Der
Brief des Apostels Paulus an die Kolosser
Luthers Vorrede
auf die Epistel St. Pauli an die Kolosser
Gehorsam – absolut und eingeschraenkt
1522A
1. Gleichwie
die Epistel an die Galater sich artet und geraten ist nach der Epistel an die
Römer und eben dasselbe mit kurzem Begriff fasst, was die an die Römer weiter
und reicher ausführt, so artet sich diese an die Kolosser nach der an die
Epheser und fasst auch mit kurzem Begriff denselben Inhalt.
2. Aufs erste
lobt und wünscht der Apostel den Kolossern, dass sie im Glauben bleiben und
zunehmen, und streicht heraus, was das Evangelium und der Glaube sei, nämlich
eine Weisheit, die Christus einen HERRN und Gott erkenne, für uns gekreuzigt,
der von der Welt her verborgen und nun durch sein Amt hervorgebracht sei. Das
ist das erste Kapitel.
3. Im zweiten
Kapitel warnt er sie vor Menschenlehren, die allezeit dem Glauben entgegen
sind, und malt diese so eben ab, wie sie nirgends in
der Schrift abgemalt sind, und tadelt sie meisterlich.
4. Im dritten
ermahnt er sie, dass sie im lauteren Glauben fruchtbar seien mit allerlei guten
Werken gegeneinander, und beschreibt allerlei Ständen ihre eigenen Werke.
5. Im vierten
befiehlt er sich in ihr Gebet und grüßt und stärkt sie.
Kolossä war eine Stadt im südwestlichen
Teil Phrygiens, in Kleinasien, am Fluss Lycus, nicht
weit von seiner Mündung in den Mäander. Sie lag auf einer Anhöhe etwa zehn oder
fünfzehn Meilen südöstlich von Hierapolis und Laodizea und etwa hundert Meilen östlich von Ephesus, an
der großen Karawanenstraße von der Ägäis zum Euphrat. Einst war sie ein
blühendes Handelszentrum, verlor aber an Bedeutung und Bevölkerung, als andere
Städte ihren Osthandel übernahmen. Etwa ein Jahr nach der Abfassung dieses
Briefes wurde sie laut dem Historiker Eusebius durch ein Erdbeben zerstört, das
auch einen großen Teil der benachbarten Städte verwüstete. An der Stelle des
antiken Kolossä befindet sich heute eine kleine Stadt namens Konos oder Chonas. In den letzten Jahren wurden Ruinen der ehemaligen
Stadt freigelegt. Die Bewohner dieses Teils Phrygiens waren eine Mischung aus
Griechen, Phrygiern und Juden. Ihr Haupterwerb war das Färben von Wolle, denn
die Schafe in diesem Teil Kleinasiens waren für ihr Vlies bekannt, das bei
entsprechender Behandlung einen sehr feinen Glanz erhielt. Die Gemeinde in
Kolossä war wie die in Hierapolis und Laodizea von Epaphras gegründet
worden, einem Schüler des großen Apostels, der von vielen Gelehrten mit Epaphroditus identifiziert wird. Paulus war zwar auf seiner
zweiten und dritten Missionsreise durch Phrygien gereist, Apg. 16,6; 18,23,
aber er war nicht in diesen Abschnitt gekommen und kannte daher die große
Mehrheit der Mitglieder nicht persönlich, Kap. 2, 1. Die Gemeinde scheint
zahlenmäßig groß gewesen zu sein, Kap. 4,15; Philemon, V. 2, und bestand
wahrscheinlich weitgehend aus Heidenchristen.
Der Brief an die Kolosser wurde von Paulus
in Rom geschrieben, während seiner ersten Gefangenschaft in dieser Stadt. Epaphras war nach Rom gekommen, um den Apostel zu besuchen
und ihm einen Bericht über den Zustand der Gemeinde in Kolossä zu überbringen.
So erfreulich die Nachrichten waren, die er über die Liebe seiner
Gemeindemitglieder zum Geist, über ihre Ordnung und ihre Standhaftigkeit im
Glauben überbrachte, so gab es doch gewisse Gefahren, die die junge Gemeinde
bedrohten. Gewisse Irrlehrer, die sich zum Christentum bekannten, verbreiteten
dennoch judaistische Ideen, verbunden mit gewissen philosophischen
Spekulationen. Sie lehrten die Kolosser, dass das von Paulus gepredigte
Evangelium unvollständig und unzureichend sei, dass eine höhere Weisheit und
Erkenntnis als die des einfachen Christentums notwendig sei, die sie zu liefern
bereit waren. Sie behaupteten, dass die Lehren des jüdischen Zeremonialgesetzes
noch in Kraft seien; sie benutzten verlockende Worte, plausible Argumente; sie
gaben eine Demut vor, die sie bei weitem nicht empfanden; sie übten sich in
ostentativer Selbstverleugnung und behandelten ihren Körper hart: sie
behaupteten, mit der Welt der Geister in Verbindung zu stehen und mit
unsichtbaren Kräften kommunizieren zu können. Durch ihre Spekulationen und
menschlichen Lehren und Gebote hatten sie sich in Widerspruch zur Person
Christi und zu seinem stellvertretenden Tod am Kreuz gesetzt. Deshalb sah sich
Paulus veranlasst, den Kolossern diesen Brief zu schreiben, der voller Bitten,
Warnungen und Ermahnungen ist. Er wurde wahrscheinlich gegen Ende des Jahres 62
geschrieben und von Tychikus nach Kolossä gesandt,
der von Onesimus, einem Sklaven, begleitet wurde, der
als Heide seinem Herrn Philemon in Kolossä entkommen war, nun aber von Paulus
bekehrt wurde und zu seinem Herrn zurückkehrte, Kol. 4,7-9: Philemon, Vv. 10.11; Eph. 6,21.22.
Der
Brief an die Kolosser, wie auch der an die Epheser, mit dem er zusammenhängt,
lässt sich offensichtlich in zwei Teile gliedern, von denen der erste lehrhaft
und polemisch, der zweite praktisch ist. Nach der einleitenden Begrüßung und
den Dank- und Fürbittgebeten legt der Apostel ausführlich dar, dass Christus
der Mittler der Schöpfung, der Erlöser der Welt und das Haupt der Kirche ist;
er wird von Paulus als solcher verkündet und genügt in dieser Eigenschaft allen
Menschen. Deshalb warnt er im zweiten Kapitel vor den Irrlehrern, indem er
zunächst zeigt, dass die Christen durch den Glauben das wahre himmlische
Geheimnis kennen und durch den Glauben die Kraft besitzen, ein Leben der
Heiligung vor Gott zu führen; alles, was die Irrlehrer als Ersatz anbieten,
kann daher nichts als Betrug sein. Im dritten Kapitel erinnert er seine Leser
an ihre Pflicht als Christen, alle irdischen Begierden zu überwinden und in der
Liebe Christi zu wandeln, ein jeder nach seinem Stand und seiner Berufung. Im
vierten Kapitel schließt er seinen Brief mit der ernsten Ermahnung, unermüdlich
im Gebet zu sein und in ihrem Verhältnis zu den Heiden die richtige Weisheit
und den richtigen Takt anzuwenden. Es folgen persönliche Bemerkungen, Grüße aus
Rom und der Schlussgruß.[1]
Der
einleitende Gruß (1,1-2)
1 Paulus, ein Apostel Jesu Christi durch
den Willen Gottes, und Bruder Timotheus: 2 Den Heiligen zu Kolossä und den
gläubigen Brüdern in Christus. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem
Vater, und dem HERRN Jesus Christus!
Paulus definiert hier, wie üblich, seine
apostolische Stellung. Er ist ein Apostel Jesu Christi, des aufgestiegenen,
erhöhten Herrn. Obwohl er nicht zu den ursprünglichen zwölf Aposteln gehörte,
wurde er durch den Willen Gottes zu ihrer Zahl hinzugefügt, nachdem er durch
eine besondere Offenbarung Christi das von ihm zu verkündigende Evangelium
empfangen hatte, Gal. 1, 11. 12, und besonders als Apostel der Heiden berufen
worden war, Apg. 26,16-18; 1. Tim. 2,7; Röm. 11,13. Als seinen Bruder in
Christus, als seinen Mitarbeiter am Evangelium, nennt Paulus Timotheus, damals
sein Gefährte in Rom, der entweder von Philippi zurückgekehrt war oder seine
Reise noch nicht angetreten hatte.
Die Ansprache des Apostels an die kolossischen Christen lautet: Den Heiligen in Kolossä und
treuen Brüdern in Christus: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem
Vater (und dem Herrn Jesus Christus). Sie sind Heilige, gereinigt durch das
Blut Christi, getrennt von der sündigen Welt, Christus geweiht. Und das ist ihr
Titel, weil sie im Übrigen Gläubige, gläubige Brüder, in Christus sind. Sie
glauben an Christus als den Heiland der Welt und ihren Erlöser; ihr Glaube hält
sie in der Gemeinschaft mit Christus, das ist der Bereich ihres Lebens und
Wirkens; sie sind Brüder in ihrer gegenseitigen Beziehung; die Liebe Christi
regiert all ihr Handeln gegeneinander. Alle Christen sind Heilige durch den Ruf
Gottes in Christus, durch den der Glaube in ihren Herzen gewirkt wurde; sie
sind durch die Bande eines gemeinsamen Glaubens, einer gemeinsamen Liebe in
Christus vereint. Und deshalb gilt der einleitende Gruß des Paulus für sie
alle. Die Gnade Gottes ist unser Eigentum in Christus Jesus, der uns die Gnade
und den Frieden Gottes vermittelt hat, indem er uns mit Gott versöhnt hat.
Dieser Gruß, dieser Segen, ist der tägliche Trost aller Gläubigen; sie
vertrauen auf seine wunderbare Zusage.
Des
Paulus Gebet in Danksagung und Fürbitte (1,3-14)
3 Wir danken Gott, dem Vater unsers HERRN
Jesus Christus, und beten allezeit für euch, 4 nachdem wir gehört haben von
eurem Glauben an Christus Jesus und von der Liebe zu allen Heiligen, 5 um der
Hoffnung willen, die euch beigelegt ist im Himmel, von welcher ihr zuvor gehöre
habt durch das Wort der Wahrheit im Evangelium, 6 das zu euch gekommen ist wie
auch in alle Welt und ist fruchtbar wie auch in euch von dem Tag an, da ihr’s
gehört habt und erkannt die Gnade Gottes in der Wahrheit. 7 Wie ihr denn
gelernt habt von Epaphras, unserm lieben Mitdiener,
welcher ist ein treuer Diener Christi für euch, 8 der uns auch eröffnet hat
eure Liebe im Geist.
9 Deshalb auch wir von dem Tag an, da wir’s
gehört haben, hören wir nicht auf, für
euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit Erkenntnis seines
Willens in allerlei geistlicher Weisheit und Verstand, 10 dass ihr wandelt würdig dem HERRN zu allem
Gefallen und fruchtbar seid in allen
guten Werken 11 und wachst in der Erkenntnis Gottes und gestärkt werdet mit
aller Kraft nach seiner herrlichen Macht
in aller Geduld und Langmütigkeit mit Freuden; 12 und danksagt dem Vater, der
uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht, 13 welcher uns
errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich
seines lieben Sohnes, 14 an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut,
nämlich die Vergebung der Sünden.
Ein Gebet dankbarer Freude (V. 3-8):
Es ist bezeichnend für den Apostel Paulus, dass er immer einen Grund zum Danken
findet, dass er überall Beweise für Segnungen findet, dass er sich in der
Notwendigkeit sieht, Gott für irgendeinen besonderen geistlichen Nutzen zu
loben: Wir danken Gott und dem Vater unseres Herrn Jesus Christus und beten
allezeit für euch. Inmitten einer Situation, die der Durchschnittsmensch als
ausgesprochen düster und unangenehm empfunden hätte, verschwendet Paulus keine
Zeit mit Klagen. Er betete ständig und gewohnheitsmäßig für seine Leser, für
alle Christen. Und sein Gebet war in erster Linie ein Gebet des Dankes. Als er
die herrlichen Früchte des Evangeliums in den verschiedenen Gemeinden sah,
stiegen Lob und Dank von seinem Herzen zu seinen Lippen auf und ergossen sich
in Worten, in Segensliedern. An Gott, den Geber aller guten Gaben, richtete er
sein Dankgebet; denn dieser Gott ist zugleich der Vater unseres Herrn Jesus
Christus und damit unser Vater durch das Sühnewerk Christi. Der Wille Gottes
und der Wille Jesu Christi zu unserer Erlösung waren identisch. Wir dürfen ein
festes und sicheres Vertrauen und einen Glauben an unseren himmlischen Vater
durch Christus haben, ein kindliches Vertrauen in seinen gnädigen Willen, weil
wir wissen, dass er die Schreie seiner Kinder immer erhört.
Den Anlass für Paulus‘ Danksagung nennt er
mit den Worten: Ich habe von eurem Glauben an Christus Jesus gehört und von der
Liebe, die ihr zu allen Heiligen habt, um der Hoffnung willen, die für euch im
Himmel aufbewahrt wird. Der Bericht, der Paulus über den Zustand der Gemeinde
in Kolossä erreicht hatte, sprach in glühenden Worten von ihrem Glauben, der in
Christus Jesus, dem Retter, seinen Mittelpunkt hatte und auf ihm ruhte. Denn
die Liebe, die die kolossischen Christen allen
Heiligen entgegenbrachten, die wahre Bruderliebe, die sich mit allen nahen und
fernen Heiligen verbunden fühlt und dieses Gefühl bei jeder Gelegenheit
praktisch unter Beweis stellt, war ein reiches Zeugnis für diesen Glauben. Man
beachte, dass Paulus hier auf den universalen Charakter der christlichen Kirche
hinweist. In Jesus Christus sind alle Unterschiede des Ranges, des Standes und
des Geschlechts vergessen, denn in ihm, durch sein Blut, sind wir eins. Unter
diesen Bedingungen konnte Paulus in Kolossä Dank sagen für die Hoffnung, die
für sie im Himmel aufbewahrt wurde. Da sie die untrüglichen Zeichen eines
wahren Christseins zeigten, war Paulus sicher, dass der Gegenstand ihrer
christlichen Hoffnung, ihr Erbe als Kinder Gottes, für sie im Himmel aufbewahrt
wurde. Es ist die Hoffnung, zu der wir durch die Auferstehung Jesu Christi von
den Toten gezeugt worden sind, das unvergängliche und unbefleckte Erbe, das
nicht vergeht, 1. Petr 1,3-6. Nach dem vollen Besitz und Genuss dieser Hoffnung
sehnen wir uns mit inbrünstigem Verlangen, aber auch mit der ruhigen
Gewissheit, die auf der Verheißung des Herrn beruht.
Von dieser Hoffnung der Christen schreibt
der Apostel weiter: Von der ihr zuvor im Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich
dem Evangelium, das, nachdem es gekommen ist, bei euch wie auch in der ganzen
Welt gegenwärtig ist und Frucht bringt und zunimmt wie auch in euch, seit dem
Tag, da ihr es gehört und die Gnade Gottes in der Wahrheit erkannt habt. Die
Hoffnung auf das himmlische Erbe wurde ihnen vor Augen gestellt, die
Gewissheit, das Geschenk des Himmels zu erhalten, wurde ihnen im Wort der
ewigen Wahrheit, dem Evangelium, garantiert. Was Gott seinen Gläubigen in
diesem Wort versprochen hat, ist eine sichere, unfehlbare Wahrheit, auf die man
sich zu allen Zeiten und unter allen Umständen mit einer Gewissheit verlassen
kann, die keinen Zweifel kennt. Als das Evangelium den Kolossern zum ersten Mal
gebracht wurde, hatte es ihnen die Nachricht von dieser Hoffnung in Christus
gebracht, die in ihm von Ewigkeit her vorhanden war. Und was sie damals gelernt
hatten, bestätigt Paulus hier mit der Autorität seiner apostolischen Lehre.
Dieses Evangelium hatte auf seinem Weg durch die Welt, wie ein Reisender, der
von einer Stadt zur anderen zieht, auch ihre Stadt erreicht und war dort
geblieben, um ihnen die Nachricht von der großen Freude zu bringen. Der
Einfluss des Evangeliums breitet sich gewöhnlich nicht mit unwiderstehlichen,
vernichtenden Schlägen aus, sondern er kommt mit stetigem Eindringen und
gewinnt ein Herz nach dem anderen für die Sache des Herrn. Das war der
Fortschritt in Kolossä, das ist der Fortschritt in der ganzen Welt. Die
Botschaft ist kein eitler und unwirksamer Schall, sondern sie bringt Frucht in
Tugenden und guten Werken, Jes. 55,10.11. Die Botschaft Christi dringt in ein
Herz ein, wirkt Überzeugung, Glaube und Liebe; sie erreicht andere, und
derselbe Vorgang wiederholt sich, es gibt ein ständiges Wachstum und eine
Vermehrung ihrer Anhänger. Vom ersten Tag an, an dem das Evangelium in Kolossä
eingeführt wurde, war dies der Fall, denn schon damals waren einige von ihnen
zur Erkenntnis und zum Verständnis der Gnade Gottes gekommen. Denn da das
Evangelium ihnen zuerst von Epaphras gebracht wurde,
wurde es in Echtheit und Aufrichtigkeit gepredigt; und sie hatten es in
demselben Sinne angenommen, in seiner echten Wirklichkeit und nicht in der Form
der schlechten Nachahmung, die kürzlich eingeführt worden war. ALLE wahre
christliche Erkenntnis muss sich einzig und allein auf das Wort der Wahrheit im
Evangelium stützen, nicht auf menschliche Ideen und Meinungen.
Dies wird vom Apostel betont, wenn er
schreibt: So wie ihr es von Epaphras gelernt habt,
unserem geliebten Mitknecht, der in eurem Namen ein treuer Diener Christi ist,
der uns auch eure Liebe im Geist kundgetan hat. Epaphras
hatte die Gemeinde in Kolossä gegründet und aufgebaut. Er war ein Schüler und
lieber Mitarbeiter des Paulus, ein treuer, unermüdlicher Diener Christi zum
Wohle der Kolosser. Und diese hatten seine Botschaft aufgenommen, die Paulus
hier mit dem Siegel seiner apostolischen Zustimmung versieht; sie hatten ihren
Glauben auf diese Lehre gegründet; sie hatten die Gnade Gottes in Wahrheit
erkannt und angenommen. Da Epaphras außerdem mit
dieser Gemeinde in Verbindung geblieben war, hatte seine Sorge um ihr
Wohlergehen ihn nach Rom getrieben, um den Apostel zu suchen, als die
judaisierenden Lehrer in Kolossä aufgetaucht waren. Paulus versichert seinen
Lesern, dass der Bericht, der durch Epaphras zu ihm
gekommen war, sehr zufriedenstellend war, denn er erklärte ihre Liebe im Geist.
Obwohl sie Paulus nicht persönlich kannten, hatten sie das Evangelium aus dem
Mund eines seiner Schüler empfangen und den großen Lehrer der Heiden lieben
gelernt. Es war eine Liebe im Heiligen Geist, dessen Kraft immer in den Herzen
der Gläubigen wirksam ist, und es war eine Liebe, die natürlich alle Brüder
überall einschloss. All diese Tatsachen gaben Paulus Anlass zur Danksagung.
Des Apostels Fürbitte für die kolossischen Christen (V. 9-14): Der gute Bericht aus
Kolossä, der Paulus zu einem Dankgebet veranlasst hatte, veranlasst ihn nun
auch zu einer ernsten Fürbitte für die Gemeinde in Kolossä: Darum hören wir
auch nicht auf, seit dem Tag, an dem wir es gehört haben, für euch zu beten und
zu wünschen, dass ihr nach dem Verständnis seines Willens in aller Weisheit und
geistlichen Einsicht erfüllt werdet. Gerade dann, wenn der Zustand einer
Gemeinde am erfreulichsten und hoffnungsvollsten ist, ist dieses Gebet für den
weiteren Erfolg des Evangeliums am notwendigsten. Das Gebet des Paulus war vom
ersten Tag an, an dem ihn die gute Nachricht aus Kolossä erreichte, unablässig
gewesen. Aber es gipfelte in einer konkreten Bitte, in einer konkreten Bitte,
in einem herzlichen, dringenden Flehen. Er wollte, dass die Christen in Kolossä
mit dem Verständnis, mit der Erkenntnis des Willens Gottes erfüllt werden. ALLE
Christen sollten wissen, dass der Bereich des gnädigen Willens Gottes sich auf
sie erstreckt, dass Gottes Gedanken ihnen gegenüber, wie gegenüber allen
Menschen, Gedanken des Friedens und der Barmherzigkeit und der Liebe sind.
Diese Erkenntnis ist seit dem Beginn des Glaubens in ihren Herzen, aber sie
muss immer vollständiger und vollkommener werden. Die wahre und vollständige
Erkenntnis des gnädigen Willens Gottes in Jesus Christus wird nicht nur durch
den Glauben im Herzen bewirkt, sondern durch das Evangelium in ihrer Gewissheit
erhalten und vermehrt. Sie wird darüber hinaus in aller Weisheit und
geistlichen Einsicht bewirkt. Der erleuchtete Geist des Christen stützt sich
auf die wunderbaren Wahrheiten des Evangeliums und versucht, immer tiefer in
sie einzudringen. Die Erkenntnis Gottes wirkt wahre Weisheit in uns, sie
vermehrt das geistliche Verständnis in unseren Herzen. All dies ist das Werk
des Geistes, es kann nicht durch eine rein natürliche Entwicklung des
menschlichen Geisteslebens bewirkt werden, es ist eine Erleuchtung von oben.
Auf diese Weise schreitet der Christ Tag für Tag der Vollkommenheit der
Gotteserkenntnis entgegen, die im Himmel ihre Vollendung finden wird.
Das Ziel einer solchen Erkenntnis und eines
solchen Wissens ist: Zu wandeln, ein Leben zu führen, das des Herrn würdig ist,
zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk, das Frucht bringt und wächst durch
die Erkenntnis Gottes. Wenn ein Christ mit der Weisheit und Erkenntnis von oben
ausgestattet ist, wenn die Augen seines Verstandes durch die Kraft des Geistes
erleuchtet sind, dann ist er in der Lage, die richtige Wahl der Lebenswege zu
treffen, dann weiß er, was dem Herrn unter bestimmten Umständen, in bestimmten
Positionen und Situationen gefällt. Dann wird es sein Ziel sein, sich jederzeit
so zu verhalten, dass es mit der erhabenen Stellung des Herrn übereinstimmt,
und alles zu vermeiden, was geeignet ist, Schande und Schmach über den Namen
Christi zu bringen. Das Leben und Verhalten eines Gläubigen muss Christus
wohlgefällig sein, damit alles, was er sagt oder tut, die Zustimmung dessen
findet, dessen Namen der Christ trägt. „Dazu soll unsere Weisheit und
Erkenntnis in der Erkenntnis Gottes dienen und von Nutzen sein, dass wir solche
Menschen werden, die Gott zur Ehre und zum Lobe gereichen, dass er durch uns
gepriesen wird und dass wir so zum Wohlgefallen Gottes leben und ihm in jeder
Weise gefallen, wie es seinem Wort entspricht.“[2] Dies
geschieht vor allem, wenn die Christen in jedem guten Werk Frucht bringen. Die
Früchte des Glaubens eines Christen sind seine guten Werke, wie der Apostel
schreibt, Gal. 5,22. In jedem guten Werk soll der Christ tüchtig werden, nicht
nur in diesem oder jenem Einzelfall, der ihm gerade in den Sinn kommt. Auf
diese Weise wachsen die Gläubigen durch die Erkenntnis Gottes, sie nehmen an
Heiligung zu, machen Fortschritte in jedem guten Werk, weil sie zum Manne
heranwachsen, zu der vollen Statur, die der Wille Gottes verlangt. Die
Erkenntnis Gottes ist also das Mittel, das Instrument unseres geistlichen
Wachstums. In dem Maße, in dem wir Gott in seinem Wesen immer besser
kennenlernen, schreiten wir auch in der Erkenntnis seines Willens voran und
werden so befähigt, in unserem Verhalten und Leben so voranzuschreiten, dass
wir in jeder Hinsicht die Zustimmung Gottes finden.
Ein weiterer Punkt, nach dem die Christen
streben sollten, ist: in aller Kraft stark gemacht nach der Macht seiner
Herrlichkeit zu aller Geduld und Langmut. Es ist für die Gläubigen unmöglich,
aus eigener Vernunft und Kraft das Leben zu führen, das der Wille Gottes
verlangt. Aber sie haben eine Quelle der Kraft und der geistlichen Macht, die
unbegrenzt ist, weil sie aus dem göttlichen Vorrat fließt. Sie werden mit der
Kraft von oben gestärkt, und die so gewonnene Stärke wenden sie in jeder
Richtung an, in allen Anstrengungen des Willens und des Verstandes, im Haus und
außerhalb des Hauses, in der Kirche und außerhalb der Kirche. Gott gibt diese
Kraft im Verhältnis zu seiner eigenen allmächtigen Macht; denn durch diese
Kraft wird seine Herrlichkeit offenbart, zuerst dem Gläubigen und durch ihn
allen, mit denen er in Berührung kommt. Vor allem aber befähigt die Kraft
Gottes den Christen, in Zeiten der Bedrängnis, wenn Armut, Krankheit und
verschiedene zeitliche Bedrängnisse, wenn Hohn, Spott und Verfolgung über ihn
hereinbrechen, die richtige Haltung einzunehmen. Dann sind Geduld und Langmut
nötig, die der Gläubige nicht aus eigener Kraft erlangen kann, sondern die ihm
nach dem Maß der Majestät und Herrlichkeit Gottes zukommen müssen. In seiner
Kraft kann er alle Leiden und Bedrängnisse bis zum Ende geduldig ertragen, wenn
er nur bald betet.
Ein weiteres Merkmal der Lebensführung des
Christen ist: Mit Freude Gott, dem Vater, zu danken, der uns befähigt hat, an
dem Erbe der Heiligen im Licht teilzuhaben. Die Danksagung der Gläubigen ist
keine, die ihnen von einem Pflichtgefühl diktiert wird: Sie ist eine freie und
freudige, fast spontane Entfaltung ihrer Beziehung zu Gott. Ihr ganzes Leben,
sowohl in guten als auch in schlechten Tagen, sowohl in Freude als auch in
Trauer, ist ein einziger ständiger Kreis des Dankes an Gott für seine unaussprechlichen
Gaben. Diese Haltung und ihr Ausdruck werden in den Christen dadurch bewirkt,
dass sie erkennen, dass Gott ihr Vater ist. Wenn sie sich diese Tatsache vor
Augen halten, dass der Vater im Himmel, der große Gott des Himmels und der
Erde, das Leben seiner Kinder nach seinem gnädigen und guten Willen lenkt und
leitet und dass er sie sicher nach Hause führen wird, sei es durch Wolken oder
durch Sonnenschein, werden diese Kinder immer neuen Grund zur Freude finden,
und ihr Lobpreis seiner väterlichen Liebe und Fürsorge wird immer aufrichtiger
und freudiger sein. Aber die wunderbarste Gabe des himmlischen Vaters ist die,
dass er uns bereit gemacht hat, uns befähigt hat, am Erbe der Heiligen im Licht
teilzuhaben. Zwei Dinge werden hier über das Erbe des Himmels gesagt: erstens,
dass es den Heiligen gehört, da es für alle Gläubigen bestimmt ist; zweitens,
dass es im Licht besteht. Die endgültige, ewige Herrlichkeit des Heils, die
Vollendung und Verwirklichung der höchsten Hoffnungen der Christen, wird den Gläubigen
durch die freie Gnade Gottes geschenkt. Dazu hat er uns bereit gemacht, indem
er sich unseres sündigen Zustandes erbarmt hat, indem er uns durch den Glauben
an Christus Jesus zu seinen Kindern gemacht hat, indem er uns die Herrlichkeit
des Himmels zu unserem ewigen Besitz zugesichert hat. Es ist keine ungewisse,
unbestimmte Erwartung, mit der die Christen ihren eigenen Mut zu stärken
versuchen, sondern eine feste Gewissheit, die auf der Verheißung des immer
treuen Gottes beruht.
Dieser Gedanke wird nun ausführlicher
dargelegt: Der uns aus der Macht der Finsternis herausgerissen und in das Reich
seines geliebten Sohnes versetzt hat, in dem wir die Erlösung, die Vergebung
der Sünden haben. Von Natur aus waren wir Christen mit allen anderen Menschen
unter der Macht, in der Sklaverei der Finsternis, im Reich des Satans, wo es
nur Fluch, Zorn, Strafe, Verdammnis gibt, keinen einzigen Lichtstrahl und keine
Hoffnung. Als Sünder waren wir von Natur aus in dieser Sklaverei gefangen und konnten
nur auf Tod und Verdammnis hoffen. Aber Gott rettete uns, er riss uns gewaltsam
aus der Macht des Teufels. Durch dieselbe Tat und zur gleichen Zeit versetzte
er uns in das Reich seines geliebten Sohnes, unseres Erlösers Jesus Christus,
und gab uns einen Platz darin. Indem Gott seinen einen, seinen geliebten Sohn,
in dem sich die volle Liebe des Vaters verwirklicht, in diese Welt gesandt hat,
indem er ihn um unseretwillen in den Tod gab und die Welt mit sich versöhnte,
hat er das Reich seines Sohnes, die Kirche, das Reich des Lichts, errichtet, in
dem Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist allgegenwärtig sind.
Darüber hinaus hat er uns durch das Wirken des Glaubens in unseren Herzen zu
Bürgern dieses Reiches gemacht; wir sind Christi Eigentum und leben unter ihm
in seinem Reich und dienen ihm in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und
Glückseligkeit. In Christus haben wir durch sein Sühnewerk die Erlösung
erlangt; er hat das Lösegeld bezahlt, durch das wir von der Macht des Satans
befreit wurden. In seiner unermesslichen Barmherzigkeit und Liebe zu uns gab
sich Christus als unser Stellvertreter hin und vergoss sein heiliges Blut, um
unsere Schuld an Sünden und Übertretungen zu bezahlen. In Ihm haben wir nun
Vergebung der Sünden; denn Sein Blut reinigt uns von allen Sünden, es macht uns
frei von ihrer Schuld und Macht. Diese Befreiung mit allen daraus
resultierenden Segnungen ist unser bleibender Besitz.[3]
Das
Werk des erhöhten Christus durch das Mittel des Amtes
(1,15-29)
15
Welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor
allen Kreaturen. 16 Denn durch ihn ist alles geschaffen, was im Himmel und auf
Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, beide, die Thronen und Herrschaften
und Fürstentümer und Obrigkeiten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.
17 Und er ist vor allen; und es besteht alles in ihm. 18 Und er ist das Haupt
des Leibes, nämlich der Gemeinde; welcher ist der Anfang und der Erstgeborene
von den Toten, auf dass er in allen Dingen den Vorrang habe. 19 Denn es ist das
Wohlgefallen gewesen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte, 20 und alles durch
ihn versöhnt würde zu ihm selbst, es sei auf Erden oder im Himmel, damit, dass
er Frieden machte durch das Blut an seinem Kreuz durch sich selbst.
21 Und euch, die ihr einst Fremde und
Feinde wart durch die Vernunft in bösen Werken, 22 nun aber hat er euch
versöhnt mit dem Leib seines Fleisches durch den Tod, auf dass er euch
darstellte heilig und unsträflich und ohne Tadel vor ihm selbst, 23 so ihr
anders bleibt im Glauben gegründet und fest und unbeweglich von der Hoffnung
des Evangeliums, welches ihr gehört habt, welches gepredigt ist unter aller
Kreatur, die unter dem Himmel ist, welches ich, Paulus, Diener worden bin.
24 Nun freue ich mich in meinem Leiden, das
ich für euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an
Trübsalen in Christus für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde, 25 welcher ich
ein Diener geworden bin nach dem göttlichen Predigtamt, das mir gegeben ist unter euch, dass ich das Wort
Gottes reichlich predigen soll, 26 nämlich das Geheimnis, das verborgen gewesen
ist von der Welt her und von den Zeiten
her, nun aber offenbart ist seinen Heiligen, 27
welchen Gott gewollt hat kundtun, welcher da sei der herrliche Reichtum
dieses Geheimnisses unter den Heiden, welches ist Christus in euch, der da ist
die Hoffnung der Herrlichkeit, 28 den wir verkündigen, und ermahnen alle
Menschen und lehren alle Menschen mit aller Weisheit, auf dass wir darstellen
einen jeglichen Menschen vollkommen in Christus Jesus, 29 daran ich auch
arbeite und ringe nach der Wirkung des, der in mir kräftiglich wirkt.
Jesus Christus alles in allem (V.
15-20): Dieser Abschnitt ist einer der wunderbarsten und umfassendsten im
ganzen Neuen Testament, denn der Apostel hat in diesen wenigen Sätzen fast die
gesamte Lehre über die Person und das Amt Christi zusammengefasst. Von Jesus
Christus, dessen Erlösungswerk er soeben in seinen wichtigsten Teilen
beschrieben hat, sagt der Apostel: Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,
der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Das Wesen Gottes ist so beschaffen, dass
er sich den menschlichen Sinnen entzieht; kein Mensch hat ihn gesehen und kann
ihn sehen, 1 Tim. 6, 16; 1. Johannes 4, 12; Johannes 1, 18. Aber Gott hatte
beschlossen, sich den Menschen in Jesus Christus, seinem Sohn, als seinem
Ebenbild zu offenbaren, in dem und durch den wir den
Vater sehen können, Johannes 14, 7-10; 1 Joh 1, 1-3.
In Jesus Christus ist der unsichtbare, der unerkennbare Gott uns sichtbar und
bekannt geworden, in ihm hat Gott in unsere Herzen geleuchtet, um uns das Licht
der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi zu geben, 2
Kor 4, 6. in ihm, der das ewige und lebendige und persönliche Ebenbild des
Vaters ist, von demselben Wesen wie der Vater, ist die ewige Liebe, das gnädige
und barmherzige Wesen des Vaters, den Menschen offenbart worden. Jesus ist
übrigens der Erstgeborene der ganzen Schöpfung; er ist vor ihnen und über
ihnen, sowohl in der Zeit als auch im Rang, er ist allen Geschöpfen überlegen,
Hebr. 1, 6. Luther hat Recht, wenn er sagt, dass die Bezeichnung des
Erstgeborenen in diesem Zusammenhang die Bezeichnung des wahren Gottes
bedeutet.[4]
Wie viel in diesen Worten enthalten ist,
zeigt der Apostel im Folgenden: Denn in ihm ist alles geschaffen in den Himmeln
und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder
Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten; alles ist durch ihn und für ihn
geschaffen, und er selbst ist vor allem, und in ihm besteht alles. Die ganze
Schöpfung ruhte von Ewigkeit her in der schöpferischen Kraft des Gottessohnes;
der ganze Ratschluss Gottes zur Erschaffung der Welt wurde von ihm ausgeführt.
Alles, das ganze Universum mit allem, was es enthält, wurde durch seine
schöpferische Kraft ins Leben gerufen, die Geschöpfe in den Himmeln, die Engel,
ebenso wie die Geschöpfe auf der Erde, die organischen und die anorganischen,
mit dem Menschen als ihrer Herrlichkeit und Krone. Oder, um diese Geschöpfe
nach ihrem Wesen und ihrer Seinsweise zu klassifizieren: Zum Schöpfungsbereich
Christi gehören die unsichtbaren Geschöpfe ebenso wie die sichtbaren. Der
Apostel zählt einige der unsichtbaren Geschöpfe, die Geister, auf: Throne und
Herrschaften und Fürstentümer und Mächte, zu denen sowohl die guten als auch
die gefallenen Engel gehören. Vgl. Eph. 1,21; 3,10. Ob besondere Ränge oder
Ordnungen der Engel zu unterscheiden sind, ist aus dieser Stelle nicht zu
ersehen; vielmehr scheint es dem Apostel darum zu gehen, die große Macht der
Geister hervorzuheben, die jedoch nicht mit der allmächtigen, schöpferischen
Kraft des Gottessohnes zu vergleichen ist. Deshalb fasst er noch einmal
zusammen, dass alle Dinge, mit keiner einzigen Ausnahme, durch ihn, durch seine
Allmacht, und für ihn, in Abhängigkeit von ihm, zu seiner Ehre, geschaffen
sind. Es wird auch gesagt, dass er der Besitzer der Ewigkeit ist: Er ist vor
allen Dingen, er war schon da, bevor ein einziges Geschöpf Leben und Sein
hatte. Er ist die Vorsehung: Alle Dinge, das ganze Universum, existieren in
ihm, werden durch seine Vorsehung zusammengehalten. Er hält alle Geschöpfe an
ihrem richtigen Platz und in der richtigen Beziehung zueinander: Er hält die
Welt in allen ihren Teilen aufrecht. Christus ist also der Schöpfer der Welt,
der Erhalter der Welt, wahrer Gott mit dem Vater von Ewigkeit.
Der Apostel beschreibt nun die Beziehung
des Mittlers zur Kirche: Und er ist das Haupt des Leibes, der Kirche, der der
Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, damit er selbst unter allen der
Erste sei. Da Christus durch sich selbst die Reinigung von unseren Sünden
bewirkt hat, da der Vater uns aus der Herrschaft der Finsternis errettet und in
das Reich seines lieben Sohnes versetzt hat, da wir in ihm die Erlösung durch
sein Blut haben, gehören wir nun zu seiner Kirche, dem Reich Christi. Die
Kirche ist der Leib Christi, der das Haupt ist. Vgl. Eph. 1,23; 1. Kor. 12,27;
Eph. 5,23. Durch ihre Gemeinschaft mit Christus, durch ihre Einheit in
Christus, haben alle Gläubigen als Glieder des Leibes, dessen Haupt er ist,
Anteil an allen Segnungen und Herrlichkeiten, die ihm in seiner Eigenschaft als
ewiger Sohn Gottes zukommen. Er ist der Anfang: Ohne ihn hätte die Kirche nicht
existieren, nicht entstehen können. Er ist der Erstgeborene aus den Toten, aus
der Mitte der Toten. Er ist der Erste in der Auferstehung der Toten, sowohl
zeitlich als auch dem Rang nach: Er ist die Ursache der Auferstehung der Toten;
durch seine Gerechtigkeit ist allen Menschen die Rechtfertigung des Lebens
zuteil geworden, Röm. 5,18; er ist der Erstgeborene unter vielen Brüdern, Röm.
8,29; 1. Kor. 15,20. Unter allen Menschen, unter allen Geschöpfen ist er der
Vorrangige, der Höchste; das ist die Folge seiner Auferstehung von den Toten,
seiner Erhöhung in die Höhe.
Der Apostel erhebt sich zu immer größeren
Höhen einer anhaltenden Beredsamkeit: Denn es war sein Wohlgefallen, dass in
ihm alle Fülle wohnen sollte. Dies ist der Höhepunkt des Gedankens. Christus
ist der Erste vor allen Geschöpfen; Christus ist der Erste in der erlösten
Gemeinde; Christus ist der Erste in der Auferstehung und in der nachfolgenden
Herrlichkeit. Er ist der Herrscher im Reich der Kraft; er ist der Herrscher im
Reich der Gnade; er ist der Herrscher im Reich der Herrlichkeit. Christus ist
also das Gefäß, in dem die Fülle aller göttlichen Ratschlüsse für die Schöpfung
und die Menschheit enthalten ist, in dem sie wohnt; durch ihn soll die Fülle
aller göttlichen Gedanken zum Ausdruck kommen, damit seine Überlegenheit, sein
Vorrang in Zeit und Ewigkeit unbestritten ist. Der Gedanke ist fast der gleiche
wie in Kap. 2,9.
Es wird jedoch nicht nur die Überlegenheit
Christi betont, sondern auch die Abhängigkeit der Gläubigen von seinem Werk:
Und dass durch ihn (Christus) alles mit ihm (Gott, dem Vater) versöhnt sei, da
er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes, durch ihn, sei es, was
auf Erden oder was in den Himmeln ist. Dies war auch Gottes Wohlgefallen. Der
Apostel bezieht sich offensichtlich nicht nur auf die durch den Tod Christi
geschaffene Versöhnung, durch die die gefallene Menschheit wieder in das rechte
Verhältnis zu Gott gebracht wurde. Dafür ist die Aussage zu weit gefasst. Der
Höhepunkt des Werkes Christi in seinem erhöhten Zustand wird darin bestehen,
die Entfremdung zu beseitigen, die seit der ersten Auflehnung der bösen Engel
gegen die Regierung Gottes besteht, um die Versöhnung zu bewirken, durch die
die Gesamtheit aller geschaffenen Dinge in ihre ursprüngliche Harmonie mit dem
Schöpfer zurückgeführt werden soll. Vgl. Röm. 8,21. Der Zusammenhang des
Gedankens ist also folgender: Dadurch, dass Gott uns durch das Blut Christi mit
sich versöhnt hat, hat er die durch den ersten Aufruhr aus den Fugen geratenen
Verhältnisse wieder ins Lot gebracht, und das wird schließlich zur Harmonie und
Einheit zwischen Himmel und Erde führen. Nicht nur alle, die den erhöhten
Christus bekennen, sind in diesen Zustand der richtigen Beziehung zu Gott
eingetreten, sondern alle Geschöpfe, die jetzt unter den Auswirkungen der Sünde
seufzen, werden schließlich durch die Macht des erhöhten Christus von ihrer
Knechtschaft befreit werden und so die Vereinigung von Himmel und Erde
herbeiführen, während die Hölle mit ihren Bewohnern für immer von dieser
herrlichen Versöhnung ausgeschlossen sein wird. All dies ist das Ergebnis und
wird das Ergebnis der Tatsache sein, dass Gott durch das Blut des Kreuzes
seines Sohnes Frieden geschlossen hat. Als Christus an den verfluchten Baum des
Kreuzes genagelt wurde, geschah dies zur Strafe für die Sünden der Welt. Aber
gleichzeitig hat das Vergießen seines heiligen, unschuldigen Blutes unsere Übertretungen
gesühnt, das Herz des Vaters durch unseren Stellvertreter zu uns zurückgebracht
und den Zustand des Krieges zwischen dem heiligen, gerechten Gott und der
sündigen Welt in einen vollkommenen Frieden verwandelt. Als Folge dieses
Sühneopfers wird die Verbindung zwischen Gott und den Gläubigen in alle
Ewigkeit vollkommen und glücklich sein.
Die Anwendung dieser Wahrheiten auf die
Christen in Kolossä (V. 21-23): Alle gesegneten Wahrheiten, die er im
vorigen Abschnitt erörtert hat, will der Apostel auf die Kolosser anwenden, um
ihnen die unaussprechlichen Herrlichkeiten bewusst zu machen, die das Los der
Gläubigen hier und in der kommenden Welt sind: Ihr aber, die ihr früher fremd
und feindlich wart in eurem Geist, in bösen Werken. Die Christen in Kolossä,
die größtenteils von Geburt an Heiden waren, waren nicht nur von Gott
entfremdet, entfremdet, obwohl sie einst in Gemeinschaft mit ihm waren, sondern
sie waren ihm völlig fremd, völlig ausgeschlossen von seiner Liebe und
Barmherzigkeit; sie waren in ihrem eigenen Wesen seine unverhohlenen und
eingefleischten Feinde gewesen. Vgl. Eph. 2,1; 2,12; 4,18. Sie befanden sich in
einem Zustand der Entfremdung, was ihre Zuneigung, ihre Leidenschaften, ihr
Verlangen und ihren Verstand betraf. Die Sphäre, in der sie sich bewegten, war
die der bösen Werke, der Taten, die die Entfremdung zwischen Gott und ihnen von
Tag zu Tag vergrößerten, Röm. 8,7. So standen sie unter dem Zorn Gottes und
waren dem Gericht der ewigen Verdammnis preisgegeben.
Doch nun wird das Wunder der Barmherzigkeit
Gottes offenbar: Jetzt aber hat er (euch) versöhnt in dem Leib seines Fleisches
durch den Tod, um euch heilig und untadelig und untadelig vor ihm darzustellen.
Dies kennzeichnet den gegenwärtigen Zustand der Kolosser, den Zustand, in den
sie durch den Glauben bei der Bekehrung eingetreten sind. Jetzt sind sie
versöhnt worden, jetzt sind sie der Versöhnung Christi teilhaftig geworden.
Durch Gott wurden sie mit sich selbst versöhnt, in dem Leib seines Fleisches.
Der Sohn des Gottes der Liebe, der eingeborene Sohn, das ewige Wort, ist
Fleisch geworden und hat durch seinen stellvertretenden Tod die volle
Versöhnung zwischen dem gerechten Gott und der sündigen Welt erwirkt und
durchgeführt. Er trug den Fluch, von Gott verlassen zu sein, zum Feuer des
ewigen Todes verdammt zu sein; er bezahlte die Schuld, er befreite die
Menschheit von Sünde, Tod und Teufel. Diese Versöhnung ist uns durch den
Glauben zuteil geworden, sie ist ein Geschenk der freien Liebe Gottes, der uns
vor sich selbst und vor sein Gericht stellen wollte als heilig, als ein von der
Sünde gereinigtes und Gott geweihtes Volk, als untadelig, frei von den Fehlern
und Flecken der Sünde, als untadelig, so dass niemand uns anklagen kann. Vgl. 2.
Kor. 5,19.21.
Wie dieser Zustand zustande kommen und
andauern kann, zeigen die nächsten Worte: Wenn ihr aber durch den Glauben fest
bleibt und nicht wankt von der Hoffnung des Evangeliums, das ihr gehört habt,
das vor aller Kreatur unter dem Himmel gepredigt worden ist, dessen Diener ich,
Paulus, geworden bin. Der Glaube ist insofern eine Bedingung des Heils, als er
das Werkzeug und das Mittel ist, durch das das Heil angenommen wird. Paulus
schreibt in einer sehr heiklen Weise: Vorausgesetzt, dass, womit er sagen will,
dass es sicher keinen Zweifel daran geben kann, dass sie im Glauben bleiben.
Mit diesem Glauben im Herzen, dem Glauben an die Erlösung durch den Tod
Christi, sind die Christen von Kolossä und aller Zeiten geerdet, fest
gegründet, sie haben das sicherste Fundament, denn ihr Vertrauen gründet sich
auf Jesus, den Urheber und Vollender ihres Glaubens. So war es nicht nur in der
Vergangenheit, so ist es auch in der Gegenwart. Und mit Hilfe des Heiligen
Geistes werden sich die Christen nicht von der Hoffnung des Evangeliums, das
sie gehört haben, abbringen lassen. Das Evangelium ist das Ziel und der Zweck
des Glaubens der Gläubigen, das Heil ihrer Seelen, die Herrlichkeit des
Himmels. Keine Anregungen und Verfolgungen von außen, keine törichten Begierden
und Wünsche von innen sollen uns von der Geradlinigkeit unseres Weges zum
Himmel abbringen. Denn die Verheißungen des Evangeliums, die uns gegeben worden
sind, sind so sicher und gewiss, dass keine andere Gewissheit mit ihrer
einfachen Gewissheit verglichen werden kann. Paulus fügt hinzu, dass dasselbe
Evangelium, das die Kolosser gehört hatten, vor allen Geschöpfen unter dem
Himmel gepredigt worden war. Schon damals war das Evangelium in alle Teile der
zivilisierten Welt hineingetragen worden; es wurde auf der ganzen Erde
verkündigt, Röm. 10,18. Alle Menschen, die auf der Suche nach der Wahrheit
waren, bekamen die Gelegenheit, den Weg des Heils zu hören und zu lernen, die
Botschaft der Erlösung kennenzulernen, deren Diener Paulus geworden war. Das
von Paulus gepredigte Evangelium ist der einzige Weg zum Himmel.
Des Apostels Freude in seinem Leiden und
seiner Arbeit (V. 24-29): Paulus zeigt hier, dass sein Dienst zwei Teile
umfasst, nämlich für die Gemeinde zu leiden und der Gemeinde mit dem Wort der
Gnade zu dienen. Seine Haltung in seinen Leiden ist von reiner Freude geprägt:
Ich freue mich aber in meinen Leiden für euch und fülle den Mangel der Leiden
Christi an meinem Fleisch aus um seines Leibes willen, der die Gemeinde ist.
Die Gefangenschaft des Paulus in Rom war zwar nicht schwer, aber dennoch eine
Qual für seinen Körper und seinen Geist. Doch statt sich zu beklagen, empfand
Paulus nur die höchste Freude über seinen Zustand als Gefangener, denn er
ertrug diese Drangsale wegen seines Wirkens für Christus für die christlichen
Gemeinden überall, und damit auch für die Kolosser. Im Übrigen sagt Paulus,
dass er das, was an dem Maß der Leiden Christi fehlte, um seines Leibes willen,
der die Kirche ist, ganz ausfüllte. Die Gemeinschaft mit Christus bringt die
Gemeinschaft mit seinen Leiden mit sich, Joh. 15,18-21; 2. Kor. 4,10.11. Er
selbst sagte seinen Jüngern, dass jeder, der sich weigert, sein Joch auf sich
zu nehmen, nicht sein Nachfolger sein kann, Luk. 9,23; 14,27. Diese
Bedrängnisse sind zu einer Zeit schwer, zu einer anderen weniger schwer; sie
treffen die Christen einer Stadt oder eines Landes und lassen die einer anderen
Stadt oder eines anderen Landes praktisch unversehrt. Die Kolosser hatten bis
jetzt nur wenig Schwierigkeiten erlebt, und deshalb handelte Paulus, indem er
einen Überschuss trug, in ihrem Namen und trug sozusagen einen Teil der Last,
die sie hätten tragen müssen. Gleichzeitig förderten die Leiden des Paulus die
Interessen der Kirche Christi, denn die ganze Gemeinde profitierte von den
Leiden eines Gliedes, und zwar eines führenden Gliedes. Die Leiden, Trübsale
und Bedrängnisse eines einzelnen Gliedes des Leibes Christi kommen der ganzen
Kirche zugute; sie machen die christliche Gemeinschaft inniger, sie gleichen
Freud und Leid aus, 1. Kor. 12,22-25.
Paulus spricht nun von seinem Amt in der
Kirche: Deren Diener ich geworden bin nach dem Amt Gottes, das mir für euch
gegeben wurde, um das Wort Gottes zu erfüllen. Paulus bezeichnet sich hier als
Diener der Kirche, was gleichbedeutend mit einem Diener des Evangeliums ist.
Aber sein Amt unterscheidet sich in gewisser Weise von dem der anderen Diener
der Kirche. Ihm ist ein Amt übertragen worden, eine Verwaltung Gottes, er wurde
zum Verwalter der Geheimnisse Gottes gemacht, 1. Kor. 4,1, für die ganze Kirche.
Dieses Amt übt er gegenüber den Kolossern und allen Christen mit dem Ziel aus,
das Wort Gottes zu erfüllen, den Zweck und das Ziel, es in alle Welt zu
bringen, zu verwirklichen, Luk. 7,1; Apg. 19,21.
Der Inhalt dieser Botschaft ist: Das
Geheimnis, das von alters her und von Geschlecht zu Geschlecht verborgen war,
ist nun aber seinen Heiligen offenbart worden. Die Verkündigung der Erlösung in
Jesus Christus fand zur Zeit des Alten Testaments nicht allgemein statt. Nur
die Juden hatten die Verkündigung des Messias, und auch sie nur in Gestalt und
Prophezeiung. Und was den Inhalt des Evangeliums betrifft, so ist er von Natur
aus für jeden Menschen ein verschlossenes Geheimnis. All dies hat sich durch das
Kommen Christi und besonders nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt geändert.
Jedem Volk, jeder Kreatur sollte das Evangelium auf seinen Befehl hin gepredigt
werden; jedem Gläubigen, ob er nun zu den Juden oder zu den Heiden gehört, wird
nun das Geheimnis offenbart, dass Jesus Christus der Retter aller Sünder ist.
Paulus schreibt gerade von den Heiden:
Denen wollte Gott kundtun, was der Reichtum der Herrlichkeit dieses
Geheimnisses unter den Heiden ist, nämlich Christus in euch, die Hoffnung der
Herrlichkeit. Das war Gottes Absicht und Plan, dass auch die Heiden zur
Erkenntnis des Heils kommen, dass sie den Reichtum der Herrlichkeit dieses
Geheimnisses erkennen, dass sie begreifen, dass Christus, der durch den Glauben
in ihre Herzen eingegangen ist, der Mittelpunkt des Evangeliums ist mit seiner
Garantie der zukünftigen Seligkeit im Himmel. Christus und die Herrlichkeit des
Evangeliums, die Gewissheit des Heils, inmitten der heidnischen Welt: das ist
die wunderbare Aussage, die der Apostel hier macht. Vgl. Röm. 16,25-27.
Dass diese Wahrheiten in der ganzen Welt
bekannt werden, ist das Ziel der Arbeit des Paulus: Den wir predigen, indem wir
alle Menschen ermahnen und alle Menschen in aller Weisheit lehren, damit wir
alle Menschen in Christus vollkommen machen, woran auch ich arbeite, indem ich
danach strebe, nach seinem Wirken, das in mir mächtig wirkt. Christus Jesus ist
der Gegenstand aller Verkündigung des Evangeliums, wie der Apostel hier sagt
und sich damit in Opposition zu allen Irrlehrern stellt. Wo Jesus Christus, der
Erlöser, nicht gepredigt wird, dort ist das Evangelium nicht mehr in seiner
Reinheit zu finden. Aus dieser Predigt aber folgt, dass jeder einzelne Christ
zur Heiligung ermahnt und in der christlichen Erkenntnis unterwiesen werden
soll. Denn es genügt nicht, nur das Fundament der christlichen Erkenntnis zu
legen und dann den Fortschritt sich selbst überlassen. Es ist vielmehr Gottes
Wille, jeden Gläubigen als einen vollkommenen Menschen in Christus Jesus
darzustellen, 2. Tim. 3,17, unterwiesen in aller Weisheit, die das Wort Gottes
bietet. Diese Vollkommenheit ist nur in Christus möglich, in der Erkenntnis von
ihm, in der Gemeinschaft mit ihm, nicht durch Werke des Gesetzes und
Selbstgerechtigkeit. Zu diesem Zweck arbeitete Paulus so eifrig, strebte wie
ein Athlet, um sein Ziel zu erreichen. Dabei verließ er sich nicht auf eine
natürliche Fähigkeit, auf seine eigene Vernunft und Kraft, sondern auf die
göttliche Energie, die ihn beseelte und stärkte. Vom Herrn, in dessen Interesse
er arbeitete, erhielt er die Kraft, dieses Werk zu seiner Ehre und zum Wohl der
Seelen zu tun, die er mit seiner Heilsbotschaft erreichen konnte. Das gleiche
Interesse und Ziel muss die treibende und anregende Kraft in der Arbeit eines
jeden Dieners des Evangeliums bis zum Ende der Zeit sein.
Zusammenfassung:
Nach der einleitenden Begrüßung schreibt der Apostel von seinem Gebet des
Dankes und der Fürbitte für die Kolosser, um dann in einer herrlichen
Darstellung von Christus als dem Schöpfer, dem Herrscher des Universums und dem
Haupt der Kirche, in dessen Interesse er die Arbeit seines Amtes verrichtet,
fortzufahren.
Eine
Warnung vor Irrlehre (2,1-8)
1 Ich lasse euch aber wissen, welch einen
Kampf ich habe um euch und um die zu Laodicea und alle, die meine Person im
Fleisch nicht gesehen haben, 2 auf dass ihre Herzen ermahnt und zusammengefasst
werden in der Liebe zu allem Reichtum des gewissen Verstandes, zu erkennen das
Geheimnis Gottes und des Vaters und Christi, 3 in welchem verborgen liegen alle
Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. 4 Ich sage aber davon, dass euch
niemand betrüge mit vernünftigen Reden. 5 Denn ob ich wohl nach dem Fleisch nicht
da bin, so bin ich aber im Geist bei euch, freue mich und sehe eure Ordnung und
euren festen Glauben an Christus.
6 Wie ihr nun angenommen habt den HERRN
Christus Jesus, so wandelt in ihm 7 und seid gewurzelt und erbaut in ihm und
seid fest im Glauben, wie ihr gelehrt seid, und seid in demselben reichlich
dankbar. 8 Seht zu, dass euch niemand beraube durch die Philosophie und lose
Verführung nach der Menschen Lehre und nach der Welt Satzungen und nicht nach
Christus.
Eine Warnung vor Verführung (V.
1-5): Der Apostel hatte den Kolossern gesagt, dass er sich eifrig für sie
einsetzte und nicht nur seinen, sondern auch einen Teil ihres Anteils an den
Leiden trug, die die Christen auf sich nehmen, wenn sie das Kreuz, das Joch
ihres Meisters, auf sich nehmen. Das sagt er jetzt direkt: Denn ich will, dass
ihr wisst, welch großen Kampf ich für euch habe und für die in Laodizea und für alle, die mein Angesicht nicht leibhaftig
gesehen haben. Paulus kannte wahrscheinlich keines der Mitglieder dieses Teils
von Phrygien persönlich, außer Epaphras und Onesimus, und letzterer war kein Mitglied gewesen, als er
vor seinem Herrn floh. Dennoch waren die Christen dieser Gemeinden dem Apostel
ebenso nahe und lieb wie die Christen anderer Städte, die er persönlich kannte.
Er war ernsthaft und ängstlich um sie besorgt, um das Wohl ihrer Seelen. Er
ringt um ihre Seelen, um ihr Glück, angesichts der Tatsache, dass der Irrtum
versucht, in ihre Mitte einzudringen. Er möchte, dass sie alle, auch die
Christen von Laodizea, die denselben Gefahren
ausgesetzt waren, von seiner Fürsorge für sie erfahren.
Die Absicht des Apostels, ihnen so offen zu
schreiben, ist: Damit ihre Herzen ermutigt werden, fest zusammenzuhalten in der
Liebe und zu allem Reichtum der Fülle der Erkenntnis, zum vollen Verständnis
des Geheimnisses Gottes und Christi. Paulus möchte, dass die Herzen aller
Christen in Kolossä und Laodizea in ihrem Trost
gestärkt werden, dass sie alle Zweifel, Ungewissheiten und Schwankungen
vergessen und einen Mut besitzen, der alle Feindschaft und Widerstände
überwindet. Anstatt also zuzulassen, dass in ihrer Mitte irgendwelche Tendenzen
zur Disharmonie auftauchen, sollen ihre Herzen zusammengeschweißt, in Liebe
verbunden sein, und brüderliche Zuneigung soll jederzeit in ihren Herzen
herrschen. Wenn diese Liebe ihre Herzen beherrscht, werden sie auch mit dem
ganzen Reichtum der Fülle der Erkenntnis verbunden sein. Der Apostel kann nicht
genug Worte finden, um die Seligkeit der geistlichen Gaben zu beschreiben, die
dem Gläubigen zuteil werden. Sie haben allen
Reichtum, sie sind reich jenseits aller Träume des Geizes. Nicht in den Gütern
dieser Welt, sondern im vollen und vollständigen Verständnis, in der Erkenntnis
des Geheimnisses Gottes und Christi. Je länger die Christen die Heilige Schrift
erforschen, je länger sie das Wort ihres Heils hören, desto fester sind sie im
sicheren Verständnis des gnädigen Willens Gottes für ihr Heil gegründet. Je
länger ein Mensch Christ ist, desto fester lernt und weiß er, was das Wort und
der Wille Gottes ist; er ist sich der Offenbarung des Geheimnisses Gottes
sicher, dass Christus für das Heil seiner Seele gestorben ist, dass Gott in
Christus das Dekret der Erlösung erfasst und vollendet hat, und er verlässt
sich ruhig auf diese Tatsache, er lässt diese Überzeugung immer fester in sein
Herz eindringen.
Aber das alles geschieht nicht aus eigener
Vernunft oder Kraft. Es ist vielmehr so, wie Paulus sagt: In ihm sind alle
Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen. Nicht nur einige, wenige
Schätze der geistlichen Weisheit und Erkenntnis sind in Christus, sondern er
ist das Gefäß, der Träger, die Quelle von allem. Es gibt keinen Ratschluss
Gottes für das Heil der Welt, der nicht in Christus seine Erfüllung findet; es
gibt keine Offenbarung des Heils der Welt in der Heiligen Schrift, die nicht
auf Christus beruht. Und die wunderbarste Wahrheit ist, dass jede Lehre über
Christus, ebenso wie jedes Attribut Christi, uns die ganze Person Christi, des
Erlösers, vor Augen führt. Die Lehre von Jesus Christus ist das einzige
vollkommene, das einzige vollkommen befriedigende, das einzige rettende System
der Lehre in der Welt. Nach dieser Erkenntnis sollten die Christen streben,
über diese Weisheit sollten sie meditieren.
Wenn dies das ständige Bestreben der
Kolosser ist, dann werden sie auch die Warnung des Apostels beherzigen: Dies
aber sage ich, damit euch nicht jemand mit falschem Gerede verführt. Er macht
auf seine Worte aufmerksam, die in der gegenwärtigen Situation von großer
Bedeutung sind. Seine Zuhörer sollten seine Warnung rechtzeitig beherzigen,
bevor die Irrlehrer ihnen die Grundlage ihres Glaubens entzogen haben. Denn
diese Männer, die in ihrer Mitte ihr Unwesen trieben, bedienten sich falscher
Argumente, fadenscheiniger Reden und glänzender Überredungskünste. Um diese
Warnung zu unterstreichen, die zu allen Zeiten gilt, da die Irrlehrer immer die
gleichen Methoden anwenden, fügt Paulus hinzu: Denn wenn ich auch leiblich
abwesend bin, so bin ich doch im Geiste bei euch und freue mich und sehe eure
Ordnung und die Festigkeit eures Glaubens an Christus. Die ernste Sorge und die
Besorgnis des Paulus, von denen er oben gesprochen hatte, bewiesen, dass er im
Geiste bei ihnen war, dass er ernsthaft um ihr geistliches Wohlergehen besorgt
war, dass den Bestrebungen der Irrlehrer, die Kolosser zu verführen, begegnet
werden musste. Die christliche Liebe und Gemeinschaft, die die Gläubigen,
insbesondere die Lehrer und die Hörer, verbindet, veranlasst sie, die ernsteste
Sorge zu empfinden, sobald irgendeine Gefahr droht. Es ist nicht notwendig,
dass eine Person physisch anwesend ist, um dieses Gefühl zu haben; im
Gegenteil, die Abwesenheit verstärkt es eher noch. Gleichzeitig war Paulus in
der Lage, die stärkste Art der Bitte und Ermahnung auszusprechen, indem er
sagte, er sei voller Freude über die Ordnung, die sie einhielten, über die
feste, geordnete Haltung, die sie auszeichnete. Sie zeigten dem Feind noch
immer eine geschlossene Front. Sie waren immer noch fest in ihrem Glauben an
Christus Jesus, ihren Retter, verankert. Wenn ein Mitglied der kolossischen Gemeinde tatsächlich ins Wanken geraten wäre,
würden diese zuversichtlichen Worte des Apostels, diese Erklärung seines
Vertrauens in ihre christliche Vernunft, ihn am ehesten wieder auf den Weg des
gesunden geistlichen Denkens zurückbringen.
Der Apostel baut seine Warnung auf diese
taktvolle Annahme (V. 6-8): Diese Ermahnung war um
so wirksamer, als der Apostel die Haltung der Kolosser so freudig anerkannt
hatte. Die Tatsache seiner Anerkennung konnte in ihnen nur den eifrigsten
Willen erwecken, sich des Vertrauens des Apostels würdig zu erweisen. Außerdem
stellt Paulus die wichtigste Tatsache immer an die erste Stelle: Wie ihr nun
Christus Jesus, den Herrn, angenommen habt, so müsst ihr in ihm wandeln. Die
phrygischen Christen hatten durch den Glauben den Herrn Jesus Christus
angenommen, den, der von alters her verheißen und in seiner Menschwerdung in
der Fülle der Zeit offenbart worden war. Sie standen in der innigsten
Glaubensgemeinschaft mit diesem Erlöser. In ihm sollten sie also ihr Leben
führen, in seiner Gemeinschaft sollten sie bleiben, Joh. 15,1-6; 1,6; 3,24. In
der täglichen Erkenntnis unserer Sündhaftigkeit und Unwürdigkeit, in der
täglichen Annahme der Gnade, die sein Sühnopfer uns gebracht hat, in dem
täglichen Bemühen, vor ihm zu wandeln zu allem seinem Wohlgefallen, besteht das
christliche Leben nach seinem Willen.
Dieser gesegnete Zustand der Christen wird
vom Apostel weiter charakterisiert: Verwurzelt und erbaut in Ihm und fest
gegründet im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und reichlich darin mit
Danksagung. Wie der Baum seine Wurzeln in den reichsten Boden schlägt, um die
reinste und stärkste Nahrung aus dem Schoß der Erde zu ziehen; wie jeder Wind
und jeder Sturm den Baum veranlasst, sich mit größerer Zähigkeit an seinen Halt
in der Erde zu klammern, so sollen wir in Christus verwurzelt sein, all unsere
geistliche Kraft aus ihm schöpfen und uns umso fester an ihn klammern, je mehr
die Stürme der Bedrängnis über uns hinwegfegen. Wie die Stabilität eines
Gebäudes von der Festigkeit seines Fundaments abhängt, so ist unser Glaube, der
Christus Jesus als Grundlage und sein Wort als Halt hat, gegen alle Stürme des
Unglücks sicher, weil er im Herzen, in den Hügeln Jesu ruht. Die wahren
Christen suchen nicht nach einer neuen Lehre, die ihre Phantasie kitzelt, nach
einem neuen Führer, der ihnen einen neuen Weg zum Himmel zeigt; sie halten an
der alten Lehre von Sünde und Gnade fest, so wie sie gelehrt worden sind. Die
Offenbarung des gnädigen Willens Gottes, wie wir sie in der Bibel finden,
reicht für alle unsere Bedürfnisse aus. „Neue Offenbarungen“, „neues Licht“, „Schlüssel
zur Heiligen Schrift“, all das hat keine Daseinsberechtigung; unser Glaube ruht
auf Jesus, und das genügt für uns. In ihm können und sollen wir im Glauben mit
Danksagung überfließen, Phil. 1,9; Röm. 15,13. Wir sollten uns in Dankbarkeit
und Dankbarkeit übertreffen; diese sollten unser ganzes Herz erfüllen.
Verlorene und verdammte Sünder, wie wir in uns selbst sind, hat uns die reine
und grenzenlose Barmherzigkeit Gottes in Christus Jesus das Heil gebracht, hat
uns durch den Glauben des Heils teilhaftig gemacht. Ein Christ hat also Grund,
sich immer zu freuen, immer dankbar zu sein.
Aber diese Dankbarkeit verlangt auch eine
ständige Wachsamkeit: Hütet euch davor, dass euch jemand durch Philosophie und
eitlen Betrug nach der Überlieferung der Menschen, nach den Geboten der Welt
und nicht nach Christus zu seinem Raub macht. Die Christen müssen immer wachsam
sein, sie müssen immer ihre Augen offen haben, sie müssen immer auf der Hut
sein. Denn es gibt Menschen, die entschlossen sind, sie zu verführen, sie als
Beute wegzuführen, als Beute. Dies versuchen sie durch die Philosophie, durch
ein System von Lehren, das den Grund und den Gegenstand des Seins nur auf der
Grundlage der Vernunft erklären will. Andere Verführer versuchen, ihr Ziel
durch leeren Betrug nach den Überlieferungen der Menschen zu erreichen, indem
sie Erklärungen für göttliche Dinge anbieten, die den allgemeinen Vorstellungen
der Menschen entsprechen und fast ausnahmslos im Gegensatz zur göttlichen
Offenbarung stehen. Mit anderen Worten: Sie versuchen, nach den Vorschriften
und Regeln zu täuschen, die von den Kindern dieser Welt im Allgemeinen
aufgestellt werden. Cp. Gal. 4,3. Jeder Mensch
erwartet von Natur aus, Mittel und Wege zu finden, um durch seine eigene
Weisheit und Fähigkeit vor Gott gerecht zu werden, und Tausende von Irrlehrern
machen sich diese Neigung zunutze, indem sie einen Weg des Heils durch Werke verkünden,
indem sie bestimmte Verhaltensregeln befolgen, die für die ganze Welt ein
Maßstab sein sollen. Aber diese Vorschriften und Regeln, diese Lehre von der
eigenen Fähigkeit des Menschen, vor Gott gerecht zu werden, ist ein eitler
Betrug und entspricht nicht Christus und seiner Heilslehre. In diesen letzten
Tagen der Welt richtet kein anderer Irrtum in der Kirche so heftige
Verwüstungen an wie dieses Gebot nach der Tradition der Menschen.
Christi
Arbeit für seine Kirche führt zur Heiligung (2,9-23)
9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der
Gottheit leibhaftig. 10 Und ihr seid vollkommen in ihm, welcher ist das Haupt
aller Fürstentümer und Obrigkeit, 11 in welchem ihr auch beschnitten seid mit
der Beschneidung ohne Hände, durch Ablegung des sündlichen
Leibes im Fleisch, nämlich mit der
Beschneidung Christi, 12 in dem, dass ihr mit ihm begraben seid durch
die Taufe; in welchem ihr auch seid auferstanden durch den Glauben, den Gott
wirkt, welcher ihn auferweckt hat von den Toten 13 und hat euch auch mit ihm
lebendig gemacht, da ihr tot wart in den Sünden und in der Vorhaut eures
Fleisches, und hat uns geschenkt alle Sünden 14 und ausgetilgt die Handschrift,
so gegen uns war, welche durch Satzungen entstand und uns entgegen war, und hat
sie aus dem Mittel getan und an das Kreuz geheftet. 15 Und hat ausgezogen die
Fürstentümer und die Gewaltigen und sie Schau getragen öffentlich und einen
Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst.
16 So lasst nun niemand euch Gewissen
machen über Speise oder über Trank oder über bestimmte Feiertage oder Neumonde
oder Sabbate, 17 welches ist der Schatten von dem, was zukünftig war; aber der
Körper selbst ist in Christus. 18 Lasst euch niemand das Ziel verrücken, der
nach eigener Wahl einhergeht in Demut und Geistlichkeit der Engel, des er nie
etwas gesehen hat, und ist ohne Ursache aufgeblasen in seinem fleischlichen
Sinn 19 und hält sich nicht an dem Haupt, aus welchem der ganze Leib durch
Gelenk und Fugen Handreichung empfängt, und aneinander sich enthält und so
wächst zur göttlichen Größe. 20 So ihr denn nun abgestorben seid mit Christus
den Satzungen der Welt, was lasst ihr euch denn fangen mit Satzungen, als
lebtet ihr noch in der Welt? 21 Die da sagen: Du sollst das nicht angreifen, du
sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren, 22 welches sich doch
alles, unter Händen verzehrt, und ist Menschengebot und –lehre; 23 welche haben
einen Schein der Weisheit durch selbsterwählte Geistlichkeit und Demut und
dadurch, dass sie des Leibes nicht verschonen und dem Fleisch nicht seine Ehre
tun zu seiner Notdurft.
Der Ruhm Christi in seinem Erlösungswerk
(V. 9-15): Der Apostel bringt hier seine Gründe für die Ermahnung an die
Christen, ein Leben zu führen, das dem hohen Charakter ihrer Berufung
entspricht. Erstens haben sie Anteil an der Fülle seiner Gottheit: Denn in ihm
wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Hier wird die Gottheit Jesu
Christi eindeutig und unmissverständlich bekräftigt. Paulus sagt nicht nur,
dass er göttlich ist, dass er einige Eigenschaften Gottes hat, sondern er sagt,
dass die Gottheit, die wesentliche Majestät der Gottheit, leibhaftig in ihm
wohnt, entsprechend seinem Leib. Die Fülle der Gottheit hat in der Person, im
Leib Jesu Christi die menschliche Natur angenommen. Als der Sohn Marias in
Bethlehem geboren wurde, wurde das ewige Wort, der Sohn Gottes von Ewigkeit,
Mensch; als der Prophet von Nazareth am Kreuz starb, starb Gott selbst, denn in
seinem Leib lebte die Fülle der göttlichen Gottheit; die Fülle der wesenhaften
Gottheit hatte sich ihm so mitgeteilt, dass sie alle Funktionen des
menschlichen Leibes in sich aufnahm. Da derselbe Christus zur Rechten der
Majestät Gottes aufgefahren ist, ist er unser Bruder, unser Fleisch und Blut,
in dem die Fülle der ewigen Gottheit leibhaftig wohnt.
An dieser Fülle haben die Gläubigen teil:
In ihm werdet ihr vollendet, der das Haupt aller Fürstentümer und Gewalten ist.
In Christus erreichen die Gläubigen ihr volles Leben, in der Gemeinschaft mit
Ihm durch den Glauben werden sie mit der ganzen Fülle Gottes erfüllt, Eph.
3,19. Sie haben Leben, göttliches, reiches, aktives, fruchtbares Leben, in Ihm,
Joh. 10,11. In Ihm bleiben sie in keiner Gabe zurück, 1. Kor. 1,7. Diese
Tatsache muss umso mehr Einfluss auf die Gläubigen haben, als dieser Christus,
der mit seiner gnädigen Kraft in ihnen lebt, das Haupt aller Fürstentümer und
Mächte ist. Ihm ist das ganze Universum unterstellt, einschließlich des
Bereichs aller Engel, der guten wie der bösen. Deshalb fürchten auch wir, denen
diese Fülle verliehen wurde, keine Macht auf der Erde oder unter der Erde, da
wir Christus auf unserer Seite haben, da wir mit ihm durch die Bande des
vollkommensten Bundes verbunden sind.
Darüber hinaus haben die Christen in
Christus die Wiedergeburt und ein neues Leben durch die Taufe: In ihm seid auch
ihr beschnitten worden mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen vollzogen
wurde, in der Entkleidung des Leibes des Fleisches, in der Beschneidung des
Christus. Der Apostel, der sich hier an eine Gemeinde wendet, die hauptsächlich
aus Heidenchristen besteht, vergleicht das Sakrament, durch das sie in die
Kirche aufgenommen wurden, mit dem, durch das die Juden von einst in das äußere
Volk Gottes aufgenommen wurden. Dieses Sakrament ist in der Tat nicht wie die
Beschneidung, die mit Händen vollzogen wurde, ein leichter Eingriff am Körper,
sondern es ist ein Sakrament, in dem der Leib des Fleisches abgelegt wird, in
dem die alte, sündige Natur des Menschen wie ein schmutziges Kleid abgelegt
wird, um nie wieder angezogen zu werden. Eine Beschneidung Christi wird das
Sakrament genannt, durch das die Gläubigen des Neuen Testaments mit der Kirche
Christi verbunden werden. Alle, die an Christus glauben, sind im vollen Besitz
aller Verheißungen, die Abraham gegeben wurden und die für alle Völker gelten.
Durch dieses Sakrament der Aufnahme sind alle Gläubigen ein besonderes Volk
geworden, ein Volk, das dem Herrn geweiht ist.
Der Apostel sagt nun ausdrücklich, worauf
er sich bezieht: Mit ihm begraben in der Taufe, in der ihr auch auferweckt
worden seid durch den Glauben an das Wirken Gottes, der ihn von den Toten
auferweckt hat. Die Beschneidung Christi, das Abstreifen der sündigen Natur im
Menschen, ist die Taufe. Sie ist das sichtbare Mittel, mit dem der Herr die
Wiedergeburt in unseren Herzen bewirkt. Der alte Adam in uns wurde tödlich
verwundet, als der Herr uns in der Taufe als sein Eigentum annahm. So wird das
Bild konsequent ausgeführt: Wir sind mit Christus begraben worden durch die
Taufe in den Tod, Röm. 6,4, weil wir in der Taufe aller geistlichen Gaben
teilhaftig geworden sind, die er durch sein ganzes Leben, seinen Tod und seine
Auferstehung für uns erworben hat. Mit Christus begraben und tot für die Sünde,
werden wir nun durch das wirksame Wirken des Wortes in der Taufe auch der
Auferstehung Christi teilhaftig: Wir werden mit ihm auferweckt. Die Segnungen
seiner Erlösung werden durch den Glauben auf uns übertragen. Und zwar nicht so,
als ob dieser Glaube unser eigenes Verdienst wäre; denn es ist ein Glaube aus
dem Wirken Gottes. Als wir tot waren in Übertretungen und Sünden, hat er uns
zusammen mit Christus lebendig gemacht, Eph. 2,1.6. Er hat den Glauben in
unseren Herzen durch das Sakrament der Taufe gewirkt. Es war ein Beweis für
dieselbe göttliche Macht, durch die Gott Jesus von den Toten auferweckt hat.
Anmerkung: Der beiläufige Vergleich zwischen Beschneidung und Taufe in diesem
Abschnitt liefert ein sehr starkes Argument für die Kindertaufe; denn der Ritus
der Beschneidung, wie er von den Juden praktiziert wurde, musste am achten Tag
stattfinden, und von der Taufe wird als parallel zur Beschneidung gesprochen.
Der dritte große Vorteil unserer
Vereinigung mit Christus besteht darin, dass wir nun die Gewissheit haben, dass
uns alle Sünden und Schuld vergeben sind: Und da ihr tot wart durch
Übertretungen und die Unbeschnittenheit eures
Fleisches, hat er euch mit ihm lebendig gemacht und uns alle Übertretungen
vergeben. Der Apostel stellt hier das Werk der Wiedergeburt ähnlich dar wie in
Eph. 2,1-6: Als die Kolosser aufgrund ihrer Sünden tot waren, als sie im
geistlichen Tod lagen und der ewigen Verdammnis unterworfen waren. Dass dies
ein dauerhafter Zustand der Heiden war, zeigt Paulus, indem er von der Unbeschnittenheit ihres Fleisches spricht. Er spricht von
einem geistlichen Zustand, 5. Mose 10,16; Jer. 4,4, von der sinnlichen,
sündigen Natur der natürlichen Menschen, von ihrem ererbten Zustand des
Ungehorsams und der Feindschaft gegen Gott. Als sie sich in diesem Zustand des
geistlichen Todes befanden, als sie keine Sehnsucht nach geistlichem Leben
hatten, als alle ihre Gedanken im Widerspruch zu Gottes heiligem Wort und
Willen standen, da machte Gott sie lebendig, machte sie lebendig mit Christus,
machte sie teilhaftig an der Auferstehung und dem Leben Christi. Paulus
wechselt hier geschickt von der zweiten in die erste Person, mildert damit die
Härte des Textes und schließt sich selbst als Empfänger dieses Segens ein.
Diese große Gabe, dieser wunderbare Segen, zum geistlichen Leben erweckt zu
werden, wurde uns dadurch zuteil, dass Gott uns unsere Schuld vergab; er erließ
uns gnädig die Schuld, die uns auferlegt war.
Dieses Wunder beschreibt der Apostel im
Folgenden genauer: Er hat die Handschrift des Gesetzes, die gegen uns war,
ausgelöscht, die uns direkt entgegenstand, und er hat sie aus dem Weg geräumt,
indem er sie ans Kreuz geheftet hat. Ohne Christus stand das Gesetz vor uns wie
eine Schuldverschreibung oder ein Schuldschein, der von uns als Schuldner
ausgestellt wurde und uns immer als eine Schuld vor Augen gehalten wurde, die
beglichen werden musste. Wir waren verpflichtet, das Gesetz Gottes zu halten,
seine unerfüllten Verordnungen waren eine ständige Anklage gegen uns. Ganz
gleich, wohin wir uns wandten, um Erleichterung zu finden, das Gesetz stand vor
unseren Augen, ein unersättlicher Gläubiger. Doch dann kam Christus und
bezahlte die gesamte Schuld der Menschheit, er bezahlte die Schuld aller ihrer
Sünden, er sicherte ihnen allen eine vollständige Erlösung zu. Deshalb ist die
Handschrift ausgelöscht, der Schuldschein annulliert, seine ständige Bedrohung
zwischen Gott und uns beseitigt. Und hier verwendet Paulus in seinem Eifer,
seinen Lesern die Tatsache dieser großen Wahrheit einzuprägen, das stärkstmögliche Bild: Gott hat die Handschrift unserer
Schuld an das Kreuz geheftet. Als Christus gekreuzigt wurde, beladen mit der
Schuld der Menschen, hat Gott das Gesetz an sein Kreuz genagelt. So hatte es
Anteil an seinem Tod, so wurde es aufgehoben, so wurde es annulliert. Vgl. 2
Kor. 5, 21; Gal. 3, 13. So gibt es keine Schuld mehr, die uns verurteilt, das
Gesetz hat keine Macht mehr über uns: Der Tod Christi hat uns das ewige Leben
gebracht.
In ihm können wir also auch über alle
Mächte triumphieren, die sich uns widersetzen: Da er die Mächte und Gewalten
überwunden hat, hat er sie mit Kühnheit zur Schau gestellt und über sie
gesiegt. Gott, der in Christus war, um die Welt mit sich selbst zu versöhnen,
und der zugleich der große Herrscher und Richter des Universums war, machte die
Mächte und Gewalten zum Gegenstand der Beute und des Raubes, er entzog den
Geistern, die sich ihm widersetzten, den Engeln der Finsternis, ihre Macht und
Kraft. Die bösen Geister sind nun nicht mehr in der Lage, die Christen
anzuklagen und zu verurteilen; ein kleines Wort kann sie zu Fall bringen. Als
Beweis dafür, dass die Fürstentümer der Finsternis vollständig besiegt worden
waren, zeigte Gott sie offen, freimütig und frei. Das geschah mit jener
leichten Zuversicht und Gewissheit, die einen vollständigen und dauerhaften
Sieg kennzeichnet. Aufgrund dieser Tatsache kann jeder Christ mit dem Finger
des Spottes auf den mächtigen Geist des Bösen zeigen, solange er sich an das
Wort hält, das ihn des großen Sieges gewiss macht. Ja, Gott hat Satan und seine
Heerscharen im Kreuz triumphieren lassen. Wie ein mächtiger Feldherr, der einen
gefährlichen Gegner vollständig besiegt hat und ihn in Fesseln führt, so hat
Gott das Kreuz, sonst das Symbol der Schande und des Leids, zum Zeichen des
Sieges und des endgültigen Triumphes über alle seine Feinde gemacht. Dieser
ganze Sieg mit all seinen Segnungen gehört uns durch die Gabe Gottes, durch den
Glauben. Wir sind Sieger über das Reich der Finsternis, wir können über alle
unsere Feinde triumphieren, schon hier in der Zeit und im Jenseits in einem
einzigen glorreichen Triumphgesang in alle Ewigkeit.
Warnung vor einer falschen Gerechtigkeit
aus den Werken (V. 16-23): Nachdem der Apostel den Kolossern die herrlichen
Vorteile erklärt hat, die ihnen durch die Bekehrung und die Taufe zuteil werden, nennt er nun bestimmte Irrtümer, die sie der
Segnungen des Evangeliums zu berauben drohen. Zu diesen gefährlichen Irrtümern
gehört das jüdische Beharren auf der Einhaltung bestimmter Tage: So soll euch
nun niemand richten in Speise und Trank oder in der Frage eines Festes oder
Neumondes oder Sabbats, die ein Schatten künftiger Dinge sind; der Leib aber
ist von Christus. Dies scheint einer der Punkte gewesen zu sein, auf denen die
judaistischen Lehrer bestanden, dass die Vorschriften des Zeremonialgesetzes
noch in Kraft waren und eingehalten werden mussten. Sie wollten, dass die
Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Speisen beibehalten wird;
wahrscheinlich haben sie die Gelübde, die die Nasiräer freiwillig ablegten, zu
Gesetzen erweitert, die für das Gewissen aller Menschen verbindlich sind. Vgl. 3.
Mose 11; 10,8-11; 4. Mose 6,1-4. Sie bestanden darauf, dass die großen Feste des
Alten Testaments, die Neumonde und alle Sabbate weiterhin auf göttlichen Befehl
hin eingehalten werden mussten. Mit anderen Worten: Sie wollten, dass das
gesamte Kirchen- oder Zeremonialgesetz des Alten Testaments auch in der Zeit
des Neuen Testaments fortbesteht. Diese Leute haben auch in unseren Tagen
Nachahmer gefunden. Es gibt nicht nur spezielle Konfessionen, deren
Grundprinzip die Einhaltung des jüdischen Zeremonialgesetzes ist, sondern es
gibt in praktisch allen Konfessionen unseres Landes einzelne Lehrer, die darauf
bestehen, zumindest den Sonntag auf göttlichen Befehl hin zu halten, weil sie
glauben, dass er an die Stelle des alttestamentlichen Sabbats getreten ist.
Aber der Kommentar des heiligen Paulus zu all diesen Bemühungen ist kurz und bündig:
Lasst niemanden ein ungünstiges Urteil über euch fällen, lasst niemanden euch
wegen eurer Haltung kritisieren und verurteilen. Denn alles, was im jüdischen
Zeremonialgesetz enthalten war, diente nur als Schatten kommender Dinge; es
waren nur Typen der zukünftigen, bleibenden Werte des Neuen Testaments. Der
Leib ist Christus, in ihm sind alle Typen erfüllt und brauchen daher nicht mehr
beachtet zu werden. Vgl. Heb. 9,8-12. Wer einen beliebigen Tag als göttlich
festgesetzt wählt, wer seine Ernährung auf bestimmte, vom Herrn geforderte
Speisen und Getränke beschränkt, betrügt sich selbst, stellt sich unter das
Joch des Zeremonialgesetzes und läuft Gefahr, das Heil seiner Seele zu
verlieren. Vgl. Gal. 4,9-11.
Ein weiteres spezifisches Beispiel für den
Einfluss des Judentums, auf das Paulus hinweist, ist die abergläubische
Verehrung von Engeln: Lasst euch von niemandem betrügen (verurteilen), der sich
an der Demut und der Verehrung von Engeln ergötzt, der sich in Dinge einmischt,
die er nicht gesehen hat, der sich eitel aufbläht durch den Verstand seines
Fleisches und das Haupt nicht festhält, von dem der ganze Leib durch die
Gelenke und Bänder, die versorgt und zusammengehalten werden, den Zuwachs
Gottes vermehrt. Der Apostel bezeichnet dies kompromisslos als eine weitere Art
von Betrug, als einen weiteren Versuch, die Christen der herrlichen Segnungen
des Evangeliums zu berauben. Mit ihrer kritischen, hochmütigen Haltung
verurteilten die Irrlehrer die kolossischen Christen
dafür, dass sie an den einfachen Wahrheiten des Evangeliums festhielten; sie
deuteten an und lehrten, dass der von ihnen vertretene Weg so viel besser, so
viel höher zu loben sei. Sie hatten Vergnügen daran, das, was sie den Menschen
als Demut vorgaukeln wollten, sehr ostentativ zur Schau zu stellen; sie
befürworteten einen Kult oder eine Anbetung von Engeln. Sie versuchten, den
Anschein zu erwecken, als ob der Mensch sich selbst als zu niedrig und
unbedeutend für die Gemeinschaft mit Gott betrachten sollte, so dass er sich
damit begnügen sollte, mit Engeln zu verkehren. Unter dem Deckmantel der Demut
und Bescheidenheit wagten sie es also, in das Reich der Geister, in die
transzendentalen Regionen einzudringen. Sie unterlagen damit Wahnvorstellungen,
die sie jedoch anderen aufzwingen wollten. Ohne den geringsten Grund nahmen sie
eine Haltung der Überlegenheit ein, aufgeblasen durch den Geist ihres
Fleisches, ihrer alten sündigen Natur. Der Stolz dieser Leute, wie auch aller
ihrer Anhänger in unseren Tagen, bestand also darin, dass sie sich bei aller
ostentativen Demut erlaubten zu glauben, dass die Menschen sich nicht mit der
einfachen Erkenntnis, dem Gehorsam und dem Glauben des Evangeliums begnügen
könnten, sondern danach streben müssten, eine besondere, höhere Weisheit und
Heiligkeit zu erlangen. Das führte natürlich dazu, dass sie nicht an Christus
als dem einen Haupt der Kirche festhielten. Sie trennten sich von der
Verbindung mit Christus. Aber, wie Paulus sagt, erhält der ganze Leib der
Kirche in allen seinen Gliedern nur von ihm Kraft und Stärke, um nach dem
Willen Gottes zu wachsen. Es ist wie beim menschlichen Organismus, in dem die
verschiedenen Glieder durch Gelenke und Bänder zusammengehalten werden, weil
sie unter dieser Bedingung von den Lebenszentren, besonders vom Haupt, mit Blut
und Nervenkraft versorgt werden. Anmerkung: Niemand kann ein Glied des Leibes
Christi bleiben, wenn er nicht in einfachem Glauben an dem Erlöser und seinem
Evangelium festhält und alle Systeme und Methoden ablehnt, die in unseren Tagen
als Ersatz für die Wahrheit angeboten werden.
Der Apostel schließt diesen Abschnitt mit
einigen sehr treffenden und pointierten Bemerkungen: Wenn ihr nun mit Christus
tot seid, weg von den Rudimenten der Welt, warum lasst ihr es zu, als ob ihr in
der Welt lebt, dass euch Verordnungen auferlegt werden, (wie) Nicht anfassen,
nicht schmecken, nicht anfassen? welche Verordnungen alle in ihrem Gebrauch zum
(geistlichen) Verderben führen, nach den Geboten und Lehren der Menschen, die
den Ruf der Weisheit haben in willkürlichem Kult und Demut und Unbeugsamkeit
des Leibes, nicht zu irgendeiner Ehre, sondern (nur) zur Befriedigung des
Fleisches. Hier wendet der Apostel das Wort auf die Christen in Kolossä an. Als
sie lernten, an Christus zu glauben, starben sie mit ihm den Rudimenten, den
Vorschriften der Welt, allen zeremoniellen Gesetzen, mit denen die Menschen
hoffen, sich vor Gott etwas zu verdienen. Es versteht sich daher von selbst,
dass die Christen nicht zulassen werden, dass falsche Lehrer ihnen dieses
unnötige Joch menschlicher Verordnungen wieder auferlegen, als ob sie noch
Glieder dieser Welt wären, als ob sie noch nie von der Freiheit gehört hätten,
mit der Christus uns frei gemacht hat. Diese Gebote wurden in der Tat von den
Irrlehrern gelehrt, so wie auch die Menschen unserer Tage durch ihr Beharren
auf solchen Geboten gekennzeichnet sind: Du darfst diese Speise nicht anrühren;
du darfst jenes Getränk nicht probieren; du darfst dich nicht dabei erwischen
lassen, wie du diesem oder jenem oder einem anderen Ding frönst - alles Dinge,
die gleichgültig sind und daher zur christlichen Freiheit gehören. Wenn jemand
darauf besteht, solche Gebote als Gebote Gottes zu halten, wird das Wort auf
ihn zutreffen: Vergeblich beten sie mich an und lehren Menschengebote als
Lehren, Matth. 15,9. Das Festhalten an solchen
Geboten wird also letztlich zum geistlichen Verderben derer führen, die darauf
bestehen. Denn sie sind nichts anderes als Gebote und Lehren von Menschen, die
zwar einen großen Schein und den Ruf der Weisheit haben, als ob sie von Wert
wären, um die Menschen in der Erkenntnis eines heiligen Lebens zu fördern. Aber
es ist eine willkürliche Anbetung, ein selbstgewählter Kult, der nicht auf
Gottes Wort und Willen beruht. Die Haltung solcher Menschen ist zudem von
falscher Demut geprägt; sie geben sich sehr sanftmütig, aber am Ende erweisen
sie sich als hochmütig und unwillig, Belehrungen anzunehmen. Und schließlich
üben sie in asketischer Enthaltsamkeit eine Strenge gegenüber ihrem eigenen
Körper, die ohne Gebot und Verheißung ist. So sind alle ihre Versuche, sich vor
Gott durch eine Frömmigkeit und Gerechtigkeit auszuzeichnen, die nicht auf dem
Wort Gottes beruht, eitel und töricht. Der Apostel spricht ein einfaches Urteil
über alle diese Bemühungen aus: Ihr Ruf ist ohne wirkliche Grundlage, ohne
Ehre, die vor Gott Bestand hat, und mehr noch: Alle diese Dinge werden nur zur
Befriedigung des Fleisches getan. Die armen Irrlehrer, die versuchen, andere
Menschen in die Irre zu führen, indem sie auf Werken bestehen, die nicht von
Gott geboten sind, betrügen sich selbst mehr als alle anderen, denn schließlich
ziehen sie aus den Praktiken, die sie befürworten, ein großes Maß an
Selbstbefriedigung, mit anderen Worten, sie versuchen bewusst, sich die
Rechtfertigung vor Gott durch selbst gewählte Werke zu verdienen. Es bleibt die
Tatsache, dass alle Vorschriften, alle Lehren, alle Pläne, alle Methoden, alle
Werke, die auf das Verdienst des Menschen abzielen, Christus das Verdienst
wegnehmen und zum Scheitern verurteilt sind.
Zusammenfassung: Der
Apostel ermahnt seine Leser, im Glauben an Christus standhaft zu bleiben und
sich vor der Philosophie des Betrugs der Menschen zu hüten; er stellt ihnen den
Reichtum der Segnungen vor Augen, die ihnen durch die Bekehrung und die Taufe
zuteil geworden sind, durch die sie des Triumphes Christi teilhaftig geworden
sind; er nennt einige spezifische judaistische Irrtümer, mit denen die
Irrlehrer unter dem Deckmantel der Weisheit und der Demut ihren Glauben zu
töten bereit waren.
Die
Ausrichtung des Christen auf das, was droben ist
(3,1-4)
1 Seid ihr nun mit Christo auferstanden, so
sucht, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes. 2
Trachtet nach dem, was droben ist, und nicht nach dem, was auf Erden ist! 3
Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. 4
Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch
offenbar werden mit ihm in der Herrlichkeit.
Wie der Bibelleser feststellen wird, ist
die Ähnlichkeit zwischen Kolosser und Epheser überall offensichtlich, aber
nirgends so ausgeprägt wie in diesem Kapitel. Der Apostel bietet den Christen
hier den größten Ansporn, den er überhaupt geben kann: Wenn ihr also mit
Christus auferweckt worden seid, so sucht die Dinge, die droben sind, wo
Christus zur Rechten Gottes sitzt. Dass wir Christen mit Christus auferweckt
worden sind, dass wir mit ihm auferstanden sind, dass wir bei unserer Bekehrung
seiner Auferstehung und ihrer Segnungen teilhaftig geworden sind, das ist die
wichtigste und tiefste Grundlage unseres ganzen christlichen Lebens. „Denn, wie
der heilige Paulus hier sagt, soll das vortreffliche Werk und der höchste
Schatz der Auferstehung Christi nicht ein unnützes, unwirksames und kraftloses
Gerede oder Denken sein, wie ein totes Bild, das in Stein gehauen oder auf
Papier gemalt ist, sondern eine Kraft und Macht von der Art, dass sie auch in
uns durch den Glauben eine Auferstehung bewirkt, die er „Auferstehung mit
Christus“ nennt, das heißt, den Sünden abgestorben zu sein, der Macht des Todes
und der Hölle entrissen zu sein und Trost und Leben in Christus zu haben.“[5] Nachdem
wir des Lebens Christi und der Früchte seiner Auferstehung teilhaftig geworden
sind, nachdem wir in die innigste Gemeinschaft mit ihm eingetreten sind, folgt
daraus, dass wir nur eines im Sinn haben, dass wir unsere Gedanken auf die
Dinge richten, die oben sind. Die Christen werden zu allen Zeiten nach dem
Besitz der unsichtbaren, ewigen, heiligen, himmlischen Welt Gottes streben,
nach den ewigen Segnungen, die der erhöhte Christus ihnen in den himmlischen
Wohnungen bereitet hat. Sie werden die Ermahnung beherzigen: Richtet eure
Gedanken auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist. Unser
ganzes Denken, unser ganzes Wünschen, unser ganzes Lieben
sollte himmelwärts gerichtet sein. Die vergänglichen Dinge dieser Welt sollten
nur insofern unsere Aufmerksamkeit erregen, als wir für die Dauer dieses kurzen
Lebens Verwalter der Gaben Gottes sind. Aber Christen können ihre Zuneigung
nicht auf die Schätze, die Freuden und die Ehren dieser Welt richten. Die Dinge
dieser Welt sind bestenfalls ein Mittel zum Zweck, nämlich um dieses irdische,
physische Leben zu erhalten, damit wir das Werk verrichten können, das uns vom
Herrn gegeben wurde, um es zu tun. Im rechten Gebrauch der uns anvertrauten
irdischen Dinge denken wir wirklich an die himmlischen Dinge und streben nach
ihnen; ihr Erreichen liegt uns am Herzen.
Paulus bekräftigt seine Ermahnung: Denn ihr
seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Als der Herr
uns durch die Kraft seines Wortes bekehrte, schenkte er uns die volle
Gemeinschaft mit Christus. So sind wir Christen der Welt und den irdischen,
vergänglichen Dingen gestorben; wir haben dem Teufel und all seinen Werken und
all seinem Prunk abgeschworen. Zugleich traten wir in die Gemeinschaft des
wunderbaren Lebens Christi ein. Wir genießen nun die geheimnisvolle Vereinigung
mit Christus, die mit ihm in Gott verborgen ist. Dieses Leben, das zur Tiefe
unserer inneren Erfahrungen gehört, mag in den Augen der törichten Kinder
dieser Welt eine Torheit sein, aber für uns Christen ist es eine göttliche
Überzeugung, eine sichere Erfahrung. Zugleich sind wir durch unsere Vereinigung
mit Christus in der Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, selbst vereint. Der
Apostel hat also den stärksten Grund, so nachdrücklich zu sprechen. „Zu solchem
irdischen Verhalten, will er sagen, nach dem die Heiden und Ungläubigen
trachten, die das Wort Gottes ganz aus ihrem Sinn verdrängen und sich vom
Teufel leiten und treiben lassen, müsst ihr tot sein und damit beweisen, dass
die Auferstehung Christi in euch nicht eitle Worte, sondern lebendige Kraft
ist, die auch in euch den Beweis gibt, dass ihr auch auferstanden seid und nun
anders lebt als zuvor, nämlich nach Gottes Willen und Wort, was man ein
göttliches, himmlisches Leben nennt.“[6]
Irgendwann wird dieses Leben nicht mehr
verborgen sein: Wenn Christus erscheinen wird, der euer Leben ist, dann werdet
auch ihr mit ihm in Herrlichkeit offenbar werden. Christus, unser Erlöser, ist
unser Leben; er ist zugleich Besitzer und Quelle allen wahren, geistigen und
ewigen Lebens. Das Leben unseres Erlösers ist unser Leben, es wurde uns durch
seine gnädige Macht übertragen; er selbst ist die Essenz unseres Lebens, alle
Manifestationen des geistlichen Lebens in uns sind auf sein Leben in uns zurückzuführen.
Vgl. Röm. 6,10.11; Gal. 2,19.20. Christus wird am großen Tag seines Gerichts
offenbart werden, er wird vor aller Welt in der Majestät seiner Herrlichkeit
erscheinen. Und dann sind die Tage der Demut vorbei, dann ist die Zeit des
verborgenen Lebens zu Ende, dann werden auch wir Christen mit Ihm in der
Herrlichkeit offenbar werden, zum Erstaunen der Ungläubigen, die uns mit
unserem Glauben an den auferstandenen Christus für mehr oder weniger harmlose
oder schädliche Narren hielten; wir werden aus unserer Schmach und Dunkelheit
herausgenommen werden, um Seiner ewigen Seligkeit teilhaftig zu werden.
Den
alten Menschen ablegen, den neuen Menschen anziehen (3,5-11)
5 So tötet nun eure Glieder, die auf Erden
sind: Hurerei, Unreinigkeit, schändliche Brunst, böse Lust und den Geiz,
welcher ist Abgötterei, 6 um welcher willen kommt der Zorn Gottes über die
Kinder des Unglaubens; 7 in welchen auch ihr einst gewandelt seid, da ihr darin
lebtet. 8 Nun aber legt alles ab von euch: den Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung,
schandbare Worte aus eurem Mund. 9 Lügt nicht untereinander! Zieht den alten
Menschen mit seinen Werken aus 10 und zieht den neuen an, der da erneuert wird
zu der Erkenntnis nach dem Ebenbild des, der ihn geschaffen hat, 11 da nicht
ist Grieche, Jude, Beschneidung, Vorhaut, Nichtgrieche, Skythe, Knecht, Freier,
sondern alles und in allen Christus.
Der Apostel zeigt hier, wie das Leben der
Gläubigen in und mit Christus aussehen soll: So tötet nun eure Glieder, die auf
der Erde sind: Unzucht, Unreinheit, Begierde, böses Verlangen und Habsucht, die
Abgötterei ist. Der Apostel spricht hier von den Gliedern des Leibes in ihrem unerneuerten Zustand als Diener und Werkzeuge der Sünde und
fordert die Christen auf, sie in dieser Eigenschaft zu töten, indem sie durch
eine einzige entscheidende Handlung ihre diesbezüglichen Funktionen beenden. Vgl.
Röm. 6,13. Unter den Sünden, die von den Gliedern des Leibes begangen werden,
nennt der Apostel vor allem solche, die damals unter den Heiden weit verbreitet
waren, die sexuellen Laster: die Unzucht, wenn Menschen, die nicht Mann und
Frau sind, als Mann und Frau zusammenleben; die Unreinheit, die Unreinheit, die
Abhängigkeit von erotischen Gedanken und Handlungen im eigenen Geist und
Körper; die Begierde, die Befriedigung des sexuellen Verlangens außerhalb der
heiligen Ehe zu begehren; die böse Lust, aus der alle anderen Sünden gegen das
sechste Gebot hervorgehen. Mit diesen Sünden war oft die der Begierde
verbunden, die sich Mittel und Wege ausdachte, um den lüsternen Leidenschaften
zu frönen. Die Ungeheuer der Begierde waren gewöhnlich auch Ungeheuer der Lust.
Aber die Begierde, die die brüderliche Liebe tötet und das Herz gegen das
sanfte Wirken des Heiligen Geistes Gottes verhärtet, ist, wie der heilige
Paulus ausdrücklich sagt, Götzendienst, eine grobe Übertretung des ersten
Gebotes, Matth. 6,24. Der Glaube kann nicht in einem
Herzen leben, das dem Mammon zugetan ist, 1. Tim. 6,9.10. Und das Ende ist: Um
dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Alle
diese Dinge, alle Sünden, die der Apostel erwähnt hat, stehen unter dem Urteil
der Verurteilung Gottes; seine Gerechtigkeit und Heiligkeit verlangt die
Bestrafung des Übertreters mit dem Tod, dem ewigen Tod. Es gibt also eine
Alternative, die den Kolossern vor Augen steht: Entweder ihr tötet die Glieder,
die solche Taten begehen, oder ihr erleidet die ewige Strafe wegen eurer
Übertretungen. Alle Kinder des Ungehorsams, die sich weigern, auf den sanften
Ruf, die warnende Ermahnung des Herrn zu hören, stehen unter dem Zorn Gottes,
der sie schließlich ereilen und verurteilen wird.
Der Apostel stellt nun die kolossischen Christen in direkten Gegensatz zu den Kindern
des Unglaubens und des Ungehorsams, in denen auch ihr früher gelebt habt, als
ihr in diesen lebtet. Das sittliche Verhalten aller Menschen unterliegt von
Natur aus dem Tadel und der Verurteilung Gottes. Auch die kolossischen
Christen waren vor ihrer Bekehrung gewohnheitsmäßige Übertreter in Bezug auf
das eine oder das andere oder auf alle oben genannten Laster. Sie hatten in
diesen Lastern gelebt; sie stellten die Sphäre ihres Verhaltens dar, den
Zustand, in dem man sie vorfinden konnte. Vgl. Röm. 7,5; Eph. 2,2.
Der Gegensatz zwischen dem bekehrten und
dem unbekehrten Zustand wird noch mehr betont: Nun aber legt auch ihr alles ab:
Zorn, Wut, Bosheit, Verleumdung, Schimpfworte aus eurem Munde. Das Leben des
Heidentums, des Ungehorsams und des Unglaubens, liegt hinter den kolossischen Christen, und doch richtet der Apostel diese
dringende Ermahnung an sie, weil aufgrund der bösen Natur des Christen die
Neigung, die Neigung zu all diesen Sünden auch in ihren Herzen zu finden ist.
Das ganze Leben eines Christen ist ein Kampf gegen die Bestrebungen des alten
Adam, die Vorherrschaft in seinem Herzen zu erlangen. Es werden nur einige der
eklatantesten Vergehen genannt: Zorn, der ständige, anhaltende Zustand
äußersten Unmuts gegen den Nächsten, der so leicht in Hass gipfelt; Entrüstung
oder Wut, der plötzliche und leidenschaftliche Ausbruch, der in gewisser Weise
schlimmer ist als der niedere Zorn, da der Erregte jede Kontrolle über sich
selbst verliert; Bösartigkeit, das Gefühl, das einen Menschen dazu veranlasst,
es sich zur Gewohnheit zu machen, seinen Nächsten zu verletzen; Verleumdung,
durch die der gute Name des Nächsten in den Dreck gezogen wird; Schimpfworte
und Beleidigungen, die die Bosheit des Herzens offenbaren. Wie der schönste
Garten schnell verdorben wird, wenn das Unkraut Fuß fasst, so wird auch das
christliche Gemeinschaftsleben in Haus und Gemeinde bald völlig verdorben sein,
wenn diese Sünden Fuß fassen. Und noch eine weitere Sünde fügt der Apostel den
von ihm aufgezählten Übertretungen des Mundes hinzu: Belügt euch nicht
gegenseitig. Dass Christen einander belügen, die Wahrheit absichtlich
verdrehen, um dem Nächsten Schaden zuzufügen, ist das genaue Gegenteil ihrer
Berufung und lässt sich nicht mit dem Leben in und mit Christus vereinbaren,
dessen sie teilhaftig geworden sind. Die Lüge ist ein typisches Merkmal der
Domäne des Teufels, Joh. 8,44.
Der Apostel bringt nun das Motiv für das
richtige christliche Verhalten von einem anderen Gesichtspunkt aus: Denn ihr
habt den alten Menschen mit seinen Gebräuchen abgelegt und den neuen Menschen
angezogen, der zur Erkenntnis erneuert wird, nach dem Bild dessen, der ihn
geschaffen hat. Als sie sich bekehrten, legten die Christen den alten Menschen,
die alte sündige Natur, ab wie ein altes, schmutziges Kleidungsstück. Dieses
Ablegen schloss auch die bösen Taten und Praktiken ein, an denen sich die alte
böse Natur des Menschen erfreut, die Verleugnung des Fleisches mit all seinen
Neigungen und Begierden. Vgl. Röm. 8,13; Gal. 5,24. Das war ein einmaliger
Vorgang, er fand bei der Wiedergeburt statt; aber es ist auch ein fortgesetzter
Vorgang, denn die bösen Gedanken und Begierden im Herzen, Morde, Ehebrüche,
Unzucht, falsches Zeugnis, Lästerungen, versuchen immer wieder, den Widerstand
des Christen zu überwinden und ihn wieder in den Schmutz der Kinder des
Ungehorsams zu stürzen. Der Gläubige wird also gleichzeitig den neuen Menschen
anziehen, die von Gott geschaffene Natur, ein Produkt seiner Gnade, die in
Gerechtigkeit und Heiligkeit in der Wahrheit besteht, Eph. 4,24. Dieser neue
Mensch, diese neue, geistliche Natur des Christen, wird ständig erneuert. Solange
wir im Fleisch leben, muss dieser Prozess unaufhörlich weitergehen; wir müssen
in der Erkenntnis und zur Erkenntnis erneuert werden. Wir müssen in der
Erkenntnis des Wortes und des Willens Gottes wachsen, nach dem Bild Gottes, der
bei der Bekehrung die neue Natur in uns geschaffen hat. Wir sollen nicht nur
das Bild Gottes wiedererlangen, das Adam besaß, sondern wir werden schließlich
unseren himmlischen Vater von Angesicht zu Angesicht in ewiger Herrlichkeit und
Majestät erkennen und sehen. Je mehr wir Christen durch tägliches, betendes
Studium in die wunderbare Botschaft des Evangeliums eindringen, je mehr wir die
wunderbare Tiefe der Liebe verstehen, die in Jesus Christus geoffenbart wurde,
desto mehr prägt sich das Bild Gottes in unsere Seele ein, bis wir ihn
schließlich im Licht der ewigen Herrlichkeit so erkennen, wie wir erkannt
werden, 1. Kor. 13,12.
Was diese Erneuerung zur vollkommenen
Erkenntnis anbelangt, so sticht die Tatsache hervor: Wo nicht Grieche und Jude,
Beschneidung und Unbeschnittensein, Barbar, Skythe,
Sklave, Freier ist, sondern alles und in allem Christus. Vgl. Gal. 3,28. Wo
immer es Christen gibt, wo immer der neue Mensch geschaffen wird, da
verschwinden alle diese Unterscheidungen. Ob jemand ein Grieche ist, ein
Mensch, der in aller Weisheit dieser Welt bewandert ist, ein Angehöriger der
fortschrittlichsten und erleuchtetsten Nation der
Welt, oder ein Jude, der sich auf seine Abstammung von Abraham und auf gewisse
äußere Vorteile, die seine Nation genoss, beruft; ob jemand beschnitten oder
unbeschnitten ist: ob jemand ein Barbar oder gar ein Skythe ist, das extremste
Beispiel für Zivilisations- und Kulturlosigkeit; ob jemand ein Sklave ist und
einem irdischen Herrn unterworfen, oder frei und sein eigener Herr vor dem
irdischen Gesetz, - all diese Faktoren haben keinen Einfluss in Bezug auf die
Macht Gottes im Evangelium und in Bezug auf die Stellung des einzelnen Christen
vor Gott. Es gibt keinen Unterschied: Alle sind Sünder vor dem gerechten und
heiligen Gott, alle sind erlösungsbedürftig, für alle ist Christus am Kreuz
gestorben, für alle hat er eine vollkommene Versöhnung erwirkt, und so sind
alle Christen in einem Zustand absoluter Gleichheit vor Gott. Und Christus ist
alles und in allem. Die Fülle aller Segnungen ist in ihm zu finden, und diese
Fülle überträgt er, gibt er seinen Gliedern, den Gläubigen, Eph. 1,23. In der
Kirche als dem Gefäß, das mit der Fülle der Gnade und Barmherzigkeit Christi
und mit allen darin enthaltenen Gaben gefüllt ist, vollzieht sich die große
Vereinigung, durch die alle von Menschen gemachten Unterscheidungen aufgehoben
werden und vollkommene Liebe und Harmonie in Ihm entsteht. „Christus ist die
Gesamtheit aller Dinge, Unterscheidungen, Vorrechte, Segnungen, und darüber
hinaus ist er in allen, wohnt in allen und vereinigt SO alle in dem gemeinsamen
Element seiner selbst.“
Die
Herrschaft des Friedens Gottes und ihre Auswirkung auf verschiedene
Lebensbereiche (3,12-4,1)
12 So zieht nun an, als die Auserwählten
Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut,
Sanftmut, Geduld 13 und vertrage einer den andern, und vergebt euch
untereinander, so jemand Klage hat gegen den anderen; gleichwie Christus euch
vergeben hat, so auch ihr. 14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist
das Band der Vollkommenheit. 15 Und der Friede Gottes regiere in euren Herzen,
zu welchem ihr auch berufen seid in einem Leib; und seid dankbar. 16 Lasst das
Wort Christi unter euch reichlich wohnen in aller Weisheit. Lehrt und ermahnt
euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern und
singt dem HERRN in eurem Herzen. 17 Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit
Werken, das tut alles in dem Namen des HERRN Jesus und dankt Gott und dem Vater
durch ihn.
18 Ihr Frauen, seid untertan euren Männern
in dem HERRN, wie sich’s gebührt. 19 Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid
nicht bitter gegen sie! 20 Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen
Dingen; denn das ist dem HERRN wohlgefällig. 21 Ihr Väter, erbittert eure
Kinder nicht, auf dass sie nicht scheu werden. 22 Ihr Knechte, seid gehorsam in
allen Dingen euren leiblichen Herren, nicht mit Dienst vor Augen, als den
Menschen zu gefallen, sondern mit Einfältigkeit des Herzens und mit
Gottesfurcht. 23 Alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als dem HERRN und
nicht den Menschen; 24 und wisst, dass ihr von dem HERRN empfangen werdet die
Vergeltung des Erbes; denn ihr dient dem HERRN Christus. 25 Wer aber unrecht
tut, der wird empfangen, was er unrecht getan hat;
und gilt kein Ansehen der Person. 4,1 Ihr Herren, was recht und gleich ist, das
beweist den Knechten und wisst, dass ihr auch einen HERRN im Himmel habt.
Der Umgang der Christen mit einander
(V. 12-17): Da die Christen in Christus in Gemeinschaft verbunden sind, ist es
ihre Pflicht, ein Leben zu führen, das der Vertrautheit und Heiligkeit dieses
Bandes entspricht, und in ihrem ganzen Leben und allen ihren Handlungen die
Liebe zum Ausdruck zu bringen, die sie in Christus verbindet: Zieht also an als
Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte, ein Herz des Erbarmens, der
Freundlichkeit, der Demut, der Sanftmut, der Langmut. Dies sind wunderbare
Titel, die der Apostel auf die Christen anwendet, und seine Verwendung zeigt,
dass er ein Experte in der Kunst der evangelischen Ermahnung ist. Er nennt die
Gläubigen „Auserwählte Gottes“ und weist damit auf die Quelle und den Ursprung
aller geistlichen Segnungen Gottes hin. Gott hat die Christen in Christus vor
Grundlegung der Welt erwählt. Nach seinem Ratschluss der Liebe hat er bestimmte
Menschen aus der Masse der Erlösten dazu auserwählt, heilig und untadelig vor
ihm in Liebe zu sein. Nicht aufgrund unserer Verdienste und Werke, sondern aus
freier Gnade, nach dem Wohlgefallen seines Willens, hat er uns in Christus
erwählt. Eine Folge dieser Erwählung ist, dass wir heilig, gereinigt und
geheiligt sind durch das Blut des Lammes. Christus hat die Sünden aller
Menschen getragen und für sie alle Vergebung der Sünden erworben. Die
Gerechtigkeit Jesu wird allen zugerechnet, die an Jesus Christus als ihren
Retter glauben. Um Christi und seiner vollkommenen Gerechtigkeit willen sind
sie heilig vor dem Angesicht Gottes, ohne Flecken und Makel. Und deshalb sind
sie schließlich die Geliebten des Herrn. Um Christi willen, seines geliebten
Sohnes, liebt uns der Vater, die Fülle seines Wohlgefallens ruht auf uns, das
volle Maß seiner Liebe und Barmherzigkeit. Diese Tatsachen sind die stärksten
möglichen Anreize für ein heiliges Leben unsererseits; sie sollten uns
veranlassen, ein Herz der Sympathie und des Mitgefühls füreinander anzuziehen,
damit dieses Gefühl unser ganzes Verhalten zueinander prägt. Diesen Begriff
entfaltet der Apostel, indem er einige der Tugenden aufzählt, die mit der
christlichen Liebe und dem Mitleid verbunden sind: Freundlichkeit, eine
herzliche, liebevolle Gesinnung, die keine Härte kennt; Demut, Niedrigkeit des
Gemüts, dass ein Christ seine eigene Person immer niedriger stellt als die
aller anderen Gläubigen; Sanftmut, Milde gegen den Bruder, die selbst eine
Beleidigung übersieht und keinen Jähzorn kennt; Langmut, die nicht nur Unrecht
erträgt, sondern jeden Gedanken an Rache zurückweist und nur das Heil des
Sünders wünscht.
Wie diese christlichen Tugenden im
praktischen Leben zum Tragen kommen, zeigt der Apostel als nächstes: Vergebt
einander und vergebt einander, wenn jemand etwas zu beklagen hat; gleichwie
auch Christus euch vergeben hat, so tut auch ihr selbst. Christen sollen
einander nachsichtig sein, wörtlich: sich gegenseitig aufrecht halten. Kein
Christ ist vollkommen, solange er im Fleisch dieses Leibes wandelt, und trotz
aller Wachsamkeit werden sich Makel und Fehler zeigen. Deshalb muss es ein
solches gegenseitiges Ertragen und Helfen geben, mit viel barmherzigem
Übersehen von Kränkungen und Verletzungen, das die barmherzige Gesinnung zum
Vorschein bringt, die alle Gläubigen auszeichnen sollte. Dazu gehört aber auch
die Bereitschaft, Barmherzigkeit zu üben und zu verzeihen. Es geht nicht nur um
das Ertragen und Verzeihen, sondern auch um die herzliche Vergebung geschehener
Sünden. Das Dulden ist allgemein, das Verzeihen ist gewöhnlich eine Sache
zwischen zwei Personen; aber in beiderlei Hinsicht muss bei den Christen eine
fröhliche Bereitschaft vorhanden sein. Denn sie haben hier das Beispiel
Christi, dem sie nachzueifern und zu gleichen suchen müssen. Bei Verletzungen,
die in christlichen Gemeinden geschehen, kann man schlimmstenfalls nur von
Klagen wegen Beleidigungen sprechen im Vergleich zu der unsagbar großen Masse
an Schuld, die jedem Menschen vor Gott angelastet wird. Und doch hat Christus
sein heiliges Blut, sein göttliches Leben, freiwillig in den Tod gegeben, um
uns die Vergebung der Sünden zu verdienen. Kann es also irgendeine Frage sein,
dass wir jederzeit bereit sind, einem Mitchristen jedes Unrecht zu vergeben,
das uns angetan wird?
Das hier skizzierte zwingende Motiv und der
Grund für das barmherzige Verhalten des Christen wird von Paulus als Höhepunkt
seiner Ermahnung herausgestellt: Über allem aber steht die Liebe, die das Band
der Vollkommenheit ist. Der Apostel behält das Bild der Kleidung bei, die man
anzieht. Das letzte, prächtigste Gewand, das alle anderen Tugenden im Herzen
zusammenhält, ist der Gürtel der Liebe, der wahren, herzlichen Zuneigung zu den
Brüdern. Ohne die Liebe sind alle anderen christlichen Tugenden und Werke
nutzlos und vergeblich. Denn die Liebe ist das Band der Vollkommenheit. Wenn
die Liebe die Herzen aller Christen zusammenhält, wird das Ideal der
christlichen Vollkommenheit erreicht. Diese Liebe, so schreibt Luther, bewirkt,
dass wir Christen eines Sinnes, eines Herzens, einer Lust sind; sie verbindet
Reiche und Arme, Herrscher und Untertanen, Kranke und Gesunde, Hohe und
Niedrige, Hochgeehrte und Verachtete.
Dieser Gedanke wird im nächsten Satz
vertieft: Und der Friede Christi herrsche in euren Herzen, zu dem ihr in einem
Leib berufen seid, und werdet dankbar. Christus hat für uns die Versöhnung mit
dem Vater errungen, er hat den Frieden zwischen uns und Gott gestiftet. Diesen
Frieden schenkt er durch das Evangelium und macht uns gewiss, dass wir Gottes
liebe Kinder sind. Dieser Friede soll also in unseren Herzen herrschen, er soll
das leitende Prinzip unseres Lebens in Liebe sein. Wir sollten ihn gegenüber
den Angriffen Satans, der Welt und unseres eigenen Fleisches bewahren; wir
sollten fest an der Überzeugung festhalten, dass die Barmherzigkeit Gottes auf
uns ruht. Diese Gewissheit wird uns alle christlichen Tugenden zur Gewohnheit
werden lassen, denn unsere Herzen werden von der Freude an diesem Frieden
erfüllt sein, zu dem wir bei unserer Bekehrung berufen wurden. So wird auch die
Tatsache, dass wir Christen alle zusammen einen Leib bilden, in unserem Leben
zum Ausdruck kommen. So wird unsere Dankbarkeit Gott gegenüber, die im gleichen
Maße wächst wie unser Verständnis der Barmherzigkeit Christi uns gegenüber,
immer wieder Gelegenheit finden, ihre Wertschätzung der göttlichen Gnade zu
zeigen. Der beste Beweis für den dankbaren Zustand unseres Herzens gegenüber
Gott ist der, dass wir in unserem ganzen Leben jene Tugenden und Werke zeigen,
die sein Wohlgefallen finden.
Als Mittel, um diesen idealen Zustand bei
den Christen herbeizuführen, nennt der heilige Paulus die Erbauung durch das
Wort in Lehre und Gesang: Das Wort Christi, es wohne reichlich in euch, lehrt
und ermahnt einander in aller Weisheit mit Psalmen und Lobgesängen und
geistlichen Liedern, singt in euren Herzen Gott in der Gnade; und alles, was
ihr tut in Wort und Tat, das tut alles im Namen des Herrn Jesus, indem ihr
Gott, dem Vater, durch ihn dankt. Das Wort Christi ist nicht nur die Summe
seiner Aussprüche, wie sie in den Evangelien aufgezeichnet sind, sondern das
ganze Wort Gottes; denn davon ist Christus selbst der Anfang, die Mitte und das
Ende. Die Predigt von Sünde und Gnade muss unter den Christen wohnen, muss ihre
Heimat haben. Die christliche Religion soll nicht nur eine Angelegenheit des
Sonntags oder der Predigt allein sein; sie soll auch nicht nur ein
gelegentlicher Gast in den christlichen Häusern sein, sondern sie soll ein
Mitglied des Haushalts sein, das Tag für Tag benutzt und konsultiert wird. Der
reichhaltige Trost und die Kraft des Evangeliums sollten nicht nur vom Pfarrer
auf der Kanzel und in den Häusern, sondern auch von jedem einzelnen Christen
reichlich genutzt werden. Es enthält die richtige Weisheit und lehrt die
richtige Weisheit sowohl für die Lehre als auch für die Ermahnung. Unsere
Brüder. Ohne Liebe sind alle anderen christlichen Tugenden und Werke nutzlos
und vergeblich. Denn die Liebe ist das Band der Vollkommenheit. Wenn die Liebe
die Herzen aller Christen zusammenhält, wird das Ideal der christlichen
Vollkommenheit erreicht. Diese Liebe, so schreibt Luther, bewirkt, dass wir
Christen eines Sinnes, eines Herzens, einer Lust sind; sie verbindet Reiche und
Arme, Herrscher und Untertanen, Kranke und Gesunde, Hohe und Niedrige,
Hochgeehrte und Verachtete. Dieser Gedanke wird im nächsten Satz vertieft: Und
der Friede Christi herrsche in euren Herzen, zu dem ihr in einem Leib berufen
seid, und werdet dankbar. Christus hat für uns die Versöhnung mit dem Vater
errungen, er hat den Frieden zwischen uns und Gott gestiftet. Diesen Frieden
schenkt er durch das Evangelium und macht uns gewiss, dass wir Gottes liebe
Kinder sind. Dieser Friede soll also in unseren Herzen herrschen, er soll das
leitende Prinzip unseres Lebens in Liebe sein. Wir sollten ihn gegenüber den
Angriffen Satans, der Welt und unseres eigenen Fleisches bewahren; wir sollten
fest an der Überzeugung festhalten, dass die Barmherzigkeit Gottes auf uns
ruht. Diese Gewissheit wird uns alle christlichen Tugenden zur Gewohnheit
werden lassen, denn unsere Herzen werden von der Freude an diesem Frieden
erfüllt sein, zu dem wir bei unserer Bekehrung berufen wurden. So wird auch die
Tatsache, dass wir Christen alle zusammen einen Leib bilden, in unserem Leben
zum Ausdruck kommen. So wird unsere Dankbarkeit Gott gegenüber, die im gleichen
Maße wächst wie unser Verständnis der Barmherzigkeit Christi uns gegenüber,
immer wieder Gelegenheit finden, ihre Wertschätzung der göttlichen Gnade zu
zeigen. Der beste Beweis für den dankbaren Zustand unseres Herzens gegenüber
Gott ist der, dass wir in unserem ganzen Leben jene Tugenden und Werke zeigen,
die sein Wohlgefallen finden. Als Mittel, um diesen idealen Zustand bei den
Christen herbeizuführen, nennt der heilige Paulus die Erbauung durch das Wort
in Lehre und Gesang: Das Wort Christi, es wohne reichlich in euch, lehrt und
ermahnt einander in aller Weisheit mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen
Liedern, singt in euren Herzen Gott in der Gnade; und alles, was ihr tut in
Wort und Tat, das tut alles im Namen des Herrn Jesus, indem ihr Gott, dem
Vater, durch ihn dankt. Das Wort Christi ist nicht nur die Summe seiner
Aussprüche, wie sie in den Evangelien aufgezeichnet sind, sondern das ganze
Wort Gottes; denn davon ist Christus selbst der Anfang, die Mitte und das Ende.
Die Predigt von Sünde und Gnade muss unter den Christen wohnen, muss ihre
Heimat haben. Die christliche Religion soll nicht nur eine Angelegenheit des
Sonntags oder der Predigt allein sein; sie soll auch nicht nur ein gelegentlicher
Gast in den christlichen Häusern sein, sondern sie soll ein Mitglied des
Haushalts sein, das Tag für Tag benutzt und konsultiert wird. Der reichhaltige
Trost und die Kraft des Evangeliums sollten nicht nur vom Pfarrer auf der
Kanzel und in den Häusern, sondern auch von jedem einzelnen Christen reichlich
genutzt werden. Es enthält die richtige Weisheit und lehrt die richtige
Weisheit sowohl für die Lehre als auch für die Ermahnung. Unser ständiges
Bestreben muss es sein, nicht nur in der Erkenntnis des Heilsweges zu wachsen
und andere zu lehren, sondern uns auch gegenseitig zu ermutigen, ein
unermüdliches Interesse an der wahren Heiligung zu bewahren. Dies kann auch
durch den Gebrauch von Psalmen, der unvergleichlichen Poesie der Heiligen
Schrift, von Hymnen, die vor allem für den Gebrauch im Gottesdienst bestimmt
sind, und von geistlichen Liedern geschehen, die in Form und Inhalt eher
volkstümlich sind, aber auch von den wunderbaren Segnungen Gottes für unser
Heil erzählen. All dies soll kein bloßer Munddienst der Gläubigen sein, sondern
sie sollen gleichzeitig in ihrem Herzen zu Gott singen, und zwar mit Gnade. Die
Barmherzigkeit Gottes ist das Thema ihres dankbaren Gesangs, ihrer ständigen
Danksagung, auch wenn kein einziges Wort mit dem Mund gesprochen wird. In den
meisten Fällen jedoch kann die aufrichtige Dankbarkeit des Herzens nicht in der
Stille verbleiben, sondern der Mund wird aus der Fülle des Herzens Gott, dem
Vater aller Barmherzigkeit, Loblieder singen. Die gesamte Ermahnung des
Apostels ist daher treffend in der Regel zusammengefasst, dass sie alles, was
auch immer es ist, sei es mit Worten oder mit Taten, im Namen des Herrn Jesus
tun, durch den als unser Fürsprecher Gott, dem Vater, aller Dank gilt. Alle
unsere Worte und Taten müssen aus dem wahren Glauben an Jesus, den Erlöser,
hervorgehen und zu seiner Ehre gesprochen und ausgeführt werden, wobei alle
unsere Worte und Taten Ausdruck unserer Dankbarkeit sind.[7]
Das Verhalten der Christen in
verschiedenen Lebensbereichen [Lebensständen] (3,18-4,1): Vgl. Eph. 5,22-6,
8. Wenn der Apostel den einzelnen Gruppen von Christen besondere Anweisungen
gibt, wendet er sich zuerst an die Frauen: Ihr Frauen, seid euren Männern
untertan, wie es im Herrn sein soll. Die Unterordnung der Frau unter den Mann
entspricht der Schöpfungsordnung Gottes, 1. Tim 2,13, kein absoluter Gehorsam,
sondern ein Gehorsam, den jede christliche Frau im Herrn freudig leistet, wie
es sein soll. Wie alle Christen bereitwillig das Haupt Christi anerkennen und
ihm nach seinem geoffenbarten Wort gehorchen, so erkennen auch christliche
Ehefrauen das Haupt ihres Mannes an und gestatten ihm, in allen Dingen, die dem
Wort Gottes nicht widersprechen, die Führung zu übernehmen. Dass dennoch eine
ideale Ehe eine Partnerschaft sein kann und soll, versteht sich von selbst.
Aber der Mann hat als verantwortliches
Oberhaupt auch eine besondere Aufgabe: Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid
nicht bitter gegen sie. Die Führung, das Haupt des Ehemannes soll in der Liebe
ausgeübt werden, nicht nur in der ehelichen Liebe, die allenfalls großen
Schwankungen unterworfen wäre, sondern in der beständigen, unerschütterlichen
Zuneigung, für die er in der Liebe Christi zur Kirche ein Beispiel hat, Eph.
5,25-33. Diese Liebe kann nicht zulassen, dass sich Bitterkeit einschleicht und
die Beziehung, die der Wille Gottes verlangt, verdirbt. Der Mann ist weder Herr
über seine Frau noch Sklavenhalter ihr gegenüber, sondern der Ehemann, der
niemals durch reizbare Härte seinerseits Bitterkeit in ihrem Herzen aufkommen
lassen wird. Gleichgültigkeit und Vernachlässigung seitens des Ehemannes, sei
es durch die Sorgen und Nöte seiner Arbeit oder seines Geschäfts oder durch die
wechselnden Launen des Fleisches, sind nicht zu entschuldigen.
Zu den Kindern sagt der Apostel: Ihr
Kinder, seid in allem euren Eltern gehorsam; denn das ist wohlgefällig im
Herrn. Die Formulierung „in allen Dingen“ ist gleichbedeutend mit dem „im Herrn“
in der Parallelstelle Eph. 6,1. Die Aussage ist bewusst allgemein gehalten;
denn die Eltern sind die Vertreter Gottes gegenüber ihren Kindern, und ihre
Autorität ist die des Herrn. Ein unwilliger, mürrischer Gehorsam der Kinder
widerspricht ebenso direkt dem Buchstaben und dem Geist dieser Ermahnung wie
offener Ungehorsam. Der Herr will willige Herzen, einen Dienst der Kinder, der
aus dem Glauben und einem dankbaren Herzen gegenüber Gott fließt, dessen Gaben
die Eltern sind.
Aber nicht minder dringlich ist die
Ermahnung des Apostels an die Eltern: Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, damit
sie nicht entmutigt werden. Das erfordert sehr viel Weisheit und Geduld. Denn
wenn die Eltern ihre Kinder zu streng, ungerecht und willkürlich behandeln,
wenn sie sie durch strenge, harte Befehle und ständiges Tadeln reizen, so kann
eine solche törichte Ausübung der elterlichen Autorität die Kinder leicht
entmutigen, ihren Geist brechen, sie alle Zuneigung und Zuversicht, alle Lust
und Kraft zum Guten und gegen das Böse verlieren lassen.
Die längste Ermahnung der Reihe richtet
Paulus an die Knechte, in diesem Fall an die Sklaven, wahrscheinlich wegen des
Vorfalls, in den Onesimus verwickelt war. Er
schreibt: Ihr Knechte, seid in allem gehorsam denen, die eure Herren sind, nach
dem Fleisch, nicht in Augendienerei, sondern in Lauterkeit des Herzens, in der
Furcht des Herrn. Die Aussage "in allen Dingen" wird natürlich durch
die von Gott selbst gesetzte Grenze modifiziert, Apg. 5,29. Sklaven sind verpflichtet, ihren
irdischen Herren Gehorsam zu leisten; das ist der Wille Gottes. Sie sollen ihre
Arbeit nicht mit Augendienerei verrichten, d. h., sie sollen eifrig arbeiten,
solange das Auge des Herrn auf ihnen ruht, und danach faulenzen und die Zeit
vertrödeln. In diesem Fall wären sie bloße Menschenfresser, sie würden die
Erfüllung ihrer Pflicht nur darin sehen, die Anerkennung ihrer Herren zu
erlangen. Ein christlicher Diener wird sich daran erinnern, dass seine erste
Pflicht dem Herrn gilt, dass er danach streben sollte, ihm zu gefallen, und
dass er deshalb seine Arbeit in Einfalt des Herzens und der Absicht verrichten
sollte, nicht mit der Doppelzüngigkeit, die mit dem bloßen Dienst am Auge
einhergeht. Ein christlicher Diener ist sich stets der Gegenwart Gottes bewusst,
für den er die höchste Achtung empfindet. Sein Ziel ist es vor allem, die
Anerkennung seines himmlischen Vaters zu gewinnen.
Daraus folgt: Was immer du tust, tue es von
Herzen als für den Herrn und nicht für Menschen, weil du weißt, dass du vom
Herrn den Lohn des Erbes erhalten wirst. Obwohl christliche Diener dem Anschein
nach im unmittelbaren Dienst der Menschen stehen, sollten sie wissen, dass sie
in Wirklichkeit im Dienst Gottes stehen. Alle ihre Arbeit muss daher von Herzen
und mit recht gutem Willen getan werden. Und all dies sollte ihr bereitwilliger
Gehorsam sein, umso mehr, als sie wissen sollten, dass der Herr ihnen den Lohn
oder die Belohnung der Barmherzigkeit geben wird. Der Herr wird die treue
Arbeit eines jeden Knechtes und eines jeden Arbeiters als ein beständiges gutes
Werk um Christi willen ansehen und ihn entsprechend belohnen. In dem Erbe, das
ihnen als Kindern Gottes verheißen ist, würden die Sklaven den vollen Lohn für
all ihre harte Arbeit im Dienst ihrer Herren hier auf Erden erhalten.
Deshalb dürfen sie nie vergessen: Dient dem
Herrn Christus, denn wer Unrecht tut, der trägt, was er Unrecht getan hat, und
es gibt keine Ansehen der Person Dies ist eine Warnung des Gesetzes: Jeder
Mensch erntet, was er sät. Denn obwohl die Christen und auch die christlichen
Sklaven als Gläubige nicht mehr unter dem Gesetz stehen, sind sie wegen der
Schwäche und Verderbtheit ihres alten Fleisches und ihrer bösen Natur immer in
Gefahr, in irgendeiner Form der Sünde nachzugeben. In diesem Fall müssen sie daran
denken, dass der Übeltäter den Fluch und die Strafe für sein Übel tragen muss.
Gleichzeitig liegt der schreckliche Teil der Warnung in der Tatsache, dass das
Unrecht, das hier auf Erden begangen wird und nur wenige Augenblicke andauert,
mit ewiger Vernichtung bestraft wird. Von den christlichen Dienern wird
Gehorsam und Treue verlangt, und diejenigen, die sich in dieser Hinsicht
absichtlich vergehen, wahrscheinlich unter dem Vorwand, dass sie der wahren
christlichen Freiheit teilhaftig geworden sind, werden feststellen, dass Gott
nicht über Missetaten oder Untätigkeit hinwegsehen wird. Es macht für ihn
keinen Unterschied, ob der Sünder eine hohe gesellschaftliche Stellung in der
Welt einnimmt oder zu den niedrigsten Menschen gezählt wird; er richtet das
Herz.
Auf der anderen Seite sollten deshalb auch
die Herren die Warnung beherzigen, Kap. 4, V. 1; 4, V. 1: Ihr Herren, gebt
euren Knechten, was gerecht und gleich ist, denn ihr wisst, dass ihr auch einen
Herrn im Himmel habt. Die Behandlung, die ein Herr seinen Untergebenen,
insbesondere den Sklaven, zuteil werden lässt, sollte
von Recht und Billigkeit bestimmt sein, nicht von Willkür. Die Herren sollten
ihre Sklaven ODER ihre Sklaven, soweit es sie betrifft, als Menschen
betrachten, die ihnen gleich sind. Auf sozialer, historischer Ebene mag es
einen großen Unterschied in ihrer Stellung geben, aber durch die Schöpfung sind
alle Menschen vor Gott gleich, und diese Tatsache darf nie vergessen werden.
Der allmächtige und gerechte Herr im Himmel wird jeden Herrn zur Rechenschaft
ziehen, wie er die ihm Anvertrauten behandelt.
Zusammenfassung: Der
Apostel lenkt die Gedanken seiner Leser zum Himmel, ermahnt sie, den alten
Menschen, die sündigen Glieder auf Erden, abzulegen und den neuen Menschen mit
allen christlichen Tugenden anzuziehen, gestützt durch einen reichen Gebrauch
des Wortes Gottes; er gibt kurze Vorschriften für Ehefrauen und Ehemänner, für
Kinder und Eltern, für Sklaven und Herren.
Abschließende
Ermahnungen (4,2-6)
2 Haltet an am Gebet und wacht in diesem
mit Danksagung! 3 Und betet zugleich auch für uns, auf dass Gott uns die Tür
des Worts auftue, zu reden das Geheimnis Christi, darum ich auch gebunden bin, 4
auf dass ich dasselbe offenbare, wie ich soll reden. 5 Wandelt weise gegen die,
die draußen sind, und schickt euch in die Zeit! 6 Eure Rede sei allezeit
lieblich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten
sollt.
Der Apostel richtet hier die letzten
Ermahnungen an die phrygischen Christen, und sie sind durch ihre eindringliche
Kürze beeindruckend. Sein erster Gedanke gilt dem richtigen Gebet: Bleibt im
Gebet und wacht darin mit Danksagung. Vgl. Eph. 6,16-20. Die Christen sollen im
Gebet beharrlich sein, sie sollen ihre Bitten mit größter Beharrlichkeit vor
den Herrn bringen, 1 Thess. 5, 17. In dem Bewusstsein, dass alles Gute und jede
vollkommene Gabe von oben kommt und dass sie ohne die Hilfe ihres Vaters nichts
tun können, sollen sie sich jederzeit voller Vertrauen und Zuversicht an ihren
himmlischen Vater wenden. Im Übrigen aber sind sie wachsam in ihrem Gebet, Matth. 26,41; Mark. 14,38. Sie hüten sich sowohl vor bloßem
mechanischen Geplapper als auch vor verworrenen Gedanken bei der Darlegung
ihrer Bitten. Vor allem sollten wir unsere Gedanken unerschütterlich auf die
heilbringende Wahrheit Gottes richten, gegen jeden Angriff von Seiten Satans,
der Welt und unseres eigenen Fleisches, damit sich nicht Zweifel in uns
manifestieren und uns die vertrauensvolle Wachsamkeit aus dem Herzen nehmen.
Schließlich ist es selbstverständlich, dass wir unser Gebet mit Danksagung
verbinden, auch im Voraus, denn wir wissen, dass Gott jeden Schrei seiner
Kinder erhört, auf seine Weise und zu seiner Zeit, aber immer zu unserem
Nutzen. Wir können viel von der Zuversicht Jesu in seinem Gebet zu seinem Vater
lernen, Joh. 11,41.42.
Rechtes Gebet wird auch von eifriger
Fürbitte begleitet sein: Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür
des Wortes auftue, um das Geheimnis Christi zu reden, um dessentwillen auch ich
in Banden bin, damit ich es kundtue, wie ich reden soll. In ihrem Gebet sollten
die Christen von Kolossä auch des Apostels und seiner Mitarbeiter gedenken, vor
allem, dass Gott ihnen die Tür des Wortes öffne, dass er alle Hindernisse
beseitige, die den Fortschritt des Evangeliums behinderten. Bei allen
Vorrechten, die Paulus in seiner römischen Gefangenschaft genoss, blieb er
dennoch in seiner freien Tätigkeit für das Evangelium behindert. Die Öffnung
der Tür seiner Gefangenschaft würde daher die Öffnung einer Tür des Gesprächs
sein, damit das Evangelium wieder freien Lauf in der Welt haben könnte, soweit
es ihn betraf. Mit der Beendigung seiner Gefangenschaft würde Paulus wieder
frei sein, um das Geheimnis zu reden und zu predigen, dessen Inhalt Jesus
Christus ist, der von alters her und von Geschlechtern her verborgen war, jetzt
aber offenbar geworden ist, Kap. 1,26. Um dieses Evangeliums willen war er
gefesselt wie ein Gefangener, er war der Botschafter Christi in Banden, Eph. 6,20.
Zugleich waren alle seine Gedanken mit Sorge darauf gerichtet, dass er die
Botschaft des Evangeliums wieder verkünde, dass seine Predigt sie wieder
deutlich mache, dass er wieder befähigt werde, den Menschen ihre Herrlichkeit
zu zeigen. Dazu sah er sich aufgrund seiner apostolischen Berufung
verpflichtet. Er wartete fast ungeduldig auf die Gelegenheit, das Werk seiner
Berufung noch einmal mit der Fülle eifriger Offenheit zu tun. Anmerkung: Dieses
Wort ist auch an die Christen unserer Tage gerichtet, die gut daran tun werden,
ihre Seelsorger in ihre täglichen Gebete einzuschließen und für sie genau den
Segen zu erbitten, den der Apostel hier für sich selbst erbittet.
Der Apostel fügt nun ein Wort über das
Verhalten der Christen gegenüber den Außenstehenden, den Ungläubigen und den
Kindern der Welt, hinzu: Verhaltet euch den Außenstehenden gegenüber weise und
macht den besten Gebrauch von der Gelegenheit. Es erfordert viel Taktgefühl und
Weisheit seitens der Christen, so zu leben, dass ihr gesamtes Verhalten
gegenüber den Nichtmitgliedern der Kirche zum Nutzen des Evangeliums und zum
Lob Gottes gereicht. Ihr Verhalten muss immer so sein, dass sie für die Kirche
und ihre Segnungen werben. Eines ist sicher, nämlich dass die Kinder der Welt
die Christen jederzeit auf Anzeichen für ein Verhalten beobachten, das den
biblischen Geboten widerspricht. Deshalb sollten die Christen jede Gelegenheit
nutzen, wenn sie mit Ungläubigen zusammenkommen, um ungerechtfertigter Kritik
zuvorzukommen und sie zu beschwichtigen und so die Ausbreitung des Evangeliums
zu fördern, indem sie einige der häufigsten Hindernisse beseitigen. Vgl. 1.
Tim. 6,1; 2. Sam. 12,14.
Zu diesem Zweck mahnt auch der Apostel:
Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, damit ihr wisst, wie
ihr einem jeden Menschen antworten sollt. Zu allen Zeiten und unter allen
Umständen soll der Umgang der Christen mit den Ungläubigen von angenehmer
Höflichkeit geprägt sein, freundlich, einfach, geradlinig, ohne Affektiertheit.
Das schließt nicht aus, dass er mit dem Salz eines energischen, aber
wohltuenden Bekenntnisses gewürzt wird; er sollte treffend, auffallend,
interessant, mit einer heilsamen Pointe und Sachdienlichkeit sein. Besonders
wenn ein Feind der Kirche eine Lehre oder einen Brauch angreifen will, sollen
alle Christen bereit sein, sich angemessen zu verteidigen, in der Regel nicht
mit beißender Ironie und Härte, sondern mit einnehmender Offenheit und
überzeugender Bereitschaft, jedem zu antworten, der sie nach dem Grund der
Hoffnung fragt, die in ihnen ist, 1. Petr. 3,15. Das gehört zur Klugheit der
Schlangen und zur Wahrhaftigkeit der Tauben, die alle Christen auszeichnen
sollten.
Persönliche
Dinge, Grüße und Abschiedsgruß (4,7-18)
7 Wie es um mich steht, wird euch alles
kundtun Tychikus, der liebe Bruder und treue Diener
und Mitknecht in dem HERRN, 8 welchen ich habe darum zu euch gesandt, dass er
erfahre, wie es sich mit euch verhält, und dass er eure Herzen ermahne, 9 samt Onesimus, dem treuen und lieben Bruder, welcher von den
Euren ist. Alles, wie es hier steht, werden sie euch kundtun.
10 Es grüßen euch Aristarchus, mein
Mitgefangener, und Markus, der Neffe des Barnabas, von welchem ihr etliche
Befehle empfangen habt (so er zu euch kommt, nehmt ihn auf); 11 Und Jesus, der
da heißt Just, die aus der Beschneidung sind. Diese sind allein meine Gehilfen
am Reich Gottes, die mir ein Trost geworden sind. 12 Es grüßt euch Epaphras, der von den Euren ist, ein Knecht Christi, und
allezeit ringt für euch mit Gebeten, auf dass ihr besteht vollkommen und erfüllt
mit allem Willen Gottes. 13 Ich gebe ihm Zeugnis, dass er großen Fleiß hat um
euch und um die zu Laodicea und zu Hierapolis. 14 Es
grüßen euch Lukas, der Arzt, der Geliebte, und Demas.
15 Grüßt die Brüder zu Laodicea und den Nymphas und
die Gemeinde in seinem Haus.
16 Und wenn der Brief bei euch gelesen ist,
so schafft, dass er auch in der Gemeinde zu Laodicea gelesen werde, und dass
ihr den von Laodicea lest. 17 Und sagt dem Archippus:
Siehe auf das Amt, das du empfangen hast in dem HERRN, dass du es ausrichtest! 18
Mein Gruß mit meiner, des Paulus, Hand. Gedenkt meiner Bande! Die Gnade sei mit
euch! Amen.
Paulus gibt eine Empfehlung ab für die
Überbringer des Briefes (V. 7-9): Die Christen in Kolossä waren natürlich
begierig auf authentische Informationen über das Wohlergehen des großen
Apostels, und deshalb trifft er Vorkehrungen, um diese zu liefern. Als
Überbringer dieses Briefes schickt er Tychikus, den
er einen geliebten Bruder und einen treuen Diener und Mitknecht in Christus
nennt. Tychikus hat seine Treue vom Herrn empfangen
und seinen Dienst für den Herrn getan, und es ist das höchste Lob für einen
Pastor oder einen Arbeiter im Weinberg des Herrn, wenn diese Bezeichnungen auf
ihn angewandt werden können. Tychikus sollte die
Kolosser mit allen Informationen versorgen, die sie über den Apostel wünschten,
mit allen Umständen seiner Gefangenschaft, mit dem Trost und der Tröstung, die
er selbst empfing und anderen spendete, kurz mit allen Nachrichten, die
Christen in Bezug auf die Arbeit und das Wirken ihrer Mitchristen
interessieren. Gleichzeitig sollte sich Tychikus über
den Stand der Dinge in Kolossä informieren; denn da die kolossische
Gemeinde in Gefahr war, war Paulus natürlich um ihr geistliches Wohl besorgt. Tychikus konnte im Namen des Apostels Worte des Trostes und
des Flehens an sie richten. Paulus nennt auch Onesimus
und bezeichnet ihn als einen treuen und geliebten Bruder. Diese Empfehlung war
deshalb so notwendig, weil Onesimus als heidnischer
Flüchtling Kolossä verlassen hatte, nachdem er vor seinem Herrn Philemon
geflohen war. Nachdem er sich in Rom durch das von Paulus verkündete Evangelium
bekehrt hatte, kehrte er nun als Mitglied der Kirche nach Kolossä zurück, als
ein Bruder, der nun wirklich in ihre Mitte gehörte. Diese beiden Männer konnten
den Kolossern alles mitteilen, was in Rom geschah, was den Apostel und die
Entwicklung des Evangeliums betraf. Anmerkung: Das lebhafte Interesse, das in
den frühen Tagen des Christentums für das Wohlergehen der einzelnen Gemeinden
gezeigt wurde, könnte die Christen unserer Tage durchaus dazu anregen, in
dieser Hinsicht eine größere Aktivität zu zeigen.
Grüße von verschiedenen Personen in Rom
(V. 10-15): Die Grußformeln der Paulusbriefe sind sehr interessant, da sie
einen Einblick in die Herzlichkeit und Vertrautheit geben, die in der Frühzeit
unter den Christen herrschte. Timotheus war in der Überschrift des Briefes
erwähnt worden. Der erste Gruß, den Paulus aufzeichnet, ist der von
Aristarchus, den er einen Mitgefangenen nennt. Er stammte aus Thessalonich (Apg. 19,29; 20 4; 27,2; Philemon, V. 24) und
wurde zur gleichen Zeit nach Rom gebracht, als Paulus dort vor dem Kaiser vor
Gericht stand. Der Apostel nennt als nächstes Markus, den Neffen des Barnabas,
Apg. 12,12.25; 15,37-39; 2. Tim. 4,11. Offensichtlich hatte sich Markus in den
Augen des Apostels seit seinem Abfall in Perga, Apg.
13,13, rehabilitiert, denn er war nun wieder ein Gefährte des Apostels. Markus
war der Gemeinde in Kolossä von anderen empfohlen worden, und Paulus fügt hier
seine eigene Empfehlung hinzu, um zu zeigen, dass er volles Vertrauen in seinen
jungen Mitarbeiter hatte. Als nächstes nennt er Jesus mit dem Nachnamen Justus,
der ansonsten unbekannt ist. Diese beiden Männer, Markus und Jesus Justus,
waren die einzigen Gefährten des Paulus, die gebürtige Juden waren. Paulus lobt
sie in den höchsten Tönen und sagt, sie seien seine Mitarbeiter im Interesse
des Reiches Gottes, der Kirche, und sie seien ihm ein Trost gewesen und hätten
ihm bei besonderen Anlässen Trost gespendet.
Ein sehr wichtiger Gruß war der des Epaphras, der in der Tat einer der Kolosser war, ein Jünger
des Apostels und der Gründer nicht nur der Gemeinde in Kolossä, sondern
wahrscheinlich auch der Gemeinden in Hierapolis und Laodizea. Paulus nennt ihn einen Diener Christi Jesu, der
seine ganze Zeit damit verbringt, für seine Christen in Kolossä zu beten, damit
sie vollendet und völlig sicher in allem Willen Gottes stehen. Hierin erwies
sich Epaphras als wahrer Seelsorger, denn seine
Fürbitten stiegen ohne Unterlass zum Thron der Barmherzigkeit auf, und sein
einziger Gedanke war, dass Gott den kolossischen
Christen die Kraft geben möge, in ihrem Glauben und ihrer Heiligung vollendet
zu werden. Nur durch die Fülle der Gewissheit aus der Höhe werden die Christen
befähigt, im Willen Gottes vollkommen zu sein, in allem, was Gott will. Der
Wille Gottes findet seinen Ausdruck im Leben der Christen, und zwar um so vollkommener, je mehr sie in seiner Erkenntnis und in
der Bereitschaft wachsen, das zu tun, was ihrem himmlischen Vater wohlgefällig
ist. Paulus bezeugt auch von Epaphras, dass er immer
noch sehr um ihr Wohlergehen besorgt war, und zwar nicht nur um das ihre,
sondern auch um das der Gemeinden in Laodizea und Hierapolis in der Nachbarschaft, wahrscheinlich
ursprünglich Predigtstationen, die von Kolossä aus gegründet worden waren.
Der Apostel sendet auch Grüße von Lukas,
den er als den geliebten Arzt bezeichnet. Lukas oder Lucanus,
der Verfasser des dritten Evangeliums, hatte sich Paulus auf seiner zweiten
Missionsreise angeschlossen und ihn seitdem so oft er konnte begleitet. Zu
dieser Zeit war er sein Begleiter in der Gefangenschaft in Rom, ein geliebter
Bruder im Herrn. Demas war zu dieser Zeit noch ein
Bruder in Christus, hat aber später leider die Kirche verlassen und den Glauben
verleugnet, 2. Tim. 4,10. Schließlich bittet Paulus die Kolosser, die Gemeinde
in Laodizea zu grüßen, mit der die von Kolossä in
inniger Gemeinschaft verbunden war. Er wählt einen Nymphas
für einen besonderen Gruß aus, da er der Gastgeber einer Hausgemeinde war, wie
sie in der Frühzeit so häufig vorkam. Anmerkung: Die ersten Christen zeichneten
sich nicht nur durch die Festigkeit ihres Glaubens und die Inbrunst ihrer
brüderlichen Liebe aus, sondern sie waren auch bereit, sich selbst und alles,
was sie hatten, für das Evangelium einzusetzen.
Der Schluss (V. 16-18): Obwohl
dieser apostolische Brief an die Christen in Kolossä gerichtet war, waren seine
Lehren und Ermahnungen nicht nur für die Kolosser bestimmt. Paulus weist sie
ausdrücklich darauf hin, dass sie den Brief, nachdem sie ihn gelesen haben,
auch in der Gemeinde in Laodizea lesen lassen sollen,
deren Interesse an ihren Angelegenheiten größer sein dürfte als das jeder
anderen Gemeinde. Im Gegenzug sollten sie Schritte unternehmen, um den Brief
aus Laodizea zu lesen. Entweder handelte es sich um
den Brief an die Epheser, der von Ephesus aus an andere Gemeinden
weitergeleitet wurde, oder es handelt sich um einen Brief, der verloren ging,
wahrscheinlich bei dem Erdbeben, das im Jahr darauf viele Städte dieser Region
zerstörte.
Paulus fügt eine Botschaft an einen
gewissen Archippus bei, der wahrscheinlich Epaphras als Bischof oder Pastor der Gemeinde in Kolossä
abgelöst hatte: Achte auf das Amt, das du in dem Herrn empfangen hast, dass du
es erfüllst. Die Leitung einer christlichen Gemeinde bringt eine große
Verantwortung mit sich, und die Arbeit sollte daher stets im vollen Bewusstsein
dieser feierlichen Würde getan werden. Es ist ein Amt, das eifrig und
unermüdlich ausgeübt werden muss, denn auch heute noch wird es dem Pastor durch
die Berufung durch die Gemeinde in die Hand gegeben. Sowohl die Gemeinden als
auch die Pastoren sollten sich dieser Tatsache stets bewusst sein.
Zum Schluss fügt Paulus seinen persönlichen
Gruß mit eigener Hand hinzu, wie in anderen Briefen, 1. Kor 16,21; 2. Thess. 3,17.
Noch einmal ermahnt er die Kolosser, seiner Fesseln zu gedenken, ihn, den um
des Evangeliums willen Gefangenen, in ihren Gebeten nicht zu vergessen. Was ihn
betrifft, so ist seine ganze Liebe zu ihnen in einem Satz ausgedrückt: Gnade
sei mit euch! Die Gnade Gottes, die der Erlöser für alle Menschen erworben hat,
ist die Grundlage des Glaubens und die Kraft des Lebens der Christen. Diese
Gnade haben wir nicht aus eigener Vernunft oder Kraft, sie ist das freie
Geschenk Gottes in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.
Zusammenfassung: Der
Apostel fordert seine Leser auf, fleißig zu beten und Fürbitte für ihn
einzulegen; er schließt eine Empfehlung für Tychikus
und Onesimus ein; er sendet Grüße von verschiedenen
Gefährten in Rom; er schließt mit einem Auftrag an Archippus
und einem letzten Gruß.
Die Vorrechte, Aufgaben und Pflichten, die
sowohl den Kindern als auch den Eltern nach dem vierten Gebot obliegen, müssen
Gegenstand ständiger Belehrung und Ermahnung sein, damit der Wille Gottes, wie
ihn der Apostel an verschiedenen Stellen seiner Briefe zum Ausdruck bringt,
nicht missachtet wird. Man muss sich immer vor Augen halten, dass alle Eltern
die Vertreter Gottes gegenüber ihren Kindern sind, und dass die Kinder kostbare
Gaben Gottes sind, die den Eltern anvertraut wurden. Wenn man sich diese Tatsachen
stets vor Augen hält, wird sich die Frage des Gehorsams und der Achtung
gegenüber den Eltern von selbst regeln.
In der frühen Kindheit, solange die Kinder
noch von den Eltern in Bezug auf Pflege, Erziehung, Unterweisung und Ausbildung
abhängig sind, lehrt die Natur selbst, ganz zu schweigen vom vierten Gebot,
dass von den Kindern absoluter Gehorsam innerhalb der Grenzen von Apg. 5,29;
Eph. 6,4; Kol. 3,21 verlangt werden muss. Ein Gebot, das ein Elternteil während
der frühen Kindheit erteilt, muss von den Kindern sofort und bedingungslos
befolgt werden. Wenn Vater oder Mutter zulassen, dass Ungehorsam, Unwilligkeit,
Sturheit und andere sündige Äußerungen in dieser Zeit die Oberhand gewinnen, in
der Hoffnung, dass sich die Kinder zum Besseren wenden, wenn sie das Alter der
Vernunft und der Besonnenheit erreicht haben, untergräbt ein solcher Elternteil
seine eigene Position und ebnet den Weg für Elend und Herzenskummer in der
Zukunft. Die Worte des Herrn, Eph. 6,1-3; Kol. 3,20 und anderswo, sind zu
deutlich und nachdrücklich, um ungestraft missachtet zu werden.
Aber wo eine solche kontinuierliche
Erziehung zum Gehorsam in der Kindheit die Regel war, wo die Kinder gelernt
haben, ihren Eltern „im Herrn“ untertan zu sein, wo der Geist der Liebe, der
vom Herrn der Liebe gewirkt wurde, in ihren Herzen lebt, dort werden
christliche Eltern in der Lage sein, mit der richtigen Weisheit auf diesem
Fundament während der Jugend ihrer Söhne und Töchter aufzubauen. In dieser Zeit
werden die jungen Menschen für ihre Berufung, für ihr Lebenswerk ausgebildet;
in dieser Zeit werden die geistigen Anlagen und Fähigkeiten entwickelt. Kluge
Eltern werden es in dieser Zeit, obwohl sie immer noch auf bedingungslosen
Gehorsam bestehen, als eine Frage der richtigen Erziehung ihrer Kinder
betrachten, mit ihren heranwachsenden Jungen und Mädchen über Angelegenheiten
zu diskutieren, die ihre Interessen betreffen, und ihnen bei allem Respekt zu
erlauben, Argumente für und gegen eine bestimmte Sache vorzubringen. Das Alter
der Adoleszenz ist das kritische Alter im Leben der Kinder, sowohl was ihre
geistige als auch ihre körperliche Entwicklung betrifft, und eine unvernünftige
Absolutheit in den Forderungen, in der tyrannischen Durchsetzung von
Kleinigkeiten, kann die Herzen der Kinder für immer entfremden.
Ein noch anderes Stadium ist erreicht, wenn
die Kinder nicht mehr von den Eltern abhängig sind, wenn sie eine Stellung
eingenommen haben, in die Berufung eingetreten sind, für die sie durch die
Erziehung und Ausbildung der Eltern unter Gottes Führung vorbereitet worden
sind. Dann sind die Kinder, was die Angelegenheiten dieser Welt betrifft, von
den Eltern unabhängig. Die Eltern haben sie aus ihrer unmittelbaren Autorität
entlassen und haben kein Recht mehr, sich in die Arbeit oder den Beruf der
Kinder einzumischen. Dann ist der Zustand erreicht, von dem in Hebr. 12, 9.10
die Rede ist, wo der inspirierte Schreiber offensichtlich von der Vergangenheit
spricht. Erwachsene Kinder sollen und müssen auf eigenen Füßen stehen, in
eigener Verantwortung handeln.
Zugleich bleibt aber auch für erwachsene
Kinder das vierte Gebot in Kraft. Sie sind zwar nicht in absolutem Gehorsam an
ihre Eltern gebunden, es sei denn, sie sind verpflichtet, die Hausordnung
einzuhalten, wenn sie noch zu Hause wohnen. Aber sie stehen immer noch unter
dem Gebot, ihren Eltern als Stellvertretern Gottes alle Ehre zu erweisen und
damit in einer Position der Ehre und Achtung. Es gibt keine Grenze für die
Worte: „Damit es dir gut geht und du lange lebst auf Erden“, Eph. 6,3, und dem
Gebot: „Höre auf deinen Vater, der dich gezeugt hat, und verachte deine Mutter
nicht, wenn sie alt ist“, Spr. 23, 22. Kluge Kinder werden daher auch sehr
darauf achten, in allen wichtigen Angelegenheiten den Rat der Eltern
einzuholen. Unabhängig davon, ob die Eltern die gleichen erzieherischen
Vorteile hatten wie die Kinder oder nicht, bleibt es dabei, dass ihre größere
Erfahrung sie befähigt, die stürmische Aufbrausen der Jugend mit der
Gelassenheit eines reifen Rates auszugleichen. Dazu kann es gehören, dem
Ungestüm der Kinder in gleichgültigen Dingen nachzugeben und ihnen zu erlauben,
durch Fehler Erfahrungen zu sammeln. Wenn dieses Verhältnis zwischen Eltern und
Kindern eingehalten wird, gibt es keinen Grund, warum sie nicht im Laufe der
Jahre enger zusammenwachsen sollten, so dass sich das Wort in ihrem Fall
erfüllt: „Kindeskinder sind die Krone der Alten, und der Ruhm der Kinder sind
ihre Väter“, Spr. 17,6. Dann wird es auch selbstverständlich sein, dass Kinder
sich bemühen, es ihren Eltern recht zu machen, denn das ist Gott wohlgefällig,
1. Tim. 5,4.
Aber es gibt noch einen weiteren Punkt, der
in unseren Tagen eine gesonderte Behandlung erfordert. Nach der Heiligen
Schrift ist das Schenken von Kindern in der Ehe eindeutig das Vorrecht der
Eltern. Wenn also junge Menschen ohne die ausdrückliche oder stillschweigende
Zustimmung ihrer Eltern ein Verlöbnis eingehen, sich gegenseitig ihr
Eheversprechen geben, verstoßen sie gegen das vierte Gebot. Andererseits ist
die Autorität der Eltern in Bezug auf die Ehe ihrer Kinder nicht absolut. Sie
haben weder das Recht, ihr Kind gegen seinen Willen zu einer Ehe zu
zwingen, noch haben sie das Recht, ihre Zustimmung zu einer Ehe ohne
ausreichende und triftige Gründe zu verweigern. Wenn der Einspruch der Eltern
letztlich einem völligen Verbot der Ehe gleichkommt, verstößt er gegen das Wort
der Schrift, 1. Kor 7,2. Wo ein Gefühl der Liebe, der Ehre und des Respekts auf
der einen Seite und der Liebe, der Güte und der Rücksichtnahme auf der anderen
Seite vorhanden ist, sollten die Probleme, die mit diesem wichtigen Schritt
verbunden sind, ohne allzu große Schwierigkeiten gelöst werden können. Unter
der Herrschaft des Geistes Christi und des Gesetzes der Liebe werden die
Christen eine zufriedenstellende Lösung für jedes Problem finden, das sich
ihnen stellt.[8]
A Entnommen aus: Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. St. Louis, Missouri. Bd. 14. Groß Oesingen: Verl. der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms. 1987. Sp. 116-117
[1] Fürbringer, Einleitung in das Neue
Testament, 69
[2] Luther, 12, 376.
[3] Für vv. 9-14, vgl. Hom. Mag., 1906, 321 bis 335; Luther, 12, 962-981.
[4] Luther, 12, 648.
[5] Luther, 12,
513.
[6] Luther, 12,
516.
[7] Für VV. 12-17, vgl. Hom. Mag., 1906, 32 bis 48; Luther, 12, 381-397.
[8] Vgl. Zorn, Kolosserbrief, 487-490; Syn.-Ber., Kans., 1904. 1906. 1907; English Synod of Missouri, 1899. 1903; Keuschheit und Zucht, 44-58.