Claus Harms – ein Mahner
gegen Rationalismus und Union[1]
Inhaltsverzeichnis
3.
Gymnasium und Universität. Bekehrung
6.1.
Überblick über Harms‘ Amtstätigkeit
6.2.
Harms‘ Wirksamkeit unter den Studenten
6.5 Claus
Harms und die Mission
6.6. Sein
Wirken auf die Öffentlichkeit
7. Claus
Harms in seiner Familie
Anhang:
Die 95 Thesen von Claus Harms
Claus Harms wurde am 25. Mai 1778 in Fahrstedt,
Kirchspiel Marne, in Süderdithmarschen
(Schleswig-Holstein) geboren als Sohn des dortigen Mühlenbesitzers Christian
Harms – der jedoch seine Mühle später gegen die im Kirchdorf St. Michaelsdonn in demselben Kreis tauschte – und der
Margarethe, geborene Jochims, und wurde am
darauffolgenden Tag in der Kirche zu Marne getauft. Der Großvater Claus Harms
stammte wohl von der Geest, während die Familie der Mutter Marschleute waren.[2]
Die Bewohner Dithmarschens sind ein eigentümlicher Volksstamm, einst
schier ein eigener kleiner Staat, eine Bauernrepublik, die eine verhältnismäßig
große Geschichte hat.[3]
Das Elternhaus war ein echt dithmarscher Bauernhaus,
der Vater ein frommer und kluger Mann. Vor und nach dem Essen wurde gebetet,
ebenso auch der Morgen- und der Abendsegen gemeinsam gesprochen. Claus Harms
genoss in der Dorfschule auf dem Donn[4]
in den Unterricht bei dem wackeren Küster und Schulmeister Max Sothmann und zeichnete sich hier bereits aus. Vorher war er
bereits in Dieckhusen, wo die Schule für Fahrstedt stand, von Rektor Boden unterrichtet worden, so
dass er schon vor seinem sechsten Lebensjahr lesen konnte.[5]
Die Schule war damals noch geprägt von Gottes Wort, die Bücher, neben der
Fibel, waren: Katechismus (Luthers Kleiner Katechismus und Pontoppidans[6]
Erklärungen), Evangelienbuch, Neues Testament, die ganze Bibel (in Stufen
nacheinander kamen diese Bücher), das Gesangbuch, biblische Historien, von
denen wöchentlich eine auswendig gelernt wurde.[7]
Vom sechsten bis zum zehnten Lebensjahr hat er viel auch bei den Großeltern
gelebt, wo er auch mit viel Gebet und Lesung – samstags wurde in Versammlung
die Postille vorgenommen -, aber auch dem Lesen anderer Literatur, wie Robinson
Crusoe aufwuchs.[8] Daneben
musste Claus Harms in der Mühle bei seinem Vater mithelfen. Bestellungen machen
und auch auf dem Land, das der Vater bewirtschaftete, arbeiten. Ab dem elften
Lebensjahr hat er auch bei einem Onkel, der Kaufmann war, als Schreiber und auch
im Laden ausgeholfen.[9]
Als er ins 13. Jahr gekommen war, meinte der Schulmeister, dass es nicht
gut wäre, wenn Claus weiter auf seine Schule ginge, es wäre besser, wenn der
Pastor ihm Lehrstunden geben könnte. Und so vereinbarte sein Vater mit Pastor Oertling (auch bekannt als Dichter; starb als Pastor in
Bornhöved am 2. Februar 1837), ihm täglich zwei Stunden Unterricht zu erteilen
in all den Fächern, die in der Schule nicht vorkamen. Er lernte hier den Anfang
im Lateinischen und einige Realien[10],
auch deutsche Grammatik. Da es damit rasch vorwärts ging, kam bei ihm und den
Seinen der Gedanke auf, dass er wohl studieren könnte. Die Erwägung führte
jedoch zu dem Resultat, dass der Vater sich nicht wohlhabend genug glaubte, den
Sohn studieren zu lassen, und dass der Plan daher aufgegeben wurde.[11]
Claus wurde nun 1793 am Sonntag nach Ostern konfirmiert und dann
Müllerlehrling. Er trieb dieses Handwerk auch mit Lust und Liebe und hat später
gesagt, dass ihm das Herz im Leibe sich froh bewege, wenn er eine Mühle im
raschen Gang sehe. In diese Zeit, als er auf der Mühle arbeitete, fällt auch
seine schwere Krankheit, die ihn ein Vierteljahr niederwarf und an den Rand des
Todes brachte, so dass seine Eltern und Verwandten ihn schon aufgegeben hatten.
Auch er selbst war der Ansicht, dass er wohl sterben müsse – und war darüber
sehr ruhig, hatte geradezu Sterbenslust, so dass es später sein Gebet war, dass
er dann, wenn es wirklich ans Sterben gehe, diese Ruhe und Frieden haben möge.
Eine Unruhe bekam er dann aber über Äpfel und Birnen, die er einst mit dem
Müllergesellen aus dem Garten des Nachbarn gestohlen hatte. Jetzt kam die Sünde
wieder hoch und belastete sein Gewissen. Aber der Nachbar kam auf Claus‘ Bitten
durch den Vater – und er erlangte Vergebung![12]
Er entwickelte sich in diesen Verhältnissen zu nüchterner Verständigkeit
und zugleich idealem Schwung, welcher sich bei ihm aufgrund seiner poetischen
Natur, in Regung innerlicher Frömmigkeit, dichterischen Träumereien und
lebendigem, selbst skeptischem Forschungstrieb kundtat. Daher, wie aus der
Reinheit und Kindlichkeit seines Sinns, der frische unversiegliche Humor,
welcher seiner Persönlichkeit und seinem Wirken, wie seinen Schriften, ein so
eigentümliches Gepräge und etwas so Anziehendes gegeben hat.
Nach drei Jahren starb 1796 der Vater. Claus Harms verwaltete dann
zunächst mit seinem Bruder die Mühle, aber die Umstände (ein angesehener Mann
wollte eine neue Mühle in der Nähe bauen, wozu es dann aber nicht kam, erst 50
Jahre später) schienen es nötig zu machen, die Mühle zu verkaufen. Da trat nun
die Frage an ihn heran: Was jetzt anfangen? Im Besitz eines kleinen Vermögens,
ca. 2100 Mark, fragte er ringsum an, ob man dafür studieren könne. Die Antwort
lautete meist: „Nein!“ Darauf verdingte er sich, vorläufig auf ein halbes Jahr,
als Knecht bei einem Bauern und hat dann auch seine Arbeit in der Zeit getan.
Inzwischen hatte ein Pastor ihm jedoch gesagt, wenn er fleißig und sparsam sei,
und etwa einige Stunden gebe, würde sein Geld wohl zum Studieren ausreichen.
Darauf wagte er es, mit Gottes Hilfe, das Werk anzufangen.
Mit neunzehneinhalb Jahren ging er im September 1797 auf die lateinische
Schule (Gymnasium) in Meldorf und wurde in Sekunda aufgenommen und wohnte bei
seinem Vormund, einem Verwandten väterlicherseits. Diese Schule erfreute sich
eines guten Rufs unter dem tüchtigen Rektor Jäger, der auch B.G. Niebuhrs
Lehrer gewesen war. Hier hat er auch viel in den alten Sprachen gelernt, dazu
in der Prima Logik und Rhetorik. Letztere konnte er für sein ganzes Leben
verwenden, denn auf der Universität hörte er nichts davon.[13]
Bei außerordentlichem Fleiß – Harms arbeitete auf viel auf eigene Initiative,
ohne Anordnung der Schule – brachte er es dahin, dass er schon nach zwei Jahren
als reif für die Universität erkannt wurde, und Michaelis[14]
1799 siedelte er nach Kiel, der Landesuniversität, über, um Theologie zu
studieren. An etwas anderes wurde nie gedacht. Von seinem Ortsprediger Oertling, der dem damals herrschenden Rationalismus
huldigte, war auch Harms etwas in diese Spur gebracht worden. Er ist aber
diesem, seinem Wohltäter, bis an sein Ende dankbar geblieben.[15]
Geistlich aber war Harms während all dieser Zeit, eben weil sein
Prediger Rationalist war, auch immer mehr in dieses Fahrwasser gekommen. Auch
die Bücher, die er las, prägten ihn im Rationalismus, so dass ihm zeitweilig
der Offenbarungsglaube verloren ging. Aber in äußerer Zucht lebte er weiter,
führte bei jedem Jahreswechsel ernsthafte Selbstprüfung durch, wie es mit
seinem äußeren und inneren Menschen gegangen sei.[16]
Aber sonst hatte er zu diesem Zeitpunkt kein wirklich geistliches Streben, auch
nicht im Blick auf seinen weiteren Werdegang. Bildung, das war sein Ziel, mehr
nicht.[17]
Auf der Kieler Universität herrschte auch der Rationalismus und hatte
namentlich in dem Professor Eckermann seinen Vertreter. Geyser
und Müller lehrten in demselben (Un-)Geist, ebenso
auch der Philosoph Reinhold, während der gläubige und gelehrte Kleucker nicht beachtet wurde und keine Wirkung ausüben
konnte. Kaum einer ging zu ihm, und wer es doch wollte, der wurde von den
Kommilitonen abgehalten.[18]
Geyser immerhin stand irgendwie zwischen
Rationalismus und Orthodoxie und brachte die Dogmatik vor allem in der
neutestamentlichen Exegese.[19]
Harms studierte die gehörten Vorlesungen sehr fleißig, nebenbei mit besonderem
Interesse die Schriften Kants. Er sah das Studieren als sein „Amt“ an, das er
treu und fleißig zu verwalten habe, es sei angenehm oder nicht.[20]
Bei allem Studieren war es doch nicht so, dass Harms sich nur oder in erster
Linie auf seiner Stube aufgehalten hätte. Er war durchaus gesellig und liebte
die frische Luft, kegelte auch.[21]
Ein ernster frommer Sinn, wie er ihn von Haus aus hatte, verblieb ihm
bei allem „Fortschreiten“ in den Wissenschaften. Als er seine Reise nach Kiel
antreten sollte, war dem eine schlaflose Nacht vorausgegangen. Als er der Stadt
ansichtig wurde, betete er im Stillen und gelobte sich die rechte Ausnutzung
seiner Zeit. Besonnen, rechtschaffen und fromm war er. Aber eins fehlte ihm
doch: Der lebendige Glaube an die Gnade Gottes in Christus, die Gemeinschaft
mit dem einzigen Heiland im Glauben. In seinen ersten Versuchspredigten
steuerte er stark auf die „Veredelung“, wie er wohl bei Schiller gelesen hatte.
„Der Mensch lerne edler begehren, damit er nicht nötig habe, erhaben zu wollen.“[22]
Er fühlte dabei jedoch selbst, dass ihm etwas fehlte, er fühlte sich nicht
völlig befriedigt. Der Rationalismus zerbrach allmählich, aber der Ästhetizismus
blieb zunächst, obwohl er auch damit nicht zurechtkommen konnte, aber auch
nicht loskommen, so lange nicht Einwirken, Hilfe von außen kam.[23]
Da schlug für ihn die Stunde der Wiedergeburt im Geist. Ein Freund sagte ihm,
dass er ein Buch bekommen habe, mit dem er nichts anzufangen wisse, er, Harms,
aber vielleicht. Er bekam von ihm das Buch – Schleiermachers Reden über die
Religion. Harms las bis in die Nacht hinein, setzte den folgenden Morgen, es
war gerade Sonntag, die Lektüre fort, fing wieder von vorn an, machte dann
einen einsamen weiten Spaziergang ins Freie, und das war für ihn die
Geburtsstunde des höheren Lebens. Er erkannte nun klar, dass es mit
allem Rationalismus und aller Schöngeisterei nichts sei, dass alles
Selbstwissen und alles Selbsttun dem Menschen nicht helfe,
sondern sein ganz andere Ursachen haben müsse. „… auf diesem Gang war’s,
dass ich wie mit einem Male allen Rationalismus und alle Ästhetik und alles
Selbstwissen und alles Selbsttun in dem Werke des
Heils als nichtig und als ein Nichts erkannte, und mir die Notwendigkeit wie einblitzte, dass unser Heil von anderer Herkunft sein
müsste. … ich … hab daran, was ich die
Geburtsstunde meines höhern Lebens nenne; doch
richtiger gesagt: die Todesstunde meines alten Menschen nach seiner Erkenntnis
in göttlichen Dingen, anders gesprochen, wie Stilling gesprochen von dem
Eindruck, den Herder auf ihn gemacht habe: Ich empfing von diesem Buch den Stoß
zu einer ewigen Bewegung.“[24]
Er fühlte, dass etwas Neues werden müsse. Weiter kam er freilich vorläufig noch
nicht. „Ob ich denn nun das Leben mit vollen Händen genommen habe? O nein! Ich
hatte noch zu viel zu tun mit dem Begräbnis; das Tote sträubte sich, wollte
noch nicht hinunter in der Erde Schoß. Noch einmal ebenso gefragt, und wieder gesagt: O nein! Ich hatte nur den Tod begriffen, aber
das Leben noch nicht begriffen, war selbst nur ergriffen in etwas, und ich
schien mir selber als gestellt auf einen Boden guten Landes, den ich selber nun
anbauen müsste, wie Adam der Garten Eden angewiesen war, dass er ihn baute und
bewahrte. 1. Mose 2. Mehr hatte ich von Schleiermacher nicht, doch dieses hatte
ich von ihm, und danke nächst Gott ihm für das, hab‘ es getan und wird es tun
…“[25]
Er griff begierig nach Schleiermachers Predigten, um weitere Aufklärung zu
erlangen. Davon sagt er aber: „Der mich erzeugt, hatte kein Brot für mich.“ Und
auch kein anderer Mensch hat ihm geholfen, sondern nur der HERR durch die
Heilige Schrift, „und kein anderes Buch kann seine Stelle vertreten,
Mutterstelle mag nicht vertreten werden! Siehe, die Heilige Schrift ist eine
Mutter, welche alle geistigen Kinder ernährt und stillt, bis sie erreichen das Mannestum einer höheren Welt“. Es war damals, als Claus
Harms anfing, zum biblischen christlichen Glauben zurückzukehren, eine
geistliche Finsternis ohnegleichen. Der Rationalismus hatte schier alles
zerstört. Und christliche Kreise, die es ja hier und da gab, waren Harms nicht
bekannt.[26] Die
Folge seiner Umwandlung zeigte sich nun zuerst bei einer katechetischen Übung
bei Professor Müller. Harms verteidigte sich bescheiden, aber entschieden, ohne
verstanden zu werden, weder von seinen Kommilitonen noch von seinem Professor.
Hierauf bestand er das theologische Amtsexamen in Glückstadt, Michaelis
1802 (länger hätte auch sein schmales Geldpolster nicht gereichtr),
ehrenvoll, und wurde dann Hauslehrer bei dem Pastor Dr. P. H. Schmidt in Probsteierhagen in Holstein, wo er vier Jahre blieb. Drei
Kinder hatte er dort zu unterrichten, zwei von Pastor Schmidt und dessen
Neffen. Er selbst ging mehr und mehr in der Familie auf und wurde auch wie ein
großer Sohn dort gehalten. Das Ganze war eine große Hausgenossenschaft, zu der
auch immer fremde Kinder noch dazu kamen, außerdem die Knechte und Mägde, die
fest mit zur Hausgemeinschaft gehörten und auch entsprechend behandelt wurden.[27]
Diese Jahre sind nicht ohne Sorgen gewesen für seinen inneren und
äußeren Menschen, er nennt sie Bräutigamsjahre und
wünscht, jeder möge in denselben treu dienen, wie Jakob um die Rahel, bis der
frohe Tag komme, da er mit der Gemeinde verbunden werde. Er hat in der Gemeinde
oft gepredigt und in den Dörfern Betstunden gehalten. Die Gemeinde ist ihm auch
nach seinem Wechsel verbunden geblieben; er hat später von Kiel aus öfter noch
in ihr gepredigt.[28]
Nachdem Claus Harms zwei Mal vergeblich zur Wahl gepredigt hatte, wurde
er im Jahr 1806 von der Gemeinde Lunden (Kreis Norderdithmarschen) mit Stimmenmehrheit (eine Stimme
Mehrheit!) zum Diakonus gewählt. Nachdem er mit seiner Verlobten, Magdalena,
geborene Jürgens, eine Jugendliebe, Hochzeit gehalten, zog er in Lunden ein und wurde am Sonntag nach Ostern ordiniert und
in sein Amt eingeführt. (Die Worte, die der Propst dabei verwendete und die
Harms tief berührt haben, zeigen ein geradezu römisches Amtsverständnis, denn
er sagte: „Und hiermit führe ich Sie denn aus der Welt in die Kirche, dass Sie
aufhören, ein Weltlicher zu sein, und werden ein Geistlicher, ein Diener
Christi.“ So, als ob ein Christ, der nicht im Predigtamt ist, ein „Weltlicher“
wäre. Dieser Unterschied ist gänzlich unbiblisch, auch wenn allerdings ein
Unterschied zwischen Amt und allgemeinem Priestertum ist, aber im Blick auf die
Funktion, die Aufgabe, nicht das geistliche Wesen an sich.)[29]
Mit Energie legte er sich nun zunächst auf die Predigtkunst. Das Kirchengehen war ziemlich aus der Mode gekommen. Er sah zu seiner Freude,
wie von 14 zu 14 Tagen – der Diakonus hatte nur jeden zweiten Sonntag zu
predigen – die Zahl der Hörer sich mehrte, wenn auch nicht schnell, aber doch
allmählich. Harms war nicht der einzige Prediger in Lunden,
sondern hatte in Johann Peter Thiesen einen
Amtsbruder. Das sah er nicht als ein Problem, sondern empfand es als wohltuend.
So konnte einer auf den anderen Acht haben, sein Rat, Warner, Treiber, Tröster
sein.[30]
Auch in die Häuser brachte er den
Sauerteig des Evangeliums, gerufen oder ungerufen, doch nicht ohne Anlass und
wie es ihm nötig schien. Vor allem hat er sich um die Geisteskranken in der
Gemeinde gekümmert. Daneben erstreckte sich seine Fürsorge für seine
Pfarrkinder nach allen Seiten hin. Er ist ihnen Rechtsbeistand gewesen, Arzt
auch zum Teil (im Blick auf die damals in Dithmarschen noch grasierende
„dithmarsische Krankheit“, über die er sich unterweisen ließ, um den Armen in
der Gegend helfen zu können[31])
und hat sich für ihre landwirtschaftlichen und kommunalen Angelegenheiten
interessiert. „Steht ein Pfarrer an der rechten Stelle in einer Landgemeinde,
dann kreist alles um ihn, Leibliches und Geistliches.“[32]
Denn, wie Harms es erkannte und erfuhr, so erwartete man in einer Landgemeinde
vom Pastor ein Wort zu allem und in allem, selbst in Rechtssachen, als
Friedensbringer, Fürsprecher, Helfer.[33]
Neben seinem Dienst im Pfarramt hat Harms während dieser Zeit in Lunden auch noch privat Unterricht gegeben in Religion,
Latein, Französisch, Deutsch und einigen anderen Fächern, täglich, außer am
Wochenende.[34]
In dieser Zeit in Lunden hat Claus Harms auch
immer wieder zu Vorkommnissen in der Kommunalverwaltung Stellung genommen, da,
wo er Unrecht sah oder feststellte, dass Beamte gegen Unrecht nicht einschritten. In diesem
Zusammenhang kam es dann zu der Predigt, die er auch drucken ließ, „Der Krieg
nach dem Krieg“. Da hat Harms aber nicht, wie es heutzutage wohl üblich wäre,
zum Aufruhr, zur Rebellion aufgerufen, auch nicht gegen die Staatsbeamten
gehetzt, sondern vielmehr die Bürger ermahnt, in den ungerechten Sachen die
Obrigkeit anzurufen. Diese Predigt hat ihm viel Feindschaft eingebracht, auch
im Volk.[35] Obwohl
eine Untersuchung durch das Kirchenvisitatorum
angestellt und er auch in verschiedenen Punkten ermahnt wurde, hat die Predigt
doch mittelfristig positive Auswirkungen auf das Verhalten der Beamten und
Regierenden gehabt[36]
Sein Predigen wurde bald bekannt, auch außerhalb der Parochie, und es
erging an ihn die Aufforderung, eine Sammlung von Predigten herauszugeben. Er
ging darauf ein, Subskribenten wurden gesammelt und ein Kieler Buchhändler
übernahm den Verlag der Winterpostille 1808, der 1811 die Sommerpostille folgte.
Diese sind zusammen in mehreren Auflagen erschienen und sind sogar ins Dänische
und Schwedische übersetzt worden. „Mag diesen Postillen noch etwas
rationalistische Sünde ankleben“, Hebr. 12,1 – schriebt der Verfasser, „ein
bedeutender Teil der Leser ist träg genug gemacht in seinem Lauf, dass er die
ältere Ausgabe den späteren vorzieht.“ (Harms hat in den späteren Ausgaben den rationalistischeren orthodoxe Predigten beigegeben, hier
und da auch predigten geändert. – „Das Schriftstellern ist eine Schraube, die
festhält und weiter treibt.“[37]
Dem ersten Versuch folgten weitere. Zunächst zwei Katechismen. „Das
Christentum in einem kleineren Katechismus“, aufs neue
vorgestellt und gepriesen, erlebte von 1809-1814 drei Auflagen und erregte
Sensation, obwohl einige an den neuen zehn Geboten Anstoß nahmen. Der größere
Katechismus dagegen: „Die Religion der Christen“ 1812, hat es nicht zu einer
zweiten Auflage gebracht, doch meint der Verfasser, da besonders sorgfältig
gearbeitet zu haben. Auch eine Fibel verfasste er und Übungen zum Übersetzen
aus dem Plattdeutschen ins Hochdeutsche, 1813, zweite Auflage 1817. Besonders
berühmt wurde seine am Sonntag Sexagesimä 1814
gehaltene Predigt bei Gelegenheit des ausgeschriebenen Dankfestes für den
abgeschlossenen Frieden. „Der Krieg nach dem Kriege“ nahm hierin Bezug
auf das mancherlei Unrecht, das durch gewissenlose Beamte dem Volk zugefügt
wurde und stellte das Thema: Die Bekämpfung der einheimischen Landesfeinde: 1.
Welches sind die Feinde; 2. Welches sind unsere Waffen; 3. Welches sind die
Botschaften an uns, in diesen Krieg zu gehen. Auf die erste Frage antwortete
er, das sind sie, die ihre Hände ausstrecken nach dem Gut des Landes, die ihre
Schultern entziehen der Last des Landes, die ihre Augen vor beiden zutun. Auf
die zweite Frage: das bessere Beispiel, das freie Urteil, die gerichtliche
Klage. Auf die dritte Frage: die Stimmen der Seufzenden, der Nachwelt, vom
Thron her, vom Altar her. Er schließt: „So hab ich
geredet vor 100 oder 200. Ich möchte vor 1.000, ich möchte heute vor dem ganzen
Land geredet haben.“ Die Predigt wurde auf Verlangen gedruckt und wieder
gedruckt und erregte ein großes Aufsehen, erwarb dem Verfasser Freunde und
Feinde. Er wurde von der Regierung zur Verantwortung gezogen und wusste sich zu
verantworten und mit Tatsachen es zu belegen. Eine Untersuchungskommission
wurde ernannt und manches gebessert (die Predigt wurde abgedruckt in der
Lebensbeschreibung). Alles segnete den mutigen Prediger, der laut zu sagen
wusste, was viele dachten oder leise klagten.
Im Sommer 1816 wurde Harms zum Archidiakonus
an der St. Nicolaikirche in Kiel gewählt. Bei seinem Weggang aus Dithmarschen
hinterließ er seinem Volk als Vermächtnis seine vermischten Aufsätze
publizistischen Inhalts 1816, die 1853 mit anderen kleinen Schriften neu
herausgegeben sind. Am vierten Advent hielt er seine Antrittspredigt über Mal.
2,7: Was einem Priester obliege? (Zugleich mit der Wahlpredigt: Das Göttliche
in der Vergebung, gedruckt 1816). Die Nachmittagsgottesdienste, die dem Archidiakonus gehörten, waren bis dahin wenig besucht,
hatten mehrere Jahre überhaupt gänzlich aufgehört. Kiel galt als eine
rationalistisch geprägte Stadt. Aber noch am Abend nach der Antrittspredigt kam
ein Kaufmann zu Harms und bekundete ihm seine Freude, dass der christliche
Glaube wieder sein Bekenntnis und seine Verkündigung bekommen habe.[38]
Allmählich nahm die Zahl der Zuhörer zu und wurde immer größer. Schon am
zweiten Christfesttag war die Kirche nachmittags gut besetzt. Gottes Geist
ruhte sichtbar auf diesem Prediger. Sein Vortrag war schmucklos, sein Organ
eher unangenehm, sein Ton singend, dem Inhalt ging die Sentimentalität völlig
ab. Von allem Süßlichen war er ein abgesagter Feind. „Die Harfe Davids kann ich
nicht spielen, wohl aber seine Schleuder führen“, sagte er. Die Neujahrspredigt
unter dem Thema: „Ich wünsche euch Frieden mit dem über euch, mit dem in euch
mit denen um euch“ schlug bei den Zuhörern ein. Die Worte erschienen sogar als
Inschriften auf Teetassen, die öffentlich verkauft wurden.
Dennoch war der Besuch der Nachmittagsgottesdienste auch weiterhin
zunächst sehr schwankend, bis er während eines Umschlags[39]
über die Himmelsleiter predigte, was viele sehr ansprach. Danach war der
Gottesdienstbesuch konstant hoch und stieg eher als dass er fiel. Dabei war die
Zuhörerschaft sehr gemischt, bestand sowohl aus gelehrten wie ungelehrten
Personen, und zwar vielfach solche, die sonst nicht einen Gottesdienst
besuchten. Selbst solche, die eigentlich dem „alten Glauben“ gegenüber, den
Harms predigte, abgeneigt waren, kamen zu ihm. Und viele wurden für den alten,
den wahren biblischen Glauben gewonnen. Daneben kamen auch diejenigen, die,
vielfach vereinzelt, am rechten Glauben festgehalten hatten, aber ihn über
lange Zeit nur noch aus alten Büchern hatten nähren können. Auch bei
Katechisationen der Kinder wuchs die Zahl, selbst Erwachsene nahmen daran teil.
Von 1817-1835 hat Claus Harms gerade auch die Katechisationen oder Kinderlehren
gehalten, die ihm, wie er selbst bezeugte, sein „allerschönstes Amtswerk“ waren. Sie gehörten zum Dienst des Archidiakons,
nicht des Hauptpastors.[40]
Harms wurde so allmählich zu einer bekannten Person, die man gehört
haben musste. So kamen auch Hörer aus benachbarten, selbst aus entlegeneren
Gegenden, selbst aus anderen Ländern, zu ihm in den Gottesdienst. In den
größeren Wirtshäusern wurde daher die Tischzeit auf drei Uhr nachmittags gesetzt,
wenn der Nachmittagsgottesdienst beendet war. Und: Durch diese Predigten wirkte
Gottes Geist Bekehrungen.[41]
Als das 300jährige Jubelfest der Reformation 1817 herannahte, da hielt
Claus Harms es für eine geeignete Zeit, klar und deutlich zu bekennen. Immer
klarer und schärfer war seine Erkenntnis geworden, dass die Zeit von der
Grundlage des Reformationsglaubens und damit von der Quelle des Heils
abgewichen war. Als fliegendes Blatt sandte er es in die Welt: Das sind die 95
Thesen oder Streitsätze Dr. Martin Luthers, teuren Andenkens. Zum besonderen
Abdruck besorgt und mit anderen 95 Sätzen, als mit einer Übersetzung aus 1517
in 1817 begleitet, Kiel 1817, 35 Seiten. Sie wurden zweimal in demselben Jahr
gedruckt und ins Niederländische übersetzt. Diese Thesen, gegen allerlei Irr-
und Wirrnisse in der lutherischen Kirche herausgegeben, erklärte er sich
bereit, weiter zu erklären, zu verteidigen, zu verantworten und, wenn ihm
Irrtümer darin nachgewiesen würden, wolle er das Geständnis davon ebenso frank
und frei in die Welt schicken wie diese Sätze. Der erste Satz: Wenn unser HERR
und Meister Jesus Christus spricht: „Tut Buße!“ so will er, dass die Menschen
sich nach seiner Lehre formen soll; er formt aber die Lehre nicht nach den
Menschen, wie man jetzt tut, dem veränderten Zeitgeist gemäß (2. Tim. 4,3; vgl.
These 4), traf recht ins Herz des so allgemein verbreiteten Pelagianismus. Die
Menschen passten im Ganzen schon in den Lehrbegriff des Glaubens wie des
Handelns (These 2); so reformierte man das Luthertum ins Heidentum hinein und
das Christentum aus der Welt heraus (These 3: „Den Papst unserer Zeit nennen
wir in Hinsicht des Glaubens die Vernunft, in Hinsicht des Handelns das
Gewissen, welchem letzteren man die dreifache Krone aufgesetzt hat, die
Gesetzgebung, die Belobung und die Bestrafung.“ (These 9).) Gegen Gottes Wort:
Das gewissen kann nicht, d.h. niemand kann sich selbst Sünden vergeben. Die
Vergebung ist Gottes (These 11). Die Operation, das Gewissen abzuschneiden als
ein Absenker vom Wort Gottes, ist geschehen, während keine Macht in der Kirche
war (Thesen 12 und 14). Hört das Gewissen auf zu lesen und fängt an, selbst zu
schreiben, so fällt das so verschieden aus wie die Handschriften der Menschen
(These 17). Der Begriff von göttlichen Strafen verschwindet ganz (These 18).
Die Vergebung der Sünden kostete doch Geld im 16. Jahrhundert; im 19.
Jahrhundert hat man sie ganz umsonst, denn man bedient sich selbst damit (These
21). In neuerer Zeit hat man den Teufel
totgeschlagen und die Hölle zugedämmt (These 24). Ein Irrtum in der Tugendlehre
erzeugt Irrtum in der Glaubenslehre; wer die Tugendlehre auf den Kopf stellt,
der stellt die ganze Glaubenslehre auf den Kopf (These 25). Nach dem alten
Glauben hat Gott den Menschen erschaffen; nach dem neuen erschafft der Mensch
Gott (These 27), vgl. Jes. 44,12-20. Die sogenannte Vernunftreligion ist
entweder von Vernunft oder von Religion, oder von beiden entblößt (These 32).
Die folgenden Thesen haben alle die Absicht, der Religion ihr
selbständiges Gebiet zu sichern. Dass niemand das feste Bibelwort uns drehe,
dafür ist gesorgt durch unsere symbolischen Bücher (These 50). Auch die Worte
unserer offenbarten Religion halten wir heilig in ihrer Ursprache und
betrachten sie nicht als ein Kleid, welches man der Religion ausziehen könne,
sondern als ihren Leib, mit welchem vereint sie ein Leben hat. Eine Übersetzung
aber in eine lebende Sprache muss alle hundert Jahre revidiert werden, damit
sie im Leben bleibe (Thesen 51,52). Darauf gehen die Thesen auf die, unter
Approbation des Generalsuperintendenten Adler herausgegebene Altonaer Bibel,
Altona 1815, welche um ihrer rationalistischen Erklärung
willen bereits von mehreren Seiten Angriffe erfahren hatte (Thesen 55,63). In
ihr herrsche, wie das Volk sage, ein neuer Glaube – nach biblischem
Sprachgebrauch, welcher tiefe gehe und schärfer bezeichne – der Teufel (Thesen
55,56). Eine deutsche Übersetzung mit Erklärung deutscher Wörter versehen,
heißt sie als Ursprache der Offenbarung ansehen; das wäre papistisch und
abergläubig (These 54).
Von da aus kommt er auf das schlaffe Kirchenregiment. Man soll die
Christen lehren, dass sie das Recht haben, Unchristliches und Unlutherisches auf den Kanzeln, wie in den Kirchen- und
Schulbüchern nicht zu leiden (These 64); wenn sonst sich niemand darum
bekümmere, sie zu besorgen, das Volk werde es tun, was freilich weder Maß noch
Ziel habe (These 65). Aber die Vernunft geht rasen in der lutherischen Kirche,
weist Christus vom Altar, schmeißt Gottes Wort von der Kanzel, wirft Kot ins
Taufwasser, mischt allerlei Leute beim Patenstand, wischt die Aufschrift des
Beichtstuhls weg, zischt die Priester hinaus und alles Volk ihnen nach und hat
das schon lange getan. Dennoch bindet man sie nicht? Das soll vielmehr echt
lutherisch und nicht karlstadtisch sein (These 71).
Dann folgen Thesen gegen die Union (75-95). Diese schließen damit, die
evangelisch-katholische Kirche, die sich vorzugsweise am Sakrament halte und
bilde, sei eine herrliche Kirche, ebenso die evangelisch-reformierte, die sich
vorzugsweise am Wort Gottes halte und bilde; aber herrlicher als beide die
evangelisch-lutherische. Als eine arme Magd möchte man die lutherische Kirche
jetzt durch eine Kopulation (Heirat) reich machen. Vollzieht den Akt ja nicht
über Luthers Gebein! Es wird lebendig davon und dann – Wehe euch (These 75).
Was hatte Harms veranlasst, diese Thesen zu schreiben? Zum einen, weil
Luthers Thesen, „diese Windeln der lutherischen Kirche“, so sehr in
Vergessenheit geraten waren, zum anderen, weil er wollte, dass die
Landesregierung gegen die rationalistische Altonaer Bibel einschritte, nachdem
zuvor Eingaben von ihm und vielen anderen ohne Erfolg geblieben waren. Vom
Verleger selbst wurden die Thesen dann auch über Schleswig-Holstein hinaus
verbreitet.[42]
Wie ein Gewitter nach banger Schwüle brachten diese Thesen, welche nach
so vielen Seiten hin einschlugen, eine heilsame
Erschütterung hervor. Es entbrannte ein Streit über dieselben, in welchem die
Rationalisten sich zu der Bitterkeit des giftigstgen
Hasses gegen den Verfasser forttreiben ließen, den sie als Vernunfthasser,
Finsterling, Pfaffen der Verachtung preisgaben. Aber von tiefer Blickenden
wurden sie als heilsames Ferment erkannt, eine bittere Arznei gegen die
Glaubensschwäche der Zeit (von Ammon). Ein großer Schriftwechsel knüpfte sich
an, etwa 200 Broschüren, wie einige behaupteten, Harms selbst besaß 60; dazu
kamen noch Zeitungs- und Zeitschriftenartikel und Anzeigen. Harms verteidigte
sich zunächst in: „Briefe zur näheren Verständigung über verschiedene meine
Thesen betr. Punkte, nebst einem namhaften Brief an Herrn Dr. Schleiermacher“,
Kiel 1818.
Der Oberhofprediger von Ammon in Dresden hatte in seiner Schrift:
„Bittere Arznei wider die Glaubensschwäche in unserer Zeit“, Dresden 1818,
Harms mit hohem Lob begrüßt. Schleiermacher fühlte sich dagegen veranlasst,
Klarheit über Werk und Ziel der Bewegung zu schaffen und schrieb deshalb einen
offenen Brief an Ammon über seine Prüfung der Harms’schen
Sätze 1818 (Werke I, S. 327). Schleiermacher, der Harms schützte, ohne mit ihm
einverstanden zu sein, sandte Harms seine Streitschrift und fügte diesem einen
Brief bei, den 18. Februar 1818, auf den Harms in seinem Buch antwortete.
Ferner veröffentlichte Harms noch: „Dass es mit der
Vernunftreligion nichts ist“, Kiel 1819, und „Einige Winke und Warnungen,
betreffend Angelegenheit der Kirche“, Kiel 1820.[43]
Der Ausdruck der Thesen war kernig und schlagend und drang bis in die
untersten Schichten des heilsbegierigen Volkes. Sie wirkten tief ins Leben
hinein, brachten das Schwert bis ins Innerste der Familien, wo sie ernstliche
Bekehrungen, aber auch unauflösliche Gegensätze und manche Zwistigkeiten
hervorriefen. Harmsianer und Antiharmsianer,
so teilten sich die Gemeindeglieder, und zwar queer durch alle Klassen und
Altersgruppen, bis zur Schuljugend. Das führte auch dazu, dass Harms in
bestimmte Kreise nicht mehr eingeladen wurde, bisherige Freunde sich von ihm
trennten. Andererseits traten ihm Personen nun freundschaftlich nah, die zuvor
keine Beziehung zu ihm hatten, andere vertieften ihren Kontakt mit ihm. Er
erhielt tröstende und stärkende Zuschriften.[44]
Für Harms selber waren es nicht nur die bewegtesten Zeiten seines Lebens
überhaupt, sondern auch Zeiten inneren Kampfes, Gebetskampfes gegen all das
Böse, das auf ihn eindrang, aber auch im Aufnehmen all dessen, was ihn
geistlich stärkte.[45]
Die Bewegung verbreitete sich durchs ganze Land und weit in die
deutschsprachigen Staaten hinein. Als aber der Staub gehässiger Leidenschaften
sich verzogen hatte, erwiesen sich diese Bewegungen als ein heilsamer
Gärungsprozess in der lutherischen Kirche. Es wurde Harms von der Regierung
eine verantwortliche Erklärung abverlangt.[46]
Er ging siegreich aus diesem Kampf hervor, und die noch unverkauften Exemplare
wurden von der Regierung beseitigt. Harms‘ Stellung in der Kieler Gemeinde
wurde immer bedeutender. Seine Verdienste fanden immer mehr Anerkennung, die
Zahl seiner Zuhörer wuchs. Auf der Universität war bei seinem Antritt noch, wie
die Zeit es mit sich brachte, der Rationalismus der herrschende Geist,
namentlich Eckermann und mit ihm Schreiter, der am Thesenstreit als Gegner sich
beteiligte, hatten ihre Wirksamkeit, während der orthodoxe Kleucker
wenig beachtet wurde. Dagegen trat nun Twesten ein,
welcher seit 1814 mit großem Erfolg wirkte. Es wurde gesagt: „Twesten bekehrt seine Zuhörer, und Harms tauft sie alsdann.“[47]
Zur Universität hatte Harms kein amtliches Verhältnis, aber faktisch ist er bis
an sein Ende Universitätsprediger gewesen. Auf die Theologie der Studierenden
übte er dadurch besonders Einfluss, dass er einen Kreis um sich sammelte. Er
heilt jeden Montagabend ein Kränzchen in seinem Haus und aus diesem ist sein
klassisches Buch entstanden: Pastoraltheologie in Reden an Theologie
Studierende. Kiel 1830, 3. Aufl. 1878.
Die Predigten, die Harms zum Reformationsjubiläum 1817 hielt, wurden von
einer sehr großen Hörerschar verfolgt und haben einen tiefen Eindruck gemacht,
aber nicht bei allen zum Guten, zur Erweckung, bei etlichen auch zur Verhärtung
ihres Unwillens, bis dahin, dass Harms wegen dieser Predigten beim
Oberkonsistorium verklagt wurde. Harms musste die Predigtkonzepte einreichen –
danach hat er von der Sache nichts mehr gehört.[48]
Ein Senator, ein Gegner von Harms, hatte ihm einmal 1818 geraten, doch
Moral zu predigen, dann würde die Kirche wachsen. Harms hat sich nicht daran
orientiert, sondern hat weiter den alten Glauben gepredigt. Er zitiert dabei
Professor Baumgarten: „Die Predigt ist die unmittelbarste, kräftigste und
wirksamste Äußerung des Heiligen Geistes.“[49]
Was brachte der Thesenstreit? Wohl haben die Thesen allein nicht die Veränderungen
bewirkt, aber sie haben sie doch entscheidend mit angestoßen, dass die bis
dahin fast durchweg rationalistisch geprägten Elbherzogtümer danach doch in
wenigen Jahren zu einem Großteil mehr orthodox gesonnene Prediger bekamen, auch
manche der alten Prediger sich zur lutherischen Orthodoxie wandten. Etliche der
Studenten brachten den alten Glauben auch aus Berlin mit, wo sie unter anderem
mit Baron von Kottwitz in Kontakt gekommen waren.[50]
1823 fühlte er, nach den großen Kämpfen, die er durchgemacht, eine
Abspannung, er war körperlich angegriffen und gemütskrank. Dabei hatte er sich
schon längere Zeit unwohl gefühlt, aber dagegen selbst etwas medizinisch
unternommen, was eine gewisse Linderung brachte. Ein verordnetes warmes Bad war
dann aber der Auslöser zu einer heftigen Verschlimmerung der Lage. Sein Leiden
war begleitet und wurde intensiviert durch Anfechtungen, vor allem wegen einer
Gegenerklärung, die er im Thesenstreit gegeben, so dass er einige Zeit weder
länger beten noch intensiver Gottes Wort lesen konnte.[51]
Eine längere Reise von sieben Wochen brachte ihm indes Genesung und vielfach
Anregung und Befriedigung (Lebensbeschreibung Kap. 9), wenn auch das
Gemütsleiden sich erst nach zwei Jahren völlig verlor. In späteren Jahren trat
sie ab und an nochmals auf, aber nie wieder so schwer.[52]
Krankenbesuche hat Harms gemacht, wie es ja auch in der
Predigerbestallungen steht, aber er schreibt von sich selbst, dass er sie nicht
so häufig gemacht hat wie andere. Denn er hatte die Erfahrung gemacht, dass
viele Kranke zum einen gar nicht so häufige Besuche wünschen, zum anderen, dass
sie oftmals nicht über Geistliches sprechen wollen. Aber über anderes sich zu
unterhalten, sah Harms keine Veranlassung und keinen Auftrag.[53]
Zur inneren Mission, die doch in jenen Jahren (Johann Hinrich Wichern,
Wilhelm Löhe) aufkam, hat Claus Harms keinen Bezug gefunden. Er war der
Ansicht, dass sie (zumindest zu seiner Zeit) in Schleswig-Holstein nicht nötig
sei, dass sie sowieso durch die Prediger zu treiben sei. Immerhin sah er hier
Defizite, sich selbst eingeschlossen.[54]
Schon 1819 hatte er einen Ruf als evangelischer Bischof nach St.
Petersburg durch den Präsidenten des Konsistoriums, Graf von Lieven, erhalten. Harms lehnte ab, zum einen, weil er sich
für ein solches Amt nicht für befähigt hielt, zum anderen, weil er darin nicht
zu predigen gehabt hätte (ein Grund, der später hinfällig wurde, weil man ihm
zusichere, er könne predigen, wann immer er wolle; außerdem eine neue Gemeinde
für das evangelische Hofpersonal in St. Petersburg gegründet werden sollte).[55]
Daraufhin schenkten Gemeindeglieder ihm ein eigenes Haus (denn es fehlte eine
Wohnung eigens für den Archidiakon). 1830 wäre er gerne als Pastor (und Propst)
nach Meldorf gegangen in Süddithmarschen, aber er musste erkennen, dass dies
nicht erwünscht war.[56]
1834 erging an ihn der Ruf als Schleiermachers Nachfolger zum Prediger an der
Dreifaltigkeitskirche in Berlin, doch blieb er in seinem ihm lieben Kiel,
nachdem ihm von der Schleswig-Holsteinischen Kanzlei auf seine Anfrage
mitgeteilt worden war, dass er, wenn die Pastorenstelle vakant würde, er bei
der Ernennung berücksichtigt würde. Aus Freude darüber, dass er in Kiel blieb,
schenkten ihm 514 Gemeindeglieder eine Prachtbibel Nürnberger Ausgabe mit
vorgedrucktem Namen und Zueignungsschrift.[57]
Nach Dr. Focks Tod rückte er 1835 in dessen Stelle ein als Hauptpastor an St.
Nicolai und Propst der Propstei Kiel. Von da an hatte er nicht mehr, wie als Archidiakonus, die Nachmittags-, sondern die
Vormittagsgottesdienste und mit diesen auch die Abendmahlsfeiern. Obwohl er
auch weiter eine hohe Zuhörerzahl hatte, war diese Zahl doch, wenn man die
Anzahl der Gemeindeglieder (insgesamt 16.000, allerdings mit drei
Gottesdiensten) berücksichtigt, nicht hoch,[58]
nur etwa 14 % der Gemeindeglieder.
Vor dieser Berufung hatten erst die philosophische und dann auch die
theologische Fakultät ihn zum Dr. honoris causa kreiert. Nur einmal, im
Sommersemester 1835, benutzte er das dadurch erlangte Recht, Vorlesungen an der
Universität zu halten; er las über kirchliche Statistik der Herzogtümer
Schleswig-Holstein (siehe 6.2.).
Von der dänischen Regierung wurde er 1836 zum Ritter vom Danebrog und
1840 zum Danebrogsmann ernannt. 1841 feierte er sein
25jähriges Jubiläum als Kieler Stadtprediger und erhielt bei der Gelegenheit
den Titel „Oberkonsistorialrat“.[59]
Es wurde mit Geldern aus den Herzogtümern und aus der Privatkasse der dänischen
Königsfamilie das Stipendium Harmsianum bei dieser
Veranlassung gegründet. 1849 sah er sich genötigt, wegen Erblindung, die 1843
angefangen hatte, aber bis 1848 nicht weiter fortgeschritten war, seine Ämter
niederzulegen; seine Abschiedspredigten hielt er Karfreitag und Ostersonntag.
Er fuhr indes fort, ab und zu zu predigen und
diktierte verschiedene Schriften, namentlich seine Lebensbeschreibung. Zwei
Damen, Betty Spiedt und Lotte Glöersen,
kamen täglich, um ihm vorzulesen. Tief bewegte ihn das Schicksal der von der
dänischen Regierung abgesetzten schleswigschen und holsteinischen Pastoren und
Kieler Professoren. Im Gebet trug er die Not mit. Am 1. Februar 1855 endlich
starb er einen sanften Tod. Sein Leben war sein Amt gewesen, darauf hatte er
sich konzentriert, darauf hatte sich alles bezogen, was er tat. Denn das Amt,
das er hatte, war, das stand ihm klar vor Augen, Gottes Amt, und seine Sache die
des HERRN.[60]
In einem amtlichen Verhältnis zu den Studenten stand er aber eigentlich
nicht, zumindest nicht durch die Universität, denn er war nicht
Universitätsprediger, was es damals in Kiel nicht gab. Andererseits war er doch
insofern in einem offiziellen Verhältnis zu ihnen, da die Universität bei der
Nicolai-Gemeinde eingepfarrt war. So mussten naturgemäß Harms‘ Predigten wie
auch Katechesen die Professoren und Studenten berühren. Ja, beide Bereiche, der
Professorenchor wie der Studentenchor waren voll, der Studentenchor reichte
sogar gar nicht aus für alle, die zu Harms‘ Predigten kamen. Ja, es geschah
sogar, was bis dahin unerhört war, dass Studenten zum heiligen Abendmahl gingen
und auch bei Claus Harms in die Beichte.[61]
Da nun allerdings Harms nicht die Zeit hatte, mit den Studenten einzeln in
seiner Stube zu sprechen, so wurde er von mehreren gebeten, doch einen Abend in
der Woche anzusetzen für literarische und pastorale Unterhaltungen. Daraus
haben sich seine Montagabendstunden ergeben. In den ersten Jahren waren sie
ganz frei und zwanglos gewesen, über das, was gerade in Büchern und
Zeitschriften vorkam, welche Fragen Einzelnen aufkamen oder sich während der
Gespräche ergaben. Im Laufe der Jahre änderte sich die Sache dahingehend, dass,
da Claus Harms sowieso der hauptsächlich Vortragende war, es vornehmlich um
Pastoralsachen ging. Auf diese Weise ist seine „Pastoraltheologie“ entstanden.
Weil die Teilnehmerzahl immer mehr wuchs, so dass seine Stube die Teilnehmer
nicht mehr fassen konnte, und weil ja auch die Öffentlichkeit, auch
Nichttheologen und solche, die nicht studierten, daran teilnehmen sollten, so
kam es im Sommer 1835 dazu, dass er ein halbes Jahr Vorlesungen hielt im
kleineren akademischen Hörsaal, wozu er ja durch die Verleihung des Doktorats von
Seiten der philosophischen und theologischen Fakultät berechtigt war. Danach
hätten sie eigentlich fortgesetzt werden sollen, aber da wurde Harms zum
Hauptpastor und Propst ernannt, so dass selbst die Montagabendstunden aufhörten,
so dass dann seine Wirkung auf die Studenten, vor allem die Theologiestudenten,
auf die Besuche Einzelner bei ihm und auf seine Verkündigung beschränkt blieb.[62]
6.3. Seine Tätigkeit in den Schulen
Solange Harms Archidiakonus war, war er nur
für eine Schule in der Vorstadt zuständig, da die gesamte Inspektion aller
Schulen dem Pastor zukam. In dieser Schule aber hatte er auch zu katechisieren,
und zwar über die schwierigeren Lehren des Christentums. Schulvisitationen
führte er als Archidiakonus nicht aus. Was Harms
schließlich durch viel Schreiben erreichte, war, dass die Schulen der
Landgemeinden aufgeteilt wurden zwischen dem Pastor, dem Archidiakonus
und dem Prediger an der Kloster- oder Heiliggeistkirche. In den vier Schulen,
für die er so in den Landgemeinden zuständig wurde, hielt er dann im Herbst
öffentliche Schulprüfung und lud vor dem Winter die Lehrer seiner Inspektion zu
einer Besprechung, in der es dann im Allgemeinen um das Schulwesen ging, aber
auch um die Lektionen, die während der Wintermonate zu geben waren.[63]
Es handelte sich dabei um sogenannten „Volksschulen“, also Elementarschulen, in
denen es darum ging, dass die Kinder lesen, schreiben, rechnen, singen lernten
und das Christentum kennen lernten. Auf die sogenannten „Gelehrtenschulen“, die
über sechs Klassen gingen, also so etwas wie Oberschulen, hatte die Kirche
damals faktisch gar keinen Einfluss; es waren auch die allermeisten (sieben
Achtel) der Lehrer keine Theologen.[64]
Mit dem Pastorat hatte Claus Harms 1835 auch das Amt des Propstes
übertragen bekommen, durch das er neben seiner eigenen Gemeinde noch 14 weitere
Gemeinden visitieren musste. Diese Visitationen, in denen er den Kern seines
Propstamtes sah, waren ihm wichtig wegen des Kontaktes mit den Predigern, den
Gesprächen über die Predigtkonzepte, den Anreden an die Erwachsenen und die
Unterredung mit der Jugend mit den Lehr-, Mahn- und Bittworten, wie auch das
Anhören der Predigten und Katechisationen. Alle zwei Jahre hat Harms alle 14
Gemeinden visitiert. Er machte es dabei so, dass er einen Text für alle
Gemeinden angab für die Predigt und die Katechese. Er visitierte dabei sowohl
die Prediger als die Lehrer in den Schulen, wo er sich neben der Katechese
Übungen im Singen, Rechnen und anderen Fertigkeiten anhörte.[65]
Claus Harms war durch das Basler Missionsmagazin mit dem
Missionsgedanken in Berührung gekommen, ohne aber zunächst weiter sich darin
einzusetzen, da er sich sagte: Im eigenen Land sind nur sehr wenige Christen, da
ist unter sogenannten Christen und Juden noch viel zu tun. Das Buch von Pastor
Leonhard aus Miltitz: „Die gesegnete Ausbreitung des Christentums“, das 1820
erschien, leitete dann die Wendung ein, und am Sonntag Oculi 1821 trug er der
Gemeinde die Sache unter dem Predigtthema vor: „Wie weit sich das Werk der
Erlösung erstrecken solle“. Er ließ sich auch dabei nicht davon abschrecken,
dass eine Sammlung für die Mission nicht erlaubt war, denn jede Sammlung
benötigte eine Erlaubnis durch die Regierung, die, so nahm er nicht ganz
unberechtigt an, er doch nicht bekommen habe würde. Hier stand er klar auf dem
biblischen Stand: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. (Apg. 5,32.)
Ein Seminarist aus dem Kieler Seminar brachte ihm am Abend jenes Sonntags den
ersten Beitrag für die Mission. Dann brachten auch andere Geld, so dass nach
wenigen Tagen schon 200 Taler beisammen waren.[66]
Auch in den Folgejahren, bis 1851, war es so, dass Oculi der
Missionssonntag war, an dem Harms nach der Predigt eine Missionsansprache hielt
und am Dreieinigkeitsfest eine Missionspredigt. Am Sonntag Oculi beriet er dann
mit fünf bis sechs Missionsfreunden, welche Missionseinrichtungen die Beiträge
für die Mission, die eingegangen waren, erhalten sollten. Eine klare
konfessionelle Ausrichtung ab es leider noch nicht. Es ging da noch ziemlich
durcheinander: So wurden alle Jahre die unierte Basler Mission sowie Herrnhut mit Geldern bedacht, dann auch zuweilen Halle für
die Dänisch-Hallesche Mission, Jänickes Institut in Berlin, Kopenhagen für
Grönland, Kassel für China, die reformierte Rheinische Mission in Barmen, die
unierte Mission in Hamburg. Das Geld selbst kam nicht nur von seiner Gemeinde
in Kiel, sondern aus vielerlei Orten in den Herzogtümern, später vor allem aus
Dithmarschen. An manchen Orten bildeten sich auch Missionsvereine. Aber viele
Teile des Landes blieben, traurigerweise, von der Missionssache gänzlich
unberührt.[67]
Harms war vor allem ein Prediger des HERRN „in Zungen zu reden
gewaltig“. Er hat es verstanden, Hörer herbeizuziehen. Es war, wie bereits
erwähnt, nicht äußere Beredsamkeit, aber der Inhalt fesselte, schmucklos, wie
er war. Körnige, goldene Weisheit, gegraben aus dem Schacht des Gotteswortes,
gewürzt in einer kräftigen tief und wahr empfindenden Menschenseele, ausgegeben
in knapper ungesucht volkstümlicher Form. Seines
konfessionellen Standpunktes war er, in den Kämpfen, die er durchmachte, sich
immer bewusst geworden, der auch entschieden und scharf von ihm ausgesprochen
worden ist.
Es erschienen von ihm verschiedene Predigtsammlungen.[68]
Auch für den Unterricht im christlichen Glauben gab er eine Reihe von Büchern
heraus.[69]
Ihn beschäftigte auch sehr ein neues Gesangbuch für Schleswig-Holstein. Sein
Entwurf dazu erschien 1828: Gesänge für gemeinschaftliche und einsame Andacht.
Auch verfasste er „Beleuchtung des Tadels, den das neue Berliner Gesangbuch
erfahren, 1830. Er selbst hat sich mehrfach versucht als geistlicher
Liederdichter. Einige seiner Lieder sind in Gesangbüchern und Liedersammlungen
im 19. Jahrhundert aufgenommen worden, z.B. „Dennoch ist ein schönes Wort“;
„Mein Engel, weiche nicht“, „Ein Nam ist mir ins Herz geschrieben“.
Im Blick auf die spezielle Seelsorge sagte er, dass er nicht von Haus zu
Haus gegangen sei, d.h. die Gemeindeglieder nicht der Reihe nach aufgesucht
habe, doch die Einzelseelsorge gerne ausübte, worüber namentlich die von
Neelsen herausgegebenen Briefe: „Dr. Harms als Seelsorger“, Kiel 1878, zu lesen
sind. Dahin gehört auch sein „Geistlicher Rat für Hebammen“, 1824.
Um die bibeltreuen Pastoren zu stärken, von denen es zunächst ja noch
nicht viele in Schleswig-Holstein gab, gründete er zusammen mit Pastor Hensler
aus Barkau und Pastor Dr. Mau aus Schönberg 1824 den
„Barkauer Verein“, dem zunächst nur etwa 14 Pastoren
angehörten, die sich über wissenschaftliche und praktische theologische Themen
austauschten. Der Verein bestand bis 1845. Harms war dann schon Propst und an
die Stelle dieses Vereins trat der Konvent der Propstei. Zu dem Zeitpunkt waren
die bibeltreuen Pastoren schon eindeutig in der Überzahl, so dass die wenigen
Rationalisten, die noch vorhanden waren, kein Hindernis mehr bilden konnten.
Allerdings ging es im Konvent dann mehr um das allgemein Kirchliche und
Pastorale., wobei Harms in der Einladung immer schon einige Punkte für die
Besprechung vorgab, die dann bei der Zusammenkunft selbst von den Mitgliedern
noch vermehrt wurden.[70]
Anders als der Barkauer Verein war der Konvent
eine amtliche Einrichtung, die dann auch gemeinsame Anträge an die Behörden
richten konnte, was zu Harms‘ Zeit auch des Öfteren geschah. Es ging da etwa um
einen neuen Landeskatechismus, eine neue Agende, ein neues Gesangbuch, den
Modus der Pfarrerwahl. Allerdings musste Harms da auch erfahren, dass die
Behörden sich mit diesen Eingaben entweder gar nicht beschäftigten oder sie
abschlugen. Immerhin wurde ihm in der Gesangbuchsache erlaubt, die von ihm
vorgeschlagenen 316 Lieder, die sich nicht im Gesangbuch fanden, gesondert zu
drucken, was 1828 auch geschah.[71]
Eine besondere Vorliebe hatte er für die plattdeutsche Sprache. Schon
1817 schrieb er: Henrik von Zütphen den Bloodtügen för unsen Globen, und in den Kieler Beiträgen 1820, I, 292 ist
von ihm enthalten: Von de plattdütske Spraak, un warüm
se bether ist, as de hochdütske. Claus Groths Quikborn
wurde zuerst mit einem Vorwort von Claus Harms ausgesandt. Bereits 1813 hatte
er verfasst: Übungen zum Übersetzen aus der Plattdeutschen
Sprache ins Hochdeutsche.
In der Politik war seine Denkweise entschieden
monarchisch-absolutistisch, so sehr, dass er selbst die alte freiheitliche
Dithmarscher Ordnung ablehnte. „Alle Verfassung, Konstitution ist gegen die
Logik“, sagte er, „ein vermeintlich Drittes zwischen Regenten und Regierten
gibt es nicht. Kein Regiment ist so teuer als Volksregiment, nirgends ist
weniger Freiheit, als wenn freies Volk das Gesetz macht. Die Stimmenmehrheit,
die Majorität ist eine Despotie, so unvernünftig, so launisch, so grausam unter
Umständen, als weder Zar noch Sultan sind. Verfassungen werden heute
beschworen, morgen beschoren.“[72]
„Nächst dem Christentum ist die Monarchie das Beste auf der Erde und ist, was
im Recht der Eid, im Regiment das einzig Heilige.“ (Seine Ansichten stimmen
sicher nicht mit der neueren Zeit überein und auch nicht mit dem freiheitlichen
Konservativismus, wie wir ihn von Edmund Burke und den Briten kennen. Man darf
sich aber auch kein falsches Bild von der alten Zeit machen, als sei sie die
vollendete Tyrannei oder Diktatur gewesen. Das war sie in Schleswig-Holstein
wohl nicht, wie auch in den meisten anderen Ländern nicht, wenn auch die Rede-
und Pressefreiheit in den deutschsprachigen Staaten damals, etwa im Unterschied
zu Großbritannien, vor 1848 nicht allgemein verbreitet war. Allerdings waren
die Menschen auch nicht so politisiert wie heute und lebten insofern ruhig und
frei in ihren lokalen und regionalen Angelegenheiten.) Als aber die Rechte
Schleswig-Holsteins Dänemark gegenüber in Gefahr kamen, stand er entschieden
mit jenem, wie er das so fromm wie heldenmütig gegen Dr. Hengstenberg
auszusprechen wusste.[73]
Claus Harms war allerdings nicht der Ansicht, wie sie der preußische Staat
vertrat, dass die Pastoren zur Politik gar nichts sagen dürften. Er vertrat
vielmehr die Meinung, dass da, wo etwa Landesrechte geraubt würden, er etwas
dazu sagen müsse, ebenso, wenn Rechte der Regierenden angegriffen oder deren
Anordnungen missachtet werden. Allerdings war die einzige Waffe, die er
einsetzte, das Wort auf der Kanzel – keine Volksversammlung, kein Aufruhr.[74]
Seine spätere Frau hat Harms schon früh kennengelernt, nämlich in seinem
Heimatdorf. Wie er in seiner Autobiographie schreibt, habe sie „seit 1784 [er
war damals sechs Jahre alt] eine Stätte in seinem Herzen gehabt“. 1806 hat er
Magdalena Jürgens dann geheiratet (siehe oben unter 4.)[75].
Er war damals nicht reich, hatte aber auch keine Schulden von der Universität.
Er ging nach der Regel vor: Was man mit vorhandenem Geld noch nicht anschaffen
konnte, diese Stelle in der Wohnung blieb leer, so etwa der große Saal und eine
Stube daneben, eine durchaus zu beherzigende Ansicht. Um sein Gehalt
aufzubessern nahm Harms ab Pfingsten 1806 Schüler und auch einen Kostgänger,
außerdem wohnten etwas später in dem großen Saal und der Stube eine Witwe mit
ihrer Tochter und Enkelkind. Die Kasse führte seine Frau, da sie besser mit
Geld umgehen konnte. Drückende Sorgen hatten sie zwar nicht, aber zeitweilig
setzte er den Wein ganz ab und auch den Kaffee, um dadurch Geld zu sparen. Denn
Gäste, die er bewirten musste, kamen immer wieder, das hing einfach mit seinem
Amt zusammen. Aber große Gesellschaften hat er keine gegeben, das lag ihm auch
nicht.[76]
Am 20. Februar 1809 wurde dann mit Christian dem Ehepaar von Gott das
erste Kind geschenkt; am 26. August 1812 Heinrich Peter geboren, dem am 13.
Oktober 1815 Magdalena Sophia folgte. Den ältesten Sohn unterrichtete Harms
zunächst selbst, später besuchte er die Schule in Lunden.
Die beiden Söhne besuchten dann in Kiel Privatschulen, zeitweilig hatte er für
sie auch einen Privatlehrer (all das war damals problemlos möglich; diese
Freiheiten sind seit 1933/38 ja erheblich eingeschränkt, auch weiter in der
BRD). Beide Söhne haben studiert, Christian Harms Theologie (Vater Claus Harms
hat ihn als Propst 1837 selbst ins Predigtamt in Albersdorf eingeführt) und
Heinrich Peter Jura. Magdalena Sophia hat den späteren Propst von Oldenburg in
Holstein, Balemann, geheiratet.[77]
Durch sein Amt war Harms nicht viel mit den Seinen zusammen, aber
zumindest die Essenszeiten wollte er mit der Familie verbringen, denn auch die
Abende saß er zumeist bis halb elf Uhr im Arbeitszimmer. Morgens und abends
aber achtete er darauf, dass Zeit war für die gemeinsame Andacht. Die Kinder
und auch er selbst beteten laut bei Tisch. Zur Kirche war es üblich, dass die
gesamte Hausgemeinschaft ging, auch das Dienstmädchen. Das Haus wurde dann
abgeschlossen.[78]
Seit Mitte der 1840er Jahre litt seine Frau unter Asthma, das sich 1848 verschlimmerte.
Am 24 April 1849 starb sie, umgeben von ihrem Mann und den beiden überlebenden
Kindern (das dritte, Heinrich Peter Harms, war 1848 als Kirchspielvogt in Barlt
gestorben).[79] Wenig
später starb auch seine achtjährige Enkelin Lene Balemann.
1853 musste er erleben, dass die Frau seines Sohnes Christian nach langem Leiden
in die Ewigkeit ging. Es erfüllte sich dabei, was Claus Harms zu seinem Leben
vermutet hatte: Er war über viele Jahre von Unglück in seiner Familie frei
gewesen; in den letzten Jahren würde es dann kommen. Bei allem aber konnte
Claus Harms getrost sagen: „In Gottes Rat ergeb ich
mich, ich bin ja nicht mein eigen.“ Er fügte sich ohne Murren in Gottes Willen.[80]
1. Wenn unser Meister und Herr Jesus Christus
spricht: „Tut Buße!“ so will er, dass die Menschen sich nach seiner Lehre
formen sollen; er formt aber die Lehre nicht nach den Menschen, wie man jetzt
tut, dem veränderten Zeitgeist gemäß. 2. Tim. 4,3.
2. Der Lehrbegriff sowohl des Glaubens als des Handelns ist nunmehr so
geformt, dass im Ganzen schon die Menschen hineinpassen. Daher müssen jetzt
wiederholt werden Protest und Reform.
3. Mit der Idee einer fortschreitenden Reformation, so wie man diese
Idee gefasst hat und vermeintlich an sie gemahnt wird, reformiert man das
Luthertum ins Heidentum hinein und das Christentum aus der Welt heraus.
4. Da der Lehrbegriff des Glaubens sich nach dem Lehrbegriff des
Handelns, dieser nach dem Handeln der Menschen sich geformt hat, so muss wie
immer damit angefangen werden: Tut Buße!
5. Diese Predigt ergeht, wenn es reformatorische Zeit ist, an alle, ohne
zu unterscheiden Gute und Schlechte; denn auch die dem falschen Lehrbegriff
gemäß sich geformt haben, werden für Schlechte angesehen.
6. Der christliche Lehrbegriff wie das christliche Leben sind beide nach
Einem Riss zu bauen.
7. Wären die Menschen in ihrem Handeln auf dem richtigen Wege, so könnte
man sagen: In der Lehre geht rückwärts und im Leben geht vorwärts, dann kommt
ihr zum wahren Christentum.
8. Die Buße erzeigt sich zuvörderst als Wiederabfall von dem, der sich
oder den man gesetzt hat an die Stätte Gottes, welcher war zu Luthers Zeit in
gewisser Betrachtung der Papst, ihm der Antichrist.
9. Den Papst zu unserer Zeit, unsern Antichrist,
können wir nennen in Hinsicht des Glaubens die Vernunft, in Hinsicht des
Handelns das Gewissen (nach ihrer beider, ihnen gegebener Stellung gegen das
Christentum, Gog und Magog,
Offenb. 20,8), welchem letzten man die dreifache
Krone aufgesetzt hat: die Gesetzgebung, die Belobung und die Bestrafung.
10. Das Gewissen kann aber kein Gesetz geben, sondern nur vorhalten und
einschärfen die Gesetze, welche Gott gegeben hat, es kann nichts loben, als was
Gott gelobt hat; nicht strafen, als mit Vorhaltung der Strafen Gottes, – nach
Gottes Wort, welches der Text des Gewissens ist.
11. Das Gewissen kann nicht Sünden vergeben, mit
andern Worten dasselbe: Niemand kann sich selbst Sünden vergeben. Die
Vergebung ist Gottes.
12. Dass die Operation, als einen Absenker das
Gewissen abzuschneiden vom Wort Gottes, bei Einigen
nicht vollbracht worden ist, das ist eine besondere Gabe Gottes an diesen.
13. Wo sie vollbracht ist, dass da nicht viel mehr Schlechtigkeit sich
hervortut, das danken wir teils den Gesetzen der Obrigkeit, teils den Satzungen
der Sitte, die noch immer gottesfürchtiger ist als der herrschende Lehrbegriff.
14. Diese Operation, in Folge deren man Gott vom Richterstuhl herab- und
jeden sein eignes Gewissen hinauf- hat setzen lassen, ist geschehen, während
keine Wacht in unserer Kirche war.
15. Calixt, der die Tugendlehre trennte von
der Glaubenslehre, hat dem Gewissen den Stuhl der Majestät gesetzt, und Kant,
der die Autonomie (eigene Gesetzgebung) des Gewissens lehrte, hat dasselbe
hinaufgesetzt.
16. Es verdient eine historische Beleuchtung, wie das Wort
„gottesfürchtig“ zurückgetreten sei gegen das hervortretende Wort
„gewissenhaft“ nach den vorhandenen Zeitbüchern, und, ob nicht Belege zu finden
seien, dass die sogenannte Gewissenhaftigkeit die Gewissenlosigkeit von jeher
gefördert habe.
17. Hört das Gewissen auf zu lesen, und fängt es an, selbst zu
schreiben, so fällt das so verschieden wie die Handschriften der Menschen aus.
Nenne mir jemand eine Sünde, die jedermann dafür hält!
18. Hört das Gewissen auf, ein Diener des göttlichen Gerichts über die
Sünder zu sein, so wird es in seinem Gericht Gott nicht einmal Diener sein
lassen. Der Begriff von göttlichen Strafen verschwindet ganz.
19. Früher war schon die Furcht vor göttlichen Strafgerichten entfernt
worden. Die dazu die Ableiter erfunden haben, verdienen nicht gleichen Ruhm und
Dank wie Franklin.[82]
20. Die Bußtage stehen noch da als Erinnerung
des alten Glaubens. Man hätte besser getan, wenn man ihnen keine neue Bedeutung
gegeben. Bet-Tage – der Name ist schon verschwunden,
wie denn auch ein Vernunftgläubiger konsequenterweise gar nicht beten kann.
21. Die Vergebung der Sünden kostete doch Geld im 16. Jahrhundert; im
19. hat man sie ganz umsonst, denn man bedient sich selbst damit.
22. Die damalige Zeit stand höher als die jetzige, – weil näher bei
Gott.
23. Abbitte tun – bei wem? Bei sich selbst? – Tränen der Reue weinen –
sich selbst vorweinen? – Der Gnade Gottes sich trösten – ja, wenn er die
natürlichen schlimmen Folgen meiner Taten abwendete. Diese Sprache lehrt der
jetzt herrschende Lehrbegriff.
24. „Zwei Ort, o Mensch, hast du vor dir“, hieß es im alten Gesangbuch.
In neuern Zeiten hat man den Teufel totgeschlagen und die Hölle zugedämmt.
25. Ein Irrtum in der Tugendlehre erzeugt Irrtum in der Glaubenslehre;
wer die ganze Tugendlehre auf den Kopf stellt, der stellt die ganze Glaubenslehre
auf den Kopf.
26. Zittern und beben muss man, wenn man bedenkt, wie gottlos, d.h. ohne
Gott und dessen Furcht, die Menschen jetzt sind.
27. Nach dem alten Glauben hat Gott den Menschen erschaffen; nach dem
neuen Glauben erschafft der Mensch Gott, und wenn er ihn fertig hat, spricht
er: Hoja! Jes. 44,12-20.
28. Dass die Operation, als einen Absenker die
Vernunft abzuschneiden vom Wort Gottes, bei Einigen
nicht vollbracht worden ist, das ist eine besondere Gnade Gottes an diesen.
29. Wo ist vollbracht ist, dass da nicht viel
mehr Unglaube sich hervortut, das danken wir zum Teil den früheren Eindrücken
der Glaubenswahrheit, die schwerlich ganz vertilgt werden können.
30. Diese Operation, in Folge deren jede offenbarte Religion, also die
christliche auch, insofern und insoweit als sie nicht mit der Vernunft
übereinstimmt, d.h. gänzlich, verworfen wird, ist geschehen, während keine
Wacht in unserer Kirche war.
31. Wer sie zuerst vorgenommen habe, weiß ich nicht; wer sie aber zuletzt
vorgenommen hat, das weiß ich, und ganz Holstein weiß es.
32. Die sogenannte Vernunftreligion ist entweder von Vernunft oder von
Religion oder von beiden entblößt.
33. Ihr zufolge sieht man den Mond für die Sonne an.
34. Es ist zu unterscheiden ein zweifacher Sprachgebrauch: Vernunft als
Inbegriff aller Geisteskräfte, die den Menschen auszeichnen, und Vernunft als
eine besondere Geisteskraft. In dieser letzten Bedeutung wird behauptet, dass
Vernunft so wenig Religion lehre als sich lehren
lasse.
35. Ob du die rechte oder linke Hand brauchst, das ist einerlei; aber
den Fuß anstatt der Hand, oder das Ohr anstatt des Auges, das ist nicht
einerlei, und ebenso wenig einerlei ist es, mit welcher Geisteskraft du
Religion vornimmst.
36. Wer den ersten Buchstaben der Religion, der heißt „heilig“, mit
seiner Vernunft mächtig werden kann, der entbiete mich zu sich.
37. Ich kenne ein religiöses Wort, dessen die Vernunft zur Hälfte
mächtig ist und zur Hälfte nicht: „Feier“. Die Vernunft sagt: nicht arbeiten
usw.; wird das Wort verwandelt in „Feierlichkeit“, ist’s der Vernunft gleich
entrückt, ihr zu wunderlich und zu hoch. Ebenso Weihen, Segnen. Die Sprache ist
so voll und das Leben so reich an Dingen, die ebenso entfernt von der Vernunft
wie von den leiblichen Sinnen liegen. Ihr gemeinschaftliches Gebiet ist das
Mystische, die Religion ist ein Teil dieses Gebietes. Terra incognita für die
Vernunft.
38. Die Vernunft ist genau in’s Auge zu
nehmen, denn sie gebärdet sich und spricht oft als wäre sie da gewesen, so
herzlich, gemütlich, gläubig oder wie man es nennen will.
39. Gleichwie die Vernunft ihren Verstand hat, so hat auch das Herz
seinen Verstand, nur einer ganz andern Welt zugekehrt.
40. Es ist noch nicht hinlänglich untersucht, wenigstens das Ergebnis
nicht öffentlich eingestanden worden, was es für einen Grund habe, dass man so
spät auf Vernunftreligion gekommen ist; als wäre die Vernunft so spät zur Welt
gekommen.
41. Einige Wahrheiten der offenbarten
Religion vermag der Mensch, nachdem sie ihm gegeben sind, wiederzufinden unter
gewissen Erscheinungen der Natur und der Menschenwelt. Diese zusammen, zwei
oder drei, nennt man natürliche oder Vernunftreligion, ungeachtet die Vernunft auch dabei
weder zu geben noch zu nehmen hat.
42. Das Verhältnis der sogenannten natürlichen Religion zur offenbarten
ist wie das Verhältnis des Nichts zu Etwas, oder wie das Verhältnis der
offenbarten Religion zur offenbarten Religion.
43. Wenn die Vernunft die Religion antastet, wirft sie die Perlen hinaus
und spielt mit den Schalen, den hohlen Worten.
44. Sie tut, wie der Prediger tat, welcher den Physiker Ritter
kopulierte. Zu den Worten des Formulars: „Was Gott zusammenfügt, das soll der
Mensch nicht scheiden“, setzte derselbe hinzu: „Es sei denn aus wichtigen
Gründen.“ S. Nachlass eines jungen Physikers. Heidelb.
1810. S. LXXIII.
45. Sie zieht das Heilige des Glaubens in den Kreis gemeiner Erfahrungen
und spricht wie Mohammed: „Wie sollte Gott einen Sohn haben? Er hat ja keine
Frau!“
46. Von den Lippen gewisser Prediger lauten die Worte: „unser Heiland
und Erlöser“, wie unter den Briefen die Worte: „Ihr Freund und Diener“. Der
Charakter ihrer Predigten aber ist dieser: Sie lassen anstatt der Arznei das
Rezept einnehmen; mit gangbaren Worten: durch den Verstand zum Herzen.
47. Wenn in Religionssachen die Vernunft mehr als Laie sein will, so
wird sie eine Ketzerin. Die meide! Tit. 3,10. Übrigens hat es das Ansehen, als
wären alle Ketzereien wieder los gelassen auf einmal. Gewissener[83]
und Naturalisten[84],
Sozinianer[85] und Sabellianer[86],
Pelagianer[87],
Synergisten[88], Kryptocalvinisten[89],
Anabaptisten[90],
Synkretisten[91],
Intermisten[92], u.a.m.
48. Wir fürchten Inquisition und Glaubensgerichte, heißt nichts anders
als: Wir fürchten den Missbrauch der Vernunft.
49. Uns ist bange vor Pöschlianern[93]
– uns ist bange vor wahnsinnigen Leuten. Aber wider
die hat man ja Anstalten.
50. Zudem: Wir haben ein festes Bibelwort, darauf wir achten, 2. Petr.
1,19; und dass niemand mit Gewalt uns dasselbe drehe gleich einem Wetterhahn,
davor ist durch unsre symbolischen Bücher[94]
gesorgt.
51. Auch die Worte unsrer offenbarten Religion halten wir heilig in
ihrer Ursprache und betrachten sie nicht wie ein Kleid, welches man der
Religion ausziehen könnte, sondern als ihren Leib, mit welchem vereint sie ein
Leben hat.
52. Eine Übersetzung aber in eine lebende Sprache muss alle hundert
Jahre revidiert werden, damit sie am Leben bleibe.
53. Es hat die Wirksamkeit der Religion gehemmt, dass man dies nicht
getan hat. Die Bibelgesellschaften sollten eine revidierte lutherische
Bibelübersetzung veranstalten.
54. Eine deutsche Übersetzung mit Erklärungen deutscher Wörter versehen,
heißt: sie als die Ursprache der Offenbarung ansehen. Das wäre papistisch und
abergläubig.
55. Die Bibel mit solchen Glossen edieren,/ die
das ursprüngliche Wort emendieren[95],/
heißt: den Heiligen Geist korrigieren,/ die Kirche spolieren[96],/
und die dran glauben, zum Teufel verführen.
56. In den erklärenden Noten der im Jahr 1815 zum Volks- und
Schulgebrauch herausgegebenen Altonaer Bibel herrscht, wie der Gelehrte sich
ausdrückt, rationalistische Ansicht, – wie das Volk dasselbe benennt, ein neuer
Glaube, – nach biblischem Sprachgebrauch, welcher tiefer geht und schärfer
bezeichnet, – der Teufel. Eph. 2,2.
57. Wer will behaupten, dass es mit dieser Bibelausgabe von den Beförderern
nicht gut gemeint sei? Aber wer will leugnen, dass sie die Bibel als das
allerschlechteste Buch auf der Welt öffentlich darstellen?
58. Es fehlte bisher den Vernunftgläubigen an einem Band und Symbol
unter sich; das ist ihnen gegeben, so weit sie sich
vereinigen können, in dieser Bibelausgabe.
59. Fortan darf kein Prediger lutherisch, d.h. christlich, predigen,
ohne sich der Gegenrede aus dieser Bibel auszusetzen: Diese Männer wissen es
doch wohl besser als du!
50. Und wenn er arme, gebeugte Sünder zu Jesus weist, der sie so
freundlich gerufen hat: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen
seid, ich will euch erquicken“, – fährt diese Bibelausgabe ihn mit der Rede an:
Was sollen diese? Es sind ja keine Juden! Und seine Lehre habt ihr längst! –
Christus soll bloß ein anderer Mose sein.
61. Man soll die Christen lehren überall, dass sie sich hüten vor dieser
Bibelausgabe, und es ihnen in Gottes Namen verheißen, auf Glauben zu unserm
König: Sie wird bald verworfen.
62. Dass die inländischen Bibelgesellschaften
über diese wichtige Bibelangelegenheit schweigen und nicht reden, das kann
nicht gutgeheißen werden.
63. Man soll die Christen lehren, dass sie nicht ein blindes Vertrauen
auf die Prediger setzen, sondern selbst mit zusehen und forschen in der
Schrift, wie die Beroenser, Apg. 17,11, ob sich‘s so
verhalte.
64. Man soll die Christen lehren, dass sie das Recht haben,
Unchristliches und Unlutherisches auf den Kanzeln wie
in Kirchen- und Schulbüchern nicht zu leiden.
65. Wenn sonst niemand sich um die Lehre kümmert, so ist zu besorgen,
dass das Volk es selber tue, welches freilich nicht maß noch Ziel hat.
66. Vertrauen kann das Volk nicht haben zu den Oberkommissarien[97]
der Kirche, davon mehrere in dem Ruf stehen, dass sie selber den Glauben der
Kirche nicht haben.
67. Es ist ein sonderbares Verlangen, dass es frei
stehen müsse, einen neuen Glauben zu lehren von einem Stuhl, den der
alte Glaube gesetzt hat, und aus einem Mund, dem der alte Glaube zu essen gibt.
Ps. 41,10.
68. Gehe mit Hermann Tast[98]
unter die rote Linde und predige da, wenn du deinen neuen Glauben nicht für
dich behalten kannst. Kraffts Jubel-Gedächtnis S. 103. Indes man hat es schon
seit mehreren Jahren auf den Kanzeln versucht, und die Leute haben sich
verlaufen. Matth. 11,17.
69. Die Parole der Irrlehrer ist Joh. 4,23: Gott ist ein Geist, und
alle, die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Sie
gebärden sich damit, als hätten sie die ganze christliche Kirche, ja Christus
selbst gefangen in ihrer Rede.
70. Ihr Feldgeschrei ist Apg. 10,35: „In allerlei Volk, wer Gott
fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm.“ Das legen sie aus (nicht die
Altonaer Bibel) als sei es einerlei, ob Jude oder Christ, ob Halbchrist oder
gar nichts.
71. Die Vernunft geht rasen in der lutherischen Kirche: Reißt Christus
vom Altar, schmeißt Gottes Wort von der Kanzel, wirft Kot ins Taufwasser,
mischt allerlei Leute beim Patenstand, wischt die Anschrift des Beichtstuhls
weg, zischt die Priester hinaus, und alles Volk ihnen nach, und hat das schon
so lange getan. Noch bindest man sie nicht? Das soll vielmehr echtlutherisch
und nicht karlstadtisch sein!
72. Wohl könnte die katholische Kirche, wie man es ihr ansinnt, das Reformationsfest mit uns feiern, denn was den
herrschenden Glauben betrifft in unserer Kirche, so ist sie eben
so sehr lutherisch wie die unsrige.
73. Es wäre zu wünschen, dass man in verschiedenen lutherischen Ländern
auch den Text zu einer Säkularpredigt hätte, Luk. 15,81: Ich will mich
aufmachen und zu meinem Vater gehen. Das könnte sehr erbaulich werden für
manche Gemeinde, die vielleicht mit ihrem Prediger in der Fremde des
Irrglaubens Hunger und Kummer leidet.
74. Dazu sagen, dass man ja fortgeschritten sei in der Aufklärung, das
wird man doch nicht begründen mit der gegenwärtigen Finsternis im wahren
Christentum? Viele Tausende können erklären wie einst die Johannesjünger, Apg.
19,2: „Wir haben noch nie gehört, ob ein heiliger
Geist sei.“ (Note der Altonaer Bibel: heiliger Geist, vollständiger Unterricht
im Christentum.)
75. Als eine arme Magd möchte man die lutherische Kirche jetzt durch
eine Kopulation[99] reich
machen. Vollzieht den Akt ja nicht über Luthers Gebein! Es wird lebendig davon
und dann – Weh euch!
76. Die da meinen, „brach es“ sei ein Wörtlein
von großem Reichtum und für dasselbe, so weit sie
können, die lutherische Kirche aufzugeben bereit stehen,
sind unwissender als das unbefragte Volk, das man
über seinen Glauben doch wohl hätte befragen sollen, ganz zu schweigen
von Löscher[100]. Vgl.
dessen Historia Motuum,
Heilsame Worte § 14 ff.
77. Sagen, die zeit habe die Scheidewand
zwischen Lutheranern und Reformierten aufgehoben, ist keine reine Sprache. Es
gilt, welche sind abgefallen von dem Glauben ihrer Kirche, die Lutheraner oder
die Reformierten oder beide?[101]
78. War auf dem Kolloquium zu Marburg 1529 Christi Leib und Blut im Brot
und Wein, so ist es noch 1817.
79. Wenn es nicht Frevel ist, so ist es doch Leichtfertigkeit, die
Schätze der Kirche zu verschließen und den Schlüssel wegzuwerfen. Dagegen
sollten alle Lutheraner sagen: Wir protestieren. Welches zu sagen in Dänemark
noch unverboten ist. So tut seinerseits ein
rechtschaffener Genfer Kandidat und will nicht den Glauben seiner Kirche
kaschieren[102]. S. Hamb. Correspondent 1817. No. 146.
80. Gegen solche Verbindung, zumal da sie nur das Äußerliche betrifft,
unter beiderseitigem Vorbehalt des Innerlichen, wäre wohl eines einzigen
Lutheraners oder Reformierten Protestation genug. Matth.
25,9: Nicht also! auf das nicht uns und euch gebreche. Geht aber hin zu den
Krämern.
81. Es wird den Erbauern der neuen sogenannten evangelischen Kirche
gehen, wie es den Dithmarschern mit ihrem Kloster zu Hemmingstedt
gegangen ist: Da wollten keine Jungfrauen herein und einige alte Bäuerinnen
liefen wieder hinaus. Dieses Kloster war nicht volkstümlich, und diese Kirche
ist nicht christentümlich. S. Bolten, Dithm. Geschichte Bd. 3. § 40.
82. Gleichwie die Vernunft die Reformation gehindert hat, ihre Kirche
auszubauen und zur Einigkeit zu bringen, so würde die Aufnahme der Vernunft in
die lutherische Kirche nur Verwirrung und Zerstörung in derselben anrichten.
83. Verwirrung mit den Bekenntnisschriften, – die nichts anders sind als
eine bestimmte allgemein angenommene Auslegung der hl. Schrift.
84. Verwirrung mit den autorisierten und angenommenen Kirchenagenden,
Gesangbüchern und Katechismen, wie denn schon der öffentliche Vortrag vielerwärts in grellem greulichen
Widerspruch an heiliger Stätte steht.
85. Verwirrung unter den Lehrern, wenn der eine alten, der andere neuen
Glauben predigt. Der so hochgelobte Wahlspruch 1. Thess. 5,14: „Prüft alles und
das Beste behaltet!“ wird fälschlich von freier Prüfung des biblischen Glaubens
verstanden.
86. Verwirrung in dem Verhältnis zwischen Lehrern und Gemeinden.
Heinrich von Zütphen hat eine These aufgestellt: „Die
Kirche Christi teilt sich in Priester und Laien.“ Die neuen Irrlehrer würden
sich ausdrücken: Die Kirche Christi teilt sich in Küster und Nichtküster. – Ja,
wären die Priester rechte Küster, custodes[103]!
87. Verwirrung mit anderen Kirchen. Jegliche beruht auf der Bibel nach
verschiedener Auslegung, über welche sie sich vereinbart haben: Ihr nehmt
diese, wir jene Auslegung an und dabei wollen wir uns lieben und achten. Die
Vernunftreligion will von keiner Auslegung wissen außer von der, die sich jeder
Kopf für heute und vielleicht für morgen macht.
88. Verwirrung mit den Staaten. Diese haben ihren Schutz der Kirche
versprochen auf die von ihr demselben vorgelegten Bekenntnisschriften. Von
solchen will die Vernunftreligion nichts wissen. Aber das religiöse Element im
Menschen, wenn es nicht gebunden liegt an einer göttlichen Offenbarung, ist ein
furchtbares Element.
89. Verwirrung im bürgerlichen Leben. Dasselbe ist mit jeder bedeutenden
Erscheinung und Angelegenheit ganz in den Kreis der Kirche gezogen. Bei der
Vernunftreligion in einem Land wäre kein Ehemann seiner Frau, kein Mann seines
Lebens sicher, auch kein Eid zulässig, wie unter den Quäkern, aber aus
entgegengesetzten Gründen.
90. Die lutherische Kirche hat in ihrem Bau Vollständigkeit und
Vollkommenheit; nur dass die oberste Leitung und letzte Entscheidung auch in
eigentlich geistlichen Sachen bei Einer Person, die nichtgeistlichen Standes
ist, bei dem Landesherrn, steht, das ist ein in Eil und Unordnung gemachter
Fehler, den man auf ordentlichem Weg wieder gut zu machen hat.
91. So wie noch das mit den protestantischen Grundsätzen unsrer Kirche
sich nicht vereinigen lässt, dass einige wenige Personen in einer Gemeinde,
oder gar eine einzige nur, die vielleicht nicht einmal zur Gemeinde gehört, derselben
einen Prediger setzt. Schafen setzt man einen Hirten, Seelen aber sollten sich
allenthalben ihre Pastoren wählen.
92. Die evangelisch-katholische Kirche ist eine herrliche Kirche. Sie
hält und bildet sich vorzugsweise am Sakrament.
93. Die evangelisch-reformierte Kirche ist eine herrliche Kirche. Sie
hält und bildet sich vorzugsweise am Wort Gottes.
94. Herrlicher als beide ist die evangelisch-lutherische Kirche. Sie
hält und bildet sich am Sakrament wie am Wort Gottes.
95. In diese hinein bilden, sich selbst ohne der
Menschen absichtliches Zutun, die beiden andern. Aber der Gottlosen Weg
vergeht, sagt David, Ps. 1,6.
[1]
Die Abhandlung gründet in erster Linie in dem
Artikel von Carstens in: Realencyclopädie für protestantische Theologie und
Kirche. Hrsg. von Albert Hauck. 3., verb. und verm. Aufl. Bd. 7. Leipzig: J.C.
Hinrichs 1899. S. 433-439
[2]
vgl. Claus Harms: Lebensbeschreibung. 2. Aufl.
Kiel: Akademische Buchhandlung 1851. S. 2 f. Geest ist der höher gelegene
Landesteil, der wohl in der Eiszeit durch Sandablagerung entstand, während die
Marsch der niedriger gelegene Landesteil ist, der nach der Eiszeit als
Schwemmland entstand. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Geest ; Anm. d. Hrsg.
[3]
Dithmarschen war allerdings nie völlig
unabhängig, sondern unterstand eigentlich als Lehensgebiet dem Erzbischof von
Bremen, der aber die Oberherrschaft sehr locker ausübte, so dass sie eine
starke und weitgehende Selbstverwaltung hatte mit dem 48er Rat, gewählt aus den
vier (eigentlich fünf) Verwaltungsbezirken, der von 1447-1559 die
Selbstverwaltung leitete. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Dithmarschen ; Anm. d. Hrsg.
[4]
Eingedeichter Strandwall, heute im Marschland
liegend, als fester Boden Bau- und Ackergrund. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Donn_(Geologie) ; Anm. d. Hrsg.
[5] vgl. Harms, a.a.O., S. 5 f.
[6]
Erik Pontoppidan (1698-1764) war dänischer
Bischof in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und stark vom Pietismus
beeinflusst. In seiner umfangreichen Erklärung („Anweisung zur Erkenntnis der
Wahrheit zur Gottseligkeit“; die gekürzte Fassung ist bei einigen lutherischen
Kreisen in den USA bis heute in Gebrauch) versuchte er, lutherische Orthodoxie
und Pietismus zu verbinden. Anm. d. Hrsg.
[7]
vgl. ebd. S. 17
[8] vgl. ebd. S. 9
[9]
vgl. ebd. S. 21 f.
[10]
Naturwissenschaftliche Sachfächer. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Realien ; Anm. d. Hrsg.
[11] vgl. Harms, a.a.O., S. 24-32
[12] vgl. ebd. S. 37-39
[13] vgl. ebd. S. 47
[14]
29. September, Gedenktag des Erzengels Michael
und aller Engel. Anm. d. Hrsg.
[15]
vgl. Behrmanns Predigt und ein Vortrag, Kiel
1878; in: Carstens, Realencyclopädie, a.a.O.
[16] vgl. Harms, a.a.O., S. 50 f.
[17]
vgl. ebd. S. 53 f.
[18]
Vgl. Carstens: Geschichte der theologischen
Fakultät zu Kiel. Kiel 1875. S. 44 ff.; in: Carstens, Realencyclopädie, a.a.O.; Harms, a.a.O.,
S 58
[19] vgl. Harms, a.a.O.
[20] vgl. ebd. S. 60
[21] vgl. ebd. S. 67
[22] vgl. ebd. S. 62 f.
[23] vgl. ebd. S. 67
[24]
ebd. S. 68
[25]
ebd. S. 68 f.
[26]
vgl. ebd. S. 69
[27]
vgl. ebd. S. 76 f.
[28]
vgl. ebd. S. 79
[29]
vgl. ebd. S. 84 f.
[30]
vgl. ebd. S. 87
[31]
vgl. ebd. S. 98 f.
[32]
ebd. S. 101
[33]
vgl. ebd.
[34]
vgl. ebd. S. 89
[35]
vgl. ebd. S. 90-92
[36]
vgl. ebd. S. 93
[37]
ebd. S. 95
[38]
vgl. ebd. S. 105
[39]
„Umschlag“ meint in der Logistik so viel wie
Wechsel des Transportmittels, also in Kiel Verladen auf Schiffe oder Entladen
von Schiffen. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Umschlag_(Logistik) ; Anm. d. Hrsg.
[40] vgl. Harms, a.a.O., S. 108 f.
[41] vgl. ebd. S. 110 f.
[42] vgl. ebd. S. 113
f.
[43]
Vgl. Schrödter: Archiv der Harms’schen Thesen
oder Charakteristik der Schriften, welche für uns und gegen dieselben
erschienen sind 1818. Dr. Asmussen: Geschichte des Thesenstreits in
Hengstenbergs evangel. Kirchenzeitung, 1829, Nr. 257.; in: Carstens,
Realencyclopädie, a.a.O.
[44] vgl. Harms, a.a.O., S. 116 f.
[45]
vgl. ebd. S. 119 f.
[46]
Ev. Kirchenzeitung. 1829. Nr. 80; vgl. Carstens,
Realencyclopädie, a.a.O.
[47]
Joachim Stüben: August Twesten (1789-1876), ein
lutherischer Theologe und Schleiermacherschüler aus Glücksburg. (Vorträge der
Detlefsen-Gesellschaft. 17.) 2015. S. 20; in: Carstens, Realencyclopädie,
a.a.O.
[48] vgl. Harms, a.a.O., S. 115
[49]
Baumgarten: Liturgie und Predigt. Kiel 1843. S. 70. In: Harms, a.a.O.,
S. 126
[50] vgl. Harms, a.a.O., S. 127 f.
[51] vgl. ebd. S. 139 f.
[52] vgl. ebd. S. 142. 144
[53] vgl. ebd. S. 153
[54] vgl. ebd. S. 166
ff.
[55]
vgl. ebd. S. 129
[56]
vgl. ebd. S.
174
[57]
vgl. ebd. S.
175
[58]
vgl. ebd. S.
177
[59]
Dorner: Blätter der Erinnerung. Kiel 1842.; in:
Carstens, Realencyclopädie, a.a.O.
[60] vgl. Harms, a.a.O., S. 216; Claus Harms. Ausgewählte Schriften und Predigten. Bearb. Von G.E.
Hoffmann. Hrsg. von Peter Meinhold. Flensburg: Christian Wolff Verl. 1955. S. 201
[61] vgl. Harms, a.a.O., S. 131
[62] vgl. ebd. S. 131-133
[63] vgl. ebd. S. 133-135
[64] vgl. ebd. S. 136
[65] vgl. ebd. S. 179-181
[66] vgl. ebd. S.
198-200
[67]
vgl. ebd. S. 200-202.
[68]
Christologische Predigten, 1820, in welchen er
meinte, am besten gearbeitet zu haben. Neue Winterpostille, 1824. Neue
Sommerpostille, 1827. Die drei Artikel des Glaubens, 1830-34. Von der
Heiligung, Kiel 1833. Von der Schöpfung, Keil 1834. Die heilige Passion, 1837. Das Vater-Unser,
1838. Die Religionshandlungen, 1839. Die Bergpredigt, 1841. Über die Bibel,
1842. Die Offenbarung Johannes, 1844. Die Augsburgische Confession, 1847.
Trostpredigten, 1852. Und nach seinem Tod, herausgegeben von Dr. Wichern, „Des
Christen Glauben und Leben in 23 nachgelassenen Predigten“, 1869; in: Carstens,
Realencyclopädie, a.a.O.
[69] Das Christentum in einem kleinen Katechismus, Kiel
1810. Die Religion der Christen, in einem Katechismus aufs neue gelehrt, Kiel
1814. Diesjähriger Leitfaden in der Vorbereitung für Konfirmanden, Kiel 1820.
Hoffmanns, Auslegungen der Fragstücke im kleinen lutherischen Katechismus, Kiel
1822. Ein kleiner Kempis oder Leitfaden beim Konfirmandenunterricht, Schleswig
1822, und zugleich weiter ausgeführt mit angerhängten Leseabschnitten, Weisheit
und Witz in Sprüchen und andern kurzen Redensarten, Kiel 1850. Für den
Jugendunterricht das Lesebuch: Schleswig-Holsteinischer Gnomon, 1842; und: Der
Scholiast, 1850; in: Carstens, Realencyclopädie, a.a.O.
[70] vgl. Harms, a.a.O., S. 189-191
[71]
vgl. ebd. S. 192 f.
[72]
Claus Harms hat sich gegen jede direkte
Beteiligung des Volkes an der Regierung gewandt, lehnte auch die Herrschaft des
48er Rats in Dithmarschen, wie sie zeitweilig in früheren Jahrhunderten
bestand, ab. Vgl. Harms, a.a.O., S. 65 f. Er hat dabei das Gottesgnadentum zu
eng gefasst, denn eine Verfassungsordnung ist uns von Gott nicht vorgegeben.
Anm. d. Hrsg.
[73]
Hamburger Nachrichten 1851; in: Carstens,
Realencyclopädie, a.a.O.
[74] vgl. Harms, a.a.O., S. 188
[75] vgl. ebd. S. 208
[76] vgl. ebd. S. 210 f. 213
[77] vgl. ebd. S. 211-213
[78] vgl. ebd. S. 213 f.
[79] vgl. ebd. S. 208
[80] vgl. ebd. S. 215
[81] Entnommen aus: Harms, a.a.O., S. 229 ff.
[82]
Benjamin Franklin hat den Blitzableiter erfunden.
Anm. d. Hrsg.
[83]
Eine Auffassung, die Matthias Knutzen, in
Freigeist, im 17. Jahrhundert aufbrachte, der sich gegen das biblische
Christentum stellte und sich allein auf Gewissen und Vernunft berief. Ob er,
wie er behauptete, überhaupt Anhänger hatte, ist zweifelhaft. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Gewissener ; Anm. d. Hrsg.
[84]
Eine Auffassung, dass die Welt allein von der
Natur bestimmt sei, auch der Geist Teil der physischen Natur sei, also
letztlich eine materialistische Auffassung. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Naturalismus_(Philosophie) ; Anm. d. Hrsg.
[85]
Eine antitrinitarische, rationalistische Sekte
der Reformationszeit, die vor allem in Osteuropa Anhänger gewann. Anm. d. Hrsg.
[86]
Nach einem Priester des 3. Jahrhunderts,
Sabellius, benannte Irrlehre im Blick auf die Trinität, die in Vater und Sohn
(vom Heiligen Geist war nicht die Rede) nur verschiedene heilgeschichtlich
aufeinanderfolgende Erscheinungsweisen (modi = Modalismus) des einen Gottes
sah. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Sabellius ; Anm. d. Hrsg.
[87]
Nach dem irischen Mönch Pelagius benannte
Irrlehre. Er behauptete, dass der Mensch nicht durch und durch Sünder sei,
sondern einen freien Willen habe, nach dem er sich für oder gegen Gott, für
oder gegen den Dienst für Gott entscheiden und so durch seine Werke selbst zu
seiner Erlösung beitragen könne. Von Augustinus scharf bekämpft (s. Synode von
Arausio (Orange)). Der römische und der östliche Katholizismus sind Formen des
Semipelagianismus, d.h. sie behaupten eine Mitwirkung des Menschen an seiner
endgültigen Erlösung, also daran, dass er schließlich in den Himmel kommt. Anm.
d. Hrsg.
[88]
Synergismus meint „Mitarbeit“, nämlich Mitarbeit
des Menschen an seiner Bekehrung, Wiedergeburt. Die von Wesley, Finney, Moody,
Graham und vielen modernen Evangelikalen propagierte „Entscheidungstheologie“
ist eine Form des Synergismus. Auch der spätere Melanchthon hat synergistische
Auffassungen vertreten, die der biblischen Lehre widersprechen, dass die
Wiedergeburt, Bekehrung allein Gottes Werk durch das Evangelium ist
(Monergismus). Anm. d. Hrsg.
[89]
Kryptocalvinisten wurden die „heimlichen“
Calvinisten genannt, vor allem in Sachsen in der Zeit um die Konkordienformel.
Sie versuchten unter dem Deckmantel des Luthertums calvinistische Auffassungen,
vor allem in der Abendmahlslehre, einzubringen und so tatsächlich die Kirche
zum Calvinismus zu bringen. Anm. d. Hrsg.
[90]
Begriff für die Wiedertäufer bzw. Großtäufer in
der Reformationszeit. Anm. d. Hrsg.
[91]
Als Synkretismus wurde die Lehre von Calixt
bezeichnet, der versuchte, die verschiedenen christlichen Konfessionen zu
vermischen, indem er, ganz ähnlich den Anglikanern, als Grundlage der Lehre
nicht nur die Heilige Schrift nahm, sondern auch die ersten sieben Konzile der
frühen Kirche. Er wurde entschieden von Abraham Calov und anderen treuen
Lutheranern bekämpft. Anm. d. Hrsg.
[92]
Das Wort bezieht sich auf das Augsburger und
Leipziger Interim. Nach dem Sieg im Schmalkaldischen Krieg versuchte Kaiser
Karl V., die Lutheraner schrittweise wieder in die römische Kirche
zurückzuführen. Das Augsburger Interim war ein erster Schritt. Es setzte
faktisch die falsche römische (semipelagianische) Lehre in der Rechtfertigung
durch und forderte die Übernahme einer Reihe von römischen Festen und Ritualen.
Melanchthon versuchte mit dem Leipziger Interim eine abgeschwächte,
modifizierte Form des Augsburger Interims in den lutherischen Kirchen
durchzusetzen. Dagegen standen die treuen Lutheraner (Gnesiolutheraner) um
Amsdorf, Flacius, Osiander, Chemnitz, die bezeugten, dass in Zeiten der
Verfolgung und Bedrängnis auch in sogenannten Mitteldingen (wie z.B. Festen, Ritualen),
um des Bekenntnisses und klaren Zeugnisses willen keine Kompromisse eingegangen
werden dürfen. (So dann auch in Artikel X der Konkordienformel.) Anm. d. Hrsg.
[93]
Eine durch Thomas Pöschl Anfang des 19.
Jahrhunderts aufgekommene chiliastische Sekte mit Neuoffenbarungen (Visionen),
die einen baldigen Weltuntergang erwartete und ihn durch Menschenopfer abwenden
wollte. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/P%C3%B6schlianer ; Anm. d. Hrsg.
[94]
D.i. Bekenntnisschriften der
evangelisch-lutherischen Kirche. Anm. d. Hrsg.
[95] den ursprünglichen Text berichtigen. Anm. d. Hrsg.
[96]
plündern. Anm. d. Hrsg.
[97]
Vergleichbar heute den Kirchenleitungen mit
Synoden, Kirchenräten, Pröpsten, Dekanen, Superintendenten, Bischöfen. Anm. d.
Hrsg.
[98]
Hermann Tast (1490-1551) war einer der
Reformatoren von Husum und später einer der Pröpste in Schleswig-Holstein. Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Tast ; Anm. d. Hrsg.
[99]
Verbindung, im Allgemeinen für Heirat; gemeint
ist hier die Union mit den Reformierten, wie sie damals in Anhalt, Baden,
Nassau, der Pfalz, Preußen eingeführt wurde. Anm. d. Hrsg.
[100]
Valentin Ernst Löscher (1673-1749), bedeutender
Vertreter der lutherischen Spätorthodoxie; sammelte unter anderem Dokumente der
Reformationsgeschichte, worauf Claus Harms in dieser These sich bezieht. Anm.
d. Hrsg.
[101]
Diese These passt sehr genau auch zu den
Arnoldshainer Thesen zur Abendmahlsgemeinschaft zwischen Lutheranern und
Reformierten und zur Leuenberger Konkordie, durch die angeblich die wichtigsten
Unterschiede beseitigt seien, die jeweiligen Bekenntnisse aber noch gelten
würden, ihre Verwerfungen aber die heutigen Vertreter der Kirchen nicht mehr
träfen. Anm. d. Hrsg.
[102]
Das stand in Verbindung mit dem Genfer Réveil,
einer geistlichen Erweckungsbewegung in der französischen Westschweiz, zu deren
Aufbruch Robert Haldane und Henry Drummond beigetragen hatten, und die zu einer
Rückbesinnung auf das reformierte Bekenntnis führte, seit 1817 zu einem
entschiedenen Kampf mit der liberalen Staatskirche und schließlich zur Gründung
einer Freien Kirche. Bedeutende Männer des Réveil waren u.a. Ami Bost, Antoine
Jean-Louis Galland, Louis Gaussen, César Malan, Jean-Henry Merle d’Aubigné,
Adolphe Monod. Anm. d. Hrsg.
[103]
Custodes = Wächter. (gemeint sind hier solche,
die über die rechte biblische Lehre wachen, s. Apg. 20,28 f.) Anm. d. Hrsg.