesen Glauben haben.“[29]
Für Scheibel ist gerade das Abendmahl der Angelpunkt in der Auseinandersetzung
mit der Union, um den sich die anderen Fragen gruppieren, wie Bekenntnis,
Kirche, Liturgie, Kirchenordnung, Lehre von der Schrift.[30]
„Wenn das Zeitalter, durch irrende Schriftansicht verleitet, gerade diese
Wahrheit vom Abendmahl des Herrn vorzüglich verwirft; wenn alles Irdische sich
mehr als je dagegen zeigt; wenn der Glaube durch menschliche Verhältnisse
zaghaft werden kann: Dann vorzüglich werden wir, namentlich bei dieser Lehre,
zu zeigen haben, dass der Sohn Gottes uns der lebendige Gott sei, dass sein
Wort uns das Größte, das Entscheidenste, das ewig
wahre und göttliche Gesetzbuch, und wir in keinem einzigen Bekenntnis, ja in
keiner Teilnahme weichen sollen von dem, was der Allmächtige uns hier geboten
hat.“[31]
Für Scheibel war es selbstverständlich, dass diese biblische Lehre vom
Abendmahl keine bloße Theorie bleiben darf, sondern sich auch auf das
Christenleben, besonders die gelebte Abendmahlsfrömmigkeit, auswirken musste.
„Da muss nun auch das heilige Abendmahl in unser ganzes Leben Einfluss haben.
Wir müssen mit der ernstesten Selbstprüfung, mit tiefer Reue zu dem Altar
nahen, wo sich der Geist Jesu Christi, wo sich der Sohn Gottes in seiner Macht
und Herrlichkeit den Seinigen mitteilt; wo er seine göttliche Lebenskraft
seinem Volke mit unaussprechlicher Gnade gibt. Es muss die Gemeinde bei der
Feier desselben alle Ehrfurcht, Stille, ernste Andacht und heilige Gesinnung
offenbaren; sie muss darstellen, wem sie gehört. Im ganzen Leben endlich, auch
nach und außer der Feier, muss sich die Frömmigkeit, der Glaube, die
Nächsten-Liebe, die Gerechtigkeit und Heiligkeit zeigen, die es kund tun,
welchen Gott wir verehren, wessen Erbteil wir sind; dass es der Herr sei,
voller Gnade und Wahrheit.“[32]
Dass Scheibel dann für die biblische Abendmahlslehre auch Joh. 6,51 ff.
beanspruchen wollte[33],
war leider ein exegetischer Fehlgriff; der Text ist auch für die biblische
Beweisführung gar nicht nötig. Mit seiner biblisch-lutherischen Abendmahlslehre
stand Scheibel in eindeutigem Widerspruch zu seinem Fakultätskollegen David
Schulz, der im schlesischen Konsistorium bestimmenden Einfluss hatte, und eine
„reingeistige“ Gegenwart Christi im Abendmahl vertrat, „wo die Seelen gläubiger
Christen sich in frommer Andacht zu Gott und dem göttlichen Mittler erheben“.[34]
Dass Schulz ein Verfechter der Union war, ist bei dieser Auffassung nicht
verwunderlich, denn er unterschied sich grundsätzlich ja nicht von den
Reformierten. Scheibel aber hatte es seiner Gemeinde vor Gott von der Kanzel
der St. Elisabethkirche herunter unmissverständlich bezeugt: „Ich werde, Jesus
Christus, der Richter und Lebendigen und Toten zur Rechten des Vaters ist
Zeuge, ich werde, bis diese Lippen erblassen und diese Hände erstarren, nur den
Leib und das Blut des Herrn im heiligen Mahl der Gemeinde bekennen und geben,
und nichts anderes will ich je in diesem Mahl empfangen als Leib und Blut
meines Herrn, meines Heilandes, meines Gottes. Ich kann, ich werde und will nie
die Sünde des Todes üben.“[35]
Es ist dabei zu bedenken, dass Scheibel erst nach intensivem Schriftstudium zur
biblisch-lutherischen Abendmahlslehre zurückgefunden hatte, nachdem er durch
das Studium in Halle in zwinglianisches Fahrwasser gekommen
war.[36]
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch Scheibels Schriftverständnis.
Für Scheibel ist die Bibel ohne Wenn und Aber Gottes Wort. Gott ist nur durch
sein Wort recht zu erkennen. „Alle eitle Weisheit, alle Menschenmeinungen
unsrer Tage entstanden daher, weil die, die sie hegten, die heil. Schriften
verließen und sich lieber aus sich selbst zu belehren suchten. Verlassen wir
sie also, m.F., ist sie nicht für uns das Buch des
Lebens, dann sinken wir gewiss, eher als wir meinen, in Torheit und Wahn.
Forschen wir aber in ihr, sehen wir sie nicht an als Menschenwort, sondern, wie
es denn auch wahrhaftig ist, als Gotteswort, dann werden wir uns gewiss vor
aller törichten Erkenntnis verwahren.“[37]
Was sein persönliches Verhältnis zur Bibel angeht, bezeugte er klar: „Dieser
heiligen göttlichen Schrift glaube ich wörtlich. Ich weiß recht wohl, dass im
Neuen Testament insbesondere 40.000 Varianten sind, aber ich habe von unserem Aristarch Wolf gelernt: Jede Variante ist ein historisches
Faktum und diese Fakta lassen sich bei dem
gegenwärtigen Stand der kritischen Sammlungen bis auf Unwesentliches nach allen
Regeln der historischen Kritik ausmitteln.“[38]
Scheibel hat sehr intensive exegetische Arbeit betrieben und einer
historisch-kritischen Untersuchung (nicht zu verwechseln mit der
historisch-kritischen Methode, die durch Liberalismus und Rationalismus aufkam
und in der Bibelkritik fußt; Scheibel meint damit die grammatisch-historische
Erforschung der Schrift) sehr viel zugetraut. Er selbst hat die einzelnen
Begriffe sehr genau beleuchtet und die parallelen Texte auf ihre Ähnlichkeiten
wie Unterschiede abgeklopft. Scheibel war es dabei ganz klar, dass zu einer
rechten Verständnis der Schrift, auch der Sprachen, die rechte „innere
Auffassung“, also der rechtfertigende Glaube kommen muss, der Bibelglauben ist,
denn allein die Christusoffenbarung erschließt die Kenntnis Gottes, der ja
außerhalb unserer natürlichen Welt ist.[39]
Auf der Grundlage der Schrift hat er unterschieden zwischen der
natürlichen Vernunft und dem Geist Gottes: „Daher also der heutige
Rationalismus mit diesen Lehren des N.T. allerdings nicht übereinstimmt; indem
der erstere die natürliche Vernunft, ohne allen Einfluss oder gar Erneuerung
eines höhern Geistes, für absolut
päpstlich-unfehlbar, mithin aber ganz für das ausgibt, wofür das Christentum
nur den Geist Gottes darstellt.“[40]
Sehr deutlich hat er festgestellt, dass außerhalb des biblischen Christentums
alle Religion letztlich innerweltlich bleibt, Götzendienst und
Menschenvergötterung ist. Eben darum kann allein der Glaube die sonst
verfinsterte Vernunft erleuchten und korrigieren. „Und da das Wesen der Dinge
durch den Heiland gelehrt wurde, so sollte auch das Suchen der Vernunft
befriedigt werden, doch nicht durch des Sünders Naturleben, sondern durch das
Leben des Begnadigten im heiligen Geiste.“[41]
Durch die von der Schrift erneuerte Erkenntnis kommt es dann auch zu rechter
Erkenntnis der Geschichte, ja überhaupt aller Wissenschaft wie auch zu einer
sittlichen Erneuerung und Umgestaltung des Menschen. „Der dreieinige Gott und
sein Wirken war mir Prinzip des Erkennens. Ich erkannte in der biblischen Idee
von Sünde und Gnade die Basis aller Moral; in der vom Reiche Gottes und des
Satans die aller Welt- und Kirchengeschichte; in der vom Herrn und der Gemeine
den Urtypus alles Lebendigen in der Natur; in der endlich von Himmel und Hölle
die Basis aller Physik.“[42]
Auf dieser Grundlage konnte er auch zur Gesellschafts- und Kulturkritik kommen.
Denn es hängt alles am „wörtlichen Glauben an die Bibel“, an der wörtlich zu
verstehenden Schrift als dem Zugang zur Wahrheitserkenntnis; wo das fehlt, muss
es zu sittlichen Miss-Ständen kommen.[43]
Die geschichtsgestaltenden Kräfte, das hatte Scheibel erkannt, waren Gott und
die Macht des Bösen; es geht in der Geschichte um das Verhältnis von
Weltgeschichte zur Entwicklung des Reiches Gottes, um den Kampf zwischen
Heidentum und Christentum, Vernunftvergötterung und Offenbarungslauben,
menschlicher Autonomie und Gehorsam gegenüber Gott. Damit tritt er entschieden
gegen die menschenzentrierte optimistische Auffassung der Aufklärung an.[44]
Scheibel, der auch stark historisch gearbeitet hat, hat den
Rationalismus durch die Geschichte hindurch vom alten Ägypten an verfolgt, in
seiner griechisch- wie romanisierend-gnostischen Ausprägung in der frühen
Kirche wie dann im Mittelalter und dann wieder in der reformierten
Vernunftauffassung seit Zwingli. Das, was dann über hundert Jahre später durch
Bultmann aufkam, sah Scheibel schon zu seiner Zeit aufziehen, nämlich den
völligen Sieg des Gnostizismus in der Theologie, die die Schrift nicht mehr
wörtlich nimmt, sondern als Mythologie, Symbol, was er bereits in den
heidnischen Religionen vorgefunden hatte. Daher kann es für Scheibel keinen
Ausgleich mit dem römischen Katholizismus oder den Reformierten oder gar der
modernen Theologie geben.[45]
Gerade bei den Reformierten sah er Vernunftvergötterung; bei Rom romanisierte
Menschenvergötterung und Selbstdarstellung (Messopfer, Totenmessen, Hierarchie,
Marien- und Heiligenkult), in der Messe Götzenopfer. Nur eine grundlegende
Reformation bei Rom und Genf könnte die Lage ändern.[46]
Die lutherische Kirche, das war für Scheibel tiefste Überzeugung aufgrund der
Bibel, hat „die vollkommenste Erkenntnis der biblischen Wahrheit“, ist die
„wahre Kirche“.[47]
Von der Überzeugung der Unvereinbarkeit der lutherischen und
reformierten Abendmahlslehre durchdrungen, hatte Scheibel bereits bei dem für
den 31. Oktober 1817 angeordneten Unionsabendmahl in Breslau seine Teilnahme
verweigert und dann auch seit dem Erscheinen der Unionsagende von 1822 seine
Bedenken dagegen geäußert. Gegen ihre Einführung in Schlesien gab er 1828 ein
entschiedenes Votum ab[48],
dessen scharfe Sprache vor allem den Verfasser der Agende, König Friedrich
Wilhelm III. gegen ihn einnahm. Auch die gehässige Darstellung, welche
Hofprediger Eylert dem König von Scheibel gab, trug
dazu bei, dass der König eine tiefe Abneigung gegen ihn fasste und nichts mehr
von ihm lesen wollte, während Scheibel dem König bis zu dessen Tod in großer
Liebe anhänglich blieb. (Angebahnt war die Union ja schon 1808 worden in einem
ersten Schritt, nämlich der gemeinsamen Verwaltung für beide Kirchen.) Für
Scheibel war mit Recht das Herzstück des Gemeindelebens der Gottesdienst, der
wiederum ja durch die Agende geordnet ist. Daher war mit der aufgezwungenen
Königsagende, die ja für die Union stand und sie durchsetzen sollte, die
Notwendigkeit des Kampfes gegeben. Scheibel hat in diesem Zusammenhang auch
intensive liturgische Forschungen betrieben. „Er hielt an den alten
lutherischen Agenden fest als dem wahren Ausdruck der biblischen Lehre.“[49]
Scheibel war sich, da er den Zeitgeist nur zu gut kannte, sehr bewusst, dass er
mit seiner Breslauer Gemeinde einen sehr einsamen Weg ging und das Ganze nicht
aufhalten konnte. Dabei war ihm auch klar, dass mit diesem Kampf auch die Frage
nach der staatsunabhängigen Kirchenorganisation kam, die er richtig als Frage
von grundsätzlicher Tragweite erkannte. Gerade weil die Gemeinde, die Kirche
Gottes eine Theokratie sein muss, ist die Frage so wichtig. Darum muss auch die
Gemeinde biblisch unterwiesen sein, was Scheibel auch intensiv betrieb, denn
ihm war die Verbindung von Wissenschaft, persönlichem Glauben und Frömmigkeit
der Gemeinde unabdingbar notwendig. Und dabei sammelte er eine Gemeinde aus
allen Schichten des Volkes.[50]
Scheibel war einer der Ersten, vielleicht sogar der Erste, der nach der
Reformation dem Landesherrn, vor allem noch dazu einem andersgläubigen
Landesherrn, das ius liturgicum absprach und auch
scharf gegen den von FW III geforderten Ordinationseid, der eine Unterwerfung
unter den König anstatt unter Gott bedeutete, sich aussprach. Das waren
entscheidende Schritte in die Freikirche.[51]
Denn, und das ist ganz wichtig, nicht nur damals, sondern für alle Zeiten: Es
geht ja nicht um private Auffassungen, privaten Glauben, nein, es geht um die Kirche
Christi: „Also die Frage war nicht: Ob noch lutherisch gepredigt
und Kinder unterrichtet werden dürfen? Ja selbst nicht: Ob nicht etwa noch dem Einzelnen,
für seine Person, lutherische Abendmahls-Gebete vergönnt würden;
sondern: Ob noch die lutherische Kirche, mit freier selbständiger
Verfassung im preußischen Staat, wie seit drei Jahrhunderten, bestehen dürfe?
Denn nur eben dadurch erhalten ja lutherisches Abendmahl und Predigt ihre
Sicherheit und volle Bedeutung. Denn eine Kirche ist eine Einheit; eine
Vermischung von reformiertem und lutherischem Abendmahl ist daher eine
Kirchenheuchelei, und die Zulassung von lutherischer und reformierter Predigt
in derselben Kirche ein Selbstwidersprich, und, was noch schlimmer, eine
kirchliche Approbation des Glaubens-Indifferentismus, d.i. des Unglaubens. Ja,
wie kann bei solchem Zustande der Kirche auch nur bei dem Einzelnen auf die
Dauer noch von Glauben und gläubigem Genuss des wahren Abendmahls die Rede
sein? Eben so wenig kommt es darauf an, ob noch ausnahmsweise hier und da
lutherische Überzeugung den Einzelnen gestattet, lutherische Theologie gelehrt,
lutherisch gesinnte Prediger angestellt werden dürfen und überhaupt ein
lutherisches Einwirken vom Geiste aus, gestattet sei, sondern von der Kirche
ist die Rede, die mehr ist als bloßer Geist und zufällige geistige Einwirkung,
und die Kirche, der Leib des Herrn wird zerstört, wenn die reformierte und
lutherische kollegialisch verbunden sind, wenn ein
und dasselbe Kirchenbuch mit seinen geschraubten Phrasen nur zum Ausdrucke des
Zweifels und Indifferentismus dient, wenn Ein Kirchen-Regiment beide Kirchen
umfasst.“[52]
Scheibel stellte ganz deutlich fest: Eine lutherische Agende für lutherische
Gemeinden kann nur von einer lutherischen Kirchenleitung in einer freien
lutherischen Kirche eingeführt werden. Daher wandte er sich auch gegen alle
Versuche, die Unionsagende so weit zu ändern oder für Schlesien Besonderheiten
zu bekommen, dass sie Lutheranern angenehmer sei. „Und wenn auch ihr Inhalt
lutherischer Agenden irgendwie approximiert würde: So bleibt doch dieser Inhalt
seinem Wesen nach, sei es auch zuerst in noch so kleinem Teil, der Inhalt der
Agende für die Hof- und Domkirche in Berlin, also für eine reformierte oder
unierte Gemeinde. So heimlich und möglichst versteckt die Gemeine des Herrn
unvermerkt aus ihrem Glauben wegführen zu wollen, erlaubt mein Gewissen nimmer
mehr. Ja! Selbst bei Hinzufügung lutherischer Abendmahlsformulare usw. wie in
Pommern, bleibt jede Bearbeitung dieser Agende doch ihrem Zweck gemäß von der
Art, dass sie in beiden Kirchengesellschaften, der reformierten und
lutherischen, gebracht werden könne, um beide immer mehr, dem Zweck der Union
gemäß, zu konformieren. Ich kann aber keiner Agende beipflichten, die der
Gemeine auch nur in adiaphoris den Argwohn einflößte,
ich sei der Union beigetreten oder habe sie veranlasst.“[53]
Denn: „… eine Kirche ist eine Einheit; eine Vermischung von reformiertem und
lutherischem Abendmahl (wie sie in der neuen Agende vorhanden) ist daher eine
Kirchenheuchelei, und die Zulassung von lutherischer und reformierter Predigt
in derselben Kirche ein Selbstwiderspruch, und, was noch schlimmer, eine
kirchliche Approbation des Glaubens-Indifferentismus, d.i. des Unglaubens.“[54]
„Vor allem hat Scheibel von diesem Kirchengedanken aus erkannt, dass es
keinesfalls genüge, wenn innerhalb der unierten Kirche einzelne Personen oder
einzelne Gemeinden sich die Übung lutherischer Sakramentsfeier und Predigt
gestatten ließen. Denn nur in lutherischer Kirche mit lutherischem Kirchenregiment
haben diese doch ihre Sicherheit und volle Bedeutung.“[55]
Darum sagte Scheibel, als man später den Lutheranern lutherische
Abendmahlsformulare gewährte, sehr klar und bestimmt, und mit vollem Recht:
„Lutherische Abendmahlsformulare usw. machen nicht Lutherische Kirche aus.
Neben (ihr) und in unierter Kirche haben solche Formulare keine Bedeutung,
indem die lutherischen Bekenntnisse alle Verbindung mit der reformierten Kirche
als unerlaubt ausschließen.“[56]
Lutherische Wortverkündigung, lutherische Sakramentsverwaltung und lutherische
Kirche bedingen einander; die Einführung einer unierten Agende, gleichgültig
mit welchen Sonderformularen, ist notwendig das Ende der Kirche lutherischer
Reformation.[57] Und das
gilt ja nicht nur im Blick auf die Agende. Jegliche Union – und das meint eben
auch die EKD – ist das Ende bibel- und bekenntnistreuen lutherischen
Kirchentums. Interessant übrigens in diesem Zusammenhang: Auch sein
rationalistischer Widersacher David Schulz war ein entschiedener Gegner der
Königsagende und wandte sich gegen die immer engere Verknüpfung von Staat und
Kirche.[58]
Zunächst hatte man in Berlin noch gemeint, man könne Scheibel umstimmen.
Sein Gesuch, der Breslauer Gemeinde den Status einer geduldeten
Kirchengesellschaft zu gewähren, ähnlich den Herrnhutern, Mennoniten oder
Juden, wurde abgelehnt. Der schlesische Oberpräsident Merckel,
ein typischer Vertreter des absolutistischen Staatskirchentums, verstieg sich
gar darin, die Union ein Gott wohlgefälliges Werk zu nennen und zu behaupten,
dass derjenige, der der Union widerstrebe, dem göttlichen Ratschluss
widerstrebe. Weder ein Gespräch zwischen ihm und Scheibel, noch eine
Unterredung zwischen dem Generalsuperintendenten Bobertag
und dem Diakonus an St. Elisabeth konnte letzteren umstimmen.[59]
Um jeden Widerspruch gegen die am Jubelfest der Augsburgischen Konfession 1830
in Breslau geplanten Einführung der Union zu unterdrücken, wurde Scheibel kurz
vorher suspendiert; am 23. Juni 1830 amtierte er zum letzten Mal in der
Elisabethkirche. Dies war der Anfang einer Reihe von Gewaltmaßnahmen des
Staates gegen die Kirche, die allem Recht widersprachen.[60]
Eine große Anzahl seiner Gemeindeglieder wandte sich in wiederholten
Bittschriften an den König um Aufhebung seiner Suspension und Anerkennung einer
von der unierten Landeskirche unabhängigen lutherischen Kirche. Während in der
Staatskirche am 25. Juni 1830 das Unionsabendmahl gefeiert wurde, blieb die
lutherische Gemeinde für sich – und wuchs immer mehr, im Juli 1830 hatte sie
wohl schon 1.000 Glieder; Ende 1830 gibt Scheibel die Zahl der Lutheraner in
Breslau und Umgebung mit 2.300 an.[61]
Und sie blieb erhalten trotz Verfolgung, trotz Auspfändung bis zur Armut. Die
Gemeinde stand auch in der Mitte der Ekklesiologie (Lehre von der Kirche)
Scheibels. Sie war, gemäß der Schrift, die eigentliche und ursprüngliche
Inhaberin aller Kirchengewalt; sie hatte daher auch das Recht, Diener an Wort
und Sakrament zu berufen und die Reinheit der Lehre zu überwachen sowie bei der
Kirchenzucht mitzuwirken. Ein göttlich geordnetes Kirchenregiment über der
Gemeinde kennt er so wenig wie die Bibel es kennt.[62]
Was allerdings zunächst ganz unterblieb, und das verwundert, ist eine
Verbindung Scheibels zu Gleichgesinnten in Schlesien, was gerade vor dem 25.
Juni 1830 sinnvoll gewesen wäre. Hier wirkte sich auch die stark auf die
Obrigkeit ausgerichtete Denkart aus. Er wirkte zunächst einzig in seiner
Gemeinde weiter, auch nach der Suspension. „So müssen wir denn also uns
festhalten an die Kirche, der wir angehören, worin wir das
heilige Abendmahl ganz nach Jesu Lehre bekannt und öffentlich geglaubt haben.“[63]
Für die Lutheraner in Breslau hieß das alles zunächst, dass sie durch
die Einführung der Union ohne kirchliche Organisation waren und nun eine
eigene, staatsfreie Gemeinde und Kirche bilden mussten. Sie kamen zu Scheibel,
der ihre Namen notierte und so ein Verzeichnis derer anlegte, die nach
persönlichem Bekenntnis sich als Glieder der lutherischen Kirche bekannten.
Gemäß dem Allgemeinen Landrecht wurden von der Gemeinde Bevollmächtigte bzw.
Repräsentanten berufen, was damals allerdings, aufgrund der Karlsbader
Beschlüsse, nicht durch die Gemeindeversammlung geschehen konnte, sondern
Scheibel sie in Absprache mit seinen engsten Vertrauten ernannte und durch
dauernden Verkehr mit den Gemeindegliedern sich deren Zustimmung vergewisserte.
Diese Gemeinderepräsentanten spiegeln das vielfältige soziale Bild der Gemeinde
wider: sieben Handwerker, ein größerer Kaufmann, zwei Bauern bzw. Gärtner, ein
mittlerer Beamter. Zu Ihnen gehörten auch: Professor Steffens, Dekan Huschke
von der Juristischen Fakultät und der Oberlandesgerichtsrat von Haugwitz.[64]
In drei Bittschriften wandte sie die Gemeinde an den König und die Regierung,
in der Hoffnung, dass ihr Duldung gewährt werde. Auch Scheibel schrieb eine
Bittschrift und reiste auch mit Huschke nach Berlin. Alle Eingaben wurden
abschlägig beurteilt. Die Tyrannei sah in ihnen nur Auflehnung gegen ihre
Befehle.[65] Die
Gemeinde, und das ist wichtig, ließ sich dadurch nicht beirren. Es war keine
bloße Personal-, sondern eine Bekenntnisgemeinde, gut unterwiesen von Scheibel
schon in den Jahren vor 1830, aber auch nach der Einführung der Union in der
Staatskirche. Sie wusste, dass es um das Fortbestehen lutherischer Kirche und
damit um die Reinerhaltung der Gnadenmittel ging, wobei Taufe und Abendmahl
eine besonders hohe Wertung erfuhren, ging es doch gerade bei dem Kampf um die
Kirche und gegen die Agende unter anderem um nichts weniger als die reale
Gegenwart von Christi Leib und Blut unter Brot und Wein im Abendmahl (praesentia in rebus).[66]
Deshalb konnte Scheibel auch das Ansinnen Neanders nicht annehmen, der
angedeutet hatte, dass ihm, Scheibel, die Benutzung der alten, bisherigen
Agenden und Formulare gewährt werden solle, wenn er nur in die Unionskirche
eintrete. Dieses Ansinnen Neanders machte einmal mehr deutlich, wie wenig die
Unierten einen Begriff von Bekenntnis, von reiner Lehre, von Kirche im
eigentlichen Sinn und in ihrer äußeren Gestalt zur Ausübung ihres Auftrages
hatten und haben. Denn, das hatte Scheibel längst erkannt und auch seiner
Gemeinde gelehrt: Lutherische Formulare, Agenden machen in einer unierten
Kirche keine lutherische Kirche aus, da sie eben nicht alleinberechtigt sind,
da sie daneben die Irrlehre anerkennen, gleichberechtigt bestehen lassen
müssen, sie also dem Wahrheitsanspruch auf der Grundlage des Wortes Gottes
nicht genügen, keinen öffentlichen, bekenntnismäßigen Charakter haben, sondern
nur einen privaten.[67]
Was die Union bedeutet, hat Richard Rothe gut zusammengefasst: „Die Union ist
in Wahrheit nichts anderes als ein bedeutsames Moment in der Auflösung unserer
evangelischen Kirche, ein erster im Großen gemachter Versuch, sich ohne eine
Kirche im strengen Sinn des Wortes zu behelfen.“[68]
Der Kampf gegen die Union, der von Scheibel begonnen wurde und zur
Bildung dieser unabhängigen lutherischen Gemeinde in Breslau führte[69]
– und in ihrem Gefolge an vielen Orten Schlesiens, später auch Pommerns,
Westpreußens, Posens, Brandenburgs, in der Provinz
Sachsen und im Rheinland – wirkte wie ein Fanal und weckte das bis dahin
schlafende Luthertum in den deutschsprachigen Staaten. Löhe schrieb dazu: „Als
unsre schlesischen Brüder anfingen, Zeugnis abzulegen, da geschah’s unter dem
unwilligen Aufschreien vieler, die jetzt dasselbe Zeugnis ablegen. …
Nichtsdestoweniger brachte das laute Zeugnis der Schlesier viele andere zur
Besinnung; und dass heute bereits vom Norden bis in den tiefen Süden
Deutschlands eine einige, nur durch Bekenntnis, aber um des Bekenntnisses
willen und durch das Bekenntnis in allen Stücken einige Schar steht und
treulich zeugt, wer weiß, ob das alles nicht doch ein Wehen ist, welches in
Schlesien aufbrach?“[70]
Und Wilhelm Vilmar stellte, auch unter dem Eindruck des massiven staatlichen
Eingreifens fest: „Nur ein einziger Mann stand in diesem Moment falscher
Kirchenbildung auf dem Mittelpunkt der Kirche und ihrer durch die Reformation
gewonnenen Einheit und damit zugleich in dem Zentralpunkt des Volkslebens fest.
Das war der Diaconus an der St. Elisabethkirche zu Breslau, Professor Johann
Gottfried Scheibel.“[71]
Scheibel nimmt damit eine Schlüsselstellung ein in der Wiedergewinnung
klarer lutherischer Konfessionalität,
Bekenntnistreue. Gottes Zeitpunkt dafür war gekommen. Noch 13 Jahre zuvor waren
die 95 Thesen von Claus Harms in Kiel gegen den Rationalismus und die Union
doch ohne größeres Echo verhallt. Kurz darauf, 1821, hatte Scheibel begonnen,
„wenigstens eine lutherische Literatur in Deutschland wieder zu beginnen“[72].
Wilhelm Vilmar schreibt 1841, was Scheibel und das Ringen der schlesischen
Lutheraner für ihn persönlich bedeutete: „Wie dieser (d.i. Schleiermacher) mir
das persönliche Auge aufgeschlossen, so dass ich individuell sehen kann, so
Scheibel mir das kirchliche Auge, und ich habe, seitdem ich auf Veranlassung
der schlesischen Streitigkeiten mit ihm Bekanntschaft gemacht habe, erst
eigentlich erfahren, was Kirche ist; es dünkt mich, er, aber auch er fast
allein, stünde auf einem echt kirchlichen Boden.“[73]
Sein Bruder August Vilmar hatte dagegen kaum Notiz von den Kämpfen in Schlesien
genommen und stellte später fest: „Denn wer sah in dieser Angelegenheit damals
klar als Scheibel?“[74]
Karl Eichhorn, durch den Gott die lutherische Kirche in Baden wiederherstellte,
wurde dann 1848 auf der Leipziger lutherischen Konferenz durch die Begegnung
mit preußischen Lutheranern für das bewusste Luthertum gewonnen.[75]
Die Bittschriften der Gemeinde blieben ebenso wie Scheibels persönliche
Vorstellungen in Berlin, etwa auch die Unterredung mit dem zuständigen Minister
Altenstein, erfolglos. Man drohte ihm mit Absetzung, wenn er die neue Agende
nicht annehme. Die Versicherung, dass damit keine Annahme der Union geschehe,
konnte ihn angesichts der Tatsache, dass die Agende den Zwecken der Union
dienen sollte, nicht beruhigen. Da ihm sowohl jede Amtstätigkeit als auch jede
literarische Wirksamkeit für die lutherische Kirche verboten wurde, so verließ
er am 15. April 1832 Breslau[76]
und nahm seinen Wohnsitz in Dresden, blieb aber in ständigem Verkehr mit den
Lutheranern in Preußen, sie beratend und ihre Sache durch Herausgabe von
Schriften, welche über die Verfolgungen der schlesischen Lutheraner von Seiten
der Staatsgewalt ausführlich berichteten, wesentlich fördernd. 1832 erschein
seine „Geschichte der lutherischen Gemeinde in Breslau“. Im selben Jahr
veröffentliche er das von Huschke geschriebene „Theologische Votum in Sachen
der Berliner Agende“ und „Biblische Belehrungen über lutherische und
reformierte Lehrbegriffe und Union beider Konfessionen“; desgleichen: „Von der
biblischen Kirchenverfassung. Sendschreiben an Dr. Hengstenberg“; 1833:
„Nachrichten vom neuesten Zustand der lutherischen Kirche in Schlesien“ und
„Was ist Pietismus und Mystizismus?“ 1834 erschienen die zwei Bände starke
„Aktenmäßige Geschichte der neuesten Unternehmung einer Union“, durch den
Abdruck sämtlicher Urkunden bis heute die beste Quelle für die
Unionsgeschichte. 1834: „Antwort auf das offene Sendschreiben eines
Verborgenen“. Außerdem schrieb er zahlreiche kleinere Artikel in den
politischen und theologischen Blättern jener Zeit. Da die Evangelische
Kirchenzeitung Hengstenbergs, welche anfangs der lutherischen Bewegung
freundlich gesinnt war, einem Wink der Regierung folgend seit 1833 die Aufnahme
von Artikeln der Lutheraner verweigerte, so veröffentliche Scheibel zusammen
mit Professor Guerike 1833: „Theologische Bedenken
betreffs reformierten und lutherischen Lehrbegriff, Kirchenverfassung und Union
in Bezug auf Aufsätze der Evangelischen Kirchenzeitung“. 1834: „Letzte Schicksale
der lutherischen Parochien in Schlesien“. Auch auf das von Pastor Kellner im
Gefängnis verfasste, von Pastor Blüher in Grünberg in Schlesien herausgegebene
sogenannte „blaue Buch“: „Neueste kirchliche Ereignisse in Schlesien.
Geschichte der lutherischen Parochien Hönigern und Kaulwitz“ übte er entscheidenden Einfluss aus. 1835 und
1836 erschienen von Scheibel „Mitteilungen über die neueste Geschichte der
lutherischen Kirche“, 1836: „Luthers Agende und die neue Preußische“. 1837 gab
er durch eine Neubearbeitung der dritten Auflage von Köppen: „Die Bibel ein
Werk der göttlichen Weisheit“ eine ausführliche Verteidigung des Bibelglaubens
der lutherischen Kirche, und veröffentlichte: „Ein Wort brüderlicher Belehrung
über die lutherische Kirche und die unternommene Vereinigung derselben mit der
reformierten Kirche zu einer einigen evangelischen Kirche“. Auch verteidigte er
sich gegen verschiedene Vorwürfe, die ihm wegen seiner scharfen Schreibart
gemacht worden waren, in einer Broschüre: „Über meine Polemik“, 1837. Außer
diesen polemischen und historischen Schriften dienten auch zahlreiche von ihm
herausgegebene Predigten zum Zeugnis für das lutherische Bekenntnis.
Scheibel, der 1828 in Breslau der Gründer eines Missionsvereins gewesen
war, trat in Dresden in das dortige Missionskomitee ein und wurde bald „der
treue und bei aller Demut und Bescheidenheit entschiedene und feste Führer der
sächsischen Lutheraner“[77].
Sein Zeugnis bewirkte, dass auch in der sächsische Kirche zumindest bei
etlichen wieder ein klares biblisch-lutherisches Bewusstsein erwachte und dann
die Dresdner Missionsfreunde sich von der unierten Basler Mission lossagten und
eine lutherische Missionsgesellschaft gründeten. „Erst durch die Ausländer
Scheibel, Wermelskirch und Rudelbach wurde der
Konfessionalismus und damit die Ablehnung der preußischen Union aus
theologischen Anliegen nach Sachsen hineingetragen.“[78]
In der erneuerten, nun unabhängigen lutherischen Kirche in Preußen wurde daher
nicht von ungefähr bereits 1835 und 1841 auf ihren ersten Synoden die Mission
zur Kirchensache erklärt.[79]
„Wie die Altlutheraner für den lutherischen Konfessionalismus allgemein
bahnbrechend wirkten, so gilt das auch in Besonderheit für die lutherische
Missionstätigkeit.“[80]
Es war für Scheibel ganz klar, dass die Sendboten konfessionell gebunden sein
müssen, dass den Heiden das unverkürzte und unverfälschte Gotteswort zu bringen
ist, dass lutherische Kirche daher auch nur lutherische Mission treiben kann,
um wiederum lutherische Kirche zu bauen. „Aber sollen wir noch weiter dazu
beitragen, dass den armen Heiden scheinbar Gottes Sohn als der Welt Heiland
gelehrt, aber das größte Siegel und Pfand dieser Gnade für die armen Heiden,
sein heiliger Leib und sein teures Blut vorenthalten werden?“[81]
So hatte er, als er aus Preußen nach Sachsen fliehen musste, in Sachsen
begonnen, zusammen mit den Pastoren Blüher und Roller und dem Maler von Kügelen am Vorseminar in Grünberg bei Dresden für
Missionskandidaten zu unterrichten, die dort eine klare lutherische
Unterweisung erhielten. Die beiden Kandidaten hatten sich dann 1834 geweigert,
auf das unierte Basler Missionsseminar zu gehen. Auch drei Kandidaten aus dem Jänicke’schen Seminar in Berlin hatten geäußert, dass sie
nicht mit einer anglikanischen Mission ausreisen wollten, sondern als
lutherische Missionare von einer lutherischen Missionsgesellschaft ausgesandt
werden wollten. All das und ein auch in diese Richtung gehender Antrag
Rudelbachs stand im Hintergrund der Neuausrichtung des Dresdner
Missionsvereins.[82]
Indessen erregte 1832 eine Reformationspredigt „Ernste Worte des Herrn
an unsere lutherische Kirche“ über Offenb. 2,1-7 den
Zorn des rationalistischen Vizepräsidenten des Sächsischen Konsistoriums Ammon,
und obwohl Scheibel seine Predigt der Leipziger Fakultät zur Begutachtung
einreichte, wurde ihm doch die venia concionandi (Predigtberechtigung) in Sachsen entzogen und
der Aufenthalt in Dresden verboten. Er ging nach Hermsdorf bei Dresden, wo er
den anregenden Verkehr mit Herrn von Heynitz und dem
originellen Pastor Roller in Lausa genoss. Aber 1836
musste er auch diese Zufluchtsstätte verlassen; er fand Aufnahme in Glauchau,
unter dem Schutz des Grafen Schönburg. Dort predigte er auch öffentlich[83].
Auf Betreiben Preußens wurde er auch von hier vertrieben; er zog nach Nürnberg,
wo er die letzten Lebensjahre mit literarischen Arbeiten, beschäftigt im
Verkehr mit den bayerischen Freunden der lutherischen Kirche – Löhe, Harless, Thomasius, Rektor Roth u.a. – zubrachte. Hier war
die Erweckung zwar auch schon vor Scheibels Erscheinen in Gang gekommen, ohne
aber bis dahin konfessionell klar zu sein. Auch in Bayern war es so, dass erst
die Vorgänge in Schlesien zu Rückbesinnung auf das lutherische Bekenntnis
führten. „Wir standen mit unserem Glauben in dem Centrum derselben (d.i. der
Reformation), weil in arcticulo justificationis
[Artikel von der Rechtfertigung]. So waren wir Lutheraner noch bevor wir es
wussten; ohne auf die konfessionelle Eigentümlichkeit unserer Kirche und ohne
auf die konfessionellen Unterschiede, die sie von andern trennt, viel zu
reflektieren, waren wir es faktisch. Wir kannten diese Unterschiede noch nicht
einmal genau.“[84]
bemerkte Thomasius zur damaligen Situation in Bayern. 1841 begann er die
Herausgabe des „Archivs für historische Entwicklung und neueste Geschichte der
lutherischen Kirche“. Seine letzte Schrift war eine Verteidigung gegen
Verdächtigungen seiner Lehrstellung; „Nötiges Zeugnis von meinem unverrückten
lutherischen kirchlichen Bekenntnis“, 1842. Der Tod FW III. und das damit
eintretende Ende der Verfolgung der preußischen Lutheraner erweckte in ihm die
Hoffnung, in sein Vaterland zurückkehren zu können, zumal König Friedrich
Wilhelm IV. ihm schon als Kronprinz wohlgesinnt war. Die erste Generalsynode
der Lutheraner in Breslau 1841, an der er persönlich nicht teilnehmen konnte,
ernannte ihn zum Ehrenmitglied des neuerrichteten Oberkirchenkollegiums und die
Breslauer Gemeinde hielt ihm die erste Pfarrstelle offen. Aber die von
Professor Steffens und Graf Anton Stolberg vermittelten Verhandlungen wegen
seiner Rückberufung in die Breslauer Professur stießen in Berlin auf
Schwierigkeiten, und als diese endlich überwunden schienen, erkrankte er an
einem Brustleiden und entschlief am 21. März 1843 im Haus des Tobias Kießling im
Glauben an seinen Heiland. Auf seinen Wunsch wurde er mit der rechten Hand auf
die Stelle Joh. 11,25 hinweisend beerdigt.
Scheibel war von großer, Ehrfrucht gebietender Gestalt, starker
Willenskraft und tiefem religiösem Gefühl, das ihn vor der geringsten
Unlauterkeit, vor jeder Zweideutigkeit im Bekenntnis und jedem Zweifel an der
Schriftwahrheit zittern ließ und ihn mit unerschütterlichem Gottvertrauen und
unbeugsamen Zeugenmut erfüllte. Dies war seine Stärke und erklärt seinen
Einfluss auf weite Kreise der lutherischen Kirche. Seine Schwäche dagegen, die
auch von seinen Anhängern erkannt und ihm gegenüber offen ausgesprochen worden
ist, lag in der Form seiner Polemik, seiner eigentümlichen Ausdrucksweise,
seinem abrupten, manchmal unlogischen Stil und in dem schroffen Urteil über
manche geschichtlichen Ereignisse und Personen, zu dem er sich durch seinen
„psychologischen Blick“ oder auch durch vermeintliche geschichtliche Parallelen
(z.B. den Vergleich der ägyptischen Opfermahlzeiten mit dem reformierten
Kultus) verleiten ließ. Aber stets war er bereit, erkannte Übereilungen
öffentlich zurückzunehmen und seinen theologischen Gegnern in Liebe zu
begegnen, wie dies namentlich sein edelmütiges Verhalten gegen David Schulz
bezeugt. Wenn Eylert[85]
ihn als einen „schlauen, unlauteren Fanatiker“ schildert, so ist das ebenso
wahrheitswidrig wie Wangemanns Behauptung, er sei ein
doketisch-mystischer Irrlehrer, weil er aufgrund von Joh. 6,50 und 1. Kor.
15,45 von einem himmlischen, geistigen Leib Christi redet; denn Scheibel geht
damit nicht über das hinaus, was die lutherische Dogmatik durch die Lehre von
der Mitteilung der Eigenschaften stets gelehrt hat, ohne damit auch die
wahrhaftige Menschheit und irdisch-reale Leiblichkeit Christi zu leugnen. Die
1841 von der Generalsynode in Breslau angenommene konsistorial-synodale
Verfassung entsprach zwar nicht ganz dem Ideals Scheibels von einer biblischen
Verfassung, doch bezeugt seine letzte Korrespondenz mit Huschke, dass er, grade
weil er die Freiheit der Kirche in der Gestaltung ihrer Verfassung anerkannte,
sich mit der in Breslau angenommenen Form schließlich einverstanden erklärte.
Die Verdächtigung, Scheibel sei deshalb nicht nach Breslau zurückgekehrt, ist durch
die Tatsache widerlegt, dass er noch kurz vor seinem Tod seine Rückkehr
vorbereitet hat.
[1]
Die Grundlage dieses Artikels ist der Abschnitt
von Georg Froböß über Scheibel in: Realencyclopädie für protestantische
Theologie und Kirche. 3., verb. und verm. Aufl. Hrsg. von Albert Hauck. Bd. 17.
Leipzig: J.C. Hinrichs’sche Buchhandlung. 1906. S. 548 ff. Er wurde durch
Aussagen anderer Texte ergänzt und vertieft, wie in den Anmerkungen aufgeführt.
[2]
vgl. Werner Schwinge: Die Bedeutung Scheibels für
die Entstehung der lutherischen Freikirchen in Deutschland. In: Lutherischer
Rundblick. 20. Jg. Heft 3. Wiesbaden: Lutheraner-Verlag. 1972. S. 160
[3]
vgl. Martin Kiunke: Johann Gottfried Scheibel und
sein Ringen um die Kirche der lutherischen Reformation. Als Diss. gedruckt.
Erlangen 1941. S. 10
[4]
vgl. ebd. S. 13-15
[5]
vgl. ebd. S. 38
[6]
vgl. ebd. S. 50-52
[7]
vgl. ebd. S. 41-43
[8]
vgl. ebd. S. 54-58
[9]
vgl. ebd. S. 60
[10]
vgl. Schwinge, a.a.O., S. 160 f.
[11]
Geschichte I, 4; in: Kiunke, a.a.O., S. 68
[12]
Abendmahl des Herrn. XVIII; in: Kiunke, a.a.O.,
S. 73
[13]
Steffens: Von der falschen Theologie. S. VII; in:
Froböß, a.a.O. S. 548
[14]
Steffens: Was ich erlebte. VIII; in: Froböß,
a.a.O.,
[15]
Johann Gottfried Scheibel: Einige Worte über die
Wahrheit der christlichen Religion. Breslau. 1815. S. 41; in: Froböß, a.a.O.
[16]
Scheibel, a.a.O., S. XXVII; in: Froböß, a.a.O.,
S. 548 f.
[17]
vgl. Kiunke, a.a.O., S. 138
[18]
vgl. ebd. S. 139
[19]
vgl. ebd. S. 140 ff.
[20]
vgl. ebd. S. 143 ff.
[21]
vgl. ebd. S. 145 ff. 149 f.
[22]
Geschichte I, S. 69; in: Kiunke, a.a.O., S. 148
f.
[23]
vgl. Johann Gottfried Scheibel: Predigt am 2.
November 1817 über das VI. Hauptstück.; in: Froböß, a.a.O., S. 549
[24]
Johann Gottfried Scheibel: Actenmäßige Geschichte
der neuesten Unternehmung einer Union zwischen der reformirten und lutherischen
Kirche vorzüglich durch gemeinschaftliche Agende in Deutschland und besonders
in dem preußischen Staate. I. Leipzig 1834. S. 57. (Zitierweise: Geschichte I);
in: Volker Stolle: Johann Gottfried Scheibel. Zur 200. Wiederkehr seines
Geburtstages am 16.9.1983. in: Lutherische Theologie und Kirche. 3/83. Oktober
1983. Hrsg. von der Fakultät der Lutherischen Theologischen Hochschule. S. 81
(Zitierweise: Stolle)
[25]
Abgedruckt in Scheibel: Aktenmäßige Geschichte,
II, S. 19 ff.; in: Froböß, a.a.O., S. 549
[26]
Hier irrt Scheibel in zweifacher Weise. Zum einen
nämlich, weil es im Neuen Testament weder in den Evangelien noch in den Briefen
so etwas wie eine „biblische“ oder „neutestamentliche“ Gemeinde- oder
Kirchenverfassung gibt, diese Dinge vielmehr von Gott den Christen zu freier
Ordnung überlassen wurden. Nur Eckpunkte, nämlich dass christliche
Versammlungen zu verbindlichen Verwaltung der Gnadenmittel nach innen und außen
dazu auch Diener an Wort und Sakrament berufen; dass die Frau schweige in der
Gemeinde; dass die Gemeinde beharrliche Sünde schließlich wie Heiden ansehe
(Ausschluss, Bann), sind vorgegeben. (Allerdings hat Scheibel daraus kein
Gesetz gemacht und die Freiheit der Kirche in der Verfassungsfrage anerkannt.
Insofern ist seine Aussage nicht sehr stark zu gewichten.) Zum andern irrt er
auch im Blick auf Luther, die nie von einer „biblischen“ oder
„neutestamentlichen“ Gemeinde- oder Kirchenverfassung sprach, noch weniger eine
solche aus der Schrift entnommen hat. Es geht vielmehr immer darum, dass die
Gemeinden und die Kirche so geordnet ist, dass dem Lauf des Evangeliums nach
innen und außen der nötige Raum gegeben wird, der Dienst an Wort und Sakrament
in keiner Weise behindert, die christliche Erziehung der Jugend gefördert und
auch alle Eingriffsversuche von außen, auch vom Staat, gewehrt werden. (Anm. d.
Hrsg.)
[27]
Scheibel ist es, im Unterschied zu Johann Grabau,
nie um Kirchenordnung oder Kirchenfassung an sich im Kampf gegen die Union
gegangen. Dass für ihn, unabhängig davon, allerdings aufgrund der Vorgänge die
Frage der Kirchenverfassung so eine große Bedeutung bekam, kann nicht
verwundern. Dabei war er von Extrempositionen nicht ganz frei (s. Anm. 8).
Leider ist im 19. Jahrhundert auch die lutherische Kirche, zumindest in Teilen,
auf diesen Zug aufgesprungen, der auf völlig unbiblischen Gleisen in eine
gesetzliche Richtung läuft. Löhe hat ja auch solche Ideen hervorgebracht, die
es letztlich unmöglich machten, dass sich die Missouri-Synode auf die Dauer mit
ihm einigen konnte. Aber auch dort ist, nach Walther, eine gewisse
Veräußerlichung des Kirchenbegriffs eingedrungen, die nicht zuletzt im
Hintergrund des Streits zwischen Missouri und Wisconsin über Kirche und Amt steht,
neben anderen Einflüssen, denen sich J.P. Köhler geöffnet hatte. (Anm. d.
Hrsg.)
[28]
Vgl. Stolle, a.a.O., S. 83
[29]
Predigt vom 20. Juni 1830. Actenmäßige Geschichte
II. Breslau 1834. S. 288; in: Stolle, a.a.O.
[30]
vgl. Stolle, a.a.O., S. 84
[31]
Predigt vom 13. Juni 1830. Geschichte II, S. 285
f.; in: Stolle, a.a.O.
[32]
ebd. S. 287; in: Stolle, a.a.O.
[33]
vgl. Stolle, a.a.O., S. 85 f.
[34]
David Schulz: Die christliche Lehre vom heiligen
Abendmahl. Ein Versuch. Leipzig. 1824. S. 297; in: Stolle S. 86 f.
[35]
in: Schwinge, a.a.O., S. 159
[36]
vgl. Kiunke, a.a.O., S. 74 ff.
[37]
Johann Gottfried Scheibel: Predigten in Grünberg
bei Dresden und Glauchau im Schönburgischen. Leipzig. 1837. S. 40 f.; in:
Stolle, a.a.O., S. 87 f.
[38]
Schwinge, a.a.O., S. 160
[39]
vgl. Stolle, a.a.O., S. 88 f.
[40]
Archiv. S. 271; in: Stolle, a.a.O., S. 89 und 102,
Anm. 66
[41]
Abendmahl 1823. S. 97; in: Stolle, a.a.O., S. 89
[42] Geschichte I. S. 28; in: Stolle, a.a.O.; Kiunke,
a.a.O., S. 61
[43]
vgl. Archiv. S. 234; in: Stolle a.a.O., S. 89 f.
[44]
vgl. Kiunke, a.a.O.
[45]
vgl. Stolle, a.a.O., S. 90
[46]
vgl. Stolle, a.a.O., S. 90 f. und S. 103, Anm. 89
und 90; auch: Geschichte I. S. 47 f.
[47]
Geschichte I. S. 54.55; in: Stolle, a.a.O., S. 92
[48]
vgl. Aktenmäßige Geschichte II,30; Schwinge,
a.a.O., S. 161
[49]
Stolle, a.a.O., S. 93
[50]
vgl. ebd.
[51]
vgl. Schwinge, a.a.O., S. 162
[52]
Geschichte I, S. 215; in: Volker Stolle: Zum
Gedenken an Johann Gottfried Scheibel. In: Lutherische Theologie und Kirche.
17. Jg. Heft 2. Oberursel 1993. S. 41
[53]
Geschichte II, S. 31 f.; in: Kiunke, a.a.O., S.
186 f.
[54]
Geschichte I, S. 215; in: Kiunke, a.a.O., S. 187
[55]
Kiunke, a.a.O.
[56]
Geschichte II, S. 222; in: Kunke, a.a.O., S. 188
[57]
vgl. Kiunke, a.a.O., S. 188 f.
[58]
vgl. Kiunke, a.a.O., S. 169 f.
[59]
vgl. ebd. S. 278-284
[60]
Preußen war Teil des Deutschen Bundes. Rechtsgrundlage
des Deutschen Bundes war unter anderem der Westfälische Friede, der eindeutig
den Bestand der Kirche Augsburgischen Bekenntnisses sicherstellte und gegen den
FW III mit seinen Maßnahmen in vielfältiger Weise verstieß, ebenso wie gegen
das in Preußen geltende Allgemeine Landrecht. Auch für die Suspension selbst
gab es keinerlei Rechtsgrundlage, denn sie war nur bei Exzessen im Amt
vorgesehen. Die Königsagende war ja auch nicht auf dem Rechtsweg eingeführt
worden, da man nach außen den Schein der Freiwilligkeit wahren wollte.
[61]
vgl. Kiunke, a.a.O., S. 321
[62]
vgl. Schwinge, a.a.O., S. 162 f. Scheibel
unterschied sich damit klar und wohltuend von dem, was später durch Huschke in
der Altlutherischen Kirche eingeführt wurde, nämlich dass das Oberkirchenkollegium
an der Stelle der weltlichen Obrigkeit stehe. Auch mit seiner Kirchenlehre
stand Scheibel, wie in fast allem, der sich später bildenden
Evangelisch-Lutherischen Freikirche näher als dem, was aus der preußischen
lutherischen Kirche geworden war.
[63]
Geschichte II, S. 286; in: Kiunke, a.a.O., S. 289;
vgl. auch S. 294 f.
[64]
vgl. Kiunke, a.a.O., S. 304-306
[65]
vgl. ebd. S. 310-320
[66]
vgl. ebd. S. 324
[67]
vgl. ebd. S. 355 f. Dass Scheibel mit seiner
Einschätzung der Union richtig lag, hat 1939 Walter Geppert in einer
eingehenden Untersuchung über das Wesen der preußischen Union dargelegt. Darin
stellte er heraus, dass schon seit 1817 für den König galt: Alles, was trennt,
ist außerwesentlich. Die Bekenntnisse sind keine ernst zu nehmende Sache mehr,
sondern durften nur noch als Meinung Einzelner oder ganzer Gemeinden
weiterleben, aber nicht als kirchlich verbindliche Lehre. Es geht in der Union
nicht um Einheit in der Wahrheit, nicht um den christlichen Glauben, sondern um
Religiosität – letztlich Einbruch der Welt in die Kirche. Vgl. Kiunke, S. 384
f.
[68]
vgl. ebd. S. 385
[69]
Sie war nicht die erste freie lutherische
Gemeinde im deutschen Bereich, diese Ehre kommt der Zionsgemeinde in Hamburg
zu, die heute zur SELK gehört, und damals von Pastor Meinel betreut wurde. Ihre
Bildung, notwendig geworden durch den furchtbaren Rationalismus in der
hamburgischen Kirche, führte aber nicht zu weiterer Resonanz und blieb weithin
unbeachtet. (Anm. d. Hrsg.)
[70]
Wilhelm Löhe: Drei Bücher von der Kirche. 1845.
In: Gesammelte Werke. Hrsg. von Klaus Ganzert. Neuendettelsau1954. S. 165 f.;
in: Stolle, a.a.O., S. 81
[71]
Wilhelm Vilmar: Der gegenwärtige Kampf der
hessischen Kirche um ihre Selbständigkeit. Kassel 1871. S. 90; in: Stolle,
a.a.O.
[72]
Abendmahlsschrift 1821; in: Stolle, a.a.O. S. 82
[73]
Brief an August Vilmar vom 3.8.1841; in: Stolle,
a.a.O.
[74]
Wilhelm Hopf: August Vilmar. Bd. 1. Marburg 1913.
S. 237; in: Stolle, a.a.O.
[75]
Rudolf Rocholl: Karl Eichhorn. Leipzig 1890. S. 7
f.; in: Stolle, a.a.O.
[76]
vgl. Scheibel: Die letzten Worte des scheidenden
Lehrers, gesprochen zur lutherischen Gemeinde in Breslau, den 14. April 1832
[77]
Handmann: Tamulen-Mission. 1903. S. 13; in:
Froböß, a.a.O., S. 550
[78]
Regina von Brück: Die Beurteilung der preußischen
Union im lutherischen Sachsen in den Jahren 1817-1840, Berlin 1981.
(Theologische Arbeiten. Band 41.) S. 151; in: Stolle, a.a.O., S. 81
[79]
vgl. Stolle, a.a.O., S. 94. Wermelskirch, der ja selbst
preußischer Lutheraner war, wurde erster Missionsdirekter der Ev.-Luth. Mission
zu Dresden.
[80]
Johannes Aagaard: Mission, Konfession, Kirche.
Bd. 1. Lund 1967. S. 329; in: Stolle, a.a.O., S. 94. Es war der preußische
Lutheraner Johann Georg Wermelskirch, Mitglied im Komitee des Dresdner
Missionsvereins, der den Antrag zu der Sitzung gestellt hatte, auf der über die
Neuausrichtung des Missionsvereins entschieden wurde. Vgl. Paul Fleisch:
Hundert Jahre lutherischer Mission. Leipzig: Verl. der Evangelisch-lutherischen
Mission. 1936. S.4
[81]
Mitteilungen I.2 S. 13; in: Stolle, a.a.O., S. 95.
Daher hieß es unter anderem auch in den von Wermelskirch aufgestellten Statuten
der Ev.-Luth. Missionsgesellschaft: „Der Zweck der am hiesigen Orte bestehenden
ev.-luth. Missionsgesellschaft geht dahin, durch unmittelbare Aussendung von
Missionaren Gemeinden auf Grund des göttlichen Wortes laut des ev.-luth.
Bekenntnisses zu sammeln, zu pflegen und zu erhalten.“ Fleisch, a.a.O., S. 4
[82]
vgl. Fleisch, a.a.O., S. 3 f.
[83]
Die Grafschaft Schönburg unterstand damals nicht
dem sächsischen Konsistorium, so dass der Entzug der Predigtberechtigung dort
keine Wirkung hatte. (Anm. d. Hrsg.)
[84]
Gottfried Thomasius: Das Wiedererwachen des evangelischen Lebens
in der lutherischen Kirche Bayerns. Erlangen. 1867. S. 244 f.; in: Stolle,
a.a.O., S. 82
[85]
Eylert: Charakterzüge Friedrich Wilhelm III.; in:
Froböß, a.a.O., S. 551