Objektive Rechtfertigung


Objektive Rechtfertigung

Anmerkungen zu den Auseinandersetzungen über die allgemeine oder grundsätzliche Rechtfertigung oder Versöhnung

    Seit dem 19. Jahrhundert ist es besonders unter den lutherischen Kirchengemeinschaften Nordamerikas immer wieder zu Auseinandersetzungen über diejenigen Heilstatsachen gekommen, die theologisch auch mit den Begriffen „allgemeine Rechtfertigung“ oder „universelle Rechtfertigung“ bezeichnet werden. Besonders der Gnadenwahlstreit und der Streit um die Bekehrung waren davon gekennzeichnet. In jüngster Zeit hat diese Auseinandersetzung neue zusätzliche Akzente bekommen durch die falschen Lehren, die durch Walter A. Maier III in Fort Wayne und die Kokomo-Thesen innerhalb der Wisconsin-Synode verbreitet wurden und die Antworten, die, etwa durch den unabhängigen Pastor Gregory Jackson, darauf gegeben wurden. Die folgenden Anmerkungen beziehen sich hauptsächlich auf das Buch des Letztgenannten, „Thy Strong Word“, in dem er einen breiten Abschnitt diesem Thema widmet. (Es ist dabei zu bedenken, dass P. Jackson seinen theologi-schen Hintergrund, soweit er lutherisch ist, ursprünglich gerade in denjenigen Synoden hatte (ULC), die Gegner Missouris in den Kämpfen des 19. Jahrhunderts waren.)

I. Was lehren die evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften?

    Dieser Abschnitt ist daher besonders wichtig, weil P. Jackson, ähnlich wie andere Gegner der biblisch-lu-therischen, von Alt-Missouri vertretenen, Lehre behaupten, dass die lutherischen Bekenntnisschriften die Lehre von der objektiven Rechtfertigung gar nicht kennen würden, es sich dabei vielmehr um eine erst im 19. Jahrhundert aufgekommene, durch Walther, Pieper und Stöckhardt geförderte neue Lehre handele. Was den theologischen Begriff der ‚allgemeinen Rechtfertigung’ angeht, so ist dies sicher richtig. Anders aber ist es mit dem Faktum selbst.

    Gott bietet den Sündern Vergebung an: „Diese Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ist ohne Gesetz offenbart“, das ist, umsonst wird Vergebung der Sünden angeboten. (Apol. IV,42; Trigl. 132) – Wenn sie aber angeboten wird, dann muß sie auch vorhanden sein, das ist: Christus hat für alle Menschen die Vergebung der Sünden, und das ist gleichbedeutend mit dem Freispruch im Jüngsten Gericht, erworben. Aber der einzelne Mensch hat dies damit noch nicht. Gott sieht ihn – IN CHRISTUS – in Gnaden an: Aber wenn er nicht an Christus glaubt, also gar nicht in Christus ist, so bleibt der Zorn Gottes über diesem Menschen, Joh. 3,36. Darum heißt es richtig weiter: ... welche Zusage niemand mit Werken fassen kann, sondern allein durch den Glauben an Christus. (Apol. IV, 44; Trigl. 132) Nur der Glaube faßt also die Verheißung und Zusage in Christus, nämlich dass Christus für ihn die Vergebung der Sünden erlangt hat (die also schon da ist), die uns Menschen nun durch Wort, Taufe und Abendmahl dargereicht wird. Aber die göttliche Zusage, die bietet uns an, als denjeni-gen, die von der Sünde und Tod überwältigt sind, Hilfe, Gnade und Versöhnung um Christi willen, welche Gnade niemand mit Werken fassen kann, sondern allein durch den Glauben an Christus. Derselbe Glaube bringt noch schenkt Gott dem Herrn kein Werk, kein eigen Verdienst, sondern baut bloß auf lauter Gnade und weiß sich nichts zu trösten noch zu verlassen als allein auf Barmherzigkeit, die verheißen ist in Christus. (Apol. IV, 44.45; Trigl. 132) (Diese Aussage über den rettenden Glauben ist sehr wichtig, da die Gegner der allgemeinen Rechtfertigung zwar eine allgemeine Versöhnung lehren, aber in dem Sinne, als gebe diese Gott nur die Möglichkeit, den Menschen die Sünden zu vergeben (d.i. auf Golgatha hätte nicht schon die Verge-bung stattgefunden), aber der Glaube (der damit praktisch zur sittlichen Tat des Menschen wird) sei die vom Menschen zu leistende Vorbedingung dafür. Das aber ist nur eine andere Form des Synergismus, der Selbster-lösung.) Diese Vergebung der Sünden also erlangt der Glaube allein aus Gnaden.

    Schon dieser Abschnitt macht deutlich: Nicht der Glaube wirkt oder verdient etwas (denn das wäre die Kon-sequenz daraus, wenn man sagt, Vergebung der Sünden, Freispruch im Jüngsten Gericht in Christus (denn nichts anderes wird auch in der allgemeinen Absolution Röm. 4,25 oder der objektiven Rechtfertigung ausge-drückt) sei noch nicht vorhanden, sondern käme erst durch den Glauben), sondern er ergreift oder empfängt etwas, eben das Heil in Christus. Das ist allerdings etwas völlig anderes als ein bloß äußerliches darüber informiert sein oder bloß äußerliches Wissen, es ist vielmehr ein die ganze Person umgreifendes Erkennen: Ich elender, verlorener Sünder habe in dem lebendigen Gott Jesus Christus Heil und Erlösung – und darauf traut der Glaube. (Es ist also unabdingbar, dass dem rettenden Glauben durch das Evangelium die Arbeit des Geset-zes voran geht, die zur Erweckung, Sündenerkenntnis, Reue, Buße, Zerknirschung, also einem geängsteten und zerschlagenen Herzen, Ps. 51, führt; ohne das gibt es für den im Bewusstsein stehenden Menschen keinen rettenden Glauben.)

    Daß dem Glauben, der geweckt und dann gestärkt werden soll, das Heil dargereicht wird (und nicht der Glaube es erst bewirkt: es geht also gerade auch darum, was der Glaube in der Rechtfertigung ist: ist er rein instrumental, Nehmehand, oder ist er wirkende Ursache), bezeugt auch Par. 53: Derhalben, sooft wir reden von dem Glauben, der gerecht macht, oder fide iustificante, so sind allezeit diese drei Stücke oder obiecta beieinander: erstlich, die göttliche Verheißung, zum andern, dass dieselbe umsonst, ohne Verdienst, Gnade anbietet, für das dritte, dass Christi Blut und Verdienst der Schatz ist, durch welchen die Sünde bezahlt ist. Die Verheißung wird durch den Glauben empfangen; dass sie aber ohne Verdienst Gnade anbietet, da geht alle unsere Würdigkeit und Verdienst unter und zu Boden und wird gepriesen die Gnade und große Barmherzig-keit. (Apol. IV, 53; Trigl. 134.136) Es gehören also zusammen: die göttliche Verheißung, die die Gnade uns anbietet, und Christi Blut als der Schatz, durch den für die Sünde bezahlt IST. Und diese Tatsache, dass auf Golgatha ein volles Lösegeld ein für allemal bezahlt wurde, diese Tatsache ergreift der Sünder als ihm zugehörig – und das ist der rettende Glaube. Allgemeine Rechtfertigung meint ja nichts anderes als dies, dass auf Golgatha für alle Sünder aller Zeiten die Sünden bezahlt, die Genugtuung geleistet wurde durch Christus und Gott in der Auferweckung Christi das versiegelt, bekräftigt, bestätigt hat, eben dass Christus für alle Sün-der die Absolution, Vergebung der Sünden, den Freispruch im Jüngsten Gericht erworben hat – und das reicht Gott uns dar, eignet er zu durch die Gnadenmittel.

    Darum heißt es: Das Evangelium auch straft alle Menschen, dass sie in Sünden geboren seien, und dass sie alle schuldig des ewigen Zorns und Todes seien, und bietet ihnen an Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit durch Christus. Und dieselbe Vergebung, Versöhnung und Gerechtigkeit wird durch den Glauben empfangen. (Apol. IV, 62; Trigl. 138) Das Evangelium also bietet Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit durch Christus an: damit aber ist das alles ja bereits schon vorhanden, und der Glaube empfängt es (denn der Glaube muß ja allerdings einen Inhalt haben, etwas, woran er sich hält). Vor Gott gerecht sein heißt: Wir halten, die Widersacher müssen bekennen, dass vor allen Dingen zu der Rechtfertigung vonnöten sei Vergebung der Sünden. Darum so schließen wir nun also: Vergebung der Sünden erlangen und haben, dasselbe heißt vor Gott gerecht und fromm werden, wie der 32. Psalm sagt: „Wohl dem, dem die Übertretung vergeben ist.“ Allein aber durch den Glauben an Christus, nicht durch die Liebe, nicht um der Liebe oder Werke willen, erlangen wir Vergebung der Sünden, wiewohl die Liebe folgt, wo der Glaube ist. (Apol. IV, 75.76; Trigl. 142) Diese beiden Dinge gehören also zusammen, um gerettet zu sein: Vergebung der Sünden haben – und diese Verge-bung erlangt allein der Glaube. So falsch es also ist (Kokomo), aus der objektiven Rechtfertigung oder den durch Christus auf Golgatha geschaffenen Tatsachen zu schließen, alle Menschen seien längst automatisch Heilige, bräuchten das Gericht nicht mehr zu fürchten und so die persönliche Aneignung des Heils im Glauben mit voraufgehender Buße und Bekehrung zu leugnen, so falsch ist es andererseits auch, aus der Tatsache, dass allein der Glaube das auch erlangt, was Christus ihm, dem Sünder erworben hat, zu schließen, das, was der Glaube erlangt sei vorher, vor dem Glauben, gar nicht vorhanden. Objektive und subjektive Rechtfertigung, Christi Erlösungswerk und der persönliche Glaube gehören zusammen, wenn es um das Heil des Menschen geht. Denn: wir haben das, was Christus uns erworben hat, nur in Christus. Ohne das, ohne den Glauben, bleibt der Zorn Gottes über uns, Joh. 3,36.

    Im Par. 82 heißt es daher: Zum andern ist’s gewiß, dass die Sünden vergeben werden um des Versöhners Christus willen, Röm. 3,25: „Welchen Gott dargestellet hat zu einem Gnadenstuhl“ oder zu einem Versöhner, und setzt klar dazu: „durch den Glauben“. So wird uns der Versöhner nun also nütz, wenn wir durch den Glauben fassen das Wort, dadurch verheißen wird Barmherzigkeit, und dieselbe halten gegen Gottes Zorn und Urteil. (Apol. IV, 82; Trigl. 144) Der Glaube faßt also das Wort, das die – damit schon vorhandene – Barm-herzigkeit verheißt; die Vergebung der Sünden wird um Christi willen verheißen – eben darum kann dann der Glaube sie fassen. Christus hat sie ja bereits erworben. Zum vierten, Vergebung der Sünden ist verheißen um Christi willen. Darum kann sie niemand erlangen als allein durch den Glauben. (Apol. IV, 84; Trigl. 144)

    Die Bekenntnisschriften betonen zu recht immer wieder die enge Verknüpfung von objektiver und subjekti-ver Rechtfertigung – und es ist ein Zeichen des Niedergangs, wenn eine allversöhnerisch angekränkelte „Theologie“ diese Verknüpfung auflöst und zu so einer verheerenden Irrlehre wie Kokomo kommt (denn da stimmt nicht nur die Rechtfertigungslehre nicht mehr, sondern auch die Unterscheidung und rechte Anwen-dung von Gesetz und Evangelium fehlt). Darum heißt es: Das Gesetz kann niemand gerecht machen. Darum wird uns durch Christus Gerechtigkeit zugerechnet, wenn wir glauben, dass uns Gott durch ihn gnädig ist. (Apol. IV, 97; Trigl. 148) Das aber heißt auch: Die Gerechtigkeit für uns ist durch Christus schon vorhanden, sie entsteht nicht erst durch den Glauben. Das hebt auch Par. 103 hervor: ...; aber der Herr Christus ist ge-kommen und hat uns die Sünde, welche niemand konnte meiden, geschenkt und hat die Handschrift durch Vergießen seines Bluts ausgelöscht. (Apol. IV, 103; Trigl. 150) Das ist auf Golgatha geschehen. Und das wird dem Sünder angeboten, dargereicht, damit der Glaube geweckt wird.     

    Die Konkordienformel bekräftigt deshalb, dass Christus uns die Vergebung der Sünden und ewiges Leben verdient hat (und das ist ja nichts anderes, als was doch Worte wie Absolution in Christus, Freispruch in Christus, gerechtfertigt in Christus ausdrücken) – und das ergreift dann der Glaube. Wir glauben, lehren und bekennen, dass allein der Glaube das Mittel und das Werkzeug sei, damit wir Christus und also in Christus solche Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ergreifen, um welches willen uns solcher Glaube zur Gerechtigkeit zu-gerechnet wird, Röm. 4. (FC, Epit., III,3; Trigl. 792) Das heißt: Nur der Sünder hat das, was ihm dargereicht wird, wirklich, der es im Glauben ergreift. Darum heißt es weiter: Gott rechnet uns Christi Gehorsam und Ge-rechtigkeit zu; oder: Allein der Glaube ist das Mittel, diese Gerechtigkeit zu ergreifen. (FC, Epit., III, 4,5; Trigl. 792) Das ist also damit gemeint, wenn es heißt, dass uns der Glaube gerechnet wird zur Gerechtigkeit.

    Alles andere wäre eine Entleerung des Evangeliums, das uns FC, Epit., V, 5 so beschrieben wird: Christus hat für alle Sünden gebüßt und bezahlt, hat ohne unser Verdienst erlangt und erworben Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, ewiges Leben (und nichts anderes wird beschrieben mit dem Begriff „objektive Rechtferti-gung“). Das Evangelium aber sei eigentlich eine solche Lehre, die da lehrt, was der Mensch glauben soll, der das Gesetz nicht gehalten hat und durch dasselbe verdammt wird, nämlich dass Christus alle Sünden gebüßt und bezahlt und ihm ohne all sein Verdienst erlangt und erworben habe Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und das ewige Leben. (FC, Epit., V, 4; Trigl. 800.801) Alle diese Gaben sind also da, Christus hat sie längst auf Golgatha erworben – aber der Glaube muß sie ergreifen, damit der Sünder all das auch tatsächlich hat. Darum heißt es in der Ausführlichen Darlegung, dass Christi (geschehener) Gehorsam dem Glauben zugerechnet wird, bzw. dass der Glaube die ihm in der Verheißung vorgetragenen (also vorhan-denen) Güter ergreift. ... dass also die Gerechtigkeit des Glaubens sei Vergebung der Sünden, Versöhnung mit Gott, und dass wir zu Kindern Gottes angenommen werden um des einigen Gehorsams Christi willen, welcher allein durch den Glauben, aus lauter Gnade, allen wahrhaft Gläubigen zur Gerechtigkeit zugerechnet wird, und sie um desselben willen von all ihrer Ungerechtigkeit absolviert werden.... Welche Güter uns in der Ver-heißung des heiligen Evangeliums durch den Heiligen Geist vorgetragen werden, und ist allein der Glaube das einige Mittel, dadurch wir sie ergreifen, annehmen und uns applizieren und zueignen; welcher ist eine Gabe Gottes, dadurch wir Christus, unsern Erlöser, im Wort des Evangeliums recht erkennen und auch ihn ver-trauen, dass wir allein um seines Gehorsams willen, aus Gnaden, Vergebung der Sünden haben, für fromm und gerecht von Gott dem Vater gehalten und ewig selig werden. (FC, SD, III, 4,10; Trigl. 916.918) Im Par. 13 heißt es daher: Der Glaube macht gerecht, weil er das Verdienst Christi ergreift. Die Gerechtigkeit, die zuge-rechnet wird (und daher ja schon vorhanden ist), ist Christi Gehorsam, Leiden, Sterben, Auferstehung – nicht unser Glaube! (Dies muß unbedingt festgehalten werden. Der Begriff der ‚objektiven Rechtfertigung’ dient gerade auch dazu herauszuheben, dass die Gerechtigkeit, die den Gläubigen zugerechnet wird, eine fremde ist, die außerhalb von uns vorhanden ist, nicht eine durch den Glauben erst bewirkte. Das droht aber bei der Richtung, die P. Jackson propagiert, zumindest verdunkelt zu werden, da er letztlich den Glauben zu bewir-kenden Ursache der Gerechtigkeit macht.) In Par. 16 heißt es daher, dass diese Gerechtigkeit uns im Evange-lium und den Sakramenten vorgetragen und durch den Glauben zugeeignet wird. Wodurch wir Vergebung der Sünden haben. Solche Gerechtigkeit wird durchs Evangelium und in den Sakramenten von dem Heiligen Geist uns vorgetragen und durch den Glauben appliziert, zugeeignet und angenommen, daher die Gläubigen haben Versöhnung mit Gott, Vergebung der Sünden, Gottes Gnade, die Kindschaft und Erbschaft des ewigen Lebens. (FC, SD, III,16; Trigl. 920) In Par. 30 wird es so dargestellt: Die Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott besteht in gnädiger Versöhnung und Vergebung der Sünden, um Christi willen geschehen, im Evangelium verheißen, im Glauben empfangen. Auch hiernach muß diese Gerechtigkeit also schon vorhanden sein, weil Christus sie ja erworben hat, sonst könnte sie nicht im Evangelium verheißen werden. Der Glaube, so wird es dargestellt, verlässt sich auf Christi vollkommenen Gehorsam, der uns zur Gerechtigkeit zugerechnet wird. Also auch ver-läßt sich der Glaube in der Rechtfertigung vor Gott weder auf die Reue noch auf die Liebe oder andere Tugen-den, sondern allein auf Christus und in demselben auf seinen vollkommenen Gehorsam, damit er für uns das Gesetz erfüllt hat, welcher den Gläubigen zur Gerechtigkeit gerechnet wird. (FC, SD, III, 30; Trigl. 924)

    Im fünften Artikel der Konkordienformel wird der Inhalt des Evangeliums so beschrieben: Christus hat den Fluch auf sich genommen, hat alle unsere Sünden bezahlt und gebüßt; durch ihn allein kommen wir bei Gott zu Gnaden und erlangen die Vergebung der Sünden durch den Glauben. (Das Evangelium beschreibt also ge-nau das, was Christus uns erworben hat und anbietet – und das nennen wir objektive Rechtfertigung – damit wir es durch den Glauben erlangen; das Evangelium reicht es dar – und der Glaube ergreift und hat es.) s. FC, SD, V, 20; Trigl. 956.958.

    Im Blick auf die Gnadenwahl heißt es im elften Artikel im Bezug auf Röm. 8; Eph. 1; Matth. 22: Das gan-ze menschliche Geschlecht ist erlöst und versöhnt mit Gott durch Christus, der also allen Gerechtigkeit, ewi-ges Leben verdient hat. (Und genau das ist es ja, was der Begriff ‚objektive Rechtfertigung’ umschreibt, eben das, was Christus für jeden erworben hat, was aber der Einzelne allein durch den Glauben hat. 1. Daß wahr-haftig das menschliche Geschlecht erlöst und mit Gott versöhnt sei durch Christus, der uns mit seinem unschul-digen Gehorsam, Leiden und Sterben Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und das ewige Leben verdient habe. 2. Daß solch Verdienst und Wohltaten Christi durch sein Wort und Sakrament uns sollen vorgetragen, darge-reicht und ausgeteilt werden. (FC, SD, XI, 15,16; Trigl. 1068) Und das, was Christus uns erworben hat, was also da ist, dieses Verdienst bieten und Wort und Sakrament an. Persönlich gerecht erklärt (subjektive Recht-fertigung) wird aber nur der, zur Kindschaft Gottes und Erbe angenommen wird nur der, der in wahrer Buße durch rechten Glauben Christus annimmt, Par. 18. Beides gehört unbedingt zusammen: die von Christus er-worbenen Heilstatsachen und der rettende Glauben, der sie ergreift. Die Verheißung des Evangeliums ist uni-versal, Luk. 24; Joh. 3;1;6; 1 Joh. 1; Röm. 11 – aber nur der hat sie, der sie in Buße durch den Glauben er-greift. Derhaben, wenn wir unsere ewige Wahl zur Seligkeit nützlich betrachten wollen, müssen wir in allen Wegen steif und fest darüber halten, dass, wie die Predigt der Buße, also auch die Verheißung des Evangeli-ums universalis sei, das ist, über alle Menschen gehe, Luk. 24. Darum Christus befohlen hat zu predigen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Denn Gott hat die Welt geliebet und der-selben seinen Sohn gegeben, Joh. 3. Christus hat der Welt Sünde getragen, Joh. 1; sein Fleisch gegeben für der Welt Leben, Joh. 6; sein Blut ist die Versöhnung für der ganzen Welt Sünde, 1 Joh. 2. (FC, SD, XI, 28; Trigl. 1070)

II. Was ist Pastor Gregory Jackson zu entgegnen?

    Die Standardbehauptung von P. Jackson ist (S. 253 f), Missouri und andere, die ihm darin folgen, würden zwar die Rechtfertigung lehren, aber eine zweifache, eine mit und eine ohne Glauben. Damit aber zerreißt P. Jackson tatsächlich objektive und subjektive Rechtfertigung, die beide zusammengehören, wobei die erstere die Grundlage der letzteren ist. Jacksons Haltung hat im Hintergrund, dass er Rechtfertigung und Versöhnung zer-reißt, ohne eingehend zu beschreiben, was „Versöhnung“ dann eigentlich beinhaltet. Da, wo er es tatsächlich etwas näher beschreibt, was er mit Versöhnung bzw. Erlösung meint (die er beide der Rechtfertigung entge-gensetzt), so heißt es: „paying the price for our sins, setting us free from our sins“ (S. 314). Die Frage ist dann nur: Wenn Christus den Preis für unsere Sünden bezahlt hat, wenn er uns befreit hat von der Sünden-macht – warum soll das nicht Vergebung, Lossprechung, Freispruch sein, was damit erworben wurde, obwohl doch versöhnen Vergebung und Rechtfertigung mit einschließt? Das ist es genau, was die ‚objektive Rechtfertigung’ dann lehrt. Oder will P. Jackson tatsächlich lehren, dass „versöhnen“ nur soviel heißen soll wie ‚Gott sei es jetzt möglich, der Welt die Sünden zu vergeben, es müsse aber der Glaube als eine sittliche Tat des Menschen hinzukommen, erst dann vergebe Gott die Sünden’? Dann wäre ja die Vergebung tatsächlich nicht mehr von Christus allein abhängig, nicht mehr an ihn allein gebunden, sondern auch an den Glauben, der dann nicht allein Nehmehand wäre, sondern eine bewirkende Ursache.

    Es ist eine durch die Tatsachen widerlegte Unterstellung, wenn er behauptet, Missouri habe durch die Lehre von der objektiven Rechtfertigung Gesetz und Glaube geleugnet (S. 311) – allein die Predigten C.F.W. Wal-thers zeigen schon das Gegenteil. Nie ist, gegen die Darstellungen S. 312 f., behauptet worden, dass es Verge-bung ohne Wort und Sakrament, ohne Glauben gebe.

    P. Jackson lässt völlig außer acht, dass ja durch die wirkkräftigen Gnadenmittel etwas dargereicht wird, das dann der Glaube ergreift – eben die objektiven Heilstatsachen, die Christus auf Golgatha für alle Menschen verdient hat und die nun durch Wort und Sakrament dargeboten werden, eben, damit der Glaube sie ergreift, da sie niemand hat ohne den Glauben, Joh. 3,36.

    Die Fragen, die P. Jackson zu stellen sind, lauten neben der obigen: Was reicht er in Wort und Sakrament tatsächlich dem Sünder dar? Was versteht er unter der Absolution? Gibt es dann nach seiner Meinung einen Fehlschlüssel? Ist die Rechtfertigung (objektiv) ein Faktum, das Christus auf Golgatha erworben hat für uns (was wir auch mit den Begriffen ‚Erlösung’, ‚Versöhnung’ umschreiben können) und was er dem Sünder dar-reicht, damit dieser es im Glauben ergreift, und dadurch, in Christus, daran Teil hat, subjektiv gerechtfertigt ist? Oder ist für ihn Rechtfertigung ein Geschehen, das allein in der Verkündigung geschieht (Kerygmatheolo-gie)? Welche Stellung kommt dem Glauben in der Rechtfertigung zu: macht er die Rechtfertigung (ist also be-wirkende Ursache) oder empfängt er die Rechtfertigung (ist instrumental)?

    Wenn P. Jackson behauptet, die objektive Rechtfertigung sei im Konkordienbuch nicht zu finden (S. 253 f), so mag das im Blick auf den Begriff ja stimmen, hinsichtlich der tatsächlichen Lehre aber zeigen die oben angeführten Stellen das genaue Gegenteil. Es ist völlig irrig, wenn P. Jackson die Kokomo-Irrlehre auf Walther, Pieper und Stöckhardt zurückführen will (und sich selbst auf die Seite aller Gegner des alten Missou-ri stellt): Denn die Kokomo-Irrlehre ist gekennzeichnet von fehlender Unterscheidung von Gesetz und Evange-lium und dem daher auch völlig missachteten und somit fehlenden Zusammenhang zwischen objektiver und subjektiver Rechtfertigung, von Buße, Bekehrung und Glaube. Niemals ist auf dem Hintergrund der Lehre von der objektiven Rechtfertigung vom alten Missouri gelehrt worden, dass sie, die objektive Rechtfertigung, aus-reiche zur Seligkeit, dass Buße, Bekehrung und Glaube nicht mehr nötig seien, dass vielmehr alle Menschen schon Heilige seien, sie wüssten es nur nicht. Im Gegenteil: Stets ist mit Ernst und Entschiedenheit betont worden, dass Christus durch seinen Tod und Auferstehung allerdings den Freispruch, die Vergebung der Sünden, Gottes Versöhnung für jeden Menschen erworben hat (s.a. 2 Kor. 5,16-21; Röm. 4,25; 5,6.8.10), dass aber allein der das hat, der in Christus ist, d.h. dass wir diese Güter allein in Christus haben, eben durch Buße im Glauben. Beides ist unbedingt notwendig zu lehren, damit die biblische Rechtfertigungslehre rein bleibt: die objektive Rechtfertigung, damit jeglicher Synergismus ausgeschlossen wird (die Gegner Missouris, denen P. Jackson die Stange hält, wie Prof. Schmidt und Fritschel, waren Synergisten) und die von Gott uns geschenkten und dargereichten Heilstatsachen rein und hell bleiben; die subjektive Rechtfertigung, eben damit es nicht zu Antinomismus und Allversöhnung kommt.

    Die Definition, die P. Jackson S. 258 gibt: “The conversion of the unbeliever into a new creation who is declared forgiven – that is justification by faith.” ist zumindest zweideutig. Man kann sie recht verstehen, wenn damit die Notwendigkeit betont werden soll, daß der persönliche Glaube ergreift, was Gott darreicht – aber was reicht er denn, die Frage ist P. Jackson zu stellen, was reicht er denn dar? Aber die große Gefahr ist, dass die Rechtfertigung hier an menschliche Voraussetzungen geknüpft wird, nämlich Bekehrung und Glaube.

    Die Interpretation der zentralen Stelle 2 Kor. 5,18.19 – „nicht zurechnen der Sünde“ – zeigt eine falsche Hermeneutik, denn die klare Aussage dieser Stelle sucht P. Jackson zu relativieren (S. 259) durch das Hinzu-ziehen von Stellen, in denen es gerade nicht um das geht, was Christus uns erworben hat, sondern dass wir es im Glauben zu ergreifen haben. Damit will er 2 Kor. 5 uminterpretieren. Ebenso verdreht und verdunkelt er S. 260 auch Röm. 4,25, denn es steht eben nicht dort „and was raised to justify believers“. (Die angeführte Stelle aus Apol. III nimmt gar keinen Bezug auf Röm. 4,25.) Dieser Ausdruck bei P. Jackson offenbart eine ganz gefährliche Tendenz, die sehr an die Gegner des alten Missouri im Gnadenwahlstreit erinnert: Der Glau-be wird hier zur Voraussetzung der Rechtfertigung gemacht (so, wie er damals zur Voraussetzung der Erwäh-lung gemacht wurde) und nicht in die Rechtfertigung hinein gestellt, nämlich als die Hand, die die Heilstatsa-chen ergreift – und als Frucht, nämlich geweckt durch das eben diese Heilstatsachen verkündigende, darrei-chende Evangelium.

    P. Jacksons Lehre ist einseitig, nur auf die subjektive Seite bezogen. (So paradox es scheinen mag, aber Jacksons Lehre trägt so geradezu pietistische Züge.)

    Im Zusammenhang mit seinen Aussagen zu 2 Kor. 5,20.21 (S. 262) verstärkt sich der Eindruck, dass Gregory Jackson nicht erkannt hat, wie das Evangelium (Christi Verdienst) und der Glaube, der es ergreift, zusammengehören und dass nur so der Einzelne das erlangt, was ihm gehören soll. Wenn er schreibt: „The righteousness is entirely God’s work and takes effect in individuals through the Means of Grace, the word of reconciliation”, dann übersieht er, daß diese Gerechtigkeit, um die es hier doch geht, die uns zugesprochen wird, eine fremde, Christi Gerechtigkeit ist, und nicht unsere eigene. Es ist diese fremde Gerechtigkeit, die der Glaube ergreift, die das Evangelium ihm anbietet. Jacksons Auffassung trägt die Gefahr in sich, dass diese biblische Grundlehre – dass wir freigesprochen werden aufgrund einer fremden, nicht einer eigenen Gerech-tigkeit – verloren geht, da sie, Jacksons Auffassung, sehr stark den Eindruck erweckt, als sei Rechtfertigung etwas, das dem zugesprochen wird, der eigene Voraussetzungen (Glauben) dafür hat. Gott aber reicht dem Gottlosen eine fremde Gerechtigkeit – Christi Gerechtigkeit – dar, dass er sie im Glauben als für sich ausrei-chend ergreift – und damit den Freispruch ergreift, der mit Christi Gerechtigkeit verbunden ist. (Jacksons „Kommentare“ zu den Bibelstellen sind auch in sofern einseitig, als er Zitate fast ausschließlich von Lenski bringt, einem erklärten Gegner der objektiven Rechtfertigung.)

    Objektive Rechtfertigung – aber das scheint Jackson nicht verstanden zu haben, da er alles nur von der Auseinandersetzung um ‚Kokomo’ sieht (S. 263) – heißt nicht: Es ist alles schon in Ordnung; sondern sie be-schreibt, was Christus für jeden Menschen erworben hat, damit der Mensch es im Glauben ergreife (so auch schon Lazarus Spengler in seinem Lied: ‚Durch Adams Fall ist ganz verderbt’).

    Die Frage bleibt letztlich offen, was P. Jackson, S. 263 ff., unter ‚Versöhnung’ wirklich versteht, wenn es nicht Freispruch, Vergebung sein soll. Wenn er S. 264 sagt, Versöhnung sei Gottes Werk in Christus und der Inhalt der Verkündigung, so ist das alles richtig – aber was beinhaltet die Versöhnung? Es ist richtig, dass al-lein der Glaubende die Rechtfertigung auch hat, als persönliches Haben – aber der Glaube macht nicht die Rechtfertigung, er empfängt sie nur. Rechtfertigung als „Vergebungserklärung“ an den Glaubenden, das ist zu kurz gegriffen und ist recht eigentlich Synergismus und so ein Widerspruch in sich. Denn was ist denn der In-halt des Glaubens? Gewiß, es ist der Glaube an Jesus Christus als dem Erlöser, der den Urteilsspruch erhält; der Glaube an Christi Gerechtigkeit für uns wird zur Gerechtigkeit gerechnet – aber es ist doch der Glaube, der sich hängt an Jesu rettendes Werk, aufgrund dessen die Erlösung, Vergebung der Sünden um Christi will-len angeboten wird. P. Jackson macht letztlich den gleichen Fehler wie Kokomo: Er reißt das objektive Han-deln Gottes und die subjektive Aneignung dieser von Gott gesetzten Tatsachen auseinander. Die objektive Rechtfertigung erklärt nicht, wie S. 270 f. behauptet, Sünder einfach zu Heiligen, sondern sie ist die Prokla-mation der Erlösung, Vergebung, des Freispruches in Christus., damit es der Glaube ergreift.