Der Brief des Apostels Paulus an die Kolosser

 

Luthers Vorrede auf die Epistel St. Pauli an die Kolosser                                              

Einleitung                                            

Kapitel 1                                              

Kapitel 2                                              

Kapitel 3                                              

Kapitel 4                                              

Gehorsam – absolut und eingeschraenkt      

 

Luthers Vorrede auf die Epistel St. Pauli an die Kolosser

1522A

 

    1. Gleichwie die Epistel an die Galater sich artet und geraten ist nach der Epistel an die Römer und eben dasselbe mit kurzem Begriff fasst, was die an die Römer weiter und reicher ausführt, so artet sich diese an die Kolosser nach der an die Epheser und fasst auch mit kurzem Begriff denselben Inhalt.

    2. Aufs erste lobt und wünscht der Apostel den Kolossern, dass sie im Glauben bleiben und zunehmen, und streicht heraus, was das Evangelium und der Glaube sei, nämlich eine Weisheit, die Christus einen HERRN und Gott erkenne, für uns gekreuzigt, der von der Welt her verborgen und nun durch sein Amt hervorgebracht sei. Das ist das erste Kapitel.

    3. Im zweiten Kapitel warnt er sie vor Menschenlehren, die allezeit dem Glauben entgegen sind, und malt diese so eben ab, wie sie nirgends in der Schrift abgemalt sind, und tadelt sie meisterlich.

    4. Im dritten ermahnt er sie, dass sie im lauteren Glauben fruchtbar seien mit allerlei guten Werken gegeneinander, und beschreibt allerlei Ständen ihre eigenen Werke.

    5. Im vierten befiehlt er sich in ihr Gebet und grüßt und stärkt sie.

 

 

EINLEITUNG

 

    Kolossä war eine Stadt im südwestlichen Teil Phrygiens, in Kleinasien, am Fluss Lycus, nicht weit von seiner Mündung in den Mäander. Sie lag auf einer Anhöhe etwa zehn oder fünfzehn Meilen südöstlich von Hierapolis und Laodizea und etwa hundert Meilen östlich von Ephesus, an der großen Karawanenstraße von der Ägäis zum Euphrat. Einst war sie ein blühendes Handelszentrum, verlor aber an Bedeutung und Bevölkerung, als andere Städte ihren Osthandel übernahmen. Etwa ein Jahr nach der Abfassung dieses Briefes wurde sie laut dem Historiker Eusebius durch ein Erdbeben zerstört, das auch einen großen Teil der benachbarten Städte verwüstete. An der Stelle des antiken Kolossä befindet sich heute eine kleine Stadt namens Konos oder Chonas. In den letzten Jahren wurden Ruinen der ehemaligen Stadt freigelegt. Die Bewohner dieses Teils Phrygiens waren eine Mischung aus Griechen, Phrygiern und Juden. Ihr Haupterwerb war das Färben von Wolle, denn die Schafe in diesem Teil Kleinasiens waren für ihr Vlies bekannt, das bei entsprechender Behandlung einen sehr feinen Glanz erhielt. Die Gemeinde in Kolossä war wie die in Hierapolis und Laodizea von Epaphras gegründet worden, einem Schüler des großen Apostels, der von vielen Gelehrten mit Epaphroditus identifiziert wird. Paulus war zwar auf seiner zweiten und dritten Missionsreise durch Phrygien gereist, Apg. 16,6; 18,23, aber er war nicht in diesen Abschnitt gekommen und kannte daher die große Mehrheit der Mitglieder nicht persönlich, Kap. 2, 1. Die Gemeinde scheint zahlenmäßig groß gewesen zu sein, Kap. 4,15; Philemon, V. 2, und bestand wahrscheinlich weitgehend aus Heidenchristen.

    Der Brief an die Kolosser wurde von Paulus in Rom geschrieben, während seiner ersten Gefangenschaft in dieser Stadt. Epaphras war nach Rom gekommen, um den Apostel zu besuchen und ihm einen Bericht über den Zustand der Gemeinde in Kolossä zu überbringen. So erfreulich die Nachrichten waren, die er über die Liebe seiner Gemeindemitglieder zum Geist, über ihre Ordnung und ihre Standhaftigkeit im Glauben überbrachte, so gab es doch gewisse Gefahren, die die junge Gemeinde bedrohten. Gewisse Irrlehrer, die sich zum Christentum bekannten, verbreiteten dennoch judaistische Ideen, verbunden mit gewissen philosophischen Spekulationen. Sie lehrten die Kolosser, dass das von Paulus gepredigte Evangelium unvollständig und unzureichend sei, dass eine höhere Weisheit und Erkenntnis als die des einfachen Christentums notwendig sei, die sie zu liefern bereit waren. Sie behaupteten, dass die Lehren des jüdischen Zeremonialgesetzes noch in Kraft seien; sie benutzten verlockende Worte, plausible Argumente; sie gaben eine Demut vor, die sie bei weitem nicht empfanden; sie übten sich in ostentativer Selbstverleugnung und behandelten ihren Körper hart: sie behaupteten, mit der Welt der Geister in Verbindung zu stehen und mit unsichtbaren Kräften kommunizieren zu können. Durch ihre Spekulationen und menschlichen Lehren und Gebote hatten sie sich in Widerspruch zur Person Christi und zu seinem stellvertretenden Tod am Kreuz gesetzt. Deshalb sah sich Paulus veranlasst, den Kolossern diesen Brief zu schreiben, der voller Bitten, Warnungen und Ermahnungen ist. Er wurde wahrscheinlich gegen Ende des Jahres 62 geschrieben und von Tychikus nach Kolossä gesandt, der von Onesimus, einem Sklaven, begleitet wurde, der als Heide seinem Herrn Philemon in Kolossä entkommen war, nun aber von Paulus bekehrt wurde und zu seinem Herrn zurückkehrte, Kol. 4,7-9: Philemon, Vv. 10.11; Eph. 6,21.22.

    Der Brief an die Kolosser, wie auch der an die Epheser, mit dem er zusammenhängt, lässt sich offensichtlich in zwei Teile gliedern, von denen der erste lehrhaft und polemisch, der zweite praktisch ist. Nach der einleitenden Begrüßung und den Dank- und Fürbittgebeten legt der Apostel ausführlich dar, dass Christus der Mittler der Schöpfung, der Erlöser der Welt und das Haupt der Kirche ist; er wird von Paulus als solcher verkündet und genügt in dieser Eigenschaft allen Menschen. Deshalb warnt er im zweiten Kapitel vor den Irrlehrern, indem er zunächst zeigt, dass die Christen durch den Glauben das wahre himmlische Geheimnis kennen und durch den Glauben die Kraft besitzen, ein Leben der Heiligung vor Gott zu führen; alles, was die Irrlehrer als Ersatz anbieten, kann daher nichts als Betrug sein. Im dritten Kapitel erinnert er seine Leser an ihre Pflicht als Christen, alle irdischen Begierden zu überwinden und in der Liebe Christi zu wandeln, ein jeder nach seinem Stand und seiner Berufung. Im vierten Kapitel schließt er seinen Brief mit der ernsten Ermahnung, unermüdlich im Gebet zu sein und in ihrem Verhältnis zu den Heiden die richtige Weisheit und den richtigen Takt anzuwenden. Es folgen persönliche Bemerkungen, Grüße aus Rom und der Schlussgruß.[1]

 

 

Kapitel 1

 

Der einleitende Gruß (1,1-2)

    1 Paulus, ein Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes, und Bruder Timotheus: 2 Den Heiligen zu Kolossä und den gläubigen Brüdern in Christus. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem HERRN Jesus Christus!

 

    Paulus definiert hier, wie üblich, seine apostolische Stellung. Er ist ein Apostel Jesu Christi, des aufgestiegenen, erhöhten Herrn. Obwohl er nicht zu den ursprünglichen zwölf Aposteln gehörte, wurde er durch den Willen Gottes zu ihrer Zahl hinzugefügt, nachdem er durch eine besondere Offenbarung Christi das von ihm zu verkündigende Evangelium empfangen hatte, Gal. 1, 11. 12, und besonders als Apostel der Heiden berufen worden war, Apg. 26,16-18; 1. Tim. 2,7; Röm. 11,13. Als seinen Bruder in Christus, als seinen Mitarbeiter am Evangelium, nennt Paulus Timotheus, damals sein Gefährte in Rom, der entweder von Philippi zurückgekehrt war oder seine Reise noch nicht angetreten hatte.

    Die Ansprache des Apostels an die kolossischen Christen lautet: Den Heiligen in Kolossä und treuen Brüdern in Christus: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater (und dem Herrn Jesus Christus). Sie sind Heilige, gereinigt durch das Blut Christi, getrennt von der sündigen Welt, Christus geweiht. Und das ist ihr Titel, weil sie im Übrigen Gläubige, gläubige Brüder, in Christus sind. Sie glauben an Christus als den Heiland der Welt und ihren Erlöser; ihr Glaube hält sie in der Gemeinschaft mit Christus, das ist der Bereich ihres Lebens und Wirkens; sie sind Brüder in ihrer gegenseitigen Beziehung; die Liebe Christi regiert all ihr Handeln gegeneinander. Alle Christen sind Heilige durch den Ruf Gottes in Christus, durch den der Glaube in ihren Herzen gewirkt wurde; sie sind durch die Bande eines gemeinsamen Glaubens, einer gemeinsamen Liebe in Christus vereint. Und deshalb gilt der einleitende Gruß des Paulus für sie alle. Die Gnade Gottes ist unser Eigentum in Christus Jesus, der uns die Gnade und den Frieden Gottes vermittelt hat, indem er uns mit Gott versöhnt hat. Dieser Gruß, dieser Segen, ist der tägliche Trost aller Gläubigen; sie vertrauen auf seine wunderbare Zusage.

 

Des Paulus Gebet in Danksagung und Fürbitte (1,3-14)

    3 Wir danken Gott, dem Vater unsers HERRN Jesus Christus, und beten allezeit für euch, 4 nachdem wir gehört haben von eurem Glauben an Christus Jesus und von der Liebe zu allen Heiligen, 5 um der Hoffnung willen, die euch beigelegt ist im Himmel, von welcher ihr zuvor gehöre habt durch das Wort der Wahrheit im Evangelium, 6 das zu euch gekommen ist wie auch in alle Welt und ist fruchtbar wie auch in euch von dem Tag an, da ihr’s gehört habt und erkannt die Gnade Gottes in der Wahrheit. 7 Wie ihr denn gelernt habt von Epaphras, unserm lieben Mitdiener, welcher ist ein treuer Diener Christi für euch, 8 der uns auch eröffnet hat eure Liebe im Geist.

    9 Deshalb auch wir von dem Tag an, da wir’s gehört haben, hören wir  nicht auf, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit Erkenntnis seines Willens in allerlei geistlicher Weisheit und Verstand, 10  dass ihr wandelt würdig dem HERRN zu allem Gefallen und fruchtbar seid  in allen guten Werken 11 und wachst in der Erkenntnis Gottes und gestärkt werdet mit aller Kraft  nach seiner herrlichen Macht in aller Geduld und Langmütigkeit mit Freuden; 12 und danksagt dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht, 13 welcher uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes, 14 an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden.

 

    Ein Gebet dankbarer Freude (V. 3-8): Es ist bezeichnend für den Apostel Paulus, dass er immer einen Grund zum Danken findet, dass er überall Beweise für Segnungen findet, dass er sich in der Notwendigkeit sieht, Gott für irgendeinen besonderen geistlichen Nutzen zu loben: Wir danken Gott und dem Vater unseres Herrn Jesus Christus und beten allezeit für euch. Inmitten einer Situation, die der Durchschnittsmensch als ausgesprochen düster und unangenehm empfunden hätte, verschwendet Paulus keine Zeit mit Klagen. Er betete ständig und gewohnheitsmäßig für seine Leser, für alle Christen. Und sein Gebet war in erster Linie ein Gebet des Dankes. Als er die herrlichen Früchte des Evangeliums in den verschiedenen Gemeinden sah, stiegen Lob und Dank von seinem Herzen zu seinen Lippen auf und ergossen sich in Worten, in Segensliedern. An Gott, den Geber aller guten Gaben, richtete er sein Dankgebet; denn dieser Gott ist zugleich der Vater unseres Herrn Jesus Christus und damit unser Vater durch das Sühnewerk Christi. Der Wille Gottes und der Wille Jesu Christi zu unserer Erlösung waren identisch. Wir dürfen ein festes und sicheres Vertrauen und einen Glauben an unseren himmlischen Vater durch Christus haben, ein kindliches Vertrauen in seinen gnädigen Willen, weil wir wissen, dass er die Schreie seiner Kinder immer erhört.

    Den Anlass für Paulus‘ Danksagung nennt er mit den Worten: Ich habe von eurem Glauben an Christus Jesus gehört und von der Liebe, die ihr zu allen Heiligen habt, um der Hoffnung willen, die für euch im Himmel aufbewahrt wird. Der Bericht, der Paulus über den Zustand der Gemeinde in Kolossä erreicht hatte, sprach in glühenden Worten von ihrem Glauben, der in Christus Jesus, dem Retter, seinen Mittelpunkt hatte und auf ihm ruhte. Denn die Liebe, die die kolossischen Christen allen Heiligen entgegenbrachten, die wahre Bruderliebe, die sich mit allen nahen und fernen Heiligen verbunden fühlt und dieses Gefühl bei jeder Gelegenheit praktisch unter Beweis stellt, war ein reiches Zeugnis für diesen Glauben. Man beachte, dass Paulus hier auf den universalen Charakter der christlichen Kirche hinweist. In Jesus Christus sind alle Unterschiede des Ranges, des Standes und des Geschlechts vergessen, denn in ihm, durch sein Blut, sind wir eins. Unter diesen Bedingungen konnte Paulus in Kolossä Dank sagen für die Hoffnung, die für sie im Himmel aufbewahrt wurde. Da sie die untrüglichen Zeichen eines wahren Christseins zeigten, war Paulus sicher, dass der Gegenstand ihrer christlichen Hoffnung, ihr Erbe als Kinder Gottes, für sie im Himmel aufbewahrt wurde. Es ist die Hoffnung, zu der wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten gezeugt worden sind, das unvergängliche und unbefleckte Erbe, das nicht vergeht, 1. Petr 1,3-6. Nach dem vollen Besitz und Genuss dieser Hoffnung sehnen wir uns mit inbrünstigem Verlangen, aber auch mit der ruhigen Gewissheit, die auf der Verheißung des Herrn beruht.

    Von dieser Hoffnung der Christen schreibt der Apostel weiter: Von der ihr zuvor im Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich dem Evangelium, das, nachdem es gekommen ist, bei euch wie auch in der ganzen Welt gegenwärtig ist und Frucht bringt und zunimmt wie auch in euch, seit dem Tag, da ihr es gehört und die Gnade Gottes in der Wahrheit erkannt habt. Die Hoffnung auf das himmlische Erbe wurde ihnen vor Augen gestellt, die Gewissheit, das Geschenk des Himmels zu erhalten, wurde ihnen im Wort der ewigen Wahrheit, dem Evangelium, garantiert. Was Gott seinen Gläubigen in diesem Wort versprochen hat, ist eine sichere, unfehlbare Wahrheit, auf die man sich zu allen Zeiten und unter allen Umständen mit einer Gewissheit verlassen kann, die keinen Zweifel kennt. Als das Evangelium den Kolossern zum ersten Mal gebracht wurde, hatte es ihnen die Nachricht von dieser Hoffnung in Christus gebracht, die in ihm von Ewigkeit her vorhanden war. Und was sie damals gelernt hatten, bestätigt Paulus hier mit der Autorität seiner apostolischen Lehre. Dieses Evangelium hatte auf seinem Weg durch die Welt, wie ein Reisender, der von einer Stadt zur anderen zieht, auch ihre Stadt erreicht und war dort geblieben, um ihnen die Nachricht von der großen Freude zu bringen. Der Einfluss des Evangeliums breitet sich gewöhnlich nicht mit unwiderstehlichen, vernichtenden Schlägen aus, sondern er kommt mit stetigem Eindringen und gewinnt ein Herz nach dem anderen für die Sache des Herrn. Das war der Fortschritt in Kolossä, das ist der Fortschritt in der ganzen Welt. Die Botschaft ist kein eitler und unwirksamer Schall, sondern sie bringt Frucht in Tugenden und guten Werken, Jes. 55,10.11. Die Botschaft Christi dringt in ein Herz ein, wirkt Überzeugung, Glaube und Liebe; sie erreicht andere, und derselbe Vorgang wiederholt sich, es gibt ein ständiges Wachstum und eine Vermehrung ihrer Anhänger. Vom ersten Tag an, an dem das Evangelium in Kolossä eingeführt wurde, war dies der Fall, denn schon damals waren einige von ihnen zur Erkenntnis und zum Verständnis der Gnade Gottes gekommen. Denn da das Evangelium ihnen zuerst von Epaphras gebracht wurde, wurde es in Echtheit und Aufrichtigkeit gepredigt; und sie hatten es in demselben Sinne angenommen, in seiner echten Wirklichkeit und nicht in der Form der schlechten Nachahmung, die kürzlich eingeführt worden war. ALLE wahre christliche Erkenntnis muss sich einzig und allein auf das Wort der Wahrheit im Evangelium stützen, nicht auf menschliche Ideen und Meinungen.

    Dies wird vom Apostel betont, wenn er schreibt: So wie ihr es von Epaphras gelernt habt, unserem geliebten Mitknecht, der in eurem Namen ein treuer Diener Christi ist, der uns auch eure Liebe im Geist kundgetan hat. Epaphras hatte die Gemeinde in Kolossä gegründet und aufgebaut. Er war ein Schüler und lieber Mitarbeiter des Paulus, ein treuer, unermüdlicher Diener Christi zum Wohle der Kolosser. Und diese hatten seine Botschaft aufgenommen, die Paulus hier mit dem Siegel seiner apostolischen Zustimmung versieht; sie hatten ihren Glauben auf diese Lehre gegründet; sie hatten die Gnade Gottes in Wahrheit erkannt und angenommen. Da Epaphras außerdem mit dieser Gemeinde in Verbindung geblieben war, hatte seine Sorge um ihr Wohlergehen ihn nach Rom getrieben, um den Apostel zu suchen, als die judaisierenden Lehrer in Kolossä aufgetaucht waren. Paulus versichert seinen Lesern, dass der Bericht, der durch Epaphras zu ihm gekommen war, sehr zufriedenstellend war, denn er erklärte ihre Liebe im Geist. Obwohl sie Paulus nicht persönlich kannten, hatten sie das Evangelium aus dem Mund eines seiner Schüler empfangen und den großen Lehrer der Heiden lieben gelernt. Es war eine Liebe im Heiligen Geist, dessen Kraft immer in den Herzen der Gläubigen wirksam ist, und es war eine Liebe, die natürlich alle Brüder überall einschloss. All diese Tatsachen gaben Paulus Anlass zur Danksagung.

 

    Des Apostels Fürbitte für die kolossischen Christen (V. 9-14): Der gute Bericht aus Kolossä, der Paulus zu einem Dankgebet veranlasst hatte, veranlasst ihn nun auch zu einer ernsten Fürbitte für die Gemeinde in Kolossä: Darum hören wir auch nicht auf, seit dem Tag, an dem wir es gehört haben, für euch zu beten und zu wünschen, dass ihr nach dem Verständnis seines Willens in aller Weisheit und geistlichen Einsicht erfüllt werdet. Gerade dann, wenn der Zustand einer Gemeinde am erfreulichsten und hoffnungsvollsten ist, ist dieses Gebet für den weiteren Erfolg des Evangeliums am notwendigsten. Das Gebet des Paulus war vom ersten Tag an, an dem ihn die gute Nachricht aus Kolossä erreichte, unablässig gewesen. Aber es gipfelte in einer konkreten Bitte, in einer konkreten Bitte, in einem herzlichen, dringenden Flehen. Er wollte, dass die Christen in Kolossä mit dem Verständnis, mit der Erkenntnis des Willens Gottes erfüllt werden. ALLE Christen sollten wissen, dass der Bereich des gnädigen Willens Gottes sich auf sie erstreckt, dass Gottes Gedanken ihnen gegenüber, wie gegenüber allen Menschen, Gedanken des Friedens und der Barmherzigkeit und der Liebe sind. Diese Erkenntnis ist seit dem Beginn des Glaubens in ihren Herzen, aber sie muss immer vollständiger und vollkommener werden. Die wahre und vollständige Erkenntnis des gnädigen Willens Gottes in Jesus Christus wird nicht nur durch den Glauben im Herzen bewirkt, sondern durch das Evangelium in ihrer Gewissheit erhalten und vermehrt. Sie wird darüber hinaus in aller Weisheit und geistlichen Einsicht bewirkt. Der erleuchtete Geist des Christen stützt sich auf die wunderbaren Wahrheiten des Evangeliums und versucht, immer tiefer in sie einzudringen. Die Erkenntnis Gottes wirkt wahre Weisheit in uns, sie vermehrt das geistliche Verständnis in unseren Herzen. All dies ist das Werk des Geistes, es kann nicht durch eine rein natürliche Entwicklung des menschlichen Geisteslebens bewirkt werden, es ist eine Erleuchtung von oben. Auf diese Weise schreitet der Christ Tag für Tag der Vollkommenheit der Gotteserkenntnis entgegen, die im Himmel ihre Vollendung finden wird.

    Das Ziel einer solchen Erkenntnis und eines solchen Wissens ist: Zu wandeln, ein Leben zu führen, das des Herrn würdig ist, zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk, das Frucht bringt und wächst durch die Erkenntnis Gottes. Wenn ein Christ mit der Weisheit und Erkenntnis von oben ausgestattet ist, wenn die Augen seines Verstandes durch die Kraft des Geistes erleuchtet sind, dann ist er in der Lage, die richtige Wahl der Lebenswege zu treffen, dann weiß er, was dem Herrn unter bestimmten Umständen, in bestimmten Positionen und Situationen gefällt. Dann wird es sein Ziel sein, sich jederzeit so zu verhalten, dass es mit der erhabenen Stellung des Herrn übereinstimmt, und alles zu vermeiden, was geeignet ist, Schande und Schmach über den Namen Christi zu bringen. Das Leben und Verhalten eines Gläubigen muss Christus wohlgefällig sein, damit alles, was er sagt oder tut, die Zustimmung dessen findet, dessen Namen der Christ trägt. „Dazu soll unsere Weisheit und Erkenntnis in der Erkenntnis Gottes dienen und von Nutzen sein, dass wir solche Menschen werden, die Gott zur Ehre und zum Lobe gereichen, dass er durch uns gepriesen wird und dass wir so zum Wohlgefallen Gottes leben und ihm in jeder Weise gefallen, wie es seinem Wort entspricht.“[2] Dies geschieht vor allem, wenn die Christen in jedem guten Werk Frucht bringen. Die Früchte des Glaubens eines Christen sind seine guten Werke, wie der Apostel schreibt, Gal. 5,22. In jedem guten Werk soll der Christ tüchtig werden, nicht nur in diesem oder jenem Einzelfall, der ihm gerade in den Sinn kommt. Auf diese Weise wachsen die Gläubigen durch die Erkenntnis Gottes, sie nehmen an Heiligung zu, machen Fortschritte in jedem guten Werk, weil sie zum Manne heranwachsen, zu der vollen Statur, die der Wille Gottes verlangt. Die Erkenntnis Gottes ist also das Mittel, das Instrument unseres geistlichen Wachstums. In dem Maße, in dem wir Gott in seinem Wesen immer besser kennenlernen, schreiten wir auch in der Erkenntnis seines Willens voran und werden so befähigt, in unserem Verhalten und Leben so voranzuschreiten, dass wir in jeder Hinsicht die Zustimmung Gottes finden.

    Ein weiterer Punkt, nach dem die Christen streben sollten, ist: in aller Kraft stark gemacht nach der Macht seiner Herrlichkeit zu aller Geduld und Langmut. Es ist für die Gläubigen unmöglich, aus eigener Vernunft und Kraft das Leben zu führen, das der Wille Gottes verlangt. Aber sie haben eine Quelle der Kraft und der geistlichen Macht, die unbegrenzt ist, weil sie aus dem göttlichen Vorrat fließt. Sie werden mit der Kraft von oben gestärkt, und die so gewonnene Stärke wenden sie in jeder Richtung an, in allen Anstrengungen des Willens und des Verstandes, im Haus und außerhalb des Hauses, in der Kirche und außerhalb der Kirche. Gott gibt diese Kraft im Verhältnis zu seiner eigenen allmächtigen Macht; denn durch diese Kraft wird seine Herrlichkeit offenbart, zuerst dem Gläubigen und durch ihn allen, mit denen er in Berührung kommt. Vor allem aber befähigt die Kraft Gottes den Christen, in Zeiten der Bedrängnis, wenn Armut, Krankheit und verschiedene zeitliche Bedrängnisse, wenn Hohn, Spott und Verfolgung über ihn hereinbrechen, die richtige Haltung einzunehmen. Dann sind Geduld und Langmut nötig, die der Gläubige nicht aus eigener Kraft erlangen kann, sondern die ihm nach dem Maß der Majestät und Herrlichkeit Gottes zukommen müssen. In seiner Kraft kann er alle Leiden und Bedrängnisse bis zum Ende geduldig ertragen, wenn er nur bald betet.

    Ein weiteres Merkmal der Lebensführung des Christen ist: Mit Freude Gott, dem Vater, zu danken, der uns befähigt hat, an dem Erbe der Heiligen im Licht teilzuhaben. Die Danksagung der Gläubigen ist keine, die ihnen von einem Pflichtgefühl diktiert wird: Sie ist eine freie und freudige, fast spontane Entfaltung ihrer Beziehung zu Gott. Ihr ganzes Leben, sowohl in guten als auch in schlechten Tagen, sowohl in Freude als auch in Trauer, ist ein einziger ständiger Kreis des Dankes an Gott für seine unaussprechlichen Gaben. Diese Haltung und ihr Ausdruck werden in den Christen dadurch bewirkt, dass sie erkennen, dass Gott ihr Vater ist. Wenn sie sich diese Tatsache vor Augen halten, dass der Vater im Himmel, der große Gott des Himmels und der Erde, das Leben seiner Kinder nach seinem gnädigen und guten Willen lenkt und leitet und dass er sie sicher nach Hause führen wird, sei es durch Wolken oder durch Sonnenschein, werden diese Kinder immer neuen Grund zur Freude finden, und ihr Lobpreis seiner väterlichen Liebe und Fürsorge wird immer aufrichtiger und freudiger sein. Aber die wunderbarste Gabe des himmlischen Vaters ist die, dass er uns bereit gemacht hat, uns befähigt hat, am Erbe der Heiligen im Licht teilzuhaben. Zwei Dinge werden hier über das Erbe des Himmels gesagt: erstens, dass es den Heiligen gehört, da es für alle Gläubigen bestimmt ist; zweitens, dass es im Licht besteht. Die endgültige, ewige Herrlichkeit des Heils, die Vollendung und Verwirklichung der höchsten Hoffnungen der Christen, wird den Gläubigen durch die freie Gnade Gottes geschenkt. Dazu hat er uns bereit gemacht, indem er sich unseres sündigen Zustandes erbarmt hat, indem er uns durch den Glauben an Christus Jesus zu seinen Kindern gemacht hat, indem er uns die Herrlichkeit des Himmels zu unserem ewigen Besitz zugesichert hat. Es ist keine ungewisse, unbestimmte Erwartung, mit der die Christen ihren eigenen Mut zu stärken versuchen, sondern eine feste Gewissheit, die auf der Verheißung des immer treuen Gottes beruht.

    Dieser Gedanke wird nun ausführlicher dargelegt: Der uns aus der Macht der Finsternis herausgerissen und in das Reich seines geliebten Sohnes versetzt hat, in dem wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden haben. Von Natur aus waren wir Christen mit allen anderen Menschen unter der Macht, in der Sklaverei der Finsternis, im Reich des Satans, wo es nur Fluch, Zorn, Strafe, Verdammnis gibt, keinen einzigen Lichtstrahl und keine Hoffnung. Als Sünder waren wir von Natur aus in dieser Sklaverei gefangen und konnten nur auf Tod und Verdammnis hoffen. Aber Gott rettete uns, er riss uns gewaltsam aus der Macht des Teufels. Durch dieselbe Tat und zur gleichen Zeit versetzte er uns in das Reich seines geliebten Sohnes, unseres Erlösers Jesus Christus, und gab uns einen Platz darin. Indem Gott seinen einen, seinen geliebten Sohn, in dem sich die volle Liebe des Vaters verwirklicht, in diese Welt gesandt hat, indem er ihn um unseretwillen in den Tod gab und die Welt mit sich versöhnte, hat er das Reich seines Sohnes, die Kirche, das Reich des Lichts, errichtet, in dem Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist allgegenwärtig sind. Darüber hinaus hat er uns durch das Wirken des Glaubens in unseren Herzen zu Bürgern dieses Reiches gemacht; wir sind Christi Eigentum und leben unter ihm in seinem Reich und dienen ihm in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Glückseligkeit. In Christus haben wir durch sein Sühnewerk die Erlösung erlangt; er hat das Lösegeld bezahlt, durch das wir von der Macht des Satans befreit wurden. In seiner unermesslichen Barmherzigkeit und Liebe zu uns gab sich Christus als unser Stellvertreter hin und vergoss sein heiliges Blut, um unsere Schuld an Sünden und Übertretungen zu bezahlen. In Ihm haben wir nun Vergebung der Sünden; denn Sein Blut reinigt uns von allen Sünden, es macht uns frei von ihrer Schuld und Macht. Diese Befreiung mit allen daraus resultierenden Segnungen ist unser bleibender Besitz.[3]

 

Das Werk des erhöhten Christus durch das Mittel des Amtes (1,15-29)

    15  Welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor allen Kreaturen. 16 Denn durch ihn ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, beide, die Thronen und Herrschaften und Fürstentümer und Obrigkeiten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. 17 Und er ist vor allen; und es besteht alles in ihm. 18 Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde; welcher ist der Anfang und der Erstgeborene von den Toten, auf dass er in allen Dingen den Vorrang habe. 19 Denn es ist das Wohlgefallen gewesen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte, 20 und alles durch ihn versöhnt würde zu ihm selbst, es sei auf Erden oder im Himmel, damit, dass er Frieden machte durch das Blut an seinem Kreuz durch sich selbst.

    21 Und euch, die ihr einst Fremde und Feinde wart durch die Vernunft in bösen Werken, 22 nun aber hat er euch versöhnt mit dem Leib seines Fleisches durch den Tod, auf dass er euch darstellte heilig und unsträflich und ohne Tadel vor ihm selbst, 23 so ihr anders bleibt im Glauben gegründet und fest und unbeweglich von der Hoffnung des Evangeliums, welches ihr gehört habt, welches gepredigt ist unter aller Kreatur, die unter dem Himmel ist, welches ich, Paulus, Diener worden bin.

    24 Nun freue ich mich in meinem Leiden, das ich für euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an Trübsalen in Christus für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde, 25 welcher ich ein Diener geworden bin nach dem göttlichen Predigtamt, das  mir gegeben ist unter euch, dass ich das Wort Gottes reichlich predigen  soll, 26  nämlich das Geheimnis, das verborgen gewesen ist von der Welt her und  von den Zeiten her, nun aber offenbart ist seinen Heiligen, 27  welchen Gott gewollt hat kundtun, welcher da sei der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden, welches ist Christus in euch, der da ist die Hoffnung der Herrlichkeit, 28 den wir verkündigen, und ermahnen alle Menschen und lehren alle Menschen mit aller Weisheit, auf dass wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christus Jesus, 29 daran ich auch arbeite und ringe nach der Wirkung des, der in mir  kräftiglich wirkt.

 

    Jesus Christus alles in allem (V. 15-20): Dieser Abschnitt ist einer der wunderbarsten und umfassendsten im ganzen Neuen Testament, denn der Apostel hat in diesen wenigen Sätzen fast die gesamte Lehre über die Person und das Amt Christi zusammengefasst. Von Jesus Christus, dessen Erlösungswerk er soeben in seinen wichtigsten Teilen beschrieben hat, sagt der Apostel: Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Das Wesen Gottes ist so beschaffen, dass er sich den menschlichen Sinnen entzieht; kein Mensch hat ihn gesehen und kann ihn sehen, 1 Tim. 6, 16; 1. Johannes 4, 12; Johannes 1, 18. Aber Gott hatte beschlossen, sich den Menschen in Jesus Christus, seinem Sohn, als seinem Ebenbild zu offenbaren, in dem und durch den wir den Vater sehen können, Johannes 14, 7-10; 1 Joh 1, 1-3. In Jesus Christus ist der unsichtbare, der unerkennbare Gott uns sichtbar und bekannt geworden, in ihm hat Gott in unsere Herzen geleuchtet, um uns das Licht der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi zu geben, 2 Kor 4, 6. in ihm, der das ewige und lebendige und persönliche Ebenbild des Vaters ist, von demselben Wesen wie der Vater, ist die ewige Liebe, das gnädige und barmherzige Wesen des Vaters, den Menschen offenbart worden. Jesus ist übrigens der Erstgeborene der ganzen Schöpfung; er ist vor ihnen und über ihnen, sowohl in der Zeit als auch im Rang, er ist allen Geschöpfen überlegen, Hebr. 1, 6. Luther hat Recht, wenn er sagt, dass die Bezeichnung des Erstgeborenen in diesem Zusammenhang die Bezeichnung des wahren Gottes bedeutet.[4]

    Wie viel in diesen Worten enthalten ist, zeigt der Apostel im Folgenden: Denn in ihm ist alles geschaffen in den Himmeln und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten; alles ist durch ihn und für ihn geschaffen, und er selbst ist vor allem, und in ihm besteht alles. Die ganze Schöpfung ruhte von Ewigkeit her in der schöpferischen Kraft des Gottessohnes; der ganze Ratschluss Gottes zur Erschaffung der Welt wurde von ihm ausgeführt. Alles, das ganze Universum mit allem, was es enthält, wurde durch seine schöpferische Kraft ins Leben gerufen, die Geschöpfe in den Himmeln, die Engel, ebenso wie die Geschöpfe auf der Erde, die organischen und die anorganischen, mit dem Menschen als ihrer Herrlichkeit und Krone. Oder, um diese Geschöpfe nach ihrem Wesen und ihrer Seinsweise zu klassifizieren: Zum Schöpfungsbereich Christi gehören die unsichtbaren Geschöpfe ebenso wie die sichtbaren. Der Apostel zählt einige der unsichtbaren Geschöpfe, die Geister, auf: Throne und Herrschaften und Fürstentümer und Mächte, zu denen sowohl die guten als auch die gefallenen Engel gehören. Vgl. Eph. 1,21; 3,10. Ob besondere Ränge oder Ordnungen der Engel zu unterscheiden sind, ist aus dieser Stelle nicht zu ersehen; vielmehr scheint es dem Apostel darum zu gehen, die große Macht der Geister hervorzuheben, die jedoch nicht mit der allmächtigen, schöpferischen Kraft des Gottessohnes zu vergleichen ist. Deshalb fasst er noch einmal zusammen, dass alle Dinge, mit keiner einzigen Ausnahme, durch ihn, durch seine Allmacht, und für ihn, in Abhängigkeit von ihm, zu seiner Ehre, geschaffen sind. Es wird auch gesagt, dass er der Besitzer der Ewigkeit ist: Er ist vor allen Dingen, er war schon da, bevor ein einziges Geschöpf Leben und Sein hatte. Er ist die Vorsehung: Alle Dinge, das ganze Universum, existieren in ihm, werden durch seine Vorsehung zusammengehalten. Er hält alle Geschöpfe an ihrem richtigen Platz und in der richtigen Beziehung zueinander: Er hält die Welt in allen ihren Teilen aufrecht. Christus ist also der Schöpfer der Welt, der Erhalter der Welt, wahrer Gott mit dem Vater von Ewigkeit.

    Der Apostel beschreibt nun die Beziehung des Mittlers zur Kirche: Und er ist das Haupt des Leibes, der Kirche, der der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, damit er selbst unter allen der Erste sei. Da Christus durch sich selbst die Reinigung von unseren Sünden bewirkt hat, da der Vater uns aus der Herrschaft der Finsternis errettet und in das Reich seines lieben Sohnes versetzt hat, da wir in ihm die Erlösung durch sein Blut haben, gehören wir nun zu seiner Kirche, dem Reich Christi. Die Kirche ist der Leib Christi, der das Haupt ist. Vgl. Eph. 1,23; 1. Kor. 12,27; Eph. 5,23. Durch ihre Gemeinschaft mit Christus, durch ihre Einheit in Christus, haben alle Gläubigen als Glieder des Leibes, dessen Haupt er ist, Anteil an allen Segnungen und Herrlichkeiten, die ihm in seiner Eigenschaft als ewiger Sohn Gottes zukommen. Er ist der Anfang: Ohne ihn hätte die Kirche nicht existieren, nicht entstehen können. Er ist der Erstgeborene aus den Toten, aus der Mitte der Toten. Er ist der Erste in der Auferstehung der Toten, sowohl zeitlich als auch dem Rang nach: Er ist die Ursache der Auferstehung der Toten; durch seine Gerechtigkeit ist allen Menschen die Rechtfertigung des Lebens zuteil geworden, Röm. 5,18; er ist der Erstgeborene unter vielen Brüdern, Röm. 8,29; 1. Kor. 15,20. Unter allen Menschen, unter allen Geschöpfen ist er der Vorrangige, der Höchste; das ist die Folge seiner Auferstehung von den Toten, seiner Erhöhung in die Höhe.

    Der Apostel erhebt sich zu immer größeren Höhen einer anhaltenden Beredsamkeit: Denn es war sein Wohlgefallen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte. Dies ist der Höhepunkt des Gedankens. Christus ist der Erste vor allen Geschöpfen; Christus ist der Erste in der erlösten Gemeinde; Christus ist der Erste in der Auferstehung und in der nachfolgenden Herrlichkeit. Er ist der Herrscher im Reich der Kraft; er ist der Herrscher im Reich der Gnade; er ist der Herrscher im Reich der Herrlichkeit. Christus ist also das Gefäß, in dem die Fülle aller göttlichen Ratschlüsse für die Schöpfung und die Menschheit enthalten ist, in dem sie wohnt; durch ihn soll die Fülle aller göttlichen Gedanken zum Ausdruck kommen, damit seine Überlegenheit, sein Vorrang in Zeit und Ewigkeit unbestritten ist. Der Gedanke ist fast der gleiche wie in Kap. 2,9.

    Es wird jedoch nicht nur die Überlegenheit Christi betont, sondern auch die Abhängigkeit der Gläubigen von seinem Werk: Und dass durch ihn (Christus) alles mit ihm (Gott, dem Vater) versöhnt sei, da er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes, durch ihn, sei es, was auf Erden oder was in den Himmeln ist. Dies war auch Gottes Wohlgefallen. Der Apostel bezieht sich offensichtlich nicht nur auf die durch den Tod Christi geschaffene Versöhnung, durch die die gefallene Menschheit wieder in das rechte Verhältnis zu Gott gebracht wurde. Dafür ist die Aussage zu weit gefasst. Der Höhepunkt des Werkes Christi in seinem erhöhten Zustand wird darin bestehen, die Entfremdung zu beseitigen, die seit der ersten Auflehnung der bösen Engel gegen die Regierung Gottes besteht, um die Versöhnung zu bewirken, durch die die Gesamtheit aller geschaffenen Dinge in ihre ursprüngliche Harmonie mit dem Schöpfer zurückgeführt werden soll. Vgl. Röm. 8,21. Der Zusammenhang des Gedankens ist also folgender: Dadurch, dass Gott uns durch das Blut Christi mit sich versöhnt hat, hat er die durch den ersten Aufruhr aus den Fugen geratenen Verhältnisse wieder ins Lot gebracht, und das wird schließlich zur Harmonie und Einheit zwischen Himmel und Erde führen. Nicht nur alle, die den erhöhten Christus bekennen, sind in diesen Zustand der richtigen Beziehung zu Gott eingetreten, sondern alle Geschöpfe, die jetzt unter den Auswirkungen der Sünde seufzen, werden schließlich durch die Macht des erhöhten Christus von ihrer Knechtschaft befreit werden und so die Vereinigung von Himmel und Erde herbeiführen, während die Hölle mit ihren Bewohnern für immer von dieser herrlichen Versöhnung ausgeschlossen sein wird. All dies ist das Ergebnis und wird das Ergebnis der Tatsache sein, dass Gott durch das Blut des Kreuzes seines Sohnes Frieden geschlossen hat. Als Christus an den verfluchten Baum des Kreuzes genagelt wurde, geschah dies zur Strafe für die Sünden der Welt. Aber gleichzeitig hat das Vergießen seines heiligen, unschuldigen Blutes unsere Übertretungen gesühnt, das Herz des Vaters durch unseren Stellvertreter zu uns zurückgebracht und den Zustand des Krieges zwischen dem heiligen, gerechten Gott und der sündigen Welt in einen vollkommenen Frieden verwandelt. Als Folge dieses Sühneopfers wird die Verbindung zwischen Gott und den Gläubigen in alle Ewigkeit vollkommen und glücklich sein.

 

    Die Anwendung dieser Wahrheiten auf die Christen in Kolossä (V. 21-23): Alle gesegneten Wahrheiten, die er im vorigen Abschnitt erörtert hat, will der Apostel auf die Kolosser anwenden, um ihnen die unaussprechlichen Herrlichkeiten bewusst zu machen, die das Los der Gläubigen hier und in der kommenden Welt sind: Ihr aber, die ihr früher fremd und feindlich wart in eurem Geist, in bösen Werken. Die Christen in Kolossä, die größtenteils von Geburt an Heiden waren, waren nicht nur von Gott entfremdet, entfremdet, obwohl sie einst in Gemeinschaft mit ihm waren, sondern sie waren ihm völlig fremd, völlig ausgeschlossen von seiner Liebe und Barmherzigkeit; sie waren in ihrem eigenen Wesen seine unverhohlenen und eingefleischten Feinde gewesen. Vgl. Eph. 2,1; 2,12; 4,18. Sie befanden sich in einem Zustand der Entfremdung, was ihre Zuneigung, ihre Leidenschaften, ihr Verlangen und ihren Verstand betraf. Die Sphäre, in der sie sich bewegten, war die der bösen Werke, der Taten, die die Entfremdung zwischen Gott und ihnen von Tag zu Tag vergrößerten, Röm. 8,7. So standen sie unter dem Zorn Gottes und waren dem Gericht der ewigen Verdammnis preisgegeben.

    Doch nun wird das Wunder der Barmherzigkeit Gottes offenbar: Jetzt aber hat er (euch) versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und untadelig und untadelig vor ihm darzustellen. Dies kennzeichnet den gegenwärtigen Zustand der Kolosser, den Zustand, in den sie durch den Glauben bei der Bekehrung eingetreten sind. Jetzt sind sie versöhnt worden, jetzt sind sie der Versöhnung Christi teilhaftig geworden. Durch Gott wurden sie mit sich selbst versöhnt, in dem Leib seines Fleisches. Der Sohn des Gottes der Liebe, der eingeborene Sohn, das ewige Wort, ist Fleisch geworden und hat durch seinen stellvertretenden Tod die volle Versöhnung zwischen dem gerechten Gott und der sündigen Welt erwirkt und durchgeführt. Er trug den Fluch, von Gott verlassen zu sein, zum Feuer des ewigen Todes verdammt zu sein; er bezahlte die Schuld, er befreite die Menschheit von Sünde, Tod und Teufel. Diese Versöhnung ist uns durch den Glauben zuteil geworden, sie ist ein Geschenk der freien Liebe Gottes, der uns vor sich selbst und vor sein Gericht stellen wollte als heilig, als ein von der Sünde gereinigtes und Gott geweihtes Volk, als untadelig, frei von den Fehlern und Flecken der Sünde, als untadelig, so dass niemand uns anklagen kann. Vgl. 2. Kor. 5,19.21.

    Wie dieser Zustand zustande kommen und andauern kann, zeigen die nächsten Worte: Wenn ihr aber durch den Glauben fest bleibt und nicht wankt von der Hoffnung des Evangeliums, das ihr gehört habt, das vor aller Kreatur unter dem Himmel gepredigt worden ist, dessen Diener ich, Paulus, geworden bin. Der Glaube ist insofern eine Bedingung des Heils, als er das Werkzeug und das Mittel ist, durch das das Heil angenommen wird. Paulus schreibt in einer sehr heiklen Weise: Vorausgesetzt, dass, womit er sagen will, dass es sicher keinen Zweifel daran geben kann, dass sie im Glauben bleiben. Mit diesem Glauben im Herzen, dem Glauben an die Erlösung durch den Tod Christi, sind die Christen von Kolossä und aller Zeiten geerdet, fest gegründet, sie haben das sicherste Fundament, denn ihr Vertrauen gründet sich auf Jesus, den Urheber und Vollender ihres Glaubens. So war es nicht nur in der Vergangenheit, so ist es auch in der Gegenwart. Und mit Hilfe des Heiligen Geistes werden sich die Christen nicht von der Hoffnung des Evangeliums, das sie gehört haben, abbringen lassen. Das Evangelium ist das Ziel und der Zweck des Glaubens der Gläubigen, das Heil ihrer Seelen, die Herrlichkeit des Himmels. Keine Anregungen und Verfolgungen von außen, keine törichten Begierden und Wünsche von innen sollen uns von der Geradlinigkeit unseres Weges zum Himmel abbringen. Denn die Verheißungen des Evangeliums, die uns gegeben worden sind, sind so sicher und gewiss, dass keine andere Gewissheit mit ihrer einfachen Gewissheit verglichen werden kann. Paulus fügt hinzu, dass dasselbe Evangelium, das die Kolosser gehört hatten, vor allen Geschöpfen unter dem Himmel gepredigt worden war. Schon damals war das Evangelium in alle Teile der zivilisierten Welt hineingetragen worden; es wurde auf der ganzen Erde verkündigt, Röm. 10,18. Alle Menschen, die auf der Suche nach der Wahrheit waren, bekamen die Gelegenheit, den Weg des Heils zu hören und zu lernen, die Botschaft der Erlösung kennenzulernen, deren Diener Paulus geworden war. Das von Paulus gepredigte Evangelium ist der einzige Weg zum Himmel.

 

    Des Apostels Freude in seinem Leiden und seiner Arbeit (V. 24-29): Paulus zeigt hier, dass sein Dienst zwei Teile umfasst, nämlich für die Gemeinde zu leiden und der Gemeinde mit dem Wort der Gnade zu dienen. Seine Haltung in seinen Leiden ist von reiner Freude geprägt: Ich freue mich aber in meinen Leiden für euch und fülle den Mangel der Leiden Christi an meinem Fleisch aus um seines Leibes willen, der die Gemeinde ist. Die Gefangenschaft des Paulus in Rom war zwar nicht schwer, aber dennoch eine Qual für seinen Körper und seinen Geist. Doch statt sich zu beklagen, empfand Paulus nur die höchste Freude über seinen Zustand als Gefangener, denn er ertrug diese Drangsale wegen seines Wirkens für Christus für die christlichen Gemeinden überall, und damit auch für die Kolosser. Im Übrigen sagt Paulus, dass er das, was an dem Maß der Leiden Christi fehlte, um seines Leibes willen, der die Kirche ist, ganz ausfüllte. Die Gemeinschaft mit Christus bringt die Gemeinschaft mit seinen Leiden mit sich, Joh. 15,18-21; 2. Kor. 4,10.11. Er selbst sagte seinen Jüngern, dass jeder, der sich weigert, sein Joch auf sich zu nehmen, nicht sein Nachfolger sein kann, Luk. 9,23; 14,27. Diese Bedrängnisse sind zu einer Zeit schwer, zu einer anderen weniger schwer; sie treffen die Christen einer Stadt oder eines Landes und lassen die einer anderen Stadt oder eines anderen Landes praktisch unversehrt. Die Kolosser hatten bis jetzt nur wenig Schwierigkeiten erlebt, und deshalb handelte Paulus, indem er einen Überschuss trug, in ihrem Namen und trug sozusagen einen Teil der Last, die sie hätten tragen müssen. Gleichzeitig förderten die Leiden des Paulus die Interessen der Kirche Christi, denn die ganze Gemeinde profitierte von den Leiden eines Gliedes, und zwar eines führenden Gliedes. Die Leiden, Trübsale und Bedrängnisse eines einzelnen Gliedes des Leibes Christi kommen der ganzen Kirche zugute; sie machen die christliche Gemeinschaft inniger, sie gleichen Freud und Leid aus, 1. Kor. 12,22-25.

    Paulus spricht nun von seinem Amt in der Kirche: Deren Diener ich geworden bin nach dem Amt Gottes, das mir für euch gegeben wurde, um das Wort Gottes zu erfüllen. Paulus bezeichnet sich hier als Diener der Kirche, was gleichbedeutend mit einem Diener des Evangeliums ist. Aber sein Amt unterscheidet sich in gewisser Weise von dem der anderen Diener der Kirche. Ihm ist ein Amt übertragen worden, eine Verwaltung Gottes, er wurde zum Verwalter der Geheimnisse Gottes gemacht, 1. Kor. 4,1, für die ganze Kirche. Dieses Amt übt er gegenüber den Kolossern und allen Christen mit dem Ziel aus, das Wort Gottes zu erfüllen, den Zweck und das Ziel, es in alle Welt zu bringen, zu verwirklichen, Luk. 7,1; Apg. 19,21.

    Der Inhalt dieser Botschaft ist: Das Geheimnis, das von alters her und von Geschlecht zu Geschlecht verborgen war, ist nun aber seinen Heiligen offenbart worden. Die Verkündigung der Erlösung in Jesus Christus fand zur Zeit des Alten Testaments nicht allgemein statt. Nur die Juden hatten die Verkündigung des Messias, und auch sie nur in Gestalt und Prophezeiung. Und was den Inhalt des Evangeliums betrifft, so ist er von Natur aus für jeden Menschen ein verschlossenes Geheimnis. All dies hat sich durch das Kommen Christi und besonders nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt geändert. Jedem Volk, jeder Kreatur sollte das Evangelium auf seinen Befehl hin gepredigt werden; jedem Gläubigen, ob er nun zu den Juden oder zu den Heiden gehört, wird nun das Geheimnis offenbart, dass Jesus Christus der Retter aller Sünder ist.

    Paulus schreibt gerade von den Heiden: Denen wollte Gott kundtun, was der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Heiden ist, nämlich Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit. Das war Gottes Absicht und Plan, dass auch die Heiden zur Erkenntnis des Heils kommen, dass sie den Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses erkennen, dass sie begreifen, dass Christus, der durch den Glauben in ihre Herzen eingegangen ist, der Mittelpunkt des Evangeliums ist mit seiner Garantie der zukünftigen Seligkeit im Himmel. Christus und die Herrlichkeit des Evangeliums, die Gewissheit des Heils, inmitten der heidnischen Welt: das ist die wunderbare Aussage, die der Apostel hier macht. Vgl. Röm. 16,25-27.

    Dass diese Wahrheiten in der ganzen Welt bekannt werden, ist das Ziel der Arbeit des Paulus: Den wir predigen, indem wir alle Menschen ermahnen und alle Menschen in aller Weisheit lehren, damit wir alle Menschen in Christus vollkommen machen, woran auch ich arbeite, indem ich danach strebe, nach seinem Wirken, das in mir mächtig wirkt. Christus Jesus ist der Gegenstand aller Verkündigung des Evangeliums, wie der Apostel hier sagt und sich damit in Opposition zu allen Irrlehrern stellt. Wo Jesus Christus, der Erlöser, nicht gepredigt wird, dort ist das Evangelium nicht mehr in seiner Reinheit zu finden. Aus dieser Predigt aber folgt, dass jeder einzelne Christ zur Heiligung ermahnt und in der christlichen Erkenntnis unterwiesen werden soll. Denn es genügt nicht, nur das Fundament der christlichen Erkenntnis zu legen und dann den Fortschritt sich selbst überlassen. Es ist vielmehr Gottes Wille, jeden Gläubigen als einen vollkommenen Menschen in Christus Jesus darzustellen, 2. Tim. 3,17, unterwiesen in aller Weisheit, die das Wort Gottes bietet. Diese Vollkommenheit ist nur in Christus möglich, in der Erkenntnis von ihm, in der Gemeinschaft mit ihm, nicht durch Werke des Gesetzes und Selbstgerechtigkeit. Zu diesem Zweck arbeitete Paulus so eifrig, strebte wie ein Athlet, um sein Ziel zu erreichen. Dabei verließ er sich nicht auf eine natürliche Fähigkeit, auf seine eigene Vernunft und Kraft, sondern auf die göttliche Energie, die ihn beseelte und stärkte. Vom Herrn, in dessen Interesse er arbeitete, erhielt er die Kraft, dieses Werk zu seiner Ehre und zum Wohl der Seelen zu tun, die er mit seiner Heilsbotschaft erreichen konnte. Das gleiche Interesse und Ziel muss die treibende und anregende Kraft in der Arbeit eines jeden Dieners des Evangeliums bis zum Ende der Zeit sein.

 

Zusammenfassung: Nach der einleitenden Begrüßung schreibt der Apostel von seinem Gebet des Dankes und der Fürbitte für die Kolosser, um dann in einer herrlichen Darstellung von Christus als dem Schöpfer, dem Herrscher des Universums und dem Haupt der Kirche, in dessen Interesse er die Arbeit seines Amtes verrichtet, fortzufahren.

 

 

Kapitel 2

 

Eine Warnung vor Irrlehre (2,1-8)

    1 Ich lasse euch aber wissen, welch einen Kampf ich habe um euch und um die zu Laodicea und alle, die meine Person im Fleisch nicht gesehen haben, 2 auf dass ihre Herzen ermahnt und zusammengefasst werden in der Liebe zu allem Reichtum des gewissen Verstandes, zu erkennen das Geheimnis Gottes und des Vaters und Christi, 3 in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. 4 Ich sage aber davon, dass euch niemand betrüge mit vernünftigen Reden. 5 Denn ob ich wohl nach dem Fleisch nicht da bin, so bin ich aber im Geist bei euch, freue mich und sehe eure Ordnung und euren festen Glauben an Christus.

    6 Wie ihr nun angenommen habt den HERRN Christus Jesus, so wandelt in ihm 7 und seid gewurzelt und erbaut in ihm und seid fest im Glauben, wie ihr gelehrt seid, und seid in demselben reichlich dankbar. 8 Seht zu, dass euch niemand beraube durch die Philosophie und lose Verführung nach der Menschen Lehre und nach der Welt Satzungen und nicht nach Christus.

 

    Eine Warnung vor Verführung (V. 1-5): Der Apostel hatte den Kolossern gesagt, dass er sich eifrig für sie einsetzte und nicht nur seinen, sondern auch einen Teil ihres Anteils an den Leiden trug, die die Christen auf sich nehmen, wenn sie das Kreuz, das Joch ihres Meisters, auf sich nehmen. Das sagt er jetzt direkt: Denn ich will, dass ihr wisst, welch großen Kampf ich für euch habe und für die in Laodizea und für alle, die mein Angesicht nicht leibhaftig gesehen haben. Paulus kannte wahrscheinlich keines der Mitglieder dieses Teils von Phrygien persönlich, außer Epaphras und Onesimus, und letzterer war kein Mitglied gewesen, als er vor seinem Herrn floh. Dennoch waren die Christen dieser Gemeinden dem Apostel ebenso nahe und lieb wie die Christen anderer Städte, die er persönlich kannte. Er war ernsthaft und ängstlich um sie besorgt, um das Wohl ihrer Seelen. Er ringt um ihre Seelen, um ihr Glück, angesichts der Tatsache, dass der Irrtum versucht, in ihre Mitte einzudringen. Er möchte, dass sie alle, auch die Christen von Laodizea, die denselben Gefahren ausgesetzt waren, von seiner Fürsorge für sie erfahren.

    Die Absicht des Apostels, ihnen so offen zu schreiben, ist: Damit ihre Herzen ermutigt werden, fest zusammenzuhalten in der Liebe und zu allem Reichtum der Fülle der Erkenntnis, zum vollen Verständnis des Geheimnisses Gottes und Christi. Paulus möchte, dass die Herzen aller Christen in Kolossä und Laodizea in ihrem Trost gestärkt werden, dass sie alle Zweifel, Ungewissheiten und Schwankungen vergessen und einen Mut besitzen, der alle Feindschaft und Widerstände überwindet. Anstatt also zuzulassen, dass in ihrer Mitte irgendwelche Tendenzen zur Disharmonie auftauchen, sollen ihre Herzen zusammengeschweißt, in Liebe verbunden sein, und brüderliche Zuneigung soll jederzeit in ihren Herzen herrschen. Wenn diese Liebe ihre Herzen beherrscht, werden sie auch mit dem ganzen Reichtum der Fülle der Erkenntnis verbunden sein. Der Apostel kann nicht genug Worte finden, um die Seligkeit der geistlichen Gaben zu beschreiben, die dem Gläubigen zuteil werden. Sie haben allen Reichtum, sie sind reich jenseits aller Träume des Geizes. Nicht in den Gütern dieser Welt, sondern im vollen und vollständigen Verständnis, in der Erkenntnis des Geheimnisses Gottes und Christi. Je länger die Christen die Heilige Schrift erforschen, je länger sie das Wort ihres Heils hören, desto fester sind sie im sicheren Verständnis des gnädigen Willens Gottes für ihr Heil gegründet. Je länger ein Mensch Christ ist, desto fester lernt und weiß er, was das Wort und der Wille Gottes ist; er ist sich der Offenbarung des Geheimnisses Gottes sicher, dass Christus für das Heil seiner Seele gestorben ist, dass Gott in Christus das Dekret der Erlösung erfasst und vollendet hat, und er verlässt sich ruhig auf diese Tatsache, er lässt diese Überzeugung immer fester in sein Herz eindringen.

    Aber das alles geschieht nicht aus eigener Vernunft oder Kraft. Es ist vielmehr so, wie Paulus sagt: In ihm sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen. Nicht nur einige, wenige Schätze der geistlichen Weisheit und Erkenntnis sind in Christus, sondern er ist das Gefäß, der Träger, die Quelle von allem. Es gibt keinen Ratschluss Gottes für das Heil der Welt, der nicht in Christus seine Erfüllung findet; es gibt keine Offenbarung des Heils der Welt in der Heiligen Schrift, die nicht auf Christus beruht. Und die wunderbarste Wahrheit ist, dass jede Lehre über Christus, ebenso wie jedes Attribut Christi, uns die ganze Person Christi, des Erlösers, vor Augen führt. Die Lehre von Jesus Christus ist das einzige vollkommene, das einzige vollkommen befriedigende, das einzige rettende System der Lehre in der Welt. Nach dieser Erkenntnis sollten die Christen streben, über diese Weisheit sollten sie meditieren.

 

    Wenn dies das ständige Bestreben der Kolosser ist, dann werden sie auch die Warnung des Apostels beherzigen: Dies aber sage ich, damit euch nicht jemand mit falschem Gerede verführt. Er macht auf seine Worte aufmerksam, die in der gegenwärtigen Situation von großer Bedeutung sind. Seine Zuhörer sollten seine Warnung rechtzeitig beherzigen, bevor die Irrlehrer ihnen die Grundlage ihres Glaubens entzogen haben. Denn diese Männer, die in ihrer Mitte ihr Unwesen trieben, bedienten sich falscher Argumente, fadenscheiniger Reden und glänzender Überredungskünste. Um diese Warnung zu unterstreichen, die zu allen Zeiten gilt, da die Irrlehrer immer die gleichen Methoden anwenden, fügt Paulus hinzu: Denn wenn ich auch leiblich abwesend bin, so bin ich doch im Geiste bei euch und freue mich und sehe eure Ordnung und die Festigkeit eures Glaubens an Christus. Die ernste Sorge und die Besorgnis des Paulus, von denen er oben gesprochen hatte, bewiesen, dass er im Geiste bei ihnen war, dass er ernsthaft um ihr geistliches Wohlergehen besorgt war, dass den Bestrebungen der Irrlehrer, die Kolosser zu verführen, begegnet werden musste. Die christliche Liebe und Gemeinschaft, die die Gläubigen, insbesondere die Lehrer und die Hörer, verbindet, veranlasst sie, die ernsteste Sorge zu empfinden, sobald irgendeine Gefahr droht. Es ist nicht notwendig, dass eine Person physisch anwesend ist, um dieses Gefühl zu haben; im Gegenteil, die Abwesenheit verstärkt es eher noch. Gleichzeitig war Paulus in der Lage, die stärkste Art der Bitte und Ermahnung auszusprechen, indem er sagte, er sei voller Freude über die Ordnung, die sie einhielten, über die feste, geordnete Haltung, die sie auszeichnete. Sie zeigten dem Feind noch immer eine geschlossene Front. Sie waren immer noch fest in ihrem Glauben an Christus Jesus, ihren Retter, verankert. Wenn ein Mitglied der kolossischen Gemeinde tatsächlich ins Wanken geraten wäre, würden diese zuversichtlichen Worte des Apostels, diese Erklärung seines Vertrauens in ihre christliche Vernunft, ihn am ehesten wieder auf den Weg des gesunden geistlichen Denkens zurückbringen.

 

    Der Apostel baut seine Warnung auf diese taktvolle Annahme (V. 6-8): Diese Ermahnung war um so wirksamer, als der Apostel die Haltung der Kolosser so freudig anerkannt hatte. Die Tatsache seiner Anerkennung konnte in ihnen nur den eifrigsten Willen erwecken, sich des Vertrauens des Apostels würdig zu erweisen. Außerdem stellt Paulus die wichtigste Tatsache immer an die erste Stelle: Wie ihr nun Christus Jesus, den Herrn, angenommen habt, so müsst ihr in ihm wandeln. Die phrygischen Christen hatten durch den Glauben den Herrn Jesus Christus angenommen, den, der von alters her verheißen und in seiner Menschwerdung in der Fülle der Zeit offenbart worden war. Sie standen in der innigsten Glaubensgemeinschaft mit diesem Erlöser. In ihm sollten sie also ihr Leben führen, in seiner Gemeinschaft sollten sie bleiben, Joh. 15,1-6; 1,6; 3,24. In der täglichen Erkenntnis unserer Sündhaftigkeit und Unwürdigkeit, in der täglichen Annahme der Gnade, die sein Sühnopfer uns gebracht hat, in dem täglichen Bemühen, vor ihm zu wandeln zu allem seinem Wohlgefallen, besteht das christliche Leben nach seinem Willen.

    Dieser gesegnete Zustand der Christen wird vom Apostel weiter charakterisiert: Verwurzelt und erbaut in Ihm und fest gegründet im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und reichlich darin mit Danksagung. Wie der Baum seine Wurzeln in den reichsten Boden schlägt, um die reinste und stärkste Nahrung aus dem Schoß der Erde zu ziehen; wie jeder Wind und jeder Sturm den Baum veranlasst, sich mit größerer Zähigkeit an seinen Halt in der Erde zu klammern, so sollen wir in Christus verwurzelt sein, all unsere geistliche Kraft aus ihm schöpfen und uns umso fester an ihn klammern, je mehr die Stürme der Bedrängnis über uns hinwegfegen. Wie die Stabilität eines Gebäudes von der Festigkeit seines Fundaments abhängt, so ist unser Glaube, der Christus Jesus als Grundlage und sein Wort als Halt hat, gegen alle Stürme des Unglücks sicher, weil er im Herzen, in den Hügeln Jesu ruht. Die wahren Christen suchen nicht nach einer neuen Lehre, die ihre Phantasie kitzelt, nach einem neuen Führer, der ihnen einen neuen Weg zum Himmel zeigt; sie halten an der alten Lehre von Sünde und Gnade fest, so wie sie gelehrt worden sind. Die Offenbarung des gnädigen Willens Gottes, wie wir sie in der Bibel finden, reicht für alle unsere Bedürfnisse aus. „Neue Offenbarungen“, „neues Licht“, „Schlüssel zur Heiligen Schrift“, all das hat keine Daseinsberechtigung; unser Glaube ruht auf Jesus, und das genügt für uns. In ihm können und sollen wir im Glauben mit Danksagung überfließen, Phil. 1,9; Röm. 15,13. Wir sollten uns in Dankbarkeit und Dankbarkeit übertreffen; diese sollten unser ganzes Herz erfüllen. Verlorene und verdammte Sünder, wie wir in uns selbst sind, hat uns die reine und grenzenlose Barmherzigkeit Gottes in Christus Jesus das Heil gebracht, hat uns durch den Glauben des Heils teilhaftig gemacht. Ein Christ hat also Grund, sich immer zu freuen, immer dankbar zu sein.

    Aber diese Dankbarkeit verlangt auch eine ständige Wachsamkeit: Hütet euch davor, dass euch jemand durch Philosophie und eitlen Betrug nach der Überlieferung der Menschen, nach den Geboten der Welt und nicht nach Christus zu seinem Raub macht. Die Christen müssen immer wachsam sein, sie müssen immer ihre Augen offen haben, sie müssen immer auf der Hut sein. Denn es gibt Menschen, die entschlossen sind, sie zu verführen, sie als Beute wegzuführen, als Beute. Dies versuchen sie durch die Philosophie, durch ein System von Lehren, das den Grund und den Gegenstand des Seins nur auf der Grundlage der Vernunft erklären will. Andere Verführer versuchen, ihr Ziel durch leeren Betrug nach den Überlieferungen der Menschen zu erreichen, indem sie Erklärungen für göttliche Dinge anbieten, die den allgemeinen Vorstellungen der Menschen entsprechen und fast ausnahmslos im Gegensatz zur göttlichen Offenbarung stehen. Mit anderen Worten: Sie versuchen, nach den Vorschriften und Regeln zu täuschen, die von den Kindern dieser Welt im Allgemeinen aufgestellt werden. Cp. Gal. 4,3. Jeder Mensch erwartet von Natur aus, Mittel und Wege zu finden, um durch seine eigene Weisheit und Fähigkeit vor Gott gerecht zu werden, und Tausende von Irrlehrern machen sich diese Neigung zunutze, indem sie einen Weg des Heils durch Werke verkünden, indem sie bestimmte Verhaltensregeln befolgen, die für die ganze Welt ein Maßstab sein sollen. Aber diese Vorschriften und Regeln, diese Lehre von der eigenen Fähigkeit des Menschen, vor Gott gerecht zu werden, ist ein eitler Betrug und entspricht nicht Christus und seiner Heilslehre. In diesen letzten Tagen der Welt richtet kein anderer Irrtum in der Kirche so heftige Verwüstungen an wie dieses Gebot nach der Tradition der Menschen.

 

Christi Arbeit für seine Kirche führt zur Heiligung (2,9-23)

    9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. 10 Und ihr seid vollkommen in ihm, welcher ist das Haupt aller Fürstentümer und Obrigkeit, 11 in welchem ihr auch beschnitten seid mit der Beschneidung ohne Hände, durch Ablegung des sündlichen Leibes im Fleisch, nämlich mit der  Beschneidung Christi, 12 in dem, dass ihr mit ihm begraben seid durch die Taufe; in welchem ihr auch seid auferstanden durch den Glauben, den Gott wirkt, welcher ihn auferweckt hat von den Toten 13 und hat euch auch mit ihm lebendig gemacht, da ihr tot wart in den Sünden und in der Vorhaut eures Fleisches, und hat uns geschenkt alle Sünden 14 und ausgetilgt die Handschrift, so gegen uns war, welche durch Satzungen entstand und uns entgegen war, und hat sie aus dem Mittel getan und an das Kreuz geheftet. 15 Und hat ausgezogen die Fürstentümer und die Gewaltigen und sie Schau getragen öffentlich und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst.

    16 So lasst nun niemand euch Gewissen machen über Speise oder über Trank oder über bestimmte Feiertage oder Neumonde oder Sabbate, 17 welches ist der Schatten von dem, was zukünftig war; aber der Körper selbst ist in Christus. 18 Lasst euch niemand das Ziel verrücken, der nach eigener Wahl einhergeht in Demut und Geistlichkeit der Engel, des er nie etwas gesehen hat, und ist ohne Ursache aufgeblasen in seinem fleischlichen Sinn 19 und hält sich nicht an dem Haupt, aus welchem der ganze Leib durch Gelenk und Fugen Handreichung empfängt, und aneinander sich enthält und so wächst zur göttlichen Größe. 20 So ihr denn nun abgestorben seid mit Christus den Satzungen der Welt, was lasst ihr euch denn fangen mit Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt? 21 Die da sagen: Du sollst das nicht angreifen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren, 22 welches sich doch alles, unter Händen verzehrt, und ist Menschengebot und –lehre; 23 welche haben einen Schein der Weisheit durch selbsterwählte Geistlichkeit und Demut und dadurch, dass sie des Leibes nicht verschonen und dem Fleisch nicht seine Ehre tun zu seiner Notdurft.

 

    Der Ruhm Christi in seinem Erlösungswerk (V. 9-15): Der Apostel bringt hier seine Gründe für die Ermahnung an die Christen, ein Leben zu führen, das dem hohen Charakter ihrer Berufung entspricht. Erstens haben sie Anteil an der Fülle seiner Gottheit: Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Hier wird die Gottheit Jesu Christi eindeutig und unmissverständlich bekräftigt. Paulus sagt nicht nur, dass er göttlich ist, dass er einige Eigenschaften Gottes hat, sondern er sagt, dass die Gottheit, die wesentliche Majestät der Gottheit, leibhaftig in ihm wohnt, entsprechend seinem Leib. Die Fülle der Gottheit hat in der Person, im Leib Jesu Christi die menschliche Natur angenommen. Als der Sohn Marias in Bethlehem geboren wurde, wurde das ewige Wort, der Sohn Gottes von Ewigkeit, Mensch; als der Prophet von Nazareth am Kreuz starb, starb Gott selbst, denn in seinem Leib lebte die Fülle der göttlichen Gottheit; die Fülle der wesenhaften Gottheit hatte sich ihm so mitgeteilt, dass sie alle Funktionen des menschlichen Leibes in sich aufnahm. Da derselbe Christus zur Rechten der Majestät Gottes aufgefahren ist, ist er unser Bruder, unser Fleisch und Blut, in dem die Fülle der ewigen Gottheit leibhaftig wohnt.

    An dieser Fülle haben die Gläubigen teil: In ihm werdet ihr vollendet, der das Haupt aller Fürstentümer und Gewalten ist. In Christus erreichen die Gläubigen ihr volles Leben, in der Gemeinschaft mit Ihm durch den Glauben werden sie mit der ganzen Fülle Gottes erfüllt, Eph. 3,19. Sie haben Leben, göttliches, reiches, aktives, fruchtbares Leben, in Ihm, Joh. 10,11. In Ihm bleiben sie in keiner Gabe zurück, 1. Kor. 1,7. Diese Tatsache muss umso mehr Einfluss auf die Gläubigen haben, als dieser Christus, der mit seiner gnädigen Kraft in ihnen lebt, das Haupt aller Fürstentümer und Mächte ist. Ihm ist das ganze Universum unterstellt, einschließlich des Bereichs aller Engel, der guten wie der bösen. Deshalb fürchten auch wir, denen diese Fülle verliehen wurde, keine Macht auf der Erde oder unter der Erde, da wir Christus auf unserer Seite haben, da wir mit ihm durch die Bande des vollkommensten Bundes verbunden sind.

    Darüber hinaus haben die Christen in Christus die Wiedergeburt und ein neues Leben durch die Taufe: In ihm seid auch ihr beschnitten worden mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen vollzogen wurde, in der Entkleidung des Leibes des Fleisches, in der Beschneidung des Christus. Der Apostel, der sich hier an eine Gemeinde wendet, die hauptsächlich aus Heidenchristen besteht, vergleicht das Sakrament, durch das sie in die Kirche aufgenommen wurden, mit dem, durch das die Juden von einst in das äußere Volk Gottes aufgenommen wurden. Dieses Sakrament ist in der Tat nicht wie die Beschneidung, die mit Händen vollzogen wurde, ein leichter Eingriff am Körper, sondern es ist ein Sakrament, in dem der Leib des Fleisches abgelegt wird, in dem die alte, sündige Natur des Menschen wie ein schmutziges Kleid abgelegt wird, um nie wieder angezogen zu werden. Eine Beschneidung Christi wird das Sakrament genannt, durch das die Gläubigen des Neuen Testaments mit der Kirche Christi verbunden werden. Alle, die an Christus glauben, sind im vollen Besitz aller Verheißungen, die Abraham gegeben wurden und die für alle Völker gelten. Durch dieses Sakrament der Aufnahme sind alle Gläubigen ein besonderes Volk geworden, ein Volk, das dem Herrn geweiht ist.

    Der Apostel sagt nun ausdrücklich, worauf er sich bezieht: Mit ihm begraben in der Taufe, in der ihr auch auferweckt worden seid durch den Glauben an das Wirken Gottes, der ihn von den Toten auferweckt hat. Die Beschneidung Christi, das Abstreifen der sündigen Natur im Menschen, ist die Taufe. Sie ist das sichtbare Mittel, mit dem der Herr die Wiedergeburt in unseren Herzen bewirkt. Der alte Adam in uns wurde tödlich verwundet, als der Herr uns in der Taufe als sein Eigentum annahm. So wird das Bild konsequent ausgeführt: Wir sind mit Christus begraben worden durch die Taufe in den Tod, Röm. 6,4, weil wir in der Taufe aller geistlichen Gaben teilhaftig geworden sind, die er durch sein ganzes Leben, seinen Tod und seine Auferstehung für uns erworben hat. Mit Christus begraben und tot für die Sünde, werden wir nun durch das wirksame Wirken des Wortes in der Taufe auch der Auferstehung Christi teilhaftig: Wir werden mit ihm auferweckt. Die Segnungen seiner Erlösung werden durch den Glauben auf uns übertragen. Und zwar nicht so, als ob dieser Glaube unser eigenes Verdienst wäre; denn es ist ein Glaube aus dem Wirken Gottes. Als wir tot waren in Übertretungen und Sünden, hat er uns zusammen mit Christus lebendig gemacht, Eph. 2,1.6. Er hat den Glauben in unseren Herzen durch das Sakrament der Taufe gewirkt. Es war ein Beweis für dieselbe göttliche Macht, durch die Gott Jesus von den Toten auferweckt hat. Anmerkung: Der beiläufige Vergleich zwischen Beschneidung und Taufe in diesem Abschnitt liefert ein sehr starkes Argument für die Kindertaufe; denn der Ritus der Beschneidung, wie er von den Juden praktiziert wurde, musste am achten Tag stattfinden, und von der Taufe wird als parallel zur Beschneidung gesprochen.

    Der dritte große Vorteil unserer Vereinigung mit Christus besteht darin, dass wir nun die Gewissheit haben, dass uns alle Sünden und Schuld vergeben sind: Und da ihr tot wart durch Übertretungen und die Unbeschnittenheit eures Fleisches, hat er euch mit ihm lebendig gemacht und uns alle Übertretungen vergeben. Der Apostel stellt hier das Werk der Wiedergeburt ähnlich dar wie in Eph. 2,1-6: Als die Kolosser aufgrund ihrer Sünden tot waren, als sie im geistlichen Tod lagen und der ewigen Verdammnis unterworfen waren. Dass dies ein dauerhafter Zustand der Heiden war, zeigt Paulus, indem er von der Unbeschnittenheit ihres Fleisches spricht. Er spricht von einem geistlichen Zustand, 5. Mose 10,16; Jer. 4,4, von der sinnlichen, sündigen Natur der natürlichen Menschen, von ihrem ererbten Zustand des Ungehorsams und der Feindschaft gegen Gott. Als sie sich in diesem Zustand des geistlichen Todes befanden, als sie keine Sehnsucht nach geistlichem Leben hatten, als alle ihre Gedanken im Widerspruch zu Gottes heiligem Wort und Willen standen, da machte Gott sie lebendig, machte sie lebendig mit Christus, machte sie teilhaftig an der Auferstehung und dem Leben Christi. Paulus wechselt hier geschickt von der zweiten in die erste Person, mildert damit die Härte des Textes und schließt sich selbst als Empfänger dieses Segens ein. Diese große Gabe, dieser wunderbare Segen, zum geistlichen Leben erweckt zu werden, wurde uns dadurch zuteil, dass Gott uns unsere Schuld vergab; er erließ uns gnädig die Schuld, die uns auferlegt war.

    Dieses Wunder beschreibt der Apostel im Folgenden genauer: Er hat die Handschrift des Gesetzes, die gegen uns war, ausgelöscht, die uns direkt entgegenstand, und er hat sie aus dem Weg geräumt, indem er sie ans Kreuz geheftet hat. Ohne Christus stand das Gesetz vor uns wie eine Schuldverschreibung oder ein Schuldschein, der von uns als Schuldner ausgestellt wurde und uns immer als eine Schuld vor Augen gehalten wurde, die beglichen werden musste. Wir waren verpflichtet, das Gesetz Gottes zu halten, seine unerfüllten Verordnungen waren eine ständige Anklage gegen uns. Ganz gleich, wohin wir uns wandten, um Erleichterung zu finden, das Gesetz stand vor unseren Augen, ein unersättlicher Gläubiger. Doch dann kam Christus und bezahlte die gesamte Schuld der Menschheit, er bezahlte die Schuld aller ihrer Sünden, er sicherte ihnen allen eine vollständige Erlösung zu. Deshalb ist die Handschrift ausgelöscht, der Schuldschein annulliert, seine ständige Bedrohung zwischen Gott und uns beseitigt. Und hier verwendet Paulus in seinem Eifer, seinen Lesern die Tatsache dieser großen Wahrheit einzuprägen, das stärkstmögliche Bild: Gott hat die Handschrift unserer Schuld an das Kreuz geheftet. Als Christus gekreuzigt wurde, beladen mit der Schuld der Menschen, hat Gott das Gesetz an sein Kreuz genagelt. So hatte es Anteil an seinem Tod, so wurde es aufgehoben, so wurde es annulliert. Vgl. 2 Kor. 5, 21; Gal. 3, 13. So gibt es keine Schuld mehr, die uns verurteilt, das Gesetz hat keine Macht mehr über uns: Der Tod Christi hat uns das ewige Leben gebracht.

    In ihm können wir also auch über alle Mächte triumphieren, die sich uns widersetzen: Da er die Mächte und Gewalten überwunden hat, hat er sie mit Kühnheit zur Schau gestellt und über sie gesiegt. Gott, der in Christus war, um die Welt mit sich selbst zu versöhnen, und der zugleich der große Herrscher und Richter des Universums war, machte die Mächte und Gewalten zum Gegenstand der Beute und des Raubes, er entzog den Geistern, die sich ihm widersetzten, den Engeln der Finsternis, ihre Macht und Kraft. Die bösen Geister sind nun nicht mehr in der Lage, die Christen anzuklagen und zu verurteilen; ein kleines Wort kann sie zu Fall bringen. Als Beweis dafür, dass die Fürstentümer der Finsternis vollständig besiegt worden waren, zeigte Gott sie offen, freimütig und frei. Das geschah mit jener leichten Zuversicht und Gewissheit, die einen vollständigen und dauerhaften Sieg kennzeichnet. Aufgrund dieser Tatsache kann jeder Christ mit dem Finger des Spottes auf den mächtigen Geist des Bösen zeigen, solange er sich an das Wort hält, das ihn des großen Sieges gewiss macht. Ja, Gott hat Satan und seine Heerscharen im Kreuz triumphieren lassen. Wie ein mächtiger Feldherr, der einen gefährlichen Gegner vollständig besiegt hat und ihn in Fesseln führt, so hat Gott das Kreuz, sonst das Symbol der Schande und des Leids, zum Zeichen des Sieges und des endgültigen Triumphes über alle seine Feinde gemacht. Dieser ganze Sieg mit all seinen Segnungen gehört uns durch die Gabe Gottes, durch den Glauben. Wir sind Sieger über das Reich der Finsternis, wir können über alle unsere Feinde triumphieren, schon hier in der Zeit und im Jenseits in einem einzigen glorreichen Triumphgesang in alle Ewigkeit.

 

    Warnung vor einer falschen Gerechtigkeit aus den Werken (V. 16-23): Nachdem der Apostel den Kolossern die herrlichen Vorteile erklärt hat, die ihnen durch die Bekehrung und die Taufe zuteil werden, nennt er nun bestimmte Irrtümer, die sie der Segnungen des Evangeliums zu berauben drohen. Zu diesen gefährlichen Irrtümern gehört das jüdische Beharren auf der Einhaltung bestimmter Tage: So soll euch nun niemand richten in Speise und Trank oder in der Frage eines Festes oder Neumondes oder Sabbats, die ein Schatten künftiger Dinge sind; der Leib aber ist von Christus. Dies scheint einer der Punkte gewesen zu sein, auf denen die judaistischen Lehrer bestanden, dass die Vorschriften des Zeremonialgesetzes noch in Kraft waren und eingehalten werden mussten. Sie wollten, dass die Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Speisen beibehalten wird; wahrscheinlich haben sie die Gelübde, die die Nasiräer freiwillig ablegten, zu Gesetzen erweitert, die für das Gewissen aller Menschen verbindlich sind. Vgl. 3. Mose 11; 10,8-11; 4. Mose 6,1-4. Sie bestanden darauf, dass die großen Feste des Alten Testaments, die Neumonde und alle Sabbate weiterhin auf göttlichen Befehl hin eingehalten werden mussten. Mit anderen Worten: Sie wollten, dass das gesamte Kirchen- oder Zeremonialgesetz des Alten Testaments auch in der Zeit des Neuen Testaments fortbesteht. Diese Leute haben auch in unseren Tagen Nachahmer gefunden. Es gibt nicht nur spezielle Konfessionen, deren Grundprinzip die Einhaltung des jüdischen Zeremonialgesetzes ist, sondern es gibt in praktisch allen Konfessionen unseres Landes einzelne Lehrer, die darauf bestehen, zumindest den Sonntag auf göttlichen Befehl hin zu halten, weil sie glauben, dass er an die Stelle des alttestamentlichen Sabbats getreten ist. Aber der Kommentar des heiligen Paulus zu all diesen Bemühungen ist kurz und bündig: Lasst niemanden ein ungünstiges Urteil über euch fällen, lasst niemanden euch wegen eurer Haltung kritisieren und verurteilen. Denn alles, was im jüdischen Zeremonialgesetz enthalten war, diente nur als Schatten kommender Dinge; es waren nur Typen der zukünftigen, bleibenden Werte des Neuen Testaments. Der Leib ist Christus, in ihm sind alle Typen erfüllt und brauchen daher nicht mehr beachtet zu werden. Vgl. Heb. 9,8-12. Wer einen beliebigen Tag als göttlich festgesetzt wählt, wer seine Ernährung auf bestimmte, vom Herrn geforderte Speisen und Getränke beschränkt, betrügt sich selbst, stellt sich unter das Joch des Zeremonialgesetzes und läuft Gefahr, das Heil seiner Seele zu verlieren. Vgl. Gal. 4,9-11.

    Ein weiteres spezifisches Beispiel für den Einfluss des Judentums, auf das Paulus hinweist, ist die abergläubische Verehrung von Engeln: Lasst euch von niemandem betrügen (verurteilen), der sich an der Demut und der Verehrung von Engeln ergötzt, der sich in Dinge einmischt, die er nicht gesehen hat, der sich eitel aufbläht durch den Verstand seines Fleisches und das Haupt nicht festhält, von dem der ganze Leib durch die Gelenke und Bänder, die versorgt und zusammengehalten werden, den Zuwachs Gottes vermehrt. Der Apostel bezeichnet dies kompromisslos als eine weitere Art von Betrug, als einen weiteren Versuch, die Christen der herrlichen Segnungen des Evangeliums zu berauben. Mit ihrer kritischen, hochmütigen Haltung verurteilten die Irrlehrer die kolossischen Christen dafür, dass sie an den einfachen Wahrheiten des Evangeliums festhielten; sie deuteten an und lehrten, dass der von ihnen vertretene Weg so viel besser, so viel höher zu loben sei. Sie hatten Vergnügen daran, das, was sie den Menschen als Demut vorgaukeln wollten, sehr ostentativ zur Schau zu stellen; sie befürworteten einen Kult oder eine Anbetung von Engeln. Sie versuchten, den Anschein zu erwecken, als ob der Mensch sich selbst als zu niedrig und unbedeutend für die Gemeinschaft mit Gott betrachten sollte, so dass er sich damit begnügen sollte, mit Engeln zu verkehren. Unter dem Deckmantel der Demut und Bescheidenheit wagten sie es also, in das Reich der Geister, in die transzendentalen Regionen einzudringen. Sie unterlagen damit Wahnvorstellungen, die sie jedoch anderen aufzwingen wollten. Ohne den geringsten Grund nahmen sie eine Haltung der Überlegenheit ein, aufgeblasen durch den Geist ihres Fleisches, ihrer alten sündigen Natur. Der Stolz dieser Leute, wie auch aller ihrer Anhänger in unseren Tagen, bestand also darin, dass sie sich bei aller ostentativen Demut erlaubten zu glauben, dass die Menschen sich nicht mit der einfachen Erkenntnis, dem Gehorsam und dem Glauben des Evangeliums begnügen könnten, sondern danach streben müssten, eine besondere, höhere Weisheit und Heiligkeit zu erlangen. Das führte natürlich dazu, dass sie nicht an Christus als dem einen Haupt der Kirche festhielten. Sie trennten sich von der Verbindung mit Christus. Aber, wie Paulus sagt, erhält der ganze Leib der Kirche in allen seinen Gliedern nur von ihm Kraft und Stärke, um nach dem Willen Gottes zu wachsen. Es ist wie beim menschlichen Organismus, in dem die verschiedenen Glieder durch Gelenke und Bänder zusammengehalten werden, weil sie unter dieser Bedingung von den Lebenszentren, besonders vom Haupt, mit Blut und Nervenkraft versorgt werden. Anmerkung: Niemand kann ein Glied des Leibes Christi bleiben, wenn er nicht in einfachem Glauben an dem Erlöser und seinem Evangelium festhält und alle Systeme und Methoden ablehnt, die in unseren Tagen als Ersatz für die Wahrheit angeboten werden.

    Der Apostel schließt diesen Abschnitt mit einigen sehr treffenden und pointierten Bemerkungen: Wenn ihr nun mit Christus tot seid, weg von den Rudimenten der Welt, warum lasst ihr es zu, als ob ihr in der Welt lebt, dass euch Verordnungen auferlegt werden, (wie) Nicht anfassen, nicht schmecken, nicht anfassen? welche Verordnungen alle in ihrem Gebrauch zum (geistlichen) Verderben führen, nach den Geboten und Lehren der Menschen, die den Ruf der Weisheit haben in willkürlichem Kult und Demut und Unbeugsamkeit des Leibes, nicht zu irgendeiner Ehre, sondern (nur) zur Befriedigung des Fleisches. Hier wendet der Apostel das Wort auf die Christen in Kolossä an. Als sie lernten, an Christus zu glauben, starben sie mit ihm den Rudimenten, den Vorschriften der Welt, allen zeremoniellen Gesetzen, mit denen die Menschen hoffen, sich vor Gott etwas zu verdienen. Es versteht sich daher von selbst, dass die Christen nicht zulassen werden, dass falsche Lehrer ihnen dieses unnötige Joch menschlicher Verordnungen wieder auferlegen, als ob sie noch Glieder dieser Welt wären, als ob sie noch nie von der Freiheit gehört hätten, mit der Christus uns frei gemacht hat. Diese Gebote wurden in der Tat von den Irrlehrern gelehrt, so wie auch die Menschen unserer Tage durch ihr Beharren auf solchen Geboten gekennzeichnet sind: Du darfst diese Speise nicht anrühren; du darfst jenes Getränk nicht probieren; du darfst dich nicht dabei erwischen lassen, wie du diesem oder jenem oder einem anderen Ding frönst - alles Dinge, die gleichgültig sind und daher zur christlichen Freiheit gehören. Wenn jemand darauf besteht, solche Gebote als Gebote Gottes zu halten, wird das Wort auf ihn zutreffen: Vergeblich beten sie mich an und lehren Menschengebote als Lehren, Matth. 15,9. Das Festhalten an solchen Geboten wird also letztlich zum geistlichen Verderben derer führen, die darauf bestehen. Denn sie sind nichts anderes als Gebote und Lehren von Menschen, die zwar einen großen Schein und den Ruf der Weisheit haben, als ob sie von Wert wären, um die Menschen in der Erkenntnis eines heiligen Lebens zu fördern. Aber es ist eine willkürliche Anbetung, ein selbstgewählter Kult, der nicht auf Gottes Wort und Willen beruht. Die Haltung solcher Menschen ist zudem von falscher Demut geprägt; sie geben sich sehr sanftmütig, aber am Ende erweisen sie sich als hochmütig und unwillig, Belehrungen anzunehmen. Und schließlich üben sie in asketischer Enthaltsamkeit eine Strenge gegenüber ihrem eigenen Körper, die ohne Gebot und Verheißung ist. So sind alle ihre Versuche, sich vor Gott durch eine Frömmigkeit und Gerechtigkeit auszuzeichnen, die nicht auf dem Wort Gottes beruht, eitel und töricht. Der Apostel spricht ein einfaches Urteil über alle diese Bemühungen aus: Ihr Ruf ist ohne wirkliche Grundlage, ohne Ehre, die vor Gott Bestand hat, und mehr noch: Alle diese Dinge werden nur zur Befriedigung des Fleisches getan. Die armen Irrlehrer, die versuchen, andere Menschen in die Irre zu führen, indem sie auf Werken bestehen, die nicht von Gott geboten sind, betrügen sich selbst mehr als alle anderen, denn schließlich ziehen sie aus den Praktiken, die sie befürworten, ein großes Maß an Selbstbefriedigung, mit anderen Worten, sie versuchen bewusst, sich die Rechtfertigung vor Gott durch selbst gewählte Werke zu verdienen. Es bleibt die Tatsache, dass alle Vorschriften, alle Lehren, alle Pläne, alle Methoden, alle Werke, die auf das Verdienst des Menschen abzielen, Christus das Verdienst wegnehmen und zum Scheitern verurteilt sind.

 

Zusammenfassung: Der Apostel ermahnt seine Leser, im Glauben an Christus standhaft zu bleiben und sich vor der Philosophie des Betrugs der Menschen zu hüten; er stellt ihnen den Reichtum der Segnungen vor Augen, die ihnen durch die Bekehrung und die Taufe zuteil geworden sind, durch die sie des Triumphes Christi teilhaftig geworden sind; er nennt einige spezifische judaistische Irrtümer, mit denen die Irrlehrer unter dem Deckmantel der Weisheit und der Demut ihren Glauben zu töten bereit waren.

 

 

Kapitel 3

 

Die Ausrichtung des Christen auf das, was droben ist (3,1-4)

    1 Seid ihr nun mit Christo auferstanden, so sucht, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes. 2 Trachtet nach dem, was droben ist, und nicht nach dem, was auf Erden ist! 3 Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. 4 Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in der Herrlichkeit.

 

    Wie der Bibelleser feststellen wird, ist die Ähnlichkeit zwischen Kolosser und Epheser überall offensichtlich, aber nirgends so ausgeprägt wie in diesem Kapitel. Der Apostel bietet den Christen hier den größten Ansporn, den er überhaupt geben kann: Wenn ihr also mit Christus auferweckt worden seid, so sucht die Dinge, die droben sind, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Dass wir Christen mit Christus auferweckt worden sind, dass wir mit ihm auferstanden sind, dass wir bei unserer Bekehrung seiner Auferstehung und ihrer Segnungen teilhaftig geworden sind, das ist die wichtigste und tiefste Grundlage unseres ganzen christlichen Lebens. „Denn, wie der heilige Paulus hier sagt, soll das vortreffliche Werk und der höchste Schatz der Auferstehung Christi nicht ein unnützes, unwirksames und kraftloses Gerede oder Denken sein, wie ein totes Bild, das in Stein gehauen oder auf Papier gemalt ist, sondern eine Kraft und Macht von der Art, dass sie auch in uns durch den Glauben eine Auferstehung bewirkt, die er „Auferstehung mit Christus“ nennt, das heißt, den Sünden abgestorben zu sein, der Macht des Todes und der Hölle entrissen zu sein und Trost und Leben in Christus zu haben.“[5] Nachdem wir des Lebens Christi und der Früchte seiner Auferstehung teilhaftig geworden sind, nachdem wir in die innigste Gemeinschaft mit ihm eingetreten sind, folgt daraus, dass wir nur eines im Sinn haben, dass wir unsere Gedanken auf die Dinge richten, die oben sind. Die Christen werden zu allen Zeiten nach dem Besitz der unsichtbaren, ewigen, heiligen, himmlischen Welt Gottes streben, nach den ewigen Segnungen, die der erhöhte Christus ihnen in den himmlischen Wohnungen bereitet hat. Sie werden die Ermahnung beherzigen: Richtet eure Gedanken auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist. Unser ganzes Denken, unser ganzes Wünschen, unser ganzes Lieben sollte himmelwärts gerichtet sein. Die vergänglichen Dinge dieser Welt sollten nur insofern unsere Aufmerksamkeit erregen, als wir für die Dauer dieses kurzen Lebens Verwalter der Gaben Gottes sind. Aber Christen können ihre Zuneigung nicht auf die Schätze, die Freuden und die Ehren dieser Welt richten. Die Dinge dieser Welt sind bestenfalls ein Mittel zum Zweck, nämlich um dieses irdische, physische Leben zu erhalten, damit wir das Werk verrichten können, das uns vom Herrn gegeben wurde, um es zu tun. Im rechten Gebrauch der uns anvertrauten irdischen Dinge denken wir wirklich an die himmlischen Dinge und streben nach ihnen; ihr Erreichen liegt uns am Herzen.

    Paulus bekräftigt seine Ermahnung: Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Als der Herr uns durch die Kraft seines Wortes bekehrte, schenkte er uns die volle Gemeinschaft mit Christus. So sind wir Christen der Welt und den irdischen, vergänglichen Dingen gestorben; wir haben dem Teufel und all seinen Werken und all seinem Prunk abgeschworen. Zugleich traten wir in die Gemeinschaft des wunderbaren Lebens Christi ein. Wir genießen nun die geheimnisvolle Vereinigung mit Christus, die mit ihm in Gott verborgen ist. Dieses Leben, das zur Tiefe unserer inneren Erfahrungen gehört, mag in den Augen der törichten Kinder dieser Welt eine Torheit sein, aber für uns Christen ist es eine göttliche Überzeugung, eine sichere Erfahrung. Zugleich sind wir durch unsere Vereinigung mit Christus in der Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, selbst vereint. Der Apostel hat also den stärksten Grund, so nachdrücklich zu sprechen. „Zu solchem irdischen Verhalten, will er sagen, nach dem die Heiden und Ungläubigen trachten, die das Wort Gottes ganz aus ihrem Sinn verdrängen und sich vom Teufel leiten und treiben lassen, müsst ihr tot sein und damit beweisen, dass die Auferstehung Christi in euch nicht eitle Worte, sondern lebendige Kraft ist, die auch in euch den Beweis gibt, dass ihr auch auferstanden seid und nun anders lebt als zuvor, nämlich nach Gottes Willen und Wort, was man ein göttliches, himmlisches Leben nennt.“[6]

    Irgendwann wird dieses Leben nicht mehr verborgen sein: Wenn Christus erscheinen wird, der euer Leben ist, dann werdet auch ihr mit ihm in Herrlichkeit offenbar werden. Christus, unser Erlöser, ist unser Leben; er ist zugleich Besitzer und Quelle allen wahren, geistigen und ewigen Lebens. Das Leben unseres Erlösers ist unser Leben, es wurde uns durch seine gnädige Macht übertragen; er selbst ist die Essenz unseres Lebens, alle Manifestationen des geistlichen Lebens in uns sind auf sein Leben in uns zurückzuführen. Vgl. Röm. 6,10.11; Gal. 2,19.20. Christus wird am großen Tag seines Gerichts offenbart werden, er wird vor aller Welt in der Majestät seiner Herrlichkeit erscheinen. Und dann sind die Tage der Demut vorbei, dann ist die Zeit des verborgenen Lebens zu Ende, dann werden auch wir Christen mit Ihm in der Herrlichkeit offenbar werden, zum Erstaunen der Ungläubigen, die uns mit unserem Glauben an den auferstandenen Christus für mehr oder weniger harmlose oder schädliche Narren hielten; wir werden aus unserer Schmach und Dunkelheit herausgenommen werden, um Seiner ewigen Seligkeit teilhaftig zu werden.

 

Den alten Menschen ablegen, den neuen Menschen anziehen (3,5-11)

    5 So tötet nun eure Glieder, die auf Erden sind: Hurerei, Unreinigkeit, schändliche Brunst, böse Lust und den Geiz, welcher ist Abgötterei, 6 um welcher willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens; 7 in welchen auch ihr einst gewandelt seid, da ihr darin lebtet. 8 Nun aber legt alles ab von euch: den Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, schandbare Worte aus eurem Mund. 9 Lügt nicht untereinander! Zieht den alten Menschen mit seinen Werken aus 10 und zieht den neuen an, der da erneuert wird zu der Erkenntnis nach dem Ebenbild des, der ihn geschaffen hat, 11 da nicht ist Grieche, Jude, Beschneidung, Vorhaut, Nichtgrieche, Skythe, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus.

 

    Der Apostel zeigt hier, wie das Leben der Gläubigen in und mit Christus aussehen soll: So tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind: Unzucht, Unreinheit, Begierde, böses Verlangen und Habsucht, die Abgötterei ist. Der Apostel spricht hier von den Gliedern des Leibes in ihrem unerneuerten Zustand als Diener und Werkzeuge der Sünde und fordert die Christen auf, sie in dieser Eigenschaft zu töten, indem sie durch eine einzige entscheidende Handlung ihre diesbezüglichen Funktionen beenden. Vgl. Röm. 6,13. Unter den Sünden, die von den Gliedern des Leibes begangen werden, nennt der Apostel vor allem solche, die damals unter den Heiden weit verbreitet waren, die sexuellen Laster: die Unzucht, wenn Menschen, die nicht Mann und Frau sind, als Mann und Frau zusammenleben; die Unreinheit, die Unreinheit, die Abhängigkeit von erotischen Gedanken und Handlungen im eigenen Geist und Körper; die Begierde, die Befriedigung des sexuellen Verlangens außerhalb der heiligen Ehe zu begehren; die böse Lust, aus der alle anderen Sünden gegen das sechste Gebot hervorgehen. Mit diesen Sünden war oft die der Begierde verbunden, die sich Mittel und Wege ausdachte, um den lüsternen Leidenschaften zu frönen. Die Ungeheuer der Begierde waren gewöhnlich auch Ungeheuer der Lust. Aber die Begierde, die die brüderliche Liebe tötet und das Herz gegen das sanfte Wirken des Heiligen Geistes Gottes verhärtet, ist, wie der heilige Paulus ausdrücklich sagt, Götzendienst, eine grobe Übertretung des ersten Gebotes, Matth. 6,24. Der Glaube kann nicht in einem Herzen leben, das dem Mammon zugetan ist, 1. Tim. 6,9.10. Und das Ende ist: Um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Alle diese Dinge, alle Sünden, die der Apostel erwähnt hat, stehen unter dem Urteil der Verurteilung Gottes; seine Gerechtigkeit und Heiligkeit verlangt die Bestrafung des Übertreters mit dem Tod, dem ewigen Tod. Es gibt also eine Alternative, die den Kolossern vor Augen steht: Entweder ihr tötet die Glieder, die solche Taten begehen, oder ihr erleidet die ewige Strafe wegen eurer Übertretungen. Alle Kinder des Ungehorsams, die sich weigern, auf den sanften Ruf, die warnende Ermahnung des Herrn zu hören, stehen unter dem Zorn Gottes, der sie schließlich ereilen und verurteilen wird.

    Der Apostel stellt nun die kolossischen Christen in direkten Gegensatz zu den Kindern des Unglaubens und des Ungehorsams, in denen auch ihr früher gelebt habt, als ihr in diesen lebtet. Das sittliche Verhalten aller Menschen unterliegt von Natur aus dem Tadel und der Verurteilung Gottes. Auch die kolossischen Christen waren vor ihrer Bekehrung gewohnheitsmäßige Übertreter in Bezug auf das eine oder das andere oder auf alle oben genannten Laster. Sie hatten in diesen Lastern gelebt; sie stellten die Sphäre ihres Verhaltens dar, den Zustand, in dem man sie vorfinden konnte. Vgl. Röm. 7,5; Eph. 2,2.

    Der Gegensatz zwischen dem bekehrten und dem unbekehrten Zustand wird noch mehr betont: Nun aber legt auch ihr alles ab: Zorn, Wut, Bosheit, Verleumdung, Schimpfworte aus eurem Munde. Das Leben des Heidentums, des Ungehorsams und des Unglaubens, liegt hinter den kolossischen Christen, und doch richtet der Apostel diese dringende Ermahnung an sie, weil aufgrund der bösen Natur des Christen die Neigung, die Neigung zu all diesen Sünden auch in ihren Herzen zu finden ist. Das ganze Leben eines Christen ist ein Kampf gegen die Bestrebungen des alten Adam, die Vorherrschaft in seinem Herzen zu erlangen. Es werden nur einige der eklatantesten Vergehen genannt: Zorn, der ständige, anhaltende Zustand äußersten Unmuts gegen den Nächsten, der so leicht in Hass gipfelt; Entrüstung oder Wut, der plötzliche und leidenschaftliche Ausbruch, der in gewisser Weise schlimmer ist als der niedere Zorn, da der Erregte jede Kontrolle über sich selbst verliert; Bösartigkeit, das Gefühl, das einen Menschen dazu veranlasst, es sich zur Gewohnheit zu machen, seinen Nächsten zu verletzen; Verleumdung, durch die der gute Name des Nächsten in den Dreck gezogen wird; Schimpfworte und Beleidigungen, die die Bosheit des Herzens offenbaren. Wie der schönste Garten schnell verdorben wird, wenn das Unkraut Fuß fasst, so wird auch das christliche Gemeinschaftsleben in Haus und Gemeinde bald völlig verdorben sein, wenn diese Sünden Fuß fassen. Und noch eine weitere Sünde fügt der Apostel den von ihm aufgezählten Übertretungen des Mundes hinzu: Belügt euch nicht gegenseitig. Dass Christen einander belügen, die Wahrheit absichtlich verdrehen, um dem Nächsten Schaden zuzufügen, ist das genaue Gegenteil ihrer Berufung und lässt sich nicht mit dem Leben in und mit Christus vereinbaren, dessen sie teilhaftig geworden sind. Die Lüge ist ein typisches Merkmal der Domäne des Teufels, Joh. 8,44.

    Der Apostel bringt nun das Motiv für das richtige christliche Verhalten von einem anderen Gesichtspunkt aus: Denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Gebräuchen abgelegt und den neuen Menschen angezogen, der zur Erkenntnis erneuert wird, nach dem Bild dessen, der ihn geschaffen hat. Als sie sich bekehrten, legten die Christen den alten Menschen, die alte sündige Natur, ab wie ein altes, schmutziges Kleidungsstück. Dieses Ablegen schloss auch die bösen Taten und Praktiken ein, an denen sich die alte böse Natur des Menschen erfreut, die Verleugnung des Fleisches mit all seinen Neigungen und Begierden. Vgl. Röm. 8,13; Gal. 5,24. Das war ein einmaliger Vorgang, er fand bei der Wiedergeburt statt; aber es ist auch ein fortgesetzter Vorgang, denn die bösen Gedanken und Begierden im Herzen, Morde, Ehebrüche, Unzucht, falsches Zeugnis, Lästerungen, versuchen immer wieder, den Widerstand des Christen zu überwinden und ihn wieder in den Schmutz der Kinder des Ungehorsams zu stürzen. Der Gläubige wird also gleichzeitig den neuen Menschen anziehen, die von Gott geschaffene Natur, ein Produkt seiner Gnade, die in Gerechtigkeit und Heiligkeit in der Wahrheit besteht, Eph. 4,24. Dieser neue Mensch, diese neue, geistliche Natur des Christen, wird ständig erneuert. Solange wir im Fleisch leben, muss dieser Prozess unaufhörlich weitergehen; wir müssen in der Erkenntnis und zur Erkenntnis erneuert werden. Wir müssen in der Erkenntnis des Wortes und des Willens Gottes wachsen, nach dem Bild Gottes, der bei der Bekehrung die neue Natur in uns geschaffen hat. Wir sollen nicht nur das Bild Gottes wiedererlangen, das Adam besaß, sondern wir werden schließlich unseren himmlischen Vater von Angesicht zu Angesicht in ewiger Herrlichkeit und Majestät erkennen und sehen. Je mehr wir Christen durch tägliches, betendes Studium in die wunderbare Botschaft des Evangeliums eindringen, je mehr wir die wunderbare Tiefe der Liebe verstehen, die in Jesus Christus geoffenbart wurde, desto mehr prägt sich das Bild Gottes in unsere Seele ein, bis wir ihn schließlich im Licht der ewigen Herrlichkeit so erkennen, wie wir erkannt werden, 1. Kor. 13,12.

    Was diese Erneuerung zur vollkommenen Erkenntnis anbelangt, so sticht die Tatsache hervor: Wo nicht Grieche und Jude, Beschneidung und Unbeschnittensein, Barbar, Skythe, Sklave, Freier ist, sondern alles und in allem Christus. Vgl. Gal. 3,28. Wo immer es Christen gibt, wo immer der neue Mensch geschaffen wird, da verschwinden alle diese Unterscheidungen. Ob jemand ein Grieche ist, ein Mensch, der in aller Weisheit dieser Welt bewandert ist, ein Angehöriger der fortschrittlichsten und erleuchtetsten Nation der Welt, oder ein Jude, der sich auf seine Abstammung von Abraham und auf gewisse äußere Vorteile, die seine Nation genoss, beruft; ob jemand beschnitten oder unbeschnitten ist: ob jemand ein Barbar oder gar ein Skythe ist, das extremste Beispiel für Zivilisations- und Kulturlosigkeit; ob jemand ein Sklave ist und einem irdischen Herrn unterworfen, oder frei und sein eigener Herr vor dem irdischen Gesetz, - all diese Faktoren haben keinen Einfluss in Bezug auf die Macht Gottes im Evangelium und in Bezug auf die Stellung des einzelnen Christen vor Gott. Es gibt keinen Unterschied: Alle sind Sünder vor dem gerechten und heiligen Gott, alle sind erlösungsbedürftig, für alle ist Christus am Kreuz gestorben, für alle hat er eine vollkommene Versöhnung erwirkt, und so sind alle Christen in einem Zustand absoluter Gleichheit vor Gott. Und Christus ist alles und in allem. Die Fülle aller Segnungen ist in ihm zu finden, und diese Fülle überträgt er, gibt er seinen Gliedern, den Gläubigen, Eph. 1,23. In der Kirche als dem Gefäß, das mit der Fülle der Gnade und Barmherzigkeit Christi und mit allen darin enthaltenen Gaben gefüllt ist, vollzieht sich die große Vereinigung, durch die alle von Menschen gemachten Unterscheidungen aufgehoben werden und vollkommene Liebe und Harmonie in Ihm entsteht. „Christus ist die Gesamtheit aller Dinge, Unterscheidungen, Vorrechte, Segnungen, und darüber hinaus ist er in allen, wohnt in allen und vereinigt SO alle in dem gemeinsamen Element seiner selbst.“

 

Die Herrschaft des Friedens Gottes und ihre Auswirkung auf verschiedene Lebensbereiche (3,12-4,1)

    12 So zieht nun an, als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld 13 und vertrage einer den andern, und vergebt euch untereinander, so jemand Klage hat gegen den anderen; gleichwie Christus euch vergeben hat, so auch ihr. 14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. 15 Und der Friede Gottes regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in einem Leib; und seid dankbar. 16 Lasst das Wort Christi unter euch reichlich wohnen in aller Weisheit. Lehrt und ermahnt euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern und singt dem HERRN in eurem Herzen. 17 Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des HERRN Jesus und dankt Gott und dem Vater durch ihn.

    18 Ihr Frauen, seid untertan euren Männern in dem HERRN, wie sich’s gebührt. 19 Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie! 20 Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen Dingen; denn das ist dem HERRN wohlgefällig. 21 Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, auf dass sie nicht scheu werden. 22 Ihr Knechte, seid gehorsam in allen Dingen euren leiblichen Herren, nicht mit Dienst vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern mit Einfältigkeit des Herzens und mit Gottesfurcht. 23 Alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als dem HERRN und nicht den Menschen; 24 und wisst, dass ihr von dem HERRN empfangen werdet die Vergeltung des Erbes; denn ihr dient dem HERRN Christus. 25 Wer aber unrecht tut, der wird empfangen, was er unrecht getan hat; und gilt kein Ansehen der Person. 4,1 Ihr Herren, was recht und gleich ist, das beweist den Knechten und wisst, dass ihr auch einen HERRN im Himmel habt.

 

    Der Umgang der Christen mit einander (V. 12-17): Da die Christen in Christus in Gemeinschaft verbunden sind, ist es ihre Pflicht, ein Leben zu führen, das der Vertrautheit und Heiligkeit dieses Bandes entspricht, und in ihrem ganzen Leben und allen ihren Handlungen die Liebe zum Ausdruck zu bringen, die sie in Christus verbindet: Zieht also an als Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte, ein Herz des Erbarmens, der Freundlichkeit, der Demut, der Sanftmut, der Langmut. Dies sind wunderbare Titel, die der Apostel auf die Christen anwendet, und seine Verwendung zeigt, dass er ein Experte in der Kunst der evangelischen Ermahnung ist. Er nennt die Gläubigen „Auserwählte Gottes“ und weist damit auf die Quelle und den Ursprung aller geistlichen Segnungen Gottes hin. Gott hat die Christen in Christus vor Grundlegung der Welt erwählt. Nach seinem Ratschluss der Liebe hat er bestimmte Menschen aus der Masse der Erlösten dazu auserwählt, heilig und untadelig vor ihm in Liebe zu sein. Nicht aufgrund unserer Verdienste und Werke, sondern aus freier Gnade, nach dem Wohlgefallen seines Willens, hat er uns in Christus erwählt. Eine Folge dieser Erwählung ist, dass wir heilig, gereinigt und geheiligt sind durch das Blut des Lammes. Christus hat die Sünden aller Menschen getragen und für sie alle Vergebung der Sünden erworben. Die Gerechtigkeit Jesu wird allen zugerechnet, die an Jesus Christus als ihren Retter glauben. Um Christi und seiner vollkommenen Gerechtigkeit willen sind sie heilig vor dem Angesicht Gottes, ohne Flecken und Makel. Und deshalb sind sie schließlich die Geliebten des Herrn. Um Christi willen, seines geliebten Sohnes, liebt uns der Vater, die Fülle seines Wohlgefallens ruht auf uns, das volle Maß seiner Liebe und Barmherzigkeit. Diese Tatsachen sind die stärksten möglichen Anreize für ein heiliges Leben unsererseits; sie sollten uns veranlassen, ein Herz der Sympathie und des Mitgefühls füreinander anzuziehen, damit dieses Gefühl unser ganzes Verhalten zueinander prägt. Diesen Begriff entfaltet der Apostel, indem er einige der Tugenden aufzählt, die mit der christlichen Liebe und dem Mitleid verbunden sind: Freundlichkeit, eine herzliche, liebevolle Gesinnung, die keine Härte kennt; Demut, Niedrigkeit des Gemüts, dass ein Christ seine eigene Person immer niedriger stellt als die aller anderen Gläubigen; Sanftmut, Milde gegen den Bruder, die selbst eine Beleidigung übersieht und keinen Jähzorn kennt; Langmut, die nicht nur Unrecht erträgt, sondern jeden Gedanken an Rache zurückweist und nur das Heil des Sünders wünscht.

    Wie diese christlichen Tugenden im praktischen Leben zum Tragen kommen, zeigt der Apostel als nächstes: Vergebt einander und vergebt einander, wenn jemand etwas zu beklagen hat; gleichwie auch Christus euch vergeben hat, so tut auch ihr selbst. Christen sollen einander nachsichtig sein, wörtlich: sich gegenseitig aufrecht halten. Kein Christ ist vollkommen, solange er im Fleisch dieses Leibes wandelt, und trotz aller Wachsamkeit werden sich Makel und Fehler zeigen. Deshalb muss es ein solches gegenseitiges Ertragen und Helfen geben, mit viel barmherzigem Übersehen von Kränkungen und Verletzungen, das die barmherzige Gesinnung zum Vorschein bringt, die alle Gläubigen auszeichnen sollte. Dazu gehört aber auch die Bereitschaft, Barmherzigkeit zu üben und zu verzeihen. Es geht nicht nur um das Ertragen und Verzeihen, sondern auch um die herzliche Vergebung geschehener Sünden. Das Dulden ist allgemein, das Verzeihen ist gewöhnlich eine Sache zwischen zwei Personen; aber in beiderlei Hinsicht muss bei den Christen eine fröhliche Bereitschaft vorhanden sein. Denn sie haben hier das Beispiel Christi, dem sie nachzueifern und zu gleichen suchen müssen. Bei Verletzungen, die in christlichen Gemeinden geschehen, kann man schlimmstenfalls nur von Klagen wegen Beleidigungen sprechen im Vergleich zu der unsagbar großen Masse an Schuld, die jedem Menschen vor Gott angelastet wird. Und doch hat Christus sein heiliges Blut, sein göttliches Leben, freiwillig in den Tod gegeben, um uns die Vergebung der Sünden zu verdienen. Kann es also irgendeine Frage sein, dass wir jederzeit bereit sind, einem Mitchristen jedes Unrecht zu vergeben, das uns angetan wird?

    Das hier skizzierte zwingende Motiv und der Grund für das barmherzige Verhalten des Christen wird von Paulus als Höhepunkt seiner Ermahnung herausgestellt: Über allem aber steht die Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist. Der Apostel behält das Bild der Kleidung bei, die man anzieht. Das letzte, prächtigste Gewand, das alle anderen Tugenden im Herzen zusammenhält, ist der Gürtel der Liebe, der wahren, herzlichen Zuneigung zu den Brüdern. Ohne die Liebe sind alle anderen christlichen Tugenden und Werke nutzlos und vergeblich. Denn die Liebe ist das Band der Vollkommenheit. Wenn die Liebe die Herzen aller Christen zusammenhält, wird das Ideal der christlichen Vollkommenheit erreicht. Diese Liebe, so schreibt Luther, bewirkt, dass wir Christen eines Sinnes, eines Herzens, einer Lust sind; sie verbindet Reiche und Arme, Herrscher und Untertanen, Kranke und Gesunde, Hohe und Niedrige, Hochgeehrte und Verachtete.

    Dieser Gedanke wird im nächsten Satz vertieft: Und der Friede Christi herrsche in euren Herzen, zu dem ihr in einem Leib berufen seid, und werdet dankbar. Christus hat für uns die Versöhnung mit dem Vater errungen, er hat den Frieden zwischen uns und Gott gestiftet. Diesen Frieden schenkt er durch das Evangelium und macht uns gewiss, dass wir Gottes liebe Kinder sind. Dieser Friede soll also in unseren Herzen herrschen, er soll das leitende Prinzip unseres Lebens in Liebe sein. Wir sollten ihn gegenüber den Angriffen Satans, der Welt und unseres eigenen Fleisches bewahren; wir sollten fest an der Überzeugung festhalten, dass die Barmherzigkeit Gottes auf uns ruht. Diese Gewissheit wird uns alle christlichen Tugenden zur Gewohnheit werden lassen, denn unsere Herzen werden von der Freude an diesem Frieden erfüllt sein, zu dem wir bei unserer Bekehrung berufen wurden. So wird auch die Tatsache, dass wir Christen alle zusammen einen Leib bilden, in unserem Leben zum Ausdruck kommen. So wird unsere Dankbarkeit Gott gegenüber, die im gleichen Maße wächst wie unser Verständnis der Barmherzigkeit Christi uns gegenüber, immer wieder Gelegenheit finden, ihre Wertschätzung der göttlichen Gnade zu zeigen. Der beste Beweis für den dankbaren Zustand unseres Herzens gegenüber Gott ist der, dass wir in unserem ganzen Leben jene Tugenden und Werke zeigen, die sein Wohlgefallen finden.

    Als Mittel, um diesen idealen Zustand bei den Christen herbeizuführen, nennt der heilige Paulus die Erbauung durch das Wort in Lehre und Gesang: Das Wort Christi, es wohne reichlich in euch, lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt in euren Herzen Gott in der Gnade; und alles, was ihr tut in Wort und Tat, das tut alles im Namen des Herrn Jesus, indem ihr Gott, dem Vater, durch ihn dankt. Das Wort Christi ist nicht nur die Summe seiner Aussprüche, wie sie in den Evangelien aufgezeichnet sind, sondern das ganze Wort Gottes; denn davon ist Christus selbst der Anfang, die Mitte und das Ende. Die Predigt von Sünde und Gnade muss unter den Christen wohnen, muss ihre Heimat haben. Die christliche Religion soll nicht nur eine Angelegenheit des Sonntags oder der Predigt allein sein; sie soll auch nicht nur ein gelegentlicher Gast in den christlichen Häusern sein, sondern sie soll ein Mitglied des Haushalts sein, das Tag für Tag benutzt und konsultiert wird. Der reichhaltige Trost und die Kraft des Evangeliums sollten nicht nur vom Pfarrer auf der Kanzel und in den Häusern, sondern auch von jedem einzelnen Christen reichlich genutzt werden. Es enthält die richtige Weisheit und lehrt die richtige Weisheit sowohl für die Lehre als auch für die Ermahnung. Unsere Brüder. Ohne Liebe sind alle anderen christlichen Tugenden und Werke nutzlos und vergeblich. Denn die Liebe ist das Band der Vollkommenheit. Wenn die Liebe die Herzen aller Christen zusammenhält, wird das Ideal der christlichen Vollkommenheit erreicht. Diese Liebe, so schreibt Luther, bewirkt, dass wir Christen eines Sinnes, eines Herzens, einer Lust sind; sie verbindet Reiche und Arme, Herrscher und Untertanen, Kranke und Gesunde, Hohe und Niedrige, Hochgeehrte und Verachtete. Dieser Gedanke wird im nächsten Satz vertieft: Und der Friede Christi herrsche in euren Herzen, zu dem ihr in einem Leib berufen seid, und werdet dankbar. Christus hat für uns die Versöhnung mit dem Vater errungen, er hat den Frieden zwischen uns und Gott gestiftet. Diesen Frieden schenkt er durch das Evangelium und macht uns gewiss, dass wir Gottes liebe Kinder sind. Dieser Friede soll also in unseren Herzen herrschen, er soll das leitende Prinzip unseres Lebens in Liebe sein. Wir sollten ihn gegenüber den Angriffen Satans, der Welt und unseres eigenen Fleisches bewahren; wir sollten fest an der Überzeugung festhalten, dass die Barmherzigkeit Gottes auf uns ruht. Diese Gewissheit wird uns alle christlichen Tugenden zur Gewohnheit werden lassen, denn unsere Herzen werden von der Freude an diesem Frieden erfüllt sein, zu dem wir bei unserer Bekehrung berufen wurden. So wird auch die Tatsache, dass wir Christen alle zusammen einen Leib bilden, in unserem Leben zum Ausdruck kommen. So wird unsere Dankbarkeit Gott gegenüber, die im gleichen Maße wächst wie unser Verständnis der Barmherzigkeit Christi uns gegenüber, immer wieder Gelegenheit finden, ihre Wertschätzung der göttlichen Gnade zu zeigen. Der beste Beweis für den dankbaren Zustand unseres Herzens gegenüber Gott ist der, dass wir in unserem ganzen Leben jene Tugenden und Werke zeigen, die sein Wohlgefallen finden. Als Mittel, um diesen idealen Zustand bei den Christen herbeizuführen, nennt der heilige Paulus die Erbauung durch das Wort in Lehre und Gesang: Das Wort Christi, es wohne reichlich in euch, lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt in euren Herzen Gott in der Gnade; und alles, was ihr tut in Wort und Tat, das tut alles im Namen des Herrn Jesus, indem ihr Gott, dem Vater, durch ihn dankt. Das Wort Christi ist nicht nur die Summe seiner Aussprüche, wie sie in den Evangelien aufgezeichnet sind, sondern das ganze Wort Gottes; denn davon ist Christus selbst der Anfang, die Mitte und das Ende. Die Predigt von Sünde und Gnade muss unter den Christen wohnen, muss ihre Heimat haben. Die christliche Religion soll nicht nur eine Angelegenheit des Sonntags oder der Predigt allein sein; sie soll auch nicht nur ein gelegentlicher Gast in den christlichen Häusern sein, sondern sie soll ein Mitglied des Haushalts sein, das Tag für Tag benutzt und konsultiert wird. Der reichhaltige Trost und die Kraft des Evangeliums sollten nicht nur vom Pfarrer auf der Kanzel und in den Häusern, sondern auch von jedem einzelnen Christen reichlich genutzt werden. Es enthält die richtige Weisheit und lehrt die richtige Weisheit sowohl für die Lehre als auch für die Ermahnung. Unser ständiges Bestreben muss es sein, nicht nur in der Erkenntnis des Heilsweges zu wachsen und andere zu lehren, sondern uns auch gegenseitig zu ermutigen, ein unermüdliches Interesse an der wahren Heiligung zu bewahren. Dies kann auch durch den Gebrauch von Psalmen, der unvergleichlichen Poesie der Heiligen Schrift, von Hymnen, die vor allem für den Gebrauch im Gottesdienst bestimmt sind, und von geistlichen Liedern geschehen, die in Form und Inhalt eher volkstümlich sind, aber auch von den wunderbaren Segnungen Gottes für unser Heil erzählen. All dies soll kein bloßer Munddienst der Gläubigen sein, sondern sie sollen gleichzeitig in ihrem Herzen zu Gott singen, und zwar mit Gnade. Die Barmherzigkeit Gottes ist das Thema ihres dankbaren Gesangs, ihrer ständigen Danksagung, auch wenn kein einziges Wort mit dem Mund gesprochen wird. In den meisten Fällen jedoch kann die aufrichtige Dankbarkeit des Herzens nicht in der Stille verbleiben, sondern der Mund wird aus der Fülle des Herzens Gott, dem Vater aller Barmherzigkeit, Loblieder singen. Die gesamte Ermahnung des Apostels ist daher treffend in der Regel zusammengefasst, dass sie alles, was auch immer es ist, sei es mit Worten oder mit Taten, im Namen des Herrn Jesus tun, durch den als unser Fürsprecher Gott, dem Vater, aller Dank gilt. Alle unsere Worte und Taten müssen aus dem wahren Glauben an Jesus, den Erlöser, hervorgehen und zu seiner Ehre gesprochen und ausgeführt werden, wobei alle unsere Worte und Taten Ausdruck unserer Dankbarkeit sind.[7]

 

    Das Verhalten der Christen in verschiedenen Lebensbereichen [Lebensständen] (3,18-4,1): Vgl. Eph. 5,22-6, 8. Wenn der Apostel den einzelnen Gruppen von Christen besondere Anweisungen gibt, wendet er sich zuerst an die Frauen: Ihr Frauen, seid euren Männern untertan, wie es im Herrn sein soll. Die Unterordnung der Frau unter den Mann entspricht der Schöpfungsordnung Gottes, 1. Tim 2,13, kein absoluter Gehorsam, sondern ein Gehorsam, den jede christliche Frau im Herrn freudig leistet, wie es sein soll. Wie alle Christen bereitwillig das Haupt Christi anerkennen und ihm nach seinem geoffenbarten Wort gehorchen, so erkennen auch christliche Ehefrauen das Haupt ihres Mannes an und gestatten ihm, in allen Dingen, die dem Wort Gottes nicht widersprechen, die Führung zu übernehmen. Dass dennoch eine ideale Ehe eine Partnerschaft sein kann und soll, versteht sich von selbst.

    Aber der Mann hat als verantwortliches Oberhaupt auch eine besondere Aufgabe: Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie. Die Führung, das Haupt des Ehemannes soll in der Liebe ausgeübt werden, nicht nur in der ehelichen Liebe, die allenfalls großen Schwankungen unterworfen wäre, sondern in der beständigen, unerschütterlichen Zuneigung, für die er in der Liebe Christi zur Kirche ein Beispiel hat, Eph. 5,25-33. Diese Liebe kann nicht zulassen, dass sich Bitterkeit einschleicht und die Beziehung, die der Wille Gottes verlangt, verdirbt. Der Mann ist weder Herr über seine Frau noch Sklavenhalter ihr gegenüber, sondern der Ehemann, der niemals durch reizbare Härte seinerseits Bitterkeit in ihrem Herzen aufkommen lassen wird. Gleichgültigkeit und Vernachlässigung seitens des Ehemannes, sei es durch die Sorgen und Nöte seiner Arbeit oder seines Geschäfts oder durch die wechselnden Launen des Fleisches, sind nicht zu entschuldigen.

    Zu den Kindern sagt der Apostel: Ihr Kinder, seid in allem euren Eltern gehorsam; denn das ist wohlgefällig im Herrn. Die Formulierung „in allen Dingen“ ist gleichbedeutend mit dem „im Herrn“ in der Parallelstelle Eph. 6,1. Die Aussage ist bewusst allgemein gehalten; denn die Eltern sind die Vertreter Gottes gegenüber ihren Kindern, und ihre Autorität ist die des Herrn. Ein unwilliger, mürrischer Gehorsam der Kinder widerspricht ebenso direkt dem Buchstaben und dem Geist dieser Ermahnung wie offener Ungehorsam. Der Herr will willige Herzen, einen Dienst der Kinder, der aus dem Glauben und einem dankbaren Herzen gegenüber Gott fließt, dessen Gaben die Eltern sind.

    Aber nicht minder dringlich ist die Ermahnung des Apostels an die Eltern: Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, damit sie nicht entmutigt werden. Das erfordert sehr viel Weisheit und Geduld. Denn wenn die Eltern ihre Kinder zu streng, ungerecht und willkürlich behandeln, wenn sie sie durch strenge, harte Befehle und ständiges Tadeln reizen, so kann eine solche törichte Ausübung der elterlichen Autorität die Kinder leicht entmutigen, ihren Geist brechen, sie alle Zuneigung und Zuversicht, alle Lust und Kraft zum Guten und gegen das Böse verlieren lassen.

    Die längste Ermahnung der Reihe richtet Paulus an die Knechte, in diesem Fall an die Sklaven, wahrscheinlich wegen des Vorfalls, in den Onesimus verwickelt war. Er schreibt: Ihr Knechte, seid in allem gehorsam denen, die eure Herren sind, nach dem Fleisch, nicht in Augendienerei, sondern in Lauterkeit des Herzens, in der Furcht des Herrn. Die Aussage "in allen Dingen" wird natürlich durch die von Gott selbst gesetzte Grenze modifiziert, Apg.  5,29. Sklaven sind verpflichtet, ihren irdischen Herren Gehorsam zu leisten; das ist der Wille Gottes. Sie sollen ihre Arbeit nicht mit Augendienerei verrichten, d. h., sie sollen eifrig arbeiten, solange das Auge des Herrn auf ihnen ruht, und danach faulenzen und die Zeit vertrödeln. In diesem Fall wären sie bloße Menschenfresser, sie würden die Erfüllung ihrer Pflicht nur darin sehen, die Anerkennung ihrer Herren zu erlangen. Ein christlicher Diener wird sich daran erinnern, dass seine erste Pflicht dem Herrn gilt, dass er danach streben sollte, ihm zu gefallen, und dass er deshalb seine Arbeit in Einfalt des Herzens und der Absicht verrichten sollte, nicht mit der Doppelzüngigkeit, die mit dem bloßen Dienst am Auge einhergeht. Ein christlicher Diener ist sich stets der Gegenwart Gottes bewusst, für den er die höchste Achtung empfindet. Sein Ziel ist es vor allem, die Anerkennung seines himmlischen Vaters zu gewinnen.

    Daraus folgt: Was immer du tust, tue es von Herzen als für den Herrn und nicht für Menschen, weil du weißt, dass du vom Herrn den Lohn des Erbes erhalten wirst. Obwohl christliche Diener dem Anschein nach im unmittelbaren Dienst der Menschen stehen, sollten sie wissen, dass sie in Wirklichkeit im Dienst Gottes stehen. Alle ihre Arbeit muss daher von Herzen und mit recht gutem Willen getan werden. Und all dies sollte ihr bereitwilliger Gehorsam sein, umso mehr, als sie wissen sollten, dass der Herr ihnen den Lohn oder die Belohnung der Barmherzigkeit geben wird. Der Herr wird die treue Arbeit eines jeden Knechtes und eines jeden Arbeiters als ein beständiges gutes Werk um Christi willen ansehen und ihn entsprechend belohnen. In dem Erbe, das ihnen als Kindern Gottes verheißen ist, würden die Sklaven den vollen Lohn für all ihre harte Arbeit im Dienst ihrer Herren hier auf Erden erhalten.

    Deshalb dürfen sie nie vergessen: Dient dem Herrn Christus, denn wer Unrecht tut, der trägt, was er Unrecht getan hat, und es gibt keine Ansehen der Person Dies ist eine Warnung des Gesetzes: Jeder Mensch erntet, was er sät. Denn obwohl die Christen und auch die christlichen Sklaven als Gläubige nicht mehr unter dem Gesetz stehen, sind sie wegen der Schwäche und Verderbtheit ihres alten Fleisches und ihrer bösen Natur immer in Gefahr, in irgendeiner Form der Sünde nachzugeben. In diesem Fall müssen sie daran denken, dass der Übeltäter den Fluch und die Strafe für sein Übel tragen muss. Gleichzeitig liegt der schreckliche Teil der Warnung in der Tatsache, dass das Unrecht, das hier auf Erden begangen wird und nur wenige Augenblicke andauert, mit ewiger Vernichtung bestraft wird. Von den christlichen Dienern wird Gehorsam und Treue verlangt, und diejenigen, die sich in dieser Hinsicht absichtlich vergehen, wahrscheinlich unter dem Vorwand, dass sie der wahren christlichen Freiheit teilhaftig geworden sind, werden feststellen, dass Gott nicht über Missetaten oder Untätigkeit hinwegsehen wird. Es macht für ihn keinen Unterschied, ob der Sünder eine hohe gesellschaftliche Stellung in der Welt einnimmt oder zu den niedrigsten Menschen gezählt wird; er richtet das Herz.

    Auf der anderen Seite sollten deshalb auch die Herren die Warnung beherzigen, Kap. 4, V. 1; 4, V. 1: Ihr Herren, gebt euren Knechten, was gerecht und gleich ist, denn ihr wisst, dass ihr auch einen Herrn im Himmel habt. Die Behandlung, die ein Herr seinen Untergebenen, insbesondere den Sklaven, zuteil werden lässt, sollte von Recht und Billigkeit bestimmt sein, nicht von Willkür. Die Herren sollten ihre Sklaven ODER ihre Sklaven, soweit es sie betrifft, als Menschen betrachten, die ihnen gleich sind. Auf sozialer, historischer Ebene mag es einen großen Unterschied in ihrer Stellung geben, aber durch die Schöpfung sind alle Menschen vor Gott gleich, und diese Tatsache darf nie vergessen werden. Der allmächtige und gerechte Herr im Himmel wird jeden Herrn zur Rechenschaft ziehen, wie er die ihm Anvertrauten behandelt.

 

Zusammenfassung: Der Apostel lenkt die Gedanken seiner Leser zum Himmel, ermahnt sie, den alten Menschen, die sündigen Glieder auf Erden, abzulegen und den neuen Menschen mit allen christlichen Tugenden anzuziehen, gestützt durch einen reichen Gebrauch des Wortes Gottes; er gibt kurze Vorschriften für Ehefrauen und Ehemänner, für Kinder und Eltern, für Sklaven und Herren.

 

 

Kapitel 4

 

Abschließende Ermahnungen (4,2-6)

    2 Haltet an am Gebet und wacht in diesem mit Danksagung! 3 Und betet zugleich auch für uns, auf dass Gott uns die Tür des Worts auftue, zu reden das Geheimnis Christi, darum ich auch gebunden bin, 4 auf dass ich dasselbe offenbare, wie ich soll reden. 5 Wandelt weise gegen die, die draußen sind, und schickt euch in die Zeit! 6 Eure Rede sei allezeit lieblich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt.

 

    Der Apostel richtet hier die letzten Ermahnungen an die phrygischen Christen, und sie sind durch ihre eindringliche Kürze beeindruckend. Sein erster Gedanke gilt dem richtigen Gebet: Bleibt im Gebet und wacht darin mit Danksagung. Vgl. Eph. 6,16-20. Die Christen sollen im Gebet beharrlich sein, sie sollen ihre Bitten mit größter Beharrlichkeit vor den Herrn bringen, 1 Thess. 5, 17. In dem Bewusstsein, dass alles Gute und jede vollkommene Gabe von oben kommt und dass sie ohne die Hilfe ihres Vaters nichts tun können, sollen sie sich jederzeit voller Vertrauen und Zuversicht an ihren himmlischen Vater wenden. Im Übrigen aber sind sie wachsam in ihrem Gebet, Matth. 26,41; Mark. 14,38. Sie hüten sich sowohl vor bloßem mechanischen Geplapper als auch vor verworrenen Gedanken bei der Darlegung ihrer Bitten. Vor allem sollten wir unsere Gedanken unerschütterlich auf die heilbringende Wahrheit Gottes richten, gegen jeden Angriff von Seiten Satans, der Welt und unseres eigenen Fleisches, damit sich nicht Zweifel in uns manifestieren und uns die vertrauensvolle Wachsamkeit aus dem Herzen nehmen. Schließlich ist es selbstverständlich, dass wir unser Gebet mit Danksagung verbinden, auch im Voraus, denn wir wissen, dass Gott jeden Schrei seiner Kinder erhört, auf seine Weise und zu seiner Zeit, aber immer zu unserem Nutzen. Wir können viel von der Zuversicht Jesu in seinem Gebet zu seinem Vater lernen, Joh. 11,41.42.

    Rechtes Gebet wird auch von eifriger Fürbitte begleitet sein: Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür des Wortes auftue, um das Geheimnis Christi zu reden, um dessentwillen auch ich in Banden bin, damit ich es kundtue, wie ich reden soll. In ihrem Gebet sollten die Christen von Kolossä auch des Apostels und seiner Mitarbeiter gedenken, vor allem, dass Gott ihnen die Tür des Wortes öffne, dass er alle Hindernisse beseitige, die den Fortschritt des Evangeliums behinderten. Bei allen Vorrechten, die Paulus in seiner römischen Gefangenschaft genoss, blieb er dennoch in seiner freien Tätigkeit für das Evangelium behindert. Die Öffnung der Tür seiner Gefangenschaft würde daher die Öffnung einer Tür des Gesprächs sein, damit das Evangelium wieder freien Lauf in der Welt haben könnte, soweit es ihn betraf. Mit der Beendigung seiner Gefangenschaft würde Paulus wieder frei sein, um das Geheimnis zu reden und zu predigen, dessen Inhalt Jesus Christus ist, der von alters her und von Geschlechtern her verborgen war, jetzt aber offenbar geworden ist, Kap. 1,26. Um dieses Evangeliums willen war er gefesselt wie ein Gefangener, er war der Botschafter Christi in Banden, Eph. 6,20. Zugleich waren alle seine Gedanken mit Sorge darauf gerichtet, dass er die Botschaft des Evangeliums wieder verkünde, dass seine Predigt sie wieder deutlich mache, dass er wieder befähigt werde, den Menschen ihre Herrlichkeit zu zeigen. Dazu sah er sich aufgrund seiner apostolischen Berufung verpflichtet. Er wartete fast ungeduldig auf die Gelegenheit, das Werk seiner Berufung noch einmal mit der Fülle eifriger Offenheit zu tun. Anmerkung: Dieses Wort ist auch an die Christen unserer Tage gerichtet, die gut daran tun werden, ihre Seelsorger in ihre täglichen Gebete einzuschließen und für sie genau den Segen zu erbitten, den der Apostel hier für sich selbst erbittet.

    Der Apostel fügt nun ein Wort über das Verhalten der Christen gegenüber den Außenstehenden, den Ungläubigen und den Kindern der Welt, hinzu: Verhaltet euch den Außenstehenden gegenüber weise und macht den besten Gebrauch von der Gelegenheit. Es erfordert viel Taktgefühl und Weisheit seitens der Christen, so zu leben, dass ihr gesamtes Verhalten gegenüber den Nichtmitgliedern der Kirche zum Nutzen des Evangeliums und zum Lob Gottes gereicht. Ihr Verhalten muss immer so sein, dass sie für die Kirche und ihre Segnungen werben. Eines ist sicher, nämlich dass die Kinder der Welt die Christen jederzeit auf Anzeichen für ein Verhalten beobachten, das den biblischen Geboten widerspricht. Deshalb sollten die Christen jede Gelegenheit nutzen, wenn sie mit Ungläubigen zusammenkommen, um ungerechtfertigter Kritik zuvorzukommen und sie zu beschwichtigen und so die Ausbreitung des Evangeliums zu fördern, indem sie einige der häufigsten Hindernisse beseitigen. Vgl. 1. Tim. 6,1; 2. Sam. 12,14.

    Zu diesem Zweck mahnt auch der Apostel: Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, damit ihr wisst, wie ihr einem jeden Menschen antworten sollt. Zu allen Zeiten und unter allen Umständen soll der Umgang der Christen mit den Ungläubigen von angenehmer Höflichkeit geprägt sein, freundlich, einfach, geradlinig, ohne Affektiertheit. Das schließt nicht aus, dass er mit dem Salz eines energischen, aber wohltuenden Bekenntnisses gewürzt wird; er sollte treffend, auffallend, interessant, mit einer heilsamen Pointe und Sachdienlichkeit sein. Besonders wenn ein Feind der Kirche eine Lehre oder einen Brauch angreifen will, sollen alle Christen bereit sein, sich angemessen zu verteidigen, in der Regel nicht mit beißender Ironie und Härte, sondern mit einnehmender Offenheit und überzeugender Bereitschaft, jedem zu antworten, der sie nach dem Grund der Hoffnung fragt, die in ihnen ist, 1. Petr. 3,15. Das gehört zur Klugheit der Schlangen und zur Wahrhaftigkeit der Tauben, die alle Christen auszeichnen sollten.

 

Persönliche Dinge, Grüße und Abschiedsgruß (4,7-18)

    7 Wie es um mich steht, wird euch alles kundtun Tychikus, der liebe Bruder und treue Diener und Mitknecht in dem HERRN, 8 welchen ich habe darum zu euch gesandt, dass er erfahre, wie es sich mit euch verhält, und dass er eure Herzen ermahne, 9 samt Onesimus, dem treuen und lieben Bruder, welcher von den Euren ist. Alles, wie es hier steht, werden sie euch kundtun.

    10 Es grüßen euch Aristarchus, mein Mitgefangener, und Markus, der Neffe des Barnabas, von welchem ihr etliche Befehle empfangen habt (so er zu euch kommt, nehmt ihn auf); 11 Und Jesus, der da heißt Just, die aus der Beschneidung sind. Diese sind allein meine Gehilfen am Reich Gottes, die mir ein Trost geworden sind. 12 Es grüßt euch Epaphras, der von den Euren ist, ein Knecht Christi, und allezeit ringt für euch mit Gebeten, auf dass ihr besteht vollkommen und erfüllt mit allem Willen Gottes. 13 Ich gebe ihm Zeugnis, dass er großen Fleiß hat um euch und um die zu Laodicea und zu Hierapolis. 14 Es grüßen euch Lukas, der Arzt, der Geliebte, und Demas. 15 Grüßt die Brüder zu Laodicea und den Nymphas und die Gemeinde in seinem Haus.

    16 Und wenn der Brief bei euch gelesen ist, so schafft, dass er auch in der Gemeinde zu Laodicea gelesen werde, und dass ihr den von Laodicea lest. 17 Und sagt dem Archippus: Siehe auf das Amt, das du empfangen hast in dem HERRN, dass du es ausrichtest! 18 Mein Gruß mit meiner, des Paulus, Hand. Gedenkt meiner Bande! Die Gnade sei mit euch! Amen.

 

    Paulus gibt eine Empfehlung ab für die Überbringer des Briefes (V. 7-9): Die Christen in Kolossä waren natürlich begierig auf authentische Informationen über das Wohlergehen des großen Apostels, und deshalb trifft er Vorkehrungen, um diese zu liefern. Als Überbringer dieses Briefes schickt er Tychikus, den er einen geliebten Bruder und einen treuen Diener und Mitknecht in Christus nennt. Tychikus hat seine Treue vom Herrn empfangen und seinen Dienst für den Herrn getan, und es ist das höchste Lob für einen Pastor oder einen Arbeiter im Weinberg des Herrn, wenn diese Bezeichnungen auf ihn angewandt werden können. Tychikus sollte die Kolosser mit allen Informationen versorgen, die sie über den Apostel wünschten, mit allen Umständen seiner Gefangenschaft, mit dem Trost und der Tröstung, die er selbst empfing und anderen spendete, kurz mit allen Nachrichten, die Christen in Bezug auf die Arbeit und das Wirken ihrer Mitchristen interessieren. Gleichzeitig sollte sich Tychikus über den Stand der Dinge in Kolossä informieren; denn da die kolossische Gemeinde in Gefahr war, war Paulus natürlich um ihr geistliches Wohl besorgt. Tychikus konnte im Namen des Apostels Worte des Trostes und des Flehens an sie richten. Paulus nennt auch Onesimus und bezeichnet ihn als einen treuen und geliebten Bruder. Diese Empfehlung war deshalb so notwendig, weil Onesimus als heidnischer Flüchtling Kolossä verlassen hatte, nachdem er vor seinem Herrn Philemon geflohen war. Nachdem er sich in Rom durch das von Paulus verkündete Evangelium bekehrt hatte, kehrte er nun als Mitglied der Kirche nach Kolossä zurück, als ein Bruder, der nun wirklich in ihre Mitte gehörte. Diese beiden Männer konnten den Kolossern alles mitteilen, was in Rom geschah, was den Apostel und die Entwicklung des Evangeliums betraf. Anmerkung: Das lebhafte Interesse, das in den frühen Tagen des Christentums für das Wohlergehen der einzelnen Gemeinden gezeigt wurde, könnte die Christen unserer Tage durchaus dazu anregen, in dieser Hinsicht eine größere Aktivität zu zeigen.

 

    Grüße von verschiedenen Personen in Rom (V. 10-15): Die Grußformeln der Paulusbriefe sind sehr interessant, da sie einen Einblick in die Herzlichkeit und Vertrautheit geben, die in der Frühzeit unter den Christen herrschte. Timotheus war in der Überschrift des Briefes erwähnt worden. Der erste Gruß, den Paulus aufzeichnet, ist der von Aristarchus, den er einen Mitgefangenen nennt. Er stammte aus Thessalonich (Apg. 19,29; 20 4; 27,2; Philemon, V. 24) und wurde zur gleichen Zeit nach Rom gebracht, als Paulus dort vor dem Kaiser vor Gericht stand. Der Apostel nennt als nächstes Markus, den Neffen des Barnabas, Apg. 12,12.25; 15,37-39; 2. Tim. 4,11. Offensichtlich hatte sich Markus in den Augen des Apostels seit seinem Abfall in Perga, Apg. 13,13, rehabilitiert, denn er war nun wieder ein Gefährte des Apostels. Markus war der Gemeinde in Kolossä von anderen empfohlen worden, und Paulus fügt hier seine eigene Empfehlung hinzu, um zu zeigen, dass er volles Vertrauen in seinen jungen Mitarbeiter hatte. Als nächstes nennt er Jesus mit dem Nachnamen Justus, der ansonsten unbekannt ist. Diese beiden Männer, Markus und Jesus Justus, waren die einzigen Gefährten des Paulus, die gebürtige Juden waren. Paulus lobt sie in den höchsten Tönen und sagt, sie seien seine Mitarbeiter im Interesse des Reiches Gottes, der Kirche, und sie seien ihm ein Trost gewesen und hätten ihm bei besonderen Anlässen Trost gespendet.

    Ein sehr wichtiger Gruß war der des Epaphras, der in der Tat einer der Kolosser war, ein Jünger des Apostels und der Gründer nicht nur der Gemeinde in Kolossä, sondern wahrscheinlich auch der Gemeinden in Hierapolis und Laodizea. Paulus nennt ihn einen Diener Christi Jesu, der seine ganze Zeit damit verbringt, für seine Christen in Kolossä zu beten, damit sie vollendet und völlig sicher in allem Willen Gottes stehen. Hierin erwies sich Epaphras als wahrer Seelsorger, denn seine Fürbitten stiegen ohne Unterlass zum Thron der Barmherzigkeit auf, und sein einziger Gedanke war, dass Gott den kolossischen Christen die Kraft geben möge, in ihrem Glauben und ihrer Heiligung vollendet zu werden. Nur durch die Fülle der Gewissheit aus der Höhe werden die Christen befähigt, im Willen Gottes vollkommen zu sein, in allem, was Gott will. Der Wille Gottes findet seinen Ausdruck im Leben der Christen, und zwar um so vollkommener, je mehr sie in seiner Erkenntnis und in der Bereitschaft wachsen, das zu tun, was ihrem himmlischen Vater wohlgefällig ist. Paulus bezeugt auch von Epaphras, dass er immer noch sehr um ihr Wohlergehen besorgt war, und zwar nicht nur um das ihre, sondern auch um das der Gemeinden in Laodizea und Hierapolis in der Nachbarschaft, wahrscheinlich ursprünglich Predigtstationen, die von Kolossä aus gegründet worden waren.

    Der Apostel sendet auch Grüße von Lukas, den er als den geliebten Arzt bezeichnet. Lukas oder Lucanus, der Verfasser des dritten Evangeliums, hatte sich Paulus auf seiner zweiten Missionsreise angeschlossen und ihn seitdem so oft er konnte begleitet. Zu dieser Zeit war er sein Begleiter in der Gefangenschaft in Rom, ein geliebter Bruder im Herrn. Demas war zu dieser Zeit noch ein Bruder in Christus, hat aber später leider die Kirche verlassen und den Glauben verleugnet, 2. Tim. 4,10. Schließlich bittet Paulus die Kolosser, die Gemeinde in Laodizea zu grüßen, mit der die von Kolossä in inniger Gemeinschaft verbunden war. Er wählt einen Nymphas für einen besonderen Gruß aus, da er der Gastgeber einer Hausgemeinde war, wie sie in der Frühzeit so häufig vorkam. Anmerkung: Die ersten Christen zeichneten sich nicht nur durch die Festigkeit ihres Glaubens und die Inbrunst ihrer brüderlichen Liebe aus, sondern sie waren auch bereit, sich selbst und alles, was sie hatten, für das Evangelium einzusetzen.

 

    Der Schluss (V. 16-18): Obwohl dieser apostolische Brief an die Christen in Kolossä gerichtet war, waren seine Lehren und Ermahnungen nicht nur für die Kolosser bestimmt. Paulus weist sie ausdrücklich darauf hin, dass sie den Brief, nachdem sie ihn gelesen haben, auch in der Gemeinde in Laodizea lesen lassen sollen, deren Interesse an ihren Angelegenheiten größer sein dürfte als das jeder anderen Gemeinde. Im Gegenzug sollten sie Schritte unternehmen, um den Brief aus Laodizea zu lesen. Entweder handelte es sich um den Brief an die Epheser, der von Ephesus aus an andere Gemeinden weitergeleitet wurde, oder es handelt sich um einen Brief, der verloren ging, wahrscheinlich bei dem Erdbeben, das im Jahr darauf viele Städte dieser Region zerstörte.

    Paulus fügt eine Botschaft an einen gewissen Archippus bei, der wahrscheinlich Epaphras als Bischof oder Pastor der Gemeinde in Kolossä abgelöst hatte: Achte auf das Amt, das du in dem Herrn empfangen hast, dass du es erfüllst. Die Leitung einer christlichen Gemeinde bringt eine große Verantwortung mit sich, und die Arbeit sollte daher stets im vollen Bewusstsein dieser feierlichen Würde getan werden. Es ist ein Amt, das eifrig und unermüdlich ausgeübt werden muss, denn auch heute noch wird es dem Pastor durch die Berufung durch die Gemeinde in die Hand gegeben. Sowohl die Gemeinden als auch die Pastoren sollten sich dieser Tatsache stets bewusst sein.

    Zum Schluss fügt Paulus seinen persönlichen Gruß mit eigener Hand hinzu, wie in anderen Briefen, 1. Kor 16,21; 2. Thess. 3,17. Noch einmal ermahnt er die Kolosser, seiner Fesseln zu gedenken, ihn, den um des Evangeliums willen Gefangenen, in ihren Gebeten nicht zu vergessen. Was ihn betrifft, so ist seine ganze Liebe zu ihnen in einem Satz ausgedrückt: Gnade sei mit euch! Die Gnade Gottes, die der Erlöser für alle Menschen erworben hat, ist die Grundlage des Glaubens und die Kraft des Lebens der Christen. Diese Gnade haben wir nicht aus eigener Vernunft oder Kraft, sie ist das freie Geschenk Gottes in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

 

Zusammenfassung: Der Apostel fordert seine Leser auf, fleißig zu beten und Fürbitte für ihn einzulegen; er schließt eine Empfehlung für Tychikus und Onesimus ein; er sendet Grüße von verschiedenen Gefährten in Rom; er schließt mit einem Auftrag an Archippus und einem letzten Gruß.

 

 

Gehorsam – absolut und eingeschraenkt

 

    Die Vorrechte, Aufgaben und Pflichten, die sowohl den Kindern als auch den Eltern nach dem vierten Gebot obliegen, müssen Gegenstand ständiger Belehrung und Ermahnung sein, damit der Wille Gottes, wie ihn der Apostel an verschiedenen Stellen seiner Briefe zum Ausdruck bringt, nicht missachtet wird. Man muss sich immer vor Augen halten, dass alle Eltern die Vertreter Gottes gegenüber ihren Kindern sind, und dass die Kinder kostbare Gaben Gottes sind, die den Eltern anvertraut wurden. Wenn man sich diese Tatsachen stets vor Augen hält, wird sich die Frage des Gehorsams und der Achtung gegenüber den Eltern von selbst regeln.

    In der frühen Kindheit, solange die Kinder noch von den Eltern in Bezug auf Pflege, Erziehung, Unterweisung und Ausbildung abhängig sind, lehrt die Natur selbst, ganz zu schweigen vom vierten Gebot, dass von den Kindern absoluter Gehorsam innerhalb der Grenzen von Apg. 5,29; Eph. 6,4; Kol. 3,21 verlangt werden muss. Ein Gebot, das ein Elternteil während der frühen Kindheit erteilt, muss von den Kindern sofort und bedingungslos befolgt werden. Wenn Vater oder Mutter zulassen, dass Ungehorsam, Unwilligkeit, Sturheit und andere sündige Äußerungen in dieser Zeit die Oberhand gewinnen, in der Hoffnung, dass sich die Kinder zum Besseren wenden, wenn sie das Alter der Vernunft und der Besonnenheit erreicht haben, untergräbt ein solcher Elternteil seine eigene Position und ebnet den Weg für Elend und Herzenskummer in der Zukunft. Die Worte des Herrn, Eph. 6,1-3; Kol. 3,20 und anderswo, sind zu deutlich und nachdrücklich, um ungestraft missachtet zu werden.

    Aber wo eine solche kontinuierliche Erziehung zum Gehorsam in der Kindheit die Regel war, wo die Kinder gelernt haben, ihren Eltern „im Herrn“ untertan zu sein, wo der Geist der Liebe, der vom Herrn der Liebe gewirkt wurde, in ihren Herzen lebt, dort werden christliche Eltern in der Lage sein, mit der richtigen Weisheit auf diesem Fundament während der Jugend ihrer Söhne und Töchter aufzubauen. In dieser Zeit werden die jungen Menschen für ihre Berufung, für ihr Lebenswerk ausgebildet; in dieser Zeit werden die geistigen Anlagen und Fähigkeiten entwickelt. Kluge Eltern werden es in dieser Zeit, obwohl sie immer noch auf bedingungslosen Gehorsam bestehen, als eine Frage der richtigen Erziehung ihrer Kinder betrachten, mit ihren heranwachsenden Jungen und Mädchen über Angelegenheiten zu diskutieren, die ihre Interessen betreffen, und ihnen bei allem Respekt zu erlauben, Argumente für und gegen eine bestimmte Sache vorzubringen. Das Alter der Adoleszenz ist das kritische Alter im Leben der Kinder, sowohl was ihre geistige als auch ihre körperliche Entwicklung betrifft, und eine unvernünftige Absolutheit in den Forderungen, in der tyrannischen Durchsetzung von Kleinigkeiten, kann die Herzen der Kinder für immer entfremden.

    Ein noch anderes Stadium ist erreicht, wenn die Kinder nicht mehr von den Eltern abhängig sind, wenn sie eine Stellung eingenommen haben, in die Berufung eingetreten sind, für die sie durch die Erziehung und Ausbildung der Eltern unter Gottes Führung vorbereitet worden sind. Dann sind die Kinder, was die Angelegenheiten dieser Welt betrifft, von den Eltern unabhängig. Die Eltern haben sie aus ihrer unmittelbaren Autorität entlassen und haben kein Recht mehr, sich in die Arbeit oder den Beruf der Kinder einzumischen. Dann ist der Zustand erreicht, von dem in Hebr. 12, 9.10 die Rede ist, wo der inspirierte Schreiber offensichtlich von der Vergangenheit spricht. Erwachsene Kinder sollen und müssen auf eigenen Füßen stehen, in eigener Verantwortung handeln.

    Zugleich bleibt aber auch für erwachsene Kinder das vierte Gebot in Kraft. Sie sind zwar nicht in absolutem Gehorsam an ihre Eltern gebunden, es sei denn, sie sind verpflichtet, die Hausordnung einzuhalten, wenn sie noch zu Hause wohnen. Aber sie stehen immer noch unter dem Gebot, ihren Eltern als Stellvertretern Gottes alle Ehre zu erweisen und damit in einer Position der Ehre und Achtung. Es gibt keine Grenze für die Worte: „Damit es dir gut geht und du lange lebst auf Erden“, Eph. 6,3, und dem Gebot: „Höre auf deinen Vater, der dich gezeugt hat, und verachte deine Mutter nicht, wenn sie alt ist“, Spr. 23, 22. Kluge Kinder werden daher auch sehr darauf achten, in allen wichtigen Angelegenheiten den Rat der Eltern einzuholen. Unabhängig davon, ob die Eltern die gleichen erzieherischen Vorteile hatten wie die Kinder oder nicht, bleibt es dabei, dass ihre größere Erfahrung sie befähigt, die stürmische Aufbrausen der Jugend mit der Gelassenheit eines reifen Rates auszugleichen. Dazu kann es gehören, dem Ungestüm der Kinder in gleichgültigen Dingen nachzugeben und ihnen zu erlauben, durch Fehler Erfahrungen zu sammeln. Wenn dieses Verhältnis zwischen Eltern und Kindern eingehalten wird, gibt es keinen Grund, warum sie nicht im Laufe der Jahre enger zusammenwachsen sollten, so dass sich das Wort in ihrem Fall erfüllt: „Kindeskinder sind die Krone der Alten, und der Ruhm der Kinder sind ihre Väter“, Spr. 17,6. Dann wird es auch selbstverständlich sein, dass Kinder sich bemühen, es ihren Eltern recht zu machen, denn das ist Gott wohlgefällig, 1. Tim. 5,4.

    Aber es gibt noch einen weiteren Punkt, der in unseren Tagen eine gesonderte Behandlung erfordert. Nach der Heiligen Schrift ist das Schenken von Kindern in der Ehe eindeutig das Vorrecht der Eltern. Wenn also junge Menschen ohne die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung ihrer Eltern ein Verlöbnis eingehen, sich gegenseitig ihr Eheversprechen geben, verstoßen sie gegen das vierte Gebot. Andererseits ist die Autorität der Eltern in Bezug auf die Ehe ihrer Kinder nicht absolut. Sie haben weder das Recht, ihr Kind gegen seinen Willen zu einer Ehe zu zwingen, noch haben sie das Recht, ihre Zustimmung zu einer Ehe ohne ausreichende und triftige Gründe zu verweigern. Wenn der Einspruch der Eltern letztlich einem völligen Verbot der Ehe gleichkommt, verstößt er gegen das Wort der Schrift, 1. Kor 7,2. Wo ein Gefühl der Liebe, der Ehre und des Respekts auf der einen Seite und der Liebe, der Güte und der Rücksichtnahme auf der anderen Seite vorhanden ist, sollten die Probleme, die mit diesem wichtigen Schritt verbunden sind, ohne allzu große Schwierigkeiten gelöst werden können. Unter der Herrschaft des Geistes Christi und des Gesetzes der Liebe werden die Christen eine zufriedenstellende Lösung für jedes Problem finden, das sich ihnen stellt.[8]



A Entnommen aus: Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. St. Louis, Missouri. Bd. 14. Groß Oesingen: Verl. der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms. 1987.  Sp. 116-117

[1] Fürbringer, Einleitung in das Neue Testament, 69

[2] Luther, 12, 376.

[3] Für vv. 9-14, vgl. Hom. Mag., 1906, 321 bis 335; Luther, 12, 962-981.

[4] Luther, 12, 648.

[5] Luther, 12, 513.

[6] Luther, 12, 516.

[7] Für VV. 12-17, vgl. Hom. Mag., 1906, 32 bis 48; Luther, 12, 381-397.

[8] Vgl. Zorn, Kolosserbrief, 487-490; Syn.-Ber., Kans., 1904. 1906. 1907; English Synod of Missouri, 1899. 1903; Keuschheit und Zucht, 44-58.