Der Brief des Apostels Paulus an Philemon

 

 

Luthers Vorrede auf die Epistel St. Pauli an Philemon                                                             

Einleitung                                            

Auslegung                                           

Sklaverei                                             

 

 

Luthers Vorrede auf die Epistel St. Pauli an Philemon

1522A

 

    1. Diese Epistel zeigt ein meisterliches, liebliches Beispiel christlicher Liebe. Denn da sehen wir, wie St. Paulus sich des armen Onesimus annimmt und ihn gegen seinen Herrn vertritt mit allem, das er vermag, und stellt sich nicht anders, als sei er selbst Onesimus, der sich versündigt habe.

    2. Doch tut er das nicht mit Gewalt oder Zwang, ob er wohl Recht hätte, sondern entäußert sich seines Rechts, damit er zwingt, dass Philemon sich seines Rechts auch entledigen muss. Eben wie uns Christus getan hat gegen Gott dem Vater, so tut auch St. Paulus für Onesimus gegen Philemon. Denn Christus hat sich auch seines Rechtes entäußert und mit Liebe und Demut den Vater überwunden, dass er seinen Zorn und Recht hat müssen legen und uns zu Gnaden [an]nehmen, um Christi willen, der so ernst uns vertritt, und sich unser so herzlich annimmt. Denn wir sind alle seine Onesimi, so wir’s glauben.

 

 

EINLEITUNG

 

    Dieser Brief ist ein bemerkenswertes Beispiel für einen zärtlichen und taktvollen Fürbittbrief. Er ist an Philemon gerichtet, wahrscheinlich ein Bekehrter des Paulus, ein wohlhabender Bürger von Kolossä in Phrygien und ein führendes Mitglied der christlichen Gemeinde in dieser Stadt. VV. 1.2.5-7.19; Kol. 4,9.17. Er war nicht nur für seinen Glauben und seine Liebe bekannt, sondern hatte den Christen von Kolossä auch gerne sein Haus als Gottesdienstraum zur Verfügung gestellt, wie es bei den frühen Christen üblich war. Onesimus war ein Sklave, der Philemon gehörte und der, wahrscheinlich nach einem Diebstahl im Haus seines Herrn, aus Kolossä weggelaufen und nach Rom gegangen war. Hier wurde er durch eine glückliche Fügung unter den Einfluss des großen Apostels gebracht und bekehrte sich durch ihn, V. 10. „Er war dem alten Apostel, der immer noch gefangen war, sehr nützlich und diente ihm in den Banden des Evangeliums. Durch seine dankbaren und hingebungsvollen Dienste machte er sich bei Paulus sehr beliebt. Dieser schätzt ihn als einen geliebten Bruder, einen treuen und geliebten Bruder, V. 12. 16; Kol. 4. 9. Da er der rechtmäßige Sklave Philemons war, konnte Paulus nicht daran denken, ihn dauerhaft in seinem Dienst zu behalten. Er nutzte daher die Gelegenheit, die sich durch die Mission des Tychikus nach Kolossä, Kol. 4, 7, bot, um ihn zu seinem Herrn zurückzuschicken. Auf diese Weise stellt der Apostel den Grundsatz auf, dass das Evangelium menschliche Verordnungen, die an sich nicht gegen das Sittengesetz verstoßen, nicht außer Kraft setzt. Andererseits erinnert er Philemon daran, dass er seinen Sklaven Onesimus nun als Bruder in Christus anerkennen muss.“

    Praktisch der gesamte Brief handelt von dieser einen Angelegenheit. Nach der Eröffnungsrede und der Begrüßung bringt Paulus seine große Freude über Philemons Glauben und sein christliches Wirken zum Ausdruck. Dann nennt er den Gegenstand seines Briefes, nämlich die Aufforderung an den Adressaten, seinen entlaufenen Sklaven als Bruder in Christus und seinen lieben Freund anzunehmen. Persönliche Dinge, Grüße und der apostolische Segen schließen den Brief ab. Er wurde in Rom geschrieben, während der ersten Gefangenschaft des Apostels, wahrscheinlich im Jahr 62, und zur gleichen Zeit wie der Brief an die Kolosser, Kol. 4,7-14.

 

 

AUSLEGUNG

 

Anrede und Gruß (V. 1-3)

    1 Paulus, der Gebundene Christi Jesu, und Timotheus, der Bruder: Philemon, dem Lieben und unserem Gehilfen, 2 und Appia, der Lieben, und Archippus, unserem Streitgenossen, und der Gemeinde in deinem Haus. 3 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HERRN Jesus Christus!

 

    In diesem vertraulichen Brief hebt der Apostel nicht seinen apostolischen Auftrag hervor, der bei einem Mann, der die Autorität seines Lehrers anerkennt, nicht notwendig ist: ohne Vorbehalt. Stattdessen hebt er einen anderen Faktor hervor, nämlich den, dass er um des Evangeliums willen im Gefängnis saß: Paulus, ein Gefangener Jesu Christi, und sein Bruder Timotheus, der geliebte Philemon und unser Mitstreiter. Es war ein kostbares Vorrecht, das Paulus genoss, Fesseln und Ketten zu tragen um seines Herrn willen und im Namen des Evangeliums, das er so furchtlos verkündet hatte. Obwohl er ein Gefangener war, befand er sich doch in der Hand des erhabenen Christus, des Herrn seiner Kirche, weshalb er für sich selbst kein Übel zu befürchten brauchte, außer dem, das der Herr selbst zuließ. Er nennt Timotheus, wie im Brief an die Kolosser, nicht als Mitverfasser, sondern als seinen Mitarbeiter in dem großen Werk der Errettung der Seelen für Christus und als Bruder, sowohl im Glauben als auch im Werk der Errettung. Philemon spricht der Apostel als den Geliebten an, denn die gemeinsame Liebe in Christus Jesus verbindet sie in Banden von solcher Innigkeit, dass sie die engste irdische Beziehung an Stärke übertreffen. Paulus wendet sich an Philemon als Freund und zieht es vor, ihn in Liebe zu bitten, anstatt den erhabenen Ton eines Befehls zu benutzen. Und er zeichnet ihn besonders aus, indem er ihn als Mitarbeiter bezeichnet, eine Bezeichnung, die sonst vor allem den Verkündigern des Evangeliums vorbehalten ist, die aber auf Priscilla und Aquila angewandt wird, Röm. 16,3. Nicht nur, weil Philemon sein Haus zur Verfügung gestellt hatte, sondern auch, weil er auf andere Weise sein Interesse zeigte und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aktiv an der Verbreitung des Evangeliums mitwirkte, wurde er vom Apostel so geehrt. Die Arbeit der Kirche beschränkt sich nicht auf die Pastoren und Lehrer, sondern ist allen Christen anvertraut.

    Paulus schließt auch andere Mitglieder der kolossischen Gemeinde in seine Ansprache ein: Und an Apphia, unsere Schwester, und Archippus, unseren Mitsoldaten, und die Gemeinde in deinem Haus. Apphia, oder Appia, war offenbar die Frau des Philemon, die sich ebenfalls durch ihr Interesse am Werk des Herrn auszeichnete, wie andere Frauen, deren Namen in der Geschichte der frühen Kirche hervorstechen, wie Nary, Tryphena, Tryphosa, Priscilla, Euodia, Syntyche, Lydia. Archippus scheint eine noch wichtigere Stellung als Philemon in der Gemeinde eingenommen zu haben, Kol. 4,17, und wird deshalb von vielen als Bischof oder Pastor der Gemeinde zu jener Zeit angesehen. Einen Mitstreiter nennt Paulus ihn, wobei er die Redewendung verwendet, die ihm sehr gut gefällt. 2. Kor. 10,3.4; 1. Tim. 1,18; 2. Tim. 2,3.4. In allgemeiner Weise. Paulus richtete seinen Brief an die gesamte Hausgemeinde, deren Oberhaupt Archippus war. Es ist keineswegs unwahrscheinlich, dass die gesamte Gemeinde in Kolossä im Innenhof von Philemons Haus untergebracht war, da dieses, wenn es nach der Art griechischer oder römischer Häuser gebaut war, viel Platz bot.

    Der Gruß ist derselbe wie in den meisten Paulusbriefen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Durch die Gnade Gottes, wie sie in Jesus Christus offenbart und manifestiert wurde, ist das rechte Verhältnis zwischen Gott und Mensch wiederhergestellt worden. Nachdem der Vater durch das Blut seines Sohnes mit der verlorenen und verdammten Menschheit versöhnt worden war, wurde der Friede zwischen den beiden streitenden Parteien hergestellt, oder besser gesagt, der gerechte und heilige Gott hat die Kinder, die ihn im Ungehorsam verlassen hatten, um der Verdienste Christi willen wieder angenommen. So ist Gott für uns Gläubige unser Vater; wir sind durch die stellvertretende Genugtuung Christi wieder zu Söhnen geworden, und wir sind in der Gemeinschaft unter dem Banner unseres erhabenen Herrn vereint. Jesus Christus, diese beiden Personen der Gottheit sind gleich an Majestät und Gottheit.

 

Des Paulus Dankbarkeit und Teilnahme hinsichtlich Philemons Christsein (V. 4-7)

    4 Ich danke meinem Gott und gedenke dein allezeit in meinem Gebet, 5 nachdem ich höre von der Liebe und dem Glauben, welchen du hast an den HERRN Jesus und gegen alle Heiligen, 6 dass dein Glaube, den wir miteinander haben, in dir kräftig werde durch Erkenntnis alles des Guten, das ihr habt in Christus Jesus. 7 Wir haben aber große Freude und Trost an deiner Liebe; denn die Herzen der Heiligen sind erquickt durch dich, lieber Bruder.

 

    Des Paulus Fähigkeit, Gründe für die Dankbarkeit gegenüber Gott zu finden, ist aufschlussreich für seinen Charakter und kann allen Christen als Beispiel dienen: Ich danke meinem Gott und erwähne dich allezeit in meinem Gebet. Die Tatsache, dass der Apostel im Leben Philemons, so wie er es kannte, so viel Grund zur Dankbarkeit fand, würde auf diesen sicher einen starken Eindruck machen und sein Herz um so bereitwilliger dazu bringen, der Bitte des Paulus nachzukommen, zumal dieser Appell einen weiteren Beweis für die richtige Geisteshaltung anregen sollte. Der Apostel war im täglichen Gebet mit seinem Gott verbunden, mit dem, von dem er wusste, dass er seine höchste Gabe war. Zu diesem Gebet gehörte vor allem auch der Dank für die Gnadengaben, die Philemon zuteil geworden waren und die er nicht unerwähnt lassen konnte. Anmerkung: Es ist eine schöne und lobenswerte Sache für alle Gemeindemitglieder, so zu leben, dass sie ähnliche Gebete des Dankes in den Herzen ihrer Seelsorger anregen, so wie es eine lobenswerte Sitte für einen Seelsorger ist, seine Gemeindemitglieder täglich in seinen Gebeten zu seinem Gott zu erwähnen.

    Den Grund für dieses dankbare Gebet nennt Paulus nun: Ich habe von deiner Liebe und dem Glauben gehört, den du an den Herrn Jesus und an alle Heiligen hast. Ob Onesimus nach seiner Bekehrung viele Dinge anders sah als zuvor und dem Apostel davon berichtete oder ob dieser andere Informationsquellen hatte, er wusste jedenfalls, dass der Bericht wahr war. Vor den Augen aller, die nachforschen wollten, gab es Beweise dafür, dass Philemon in seinem Herzen eine glühende Liebe zu seinem Herrn Jesus Christus und infolgedessen auch zu allen Brüdern, den Gläubigen oder Heiligen, wie Paulus sie nennt, trug, weil sie Gott durch den Glauben geweiht sind und ihm in einem Leben der Heiligung dienen. Diese Liebe war das Ergebnis oder die Folge des Glaubens und an sich ein Beweis für den Glauben, der durch das Evangelium in sein Herz eingedrungen war. Die Liebe, die im Herzen des Christen lebt und in seinem Leben zum Ausdruck kommt, ist sowohl für ihn selbst als auch für die anderen ein Beweis dafür, dass der Glaube von Gott in ihm entzündet wurde, eine Tatsache, die ihm wiederum ein Ansporn sein sollte, diese Flamme mit aller Sorgfalt zu nähren.

    Nachdem der Apostel den Grund für seine Dankbarkeit genannt hat, gibt er nun den Inhalt seines Gebets an: Dass die Mitteilung deines Glaubens wirksam werde durch die Erkenntnis alles Guten in dir auf Christus Jesus hin. Das ist die Fürbitte des Paulus, dass derselbe Glaube, der in Philemon lebte, allen anderen Christen, die von seinem Beispiel hörten, mitgeteilt werden möge, und dass die Wirkung dieser Übertragung oder Mitteilung ihnen allen dienen oder helfen möge, alles zu verstehen, was in ihnen an Jesus Christus gut war. Eine vollständige und genaue Kenntnis, ein ständig wachsendes und besseres Verständnis der Fähigkeiten zum Guten, die der Glaube an Jesus Christus in den Herzen aller Gläubigen bewirkt, gibt ihnen ein ruhiges Vertrauen auf die Kraft Gottes in ihnen, eine fröhliche Zuversicht, der Welt den äußeren Beweis für den Glauben, der in ihnen lebt, zu liefern. All dies trägt natürlich dazu bei, die Sache und das Werk des Herrn hier auf Erden zu fördern. Schon hier lenkt die taktvolle Diplomatie des Apostels die Aufmerksamkeit Philemons auf die Erfüllung der Bitte, die er vorbringen wollte.

    Dazu fügt der Apostel einen weiteren Grund für seine Haltung der Dankbarkeit hinzu, wie oben erwähnt: Denn ich hatte große Freude und Ermutigung auf Grund deiner Liebe, weil die Herzen der Heiligen durch dich, Bruder, erquickt werden. Der Bericht über den ausgezeichneten Zustand des Glaubens und der Liebe Philemons erfüllte den Apostel mit großer Freude, er gab ihm viel Trost und Ermutigung, so wie ähnliche Berichte über ihre Gemeindemitglieder oder Erfahrungen, in denen sie vorkommen, dazu dienen, die Last der treuen Hirten in unseren Tagen zu erleichtern. Die Beweise der Liebe, die im Herzen Philemons lebte und sein Wirken in der Gemeinde motivierte, waren von einer Art, die die Herzen der Heiligen erleichterte und erfrischte. Der heilige Paulus bezieht sich wahrscheinlich auf alles, was Philemon für die kolossischen Christen, die sich in seinem Haus trafen, tat, indem er sowohl zeitliche als auch geistliche Güter verteilte. Die Wertschätzung des großen Apostels zeigt sich am deutlichsten in der Betonung des Wortes „Bruder“ am Ende des Satzes. Es ist keineswegs eine verwerfliche List oder ein schäbiger Trick, eine Bitte an einen christlichen Bruder auf diese Weise vorzubringen, vorausgesetzt, dass die gemachten Aussagen immer der Wahrheit entsprechen. Es sollte mehr von diesem freimütigen Appell an die Liebe geben, die durch den Glauben in den Herzen der Christen lebt.

 

Des Paulus Fürbitte für Onesimus (V. 8-14)

    8 Darum, wiewohl ich habe große Freudigkeit in Christus, dir zu gebieten, was dir ziemt, 9 so will ich doch um der Liebe willen nur ermahnen, der ich ein solcher bin, nämlich ein alter Paulus, nun aber auch ein Gebundener Jesu Christi. 10 So ermahne ich dich um meines Sohnes willen, Onesimus, den ich gezeugt habe in meinen Banden, 11 welcher einst dir unnütz, nun aber dir und mir wohl nütze ist: den habe ich wiedergesandt. 12 Du aber wollest ihn, das ist, mein eigenes Herz, annehmen. 13 Denn ich wollte ihn bei mir behalten, dass er mir an deiner Statt diente in den Banden des Evangeliums; 14 aber ohne deinen Willen wollte ich nichts tun, auf dass dein Gutes nicht wäre genötigt, sondern freiwillig.

 

    Nachdem der Apostel seiner Bitte mit aller Behutsamkeit den Weg bereitet hat, spricht er nun seine Fürbitte aus; und zwar nicht abrupt, sondern mit einer eigenen kleinen Einleitung: Wenn ich auch in Christus große Kühnheit hätte, dir zu befehlen, was zu tun ist, so bitte ich doch lieber um der Liebe willen, da ich mich in einem solchen Zustand befinde, Paulus, der alte Mann, aber jetzt auch der Gefangene Christi Jesu. Da Paulus das Herz und den Geist des Mannes, an den er diesen Brief richtete, im Voraus kannte, zögerte er nicht, seine Bitte auszusprechen. Er hätte sogar ganz kühn und freimütig darüber sprechen können, er hätte sich auf das freudige Vertrauen berufen können, das er auf Grund seiner apostolischen Autorität und auf Grund der Tatsache seiner inneren persönlichen Gemeinschaft mit ihm durch den Glauben zum Herrn hatte; er hätte Philemon einfach auf eine Pflicht aufmerksam machen können, die er in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes erfüllen sollte, auf eine moralische Verpflichtung, die auf ihm kraft seines christlichen Bekenntnisses ruhte. Stattdessen aber zog er um der Liebe willen, die er ihm entgegenbrachte, diese Methode vor, Philemon zu bitten, an ihn zu appellieren. Das machte die Gewährung seiner Bitte für Philemon zu einer Sache der Frömmigkeit. Der überzeugende, der appellierende Charakter des gesamten Briefes zeigt sich vor allem darin, dass Paulus sich als den gealterten Paulus und nun auch als den Gefangenen Jesu Christi bezeichnet. Der autoritäre Lehrer tritt zurück und macht Platz für den warmherzigen, liebevollen Freund, der sich bei einem abwesenden Freund für einen geliebten Bekehrten einsetzt. Paulus war zu diesem Zeitpunkt ein älterer Mann und trug die Bezeichnung, die er auf sich selbst anwendete, zu Recht. Und er spürte die Last seines Alters vor allem in seiner Gefangenschaft, in der er den Vorwurf seines Meisters trug, denn um seinetwillen war er verhaftet und vor das kaiserliche Gericht gestellt worden. So brachte Paulus seine eigene Person so konkret und anschaulich wie möglich vor die Augen Philemons, um die Gestalt des Onesimus vor dem Zorn seines Meisters zu schützen.

    Der Apostel trägt nun seine Bitte vor: Ich bitte dich in Bezug auf meinen Sohn, den ich in meinen Banden gezeugt habe, Onesimus, der dir früher unnütz war, jetzt aber sowohl dir als auch mir sehr nützlich ist und den ich dir zurückgegeben habe. Schon die Wortwahl ist so sorgfältig auf die Situation abgestimmt, dass sie ihren Appell herausschreien. So steht die Wiederholung des Wortes „bitten“ in starkem Gegensatz zu dem Recht des Paulus, zu befehlen. Außerdem bezeichnet er Onesimus nicht als den entlaufenen Sklaven, sondern als seinen Sohn, den er in seinen Fesseln gezeugt hat, sein geistliches Kind, das der Herr zu ihm nach Rom geführt hat und dessen Herz durch die Kraft des von Paulus verkündeten Evangeliums erneuert worden war. Es war gewiss eine seltsame Fügung des Herrn, nach der der Sklave aus Kolossä dem gefangenen Apostel in Rom begegnete. In einem schönen Spiel mit der Bedeutung des Wortes Onesimus, das „nützlich“ bedeutet. Der heilige Paulus sagt seinem Freund, dass sein Sklave, seit er seinen Dienst so kurzerhand verlassen hatte, in der Tat unrentabel, nutzlos für ihn gewesen sei; jetzt aber sei er nützlich, sehr wertvoll, nicht nur für Philemon, sondern auch für Paulus, der ihn zu seinem Herrn zurückschicke. Onesimus hatte dem Apostel einen großen Dienst erwiesen, indem er auf vielerlei Weise versuchte, seine Bequemlichkeit und sein Glück zu fördern. Aber nachdem er unter der treuen Anleitung des Paulus sein Unrecht eingesehen hatte, war er mehr denn je bereit, seinem alten Herrn um des Gewissens willen zu dienen.

    Paulus, der Onesimus mit diesem Brief schickt oder geschickt hat, setzt sich für ihn ein, wie er auch für sich selbst eintreten würde: Du aber nimm ihn auf, das heißt, mein eigenes Herz. Luther bemerkt: "Hier sehen wir, wie Paulus den armen Onesimus zu sich nimmt und seine Sache zu seiner eigenen macht, als ob er selbst Onesimus wäre." Er bezeichnet den Sklaven mit einem Ausdruck der zärtlichsten Liebe als sein eigenes Fleisch, sein eigenes Herz, mit dem er durch die Bande der zärtlichsten Zuneigung verbunden ist. Und um allen Unwillen, den letzten Rest von Groll, aus dem Herzen des Philemon zu entfernen, fügt Paulus hinzu: Den ich in meinem eigenen Hause zurückbehalten wollte, damit er mir an deiner Stelle in den Banden des Evangeliums diene; aber ohne dein Wissen wollte ich nichts tun, damit das, was für dich gut ist, nicht aus Zwang, sondern aus deiner eigenen freien Mühle komme. Es war wirklich die Absicht des Paulus gewesen, dass Onesimus eine Weile in Rom bleiben sollte, um den Platz seines Herrn im Dienst des Apostels einzunehmen; denn Philemon war Paulus für die geistlichen Segnungen, die er jetzt genoss, zutiefst zu Dank verpflichtet. Es lag auch auf der Hand, dass ein Dienst, wie ihn der Sklave geleistet hatte, im Interesse des Evangeliums war, solange der Apostel an der freien Bewegung gehindert wurde. Es war nicht nur die Tatsache, dass er viele kleine Dienste für Paulus verrichten konnte, dessen Unterkunft eine gewisse Pflege und Aufmerksamkeit erforderte, sondern auch, dass er viele Besorgungen für ihn machen konnte, um die Verbindung mit den Mitgliedern der Gemeinde in Rom aufrechtzuerhalten. So hatte Paulus Onesimus als Philemons Stellvertreter betrachtet. Diese Neigung des Paulus änderte sich jedoch, als er die vorrangigen und schwerwiegenderen Ansprüche bedachte, die der Herr an seinen Sklaven hatte; er wollte nichts ohne Philemons Wissen und Zustimmung tun. Jeder Dienst, den dieser in seinem Namen, sei es persönlich oder durch seinen Sklaven, verrichten würde, sollte ein freiwilliger Dienst sein, der seinem eigenen freien Willen und Wunsch entspringt und in keiner Weise durch einen von Paulus vorgeschlagenen Zwang erzwungen werden kann.

 

Ein anderer Punkt, auf den Paulus Wert legt (V. 15-20)

    15 Vielleicht aber ist er darum eine Zeitlang von dir kommen, dass du ihn ewig wieder hättest, 16 nun nicht mehr als einen Knecht, sondern mehr als einen Knecht, einen lieben Bruder, sonderlich mir; wie viel mehr aber dir, beide, nach dem Fleisch und in dem HERRN. 17 So du nun mich hältst für deinen Gesellen, so wollest du ihn als mich selbst annehmen. 18 So er aber dir etwas Schaden getan hat oder schuldig ist, das rechne mir zu. 19 Ich, Paulus, hab’ es geschrieben mit meiner Hand; ich will’s bezahlen. Ich schweige, dass du dich selbst mir schuldig bist. 20 Ja, lieber Bruder, gönne mir, dass ich mich an dir ergötze in dem HERRN; erquicke mein Herz in dem HERRN!

 

    Der Apostel fügt hier einen Gedanken hinzu, als wäre er ihm gerade eingefallen: Denn vielleicht ist er deshalb für eine Weile weggegangen, damit du ihn für immer zurückbekommst, nicht mehr als Sklaven, sondern über einen Sklaven hinaus, als einen geliebten Bruder, vor allem für mich, aber wie viel mehr für dich, sowohl im Fleisch als auch im Herrn! Dies ist ein Hinweis auf die Vorsehung Gottes, der die Dinge so geordnet und gelenkt hat, dass Onesimus nicht nur nach Rom geführt wurde, sondern dort Paulus persönlich kennen lernte und so die Erkenntnis seiner Errettung erhielt. Philemon sollte die ganze Angelegenheit so betrachten, als ob sein Sklave eine mehrmonatige Reise unternommen hätte und nun endgültig zurückgekehrt wäre, enger mit seinem Herrn verbunden als zuvor. Obwohl er immer noch ein Sklave war, trug er doch nicht mehr den Charakter eines Sklaven, wie ihn die Welt kennt, und das schändliche, erniedrigende Element war aus der Beziehung verschwunden. Für Paulus war er nun ein innig geliebter Bruder, der seine Bande teilte und sein Sohn im Glauben war. Umso mehr sollte Philemon sich mit seinem Sklaven durch das doppelte Band der materiellen und geistlichen Beziehung verbunden sehen. Onesimus, der Sklave, diente den zeitlichen Interessen seines Herrn, indem er zu Arbeiten herangezogen wurde, die seinem Körper dienlich waren; Onesimus, der Christ, war mit ihm durch die Bande des gemeinsamen Glaubens verbunden, eine viel innigere und herzlichere Beziehung als die, die jede irdische Verbindung bietet.

    Da dies der wahre Stand der Dinge war und die Umstände der Rückkehr des Sklaven so aussahen, wie eben geschildert, konnte der Apostel darauf drängen: Wenn du mich also als Partner betrachtest, dann nimm ihn auf wie mich selbst. Paulus erinnert Philemon hier daran, dass ihre Beziehung nicht nur die eines Freundes oder Gefährten war, wie es in der Welt üblich ist, sondern die eines Teilhabers an einem gemeinsamen Glauben. Allein diese Tatsache verpflichtete Philemon gegenüber Paulus; denn seine Bitte abzulehnen hieße, das Ende der Gemeinschaft zu verkünden, die sie in Christus verband. Da ein solcher Fall jedoch undenkbar ist, bittet der Apostel darum, dass Philemon Onesimus so annimmt, als stünde er selbst vor ihm. Dazu gehöre, dass er nicht daran denke, die Strafe zu verhängen, die ihm die Gesetze erlaubten, nämlich den Flüchtigen zu brandmarken und sogar zu töten, sondern dass er sich frei und eindeutig zur christlichen Brüderlichkeit bekenne, indem er ihm das erlittene Unrecht vergebe und Onesimus in diesem Sinne aufnehme.

    Nach dem Vorteil, den ihm dieses Argument verschafft hat, schreibt der Apostel: Wenn er dir aber Unrecht getan hat oder etwas schuldig ist, so rechne mir das an. Ich, Paulus, habe es mit meiner eigenen Hand geschrieben, ich werde es zurückzahlen, ohne dir zu sagen, dass du dich mir selbst schuldig gemacht hast. Hier räumt Paulus eine mögliche Schwierigkeit aus dem Weg, die einer Versöhnung, wie er sie wünschte, im Wege stehen könnte. Das Vergehen des Onesimus bestand zweifellos darin, dass er etwas von den Gütern seines Herrn veruntreut oder gestohlen hatte, bevor er sich aus dem Staub machte. Gleichzeitig hatte er natürlich Philemon während seiner Abwesenheit seiner Dienste beraubt, was dem Herrn natürlich einen gewissen Schaden zufügte. Doch Paulus beseitigte diese Schwierigkeit mit der ihm eigenen Energie. Er bürgte persönlich für die Zahlung des Geldes, falls Philemon auf Entschädigung bestehen wollte; er ließ es auf sein persönliches Konto buchen: Er verpflichtete sich mit seiner eigenen Handschrift, den Mangel auszugleichen. Zugleich aber weist er seinen kolossischen Freund mit einer Redewendung, die die Schuld Philemons ihm gegenüber auf das Schärfste herausstellt, auf seine Verpflichtung ihm gegenüber hin, dass nämlich Philemon dank seines Wirkens im Evangelium nun im Besitz der höchsten und größten Segnungen des Lebens sei, die durch die Erlösung Christi garantiert sind. In Wirklichkeit will Paulus damit sagen, dass Philemon ihm weit mehr schuldete, als Onesimus ihm schuldete, und dass er es sich daher leisten konnte, über die Übertretung des Sklaven hinwegzusehen. Flehend fügt der Apostel daher hinzu: Ja, Bruder, lass mich an dir teilhaben; erquicke mein Herz in Christus. Auch hier wird mit dem Namen Onesimus gespielt, denn der Apostel bittet Philemon, ihm die kindlichen Dienste zu erweisen, die er erwarten darf, und so sein Herz zu erquicken, das wegen dieser Angelegenheit beunruhigt war. Die eigentliche Quelle der Erleichterung, die eine solche Handlung Philemons mit sich bringen würde, wäre natürlich der Herr, der ihn bereit machen würde, die vor ihm liegende Pflicht mit bereitem Herzen zu erfüllen.

 

Abschließende Bemerkungen und Gruß (V. 21-25)

    21 Ich hab’ aus Zuversicht deines Gehorsams dir geschrieben; denn ich weiß, du wirst mehr tun, als ich sage. 22 Daneben bereite mir die Herberge; denn ich hoffe, dass ich durch euer Gebet euch geschenkt werde. 23 Es grüßen dich Epaphras, mein Mitgefangener in Christus Jesus, 24 Markus, Aristarchus, Demas, Lukas, meine Gehilfen. 25 Die Gnade unsers HERRN Jesus Christus sei mit eurem Geist! Amen.

 

    Für Paulus gibt es keinen Zweifel an der zufriedenstellenden Lösung der Angelegenheit, die er mit so überzeugendem Plädoyer dargelegt hat: Im festen Vertrauen auf deinen Gehorsam habe ich dir geschrieben, weil ich weiß, dass du auch darüber hinaus tun wirst, was ich schreibe. Hier wird die Autorität angedeutet, die der Apostel ausüben könnte, wenn er es wollte, und der Gehorsam, den Philemon spüren muss, dass er jederzeit dem Willen Gottes verpflichtet ist. Für Paulus gab es keinen Zweifel: Er war absolut zuversichtlich, dass die Lösung des Problems in jeder Hinsicht zufriedenstellend sein würde, dass Philemon wahrscheinlich Kriege finden würde, um Onesimus eine Freundlichkeit zu erweisen, die sogar über die Vorschläge hinausgeht, die er zu machen wagte. Denn das ist der Weg der wahren Lehre, die aus dem Glauben fließt: Sie sucht immer neue Wege und Mittel, um ihre Macht zu beweisen.

    Da der Apostel weiß, dass das Band der Freundschaft durch diese Episode fester und sicherer denn je werden würde, bittet er Philemon abschließend, einen Ort oder ein Zimmer bereitzuhalten, wo er als Gast wohnen kann. Alles deutete zu diesem Zeitpunkt auf seine baldige Entlassung aus der Gefangenschaft hin, eine Situation, die Paulus zu Recht auf die Wirkung der Gebete zurückführte, die für ihn zum Thron Gottes gesandt worden waren, auch von seinen kolossischen Freunden. Er drückt es so aus, dass seine Rückkehr in ihre Mitte eine Antwort auf ihre Gebete sein würde, ein Akt göttlicher Gunst, den sie mit dem richtigen Bewusstsein ihrer Dankbarkeit gegenüber dem Geber aller guten Gaben betrachten sollten.

    Der Apostel schließt Grüße von Epaphras ein, den er einen Mitgefangenen in Christus Jesus nennt, Kol. 1,7; von Markus, zweifellos Johannes Markus, dessen Dienste er in den letzten Jahren seines Lebens sehr schätzte, 2. Tim. 4,11, von Demas, sehr wahrscheinlich demselben, der später abtrünnig wurde und den Glauben verleugnete, 2. Tim. 4,10, und von Lukas, dem geliebten Arzt und Gefährten des Apostels. Alle diese werden als Mitarbeiter bezeichnet, die mit dem Apostel für das Evangelium Christi tätig waren. Der apostolische Segen richtet sich offensichtlich an die gesamte Gemeinde, nicht nur an Philemon und seine Familie. Die Gnade, die unverdiente Gunst und Liebe Christi, wie sie im ewigen Ratschluss der Liebe und im gesamten Erlösungswerk zum Ausdruck kommt, ist der höchste und kostbarste Segen für die Gläubigen, der ihnen das Erbe in der Höhe zusichert, für das sie durch die Kraft Gottes bewahrt werden. Dies ist ganz gewiss wahr.

 

 

SKLAVEREI

    Wie ein bekannter Autor (Brace, Gesta Christi) betont hat, besteht kaum ein Zweifel daran, dass die Ausbreitung des Christentums die Ursache für die zunehmende Ablehnung der Sklaverei unter den Völkern war. Zwar war die Stellung der Sklaven bei den Juden nicht mit solch schändlichen Erniedrigungen verbunden wie bei den Heiden, wo die Sklaverei ein Krebsgeschwür war und das Los des durchschnittlichen Sklaven schlimmer war als das eines Lasttiers. Mit dem zunehmenden Einfluss des Christentums wurde die Sklaverei allmählich schwächer, und dort, wo sie noch aufrechterhalten wurde, wurden die früher praktizierten unmenschlichen Grausamkeiten nach und nach aufgegeben. Im Ostreich wurde die Sklaverei Ende des vierzehnten Jahrhunderts abgeschafft, in Griechenland im Jahr 1437. Die Leibeigenschaft, die aus der allgemeinen Unordnung und dem Chaos der Gesellschaft im lateinischen Reich hervorging, wurde von den Menschen, die erkannten, wohin sie führte, von Anfang an mit Abscheu betrachtet. In der Neuzeit haben aufgeklärte Staaten sowohl die Leibeigenschaft als auch die Sklaverei abgeschafft, letztere 1833 in England, 1846 in Schweden, 1849 in Dänemark, 1348 in Frankreich, 1855 in Portugal, [1861 in Russland,] 1863 in den Vereinigten Staaten und 1871 in Brasilien. [Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation hatte Braunschweig-Wolfenbüttel die Leibeigenschaft schon 1433 aufgehoben; 1739 schaffte Hans Graf zu Rantzau sie für seine Güter in Holstein ab; 1780 erließ Josef II. das Untertanenpatent, das sie für die österreichischen Erblande beendete, 1783 folgte Baden, Preußen hatte sie im Allgemeinen Landrecht von 1794 schon für unzulässig erklärt und schaffte sie 1807/10 endgültig ab; 1808 mit der neuen Verfassung Bayern, Hessen (wo nur eine sehr milde Form bestand) folgte 1811/13, Hannover 1833.[1]]

    Obwohl die Frage also nicht mehr aktuell ist, sollte man sich angesichts der zahlreichen Bibelstellen, die sich mit der Sklaverei befassen, vor Augen halten, dass die Institution der Sklaverei vom biblischen Standpunkt aus nicht von Grund auf falsch ist. Auch wenn ein Christ der Meinung sein mag, dass es aus sozialer und wirtschaftlicher Sicht weitaus besser ist, wenn die Sklaverei in einem Staat oder Land nicht geduldet wird, so wird er dennoch behaupten, dass nach dem klaren Ausdruck des Willens Gottes in seinem Wort auch Christen Sklaven besitzen oder deren Besitz billigen können. Gegen Menschenräuber, gegen Sklavenhändler haben wir eine klare Schriftstelle, 1. Tim. 1,10, aber es gibt kein Wort des Herrn, das die Sklaverei selbst verbietet. Was der Apostel schreibt Eph. 6,5-8; Kol. 3,22-25; 1. Tim. 6,1; Tit. 2,9.10. und im Brief an Philemon. stimmt mit dem überein, was der Herr im Alten Testament gesagt hatte, 3. Mose 25,44-46; 1. Mose 30,43; Hiob 1,3 ff.

    Es ist zwar wahr, dass Gott den Menschen die Sklaverei als Strafe für ihre Sünden auferlegt hat, 5. Mose 25,15-69; Jer. 5,19; 17,4, dass er ganze Völker zu unterwürfigen und verschmähten Knechten anderer gemacht hat, aber es ist ebenso wahr, dass die schändliche Behandlung der Sklaven keine notwendige Begleiterscheinung des Staates ist und nicht gedacht würde, wenn alle Herren zu allen Zeiten Gott gefürchtet und beachtet hätten, was der Herr sagt Eph. 6,9 und Kol. 4,1 sagt: „Ihr Herren, gebt euren Knechten, was recht und billig ist, weil ihr wisst, dass ihr auch einen Herrn im Himmel habt.“ Dass Sklaven ein Stück Eigentum ohne Rechte waren und von ihren Herren nach deren Gutdünken behandelt und entsorgt werden konnten, ist eine Vorstellung, die nirgends in der Heiligen Schrift Bestätigung findet. Was der Apostel in allen Abschnitten lehrte, in denen er die Institution der Sklaverei behandelte, war dies, dass Sklaven nicht nur Menschen sind wie ihre Herren, die denselben Herrn und Schöpfer im Himmel haben, sondern dass sie auch in gleichem Maße an der Erlösung teilhaben, die durch Christus erworben wurde, dass der gnädige Wille Gottes auch sie betrifft, dass er will, dass sie durch die Erkenntnis der Wahrheit gerettet werden. Die Sklaven müssen daher als Menschen mit voller Würde betrachtet werden, was ihnen zusammen mit der Gewissheit ihres Heils die volle Gleichheit vor Gott mit ihren Herren verleiht. Hätten diese Wahrheiten der Heiligen Schrift immer die Anerkennung gefunden, die sie verdienen, gäbe es in der Geschichte der meisten zivilisierten Länder kein Kapitel über die unmenschlichen Grausamkeiten vieler Sklavenhalter. Dies sind die Tatsachen, an die man sich in Bezug auf die Sklaverei erinnern sollte.[2]



A Entnommen aus: Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. St. Louis, Missouri. Bd. 14. Groß Oesingen: Verl. der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms. 1987. Sp. 122-123

[1] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Leibeigenschaft

[2] Wie schon die Ausführungen von P.E. Kretzmann zeigen, ist die Weise, in der Gott Sklaverei in der Bibel duldete weit von dem unterschieden, was sie in der Realität war, weshalb die reale Sklaverei tatsächlich als unbiblisch bezeichnet werden kann. Auch wird in den Sozialgesetzen für das Israel des Alten Bundes, vor allem in Verbindung mit dem Erlassjahr, deutlich, dass Sklaverei nicht der wirkliche Wille Gottes für uns Menschen ist, sondern er ein Volk freier Menschen in freier Wirtschaft möchte; alles andere ist Folge des Lebens in der gefallenen Welt und Ausdruck der Sünde. Es ist daher biblisch völlig in Ordnung, dass da, wo wirkliches Christentum sich durchgesetzt hat, auch Sklaverei und Leibeigenschaft fallen mussten, da Sklaverei mit der wirklichen Bruderliebe unvereinbar ist (1. Kor. 7,21.22; Kol. 3,11; Gal. 3,28). Wie Auch Kretzmann ausführte, ist auch der Sklavenhandel völlig unchristlich und die Sklaverei, die mit der Entdeckung Amerikas und dem Beginn der Versklavung Schwarzer aus Afrika aufkam, ist ganz und gar unchristlich gewesen. Auch hier ist es der christliche Geist gewesen, der vor allem dagegen gewirkt hat und schließlich das Ende dieser Sklaverei erreichte, wie auch schließlich im Kampf gegen die von den Moslems ausgehende Sklaverei und Sklavenhandel in Afrika. (vgl. auch Meusel, Kirchliches Lexikon, Bd. 2, S. 354 f.) Leider sind in der heutigen kapitalistischen Wirtschaftsordnung sklavenähnliche Arbeitsbedingungen in vielen Staaten wieder gang und gäbe und werden sowohl von den großen Konzernen als auch totalitären Regimen gefördert.  (Anm. d. Hrsg.)