Der Brief des Apostels Paulus an die Epheser

 

Luthers Vorrede auf die Epistel St. Pauli an die Epheser                                           

Einleitung                                       

Kapitel 1                                         

Kapitel 2                                         

Kapitel 3                                         

Kapitel 4                                         

Kapitel 5                                         

Kapitel 6                                         

 

 

Luthers Vorrede auf die Epistel St. Pauli an die Epheser

1522A

 

    1. In dieser Epistel lehrt St. Paulus aufs erste, was das Evangelium sei, wie es allein von Gott in Ewigkeit versehen und durch Christus verdient und ausgegangen ist, dass alle, die daran glauben, gerecht, fromm, lebendig, selig und vom Gesetz, Sünde und Tod frei werden. Das tut er durch die ersten drei Kapitel.

    2. Darnach lehrt er meiden die Nebenlehre und Menschengebote, auf dass wir an Einem Haupt bleiben, gewiss, rechtschaffen und völlig werden in Christus allein, an welchem wir’s gar haben, dass wir außer ihm nichts bedürfen. Das lehrt er im vierten Kapitel.

    3. Fortan lehrt er den Glauben üben und beweisen mit guten Werken und Sünde meiden und mit geistlichen Waffen streiten wider den Teufel, damit wir durchs Kreuz in Hoffnung bestehen mögen.

 

 

Einleitung

 

    Nach Ephesus, der blühenden Metropole von Ionien [Ostküste des Ionisches Meeres, heutige Westküste der Türkei], der Hauptstadt und dem Handelszentrum der großen und wohlhabenden römischen Provinz Asia proconsularis in Westkleinasien, dem Sitz der griechischen Gelehrsamkeit und Wissenschaft, der Heimat des heidnischen Kultes der Göttin Diana und auch der Hexerei und des Aberglaubens, war der heilige Paulus auf seiner zweiten Reise gekommen (Apg. 18,19-21). Da es ihm unmöglich war, so lange zu bleiben, wie er es sich wünschte und wie es die wenigen Christen der Stadt forderten, kehrte er am Ende des Jahres 52 oder etwas später auf seiner dritten Reise nach Ephesus zurück (Apg. 19,1, kehrte nach Ephesus zurück, wo er fast drei Jahre blieb und das Evangelium mit bemerkenswertem Erfolg predigte, „so dass alle, die in Asien wohnten, das Wort des Herrn Jesus hörten, sowohl Juden als auch Griechen“, Apg. 19,10. Die Gemeinde in Ephesus bestand zwar ursprünglich aus einer Gruppe von jüdischen Christen, setzte sich aber hauptsächlich aus nichtjüdischen Christen zusammen (Apg. 20,21; Eph. 3, 1). Aufgrund ihrer Größe und ihres Wissenszuwachses nahm sie bald die Position der Hauptkirche in dieser Region Asiens ein (Apg. 20,17-38). Nach dem Ende der ersten römischen Gefangenschaft besuchte Paulus die Gemeinde noch einmal und übertrug Timotheus die Verantwortung für die Arbeit (1. Tim. 1,3; 3,14; 4,13; 2. Tim. 1,18). Noch später lebte der Apostel Johannes in Ephesus. Eine der Botschaften, die der Herr Johannes auf der Insel Patmos für die sieben Gemeinden in Kleinasien gab, war an die Gemeinde in Ephesus gerichtet (Offb. 2,1-7).

    Es gab keinen unmittelbaren, dringenden Grund, der Paulus dazu veranlasste, diesen Brief zu schreiben, wie es beispielsweise bei den Briefen an die Korinther und die Galater der Fall war. Sein Ziel war lediglich der Wunsch, die Gemeinde in Ephesus und damit die Tochtergemeinden in der gesamten Region zu stärken und zu etablieren, die asiatischen Christen an die große Barmherzigkeit und Ehre zu erinnern, die sie Christus verdankten und derer sie sich jederzeit bewusst sein sollten, und sie zu ermutigen, ihrer Berufung als Nachfolger Christi mit allem ernsthaften Bemühen nachzukommen. Die eine heilige christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, ist der zentrale, der grundlegende Gedanke des gesamten Briefes.[1] Im Übrigen wurden alle, die Gefahr liefen, durch falsche Lehren in die Irre geführt zu werden, aufgefordert, sich daran zu erinnern, dass das Evangelium Jesu Christi die wahre Weisheit ist und daher untrennbar mit dem Gedanken der wahren Heiligung verbunden ist. Luther schreibt: „In dieser Epistel lehrt der heilige Paulus vor allem, was das Evangelium ist, wie es von Gott allein in der Ewigkeit verordnet und durch Christus verdient und hervorgebracht wurde, damit alle, die daran glauben, gerecht, fromm, belebt, gerettet und frei von Gesetz, Sünde und Tod werden können. Außerdem lehrt er uns, die falschen Lehren und Vorschriften der Menschen zu meiden, damit wir bei dem einen Haupt bleiben, gewiss, gerechtfertigt und vollkommen in Christus allein werden, in dem wir alles haben und nichts außerhalb von ihm brauchen ... Schließlich lehrt er uns, unseren Glauben in guten Werken zu üben und zu beweisen, die Sünde zu meiden und mit geistigen Waffen gegen den Teufel zu kämpfen, damit wir durch das Kreuz in der Hoffnung gestärkt werden.“[2]

    Was die Zeit und den Ort der Abfassung des Briefes betrifft, so ist es offensichtlich, dass Paulus ihn schrieb, während er in Gefangenschaft war, Kap. 3,1; 4,1; 6,20. Die Anmerkung unter dem Text (die nicht Teil des Briefes ist, sondern von einem Kopisten als Erklärung hinzugefügt wurde) besagt in diesem Fall, dass der Brief „von Rom aus von Tychikus an die Epheser geschrieben wurde“. Des Paulus erste Gefangenschaft in Rom, während der er den Brief verfasste, begann im Jahr 61 n. Chr. und endete im Jahr 63. Der Brief wurde daher wahrscheinlich im Jahr 62 n. Chr. verfasst.

    Der Charakter dieses Briefes ist so, dass er jedem Christen ans Herz wächst. Im Gegensatz zum Brief an die Galater, der offensichtlich in großer Aufregung geschrieben wurde, herrscht hier eine Atmosphäre der stillen Besinnung. „Die Ausdrucksweise und der Stil sind so erhaben, wie man es in kaum einem anderen Brief des Paulus findet. Er ist einer der reichsten und wertvollsten der Episteln, mit einer einzigartigen Fülle an Inhalten, Tiefe in der Lehre, Feierlichkeit im Stil und Wärme in der Emotion, die ihn für die Christen in jedem Land wertvoll machen.“[3]

    Der Brief gliedert sich natürlich in zwei Teile, den lehrmäßigen Teil, Kap. 1–3, und den ermahnenden Teil, Kap. 4–6. Nach der Anrede bricht Paulus in einen wunderbaren Lobgesang auf, in dem er Gott für die ewige Erwählung in Christus Jesus, für die Erlösung in der Zeit und für die erneuernde Kraft des Geistes dankt. Darauf folgt ein Gebet, dass die Christen in Ephesus zur richtigen Erkenntnis dieses Erlösungswerks und der Stellung Jesu als Haupt der Kirche gelangen mögen. Er zeigt seinen Lesern, wie Gott sie aus dem Tod der Sünde auferweckt und Juden und Heiden in der Kirche, dem heiligen Tempel des Herrn, vereint hat. Diese herrliche Botschaft ist ihm als Apostel der Heiden besonders anvertraut, weshalb er ein inständiges Gebet um die Stärkung ihres Glaubens einfügt. Im zweiten Teil ermahnt Paulus seine Leser, ihrer Berufung würdig zu wandeln, in wahrer Einheit, im Gegensatz zu ihrem früheren heidnischen Zustand der Unreinheit in Heiligkeit, Reinheit und Liebe, als wahre Kinder und Jünger des Herrn. Es folgt eine Auflistung der Pflichten für die verschiedenen Stationen und schließlich eine eindringliche Mahnung, den Kampf des Geistes ohne Unterlass zu führen und in der angemessenen Fürbitte unermüdlich zu sein. Der Brief schließt mit einer Empfehlung für den Überbringer und mit Grüßen.[4]

 

 

Kapitel 1

 

Gruß, Lobpreis für die Segnungen der ewigen Erwählung und Gebet für geistliche Erleuchtung (1,1-23)

    1 Paulus, ein Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes: Den Heiligen zu Ephesus und Gläubigen an Christus Jesus. 2 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HERRN Jesus Christus!

    3 Gelobt sei Gott und der Vater unsers HERRN Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christus; 4 wie er uns denn erwählt hat durch denselben, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollten sein heilig und unsträflich vor ihm in der Liebe; 5 und hat uns verordnet zur Kindschaft für ihn selbst durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens, 6a zu Lob seiner herrlichen Gnade,

    6b durch welche er uns hat angenehm gemacht in dem Geliebten, 7 an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, 8 welche uns reichlich widerfahren ist durch allerlei Weisheit und Klugheit. 9 Und er hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens gemäß seinem wohlwollenden Entschluss, den er sich vorgenommen hat in ihm, 10 damit in der Haushaltung der Fülle der Zeit alle Dinge zusammengefasst würden in Christus, beide, das im Himmel und auch auf Erden ist, durch ihn selbst,

    11 durch welchen wir auch zum Erbteil gekommen sind, die wir zuvor verordnet sind nach dem Vorsatz des, der alle Dinge wirkt nach dem Rat seines Willens, 12 damit wir etwas seien zu Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus hoffen; 13 durch welchen auch ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit; durch welchen ihr auch, da ihr glaubtet, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geist der Verheißung, 14 welcher ist das Pfand unsers Erbes zu unserer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zu Lob seiner Herrlichkeit.

    15 Darum auch ich, nachdem ich gehört habe von dem Glauben bei euch an den HERRN Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen, 16 höre ich nicht auf, zu danken für euch, und gedenke euer in meinem Gebet, 17 dass der Gott unsers HERRN Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und der Offenbarung zu seiner selbst Erkenntnis 18 und erleuchtete Augen eures Verständnisses, dass ihr erkennen mögt, welche da sei die Hoffnung eurer Berufung, und welcher sei der Reichtum seines herrlichen Erbes an seinen Heiligen, 19 und welche da sei die überschwängliche Größe seiner Kraft an uns, die wir glauben nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke, 20 welche er gewirkt hat in Christus, da er ihn von den Toten auferweckt hat und gesetzt zu seiner Rechten im Himmel 21 über alle Fürstentümer, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was genannt mag werden, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. 22 Und hat alle Dinge unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde über alles, 23 welche da ist sein Leib, nämlich die Fülle des, der alles in allen erfüllt.

 

    Anrede und Gruß (V. 1-2): Paulus beginnt diesen Brief in seiner üblichen Weise. Als Apostel Christi Jesu, des erhabenen Herrn, dessen Messianität vorhergesagt und offenbart wurde, hat er sich das Amt nicht selbst ausgesucht, sondern er wurde durch den ausdrücklichen Willen Gottes dazu berufen; er erhielt sein Apostelamt ohne eigenes Verdienst und ohne eigene Würdigkeit. Aber nachdem er es erhalten hatte, war er sich der Würde, mit der er ausgestattet worden war, voll bewusst und hatte nicht die Absicht, dass irgendjemand dies in Frage stellen sollte. Er wendet sich an die Heiligen und Gläubigen in Christus Jesus, die in Ephesus waren. Die Mitglieder dieser Gemeinde, die Mitglieder in Wahrheit waren, glaubten an Christus Jesus als den Erlöser, der für alle ihre Sünden gesühnt hatte, und durch diesen Glauben wurden sie Gott geweiht und geheiligt. Sie waren somit mit Christus in der innigsten Gemeinschaft und Vereinigung verbunden. In seiner üblichen Anrede drückt Paulus den Wunsch aus, dass dieser glückliche Zustand anhalten möge. Die Gnade und der Friede, die der Apostel den Christen in Ephesus wünscht, sind Segnungen, die nur von Gott dem Vater und von Christus, dem Herrn, kommen. Der Sohn hat allen Menschen die Gnade und Barmherzigkeit seines himmlischen Vaters, die vollständige Vergebung aller Sünden und damit auch den Frieden mit Gott gesichert, da die Feindschaft zwischen der sündigen Menschheit und dem heiligen Gott durch die vollkommene Genugtuung, die sein stellvertretendes Werk bewirkt hat, beseitigt wurde. Aber Christus, der Mittler, wird hier nebenbei wie der Vater als Quelle und Urheber der Gnade und des Friedens dargestellt; er ist wahrer Gott und Erlöser, zusammen mit dem Vater, von Ewigkeit her.

 

    Lobpreisung Gottes für die Segnungen seiner Liebe und Gnade (V. 3-6a): Nur wenige Bibelstellen übertreffen diese Verse an erhabener und anhaltender Feierlichkeit. Die Worte des Apostels sind in würdevoller Größe angeordnet: Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. Das ist die Haltung der Gläubigen zu allen Zeiten, dass Gott gepriesen werden muss, dass er allen Lobes und aller Ehre würdig ist für die vielfältigen Manifestationen seiner erlösenden Liebe in Jesus Christus. Denn wir und alle Gläubigen denken an Gott als den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Vgl. Röm. 15,6; 2. Kor. 1,3; 2,31; 1. Petr. 1,3. Durch Jesus Christus, den Gottmenschen und Erlöser der Menschheit, ist Gott in das Verhältnis des Vaters zu uns und zu allen Gläubigen eingetreten: In Jesus, der von Ewigkeit her aus dem Wesen des Vaters geboren wurde und daher selbst wahrer Gott ist, haben wir freien Zugang zum Herzen des Vaters. Wir loben und preisen Gott, weil er uns gesegnet hat, wobei sein Segen nicht in Worten des Guten besteht, sondern in Taten der Gnade, nicht in einem bloßen frommen Wunsch, sondern in einer Übertragung himmlischer Wohltaten. Mit jedem geistlichen Segen hat Gott an uns gedacht, mit einem Segen, der dem Geist Gottes entspricht, der göttlich und himmlisch ist. Die geistlichen Segnungen der Christen sind im Himmel, haben ihren Ursprung im Himmel, als dem Wohnort Gottes. Die Segnungen der höheren, der vollkommenen, der zukünftigen Welt gehören uns in Christus; Christus, als Mittler zwischen Gott und der verlorenen Welt, hat uns die Wohltaten und Gaben gebracht, die der Vater für uns in ihm, durch ihn, auf seine Rechnung und aufgrund seines vollkommenen Verdienstes vorgesehen hat. „In ihm lag der Grund dafür, dass Gott uns mit jedem geistlichen Segen segnete, da sein Erlösungsakt die verdienstvolle Ursache für diese göttliche Segensverleihung ist.“ (Meyer.)

    Von den wunderbaren Segnungen Gottes in Christus Jesus zählt der Apostel nun die der ewigen Erwählung der Gnade auf: So wie er uns in ihm erwählt hat vor Grundlegung der Welt. Gott hat uns erwählt, er hat uns ausgesucht, er hat uns ausgewählt, er hat uns für sich selbst beiseitegelegt; es war ein freier Akt seinerseits. Es war jedoch kein Akt der absoluten Macht Gottes, sondern er erwählte uns in Christus. Die geistlichen Segnungen wurden uns auf der Grundlage des Werkes Christi zuteil, aber die Erwählung fand vor der Grundlegung der Welt statt.[5] Es war ein Akt, der vor Anbeginn der Zeit geschah, bevor die Welt ins Dasein gerufen wurde. „Bevor wir existierten, noch bevor der Grundstein für die Welt gelegt wurde, dachte Gott in Gnade an uns; in seinen Gedanken, in seinem Rat und seiner Entschlossenheit nahm er uns aus der verlorenen und verdammten Generation der Menschen heraus (aus der Gesamtmasse der Menschen, für die die Erlösung durch Christus geschaffen wurde); ... Er beschloss fest, dass wir für immer ihm gehören und in Ewigkeit mit ihm leben sollten.“ Denn das Ziel seiner Wahl war: Dass wir heilig und ohne Tadel vor ihm in Liebe sein sollten. Aufgrund unserer Beziehung zu Gott, in die wir durch seinen Ruf eingetreten sind, sollten wir uns in einem Zustand der Heiligung vor ihm befinden, rein und tadellos, von jeglicher Unreinheit befreit. Heiligkeit, moralische Reinheit und Liebe sind die grundlegenden Merkmale des christlichen Lebens. Das ist das Interesse, das Gott an uns hat, das ist das Ziel, für das er uns auserwählt hat.

    Dieses Ziel Gottes umfasst noch mehr: Indem er uns im Voraus für die Sohnschaft durch Jesus Christus zu sich selbst bestimmt. Der Ratschluss und die Bestimmung Gottes existierten bereits, bevor die Personen geschaffen wurden, die die Empfänger seiner Großzügigkeit werden sollten. Der Ratschluss der Erwählung beinhaltet die Vorherbestimmung für die Beziehung der Kinder zu Gott durch Adoption, Röm. 8,15.16. Diese Sohnschaft wurde tatsächlich durch Jesus Christus bewirkt, dessen Sühnewerk uns von Kindern des Zorns zu Kindern der Gnade und Barmherzigkeit gemacht hat. Dies ist unsere neue Beziehung zu Gott, kraft derer wir etwas von der Art und Weise, vom Geist des himmlischen Vaters in uns haben, wobei sich Gottes Heiligkeit und Liebe in unserem Leben widerspiegeln. Und Gottes einziges Motiv bei dieser Vorherbestimmung zur Sohnschaft war: Nach dem Wohlgefallen seines Willens. Es war ein Entschluss von Gottes gnädigem Willen. „Gottes Vorherbestimmung von uns zur Adoption ist nicht auf irgendeine Wüste in uns oder etwas außerhalb von Gott selbst zurückzuführen, sondern ist ein Akt seiner eigenen reinen Güte, der nur und ausschließlich in der Freiheit seiner eigenen Gedanken und seines liebevollen Rates seinen Ursprung hat.“ Und ihr letztes Ziel ist: Zum Lob der Herrlichkeit seiner Gnade. Vgl. V. 12 und 14. In der Seligkeit seiner Auserwählten wird die Seligkeit Gottes erhöht. Wenn sich sein wunderbarer Plan vor den erstaunten Augen der Christen offenbart, erkennen sie seine Gnade mit dankbarer Anbetung an und loben und preisen seinen Namen wegen dieser Offenbarung seiner Gnade.

 

    Die Offenbarung der Gnade Gottes nach seinem Ratschluss (V. 6b-10): Der Apostel greift hier den Gedanken aus Vers 3 auf, der die Segnungen betrifft, die uns in Christus gegeben wurden: Mit denen Er uns in dem Geliebten begnadet hat. Das ist die historische Entfaltung der Gnade Gottes in der Zeit: Er hat uns Seine Gnade großzügig zuteilwerden lassen. Jeder Verdienst und jede Würdigkeit unsererseits ist ausgeschlossen: Die Verleihung von Gottes Gnade und Gunst ist ein Maß für seine barmherzige Güte allein, in seinem Geliebten, in und mit Christus selbst, Kol. 1,13; Matth. 3,17. Durch die Gnade Gottes in Jesus, dessen gesamtes Werk ein Ausdruck der Liebe Gottes zu uns ist, werden wir sowohl zu Objekten als auch zu Empfängern seiner Liebe.

    Wie der ewige Ratschluss ausgeführt wurde, erklärt Paulus: in dem wir die Erlösung durch sein Blut haben, die Vergebung der Sünden, gemäß dem Reichtum seiner Gnade. In Christus habe ich die Erlösung, die lange versprochen und erwartet wurde. Er hat das Lösegeld für die Sünden aller Menschen bezahlt, und die Gläubigen haben sein stellvertretendes Handeln angenommen; sie wissen, dass sein Blut die Schuld der Sünden aller Menschen bezahlt hat, dass es die Schuld gesühnt hat, dass es die Strafe getragen hat. Das Ergebnis ist ein dauerhafter Besitz der Christen, die Vergebung der Sünden. In Christus gibt es ein für alle Mal vollständige Erlösung, vollkommene Vergebung der Sünden für alle Menschen; in Ihm werden ihre Schuld nicht mehr auf ihr Konto angerechnet. In Christus haben alle Gläubigen Vergebung und damit Erlösung, und das nicht in geringem Maße, so dass kein Zweifel an der Hinlänglichkeit des stellvertretenden Lösegeldes besteht, sondern gemäß dem Reichtum seiner Gnade. Die ganze Fülle seines gnädigen Reichtums ist auf uns ausgegossen worden. „Bei dir ist die Gnade im Überfluss zu finden.“

    Damit niemand mehr Bedenken hinsichtlich des grenzenlosen Reichtums der liebenden Gunst Gottes hat, fügt der Apostel hinzu: „Die er uns in aller Weisheit und Einsicht im Überfluss zuteil werden ließ.“ Wenn Gott geistige Gaben verteilt, hält er sich nicht an eine ängstliche Einschränkung, sondern gibt sie in so reichem Maße, dass es mehr als genug ist. Seine Gnade fließt in einem überfließenden Strom auf uns und in uns und lehrt uns die richtige Weisheit und das richtige Verständnis, sodass wir den Weg finden und dem Kurs folgen können, der dem Willen Gottes entspricht. Eine solche erleuchtete Intelligenz, die den Willen Gottes kennt, findet sich dort, wo die Gnade Gottes im Herzen eines Menschen wirksam war. Die Gedankengänge sind daher wie folgt: Der Besitz der Erlösung durch das Blut Christi fällt mit unserer Annahme in die Sohnschaft Gottes zusammen. Unsere Sünden und Verfehlungen, die uns von Gott trennten, sind vergeben, der Herr wird ihrer nicht mehr gedenken. Als Kinder Gottes erheben wir fröhlich und zuversichtlich unsere Augen zu unserem himmlischen Vater und erwarten von ihm alle geistlichen Gaben für ein Leben nach seinem Wohlgefallen. Und die Weisheit und Unterscheidungskraft, die Gott uns gegeben hat, machen uns bereit und vollkommen für ein heiliges, tadelloses Verhalten in Liebe. All diese Gaben, alles, was wir in geistlichen Dingen sind und besitzen, verdanken wir ganz und gar der freien Gnade Gottes, der Erwählung der Gnade.

    Der Apostel greift nun den Gedanken von Vers 5 auf und fügt dem gesamten vorangegangenen Abschnitt einen neuen Moment hinzu: Indem er uns das Geheimnis seines Willens kundtat, wie er es gnädig im Voraus bestimmt hat: Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist. Gott hat allen Christen, allen Gläubigen, das Geheimnis offenbart, um uns zu zeigen, warum er uns den vollen Reichtum an geistlichen Gaben geschenkt hat. Es ist ein Geheimnis, das seinen Willen und seine Freude betrifft, denn in der Frage seiner Wahl hat Gott sich in keiner Weise von etwas außerhalb seiner selbst beeinflussen lassen. Gott hat seinen Kurs in und durch sich selbst bestimmt; seine eigene freie Entscheidung entsprang seinem eigenen gnädigen Geist. Und was er so plante, sein Vorgehen, sah der Fülle der Zeiten entgegen, wobei alle Perioden der Existenz und Geschichte der Erde in der Figur eines Gefäßes zusammengefasst wurden, das gefüllt wird. Als Gott seinen Sohn sandte, der von einer Frau geboren wurde, hatte die letzte Periode begonnen, die Periode, die die Zeiten der Welt vervollkommnen und erfüllen soll. Der ewige Ratschluss Gottes, der zwar in der Prophetie und in den Sinnbildern immer gegenwärtig ist, wird in seiner herrlichen Schönheit in Gottes Führung in der Zeit des Neuen Testaments, der Zeit, in der wir jetzt leben, zum Ausdruck gebracht. Jetzt wird die Absicht Gottes verwirklicht, alles in Christus, sowohl himmlische als auch irdische Dinge, unter einem Haupt zusammenzufassen, um die Gesamtheit der himmlischen und irdischen Dinge zusammenzufassen. Die Gesamtheit der Kinder Gottes, alle, die zur Annahme als Söhne auserwählt wurden, bringt Gott in Christus zusammen, um seinen Leib mit all seinen Gliedern und Organen zu bilden. Das war Gottes ewiger, liebevoller Gedanke: eine heilige Familie seiner Kinder, vereint in Christus, dem erstgeborenen Sohn, an dem er, der Vater, Wohlgefallen hat – die eine heilige christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen. Vgl. Kol. 1,18-20.

 

    Wie Gottes Plan in den Einzelnen ausgeführt wurde, zeigt der Apostel als nächstes (V. 11-14): In Christus hat Gott die Gesamtheit aller Gläubigen zusammengeführt und sie unter dem einen Haupt vereint. Und nun fährt der Apostel fort: In Ihm, in dem wir zugeteilt (auserwählt) wurden, nachdem wir gemäß dem Vorsatz dessen, der alles nach dem Rat seines Willens wirksam macht, vorherbestimmt wurden. In Christus wurde nach dem hier verwendeten griechischen Wort eine Zuteilung durch Gott vorgenommen, und da der spezielle Begriff der Bestimmung durch Los nicht mit dem Kontext übereinstimmt, können wir „auswählen“ oder „auswählen“ als Synonym verwenden. Übrigens kann man nicht sagen, dass der Gedanke, dass wir für Gottes Erbe auserwählt wurden, dass wir Erben des ewigen Lebens sind, dem Zusammenhang fremd ist. Wir sind auserwählt, weil wir gemäß dem Zweck oder der vorherigen Bestimmung Gottes vorherbestimmt sind; in Gott, in seinem Plan, in seinem Willen, beruht unsere Erwählung zum Glauben und zum ewigen Leben, nicht auf irgendeinem Verdienst unsererseits. Und Gottes Pläne scheitern nicht, sein Vorsatz ist in allen Dingen nach dem Rat seines Willens wirksam. In allen Dingen, in der Geschichte der Nationen wie auch im Leben des Einzelnen, lenkt und gestaltet seine Macht alle Angelegenheiten, nicht nach willkürlichen Launen, sondern nach einem gut durchdachten Rat; der Entschlossenheit, den Plan auszuführen, ging eine reife Überlegung voraus.

    Das Ziel Gottes bei dieser Entscheidung war: Damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit dienen. Das ganze Leben der Christen sollte zum Lob der Herrlichkeit Gottes dienen. Gott wollte in uns verherrlicht werden, in erster Linie durch seine Gnade und Barmherzigkeit, aber dann auch durch seine Macht und Kraft. Vgl. Jes. 43,21. Dieser Plan Gottes wurde zuerst in den gläubigen Juden verwirklicht, die von Paulus und den jüdischen Christen im Allgemeinen vertreten werden: Wir, die wir unsere Hoffnung zuvor auf Christus gesetzt haben. Die wahren Israeliten in der jüdischen Nation vertrauten auf den Messias, noch bevor er im Fleisch erschien, und viele Juden nahmen ihn als ihren Erlöser an, bevor er den Befehl gab, die Evangeliumsbotschaft zu den Heiden zu bringen. In diesen Menschen verwirklichte Gott tatsächlich seinen ewigen Ratschluss oder seine Erwählung.

    Aber Gottes Plan ist nicht auf die Juden beschränkt: in denen auch ihr, nachdem ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, das Evangelium eurer Rettung, in denen auch ihr, nachdem ihr geglaubt habt, durch den Heiligen Geist der Verheißung versiegelt wurdet. Auch im Fall der Heiden, wie Paulus hier in seiner Ansprache an die Gemeinde in Ephesus zeigt, die größtenteils aus Heidenchristen bestand, wurde Gottes ewiger Plan verwirklicht. Sie wurden zum Glauben an Christus gebracht, indem sie das Wort der Wahrheit annahmen, die Botschaft, die die göttliche Wahrheit bezeugt, das Evangelium, das ihnen von der Erlösung durch den Erlöser erzählt. Auf diese Weise wurden sie mit dem Heiligen Geist der Verheißung versiegelt. Wenn der Glaube wirkt, kommt der Heilige Geist in das Herz des Menschen, wohnt in ihm, wird zum Siegel seines Glaubens, gibt ihm die göttliche Gewissheit, dass er zu Gott gehört und in Zeit und Ewigkeit sein eigen bleiben wird. Die Bewahrung im wahren Glauben ist ein Werk des Heiligen Geistes, der uns, wie Luther es ausdrückt, durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, geheiligt und im wahren Glauben bewahrt hat.

    Das Ergebnis ist also: Wer ist der Unterpfand unseres Erbes zur Erlösung des Besitzes, zum Lob seiner Herrlichkeit. In Christus haben wir die Erlösung in seinem Blut, die Vergebung der Sünden. Diese Tatsache hat uns der Heilige Geist durch den Glauben eingeprägt. Und deshalb ist er selbst unser Angeld, unsere Garantie und Zusicherung, dass unsere endgültige Erlösung von allen Übeln des Leibes und der Seele, des Eigentums und der Ehre kommen wird, dass wir, die Erlösten des Herrn, sein eigenes besonderes Volk, in den Besitz und die Freude unseres Erbes im Himmel eintreten werden. Und mit dieser Erfüllung unserer Hoffnungen wird auch das Lob der Herrlichkeit Gottes den Zustand der Vollkommenheit erreichen; dann werden wir Ihn und alles, was Er für uns getan hat, verherrlichen, in Ewigkeit. Anmerkung: Die Erwählung aus Gnade bezieht sich immer auf den gesamten Plan Gottes in Bezug auf die Erwählten. Sie ist kein absolutes Dekret, sondern wurde in Christus getroffen und gründet auf den göttlichen Verheißungen. Ihre Annahme erfolgt durch die Gewissheit des Glaubens.

 

    Des Paulus Ermahnung und Flehen für die Kirche als Leib Christi (V. 15-23): Ein langer und bemerkenswerter Satz, der die höchste Vorstellung sowohl von der eigenen Vorherrschaft Christi als auch von der Größe seiner Kirche, zu deren Mitgliedern die Epheser gemacht wurden, darstellt. Die Unterscheidung zwischen Juden und Heiden wird nicht mehr erwähnt; Paulus spricht seine Leser als eine Gemeinschaft an: Aus diesem Grund höre auch ich nicht auf, für euch zu danken, da ich von eurem Glauben an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen gehört habe, und ich erwähne euch in meinen Gebeten. Aus diesem Grund, aufgrund all der wunderbaren Segnungen, die er im vorherigen Abschnitt aufgezählt hat, weil all diese Vorteile in so reichem Maße über uns Christen gekommen sind, ist der Apostel gezwungen, Dank zu sagen. Denn er wusste, dass seine Leser gläubig waren, da er selbst, als er bei ihnen war, zahlreiche Beweise dafür hatte, die ihn in dieser Hinsicht zufriedenstellten, und seitdem zusätzliche Informationen mit demselben Ergebnis erhalten hatte. Sie befanden sich in einem Zustand des Glaubens, was sie auch durch ihre Liebe zu allen Heiligen unter Beweis stellten. Das war die erste und unmittelbare Manifestation ihres Glaubens: Sie waren mit allen Gläubigen, sowohl Juden als auch Heiden, durch das Band wahrer brüderlicher Liebe verbunden. Dieser ermutigende Umstand veranlasste Paulus, sie weiterhin dankbar in seinen Gebeten zu erwähnen. Für sie sandte er unaufhörlich Dankgebete zum Thron der Gnade; er versäumte nie, in seinen Gebeten an sie zu denken. Die Berichte, die Paulus über den erfreulichen geistigen Wohlstand der Gemeinde in Ephesus erreichten, waren für ihn eine solche Quelle der Freude, dass er sich gezwungen sah, seine Fürsprache für sie fortzusetzen.

    Der Inhalt der Fürbitte des Paulus war: Dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch den Geist der Weisheit und Offenbarung in vollem Verständnis von Ihm gebe. Bei allem Fortschritt, den Christen in dieser Welt machen, erreichen sie nicht den Zustand der Vollkommenheit, der ihnen als erstrebenswertes Ziel vor Augen gestellt wird. Es ist Gott, der das Werk der Heiligung fortsetzen und es zu dem Punkt bringen muss, der Seinem Willen entspricht. Dieser Gott ist der Gott Jesu Christi, der einzigartige Zustand der Gottheit und Vaterschaft, die in seinem Wesen vereint sind. Aber Jesus Christus ist unser Herr, und so ist der Gott Jesu Christi durch Christus auch unser Vater, von dem wir zuversichtlich alles erwarten dürfen, was unsere Erlösung und Heiligung betrifft. Er ist der Vater der Herrlichkeit, denn Herrlichkeit ist sein wesentliches Attribut, Apg. 7,2; 1. Kor. 2,8. Vollkommenheit, Herrlichkeit, göttliche Majestät und Vortrefflichkeit finden sich in Ihm. Der so charakterisierte Gott kann den Gläubigen aller Zeiten den Geist der Weisheit und Offenbarung geben. Der Heilige Geist, der in die Herzen der Menschen kommt, wenn sie zum Glauben kommen, lehrt sie, die himmlischen, göttlichen Dinge zu verstehen. Er offenbart ihnen die Geheimnisse, die ihnen sonst verborgen blieben. Der Hauptteil seines Wirkens in dieser Hinsicht besteht darin, dass die Christen ein immer klareres und schärferes Verständnis von Gott erlangen. Sie schreiten von Wahrheit zu Wahrheit, von Erkenntnis zu Erkenntnis voran.

    Der Apostel fährt in seiner Beschreibung seines Gebets fort: (Dass Gott euch) die Augen eures Herzens erleuchten möge, damit ihr wisst, was die Hoffnung seiner Berufung ist und was der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen ist. Das Herz ist in der biblischen Sprache das Zentrum nicht nur des Fühlens, sondern auch des Denkens, des Wollens und des Verstehens. Durch seinen Heiligen Geist muss Gott das Verständnis der Christen erleuchten; denn nur dann werden sie wissen, was die Hoffnung der Berufung Gottes ist. Nicht nur Glaube und Liebe werden bei der Bekehrung von Gott in das Herz eingepflanzt, sondern auch Hoffnung. Diese Hoffnung, die durch den Ruf des Herrn in das Herz des Christen eingepflanzt wird, wächst und wird mit zunehmendem geistlichem Leben immer inniger. Die Gläubigen haben immer den wunderbaren Segen vor Augen, der ihnen verheißen wurde, den Reichtum der Herrlichkeit des Erbes Gottes unter den Heiligen. Der Apostel häuft die Substantive auf, um den Christen zumindest in gewissem Maße die Herrlichkeit vor Augen zu führen, die sie durch die Verheißung Gottes erwartet. Die vollkommene Glückseligkeit, die uns im Himmel zuteilwerden wird, ist ein reiches und großartiges Erbe; sie ist himmlische Freude, Glückseligkeit und Erlösung, der Widerschein der göttlichen Majestät und Herrlichkeit. Wir Christen sind allzu geneigt, während wir in dieser Welt weilen, unsere Aufmerksamkeit vom Katzengold dieser Welt ablenken zu lassen, und deshalb ist es notwendig, darin geschult zu werden, an das Erbe der Heiligen im Licht zu denken.

    Christen müssen außerdem lernen, zu verstehen, wie Paulus hier betet: Und was ist die überragende Größe seiner Macht für uns, nämlich für diejenigen, die gemäß der Wirkung der Kraft seiner Macht glauben. Es gibt kaum stärkere Ausdrücke in der menschlichen Sprache, um die absolute Unfähigkeit des Menschen, etwas für seine Bekehrung und Erlösung zu tun, zu verdeutlichen. Unsere Bekehrung wurde allein durch die überragende Größe der Macht Gottes ermöglicht, wie sie sich uns offenbarte und in unseren Herzen und Gedanken ausübte. Dass wir an Jesus Christus als unseren Erlöser glauben, wurde nur durch die wirksame Kraft ermöglicht, die seine allmächtige Stärke zum Ausdruck brachte, durch die der Herr den Widerstand des natürlichen Menschen überwand, uns dem Evangelium gehorsam machte und uns nun im Zustand des Glaubens hält.

    Es gibt nur ein angemessenes Maß für die überragende Größe der Macht Gottes, nämlich die Auferstehung Christi, wie Paulus schreibt: die er in Christus gewirkt hat, als er ihn von den Toten auferweckte und ihn zu seiner Rechten in den Himmel setzte. Christus ist in seinem Zustand der Erhöhung der Mittler der wirksamen Kraft Gottes, wie sie sich in unserer Bekehrung zeigt. Durch seine Auferstehung und anschließende Himmelfahrt zur Rechten der Macht wurde Christus zum Sohn Gottes mit Macht erklärt, mit dem gleichen Maß an Macht und Ehre wie der Vater. Unser Glaubenszustand ist ein Werk der Kraft, ein Wunder des dreieinigen Gottes. Anmerkung: Derselbe Christus, der als wahrer Mensch starb und durch sein Blut die Vergebung der Sünden für alle Menschen erlangte, wurde von Gott von den Toten auferweckt und an seine rechte Hand in den himmlischen Orten gesetzt. Wir bekennen daher, dass Christus durch seine Auferstehung und Himmelfahrt in den vollständigen Besitz und Gebrauch der göttlichen Majestät gelangt ist, auch gemäß der menschlichen Natur, die er angenommen hat, eine Majestät, die er jedoch während des gesamten Zustands der Erniedrigung besaß.[6]

    Dieser Hinweis auf den Zustand der Erhöhung Christi veranlasst den Apostel nun, diesen Gedanken fast in doxologischer Form zu erweitern: Er ist weit über alle Herrschaft, Autorität, Macht, Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der kommenden, erhaben und hat alle Dinge unter seine Füße gelegt. So viel umfasst die Erhöhung des verachteten Menschensohnes. Indem Gott Christus zu seiner Rechten in den Himmel gesetzt hat, hat er ihm alle Dinge unter seine Füße gelegt und ihm, auch gemäß seiner menschlichen Natur, die freie und uneingeschränkte Herrschaft nicht nur über alle Macht und Autorität in der physischen Welt, sondern auch über alle Geister des Himmels, über die Engel mit ihrer übermenschlichen Stärke und Macht gegeben. Unabhängig von Namen und Bedeutung eines jeden geschaffenen Wesens in dieser Welt und in der zukünftigen Welt ist die Macht und Autorität Christi, die der Allmacht, größer. Christus ist der höchste Herr, dem alle Geschöpfe Gehorsam erweisen müssen (Ps 8).

    Aber weitaus wichtiger als diese höchste Position im Reich der Macht ist die Position Christi im Reich der Gnade, von der Paulus sagt: Und (Gott) hat ihm das Haupt über alles der Gemeinde gegeben, die sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt. In seiner Eigenschaft als Haupt über alle Dinge hat Gott Christus der Gemeinde, die sein Leib ist, als Geschenk gegeben. Alle Gläubigen, ob Juden oder Heiden, werden hier ausdrücklich zusammengeführt und mit dem Sammelbegriff „Kirche“ bezeichnet, die die Gemeinschaft aller Heiligen, der auserwählten Kinder Gottes auf Erden, ist. Gott hat nun diese Anordnung getroffen, dass Christus das Haupt dieser Kirche ist und die Kirche sein Leib. Nicht die gesamte Schöpfung, sondern die Kirche, die Gemeinschaft der gläubigen, auserwählten Kinder Gottes, ist der Leib Christi. Vgl. Kol. 1,18. Es ist eine wunderbare und innigste Vereinigung, die so zwischen Christus und den Gläubigen zustande kommt, denn sie führt dazu, dass die Kirche wie ein Gefäß wird, das bis zum Rand mit Segen gefüllt ist. „Die Vorstellung ist, dass die Fülle der göttlichen Kräfte und Eigenschaften in Christus, die von Ihm auf Seine Kirche übertragen wurden, diese nun von Seiner Gegenwart durchdrungen, mit Seinem Leben beseelt, mit Seinen Gaben, Energien und Gnaden erfüllt ist – ein wahres Gefäß Seiner Barmherzigkeit.“[7] Alles in allem erfüllt Er – das Haupt des Universums ist auch das Haupt der Kirche.

 

Zusammenfassung: Nachdem der Apostel seinen Brief mit einer inspirierenden Doxologie zum Lob der ewigen Erwählung durch Gnade und ihrer Segnungen eröffnet hat, erklärt er, dass der Inhalt seines Gebets für die Epheser darin besteht, dass sie zur Erkenntnis der Herrlichkeit ihres zukünftigen Erbes, der Kraft Gottes, die den rettenden Glauben in ihren Herzen wirkt und bewahrt, und der Stellung des erhöhten Christus als Haupt der Kirche gelangen mögen.

 

 

Kapitel 2

 

Die Kirche als die Vollzahl der Menschen, die aus Gnaden gerettet sind (2,1-22)

    1 Und auch euch, da ihr tot wart durch Übertretungen und Sünden, 2 in welchen ihr einst gewandelt habt nach dem Lauf dieser Welt und nach dem Fürsten, der in der Luft herrscht, nämlich nach dem Geist, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens, 3 unter welchen wir auch alle einst unsern Wandel gehabt haben in den Lüsten unsers Fleisches, und taten den Willen des Fleisches und der Vernunft und waren auch Kinder des Zorns von Natur, gleichwie auch die andern;

    4 aber Gott, der da reich ist von Barmherzigkeit, durch seine große Liebe, damit er uns geliebt hat: 5 da wir tot waren in den Sünden, hat er uns samt Christus lebendig gemacht (denn aus Gnaden seid ihr gerettet worden) 6 und hat uns samt ihm auferweckt und samt ihm in das himmlische Wesen gesetzt in Christus Jesus, 7 damit er erzeigte in den zukünftigen Zeiten den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte über uns in Christus Jesus. 8 Denn aus Gnaden seid ihr gerettet worden durch den Glauben, und dasselbe nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; 9 nicht aus den Werken, damit sich nicht jemand rühme. 10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.

    11 Darum denkt daran, dass ihr, die ihr einst nach dem Fleisch Heiden gewesen seid und die Vorhaut genannt wurdet von denen, die genannt sind die Beschneidung nach dem Fleisch, die mit der Hand geschieht, 12 dass ihr zu derselben Zeit wart ohne Christus, fremd und außerhalb der Bürgerschaft Israels und fremd von den Testamenten der Verheißung; daher ihr keine Hoffnung hattet und wart ohne Gott in der Welt. 13 Nun aber, die ihr in Christus Jesus seid und einst fern gewesen, seid nun nahe geworden durch das Blut Christi.

    14 Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins hat gemacht und hat abgebrochen den Zaun, der dazwischen war, in dem, dass er durch sein Fleisch wegnahm die Feindschaft, 15 nämlich das Gesetz, so in Geboten gestellt war, damit er aus zwei einen neuen Menschen in ihm selber schaffte und Frieden machte, 16 und dass er beide versöhnte mit Gott in einem Leib durch das Kreuz; und hat die Feindschaft getötet durch sich selbst 17 und ist gekommen, hat verkündigt im Evangelium den Frieden euch, die ihr ferne wart, und denen, die nahe waren. 18 Denn durch ihn haben wir den Zugang alle beide in einem Geist zum Vater.

    19 So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist 21 auf welchem der ganze Bau, ineinandergefügt, wächst zu, einem heiligen Tempel in dem HERRN, 22 auf welchem auch ihr mit erbaut werdet zu einer Behausung Gottes. im Geist.

 

    Der natürliche Zustand des Menschen (V. 1-3): Dies ist wirklich nur ein Teil eines langen und komplizierten Zeitraums, wobei das Verb von den Übersetzern des nächsten Abschnitts hinzugefügt wurde; aber der Gedanke ist klar und kann ohne Schwierigkeiten nachvollzogen werden. Paulus wendet sich hauptsächlich an die Heiden oder spricht von seinen Lesern aus der Sicht der Mehrheit und schreibt: Und ihr, als ihr tot wart aufgrund eurer Verfehlungen und Sünden (hat Gott mit Christus lebendig gemacht). Die Epheser waren, wie alle Menschen von Natur aus, in einem Zustand oder in einem Zustand des Todes gewesen. Alle Versuche, die Aussagekraft der Übersetzung von „sterbend“, „sterblich“ oder „zum Tode verurteilt“ zu schwächen oder davon auszugehen, dass Paulus damit sagen wollte, dass seine Leser durch ihre Sünden den ewigen Tod verdient hätten, scheitern angesichts der kompromisslosen Klarheit des Textes. Sie waren geistlich tot, sie hatten nichts vom Leben in und mit Christus. Vgl. Kap. 5,4; Joh. 5,25; Röm. 6,13; Offb. 3,1. Sie befanden sich in diesem Zustand des geistlichen Todes durch, aufgrund ihrer Verfehlungen und Sünden. Die natürliche Neigung zur Sünde, die an sich schon unter dem Urteil der Verdammnis steht, fand ihren Ausdruck in bösen Werken des Fleisches. Der Tod in Sünden beweist seine Macht in den verschiedenen und vielfältigen Verfehlungen und Sünden. Der natürliche Mensch, der für alles moralisch Gute tot ist, tut nur das Böse, solche Taten, die zu Schuld führen.

    Dieser Zustand des geistlichen Todes wird weiter beschrieben: In dem ihr früher nach dem Lauf dieser Welt gelebt habt, nach dem Herrscher der Macht der Luft, dem Geist, der jetzt in den Kindern des Unglaubens wirkt. Früher, zu einer Zeit, waren die Epheser aktiv in Sünden und Vergehen verwickelt; das war ihre Beschäftigung vor ihrer Bekehrung, der Sünde zu dienen, Vergehen gegen Gottes heiliges Gesetz zu begehen. Damit folgten sie dem Weg der Welt, der gefallenen, abtrünnigen Menschheit. In dieser Welt drücken Menschen, die sich Gott widersetzen, allem ihren Stempel auf und bestimmen den Charakter, die Sichtweise und die Lebensweise; und alle Menschen sind vor ihrer Bekehrung mit ihnen in diesem Widerstand gegen Gott verstrickt. Daher entspricht ihr Verhalten auch dem Willen des Herrschers über den Machtbereich der Atmosphäre, nämlich des Geistes, der jetzt in den Kindern des Ungehorsams wirkt. Das ist das Tätigkeitsfeld des Teufels, das ist sein Reich: der Geist des sündigen Menschen. Die Atmosphäre des Geistes, die die Ungläubigen antreibt, wird vom Teufel als Geist des Ungehorsams geschaffen. Die Menschen weigern sich von Natur aus, den Willen Gottes, das Gesetz, das von Natur aus in ihr Herz und ihr Gewissen geschrieben ist, zu beachten und ihm zu gehorchen. Der Geist des Bösen, das Prinzip des Widerstands, beherrscht ihr Leben; das ist die Atmosphäre, in der sie leben, sich bewegen und ihr Dasein fristen: Sünde, Ungehorsam, Ungerechtigkeit. Es ist eine Atmosphäre, die von Satan für seine Zwecke geschaffen wurde, voller Gift und den Dämpfen der Hölle. So steht der natürliche Mensch unter dem Einfluss, in der Macht des Teufels, und ist verpflichtet, Gott in allem, was er tut, zu widerstehen.

    Aber die moralische Verdorbenheit der Juden war von Natur aus genauso schlimm wie die der Heiden: In ihrer Mitte hatten auch wir alle früher unser Leben und unseren Wandel, in den Begierden unseres Fleisches, indem wir den Wünschen des Fleisches und der Gedanken nachgaben. Paulus zählt sich selbst und alle jüdischen Christen zu den Kindern des Ungehorsams von Natur aus. Ihr ganzes Verhalten und Benehmen, was auch immer sie taten, woran auch immer sie sich beteiligten, war von den Begierden und Wünschen des Fleisches, des alten Adams, geprägt. Und so führten sie die Wünsche, die Ausdrucksformen des Willens des Fleisches und auch der intellektuellen Fähigkeiten aus. Der natürliche Mensch, ob Heide oder Jude, neigt nicht nur zu den niederen, sinnlichen Impulsen, Unanständigkeit, Unzucht und Unmoral, sondern auch seine geistigen und intellektuellen Fähigkeiten und Kräfte sind verdorben und stehen im Widerspruch zu Gottes Willen. Tausende von Büchern und Artikeln, die in unseren Tagen verfasst wurden, von denen die meisten von einem hohen Grad an Intellekt zeugen, sind voller Gefühle, die Gott und seinem heiligen Willen und Wort zuwiderlaufen. Daher gilt für alle Klassen von Menschen, die in die Kategorie des natürlichen Menschen fallen: Wir waren von Natur aus Kinder des Zorns, genau wie auch die anderen. Von Natur aus, von Geburt an, aufgrund der Tatsache, dass wir Fleisch sind, das aus Fleisch geboren wurde, sind wir dem verdammenden Zorn Gottes unterworfen; unsere ererbte böse Natur hat uns zu Kindern des Zorns gemacht. Die ererbte Sünde ist eine Tatsache, und sie ist eine Tatsache, die uns dem Zorn und der Verdammnis unterwirft. Aus der Heiligen Schrift wissen wir, „dass dieses ererbte Böse eine Schuld ist, dass wir alle aufgrund des Ungehorsams von Adam und Eva unter Gottes Missfallen stehen und von Natur aus Kinder des Zorns sind.“[8] Und diese Tatsache, dass wir alle diese tiefe, böse, schreckliche, unbeschreibliche, unaussprechliche, unsagbare Abscheulichkeit von Natur aus in uns tragen, dient umso mehr dazu, uns die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes gegenüber dem Menschen vor Augen zu führen.

 

    Gottes Gnade, die sich den Sündern gegenüber manifestiert (V. 4-10): Paulus führt nun das Thema des in V.1 begonnenen Satzes ein. Sein Gedanke ist: Gott hat uns, die wir jetzt Christen sind, als wir noch tot waren in Bezug auf unsere Verfehlungen, geistliches Leben geschenkt. Der Grund dafür wird genannt: Gott aber, der reich an Barmherzigkeit ist, wegen der großen Liebe, mit der er uns geliebt hat. In der gesamten Passage gibt es kein Wort über das Verdienst des Menschen, der gesamte Prozess der Erneuerung oder Bekehrung wird allein Gott zugeschrieben. Weil er reich war, ist er bis heute reich, reich über jedes menschliche Verständnis hinaus, an Barmherzigkeit, an freier Gunst und Wohlwollen gegenüber der gefallenen Menschheit, und aufgrund der großen Liebe, einer Liebe, die unsererseits völlig unverdient ist, mit der er uns geliebt hat, hat er uns Barmherzigkeit erwiesen. Derselbe Gott, der zornig ist, der über die Sünde zornig sein muss, ist der Gott der Gnade, einer Gnade, die so reich ist, dass sie unerschöpflich ist, Joh. 3,16.

    Jetzt kommt der große Kontrast: Selbst als wir aufgrund von Übertretungen tot waren, hat er uns mit Christus lebendig gemacht – durch Gnade seid ihr gerettet. Als wir uns in diesem schrecklichen Zustand des geistlichen Todes befanden, wie es sich in unserer Übertretung des heiligen Gesetzes Gottes zeigte, als wir ohne das geringste rettende Wissen über Gott waren, ohne Furcht, Liebe und Vertrauen in Ihn, als es in uns nichts als eine völlige Unfähigkeit in Bezug auf die Dinge gab, die unsere Erlösung betreffen, da gab Gott uns das Leben zusammen mit Christus. Wie Christus durch das Leben, das er im Grab empfangen hat, nicht zu der früheren Lebensweise auf der Erde zurückgekehrt ist, sondern in eine neue Art der Existenz eingetreten ist, so wie er jetzt in einem neuen, verklärten, geistigen Zustand und Leben ist, so wurden wir gemäß unserem Geist an diesem Leben teilhaben, als Gott uns von unserem geistigen Tod auferweckte. Das neue Leben der Erneuerung ist Leben aus dem Leben Christi. Durch diesen Akt Gottes wurde uns die Erlösung geschenkt, durch die freie Gnade in Christus, wie Paulus in Klammern sorgfältig anmerkt. Beachten Sie den scharfen und absoluten Kontrast zwischen Tod und Leben: In einem Moment ist ein Mensch tot, ohne den geringsten Hinweis auf Leben in irgendeiner Form, im nächsten Moment ist er lebendig, mit zumindest einem Anzeichen von Leben, selbst wenn dies nur als Wunsch nach Erlösung ausgedrückt wird. Eines ist klar: Es gibt kein Zwischenstadium, keinen neutralen Boden; der Wechsel vom geistlichen Tod zum geistlichen Leben ist ein Schritt, und dieser Schritt ist das Werk Gottes allein.

    Dieser Vorgang ist so wunderbar, dass der Apostel ihn ausführlich beschreibt: Und er hat uns mit sich auferweckt und uns mit sich in die himmlischen Regionen in Christus Jesus versetzt. So wie Christus als wahrer Mensch von den Toten auferweckt und zur Rechten Gottes gesetzt wurde, wo er nun eine himmlische Existenzform führt (1. Kor. 15,48), so sind auch wir durch unsere Bekehrung Teilhaber desselben Wesens geworden. Unser Geist ist nun auf himmlische Dinge ausgerichtet. Der erhöhte Christus hat unseren Geist in das geistliche, göttliche, himmlische Leben erhoben, und zwar durch das Evangelium unserer Erlösung, Kap. 1,13.

    Gottes Absicht, auf diese Weise eine Erneuerung in uns zu bewirken, wird schließlich so ausgedrückt: Damit er in den kommenden Zeitaltern den überfließenden Reichtum seiner Gnade in Güte uns gegenüber in Christus Jesus zeige. Unsere Erlösung hier in der Zeit ist eine Vorauszahlung, ein Angeld, das uns die letzte und vollkommenste Manifestation der Gnade Gottes sichert, die jenseits des gegenwärtigen Zeitalters und der Welt liegt. Wenn die Zeitalter dieser Welt zu Ende gehen und die Zeit der Ewigkeit für uns anbricht, dann werden wir, die wir von Natur aus Kinder des Zorns waren, aber jetzt Teilhaber der Gnade Gottes in Christus sind, den vollen Reichtum der Gnade Gottes erfahren. In Christus Jesus, unserem Erlöser und Mittler, werden wir dann in alle Ewigkeit das volle Wohlwollen und die Güte Gottes empfangen, wir werden das Angesicht unseres himmlischen Vaters sehen und die Schönheit des Herrn schmecken und sehen, und das ohne Ende.

    All diese wunderbaren Segnungen sind Geschenke der freien Gnade Gottes: Denn durch die Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet worden, und das nicht aus euch selbst, Gottes ist das Geschenk, nicht aus Werken, das niemand rühmen sollte. Durch und in unserer Wiedergeburt und Bekehrung sind wir Teilhaber der von Christus erlangten Erlösung geworden; indem wir aus dem geistlichen Tod erweckt und das Leben in und mit Christus gegeben wurden, sind wir vor Gott gerechtfertigt worden. All dies ist ein Werk der freien Gnade Gottes, das uns durch die Hand des Glaubens übertragen wird; wir werden also durch den Glauben wiedergeboren und gerechtfertigt. In unserem Herzen, das geistlich tot war, hat Gott die Flamme des Glaubens an unseren Herrn Jesus Christus entzündet. Und diese Flamme verbreitete, sobald sie den ersten Funken aussandte und zu glühen begann, Leben in den ehemals toten und kalten Gliedern. So ist der Glaube der Beginn des neuen geistlichen Lebens. Bei diesem Werk der geistlichen Erneuerung, der Belebung zu neuem Leben, ist jede Mitwirkung von Seiten des Menschen ausdrücklich und nachdrücklich ausgeschlossen. Es ist Gottes freies Geschenk und gnädige Gabe, keine Belohnung für die vom Menschen vollbrachten Werke, durch die er sich der Erneuerung vor Gott würdig gemacht hätte; es wurde kein Verdienst in uns berücksichtigt, selbst wenn es in dieser Hinsicht etwas gegeben hätte, jede Prahlerei von Seiten des Menschen ist absolut ausgeschlossen. Wir haben nicht im Geringsten zu unserer Bekehrung beigetragen, noch wurde sie durch irgendeine Handlung oder ein Verhalten unsererseits verursacht. „Dass die Herrlichkeit dieser Erlösung ganz und gar Gott und in keiner Weise dem Menschen gehört und dass sie so geplant und durchgeführt wurde, dass sie uns allen Grund zur Prahlerei nimmt, wird den Zuhörern des Paulus immer wieder verschiedenen Zusammenhängen mit ängstlicher Besorgnis und äußerster Deutlichkeit des Ausdrucks immer wieder verdeutlicht, Röm. 3,17; 1. Kor. 1,29; 4,7; Gal. 6,14; Phil. 3,3.“[9]

    Und noch eine Tatsache führt Paulus an, um zu zeigen, dass wir Christen keinen Grund haben, uns der Vorteile, die wir vor anderen genießen, zu rühmen: Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen. Die Betonung liegt wieder auf der Seite Gottes; Gott hat uns die Position gegeben, die wir als Christen innehaben. Gott hat auch das Werk der neuen Schöpfung in uns vollbracht, sodass wir im wahrsten Sinne des Wortes das Werk seiner Hände sind, von ihm in Christus Jesus geformt, durch dessen Erlösung und Leben wir das neue geistliche Leben empfangen haben. Durch dieses neue Leben, das wieder in seiner Gesamtheit der schöpferischen Kraft Gottes zugeschrieben wird, sind wir zu guten Werken bereit, wir sind in der Lage und bereit, solche Taten zu vollbringen, die unserem himmlischen Vater gefallen. Diese guten Werke, die der Beweis für die neue Kreatur in uns sind, durch die unser Christentum geprüft und bestätigt wird, wurden von Gott vorbereitet und dargelegt, bevor wir überhaupt daran dachten, sie auszuführen. Gott ist die unsichtbare Quelle, aus der die guten Werke entspringen, seine schöpferische Kraft ist ihre letztendliche Erklärung. Und durch und durch unsere Gemeinschaft mit Christus werden diese guten Werke in uns vollbracht; Christus, in dem wir leben, uns bewegen und unser Dasein haben, macht uns zu Teilhabern seiner Gaben und Tugenden, drückt sich in unserem Leben und Verhalten aus; die Heiligkeit, Reinheit, Demut, Sanftmut, Güte und Freundlichkeit Christi erscheinen im Leben der Christen. Und so ist jede Prahlerei seitens der Gläubigen ausgeschlossen, da sie in der Tat niemals nachsichtig ist. Ein wahrer Christ rühmt sich nicht einmal der guten Werke, die er ausführen darf, da er weiß, dass es die Kraft Christi und Gottes in ihm ist, die ihn befähigt, dem Beispiel Christi zu folgen.

 

    Eine besondere Erinnerung an die Heidenchristen (V. 11-13): Der Apostel wendet sich hier speziell an die nichtjüdischen Christen, die in der Gemeinde in Ephesus die Mehrheit bildeten: „Daher denkt daran, dass ihr, die ihr einst Heiden im Fleische wart und Unbeschnittene genannt wurdet von der sogenannten Beschneidung, die am Fleisch mit der Hand geschieht, dass ihr zu dieser Zeit ohne Fleisch und beschnitten wart durch Christus.“ Er bezieht sich auf den gesamten vorangegangenen Abschnitt: „Da dies alles so ist, dass ihr nämlich von Gott zu einem neuen, geistlichen Leben erweckt worden seid, denkt daran.“ Sie sollten nicht nur an den erworbenen Reichtum denken, sondern auch an die Armut und das Elend, aus denen sie befreit wurden. In ihrem früheren Zustand waren sie Heiden im Fleisch, von Geburt an, Heiden im wahrsten Sinne des Wortes, Vertreter der heidnischen Welt. Der Name Unbeschnittene, ein Name der Verachtung, wurde ihnen zugeschleudert; sie wurden von den Juden als unrein angesehen. Der Apostel deutet gleichzeitig an, dass die Letzteren wenig Grund für stolzes Prahlen hatten, denn er selbst bezieht sich mit einer gewissen Verachtung auf die „sogenannte Beschneidung, die am Fleisch von Hand vorgenommen wird“, denn ein bloßer Einschnitt in das Fleisch kann nicht zur Grundlage eines echten Vorteils gemacht werden, hat keinen moralischen oder religiösen Wert. Alle Juden, die sich also mit diesem bloßen äußeren Ritus brüsten, sind nach Ansicht des Apostels töricht.

    Abgesehen von dieser Tatsache bleibt jedoch wahr: Dass ihr zu dieser Zeit, abgesehen von Christus, vom Bürgerrecht Israels ausgeschlossen und von den Bündnissen der Verheißung ausgeschlossen wart, ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt. Zu der Zeit, als die Heiden ohne Christus waren, außerhalb von Christus, als sie Christus noch nicht kannten, ihn noch nicht hatten, waren sie vom Bürgerrecht im Reich Christi ausgeschlossen, sie waren der Gemeinschaft mit ihm fremd. Sie hatten auch keinen Anteil an den Bündnissen der großen messianischen Verheißung, die Gott Abraham und den Patriarchen gab, 1. Mose 13,15; 15,18; 17,8. Zu diesem Gnadenbund waren die Heiden fremd, weil sie dem Volk Gottes, den Kindern Israels, fremd waren. Infolgedessen waren sie ohne Hoffnung; da sie die im Messias verheißene und in Christus verwirklichte Erlösung nicht kannten, hatten sie nichts, worauf sie über diese Welt hinaus hoffen konnten. Darüber hinaus war das letzte Element, der Höhepunkt der Dunkelheit und des Elends ihres früheren Lebens, die Tatsache, dass die Heiden ohne Gott in der Welt waren. In dieser Welt, in dieser elenden, eitlen und vergänglichen Welt, waren sie gottlos, ohne Wissen, ohne Anbetung des wahren Gottes und daher ohne Halt, wie ein Wrack ohne Mast und Ruder inmitten eines Taifuns. Das ist eine sehr düstere Beschreibung ihres alten heidnischen Zustands.

    Ihr jetziger Zustand hebt sich umso fröhlicher ab: Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr früher in großer Entfernung wart, im Blut Christi nahe gekommen. In der heutigen Zeit, zu der Zeit, als Paulus schrieb, sind genau diese Menschen, die früher in der Ferne standen, als Fremde in der Bürgerschaft Christi, nun dem Volk Gottes nahe gekommen, wurden in die Kirche Christi aufgenommen. Vgl. Matth. 3,2; 4,17; 10,7; Mark. 1, 5; Luk. 10,9.11. Diese wunderbare Veränderung wurde durch Christus Jesus bewirkt. Jetzt sind sie in Ihm, vereint mit Ihm, in lebendiger, gegenwärtiger, persönlicher Gemeinschaft mit dem Erlöser. Durch das Blut Jesu Christi, das für ihre Befreiung von Sünde, Tod und Verdammnis vergossen wurde, wurden sie der Zahl der Gläubigen hinzugefügt, die in der Gemeinschaft der Heiligen vereint sind. Das Blut Christi war das Mittel, das die wunderbare Wirkung hervorrief, so wie es auch heute noch der Fall ist.

 

    Die Versöhnung, die Christus bewirkt hat (V. 14-18): Der Gedanke hinter diesem Abschnitt ist, dass Gott durch die Erlösung Christi seine Kirche aus Juden und Heiden zusammengebracht hat. Was die gegenwärtige Beziehung zwischen Juden und Heiden in der Gemeinde betrifft, schreibt Paulus: Denn er selbst ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht und den trennenden Zaun abgebrochen hat, der Feindschaft in seinem Fleisch. Jesus Christus ist unser Friede, er hat Frieden zwischen den beiden Parteien geschaffen, die unvereinbar schienen, zwischen Juden und Heiden. Dieses große Ziel seines Lebens erreichte er, indem er die beiden streitenden Parteien in einer vollkommenen Einheit vereinte. Dies tat er, indem er die Mauer oder Trennwand, die Juden und Heiden trennte und ständige Feindschaft verursachte, vollständig entfernte. Das mosaische Gesetz mit all seinen Vorschriften, Institutionen und Zeremonien war ein Zaun oder eine Mauer, die das Volk Israel von den Heiden abschottete und die Heiden von den Privilegien der Juden ausschloss. Christus schaffte das Zeremonialgesetz ab und erfüllte das Moralgesetz.

    Der Apostel erklärt dies: (Er entfernte die Mauer), indem er die Feindschaft in seinem Fleisch, das Gesetz der Gebote in Verordnungen, aufhob. In seinem Fleisch, durch die Leiden seines Leibes, indem er für die Sünden der Welt in den Tod ging, hat Christus das Gesetz außer Kraft gesetzt, er hat das göttliche Gesetz als Herr der Menschen aufgehoben. Der Fluch, die Schuld, die Strafe lasteten auf ihm, und so hat das Gesetz seine Macht und Kraft in seinem Fall verbraucht. Vgl. Röm. 7,6. Nebenbei bemerkt hat Christus die Feindschaft zwischen Juden und Heiden beseitigt. Die Trennung zwischen den beiden konnte nicht ohne Feindseligkeit existieren, insbesondere da das Zeremonialgesetz ein Gesetz der Vorschriften in Verordnungen war und als solches Widerstand und Feindschaft herausforderte. Die Heiden wurden durch die Aussicht, durch die unzähligen und detaillierten Anweisungen des Gesetzes, das die kleinsten Handlungen des täglichen Lebens regelte, in Knechtschaft gehalten zu werden, davon abgehalten, sich dem Volk Gottes anzuschließen, so wie auch heute Menschen nicht durch die Verkündigung des Gesetzes in die Kirche gebracht werden. Der Zweck, den Christus mit der Aufhebung des Gesetzes verfolgte, war also: Dass er die beiden in sich selbst zu einem neuen Menschen schaffen möge, der Frieden stiftet. Indem Christus auf die beschriebene Weise Frieden zwischen den beiden verfeindeten Parteien stiftete, brachte er eine Vereinigung der Juden und Heiden zu einer Einheit zustande, eine Sammlung der christlichen Kirche aus Israel nach dem Fleisch sowie aus den heidnischen Nationen. Die so gebildete heilige christliche Kirche ist der eine Leib Christi, und das Werk Christi, diese Vereinigung herbeizuführen, ist ein Beweis seiner schöpferischen Kraft.

    Auf die gleiche Weise und mit dem gleichen Ziel hat Jesus noch mehr bewirkt: und (dass er) beide in einem Leib mit Gott versöhnt, nachdem er durch das Kreuz die Feindschaft in sich selbst getötet hat. Das Wort „Versöhnung“ bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht so sehr auf die Beseitigung der feindlichen Beziehung zwischen Gott und dem Menschen als vielmehr auf die Aufhebung der feindlichen Haltung und des feindlichen Verhaltens des Menschen gegenüber Gott. Es war die Absicht Christi, sowohl Juden als auch Heiden als ein einheitliches Volk, als einen einzigen Leib vor Gott zu bringen und so eine vollkommene Gemeinschaft mit Gott herzustellen. Dieser Plan schien von Anfang an zum Erfolg bestimmt zu sein, denn Christus selbst hat durch seinen Tod die Feindschaft zwischen Juden und Heiden getötet und beseitigt. Indem er sich selbst opferte und sogar bis zum Tod am Kreuz gehorsam war, beseitigte er das Hindernis, das dem Frieden im Weg stand, das Gesetz, das Feindseligkeit hervorrief, und ebnete so den Weg für die Vereinigung von Juden und Heiden in einem Leib, wodurch die vollkommene Harmonie eines gleichmäßig ausgewogenen und entwickelten organischen Ganzen geschaffen wurde.

    Wie diese Absicht Christi verwirklicht wurde und wird, erklärt Paulus: Und so kam er und predigte den Frieden denen, die weit weg waren, und den Frieden denen, die nahe waren. Nachdem er eine vollkommene Erlösung für alle Menschen erlangt und die Ursache für Disharmonie und Feindseligkeit beseitigt hat, kommt Jesus nun im und durch den Geist, Joh. 14,18; Apg. 26,23, im Evangelium. Christus ist durch den Heiligen Geist persönlich in und mit der Botschaft der Gnade gegenwärtig, wie sie in der ganzen Welt gepredigt wird, und spricht durch dieses Wort zu den Herzen der Menschen. Es ist eine gute, eine freudige Nachricht, und ihr Inhalt ist der Friede mit Gott, die Erlösung, die Christus am Kreuz durch sein Leiden und seinen Tod verdient hat. Dieser Friede wird nun denen, die früher fremd und fern waren, weit entfernt vom auserwählten Volk Gottes und nicht vertraut mit den Verheißungen des Evangeliums, aber auch denen, denen die Verkündigung des Königreichs früher anvertraut war, verkündet: den Heiden und den Juden hat Christus ein und denselben Frieden verkündet und so den Frieden zwischen ihnen wiederhergestellt. Alle, die an Christus glauben, sind nun durch das Band dieses gemeinsamen Wissens und Glaubens vereint. Für sie alle gilt: Denn durch ihn haben wir beide in einem Geist Zugang zum Vater. Dem werden sowohl Juden als auch Heiden zustimmen. Christus ist der Weg; durch ihn ist der Weg zum Vater geöffnet, durch ihn sind alle Teilhaber des einen Geistes geworden. Diese Einheit des Geistes, die Einheit der Gotteskindschaft, das gleiche Recht wie Kinder gegenüber dem Vater Jesu Christi, das ist das Band, das Juden und Heiden, alle Mitglieder der Kirche Christi, vereint. Sie alle sprechen Ihn mit derselben Gewissheit an, erhört zu werden, denn alle Hindernisse wurden beseitigt.

 

    Die Christen sind der lebendige Tempel Gottes (V. 19-22): Der Apostel zieht hier die Schlussfolgerung aus den vorangegangenen Aussagen und fasst alles Gesagte zusammen: Demnach seid ihr also nicht mehr Fremde und Gäste, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Da alle Punkte, die der Apostel im vorigen Abschnitt vorgebracht hat, so gut begründet sind, folgt daraus, dass die nichtjüdischen Christen, die früher eine Stellung weit entfernt von der Staatsbürgerschaft Israels innehatten, die Fremde oder bestenfalls Gäste unter den Juden waren, die eher geduldet oder toleriert denn als gleichwertig angesehen wurden, nun Bürger im Gemeinwesen der christlichen Kirche sind, mit voller Teilhabe und Genuss aller Rechte und Privilegien des Königreichs. Oder, um die Metapher ein wenig abzuwandeln, ist die christliche Kirche eine große, heilige Familie, in der Gott der Hausvater, das Oberhaupt des Hauses, und alle Gläubigen Mitglieder der Familie sind, mit freiem Zugang zu allen Gütern, die der Vater freigiebig verteilt. Hier gibt es keinen Unterschied: Die nichtjüdischen Christen gehören zum Haushalt Gottes wie alle anderen Gläubigen, sie haben die Rechte von Kindern, das Recht auf Erbe.

    Wieder wechselt der Apostel die Figur und das Bild: Sie sind auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut, wobei der Eckstein Jesus Christus selbst ist. Die Gläubigen sind nicht nur Mitglieder der Familie Gottes, sondern sie selbst bilden das Haus, den Tempel Gottes; sie sind die lebendigen Steine im heiligen Gebäude der Kirche. Sie ruhen auf dem Fundament der Apostel, sie sind darauf aufgebaut. Die Apostel, als Lehrer der Kirche für alle Zeiten, sind der Grundstein dieses wunderbaren Gebäudes, dessen Schlussstein erst am letzten Tag gelegt wird. Obwohl sie vor langer Zeit gestorben sind, lehren und predigen sie immer noch durch ihre Schriften. Und dasselbe gilt für die Propheten des Alten Testaments, denn ihre Schriften sind grundlegend für die Kirche aller Zeiten, auf die sich die Apostel selbst immer wieder beziehen, Röm. 16,26. Die Bücher der Apostel im Neuen Testament und der Propheten im Alten Testament sind das Wort Gottes, geschrieben durch die Inspiration des Heiligen Geistes, das unerschütterliche und unerschütterliche Fundament der Kirche Christi. Auf diesem Fundament werden die Heidenchristen und alle Gläubigen aufgebaut; darin ruhen sie, durch sie erhalten sie die Kraft, allen Stürmen standzuhalten. Dies ist umso sicherer, als Jesus Christus selbst der Eckstein ist (1. Petr. 2,6). Im Bau der Kirche sind Fundament und Eckstein nicht zwei getrennte Dinge, sondern das eine schließt das andere ein. Christus Jesus ist der Inhalt der prophetischen und apostolischen Schriften; Christus ist in und mit seinem Wort zu finden und nirgendwo sonst. Das unsichtbare Fundament der Kirche und das sichtbare und hörbare Medium, das die Verbindung zwischen den Gläubigen und Christus herstellt, werden zusammen genannt, um die Figur des Hauses, das sich im Bau befindet, zu erhalten. Jesus Christus, der Retter der sündigen Menschheit, von dem das Wort der Propheten und Apostel Zeugnis ablegt, ist das Fundament des Glaubens und der Gemeinde der Heiligen, die aus der Welt der Sünder gesammelt wird.

    Das Gebäude als solches wird nun beschrieben: in dem das ganze Gebäude, passend zusammengefügt, zu einem heiligen Tempel im Herrn heranwächst. Nicht jedes Gebäude, sondern das gesamte Gebäude, das nur eines ist, denn der Apostel spricht von der heiligen christlichen Kirche, der Gemeinschaft der Heiligen, nicht von einzelnen Kirchen oder Gemeinden. Das eine große Gebäude der Kirche wächst durch die Hinzufügung der einzelnen Mitglieder, die richtig mit denen verbunden oder zusammengefügt werden, die zuvor Mitglieder waren, allmählich; es schreitet der Vollendung entgegen, das Ende kommt mit der Bekehrung des letzten auserwählten Mitglieds. So zeigt das Gebäude der Kirche Christi überall Symmetrie und Harmonie. Die Mitglieder der Kirche bewahren durch die Liebe, die im Glauben begründet ist, die Harmonie; sie ordnen sich einander unter; sie passen sich einander an. Obwohl sie unterschiedlicher Nationalität und Temperamente sind, Juden und Heiden, Griechen und Barbaren, Weise und Toren, leben sie in Frieden miteinander, und das in Christus. Der gemeinsame Glaube an Christus bewirkt dies. Am letzten Tag wird der heilige Tempel im Herrn vor unseren erstaunten Augen in der Schönheit seiner Vollkommenheit stehen.

    Dann wird auch der Zweck des Gebäudes deutlich: In ihm werdet auch ihr mit aufgebaut zu einer Wohnung Gottes im Geist. Die direkte Ansprache dient dazu, das persönliche Interesse jedes Gläubigen an diesem Gebäude zu betonen, dessen Bau Tag für Tag vorangetrieben wird, manchmal mit großem Erfolg, manchmal mit großen Schwierigkeiten. Wo und wann immer das Wort der Propheten und Apostel verkündet wird, werden Gläubige für das Wachstum der Kirche gewonnen. Und so wird das Ende die vollständige, die vollkommene Kirche darstellen, die Wohnung Gottes, der Ort, an dem Gott im Geist zu leben wählt; denn durch die Kraft des Geistes werden Seelen für Christus gewonnen, werden diesem wunderbaren Tempel neue Steine hinzugefügt. So ist die christliche Kirche ein Tempel des dreieinigen Gottes. Der große Gott des Himmels, der sich in drei Personen offenbart hat und den der Himmel der Himmel nicht fassen kann, hat seine Heimat inmitten der sündigen Menschheit, in der Kirche Christi. Diese wunderbare Herrlichkeit und Würde der Kirche ist den Menschen derzeit noch verborgen. Aber am letzten Tag wird die Kirche vor den Augen einer erstaunten Welt als ein Tempel der Schönheit und Pracht erscheinen, und der Glanz und die Herrlichkeit des Herrn werden von diesem einzigartigen Bauwerk erstrahlen. „Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott“ (Offb. 21,3).

 

Zusammenfassung: Der Apostel erinnert die Christen daran, dass Gott sie, als sie tot in Sünden waren, belebt und ihnen die Kraft eines neuen geistlichen, himmlischen Lebens in Christus Jesus gegeben hat; er erinnert die Heidenchristen insbesondere daran, dass sie, die früher fremd und fern waren, nun in das Reich Christi gebracht und zu Mitgliedern der Kirche Christi gemacht wurden.

 

 

Kapitel 3

 

Der Dienst des Paulus zur Erbauung der Kirche (3,1-21)

    1 Deshalb ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch Heiden, 2 nachdem ihr gehört habt von dem Amt der Gnade Gottes, die mir an euch gegeben ist, 3 dass mir ist kund geworden dieses Geheimnis durch Offenbarung, wie ich droben aufs kürzeste geschrieben habe, 4 daran ihr, so ihr’s lest, merken könnt meinen Verstand an dem Geheimnis Christi, 5 welches nicht kundgetan ist in den vorigen Zeiten den Menschenkindern, wie es nun offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist, 6 nämlich dass die Heiden Miterben seien und mit eingeleibt und Mitgenossen seiner Verheißung in Christus durch das Evangelium, 7 des ich ein Diener geworden bin nach der Gabe aus der Gnade Gottes, die mir nach seiner mächtigen Kraft gegeben ist:

    8 Mir, dem allergeringsten unter allen Heiligen, ist gegeben diese Gnade, unter den Heiden zu verkündigen den unausforschlichen Reichtum Christi 9 und zu erleuchten jedermann, welche da sei die Gemeinschaft des Geheimnisses, das von der Welt her in Gott verborgen gewesen ist, der alle Dinge geschaffen hat durch Jesus Christus, 10 damit jetzt kund würde den Fürstentümern und Herrschaften in dem Himmel an der Gemeinde die mannigfaltige Weisheit Gottes 11 nach dem Vorsatz von der Welt her, welche er bewiesen hat in Christus Jesus, unserm HERRN, 12 durch welchen wir haben Freudigkeit und Zugang in aller Zuversicht durch den Glauben an ihn. 13 Darum bitte ich, dass ihr nicht müde werdet um meiner Trübsale willen, die ich für euch leide, welche euch eine Ehre sind.

    14 Deshalb beuge ich meine Kniee gegen den Vater unsers HERRN Jesus Christus, 15 aus dem alle Vaterschaft [wörtl.: Geschlecht, Abstammung] im Himmel und auf Erden ihren Namen hat, 16 dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, 17 und Christus zu wohnen durch den Glauben in euren Herzen, und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet zu werden, 18 damit ihr begreifen mögt mit allen Heiligen, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe, 19 und zu erkennen die alle Erkenntnis übersteigende Liebe Christi, damit ihr erfüllt werdet mit aller Gottesfülle.

    20 Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die da in uns wirkt, 21 dem sei Ehre in der Gemeinde, die in Christus Jesus ist, zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

 

    Die Offenbarung der Erkenntnis des Geheimnisses an Paulus (V. 1-7): Im Zusammenhang mit der Berufung der Heiden erörtert Paulus hier seine apostolische Berufung: Aus diesem Grund bin ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch Heiden. Es ist ein sehr nachdrücklicher Ausdruck, mit dem Paulus dieses Kapitel eröffnet. Da seine Leser, von denen die Mehrheit Heiden waren, nun näher gebracht worden waren, zu Mitgliedern des Haushalts Gottes gemacht worden waren, sollten sie daher ernsthaft darüber nachdenken, was er ihnen ans Herz legt und was er für sie tut. Paulus war zu dieser Zeit gefangen, ein Gefangener in Rom, der auf die Entscheidung seines Falles vor dem kaiserlichen Gericht wartete. Er nennt sich selbst den Gefangenen Christi für die Heiden, weil er diese Gefangenschaft für die Arbeit erlitt, die er in seiner Eigenschaft als Diener Christi geleistet hatte, und weil es hauptsächlich seine Verkündigung des Evangeliums unter den Heiden gewesen war, die seine Verhaftung verursacht hatte. Sowohl die Feindschaft der Juden als auch der Argwohn der römischen Regierung waren auf Paulus gerichtet, weil er den gekreuzigten Christus so furchtlos predigte.

    Der Gedanke an seinen apostolischen Dienst veranlasst Paulus nun, abzuschweifen, um den Ephesern den Umfang und die Herrlichkeit dieses Dienstes vor Augen zu führen: Wenn ihr tatsächlich von der Verwaltung der Gnade Gottes gehört habt, die mir euch gegenüber zuteil wurde. Hier ist ein taktvoller, sanfter Appell: Wenn ich das annehmen darf, dass mein Vertrauen in euch nicht unbegründet war; und er gibt der Hoffnung Ausdruck, dass seine Worte nicht ganz vergessen wurden. Gottes besondere Gnadengabe an Paulus war sein Apostelamt unter den Heiden. Die Christen in Ephesus hatten diese Tatsache aus dem Munde des Paulus selbst erfahren; sie hatten auch miterlebt, wie er sein Amt in ihrer Mitte ausgeübt hatte; sie hatten schließlich gehört, wie er das Werk seiner Berufung in anderen heidnischen Ländern verrichtete.

    Der Begriff „Gabe der Gnade Gottes“ wird nun näher erläutert: „Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgetan worden.“ Schon bei seiner Bekehrung, als ihm der Herr auf dem Weg nach Damaskus erschien, hatte er ihn über seine Berufung zum Heidenapostel informiert und ihm damit das Geheimnis seiner Berufung offenbart. Paulus hatte weder die Information über seine Berufung noch den Gegenstand seiner Verkündigung von Menschen erhalten, sondern all dies wurde ihm durch die unmittelbare Wirkung Christi zuteil, Gal. 1,12. Darauf hatte er oben, Kap. 2,11-22, kurz Bezug genommen, und er erinnert seine Leser daran: Durch das, gemäß dem, wenn ihr es lest, bekommt ihr eine Vorstellung von meinem Verständnis im Geheimnis Christi. Der Abschnitt über die Versammlung der Kirche Christi, den Bau des heiligen Tempels Gottes, könnte als Kriterium oder Maßstab dienen, anhand dessen die Epheser in die Lage versetzt würden, zu urteilen und sich ein Bild von Paulus' Einsicht, seinem kritischen Verständnis des Geheimnisses in Bezug auf Christus, der Botschaft der Erlösung und Gnade in Christus zu machen, insbesondere was die Heiden betrifft, Kol. 1,27; 4,3.

    Über dieses Geheimnis oder diese Botschaft schreibt Paulus: „Was in anderen Generationen den Menschenkindern nicht bekannt gemacht wurde, wie es jetzt seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist offenbart wurde.“ Das Geheimnis, das Christus als Retter der Menschheit betrifft, wurde den Patriarchen und Propheten der alten Zeit in Form von Vorbildern und Prophezeiungen offenbart. Aber in den Zeiten der Generationen des Alten Testaments war die Botschaft nicht allgemein bekannt, noch war sie so klar und unmissverständlich wie in der Zeit der gegenwärtigen Erfüllung. Seinen heiligen Aposteln, die übrigens Propheten waren, die die Zukunft voraussagten, offenbarte Gott die herrlichen Tatsachen der Erlösung in Christus durch seinen Heiligen Geist. Durch die Lehre des Geistes erlangten diese Männer ein umfassendes Verständnis für die Beziehung zwischen Prophezeiung und Erfüllung, für das Wirken Christi, Lukas 24, 44-48, für die Bedeutung des Todes und der Auferstehung Christi, 1. Kor. 15, und für viele andere Fakten im Zusammenhang mit dem Leben und Werk des Erlösers.

    Der Inhalt des Geheimnisses, das speziell die Heiden betraf, war: Dass die Heiden Miterben und Mitglieder und Mitteilhaber der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium sind. Der Apostel reiht die Begriffe aneinander, um die volle Gleichstellung der Heidenchristen mit denen jüdischer Abstammung so stark wie möglich zu betonen. Die Heiden sind zusammen mit den Angehörigen des gläubigen Israel Erben aller Segnungen, die den Kindern verheißen sind (Röm. 8,17); sie gehören gemeinsam zum selben Leib wie die Judenchristen, zum Leib Christi; ihnen gilt durch die Verkündigung des Evangeliums dieselbe Verheißung des ewigen Heils in Christus Jesus. „Die drei Begriffe beschreiben die Heiden also zunächst allgemein als Erben zusammen mit den gläubigen Juden in allen Dingen, und dann insbesondere als gleichberechtigt mit ihnen zu demselben Körperschaft gehörend und gleichberechtigt mit ihnen an der messianischen Verheißung teilhabend.“[10]

    Paulus vermeidet selbst den Anschein selbstgefälliger Selbstbeweihräucherung in Bezug auf sein Amt: „... dessen Diener ich geworden bin durch die Gnade, die mir nach der Wirkung seiner Kraft gegeben ist. Selbst die geringste Form von Überheblichkeit war für den Apostel, der sich durch Sanftmut auszeichnete, unerträglich. Er wurde ein Diener des Evangeliums, ein Diener, nicht aufgrund persönlicher Verdienste, sondern aufgrund der kostenlosen Gabe der Gnade Gottes. Er betrachtete sein Amt als ein Geschenk, dessen er nicht würdig war. Und es war nicht seine eigene Weisheit, seine persönliche Anziehungskraft oder irgendein anderes Talent, das in seiner Arbeit wirksam war, sondern die Kraft Gottes. Die transzendente Größe der gnädigen Kraft Gottes ist sowohl bei denen wirksam, die das Evangelium predigen, als auch bei denen, die es hören und daran glauben. Markus: Diese Tatsache, dass die Gabe des Lehrens „nicht nach der Aufnahmefähigkeit des Empfängers, sondern nach der Wirksamkeit des Gebers“ verliehen wird, sollte von allen Mitgliedern der Kirche, die sich für die Lehre des Evangeliums einsetzen, im Hinterkopf behalten werden.

 

    Die Demut des Apostels und die Größe seiner Mission (V. 8-13): Der Apostel greift hier noch einmal den Gedanken von Vers 2 auf und verbindet ihn auf sehr geschickte Weise mit dem vorhergehenden Vers: Mir, der ich weniger als der geringste aller Heiligen bin, wurde diese Gnade zuteil, den Heiden den unfassbaren Reichtum Christi zu predigen. Wie Paulus sich in 1. Kor. 15,9 als der geringste der Apostel und in 1. Tim. 1,15, als Haupt der Sünder bezeichnet, so versucht er hier durch die Bildung eines Superlativs sein Gefühl der Unwürdigkeit für das herrliche Amt des Dienstes auszudrücken. Dies ist keineswegs falsche Bescheidenheit, wie liberale Kritiker nörgelnd sagen, denn Paulus war durchaus in der Lage, sein Amt bei Gelegenheit zu verteidigen, aber es war wahre Demut, wie sie jeder Pastor und jeder Mitarbeiter in der Kirche dazu veranlassen sollte, diesen Vers zu seinem Motto zu machen. Es war der Gedanke an die höchste Würde des Amtes, das er um den Preis einer so grenzenlosen Gnade erhalten hatte, der unweigerlich an Paulus' Gefühl seiner eigenen völligen Unwürdigkeit erinnerte. Die Tatsache, dass er den Heiden das Evangelium predigen sollte, dass er ihnen den unermesslichen Reichtum Christi verkünden sollte, überwältigte ihn als Beweis für Gottes unverdiente Gnade. Unauslotbare, unfassbare Reichtümer nennt er sie, die unergründlich sind, die man nicht herausfinden kann, zu denen keine Spuren führen, die es den Menschen ermöglichen könnten, die Fülle der göttlichen Erlösung für sich selbst zu entdecken, die geistigen, himmlischen Segnungen in Christus aus eigener Kraft zu verstehen.

    Mit dem Dienst ist auch ein anderer Zweck verbunden: Und alle Menschen darüber aufzuklären, was die Verwaltung des Geheimnisses ist, das seit jeher in Gott verborgen ist, der alle Dinge erschafft. Alle Menschen sind von Natur aus im Dunkeln über das Evangelium und seine wunderbare Botschaft der freien Gnade. Daher ist es notwendig, dass sie erleuchtet werden, dass sie gezeigt werden, dass sie von der Dunkelheit zum Licht gewendet werden, 2. Kor. 4,4; 2. Petr. 1,19; Apg. 26,18. Ihnen muss gesagt werden, dass das Geheimnis der Erlösung aller Menschen, einschließlich der Heiden, jetzt offen verkündet und auf alle Menschen angewendet wird. Diese Botschaft war seit ewigen Zeiten verborgen; kein Mensch kann sie begreifen, sie ist von Natur aus unfassbar. Jetzt aber ist sie offenbart und verwirklicht worden in Gott, dem Schöpfer aller Dinge. Als solcher erschafft und ordnet der allmächtige Herr die Zeitalter der Welt; er führt zu seiner Zeit aus, was er lange verborgen gehalten hat. So verdankt die Kirche Christi ihre Existenz der schöpferischen Kraft Gottes. Die Kirche ist eine neue Schöpfung in der Form, dass sie sowohl aus Heiden als auch aus Juden besteht. So wird die Größe der Gnadengabe, die Paulus anvertraut wurde, die Schönheit und Kraft des Evangeliumsdienstes, erneut hervorgehoben; denn die christliche Kirche, die dadurch vervollkommnet wird, ist in ihrer endgültigen Form der geistige Teil der Menschheit, dessen Hauptgedanke darin besteht, Ihm, der alles geschaffen hat, alle Ehre zu erweisen.

    Da ihn außerdem der Ruf des Paulus zum Diener des Evangeliums für die Heiden gemacht hat, war das Ziel seiner Arbeit: damit jetzt den Fürstentümern und Mächten in den himmlischen Orten durch die Kirche die vielfältige Weisheit Gottes bekannt gemacht werde. Der Zweck der Predigt des Paulus war die Versammlung der Kirche, was gleichbedeutend ist mit der Offenbarung oder Verwaltung des Geheimnisses, das in Gott verborgen war. Durch die Kirche sollen daher nach Gottes Absicht selbst die Fürstentümer und Mächte des Himmels mit der vielgestaltigen Weisheit Gottes bekannt gemacht werden, mit der Weisheit, die so viele verschiedene Formen hat und sich auf so viele verschiedene Arten manifestiert. Die Engel Gottes, die ein entschiedenes Interesse an der Erlösung der Menschheit haben (1. Petr. 1,22), sind begierig, immer mehr von der Weisheit des allmächtigen Herrn zu erfahren, der so viele verschiedene Wege und Mittel nutzt, um seine Kirche aufzubauen und so den Zweck der Schöpfung zu verwirklichen. Durch die Kirche, in der Kirche, wird das Interesse der Engel befriedigt; sie erhalten einen Einblick in ihr Wirken, in die gnädigen Absichten Gottes, in die großartigen Ergebnisse, die mit seinen Bemühungen einhergehen müssen; und sie erheben ihre Stimme in Lob- und Anbetungsliedern zu Ihm, dessen Weisheit und Barmherzigkeit von Ewigkeit her sind.

    Der Apostel führt nun seinen Gedanken weiter aus, dass ihm dieses Amt übertragen wurde, um Gottes barmherzige Ziele unter den Menschen zu verwirklichen, indem er hinzufügt: Gemäß dem ewigen Vorsatz, der in Christus Jesus, unserem Herrn, gefasst wurde. Dieser ewige Vorsatz oder diese Absicht ist nichts anderes als das, was Paulus im ersten Teil dieses Briefes besprochen hat, der Vorsatz, der zur Erwählung der Gnade führte. Auf diesem Vorsatz Gottes beruht auch das Apostelamt des Paulus, da es darauf abzielt, die auserwählten Kinder Gottes aus allen Nationen der Welt zu sammeln und sie unter der Führung Christi zu einem Leib zusammenzuführen. Gott hat die Seinen in Jesus Christus erwählt: Die Erkenntnis dieser Erwählung musste durch das Evangelium weitergegeben werden; der Dienst des Evangeliums wurde dem Apostel anvertraut. Deshalb kann er von der Zeit, in der er schrieb, sagen: in dem wir unsere Kühnheit und unseren Zugang im Vertrauen durch unseren Glauben an Ihn haben. Er schließt seine eigene Person in die seiner Leser ein und spricht so für alle Gläubigen. Da uns diese Tatsachen bekannt sind, haben wir Christen die Freiheit des Geistes, die fröhliche Kühnheit, die mutige Stimmung derer, die mit Gott versöhnt sind. Denn wir haben Zugang zu Gott, der Weg zum Thron der Gnade ist offen, Kap. 2,18. Wir treten also mit Zuversicht auf, nicht mit irgendeinem Vertrauen auf unsere eigenen Werke und Verdienste, sondern durch unseren Glauben an Ihn, wobei Christus die Grundlage unseres fröhlichen Vertrauens ist. Wir können nun ohne Bedenken in die Gegenwart Gottes eintreten, mit aller Kühnheit und Zuversicht, wie liebe Kinder zu ihrem lieben Vater kommen.

    Zum Abschluss dieses Abschnitts richtet Paulus einen Appell an die Christen in Ephesus: Darum bitte ich euch, dass ihr euch durch meine Bedrängnis, die euch zur Ehre gereicht, nicht entmutigen lasst. Es bestand die Gefahr, dass die Jünger in Ephesus, die von der Gefangenschaft des Paulus hörten, versucht sein könnten, schwach und kleinmütig zu werden, den Mut zu verlieren und zu glauben, dass die Sache des Christentums zum Scheitern verurteilt sei. Aber Paulus möchte, dass sie solche Gedanken weit von sich weisen. Weil sie, die ehemaligen Heiden, durch die Arbeit des Apostels den Reichtum Christi empfangen und Mitglieder der Kirche Christi geworden waren, durften sie nicht zulassen, dass ihre Freude über diesen Segen durch die Erinnerung an seine Leiden getrübt wurde, und sie durften nicht dem Geist der Entmutigung nachgeben; denn diese Bedrängnisse waren ein notwendiger Teil seines Amtes, sie gehörten zum Kreuz, das der Diener Christi zu tragen hatte, und vor Gott trugen sie nicht zu seiner Schande, sondern zu seiner Ehre bei. Die Epheser wussten, dass ihr Anführer in den Prüfungen, die er durchmachen musste, nicht verzweifelte, und deshalb sollten sie von seinem Beispiel profitieren und an ihrer christlichen Überzeugung festhalten.

 

    Die Fürbitte des Apostels für die Gemeinde zur geistlichen Stärkung (V. 14-19): Der Apostel nimmt nun den Faden seiner Rede wieder auf, die er nach Vers 1 unterbrochen hatte, um über den Dienst seines Apostelamtes zu sprechen: Darum beuge ich meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, nach dem jede Familie im Himmel und auf Erden benannt ist. Weil die Christen in Ephesus durch die Arbeit des Paulus der Kirche Christi hinzugefügt wurden, weil er ihr Lehrer und Apostel ist, fühlt er sich verpflichtet, für diese Seelen, die seiner Fürsorge anvertraut sind, im Gebet seine Knie zu beugen. Luther drückt die Gedanken des Paulus wie folgt aus: „Ich muss hier als Gefangener liegen und kann nicht bei euch sein noch euch auf andere Weise helfen, nur dass ich meine Knie beugen kann, das heißt, mit aller Demut und Ernsthaftigkeit zu Gott beten, dass er euch geben und in euch wirken möge, was weder ich noch irgendeine andere Person tun kann, selbst wenn ich meine Freiheit hätte und immer bei euch wäre.“ Der Gott, an den Paulus seine dringende Fürsprache richtet, ist der Vater unseres Herrn Jesus Christus und damit der wahre Vater eines jeden Gläubigen. Vor allem aber ist er der Vater, nach dem jede Generation oder Familie von Gottes Kindern, alle Menschen, die durch Christus Jesus zu einem neuen geistlichen Leben wiedergeboren wurden, benannt sind. Alle Versammlungen der Kinder Gottes, ob hier auf Erden oder im Himmel, inmitten der heiligen Engel, tragen ihren Namen vom Vater unseres Herrn Jesus Christus; sie alle stehen in der gleichen, in der gleichen Beziehung der Kinder zu ihm; sie alle bilden eine große Familie, deren jedes   Mitglied nur die höchsten und reichsten Segnungen von den Eltern im Himmel erbitten und erwarten darf.

    In diesem Sinne leitet Paulus das Thema seines Gebets ein: Dass er euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit Kraft gebe durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen. Gott hat einen Reichtum, eine große Menge, an Vortrefflichkeit, Majestät und Vollkommenheit; aus seiner Fülle können wir immer empfangen, und Gnade um Gnade, Joh. 1,16. Paulus fragt kühn nach dem Maß der Gabe der Vollkommenheit Gottes, die diesen unerschöpflichen Reichtum voll zur Geltung bringen wird. Denn nur so können die Christen mächtig an Kraft und geistlicher Macht zunehmen, nur so, nämlich durch das Wirken seines Geistes, kann der neue innere Mensch, das erneuerte Selbst der Christen, im Glauben und in der Heiligkeit Fortschritte machen. Gottes stärkende Gnade muss Tag für Tag in den inneren Menschen ausgegossen werden, die Gabe seiner Kraft muss unablässig auf dieses Ziel gerichtet sein, sonst wird das neue geistliche Leben bald erlöschen.

    Dieser Gedanke wird noch weiter ausgeführt: Christus möge durch den Glauben in euren Herzen wohnen. Nicht nur die Gaben und Tugenden Christi, sondern der erhabene Christus selbst lebt in den Herzen seiner Gläubigen, Gal. 2,20. Es gibt die innigste, die glücklichste Gemeinschaft zwischen Christus und den Christen, die mit der Bekehrung beginnt, aber täglich wachsen und gestärkt werden muss, denn durch den Glauben wohnt Christus im Herzen, und der Verlust des Glaubens an die Vergebung der Sünden bedeutet den Verlust Christi selbst. Wenn Christus nicht in uns lebt, Tag für Tag in uns wächst, wird seine Kraft bald nachlassen und sein Bild verblassen. Aber mit Christus im Herzen gibt es stetigen Fortschritt: Damit ihr, fest verwurzelt und gegründet in der Liebe, mit allen Heiligen vollständig begreifen könnt, was die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe ist. Die Liebe ist der Beweis und die Prüfung des Glaubens. Wenn Christus durch den Glauben im Herzen lebt, dann folgt die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten wie selbstverständlich. Und mit dem Wachstum des Glaubens in Form von festem Vertrauen wird auch die Liebe den Christen fester im Griff haben; sie wird so fest verankert sein wie eine Wurzel, die sich im Boden festhält, aus dem sie Kraft und Leben schöpft. So wird die Voraussetzung geschaffen, dass der Gläubige die Breite, Länge, Höhe und Tiefe vollständig verstehen und mental erfassen kann. ALLE Heiligen sollten dieses Verständnis haben, alle Gläubigen sollten in der christlichen Erkenntnis wachsen. Und in dem Zusammenhang, in dem der Apostel hier schreibt, hat er zweifellos die Kirche mit ihren immensen Dimensionen im Sinn. Dieses Gebäude erstreckt sich über die ganze Welt von Norden nach Süden, von Osten nach Westen, durch alle Zeiträume bis zum letzten Tag; es schließt die Gläubigen ein, die jetzt in ihren Gräbern schlafen, und reicht bis zum Himmel, wo sein erhabener Herrscher zur Rechten Gottes sitzt. Die Kirche umfasst die Gesamtheit der Auserwählten, nicht nur Israels, sondern auch der nichtjüdischen Welt – eine arme, kleine Schar in den Augen der Menschen, aber eine mächtige Versammlung vor dem allwissenden Auge Gottes.

    Und schließlich betet Paulus für die Christen, dass sie gestärkt werden: Damit ihr die Liebe Christi erkennt, die alle Erkenntnis übersteigt, die Erkenntnis übersteigende Liebe Christi, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Fülle Gottes. Es ist eine unbegreifliche, unbeschreibliche, unermessliche Liebe, mit der Christus die Kirche gegründet hat, mit der er sie aufbaut und erweitert, eine Liebe, die die härtesten Herzen überwindet, die selbst die größten Verbrecher beeinflusst, und das immer mit dem Ziel, die Kirche aufzubauen. Diese Liebe übersteigt die Fähigkeit des menschlichen Verstandes und der menschlichen Intelligenz, aber der erleuchtete Christ wird zumindest eine Vorstellung von ihrem Ausmaß und ihrer Kraft bekommen, von ihrer wundersamen Kraft, verlorene Sünder für Christus und die Kirche zu gewinnen. Und mit dem Wachstum dieses Wissens wird sich die Hoffnung und das Gebet des Apostels endlich erfüllen, nämlich dass die Christen mit der ganzen Fülle Gottes erfüllt werden, damit dieses Ziel in ihnen erreicht werden kann. Es ist eine Fülle der Gnade, die Gott besitzt und schenkt, das volle Maß seiner gnädigen Gaben, auf die sich der Apostel bezieht. Aus dieser unermesslichen Quelle schöpfen die Gläubigen, die täglich an Tugenden und Segnungen zunehmen, als Gefäße der Barmherzigkeit Gottes; sie selbst sind die Besitzer grenzenloser Liebe und geben sie frei zum Lob und zur Ehre Gottes aus. Auch wenn dieses Ideal in diesem Leben nicht vollständig verwirklicht werden kann, lohnt es sich, mit unermüdlicher Energie danach zu streben.

 

    Schlussdoxologie (V. 20-21): Wie in anderen Fällen, Röm 11,33-36; Gal 1,5; 1 Tim 1,17, schließt der Apostel diesen Abschnitt seines Briefes mit einer Doxologie. Er wendet sich an Gott, der über alles erhaben ist und über das hinausgeht, was wir bitten oder verstehen. Das Programm, das Paulus hier umreißt, ist so umfassend, dass es den Durchschnittschristen zweifeln lässt. Doch sein Verweis auf die allmächtige Kraft des gnädigen Gottes lässt alle Zweifel verstummen. Er ist in der Lage, gemäß der Kraft, die in uns wirkt und deren Größe wir unbestreitbar erkennen, für uns weit mehr zu tun und zu vollbringen, als wir uns überhaupt vorstellen können zu erbitten, weit mehr, als unser schwaches Verständnis erfassen kann. „Alles vermag ich durch Christus, der mir Kraft gibt“, Phil. 4,13. Die Wunder, die wir in unserem eigenen Herzen und Leben in unserem Zustand als Christen seit unserer Bekehrung erlebt haben, sind für uns eine Garantie dafür, dass Gott alle seine Pläne und Absichten in Bezug auf unsere Erlösung und Heiligung verwirklichen kann. Das Gebet des Apostels wird daher sicherlich nicht vergeblich sein. Und so schließen wir uns ihm an und sagen: Ihm sei die Ehre in der Kirche und in Christus Jesus für alle Generationen der Ewigkeit der Ewigkeiten. In der Kirche soll seine Herrlichkeit verkündet werden; die ganze Kirche soll bekennen, dass der Lobpreis nicht den Menschen gebührt, weder den Aposteln und Predigern noch den einzelnen Mitgliedern, sondern allein Gott; daher soll seine Herrlichkeit für immer gepriesen werden. Und unser Dankgebet steigt zum Thron Gottes in Christus Jesus, unserem Erlöser und Mittler, für immer und ewig. Hier machen wir nur einen schwachen Anfang mit unseren Psalmen und Lobeshymnen; der wahre Chor wird in einem mächtigen, nie endenden Hymnus erklingen, wenn wir uns den Chören der gesegneten Engel anschließen und sein Lob singen, Welt ohne Ende. Amen, das heißt ja, ja, ja, so soll es sein.[11]

 

Zusammenfassung: Der Apostel preist die Gnade, die ihm in seinem Dienst an den Heiden zuteil wurde, da es sein Ziel war, die auserwählten Kinder Gottes in einer Kirche zu sammeln, die der Stolz und die Freude Gottes und der heiligen Engel sein sollte; er betet, dass die Christen im Glauben und in der Liebe wachsen und den allgemeinen Charakter und die weite Ausdehnung der Kirche Christi immer besser verstehen mögen.

 

 

Kapitel 4

 

Apostolische Ermahnungen zur Einheit, zur Vollkommenheit in der Erkenntnis, zur Heiligung und zum Frieden (4,1-32)

    1 So ermahne nun euch ich Gefangener in dem HERRN, dass ihr wandelt, wie sich’s gebührt eurer Berufung, darin ihr berufen seid, 2 mit aller Demut und Sanftmut, mit Geduld und vertragt einer den andern in der Liebe 3 und seid fleißig, zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens. 4 Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eurer Berufung. 5 Ein HERR, ein Glaube, eine Taufe, 6 ein Gott und Vater (unser) aller, der da ist über euch alle und durch euch alle und in euch allen.

    7 Einem jeglichen aber unter uns ist gegeben die Gnade nach dem Maß der Gabe Christi. 8 Darum spricht er: Er ist aufgefahren in die Höhe und hat das Gefängnis gefangen geführt und hat den Menschen Gaben gegeben. 9 Dass er aber aufgefahren ist, was ist’s, als dass er zuvor ist hinuntergefahren in die untersten Örter der Erde? 10 Der hinuntergefahren ist, das ist derselbe, der aufgefahren ist über alle Himmel, damit er alles erfüllte.

    11 Und er hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche aber zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern, 12 zum Zweck der Vervollkommnung der Heiligen zum Werk des Dienstes, zur Erbauung des Leibes Christi, 13 bis dass wir alle hinankommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes und ein vollkommener Mann werden, der da sei im Maß des vollkommenen Alters Christi, 14 damit wir nicht mehr Kinder seien und uns wägen und wiegen lassen von allerlei Wind der Lehre durch Schalkheit der Menschen und Täuscherei, damit sie uns erschleichen zu verführen. 15 Lasst uns aber rechtschaffen sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, Christus, 16 aus welchem der ganze Leib zusammengefügt, und ein Glied am andern hängt durch alle Gelenke, dadurch eines dem andern Handreichung tut nach dem Werk eines jeglichen Gliedes in seinem Maß und macht, dass der Leib wächst zu seiner selbst Besserung; und das alles in der Liebe:

    17 So sage ich nun und zeuge in dem HERRN, dass ihr nicht mehr wandelt, wie die andern Heiden wandeln der Eitelkeit ihres Sinnes, 18 welcher Verstand verfinstert ist, und sind entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihnen ist, durch die Blindheit ihres Herzens. 19 welche ruchlos sind und ergeben sich der Unzucht und treiben allerlei Unreinigkeit samt dem Geiz.

    20 Ihr aber habt Christus nicht so gelernt, 21 wenn ihr nämlich von ihm gehört habt und in ihm gelehrt seid, wie in Jesus ein rechtschaffenes Wesen ist. 22 So habt nun abgelegt von euch nach dem vorigen Wandel den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verderbt, 23 aber werdet erneuert im Geist eurer Gesinnung 24 und habt angezogen den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit.

    25 Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeglicher mit seinem Nächsten, da wir untereinander Glieder sind. 26 Wenn ihr zornig werdet, dann sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. 27 Gebt auch nicht Raum dem Lästerer! 28 Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit den Händen etwas Gutes, damit er habe, zu geben dem Bedürftigen. 29 Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern was nützlich zur Besserung ist, da es Not tut, dass es holdselig sei zu hören. 30 Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, damit ihr versiegelt seid auf den Tag der Erlösung. 31 Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung sei fern von euch samt aller Bosheit. 32 Seid aber untereinander freundlich, herzlich und vergebt einer dem andern, gleichwie Gott euch vergeben hat in Christus.

 

    Paulus ruft zur Einigkeit (V. 1-6): Nachdem der Apostel den lehrmäßigen Teil seines Briefes abgeschlossen hat, stützt er seine Ermahnungen zu einem heiligen Leben auf das Fundament des so gelegten christlichen Wissens. Er beginnt den zweiten Teil seines Briefes wie in Röm. 12,1: Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid. Als Apostel der Heiden war er sehr darum bemüht, dass seine Schützlinge im Glauben blieben und ein heiliges Leben führten. Mit Nachdruck spricht er von sich selbst als dem Gefangenen im Herrn und erinnert sie so an den Grund für seinen gegenwärtigen Zustand. Er war ein Gefangener wegen seiner Verbindung mit Christus, dem Herrn, im Namen der Heiden. Als solcher ermahnt oder bittet er seine Leser, sich jederzeit so zu verhalten, ihr ganzes Leben so zu führen, dass sie ihrer Berufung als Christen würdig sind und sich als wahre Mitglieder der christlichen Gemeinde erweisen. Gott hatte sie in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus berufen; als Kinder Gottes konnten sie es sich nicht leisten, Schande über den Namen ihres himmlischen Vaters zu bringen.

    Sie sollten daher so leben und sich so verhalten: Mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut und gegenseitiger Liebe. Diese christlichen Tugenden sollen nach Gottes Willen die Christen begleiten und ihre ständigen Begleiter und Gefährten sein. Sie sollten in ihrer Gemeinschaft untereinander jede mögliche Demut walten lassen, als Mitglieder desselben Leibes der Kirche. Die gleiche Geisteshaltung, die von den Heiden als eines Menschen unwürdig verachtet wurde, das tiefe Gefühl der eigenen Kleinheit und Bedeutungslosigkeit, sollen die Christen pflegen. Und dies soll von Sanftmut, liebevoller Unterwürfigkeit, geduldigem Nachgeben gegenüber anderen, selbst wenn sie provoziert werden, und der Bereitschaft zu dienen und zu teilen, anstatt zu fordern, begleitet werden. Der Apostel erwartet von den Christen außerdem, dass sie viel Leid ertragen, wobei es in diesem Zusammenhang weniger um das Ertragen von Leiden von außen geht als vielmehr um Geduld bei Provokationen von Freunden und Brüdern, wie Paulus selbst zur Erklärung hinzufügt, dass wir einander in Liebe nachsichtig sein sollten, dass wir selbst die unangenehmen Eigenheiten unserer christlichen Brüder ohne einen Anflug von Ungeduld ertragen sollten. Der Apostel zeichnet hier ein Ideal der Beziehung, die unter den Mitgliedern der christlichen Kirche herrschen sollte, und das alle Christen zu eifrigem Wetteifer anspornen könnte.

    Auf der Grundlage dieser Tugenden erweitert die nächste Ermahnung die Idee der Beziehung zwischen Christen: Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens. Während die Gläubigen nach den oben genannten Tugenden streben, sollten sie nebenbei alle Energie nutzen und mit allem Eifer daran arbeiten, den herrlichen Besitz der Einheit des Geistes, der Einheit in Gefühl, Interesse und Absicht, die mit der Einheit in der Lehre einhergeht, mit wachsamer Sorgfalt zu bewahren. Es ist die Einheit des Geistes, die durch den Geist Gottes bewirkt wird, die Einheit in der Wahrheit. Dieses herrliche Geschenk und dieser Besitz sollen im Band des Friedens bewahrt werden, denn dies ist das Band, das die Herzen zusammenhält. Indem sie nach den vom Apostel genannten Tugenden streben: Liebe, Frieden, Sanftmut, Demut, Langmut, Geduld, bewahren die Christen die Einheit des Geistes, die ihnen im Wort gegeben wurde. Sobald diese Tugenden missachtet werden, sind Zwietracht und Uneinigkeit, Spaltung und Sektierertum die Folge.

    Dass der Apostel jedoch keineswegs die moderne Verdrehung seiner Worte befürwortet oder gutheißt, die der Geist des Unionismus, der jetzt weit verbreitet ist, zeigt, deutet er in den nächsten Worten an: Ein Leib und ein Geist, so wie ihr auch in einer Hoffnung eurer Berufung berufen seid. Dies ist keine Ermahnung, die sich auf die Zukunft bezieht, sondern eine, die die Christen auffordert, an dem festzuhalten, was sie haben. Sie sind ein Leib, so eng miteinander verbunden und vereint wie die Glieder eines Leibes. Sie sind vereint und werden in der Einheit des Leibes Christi durch den einen Geist, der in ihnen lebt, vereint, wobei der Heilige Geist sozusagen die Seele dieses Leibes, der christlichen Kirche, ist, der den gesamten Leib leitet und regiert. Sie alle blicken auf dasselbe Ziel, denn sie alle sind in oder mit der einen Hoffnung ihrer Berufung berufen. Als der Ruf des Herrn in ihnen verwirklicht wurde, wurde die Hoffnung auf ewige Erlösung vor allen vor Augen geführt, und diese Hoffnung hält sie zusammen und betont ihre Einheit.

    Die Christen haben außerdem gemeinsam: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem steht und durch alles und in allem. Der Herr der Christen, zu denen sie gehören, der sie mit seinem heiligen, kostbaren Blut erlöst hat, ist Christus. An ihn glauben sie, ihn erkennen sie an und bekennen ihn als ihren Herrn; für ihn haben sie sich in der Taufe bekleidet. So haben sie alle denselben Glauben, der sie durch dasselbe Sakrament mit ihrem einen Herrn vereint. Aber der Höhepunkt wird in den Worten erreicht: Ein Gott und Vater von uns allen. Durch das stellvertretende Werk Christi ist Gott unser Vater, der Vater aller Christen ohne Ausnahme. Er steht über ihnen allen, er herrscht über sie, er übt seine gnädige elterliche Autorität über sie als seine lieben Kinder aus, er ist ihr Beschützer und Führer. Er wirkt durch sie alle, durch sie, als durch die Werkzeuge seiner Barmherzigkeit, er führt viele seiner Absichten aus; alle guten Werke, die die Christen vollbringen, insbesondere solche, die der Kirche dienen, tun sie durch die Kraft Gottes, die in ihnen wirkt. Er ist in ihnen allen, Er hat sich dazu herabgelassen, in ihnen zu wohnen; sie sind Sein Tempel, Sein ständiger Aufenthaltsort. So sind die Christen in und durch den dreieinigen Gott, in dem sie leben, sich bewegen und ihr Sein haben, aufs Engste miteinander verbunden; sie sind durch die stärksten Bande miteinander verbunden, die man sich vorstellen kann.

    Anmerkung: Dieser Abschnitt beschreibt auf wunderbar klare und knappe Weise die heilige christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen. „Hier sagt und lehrt der heilige Paulus, was die wahre christliche Kirche ist und woran man sie erkennen kann, nämlich dass es auf Erden nur eine einzige Kirche oder ein einziges Volk Gottes gibt, das einen Glauben, eine Taufe, ein Bekenntnis zu Gott dem Vater und zu Christus usw. hat und darin in völliger Harmonie zusammenhält und zusammenbleibt. In dieser Kirche muss jeder, der gerettet werden und zu Gott kommen will, gefunden und verkörpert werden, und außerhalb von ihr ist niemand gerettet. Daher besteht diese Einheit der Kirche nicht in verschiedenen Formen der äußeren Regierung, des Rechts und der Vorschriften, noch im Besitz und in der Einhaltung kirchlicher Bräuche, ... sondern sie findet sich dort, wo diese Harmonie des einen Glaubens, der Taufe usw. ist. Daher wird sie eine heilige katholische oder christliche Kirche genannt.“[12]

 

    Christi Gaben an die einzelnen Christen (V. 7-10): Diese Information folgt sehr passend auf die Anweisung bezüglich der Vereinigung aller Gläubigen in der heiligen christlichen Kirche, denn sie überträgt die Verantwortung auf den Einzelnen als Mitglied des Ganzen: Jedem einzelnen von uns aber ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi. Die Vereinigung aller Gläubigen in Christus schließt nicht aus, dass sie verschiedene und unterschiedliche Gnadengaben erhalten haben. Mit Nachdruck erklärt der Apostel, dass jeder einzelne Christ besondere Gaben oder eine besondere Gabe von Gott erhalten hat, die er im Interesse der Kirche zum Wohle der Brüder einsetzen sollte. Er spricht von Gnadengaben, die sich in den verschiedenen Talenten des Predigens, Lehrens, Organisierens, Regierens, der Missionsarbeit, des Taktgefühls in der Nächstenliebe usw. zeigen. Jeder Christ ist aufgrund der Gnade, die er empfangen hat, durch die besondere geistliche Gabe, die Christus aus seinem unerschöpflichen Vorrat verteilt, verpflichtet, seinen Teil zur Aufrechterhaltung von Einheit und Frieden sowie zum weiteren Wachstum der Kirche beizutragen.

    Weil Christus solche Gnadengaben in dem Maße verleiht, wie er es für richtig hält, zitiert der Apostel eine Passage aus dem Alten Testament, Ps. 68,18, und beruft sich auf das Zeugnis Gottes für die Wahrheit seiner Aussage: Er stieg in die Höhe und nahm die Gefangenschaft gefangen, er gab den Menschen Gaben. Ps. 68 ist trotz aller Hinweise auf die Geschichte der Juden ein messianischer Psalm und spricht vom Triumph des Herrn Jahwe, des verheißenen Messias, der durch seine Himmelfahrt, durch seinen Eintritt in die uneingeschränkte Nutzung der Autorität und Macht, die seiner menschlichen Natur zum Zeitpunkt seiner Inkarnation übertragen wurde, vollständig verwirklicht wurde. Von diesem erhabenen Christus sagt Paulus nun, nicht mehr in Form eines direkten Zitats, sondern in freier Verwendung der Passage im zitierten Psalm, dass er den Menschen Gaben schenkt, verschiedene Gaben seiner Gnade, von denen der Apostel auch an anderen Stellen spricht, Röm. 12,6.

    Paulus fügt nun eine Erklärung des von ihm zitierten Abschnitts hinzu: Aber das, „Er ist aufgestiegen“, was ist das anderes, als dass Er auch zuerst in die unteren Teile der Erde hinabgestiegen ist? Der Apostel will damit nicht sagen, dass diese beiden Ereignisse immer miteinander verbunden sind, sondern bezieht sich insbesondere auf den Fall Jesu. Seiner Himmelfahrt zur Rechten der Macht in den himmlischen Orten entspricht sein Abstieg und siegreicher Einzug in das Reich Satans. Christus, der im Grab lebendig gemacht wurde, als verklärter Gottmensch, nach Leib und Seele, stieg in die Hölle hinab; und derselbe Gottmensch stieg dann vor den Augen seiner erstaunten Jünger leiblich in den Himmel auf. Vgl. 1. Petr. 3,19.20. So hatte Christus durch seine Rückkehr ins Leben im Grab tatsächlich die Macht des Todes und des Fürsten des Todes gebrochen, und seine Himmelfahrt war der triumphale Einzug des Siegers in den Himmel. Um diesen Gedanken zu verdeutlichen, wiederholt Paulus ihn: Er, der hinabgestiegen ist, ist es auch, der über alle Himmel hinaufgestiegen ist, damit Re alles erfülle. Die größte Höhe wird hier mit der größten Tiefe kontrastiert. Christus ist über alle geschaffenen Himmel aufgestiegen, die Höhe, die er erreicht hat, ist die, zur Rechten seines himmlischen Vaters zu sitzen. Und das Ziel der Himmelfahrt war, dass er alle Dinge erfüllen möge. Der erhöhte Christus erfüllt nun das Universum mit seiner allmächtigen Allgegenwart, was uns auch seine gnädige Gegenwart in seiner Kirche versichert, deren Mitgliedern er die Gaben seiner Gnade und Barmherzigkeit gibt. Obwohl die Feinde der Kirche, der Teufel und seine Engel, noch nicht endgültig und für immer in ihrem Reich der Finsternis gebunden und eingesperrt sind, sind sie besiegt, sie sind in der Macht Christi, sie können das Wachstum der Kirche nicht aufhalten, und der endgültige Triumph der Kirche mit Christus, der durch den Sieg Christi ermöglicht wird, ist nur eine Frage der Zeit. Mit der Bekehrung des letzten Auserwählten Gottes wird der Tag der Erlösung in der endlosen Freude des Himmels anbrechen.

 

    Das Amt der Kirche (V. 11-16): Der hier geäußerte Gedanke steht im Zusammenhang mit dem von Vers 7. Aber Paulus spricht nun ausführlich über die Gaben Gottes an die Kirche: Er gab einige als Apostel, einige als Propheten, einige als Evangelisten und einige als Pastoren und Lehrer. Die Geistlichen der Kirche sind zu allen Zeiten Gaben des erhabenen Christus. „Die Apostel waren und sind die unfehlbaren Lehrer der gesamten Christenheit, ihre Lehre ist maßgeblich für die Lehre der christlichen Lehrer aller Zeiten. Propheten und Evangelisten waren besondere Gaben der Urkirche. Die Propheten, in diesem Zusammenhang die neutestamentlichen Propheten, erhielten besondere Offenbarungen für besondere Zwecke, die sie dann in inspirierter Rede vor der christlichen Versammlung vortrugen. Vgl. Röm. 12,6. Die Evangelisten, zu denen z. B. Philippus, Apg. 21,8, gehörte, verkündigten das Evangelium in missionarischer Tätigkeit, ... verbreiteten das apostolische Wort an Orten, wohin die Apostel selbst nicht gekommen waren; ihrer Berufung entspricht wohl der Dienst unserer heutigen Missionare. Mit „Hirten und Lehrern“ beschreibt der Apostel den regelmäßigen Dienst am Wort, der in allen Epochen der Kirche derselbe war und blieb, das öffentliche Amt des Predigens. Der Ausdruck „Lehrer“ bezieht sich wahrscheinlich hauptsächlich auf die öffentliche Tätigkeit als Prediger, der andere, „Hirten“, auf die pastorale Tätigkeit, die das Wort auf die einzelnen Mitglieder der Gemeinde anwendet.“[13] Wenn der Apostel von all diesen Amtsträgern als Gaben Christi spricht, schließt er eine spezifische Vorbereitung auf das Amt nicht aus. Aber es ist der erhöhte Christus, der diese Personen bereit macht, der in ihren Herzen den Entschluss zum Dienst an der Kirche bewirkt, der ihr Studium segnet, der geistliche Erleuchtung zu intellektuellen Gaben hinzufügt, der Gaben für individuelle Stationen und besondere Umstände verteilt.

    Über das unmittelbare Ziel der Amtstätigkeit schreibt der heilige Paulus: „Zur Vollendung der Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes, für den Aufbau des Leibes Christi.“ Alle Diener der Kirche in ihren verschiedenen Ämtern sind von Christus dazu bestimmt worden, sich aktiv um die geistlichen Bedürfnisse der Gemeinde zu kümmern; durch ihre Arbeit soll die Kirche aufgebaut und gestärkt werden. Der Apostel verwendet das Bild vom Wachstum eines gesunden Körpers, der mit der richtigen Nahrung in ausreichender Menge versorgt werden muss. Auf diese Weise wird das letztendliche Ziel Christi erreicht, die vollständige Ausrüstung, die endgültige Vollkommenheit der Heiligen. Was in ihrem geistigen Zustand und ihrer geistigen Verfassung aufgrund der Angriffe des Feindes und ihrer eigenen natürlichen Schwäche noch unvollständig ist, soll von den Dienern des Evangeliums durch die Verkündigung von Sünde und Gnade ergänzt werden.

    Dieses Ziel aller seelsorgerlichen Arbeit muss als Ideal vor unseren Augen stehen: Bis wir alle zur Einheit des Glaubens und zur Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, zu einem vollkommenen Menschen, zum Maß der Statur der Fülle Christi. Der Apostel hat hier die Gemeinde der Auserwählten im Himmel im Sinn und bezieht sich auf die Zeit, in der das große Ziel erreicht werden soll. Gegenwärtig sind viele dieser auserwählten Kinder Christi noch ohne das Wissen um ihren Erlöser. Aber wenn diese alle durch die Verkündigung des Evangeliums eins geworden sind mit den gegenwärtigen Gläubigen, eins im Glauben und in der Erkenntnis ihres Erlösers, des Sohnes Gottes, dann wird das Ziel des Dienstes des Wortes verwirklicht sein, dann wird die Versammlung der Gläubigen wie ein reifer, erwachsener Mann dastehen. Dann wird die Kirche ihre Volljährigkeit erreicht haben, das Alter und die Reife Christi, des Erstgeborenen des Vaters, erreicht haben; die Vollkommenheit seiner Gnaden und Tugenden wird auf den Gläubigen ruhen. Dieses Ziel wird in der Tat nie vollständig im gegenwärtigen irdischen Leben verwirklicht werden, sondern erst in dem kommenden. Dennoch werden die Lehrer der Kirche stets auf das äußere und innere Wachstum der Kirche und insbesondere ihrer eigenen Gemeinden achten; sie werden nicht aufhören, neue Mitglieder in die ihnen anvertraute Herde aufzunehmen und ihr Volk im Glauben und in allen christlichen Tugenden zu stärken.

    Die Ergebnisse dieser treuen Arbeit können nicht ausbleiben, vor allem nicht bei der Überwindung von Mängeln: Damit wir nicht länger Kinder sind, die von jedem Wind der Lehre hin und her getrieben und herumgetragen werden, in der List der Menschen, in der Schlauheit, die zum System des Irrtums neigt. Das Werk der Vervollkommnung der Heiligen, das durch das Wort des Evangeliums weitergeführt wird, sollte so viel bewirken, dass die Gläubigen nicht länger Kinder, Minderjährige, Unreife und Ungelehrte in der Erkenntnis von Sünde und Gnade, vom heiligen Willen Gottes sind. Als Kinder in geistlicher Erkenntnis treten sie in die Kirche ein; aber der Herr will geistliches Wachstum und Fortschritt, er will, dass sie die Reife und Statur Christi erreichen. Solange ein Mensch in der christlichen Erkenntnis schwach ist und kein gründliches Verständnis der christlichen Lehre hat, solange ist er anfällig dafür, hin und her geworfen zu werden, hin und her getrieben zu werden, wie ein steuerloses Schiff im Sturm. Jede neue Versuchung von innen, jeder neue Angriff von außen, schwächt die Standhaftigkeit eines solchen Menschen. Jeder neue Wind falscher Lehren reißt einen solchen Menschen mit sich, weil das Schiff seines Glaubens nicht fest genug in der Erkenntnis Christi verankert ist. Die falschen Lehrer, die die schwachen Christen angreifen, gehen mit den Schriften und der Wahrheit und den Menschen, die sie mit ihrer einschmeichelnden Stimme zu betören versuchen, um, so wie Spieler mit Würfeln spielen. Man weiß nie, welcher neue Trick als Nächstes kommt, welche neue Lehre erfunden wird, um die Seelen der Menschen zu täuschen. Ihr gesamtes Verhalten neigt zu hinterlistigen Tricks, sie praktizieren sorgfältig geplante betrügerische Machenschaften. Der Christ, der noch nicht fest in allen Lehren der Bibel verankert ist, was die Erlösung des Menschen betrifft, neigt daher dazu, vom Weg abzukommen, hierhin und dorthin zu wandern und so für immer verloren zu sein. So führen die betrügerischen Machenschaften der falschen Lehrer und Verführer zu einem falschen Lebenswandel, der sich auf verhängnisvolle Weise von der Wahrheit entfernt. Anmerkung: Es gehört zu den Aufgaben der Pastoren und Lehrer, die Christus seiner Kirche gegeben hat, auf die Gefahren hinzuweisen, die von falschen Lehrern ausgehen, ihre Argumente zu widerlegen, die Tricks und Täuschungen aufzudecken, die falsche Propheten mit dem Wort der Gnade, dass sie die Unterweisung aller Gemeindeglieder durch Lehrpredigten und Diskussionen fortsetzen, damit alle Christen in ihrer Obhut in der Erkenntnis der Wahrheit gefördert werden und lernen, zwischen Falschheit und Wahrheit zu unterscheiden und die Geister zu prüfen.

    Diesen Punkt hebt der Apostel im nächsten Vers hervor: Aber (damit wir) die Wahrheit in Liebe festhalten und in allen Dingen zu dem heranwachsen, der das Haupt ist, Christus. Zu diesem Zweck hat Christus seiner Kirche Lehrer gegeben, damit sie die Gläubigen befähigen, die Wahrheit der Heiligen Schrift zu bekennen und zu verteidigen, und zwar nicht nur, um die Wahrheit zu bewahren, sondern in Liebe, damit ihr Zeugnis von der Wahrheit anderen von Nutzen sein kann; denn das ist immer der Wirkungsbereich des wahren Christen. Das Ergebnis wird sein, dass wir Christen in allen Dingen zu Christus, dem Haupt der Kirche, heranwachsen. Nicht intellektuelles, sondern geistliches Wachstum ist in der Kirche von größtem Wert. Indem wir in der Erkenntnis Christi wachsen, indem wir die Wahrheit Tag für Tag besser verstehen, indem wir an christlichem Glauben und Leben gewinnen, treten wir in eine immer engere Gemeinschaft mit Christus ein. Unser geistliches Wachstum ist immer auf Ihn gerichtet, auf die Vervollkommnung Seiner Gestalt. In allen Dingen, die zu unserem Wachstum gehören, wird dies wahr sein, alle Umstände unseres Wachstums werden davon bestimmt sein.

    Der Apostel beendet nun seinen Satz: Von dem aus der ganze Leib, durch alle Gelenke der Versorgung fest und kompakt verbunden und zusammengefügt, gemäß der Leistungsfähigkeit im Maß jedes einzelnen Teils, das Wachstum des Leibes bewirkt, um ihn in Liebe aufzubauen. Der ganze Leib, von dem der heilige Paulus hier spricht, bewirkt, verursacht das Wachstum des Leibes selbst. Die leitende und wirkende Kraft für dieses Wachstum geht von Christus, dem Haupt, aus. Das Wachstum drückt sich darin aus, dass die Gelenke und Bänder immer fester miteinander verbunden, immer passender ineinandergefügt und immer kompakter zusammengesetzt werden. Dies wird durch die Sehnen der Bänder und die Sehnen der Muskeln erreicht. Der gesamte Körper wird, wenn er handelt und sich bewegt, von den Muskeln und Sehnen versorgt, wenn sie sich zusammenziehen; so erfüllt jede einzelne Sehne ihre Aufgabe, und die Körperteile werden in die Lage versetzt, gemeinsam zu handeln und zu arbeiten. Jedes einzelne Glied und jeder Teil liefert seinen Anteil an Energie und Arbeitskraft, und je besser sie alle zusammenarbeiten, desto besser sind die Voraussetzungen für eine gleichmäßige Entwicklung und ein stetiges Wachstum. Die Anwendung der Figur bietet keine ungewöhnlichen Schwierigkeiten. Wenn jeder Christ die besondere Gnadengabe, die er vom Herrn erhalten hat, auf die richtige Weise einsetzt, wird die gesamte Gemeinde und Kirche davon profitieren, da es eine engere Verbindung zwischen den verschiedenen Organen geben wird. Sobald jeder Christ den Dienst verrichtet, für den ihn die Gnade Christi befähigt hat, wird das Bewusstsein der Einheit unter den Christen gestärkt, alle Mitglieder werden in einer engeren Einheit verbunden und werden das Werk des Herrn mit ihrer vereinten Kraft fördern. Das Wachstum des gesamten Leibes der Kirche erfolgt im Verhältnis zu der Energie und Bereitschaft, mit der jedes Mitglied die Gnadengabe Christi ausübt. So wächst die Kirche nach innen und außen zur Vollkommenheit. Beachten Sie, dass der Apostel das Wachstum der Kirche von der bereitwilligen Mitarbeit jedes einzelnen Mitglieds der Kirche abhängig macht, dass er jedem eine Gnadengabe zuschreibt. Beachten Sie aber auch, dass die bestimmende und lenkende Kraft allein die von Christus ist.

    Eine Mahnung zur geistlichen Erneuerung (V. 17-24): Der Apostel greift hier den Gedanken von V. 1 wieder auf, der die grundlegende Mahnung für den gesamten zweiten Teil des Briefes enthält, nämlich dass die Christen ein Leben führen sollen, das der Berufung würdig ist, mit der sie berufen wurden. Er hebt hier den Kontrast zwischen der moralischen Reinheit der Christen und der sozialen Unreinheit der Heiden hervor: Dies nun sage und bezeuge ich im Herrn, dass ihr nicht mehr so lebt, wie die Heiden leben, in der Eitelkeit ihres Geistes. Es ist ein feierlicher Protest und eine Warnung, die Paulus hier im Namen des Herrn ausspricht, denn seine Ermahnung erfolgte im Interesse Christi und der Kirche, eine ernsthafte Erklärung und Anordnung in Form eines Appells an Gott. Als Glieder des Leibes Christi sollten die Christen in Ephesus nichts mehr mit ihren früheren Gefährten, den Angehörigen ihrer eigenen Rasse und Nationalität, gemein haben. Denn das ist das Merkmal der Ungläubigen, der Heiden aller Zeiten, dass sie in der Eitelkeit ihres Geistes wandeln, was ihr gesamtes Verhalten offenbart. Das Innenleben des natürlichen Menschen, sein Denken, Wollen und Wünschen, ist eitel, nutzlos, zwecklos, völlig ohne Realität und Wert vor Gott. Kein Ungläubiger kann eine Vorstellung von echten moralischen Werten haben, denn sein Geist ist auf das Nichts ausgerichtet.

    Dieser Gedanke wird nun vollständiger entfaltet: Sie sind verfinstert in ihrem Verständnis, entfremdet vom Leben Gottes aufgrund der Unwissenheit, die in ihnen ist, aufgrund der Verhärtung ihrer Herzen. Die von Paulus verwendeten Begriffe setzen einen früheren, aufgeklärteren Zustand des Menschen voraus. Als Gott den Menschen erschuf, waren sein Verstand und sein Geist in hohem Maße erleuchtet, insbesondere auch in ihrem Verständnis von Gott und den göttlichen Dingen. Außerdem hatte der Mensch, wie er von Gott geschaffen wurde, eine gesegnete Erkenntnis Gottes als himmlischer Vater. All dies hat sich durch die Sünde geändert. Es gilt für die Heiden wie für den natürlichen Menschen im Allgemeinen, dass ihr Verstand, ihr Denken, ihr Urteilsvermögen verdunkelt sind. Ihr Verständnis, ihr Gefühl, ihr Verlangen sind in einem Zustand, der es ihnen unmöglich macht, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Und was ihren Willen betrifft, so haben sie sich vom Leben in Gott entfremdet. Sie haben keine Ahnung von dem Leben, das von Gott kommt, in und mit Gott. Im natürlichen Menschen findet sich kein Funken von Furcht, Liebe und Vertrauen in Gott. Dieser Zustand ist auf die ererbte Verderbtheit der Menschheit zurückzuführen; er findet sich in den Menschen aufgrund der Unwissenheit, die ihnen von Geburt an und von Natur aus innewohnt, aufgrund der Verhärtung ihrer Herzen. Sie sind geistig und moralisch gegen jeden Einfluss zum Guten verhärtet, sie sind blind, gefühllos und unempfindlich gegenüber allem, was wahrhaft edel und göttlich ist. Dieser verdorbene Geisteszustand zeigt sich im Leben der Heiden: Sie haben sich als gefühllose Menschen der Wollust und allen unreinen Begierden hingegeben und sind voller Habgier. Sie sind für keinen höheren moralischen Einfluss mehr empfänglich, sie haben sich einem Zustand des Herzens ohne Gewissen hingegeben. Sie haben sich freiwillig, durch ihre eigene schuldhafte Entscheidung, der Wollust, der schamlosen, unverschämten Sinnlichkeit, einem rücksichtslosen, ungezügelten Verhalten hingegeben. Sie haben sich in dieser Hinsicht so vollständig aufgegeben, dass sie es sich zur Aufgabe machen, sich jeder Form von Unreinheit hinzugeben, zusammen mit Gier oder Begierde; denn beide Laster sind selbstsüchtig. Paulus malt absichtlich ein Bild, von dem sich der bekehrte Heide mit Entsetzen abwenden wird.

    Mit dieser Tatsache im Hinterkopf wendet sich der Apostel nun wieder an seine Leser: Ihr aber habt Christus nicht so kennengelernt, wenn ihr ihn tatsächlich gehört habt und in ihm unterwiesen wurdet, wie die Wahrheit in Jesus ist, dass ihr den alten Menschen ablegen solltet, was eure frühere Lebensweise betrifft. Es gibt einen klaren, unüberbrückbaren Unterschied zwischen dem nichtwiedergeborenen und dem wiedergeborenen Menschen. Die Christen in Ephesus studierten die herrliche Nachricht von ihrer Erlösung durch Christus nicht so, dass sie annehmen konnten, sie könnten weiterhin die Sünden begehen, die die Heiden auszeichneten. Mit feinem Gespür fügt der Apostel hinzu: Wenn ich davon ausgehe, dass Christus tatsächlich das Thema, die Summe und der Kern der Predigt war, die ihr gehört habt, dann nehme ich an, dass dies der Fall ist. Tatsächlich hatten sie Christus nicht nur in der Verkündigung des Evangeliums gehört, sondern waren auch in Ihm unterwiesen worden; während sie die Unterweisung empfingen und in der Erkenntnis ihres Erlösers Fortschritte machten, wurde ihre Vereinigung mit Christus immer inniger, in ihrer Gemeinschaft mit Christus wuchs ihre Erkenntnis von Ihm, da die Wahrheit, die gesunde Moral und die Gerechtigkeit in Christus sind. Jesus, heilig und gerecht in seiner Person, gibt seinen Jüngern sowohl das Beispiel als auch die richtige Anleitung für ein heiliges Leben. Wer als sein Jünger in die Sphäre Jesu eingetreten ist, ist dadurch verpflichtet, sich in seinem ganzen Leben so zu verhalten, wie Jesus es tat.

    Der Apostel nennt nun einige Punkte in der Unterweisung, die die Epheser erhalten haben: Dass ihr, was eure frühere Lebensweise betrifft, den alten Menschen ablegt, der nach den Begierden der Täuschung verdirbt. Die Christen in Ephesus hatten zum Zeitpunkt ihrer Bekehrung dem Teufel und all seinen Werken und all seinem Pomp abgeschworen. Dennoch ist die Ermahnung notwendig, dass sie, was ihre frühere Lebensweise betrifft, den alten Menschen, die natürliche sündige Verderbtheit, die ererbte böse Neigung ablegen sollten, damit ihr altes heidnisches Verhalten endgültig hinter sich gelassen wird. Wenn der Mensch in diese Welt geboren wird, hat er nicht nur ein paar anstößige Eigenschaften, sondern seine ganze Natur ist absolut und vollständig verdorben und korrupt, alle seine Gedanken, Vorstellungen und Wünsche sind gegen Gott und auf die eitlen Dinge dieser Welt gerichtet. Diese alte böse Natur findet sich sogar bei den wiedergeborenen Christen, weshalb es notwendig ist, ewige Wachsamkeit zu üben und den alten Menschen wie ein schmutziges Gewand abzulegen, wann immer er versucht, Böses zu tun. Die sündigen Worte, die der Zunge entsteigen, die bösen Gedanken und Absichten, die aus dem verdorbenen Herzen hervorbrechen wollen, müssen unterworfen und gekreuzigt werden, bevor sie Befriedigung finden. Dies ist umso notwendiger, als der gesamte Mensch mit Leib und Seele das Schicksal des alten Adam, das der ewigen Verdammnis, teilen wird, wenn die alte böse Natur weiterhin im Herzen eines Menschen herrscht. Denn die Begierden und Wünsche des alten Menschen sind trügerisch; sie scheinen Glück, Freude und Leben zu versprechen, während sie in Wirklichkeit den Menschen, der ihnen folgt, sowohl körperlich als auch geistig zugrunde richten, bis er für immer verloren ist.

    Die andere Seite des vom Apostel gezeichneten Bildes ist erfreulicher: Dass ihr euch dagegen im Geist eures Geistes erneuert und den neuen Menschen anzieht, der nach Gottes Ebenbild in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit geschaffen wurde. Das Ablegen des alten Menschen und das Anziehen des neuen Menschen geschieht zur gleichen Zeit; die beiden Ereignisse geschehen gleichzeitig. In und durch seine Bekehrung beginnt ein Mensch ein völlig neues Leben; er tritt in eine neue Existenz ein, was seinen Geist und seinen Verstand betrifft. Diese Erneuerung muss kontinuierlich und beständig sein, damit die alte sündige Natur nicht wieder die Oberhand gewinnt. Es ist ein notwendiger Teil der christlichen Heiligung, dass ein Christ immer wieder neu beginnt, seine geistige Jugend immer wieder erneuert und sich jeden Tag mit Herz und Verstand von den eitlen Dingen dieser Welt zurückzieht. Gleichzeitig wird er daher auch täglich neu mit dem neuen Menschen bekleidet, jenem Geisteszustand, jener moralischen Gewohnheit, die mit dem Willen Gottes übereinstimmt. Der neue Mensch ist die Summe aller christlichen Tugenden, die Gesamtzahl der moralischen Forderungen Gottes in der Verwirklichung. Diese Zusammenfassung der Tugenden wie ein neues, prächtiges Gewand anzuziehen, sich jederzeit damit zu bekleiden und zu schmücken, jederzeit den besten Gedanken und Impulsen des neuen Menschen zu folgen, das muss das Ziel eines jeden Christen sein. Und das ist ihm möglich, weil der neue Mensch in der Bekehrung nach Gott geschaffen ist, nach dem Bilde Gottes, Kol. 3,10, in der Gerechtigkeit und Heiligkeit, die der wahren Sittlichkeit eigen sind. In dem Maße, wie der Christ den neuen Menschen anzieht, bezeugt er seine Kraft in seinem ganzen Leben, in diesem Maße erscheint in ihm das Bild Christi, das Bild Gottes.[14]

 

    Eine Unterweisung im Blick auf einzelne Sünden (V. 25-28): Es ist in der Tat wahr, dass ein Christ aufgrund seiner Bekehrung seine Gedanken und Interessen auf die Tugenden richtet, die Gott wohlgefällig sind. Aber es ist ebenso wahr, dass die alte böse Natur immer noch in ihm vorhanden ist und ihn dazu veranlasst, einen unaufhörlichen Krieg gegen „ihre Versuche, ihn zur Sünde zu verführen, wie der Apostel es in Röm 7 beschreibt, zu führen. Aus diesem Grund nennt Paulus hier einzelne Sünden beim Namen, die zu den gefährlichsten für einen Christen gehören: “Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind. Das Leben eines Christen in Heiligung, das sich in Gerechtigkeit und Heiligkeit zeigt, legt ihm diese Verpflichtung auf. Mit dem alten Menschen haben die Christen die Lüge abgelegt; sie haben keine Freude mehr am Lügen, sie sind nicht mehr der Herrschaft der Lüge unterworfen. Aber der Geist der Lüge ist ständig bemüht, verlorenes Terrain zurückzugewinnen, und leider kommt es auch bei Christen vor, dass sie von der Schwäche ihres Fleisches überwältigt werden und sich der Lüge und des Betrugs schuldig machen. Daher die Ermahnung: Sprich die Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten. Jeder Christ sollte sich stets bemühen, sich gegenüber allen Menschen, gegenüber Freund und Feind, gegenüber Ungläubigen und Gläubigen, aufrichtig zu verhalten. Dies sollte jedoch insbesondere für das äußere Verhalten der Christen untereinander gelten, da wir alle Glieder voneinander sind. Als Mitglieder des Leibes Christi unter der Führung des Herrn ist diese Gemeinschaft inniger als die jedes physischen Organismus. Nichts kann daher schändlicher sein, als dass Christen einander absichtlich und böswillig belügen. Wenn sie ihrer Berufung treu sein wollen, werden sie in der Wahrheit wandeln, vor allem gegenüber denen, die zum Haushalt des Glaubens gehören.

    Eine zweite Ermahnung betrifft ein Übel, das ebenso weit verbreitet ist: „Seid zornig, aber sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.“ Der Apostel verwendet Ps. 4,4 gemäß der griechischen Übersetzung. Es ist eine Warnung vor der Sünde des Zorns. Da der Schwerpunkt auf dem zweiten Teil des Gebots liegt, lässt sich die Bedeutung am besten durch die Wiedergabe „Wenn du zornig wirst, sündige nicht.“ Der Apostel berücksichtigt die Tatsache, dass selbst Christen, die immer noch mit ihrem alten Adam zu kämpfen haben, von zornigen Gedanken geplagt werden. Es gibt zwei Dinge, die der Christ im Hinterkopf behalten sollte: Erstens, dass er nicht zulässt, dass zornige Wünsche in Worten und Taten zum Ausdruck kommen; und zweitens, dass er keinen Zorn in seinem Herzen hegt. Sollte Ihr Herz von Wut aufgewühlt sein, so meint Paulus damit, dass Sie nicht zulassen sollten, dass das Verlangen verwirklicht wird, dass Sie vor der Sünde des Zorns in Schrecken davonlaufen sollten; und auf jeden Fall sollten Sie nicht zulassen, dass sich der Zorn über Nacht in Ihrem Herzen festsetzt, wie groß die Provokation auch sein mag, damit die Verärgerung nicht zu einem ständigen Gefühl von Groll und Hass wird. Dazu kommt die Warnung: Geben Sie auch dem Teufel keinen Raum. Die Christen sollten immer daran denken, dass sie dem Teufel die Möglichkeit geben, Zwietracht und viele andere Formen von Unheil in der Kirche zu säen, wenn sie sich von Wut beherrschen lassen und diese von ihrem Herzen und ihrem Verstand Besitz ergreift.

    Zur Erläuterung des siebten Gebots schreibt der Apostel: „Der Dieb stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit seinen eigenen Händen das Gute, damit er dem Bedürftigen etwas zu geben hat.“ Hier wird nicht nur Diebstahl verurteilt, sondern jede Form der Aneignung von Geld oder Gütern des Nächsten durch Methoden, die nicht dem Gesetz der Liebe entsprechen, jeder Betrug und jede Profitgier, alle Methoden, die von den gottverlassenen Geschäftsleuten der Welt als schlau angesehen werden. Es besteht immer die Gefahr, dass diese Methoden einen Eindruck auf christliche Geschäftsleute machen und sie dazu veranlassen, die Warnungen des Gewissens zu ignorieren. Aber Paulus ruft dazu auf, alle zwielichtigen Methoden vollständig aufzugeben und ernsthaft an die Arbeit zu gehen. Auf diese Weise kann jeder Mensch einen ehrlichen Lohn für seine Arbeit erhalten. Und er sollte immer daran denken, dass der Gewinn aus dieser Arbeit nicht in egoistischer Gier behalten werden darf, sondern großzügig mit denen geteilt werden sollte, die wirklich in Not sind. Die Armen werden wir immer bei uns haben, und die Wohltätigkeit muss nie aus Mangel an geeigneten Empfängern brachliegen. Vgl. Apg. 20,34.35; 2. Thess. 3,11-13.[15]

 

    Über Sünden gegen die christliche Gemeinschaft (V. 29-32): Der Apostel erwähnt hier erneut, wie in V.25, die Sünden der Zunge: Jede verdorbene Rede, lasst sie nicht aus eurem Mund kommen; sondern was gut ist zur notwendigen Erbauung, das rede, damit es den Hörern Gnade gebe! Christen sollten sich solcher Rede, solcher Äußerungen, solchen Geschwätzes, das wertlos, schlecht, faul, verfault, widerlich ist, nicht schuldig machen. Die Neigung zu dieser Sünde ist auch im Christen vorhanden, wie der Herr in Matth. 15,19 sagt. Aber die Gläubigen dürfen nicht zulassen, dass sich diese Neigung in einer solchen Sprache ausdrückt. Ihr ganzes Reden sollte vielmehr darauf abzielen, dem Nächsten zum Guten zu dienen, zur Erbauung, die auf seine Bedürfnisse ausgerichtet ist. Wenn unser Nächster in Not ist, sollten wir ihm mit Unterweisung, Ermahnung und Trost zu Hilfe kommen, damit er im Glauben und in allem Guten gestärkt und gefördert wird. Auf diese Weise können wir ihm einen Nutzen bringen, ihm eine Freundlichkeit erweisen und ihm einen Segen vermitteln. Andererseits warnt der Apostel: Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung. Mit großer Feierlichkeit nennt er den vollen Namen der dritten Person der Gottheit, denn die Sünde, von der er spricht, ist eine sehr ernste Angelegenheit. Der Heilige Geist wohnt in den Herzen der Gläubigen wie in seinem Tempel, und deshalb sollten die Christen es fürchten, ihm eine Beleidigung zuzufügen und ihn so zu vertreiben. Böses Gerede jeder Art ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, wie ein Hauch, den der Wind wegträgt, sondern es wird vom Heiligen Geist Gottes gehört, der sich über ein solches Verhalten zutiefst betrübt und beleidigt fühlt. Denn im und durch den Geist sind wir versiegelt, gewiss gemacht, unserer Erlösung, und es ist Seine Absicht, dass wir unser Ziel erreichen, die Erlösung unserer Seelen. Wie kann es dann möglich sein, dass wir so undankbar sind, diesem Geist unserer Erlösung Kränkungen oder Leid zuzufügen!

    Der heilige Paulus geht nun der Sache auf den Grund, wenn er schreibt: Alle Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung sollen von euch ferngehalten werden, ebenso jede Bosheit. Es ist dieser Zustand des Herzens, der das übler und törichter Reden hervorbringt: Bitterkeit, Groll, Härte, wenn eine Person immer mit einem Groll auf der Schulter herumläuft und bereit ist, bei der geringsten Provokation auszubrechen; Zorn, der plötzliche Wutausbruch, sowie Wut, das stetige, anhaltende Gefühl des Unmuts gegenüber dem Nächsten, das Rachepläne hegt; Gotteslästerung, Schimpfen, Verwünschungen. All diese Dinge sollten aus dem Herzen des Christen entfernt werden, zusammen mit aller Bosheit, aller Schlechtigkeit und allem bösen Willen im Allgemeinen. Paulus nennt nicht den Höhepunkt der Sünde, deren erste Schritte er beschreibt, er spricht nicht von tatsächlichen Schlägen; denn er schreibt an Christen, die ihre Stellung als Kinder Gottes sicherlich nicht so sehr vergessen werden, dass sie absichtlich Handgreiflichkeiten nachgeben. Sie werden es vielmehr, wie Paulus schreibt, zur Gewohnheit machen, freundlich zueinander zu sein, sich jederzeit wohlwollend zu zeigen; auch weichherzig, voller Mitgefühl und herzlicher Anteilnahme; einander vergeben, nicht widerwillig oder zögerlich, sondern gnädig und bereitwillig, wobei jeder mit seinem Nächsten umgeht wie mit sich selbst. Und all dies mit der großen Liebe Gottes und dem unaussprechlichen Opfer Christi vor Augen: wie auch Gott in Christus euch gnädig vergeben hat. Gottes Gnade und Barmherzigkeit wurden in Christus offenbart, haben sich in Christus bewährt, der durch seinen Tod die Versöhnung der Welt vollbracht hat. So wie Gott uns in Christus eine so unermessliche Liebe erwiesen hat, so sollten wir unseren Nächsten lieben; die unvergleichliche Liebe Christi zu uns sollte das Motiv und die Kraft unserer Liebe sein.

 

Zusammenfassung: Der Apostel ermahnt die Christen, die Einheit des Geistes in Frieden zu bewahren, einander mit den von Gott erhaltenen Gaben zu dienen und so zum Wachstum der Kirche beizutragen, wobei er sich besonders auf die Gaben des geistlichen Amtes bezieht; er warnt sie davor, sich den Lastern der Heiden hinzugeben; er ermahnt sie, den alten Adam abzulegen und den neuen Menschen mit allen christlichen Tugenden anzuziehen, alles zur Förderung der christlichen Gemeinschaft.

 

 

Kapitel 5

 

Eine Warnung, vor allem gegen die Sünden der Unreinheit (5,1-21)

    1 Seid also nun Gottes Nachahmer als die lieben Kinder! 2 Und wandelt in der Liebe, gleichwie Christus uns hat geliebt und sich selbst dargegeben für uns zur Gabe und Opfer, Gott zu einem süßen Geruch.

    3 Hurerei aber und alle Unreinigkeit oder Geiz lasst nicht von euch gesagt werden, wie den Heiligen zusteht, 4 und Unsittliches und törichtes Geschwätz oder leichtfertige Witze, welche euch nicht ziemen, sondern vielmehr Danksagung. 5 Denn das sollt ihr wissen, dass kein Hurer oder Unreiner oder Habsüchtiger (welcher ist ein Götzendiener) Erbe hat an dem Reich Christi und Gottes.

    6 Lasst euch von niemand verführen mit nichtigen Worten! Denn um dieser willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens. 7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen! 8 Denn ihr wart einst Finsternis; nun aber seid ihr ein Licht in, dem HERRN. 9 Wandelt wie die Kinder des Lichts! Die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit. 10 Und prüft, was da sei wohlgefällig dem HERRN. 11 Und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; straft sie aber vielmehr. 12 Denn was heimlich von ihnen geschieht, das ist auch schändlich zu sagen. 13 Das alles aber wird offenbar, wenn es vom Licht gestraft wird. Denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. 14 Darum spricht er: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.

    15 So seht nun zu, wie ihr vorsichtig wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen. 16 Und schickt euch in die Zeit; denn es ist böse Zeit. 17 Darum werdet nicht unverständig, sondern verständig, was da sei des HERRN Wille. 18 Und sauft euch nicht voll Weins, daraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern werdet voll Geistes 19 und redet untereinander in Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern; singt und spielt dem HERRN in euren Herzen. 20 Und sagt Dank allezeit für alles Gott und dem Vater in dem Namen unsers HERRN Jesus Christus.

    21 Und seid untereinander untertan in der Furcht Gottes.

 

    Die Nachfolge Gottes schließt Unreinheit aus (V. 1-5): Die ersten Verse dieses Kapitels schließen den Gedanken am Ende des vorherigen Kapitels wirklich ab. Paulus hatte die Christen ermahnt, vergeben zu können, in Erinnerung an die Barmherzigkeit, die ihnen in Christus Jesus erwiesen worden war. Hier fügt er hinzu: „Werdet also Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder, und wandelt in Liebe, so wie Christus euch auch geliebt und sich selbst für uns als Opfergabe und Opfer für Gott als Wohlgeruch hingegeben hat.“ Die Christen sind durch Christus Kinder Gottes und als solche Objekte der Liebe Gottes. Wo jedoch die richtige Beziehung zwischen einem Vater und seinen Kindern besteht, werden die Kinder ihren Vater sowohl unbewusst als auch bewusst nachahmen; sie werden ihr Leben nach seinem ausrichten. Und so haben die Christen ihren himmlischen Vater als Vorbild und Beispiel für Liebe. Gottes Liebe zu uns unwürdigen Geschöpfen verpflichtet uns, in unserem Leben eine ähnliche Liebe zu zeigen. Wie Luther es ausdrückt: „Das gesamte äußere Leben der Christen sollte nichts anderes als Liebe sein.“ Aber so wie Gott ein Beispiel für selbstlose Liebe ist, so ist es auch Christus; er ist zusammen mit dem Vater der große Beweggrund und das Muster unserer Liebe. Seine Liebe zu uns war so groß, dass er sich für uns hingab, an unserer Stelle, zu unserem Nutzen; er wurde ein Opfer, ein Opfer für uns. Indem er sein eigenes Leben und seinen eigenen Leib auf dem Altar des Kreuzes opferte, gelang es ihm, das Wohlgefallen Gottes auf uns zu lenken. Denn sein Opfer war für Gott völlig annehmbar, es stieg zu den Nasenlöchern Gottes auf wie ein süßer Geruch oder ein Duft in Erinnerung an diese Liebe. Der Apostel möchte, dass die Christen einander Liebe entgegenbringen; die Liebe Christi soll für jeden Jünger sowohl Vorbild als auch Ansporn sein.

    Mit der Liebe, die im Leben der Christen gezeigt wird, sollte er Heiligkeit und Reinheit verbinden: Unzucht und jede Art von Unreinheit oder Habsucht sollen bei euch nicht einmal erwähnt werden, wie es sich für Heilige gehört, auch keine Schamlosigkeit oder törichte Reden oder Scherze, die sich nicht gehören, sondern vielmehr Danksagung. Die Sünden, die der Apostel hier aufzählt, sind solche, die unter den Heiden weit verbreitet waren und daher dazu neigen, das empfindliche Gewissen zu trüben, allein schon durch die Tatsache, dass sie so häufig vorkommen. Es gab Unzucht, das Ausleben verbotenen Geschlechtsverkehrs, Unreinheit, Obszönität, Gemeinheiten jeder Art, alle Formen der Unmoral, denen die Heiden mit einer Selbstverständlichkeit frönten, die den Anschein erweckte, als sei es Brauch. Es gab die Sünde der Gier, des Geizes, der Habsucht, bei der alle Gedanken des Herzens eines Menschen auf den Erwerb von eitlen Besitztümern, von schmutzigem Geld gerichtet sind. Diese Laster sind so völlig unvereinbar mit dem Charakter der Anhänger Gottes und Nachahmer Christi, dass kein Christ in irgendeiner Weise mit ihnen in Verbindung gebracht werden sollte, nicht einer von ihnen sollte ihm auch nur die geringste Gerechtigkeit vorgeworfen werden. So ernsthaft sollten Gläubige ihre Ehre und ihren Ruf in dieser Hinsicht schützen, dass jegliches böse Gerede mangels Nahrung erstirbt. So rein sollten christliche Gemeinden in dieser Hinsicht sein, dass nicht einmal ein Gerücht es wagen wird, sich zu erheben; das ist für Heilige angemessen, für diejenigen, die dem Herrn ihr ganzes Leben geweiht haben. Aber selbst die Sünden der Unreinheit in ihren feineren Formen, bei denen der Fehler nicht so offensichtlich und eklatant ist, sind für eine christliche Gemeinde nicht angemessen und sollten niemals in der Mitte der Versammlung der Gläubigen zu finden sein. Es gibt Unreinheit, unanständiges, beschämendes Verhalten im Allgemeinen; es gibt fades, albernes Gerede, lockere Reden, die sich gerade noch an der Grenze zum völlig Unanständigen und Unzüchtigen bewegen; es gibt Scherze, Frivolität, Skurrilität, Witzeleien, die eher durch breite Andeutungen als durch Treffsicherheit gekennzeichnet sind. Stattdessen sollten die Christen dankbar sein. Als geliebte Kinder des himmlischen Vaters sollten sie so sehr damit beschäftigt sein, die Güte und Barmherzigkeit Gottes zu preisen, dass ihnen für solch unreine Formen des Zeitvertreibs absolut keine Zeit bleibt.

    Damit die Christen aber den Ernst der Lage nicht unterschätzen, fügt der Apostel hinzu: Denn das sollt ihr wissen, dass jeder Ehebrecher und jede Unreine und jeder Habsüchtige, das heißt jeder Götzendiener, kein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Zu den Grundlagen der christlichen Lehre gehört die Erkenntnis, dass Sünder dieser Art, die das sechste und siebte Gebot schamlos verletzen, durch ihre eigene Schuld von den Reichtümern der Gnade Gottes ausgeschlossen sind. Und der Geizige, der Habgierige, der das Geld zu seinem Gott macht, ist übrigens ein Götzendiener, der auch das erste Gebot verletzt. Sie haben keinen Anteil, kein Erbe am Reich der Gnade Gottes, das zugleich das Reich Christi ist: Denn Gott hat seine Auserwählten, seine Kinder, dazu ausersehen, dass sie heilig und untadelig vor ihm seien in Liebe. Hier haben wir also einen direkten Hinweis auf die endgültige Verdammnis aller Ehebrecher, aller unreinen Personen, aller habgierigen Menschen, wenn sie bis zu ihrem Ende in diesen Sünden verharren. Beachten Sie, dass Christus auch in dieser Passage auf eine absolute Ebene mit Gott dem Vater gestellt wird; die wahre, ewige Gottheit gehört Ihm.

 

    Die Kinder des Lichts meiden die Werke der Finsternis (V. 6-14): Die Christen in Ephesus waren, wie die Christen in jeder Stadt seither, in der Minderheit, nur wenige inmitten vieler Heiden. Nicht nur hatten sie die Heiden als ständiges Vorbild vor Augen, sondern sie waren auch ständig Versuchungen ausgesetzt. Die Sünden, die der Apostel zum Beispiel gerade als verabscheuungswürdige Laster erwähnt hatte, betrachteten sie als unschuldige Freuden und Zeitvertreibe, denen sich jeder eine Zeit lang hingeben konnte, um seinen wilden Trieben freien Lauf zu lassen. Aber der Apostel warnt die Epheser, wie er auch die Christen von heute warnt: Lasst euch von niemandem verführen, verführen, mit leeren Worten, mit leerem, törichtem Gerede. Die Menschen, die sich solchen Gesprächen hingeben, sind hauptsächlich solche, die mit der christlichen Religion in Berührung gekommen sind, sich aber nicht überzeugen ließen. Ihre sanften Worte sind gefährliche Argumente, und die Christen dürfen ihnen nicht zuhören; denn wegen dieser Sünden, wie der Apostel noch einmal nachdrücklich sagt, kommt der Zorn Gottes auf die Kinder des Unglaubens herab. Das ist nicht nur der Zorn des Jüngsten Gerichts, sondern der Strafbefehl, der die Sünder schon in dieser Welt trifft. Ungehorsame Söhne werden die vorsätzlichen Sünder genannt, denn Ungehorsam ist ihr Tätigkeitsbereich, sie praktizieren ihn unablässig und fordern so die zeitlichen Strafen und die ewige Verdammnis heraus, die über sie kommen. Der Apostel hält sozusagen einen warnenden Finger hoch: Werdet also nicht Teilhaber mit ihnen; lasst nicht zu, dass ihr in Verhaltensweisen zurückfallt, die ihr durch die Gnade Gottes aufgegeben habt. Denn diese Laster sind nicht nur der oben beschriebenen Strafe unterworfen, sondern sie berauben auch der Gnade Gottes, die in der Wiedergeburt gegeben wird. Wenn die Christen Teilhaber der Sünden der Ungläubigen werden, werden sie auch Teilhaber ihrer Verdammnis. Da die Christen sich inmitten von Ungläubigen befinden und mit ihnen Geschäfte machen, müssen sie doppelt vorsichtig sein, damit sie nicht in die vorherrschende Unmoral und die Geschäftspraktiken der Geschäftemacher hineingezogen werden.

    Der Apostel bringt ein starkes Argument vor, um seine Ermahnung zu untermauern: Denn ihr wart früher Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn. Dunkelheit ist der geistige Zustand der Unbekehrten, der Ungläubigen; ihr Bereich war Sünde, Gottlosigkeit, Übertretung des heiligen Gesetzes Gottes. Aber diese Zeit, dieser Zustand, ist im Fall der Epheser völlig vorbei und vorbei. Als Christen waren sie nicht länger Dunkelheit (was mehr bedeutet als nur verdunkelt zu sein), sondern sie waren nun durch die Kraft Gottes so weit erleuchtet, dass sie ein Licht im Herrn waren. Durch ihre Bekehrung oder Wiedergeburt wurden die ehemaligen Heiden nicht nur dem Verderben der Welt entrissen und zur Erkenntnis Jesu Christi, ihres Erlösers, gebracht, sondern sie wurden nicht nur mit dem Licht des Evangeliums erfüllt, sondern sie wurden selbst zu einem Licht im Herrn, Röm. 2,19; 1. Thess. 5,4. Sie konnten nun nicht nur des Lichtes würdig wandeln, sondern sie konnten auch anderen als Licht dienen, andere auf den Weg der Heiligung führen. Und Paulus zählt sogleich einige Tugenden auf, die die Christen in ihrem Wirkungskreis, in ihrem Wandel als Kinder des Lichts zeigen sollten: Denn die Frucht des Lichts besteht in aller Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Der Charakter der Gläubigen als Kinder des Lichts kann sich nur auf diese Weise ausdrücken, sie müssen die Frucht des Lichts in ihrem Leben zeigen. Drei Tugenden werden vom Apostel als der beste Beweis für den Geist des Lichts im Leben eines Menschen genannt: Güte in all ihren Formen, moralische Solidität und Anstand, verbunden mit aktiver Wohltätigkeit; Rechtschaffenheit, moralische Aufrichtigkeit, die dafür sorgt, dass nichts und niemand verletzt wird; Wahrheit, moralische Reinheit, Aufrichtigkeit und Integrität im Gegensatz zu Heuchelei und Falschheit. So wird die christliche Moral als gut, gerecht und wahr beschrieben. Und indem sie dem Licht, das in ihnen ist, Ausdruck verleihen, indem sie als Kinder des Lichts wandeln, sind die Christen so vorsichtig gegenüber der Täuschung des Unglaubens und der Feindschaft gegen Gott, dass ihre Haltung immer lautet: Sie beweisen, was dem Herrn wohlgefällig ist. An alle Dinge, an alle Sitten, an alle Formen, die von der Gesellschaft gebilligt werden, an alles, womit sie im Leben in Berührung kommen, legen die Christen den Maßstab des heiligen Willens Gottes an. Denn oft ist der Unterschied zwischen richtig und falsch nicht sofort offensichtlich, und deshalb ist der spirituelle Mensch sehr vorsichtig beim Urteilen, 1. Kor. 2,15. Das Ziel des Christen in diesem Leben ist es, herauszufinden, was dem Herrn gefällt, und sich dann an Seinen Willen zu halten.

    Wenn die Christen außerdem als Kinder des Lichts wandeln, werden die Worte des Apostels beherzigt: Und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, sondern deckt sie vielmehr auf. Licht, wie es durch den Geist gewirkt wird, bringt Frucht hervor, Frucht, die überall als solche anerkannt werden muss. Aber die Dunkelheit, der unbekehrte Zustand, der Zustand des Unglaubens, kann ebenso wenig echte Frucht hervorbringen wie Unkraut: Die Werke der Finsternis sind unfruchtbar, sie sind zerstörerisch, böse, tot, Hebr. 6,1; 9,14; Kol. 1,21. Die Christen werden daher nichts mit ihnen gemein haben, sie werden sie meiden und ihnen jederzeit aus dem Weg gehen. Und nicht zufrieden mit einer bloßen Haltung der Ablehnung, werden sie ihrerseits das Böse auf aggressive Weise angreifen, sie zurechtweisen und ihre Sündhaftigkeit aufzeigen. „Die Idee ist also, dass diese Christen nicht die Freiheit hatten, mit solchen Sünden leichtfertig umzugehen, sie zu dulden oder darüber zu schweigen, sondern dass sie sich gegen sie aussprechen und sie zurechtweisen mussten, um ihre heidnischen Nachbarn dazu zu bringen, ihre Schändlichkeit zu begreifen und sie zu verlassen.“[16]

    Diese Haltung der Christen wird umso mehr durch die Tatsache gefordert: Was von ihnen heimlich getan wird, ist in der Tat eine Schande, selbst wenn man davon spricht; doch alles, was getadelt wird, wird durch das Licht offenbar, denn alles, was offenbar ist, ist Licht. Die heimlichen Sünden, die von den Kindern der Finsternis begangen werden, sind in der Tat so beschaffen, dass man sie kaum erwähnen kann, ohne rot zu werden; zu der Zeit, als der Apostel lebte, wurden die widernatürlichsten Laster als selbstverständlich angesehen. Dennoch wird es unter Umständen zur Pflicht, sie beim Namen zu nennen, wie wir im Fall des Apostels im ersten Kapitel des Römerbriefs sehen. Die Heimlichkeit der hier erwähnten Laster ist der Grund, warum sie öffentlich getadelt werden müssen; und die Tatsache, dass sie so abscheulich sind, macht es umso wichtiger, sie offen zu tadeln, anstatt sie stillschweigend zu übersehen oder zu dulden. Alle Sünden und Laster der Heiden, der Ungläubigen, sowohl die, die in der Öffentlichkeit begangen werden, als auch die, die im Verborgenen begangen werden, werden offenbar, aufgedeckt, ans Licht gebracht, wenn sie durch das Licht, d. h. durch die Kinder des Lichts, durch die Christen, getadelt werden. Die direkte Zurechtweisung trifft zwar nur die bekannten Sünden, aber das Zeugnis der Wahrheit im Munde der Christen dringt auch in die verborgenen Tiefen des menschlichen Herzens ein und überführt die Sünder von geheimen Sünden und Lastern. Zur Unterstützung dieses Kurses verweist Paulus auf ein Axiom: Alles, was offenbar wird, ist Licht. Dinge, die verborgen und geheim waren, werden durch das Hineinbringen ins Licht erhellt. Und so gelangt ein Mensch, der sich seines Elends und seiner Schuld bewusst wird, an den Punkt, dass er sich durch den gnädigen Einfluss Gottes von der Sünde abwendet, die Barmherzigkeit des Erlösers kennenlernt und dann sein Leben nach Gottes Willen führt und ein Licht im Herrn wird. Leider wird dies nicht immer das Ergebnis des Zeugnisses eines Christen gegen die Sünde sein, da viele verhärtete Sünder sich weigern, die Warnung des Gesetzes zu beachten; aber es wird immer einige geben, die durch das Wort vom Geist Gottes erleuchtet werden, und diese Tatsache sollte den Gläubigen als Ansporn dienen, die Sünde zu tadeln und zu versuchen, das Wissen über die Sünde zu fördern, wann immer sich eine Gelegenheit bietet.

    Der Apostel beschließt diesen Abschnitt mit einem Verweis auf einen bekannten Vers: Darum heißt es: „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“ Dieses Zitat stammt nicht aus der Heiligen Schrift, sondern könnte ein Vers sein, der aus der Synagoge oder der christlichen Liturgie zu des Paulus Zeiten stammt, oder Paulus hat einen üblichen Gruß zum jüdischen Neujahr auf die Situation angewandt.[17] Auf Gottes Ruf hin sollte der Christ seine Augen öffnen und seinerseits seinen ungläubigen, gottlosen Nächsten zurufen: Mit deinen Sünden liegst du in geistigem Schlaf, Tod und Zerstörung. Darum erhebe dich aus dem Schlaf, erhebe dich von den Toten; bereue, bekenne dich! Wenn dieser Ruf das Wissen um die Sünde bewirkt, dann wird Christus das Wissen um die Erlösung geben. Christus wird hier als ein schönes, leuchtendes, blitzendes Licht dargestellt. Der Sünder, der aus dem Schlaf der Sünde und des Todes erwacht ist, wird von Christus, der Sonne der Erlösung, umgeben und überflutet und wird so in dieser Erleuchtung gesegnet und glücklich. Das Zitat, das Paulus hier verwendet, ist daher sehr relevant, um sowohl die Notwendigkeit der Zurechtweisung als auch die guten Auswirkungen einer solchen Zurechtweisung durch die Gnade Gottes aufzuzeigen.

 

    Was die Korrektheit des christlichen Lebens erfordert (V. 15-21): Der Apostel ermahnt die Christen weiterhin, als Kinder des Lichts zu wandeln, da ein solches Verhalten ihrerseits immer dazu dient, die Ungläubigen zu beeindrucken: Seht also zu, wie ihr sorgfältig wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise. Christen sollten alle Sorgfalt walten lassen und ihr ganzes Leben mit großer Sorgfalt überwachen. Jeder Schritt auf ihrem Lebensweg muss mit Bedacht und Sorgfalt getan werden, damit sie nicht, indem sie sich weise im Sinne der Heiligen Schrift zeigen und die richtigen Mittel für die richtigen Zwecke einsetzen, die von der Situation geforderte Vorsicht vergessen und somit unklug werden. Aus diesem Grund sollten sie auch ihre Zeit richtig nutzen, buchstäblich jede Gelegenheit ausnutzen, denn die Tage sind schlecht. Es mag manchmal den Gläubigen etwas an Selbstverleugnung kosten, mit Ungläubigen über Gott und Christus zu sprechen, ihre bösen Wege zu tadeln und ihnen den einen Weg der Erlösung zu zeigen, zumal die Tage böse sind und daher für solche Werke der Liebe nicht angemessen erscheinen. Der allgemeine Widerstand der Welt gegen das Evangelium Christi ist ein hinderlicher Faktor. Günstigen Momente sind selten und sollten sofort ergriffen werden. Aus diesem Grund sollten auch die Christen nicht töricht werden, ohne Verständnis. Sie sind weise in der Erkenntnis des Willens Gottes und sollten daher alles meiden, was dazu neigt, ihnen das Verständnis zu nehmen, das sie besitzen. Sie sollten urteilsfähig sein; sie sollten lernen, sehr sorgfältig zu unterscheiden, mit christlicher Eifersucht genau zu markieren, was zu dieser Zeit, an diesem Ort, unter den gegenwärtigen Bedingungen der Wille des Herrn ist. Dies gilt sowohl allgemein für das gesamte Leben der Christen als auch im Besonderen für das Verhalten der Christen gegenüber ihrer Umwelt. Anmerkung: Diese Ermahnung sollte in unserer Zeit mit weitaus größerer Sorgfalt befolgt werden, da Menschen, die behaupten, gläubig zu sein, sich den Gepflogenheiten der Welt anpassen, anstatt die vom Herrn geforderte strenge Grenze einzuhalten. Der Wille des Herrn muss in jeder Situation entscheiden, nicht Fragen der Zweckmäßigkeit.

    Damit Christen die für ihre Berufung in dieser Welt notwendige geistige Gelassenheit bewahren können, ist natürlich Folgendes notwendig: Und berauscht euch nicht mit Wein, worin ein Übermaß liegt, sondern seid erfüllt vom Geist. Menschen, die dem Wein verfallen sind, die einem Übermaß an starkem Getränk ergeben sind, können kein gesundes Urteilsvermögen anwenden; denn Unmäßigkeit führt zu Zügellosigkeit, zu einem verwahrlosten, ausschweifenden Leben, zu einem Zustand, in dem der ruhige Gebrauch der erleuchteten Vernunft nicht in Frage kommt. Gläubige werden sich vielmehr stets bemühen, vom Geist Gottes erfüllt zu sein, in dessen Kraft sie imstande sind, im Licht zu wandeln, die Werke der Finsternis zu meiden und in allen Dingen nach dem Willen Gottes zu fragen. Die Inspiration und Erleuchtung des Geistes sollte das gesamte Leben des Christen bestimmen.

    Als hervorragende Hilfe, um diesen Zustand zu erreichen und in ihm zu verweilen, erwähnt Paulus: Sprecht miteinander in Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen. In den Psalmen des Alten Testaments, wie sie in den Gottesdiensten der Christen von Anfang an verwendet wurden, in den Hymnen oder Chorälen, die für den Gebrauch in öffentlichen Gottesdiensten bestimmt waren, in geistlichen Liedern von allgemeinerem Ton und Charakter, aber ganz verschieden von den weltlichen Texten und Oden, sollten die Christen einander erbauen. Wäre diese Ermahnung von den Christen unserer Tage doch nur mehr beachtet, damit die große Masse unglaublich fader und unsagbar alberner Ragtime- und Jazzstücke verschwinden und in allen christlichen Häusern fehlen würde! Denn wahre Jünger Jesu sollten einander auch durch die Lieder, die sie singen, erbauen und lehren, nicht nur im öffentlichen Gottesdienst, sondern auch in ihren Häusern. Sowohl in öffentlichen Lob- und Dankeshymnen als auch im jubelnden Frohlocken des gläubigen Herzens, das ohne Unterbrechung anhält, sollte dem Herrn alle Ehre für seine grenzenlose Barmherzigkeit und Güte gegeben werden. Durch solches Singen, Beten und Bekennen werden Herz und Geist wie auf mächtigen Schwingen der Freude emporgehoben, und das geistige Leben wird erfrischt und gefestigt. Denn es gibt sicherlich Grund genug: Dankt Gott, dem Vater, allezeit für alles im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Die ständige Barmherzigkeit und Güte Gottes macht das Danken zu einer ständigen Pflicht. Es gibt keine Zeit, in der ein Christ keine Gelegenheit hat, Gott, seinem himmlischen Vater, in Jesus Christus, seinem Herrn, mit Herz, Hand und Stimme für seine väterliche Fürsorge zu danken, auch an den Tagen, die dunkel erscheinen. Und wo dieser Dank aus dem gläubigen Herzen kommt, da ist Freude im Geist, Freude im Herrn, Kraft zu jedem guten Werk. Dieses Verhältnis zu Gott wird wiederum das Verhältnis der Christen zueinander bestimmen: Unterwerft euch einander in der Furcht Christi. Die Liebe zu Gott und Christus, die im Herzen der Gläubigen herrscht, findet ihren Ausdruck in einem Leben im Dienst am Nächsten. Die Interessen des anderen werden auf der gleichen Ebene wie die eigenen betrachtet, wobei ein Gläubiger bestrebt ist, dem anderen Ehre zu erweisen, und das alles aus Ehrfurcht vor Christus, der nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen. Vgl. Röm. 12,10; Gal. 5,13.

 

Die Pflichten von Ehemännern und Ehefrauen, wie sie gezeigt werden an der Beziehung Christi zur Kirche (5,22-33)

    22 Die Frauen seien untertan ihren Männern gleich wie dem HERRN. 23 Denn der Mann ist das Haupt der Frau, gleichwie auch Christus das Haupt ist der Gemeinde, und er ist seines Leibes Heiland. 24 Aber wie nun die Gemeinde ist Christus untertan, so auch die Frauen ihren Männern in allen Dingen. 25 Ihr Männer, liebt eure Frauen, gleichwie Christus auch geliebt hat die Gemeinde und hat sich selbst für sie gegeben, 26 damit er sie heiligte, und hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, 27 damit er sie sich selbst darstellte als eine Gemeinde, die herrlich sei, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder des etwas, sondern dass sie heilig sei und unsträflich.

    28 So sollen auch die Männer ihre Frauen lieben wie ihre eigenen Leiber. Wer seine Frau liebt, der liebt sich selbst. 29 Denn niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt es und pflegt es, gleichwie auch der HERR die Gemeinde. 30 Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinem Gebein. 31 Um deswillen wird ein Mensch verlassen Vater und Mutter und seiner Frau anhangen, und werden zwei ein Fleisch sein. 32 Das Geheimnis ist groß; ich sage aber von Christus und der Gemeinde. 33 Doch auch ihr, ja ein jeglicher habe lieb seine Frau wie sich selbst; die Frau aber erweise dem Mann EhrfurchtB.

 

    Die Ermahnung und ihre Grundlage (V. 22-27): Über diesen gesamten Abschnitt wurde gesagt, dass er „das christliche Ideal der ehelichen Beziehung vermittelt. Es ist die erhabenste Vorstellung von dieser Beziehung, die jemals aus menschlicher Feder stammt, und eine, die nicht höher gedacht werden kann.“ Der Apostel erweitert den Gedanken der letzten Ermahnung und schreibt: „Ihr Frauen, ordnet euch euren eigenen Männern unter wie dem Herrn. Christliche Ehefrauen unterwerfen sich ihren eigenen Ehemännern, den Männern, mit denen sie die Beziehung der heiligen Ehe eingegangen sind. Dies tun sie nicht unwillig, wie im Gehorsam einer erzwungenen Unterwerfung, sondern aufgrund ihrer freiwilligen Zustimmung zum Zeitpunkt der HochzeitC; denn sie sind dem Ehemann nicht als ihrem Herrn und Meister unterworfen, sondern „wie dem Herrn“, das heißt wie Christus. So wie christliche Frauen aufgrund ihres Glaubens Christus untergeordnet sind, so ist der Gehorsam, den sie ihren Ehemännern erweisen, ein Gehorsam, der Christus erwiesen wird, wobei der christliche Ehemann das Haupt der Ehefrau ist und ihr Christus, das Haupt der gesamten christlichen Kirche, vorbildhaft darstellt: Denn der Ehemann ist das Haupt der Ehefrau, so wie auch Christus das Haupt der Kirche ist, da er selbst der Erlöser des Leibes ist. Im Falle Christi geht es sowohl um Überlegenheit als auch um das Hauptsein, denn er ist sowohl Gott als auch der Erlöser des Leibes; Seine Kirche, die Christen, haben ihn durch den Glauben angenommen und sind einzeln und gemeinsam zu Gliedern seines Leibes geworden, zur Gemeinschaft der Heiligen, vereint in einem großen Organismus. Im Falle des Ehemanns können nicht alle Vergleichspunkte hervorgehoben werden. Es geht vielleicht nicht um Überlegenheit, aber es geht immer ganz eindeutig um das Hauptsein. Es ist Gottes Wille, dass der Ehemann das Haupt der Ehefrau ist; die Bestimmung, die zur Zeit der Schöpfung getroffen wurde, wird somit für die Zeit des Neuen Testaments bestätigt.

    Wie weit diese Beziehung in dem hier gegebenen Sinne reichen wird, wird vom Apostel erklärt: Wie nun die Gemeinde Christus untertan ist, so seien es auch die Frauen ihren Männern in allem. Der Apostel macht keine Zugeständnisse an die moderne Überemanzipation, noch gibt er dem Ehemann unbegrenzten Spielraum. Der Apostel meint Folgendes: Die Tatsache, dass Christus der Retter der Kirche ist, ändert nichts an der Tatsache, dass er auch das Haupt der Kirche ist; nun ist der Ehemann zwar nicht der Retter des Leibes, aber die Frage des Gehorsams für alles andere ist davon nicht betroffen; so wie die Kirche Christus unterworfen ist, so sind auch die Ehefrauen ihren Ehemännern unterworfen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies in allen Dingen gilt, sodass der Frau nicht die Erlaubnis erteilt wird, willkürliche Ausnahmen zu machen. Es versteht sich jedoch von selbst, dass die Führungsposition des Mannes nur auf die Angelegenheiten dieses Lebens beschränkt ist. Soweit es den Bereich des Christentums betrifft, gibt es weder Mann noch Frau, denn ihr seid alle eins in Christus Jesus, Gal. 3,28.

    Von Seiten der Frauen geht es um freiwillige Unterordnung in einer Beziehung zu ihren Ehemännern, die mit der der Kirche zu Christus verglichen wird. Da sie Miterben der Hoffnung auf Erlösung sind, könnten sie geneigt sein, Gleichheit in der ehelichen Beziehung und im Leben zu fordern: Als Antwort auf solche Gedanken wurde die Vorrangstellung der Ehemänner betont. Von Seiten der Männer bestand die Gefahr darin, eine überhebliche Herrschaft anzunehmen und sich dazu berechtigt zu fühlen, Härte walten zu lassen. Ihnen hält Paulus entgegen: Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat. Der Apostel will, dass die Ehemänner ihre Liebe zu ihren Frauen jederzeit in ihren Handlungen zeigen; es sollte eine aktive, bereitwillige Liebe sein. Der Apostel führt keinen Grund für diese Liebe an, da ihre Anwesenheit auf der Grundlage der Schöpfungsordnung vorausgesetzt wird, aber er bietet das höchste Beispiel und den denkbar besten Vergleich. Der Hauptbeweis für die Liebe Christi zur Gemeinde bestand darin, dass er sich selbst opferte, dass er sein eigenes Leben für die Kirche opferte, im Interesse der Kirche, zur Sühne der Sünden. Die Erlösung wurde für die ganze Welt verdient, aber nur im Falle der Gläubigen wird sie tatsächlich verwirklicht; und so wird das stellvertretende Werk Christi, der höchste Beweis seiner Liebe, hier als im Interesse der Kirche stattgefunden dargestellt. Und das Ergebnis dieses Werkes, wie es tatsächlich im Leben der Gläubigen erscheint, ist: Damit er sie heilige, indem er sie durch die Waschung des Wassers im Wort reinigt. Der Apostel spricht hier nicht nur von der Rechtfertigung, er bezieht sich nicht nur auf die Gerechtigkeit und Vollkommenheit, die jedem Gläubigen zum Zeitpunkt seiner Bekehrung zugeschrieben wurde, sondern er spricht von der Heiligung, die in der Kirche vor sich geht, die in den Gläubigen bei ihrer Taufe begonnen hat und am letzten Tag vollendet werden soll. Christus hat seine Kirche geweiht, sie für sich selbst ausgesondert. Und dies tat er, indem er jedes Mitglied der Kirche durch die wundersame Waschung mit Wasser, durch das Sakrament der Heiligen Taufe, reinigte. Denn dieses Wasser ist nicht einfach nur Wasser, wie Luther sehr richtig schreibt, sondern das Wasser, das in Gottes Gebot enthalten ist und mit Gottes Wort verbunden ist. Das Wasser der Taufe reinigt von der Verderbnis der Erbsünde, es hat die Kraft, das Herz und den Verstand, die Natur des Menschen, zu regenerieren und zu erneuern. Vgl. Röm. 6,3; Kol. 2,12; Tit. 3,5.

    Das Endziel der Heiligung durch Christus wird im zweiten Nebensatz genannt: Damit er selbst die Gemeinde vor sich stelle als eine Gemeinde, die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern die heilig und tadellos sei. Christus, der als Bräutigam die Braut mit seinem Blut erkauft und alle Gläubigen, die Glieder der Kirche, durch das Wasser der Taufe gereinigt hat, stellt nun seine Braut dar oder präsentiert sie. Die Heiligung dieser gegenwärtigen Zeit wird ihren Höhepunkt in der endgültigen Verherrlichung erreichen, wenn das Reich der Gnade zum Reich der Herrlichkeit wird, wenn die streitende Kirche zur triumphierenden Kirche wird. „Christus präsentiert die Kirche vor sich selbst, er und kein anderer, vor sich selbst. Er tut es. Er hat sich dafür hingegeben. Er heiligt sie. Er stellt die mit seinem Blut erkaufte Braut vor das versammelte Universum an seine Seite. Er präsentiert sie sich selbst als eine herrliche Kirche. Das ist herrlich, was Bewunderung erregt. Die Kirche soll für alle intelligenten Wesen ein Objekt der Bewunderung sein, weil sie frei von allen Mängeln und absolut vollkommen ist. Sie soll der verherrlichten Menschheit des Sohnes Gottes angepasst werden, in dessen Gegenwart die Jünger auf dem Berg wie Tote wurden und vor dessen klarer Erscheinung, wenn Christus zum zweiten Mal kommt, Himmel und Erde fliehen werden. Gott hat sein Volk dazu vorherbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu werden. Und wenn er erscheinen wird, werden wir ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist, 1. Johannes 3, 2. Diese Figur wird in der hier gegebenen Beschreibung der Herrlichkeit der vollendeten Kirche beibehalten. Sie soll wie eine makellose Braut sein; vollkommen in ihrer Schönheit und prächtig geschmückt. Sie soll ohne Flecken oder Runzeln oder dergleichen sein, d. h. ohne etwas, das ihre Schönheit trübt, frei von jeglichen Anzeichen des Alters, makellos und unsterblich. Was hier bildlich ausgedrückt wird, wird im letzten Satz des Verses wörtlich ausgedrückt, nämlich dass sie heilig und ohne Tadel sein soll.“ (Hodge.)

 

    Weitere Anwendung des Vergleichs (V. 28-33): Der Apostel kehrt hier zu seinem Vergleich zurück: So sollen auch die Männer ihre eigenen Frauen lieben wie ihre eigenen Körper. Es geht nicht um eine Frage der Wahl, sondern um eine Frage der Verpflichtung, der Pflicht. Es ist wahr, dass bloße Menschen ihre Ehepartner nicht mit dem gleichen Maß an Liebe lieben können, das Christus in seiner Fürsorge für die Kirche gezeigt hat. Aber jeder christliche Ehemann kann und sollte die Liebe Christi für die Kirche immer als Vorbild vor Augen haben; er sollte bereit sein, für seine Frau Opfer zu bringen; er sollte immer bereit sein, seine Frau als das schwächere Gefäß in allen guten Dingen zu stärken. Aber Paulus erklärt hier ausdrücklich, dass Männer die Pflicht haben, ihre Frauen zu lieben, weil die Frau eines Mannes kraft der ehelichen Beziehung sein Fleisch ist. Es ist also eine selbstverständliche Pflicht, die Paulus zu vermitteln versucht: Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Daraus folgt: Niemand hasst sein eigenes Fleisch, sondern jeder nährt und pflegt es, so wie Christus auch die Kirche. Paulus impliziert, dass es sicherlich nicht nötig ist, einen Mann an die Pflicht zu erinnern, die er seinem eigenen Fleisch und Blut, seinem eigenen Körper, schuldet. Er kümmert sich bestens um ihn, er bedeckt und schützt ihn. So wird sich der christliche Ehemann gegenüber seiner Frau verhalten, indem er für ihre Bedürfnisse sorgt, sowohl was Nahrung und Unterkunft als auch was körperliche und moralische Bedürfnisse betrifft. Und auch hier führt der Apostel das Beispiel Christi an, dessen nährende und schützende Liebe zu den Gläubigen in der Heiligen Schrift und in der persönlichen Erfahrung so reichlich belegt ist. Zur Erklärung fügt Paulus hier hinzu: Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinem Gebein. Wir Christen verdanken unsere Existenz, insbesondere in geistlichen Angelegenheiten, Christus; durch und durch unsere Bekehrung wurden wir seine Glieder, wir haben seinen Geist, sein Leben in uns, wir sind mit ihm durch die innigsten Bande der Gemeinschaft verbunden. Wie die Ehefrau in der Ehe mit ihrem Ehemann zu einem Fleisch wird, so sind wir, die Mitglieder der Kirche, die Braut Christi, mit unserem Bräutigam vereint und beziehen von ihm jederzeit unser geistliches Leben und unsere Kraft.

    Zurück zu Vers 28: Paulus bezieht sich auf die Ordnung Gottes bei der Erschaffung des Standes der heiligen Ehe: „Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und die zwei werden ein Fleisch sein.“ Vgl. 1. Mose 2,24; Matth. 19,5. Hier wird die Tatsache, dass die Frau mit ihrem Ehemann ein Fleisch ist, durch einen biblischen Beweis gestützt. Das ist der Plan, das Konzept Gottes. Mit dem Eingehen der Ehe werden frühere Beziehungen und Überlegungen geändert und dieser neuen Beziehung zwischen Ehemann und Ehefrau untergeordnet. Die Ehefrau ist danach der eigene Körper des Mannes, und auf ihn fällt die Pflicht, die der Apostel auf so überzeugende Weise dargelegt hat.

    Der Apostel ist nun bereit, aus der Diskussion eine doppelte Schlussfolgerung zu ziehen. Was das von ihm angeführte Beispiel von Christus und der Kirche betrifft, schreibt er: Dieses Geheimnis ist groß; ich spreche jedoch in Bezug auf Christus und die Kirche. Dass die Ehe hier nicht als Sakrament bezeichnet wird, wie es die römische Kirche lehrt, geht aus den Worten des Paulus selbst hervor, der erklärt, dass er von Christus und der Kirche spricht und nicht vom Stand der heiligen Ehe. Aber das ist ein Geheimnis, ein Geheimnis des Glaubens, dass Paulus die Beziehung zwischen Christus und der Kirche als eine Art Vorbild für die Beziehung verwendet, wie sie in der heiligen Ehe bestehen sollte, wie er es in den vorangegangenen Versen dargelegt hat. Niemand außer einem inspirierten Schriftsteller hätte den Vergleich auf diese Weise anstellen und dem Vergleich solch feierliche Ermahnungen hinzufügen können. Aber Paulus hat nun genug davon gesagt, und so schließt er: Dennoch (um nicht mehr von dieser höheren Vereinigung zu sagen), seht zu, dass ihr, jeder von euch für sich selbst, seine eigene Frau so liebt wie sich selbst; die Frau wiederum soll den Mann verehren. Hier gibt es kein Ausweichen und keine Entschuldigungen sind akzeptabel. Jeder Ehemann ist ausdrücklich verpflichtet, seine Frau zu lieben, egal ob er auf Schwierigkeiten wie ein aufbrausendes Temperament oder andere Unannehmlichkeiten stößt. Und was die Frau betrifft, so verlangt ihre Stellung von ihr, dass sie dem Ehemann in ehrfürchtiger Furcht gehorcht, die ihrerseits auch aus Liebe entsteht und bereit ist, menschliche Schwächen zu übersehen. Es ist gegenseitige Liebe, gegenseitiges Verständnis, das alle Probleme des Ehelebens lösen wird, wenn sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau von der Furcht des Herrn angetrieben und regiert werden.

 

Zusammenfassung: Der Apostel warnt die Epheser davor, sich von den unreinen Begierden der Heiden leiten zu lassen, da ihre Berufung sie dazu verpflichtet, als Kinder des Lichts mit aller Umsicht zu leben. Er ermahnt sowohl Ehemänner als auch Ehefrauen, ihren Pflichten gegenüber dem anderen nachzukommen, indem er ihnen die Liebe Christi zur Kirche, seiner Braut, vor Augen führt.

 

 

Kapitel 6

 

Die Pflichten der Kinder, Eltern und Knechte [Arbeitnehmer] (6,1-9)

    1 Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in dem HERRN; denn das ist recht. 2 Ehre Vater und Mutter; das ist das erste Gebot, das Verheißung hat: 3 Damit dir’s wohl gehe, und du lange lebst auf Erden. 4 Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern zieht sie auf in der Zucht und Ermahnung zu dem HERRN.

    5 Ihr Knechte, seid gehorsam euren leiblichen Herren mit Furcht und Zittern, in Einfältigkeit eures Herzens, wie Christus; 6 nicht mit Dienst allein vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern als die Knechte Christi, dass ihr solchen Willen Gottes tut von Herzen, 7 mit gutem Willen, als dientet ihr dem HERRN und nicht den Menschen; 8 weil ihr wisst, was ein jeglicher Gutes tun wird, das wird er von dem HERRN empfangen, er sei ein Knecht oder ein Freier. 9 Und ihr Herren, tut auch dasselbe gegen sie und lasst das Drohen; und wisst, dass auch euer HERR im Himmel ist, und ist bei ihm kein Ansehen der Person.

 

    Ein Wort an Kinder und Eltern (V. 1-4): Die Beziehung zwischen Ehemann und Ehefrau lässt sich natürlich auf die Beziehung zwischen Eltern und Kindern übertragen. Der heilige Paulus wendet sich zuerst an die Kinder: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern im Herrn, denn das ist recht.“ Der Apostel macht daraus keine Frage der Wahl oder der Veranlagung, sondern der Pflicht: Es ist das Richtige, es steht im Einklang mit dem Gesetz Gottes, mit seiner Ordnung von Anfang an, dass Kinder ihren Eltern Gehorsam erweisen. Es ist auch keine Frage einer gegenseitigen Vereinbarung, sondern ein Zustand, in den die Kinder hineingeboren werden; durch die Tatsache ihrer Geburt unterstellt Gott sie der Unterordnung unter ihre Eltern. Die Pflicht zum Gehorsam seitens der Kinder ist eine Pflicht, von der Gott selbst nicht befreit, außer in Fällen, in denen sein Wille höher ist, Apg. 5,29. Weder der Staat noch die Eltern selbst können von dieser Pflicht entbinden, denn sie sind Gottes Stellvertreter und würden eine schwere Sünde begehen, wenn sie die Ehre ihrer Position nicht wahren würden. Christliche Kinder werden daher ihren Eltern gehorsam sein, nicht nur auf der Grundlage des Naturrechts, sondern im Herrn, um auf diese Weise ihre Beziehung zu Gott zu bezeugen. Zur Untermauerung seiner Position zitiert Paulus das vierte Gebot: „Ehre deinen Vater und deine Mutter“, 2. Mose 20,12; 5. Mose 5,16. Die den Eltern gebührende Ehre umfasst zwei Punkte: dass die Kinder ihre Eltern als ihre Vorgesetzten, als die Vertreter Gottes, anerkennen und anerkennen und dass sie sich aus diesem Grund bereitwillig dem Willen der Eltern unterwerfen. Der Apostel fügt hinzu, um die Bedeutung des Gebots weiter zu betonen: „Welches ist das erste Gebot mit Verheißung, damit es dir wohl ergehe und du lange lebest auf Erden.“ Weil das vierte Gebot ein Gebot ersten Grades ist, weil es zu den wichtigsten und wichtigsten Geboten gehört und weil es mit einer besonderen Verheißung verbunden ist, verlangt es daher unmissverständliche Beachtung und unbedingten Gehorsam. Beachten Sie, dass der Apostel den Teil der Verheißung auslässt, der speziell für das jüdische Volk bestimmt war, wodurch das Gebot für alle Nationen gilt. Wenn Kinder den guten Willen Gottes auf sich ruhen lassen wollen, der sich darin zeigt, dass er ihnen Wohlergehen und ein langes Leben nach seinem gnädigen Willen gewährt, dann sollten sie ein Leben im Gehorsam gegenüber ihren Eltern führen. Anmerkung: Diese Verheißung ist die Verheißung des himmlischen Vaters und wird auch dann erfüllt, wenn Glück und ein langes Leben nicht nach dem Maßstab dieser Welt gewährt werden. Beachten Sie auch, dass das Gebot nachdrücklich an jedes einzelne Kind gerichtet ist, wobei das Wort „ehren“ die Position der größten Betonung einnimmt.

    Die Anweisung an die Eltern ist kurz, aber umfassend: Und ihr Väter, erzürnt eure Kinder nicht, sondern erzieht sie in der Zucht und Ermahnung des Herrn. Obwohl die elterliche Pflicht in Bezug auf die Verpflichtung des Vaters dargelegt wird, wird die Herrschaft und Verantwortung der Mutter, die in die des Ehemanns eingeschlossen ist, ebenso nachdrücklich vorgeschrieben. Eltern sollten vor allem alles vermeiden, was ihre Kinder verbittern, verärgern und verärgern könnte, Ungerechtigkeit, unvernünftige Strenge, sinnloses Sticheln und Necken und dergleichen, was dazu führen könnte, dass die Kinder nicht bereit sind, die Ehre und den Gehorsam zu erweisen, die ihre Pflicht sind. Zumindest teilweise liegt die Schuld in diesem Fall bei den Eltern; selbst christliche Eltern verstoßen häufiger gegen das Gesetz als gegen das Evangelium. Eltern sollten ihre Kinder fördern, sich um ihre gesamte körperliche, geistige, moralische und religiöse Ausbildung kümmern; ihre Disziplin in dieser Erziehung, ihre Ermahnung durch Tadel, Vorhaltungen und Schuldzuweisungen sollte die von Christus sein, eine solche Ausbildung, die von ihm ausgeht und von ihm vorgeschrieben wird. Die gesamte Erziehungsmethode des Herrn ist darauf ausgerichtet, Menschen für sich zu gewinnen, damit sie bereitwillig seiner Führung folgen, und sein Beispiel sollte allen Eltern immer als Ideal vor Augen stehen, nach dem sie streben können. In diesem einen Vers steckt ein ganzes Buch über solide Pädagogik.

 

    Die Pflichten von Dienern und Herren (V. 5-9): Diese Ermahnung beschränkt sich nicht auf Haussklaven und ihre Herren, sondern schließt alle Unterordnungsverhältnisse ein. Aufgrund der damaligen Verhältnisse wendet sich Paulus natürlich besonders an die Knechte in der Knechtschaft: Knechte, gehorcht denen, die nach dem Fleisch eure Herren sind. Gehorsam gegenüber ihren irdischen, leiblichen Herren war die Pflicht der Sklaven. Ob christliche Sklaven einen heidnischen oder christlichen Herrn hatten, ihre Unterwerfung wurde mit gleicher Kraft gefordert, Kol. 3,22-4,1; 1. Petr. 2,18-26. Die Institution der Sklaverei ist nicht an sich falschD, der christliche Abolitionist kann sich also nur auf der Grundlage sozialer und wirtschaftlicher Gründe behaupten. Der Gehorsam der Diener sollte geleistet werden: Mit Furcht und Zittern, in Einfalt des Herzens, wie gegenüber Christus. Er sollte so beschaffen sein, dass er vor der geringsten Pflichtvernachlässigung zurückschreckt; er sollte ausschließlich und ganz auf das eine Ziel ausgerichtet sein, jeden Dienst zufriedenstellend zu verrichten, unabhängig davon, ob eine besondere Belohnung in Aussicht steht oder nicht; er sollte in dem Bewusstsein geleistet werden, dass er letztlich Christus gegenüber erbracht wird. Aufopferungsvoller Eifer, das Fehlen jeglicher Heuchelei und Unaufrichtigkeit und das Gefühl, Christus zu dienen: Diese Faktoren kennzeichnen wahren Dienst.

    Der Apostel erklärt seine Bedeutung ausführlicher: Nicht als Augen-Dienst, als Menschen-Gefälligkeit, sondern als Diener Christi, die den Willen Gottes von Herzen tun. Es mag damals üblich gewesen sein, wie es auch heute noch üblich ist, dass Diener nur danach streben, die Zustimmung ihrer Herren zu erlangen, solange sie unter den Augen der Herren stehen, und dass ihr Gehorsam nur so weit reicht, wie die Augen der Herren reichen. Christliche Diener und Arbeiter hingegen betrachten sich als Diener Christi in ihrer eigenen Stellung, weshalb sie versuchen, den Willen Gottes in der Arbeit zu erfüllen, die sie für ihre Herren verrichten. Sie sind sich voll und ganz bewusst, dass das allwissende Auge Gottes alle verborgenen Dinge sieht, und sie tun daher den Willen Gottes von Herzen, mit aller Aufrichtigkeit und Treue, und dienen mit gutem Willen dem Herrn und nicht den Menschen. Sie betrachten ihre Lebenssituation nicht als eine Last, die nur mit Stöhnen zu ertragen ist, sondern ihre Einstellung zu ihrer Arbeit und zu ihrem Herrn zeigt, dass sie ihrem Herrn bei seinen Unternehmungen alles Gute wünschen und ihm jede erdenkliche Unterstützung zukommen lassen wollen. So bringen sie in ihrem ganzen Leben die Überzeugung ihres Herzens zum Ausdruck, dass sie ihren Dienst, ihre Arbeit, dem Herrn selbst und nicht nur den Menschen erweisen. Diese Einstellung beeinflusst und bestimmt ihre gesamte Lebenseinstellung, macht nachlässige, schlampige Arbeit ihrerseits unmöglich und schließt den Gedanken an Boykotte und Streiks aus, soweit es sie persönlich betrifft. Und schließlich: Da sie wissen, dass jeder, der etwas Gutes tut, dies vom Herrn erhalten wird, ob Sklave oder frei. Christliche Diener und Arbeiter, die derzeit nicht mehr in der Sklaverei leben, sondern alle frei sind, wissen, dass der Herr ihre Arbeit aufzeichnet und dass seine Belohnung mit der Zeit kommen wird. Sie mögen hier auf Erden nicht die Anerkennung erhalten, auf die sie aufgrund ihres treuen Dienstes Anspruch haben, aber der Herr weiß, was jeder Einzelne in Liebe und Gehorsam ihm gegenüber getan hat. Und der Tag wird kommen, an dem sie den Lohn der Gnade aus den Händen ihres himmlischen Vaters empfangen werden; ihnen wird die Arbeit, die sie hier auf Erden geleistet haben, in den Werten der Ewigkeit angerechnet werden.

    Aber auch die Herren sind von der Ermahnung nicht ausgenommen: Und ihr Herren, tut dasselbe ihnen gegenüber, indem ihr auf Drohungen verzichtet, da ihr wisst, dass ihr Herr im Himmel ist und dass er nicht auf die Person sieht. Die Herren sollten dasselbe, denselben guten Willen zeigen, der den Dienern auferlegt wird, denn auch sie haben Pflichten gegenüber ihren Untergebenen; dies ist eine Bedingung für gegenseitiges Geben und Nehmen. Zum einen sollten die Herren nicht versuchen, die Disziplin durch Drohungen aufrechtzuerhalten. Indem Paulus diesen einen Fall von schlechtem Benehmen seitens eines Herrn herausgreift, schließt er jede Form von Härte und alle gewohnheitsmäßigen Einschüchterungen ein. Denn schließlich ist Gott der Herr über die Diener und die menschlichen Herren, und sein Thron steht im Himmel und nicht nur auf Erden. Vor diesem mächtigen Herrn sind alle Menschen gleich, er zeigt niemandem besondere Gunst; er wird die Herren ebenso richten wie die Diener, die Arbeitgeber ebenso wie die Arbeitnehmer. Wenn dieser Abschnitt nur allgemein in der Welt beherzigt würde, gäbe es keine Schwierigkeiten zwischen Arbeit und Kapital, denn alle Fragen, die jetzt die Gemüter der Menschen bewegen, werden hier vollständig beantwortet. Wenn beide Parteien ihre Arbeit als Dienst an Christus und Gott betrachten, werden sie jederzeit Demut und Freundlichkeit walten lassen.

 

Des Christen geistliche Waffenrüstung und ihr Gebrauch (6,10-20)

    10 Zuletzt meine Brüder, seid stark in dem HERRN und in der Macht seiner Stärke! 11 Zieht an den Harnisch Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anläufe des Teufels. 12 Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. 13 Deshalb so ergreift den Harnisch Gottes, damit ihr an dem bösen Tage Widerstand tun und alles wohl ausrichten und das Feld behalten könnt.

    14 So steht nun, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angezogen mit dem Panzer der Gerechtigkeit 15 und an den Beinen gestiefelt, in Bereitschaft, [zu treiben] das Evangelium des Friedens. 16 Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts. 17 Und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.

    18 Und betet stets in allem Anliegen mit Bitten und Flehen im Geist und wacht dazu mit allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen 19 und für mich, damit mir gegeben werde das Wort mit freudigem Auftun meines Mundes, dass ich könne kundmachen das Geheimnis des Evangeliums, 20 welches Bote ich bin in der Kette, damit ich darin freudig handeln könne und reden, wie sich’s gebührt.

 

    Die Feinde (V. 10-13): Diese abschließende Ermahnung im Brief an die Epheser wurde zu Recht als der große Aufruf des Herrn zu den Waffen bezeichnet. Der Apostel fasst hier alles zusammen und konzentriert sich auf alles, was er den Brüdern noch schreiben möchte: Schließlich, was den Rest betrifft, seid gestärkt in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Ganz gleich, was ihnen sonst noch auffällt und ihre Aufmerksamkeit erregt, seine Leser sollten gestärkt werden, sollten die Fähigkeit und die Kraft erhalten, für den Herrn zu kämpfen. Eine solche Stärkung ist nur im Herrn möglich, in der Gemeinschaft mit seiner mächtigen Kraft und Stärke. Es ist natürlich wahr, dass ein wiedergeborener Mensch das neue geistliche Leben in seinem Herzen hat; aber es ist ebenso wahr, dass dieses Leben, wenn es nicht Tag für Tag von Christus erneuert und unterstützt wird, bald verloren geht. Es ist notwendig, dass der Christ in inniger Gemeinschaft mit Christus in seinem Wort und Sakrament bleibt, sonst wird er sich bald den Reihen derer anschließen, die für den großen Kampf, der das Los der Christen ist, nicht qualifiziert sind. Dieses Bewusstsein müssen sich die Christen unablässig einprägen, damit sie sich nicht des Selbstvertrauens des Petrus schuldig machen und ihren Erlöser verleugnen.

    Aber es reicht nicht aus, dass Soldaten all ihre Kraft für den Kampf aufbringen und in ständigem Kontakt mit ihrem General bleiben, sie müssen auch die richtige Rüstung haben: Legt die ganze Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt. Die Christen müssen darauf achten, dass sie mit der Rüstung, mit der vollständigen Rüstung, die von Gott bereitgestellt wird, ausgestattet sind, der vollständigen Kampfausrüstung, die uns allein in die Lage versetzt, den Heerscharen unserer geistigen Feinde zu begegnen. Ein Christ muss von Kopf bis Fuß in die Rüstung Gottes gehüllt sein, um keine einzige Lücke zu bieten, die dem Feind eine Öffnung für einen erfolgreichen Angriff bieten könnte. Aber als Krieger Gottes, die mit seiner vollständigen Rüstung ausgestattet sind, können wir den listigen Angriffen des Teufels standhalten. Der alte böse Feind hat viele und verschiedene Methoden, mit denen er hofft, uns zu überwinden, sowohl mit List als auch mit offener Attacke, mit falscher Lehre und sündigem Leben; es ist unmöglich, von Tag zu Tag vorherzusagen, wo und wie er seinen nächsten Angriff starten wird. Unsere christliche Berufung erfordert ständige, unermüdliche Wachsamkeit.

    Wie notwendig dies ist, zeigt der Apostel in seiner Beschreibung der Masse der Feinde: Denn wir haben nicht gegen Blut und Fleisch zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs. Wir Christen haben es nicht bloß mit Menschen zu tun, die wir mit äußeren, physischen Waffen besiegen könnten. Unser Ringen, unser Kampf Mann gegen Mann, gilt den Mächten des Bösen, die in allen Feinden des Wortes und der Kirche gegenwärtig sind, Mächten der Geister. Es gibt Herrscher, Häuptlinge und Anführer der Bataillone der bösen Geister; es gibt dämonische Autoritäten; es gibt die weltbeherrschenden Mächte der bösen Engel mit Satan, dem Fürsten dieser Welt, an ihrer Spitze; es gibt ganze Heerscharen, große Streitkräfte, Banden, Armeen von Geistern, alles Geister der Bosheit und Tücke. Die Teufel sind Weltherrscher der Finsternis, sie herrschen durch die Finsternis der Sünde. In der Sünde hat Satan sein Reich in dieser Welt errichtet, es ist ihm gelungen, die Menschen von Gott, dem Vater des Lichts, wegzuführen und sie der Herrschaft der Finsternis und der Sünde zu unterwerfen, wo die Erkenntnis Gottes sie nicht erleuchten kann. Der heilige Paulus nennt alle Feinde Geister der Bosheit in hohen Positionen, denn sie gehören zur übernatürlichen, transzendentalen Welt. Gerade weil die bösen Geister als Geister nicht mit physischen Waffen angegriffen werden können, sind sie stärker und gefährlicher als die sichtbaren Geschöpfe.

    Kein Wunder, dass der Apostel seinen dringenden Aufruf wiederholt und verstärkt: Darum ergreift die ganze Waffenrüstung Gottes, damit ihr am bösen Tag widerstehen und, nachdem ihr gesiegt habt, bestehen könnt. Es liegt außerhalb der Macht eines bloßen Menschen, dieser mächtigen Reihe geistlicher Kräfte zu begegnen, aber mit der vollständigen Rüstung Gottes in unserem Besitz und jedem Teil an seinem richtigen Platz können wir in die Schlacht ziehen. Diese letzte Weltperiode ist ein böser Tag, eine böse Zeit; es gibt keinen Frieden, keinen Waffenstillstand; nur im Jenseits wird es vollkommenen Frieden und Ruhe für die Kinder Gottes geben. Aber wir dürfen nicht einen Augenblick lang zögern: Wir müssen siegen, wir müssen unsere Feinde besiegen; in der Kraft des Herrn müssen wir Sieger auf dem Schlachtfeld bleiben. Egal, wie zahlreich und mächtig unsere Feinde sind, egal, wie hart und heiß der Kampf ist, „denn für uns kämpft der Tapfere, den Gott selbst erwählt hat“; wir haben den allmächtigen Gott und seine Macht auf unserer Seite, und so muss der endgültige Sieg uns gehören.

 

    Die einzelnen Teile der Rüstung und ihre Verwendung (V. 14-20): Im Kampf der Christen geht es nicht nur darum, alle Teile der göttlichen Rüstung angelegt zu haben und an ihrem richtigen Platz zu haben, sondern auch darum, sie richtig zur Verteidigung und zum Angriff einzusetzen. Der Apostel richtet sich an die Krieger des Herrn: „So steht nun, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit.“ Wie Soldaten, die bereit sind, dem Ansturm des Feindes zu begegnen, sollen sie aufrecht und fest stehen. So wie der Soldat in der Antike seine Kleidung mit einem Gürtel um die Lenden zusammenhielt, um zu verhindern, dass sie ihn bei der freien Bewegung seiner Gliedmaßen behinderte, so legt der Christ, der Soldat Gottes, den Gürtel der Wahrheit, der moralischen Reinheit und der Rechtschaffenheit des Lebens an. Nur wer in Tat und Wahrheit Christ ist, wird sich ernsthaft in den Kampf stürzen; nur er wird die Dinge des Alltags zusammenhalten und sie ohne Heuchelei zusammenhalten, damit er nicht in der großen Schlacht behindert wird. Wie die Soldaten von einst einen schweren Brustpanzer trugen, um die Brust mit ihren lebenswichtigen Organen gegen jede verletzende Wunde zu schützen, so tragen die Christen den Brustpanzer der Rechtschaffenheit des Lebens, damit sie niemandem Unrecht zufügen, sondern vielmehr allen dienen und Gutes tun wollen, damit niemand ihr Gewissen beschuldigt, nicht rechtschaffen gelebt zu haben.[18] Wahrheit, Gerechtigkeit, das freie und offene Bekenntnis des Evangeliums, diese drei Dinge machen einen Christen bereit für den Kampf gegen die Geister der Finsternis. Und ein weiterer notwendiger Punkt wird nicht vergessen: Und nachdem du deine Füße mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens beschlagen hast. Wie die Militärsandale die Füße des antiken Soldaten vor den Unebenheiten der Straße schützte und es ihm ermöglichte, mit schnellem und sicherem Schritt voranzukommen, so sollten die Christen immer bereit und vorbereitet sein, das Evangelium der Erlösung in Christus zu verkünden. Vgl. Jes. 52,7. Inmitten des erbitterten Kampfes, in dem er sich befindet, hat der Christ Frieden mit Gott und kann diesen Frieden auch anderen vermitteln. Röm 5,1. Und diese Botschaft, die ihnen anvertraut wurde, gibt den Christen umso mehr fröhlichen Mut für die Fortsetzung des Kampfes, den Satan um den Besitz ihrer Seele führt.

    Die Teile der bisher erwähnten Rüstung sind die des Schutzpanzers, die hier nur in Betracht kommen, weil sie die Person des einzelnen Christen schützen. Aber Gottes Rüstung umfasst auch Verteidigungs- und Angriffswaffen: zusätzlich zu allem, indem man den Schild des Glaubens aufnimmt, mit dem man alle feurigen Pfeile des Bösen auslöschen kann. So wie der Krieger in alten Zeiten einen großen Schild benutzte, um seine ganze Person zu bedecken und ihn vor allem gegen die Pfeile und Geschosse zu schützen, die die Feinde abschießen könnten, so schützt der rettende Glaube an Christus Jesus als den Retter der Welt den Gläubigen vor allen feurigen Pfeilen des Teufels. Die Menschen im Altertum benutzten manchmal Pfeile und kleine Speere, die mit Pech oder einem anderen entzündlichen Material getränkt waren, die vor dem Abschuss in Brand gesetzt wurden und hässliche Wunden verursachten. So werden die Versuchungen Satans dem Christen in seinem Glauben und seinem geistlichen Leben großen Schaden zufügen, wenn er ihnen nicht mit der ruhigen Gewissheit der Vergebung der Sünden durch die Barmherzigkeit Gottes in Jesus Christus begegnet. Gegen diese Gewissheit kann die gesamte Munition des Teufels nichts ausrichten.

    Und schließlich schreibt der Apostel: „Nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches das Wort Gottes ist.“ Mit dem Helm schützte der Soldat in der Antike seinen Kopf vor Schlägen und Hieben von oben, während er seinerseits ein Schwert benutzte, um auf den Feind einzudreschen und ihn zu besiegen. Der Christ hat von Gott den Helm des Heils empfangen, die Gewissheit der endgültigen Erlösung, die Hoffnung und Erwartung des zukünftigen Lebens, das oben im Himmel ist, um dessentwillen wir an Christus glauben und alles erleiden, ohne das wir die Schläge nicht ertragen könnten, die auf unseren Kopf gerichtet sind und uns das Leben nehmen sollen.[19] Und mit dem Schwert des Heiligen Geistes, mit dem Wort Gottes, können die Christen alle Geister des Bösen überwinden und endgültig besiegen. Wie Luther schreibt: „Hier genügt es nicht, dass wir uns mit Glauben und Hoffnung als Schild und Helm gegen den Teufel verteidigen, sondern wir müssen auch das Schwert ziehen und ihn so hartnäckig angreifen, dass er zurückweichen und fliehen muss und wir so den Sieg über ihn erringen.“ Da das Wort Gottes diese Waffe ist, ist es unsere Pflicht, es jederzeit zu nutzen und uns zu diesem Zweck sowohl durch öffentliche Predigten als auch durch ernsthaftes Bibelstudium zu Hause damit vertraut zu machen. Das flüchtige Lesen muss durch das sorgfältige Auswendiglernen von Beweistexten und aussagekräftigen Passagen ergänzt werden. Nur so können wir das Wort Gottes jederzeit als echte Angriffswaffe richtig einsetzen.[20]

    Der Apostel fügt nun einige Worte des Gebets und der Fürbitte hinzu, wobei er sich besonders auf seinen eigenen Fall bezieht: Mit allem Gebet und Flehen, zu jeder Zeit im Geist betend und dazu in aller Beharrlichkeit und Flehen wachend, für alle Heiligen. Das Gebet gehört auch zur Rüstung der Christen als ein sehr wesentlicher Bestandteil, da es all ihr Tun begleitet. Sie stehen in ständiger Verbindung mit Gott, in Bitten, Lob und Dank. Sie haben nicht nur ihre eigenen Bedürfnisse im Sinn, sondern flehen auch für andere. Sie beten nicht nur in Zeiten großer Krisen in ihrem Leben, sondern zu jeder Zeit, da sie immer in der Gemeinschaft des Gebets mit dem Herrn sind. Im Geist beten sie, denn Er ist es, der ihnen Kraft gibt und ihre ungeübte Zunge leitet, um Worte auszusprechen, die ihre Bedürfnisse ausdrücken. Deshalb sind die Christen auch ständig wachsam und aufmerksam; sie lassen keine einzige Gelegenheit ungenutzt, die ein besonderer Hinweis darauf sein könnte, dass sie den himmlischen Vater auf bestimmte Dinge aufmerksam machen sollten. Ihr Flehen wird so zu einer Fürsprache, die eine Tatsache ist; sie beten für alle Heiligen, sie gedenken aller Gläubigen in ihrem täglichen Gebet, insbesondere im Vaterunser. Sie sind beharrlich in ihren Bitten und bedrängen den Herrn mit ihrem unaufhörlichen Flehen, wie Jesus selbst sie gelehrt hat, Luk. 11,5-13; 18,1-8. Gebet und Flehen mögen in vielen Teilen der christlichen Kirche keine verlorene Kunst sein, aber es scheint ihnen sicherlich an Inbrunst und zuversichtlichem Vertrauen zu fehlen, wenn man nach den Ergebnissen urteilt.

    Paulus bittet die Christen in Ephesus auch für sich selbst um Gebete: Und für mich, dass mir gegeben werde die Rede, wenn ich meinen Mund auftue, Freimütigkeit, das Geheimnis des Evangeliums zu verkündigen, dessen Bote ich bin in einer Kette, damit ich mit Freimut davon rede, wie es meine Pflicht ist. Paulus wollte, dass die Christen für ihn Fürsprache einlegten, damit ihm das rechte Wort zur rechten Zeit gegeben werde (Matth. 10,19), damit er seinen Mund mit aller Offenheit auftun könne, ohne Angst vor unangenehmen Folgen. Denn sein einziges Ziel war es, das Geheimnis des Evangeliums bekannt zu machen, dessen offene Verkündigung in der Tat Mut erfordert, den sich der Mensch nicht selbst geben kann. Im Interesse, im Dienst dieses Evangeliums war er ein Gefangener; aber selbst im Gefängnis oder als Gefangener wünschte er sich die Gelegenheit, das ihm anvertraute Evangelium zu predigen, da er sich dieser Verpflichtung bewusst war, 1. Kor. 9,16. Es ging dem Apostel nicht nur darum, dass er reden musste, sondern vor allem darum, wie er reden sollte. Er war zwar ein Botschafter in Ketten, aber er fühlte sich verpflichtet, seinen Herrn würdig zu vertreten: sicherlich ein leuchtendes Beispiel für alle Prediger des Evangeliums.

 

Abschließende Bemerkungen und Gruß (6,21-24)

    21 Damit aber ihr auch wisst, wie es um mich steht, und was ich schaffe, wird’s euch alles kundtun Tychikus, mein lieber Bruder und treuer Diener in dem HERRN, 22 welchen ich gesandt habe zu euch deshalb, damit ihr erfahrt, wie es um mich steht, und dass er eure Herzen tröste.

    23 Friede sei den Brüdern und Liebe mit Glauben von Gott dem Vater und dem HERRN Jesus Christus! 24 Gnade sei mit allen, die da liebhaben unsern HERRN Jesus Christus unverrückt! Amen.

 

    Der Epheserbrief zeichnet sich dadurch aus, dass er keine persönlichen Gespräche enthält. Diese Tatsache wird hier erklärt: „Damit ihr aber wisst, wie es mir geht und was ich erleide, wird euch alles durch Tychikus bekannt machen, den geliebten Bruder und treuen Diener im Herrn.“ (Eph. 1,13) Die erste römische Gefangenschaft des Paulus war nicht so streng, dass er nicht frei mit seinen Freunden kommunizieren und ihre Fürsorge empfangen konnte (Apg. 28,30.31). Und so hatte Tychikus, einer von des Paulus jüngeren Helfern, der von ihm sehr geschätzt wurde, einige Zeit in Rom verbracht. Dieser Mann, der zweifellos auch der Überbringer des Briefes war, sollte den Christen in Ephesus Informationen persönlicher Art geben, die sie vielleicht gerne hören wollten. Denn, wie Paulus schreibt, sandte er ihn zu diesem Zweck, damit sie alles über die Angelegenheiten des Apostels und seiner Gefährten erfahren konnten. Das Ergebnis solcher Informationen wäre natürlich, dass die Herzen der Christen in Ephesus getröstet würden. Sie würden sehen, dass der Fall ihres geliebten Lehrers nicht so hoffnungslos war, wie es ihnen aus den zuvor erhaltenen Berichten erschienen war, und so würden sie ermutigt und ermutigt werden.

    Der abschließende Segen unterscheidet sich etwas von dem, den der Apostel normalerweise verwendet, aber sein Inhalt ist derselbe. Er wünscht den Brüdern Frieden, jenen Frieden Gottes, der in Christus Jesus ist und der alles Verstehen übersteigt; und Liebe mit Glauben, wobei der Glaube den Christen ausmacht, die Liebe aber der unvermeidliche Begleiter des Glaubens ist. Sowohl der Glaube als auch die Liebe werden hier so dargestellt, als hätten sie ihren Ursprung in Gott dem Vater und im Herrn Jesus Christus. Vgl. 2. Tim. 1,2; Tit. 1,4. Beide zusammen, gleich in göttlicher Essenz, spenden alle geistlichen Segnungen. Und so schließt der Apostel: Gnade mit allen, die unseren Herrn Jesus Christus lieben, mit Unverderblichkeit. Die höchste Gabe ist die Gnade Gottes in Christus Jesus, und diese Gnade ist im Besitz all derer zu finden, die den Herrn Jesus lieben, und wird ewige, unveränderliche, unvergängliche Liebe mit sich bringen. Oben im Himmel, in ewiger Herrlichkeit, wird die Liebe, die weder Veränderung, Verminderung noch Verfall kennt, ihren vollen und herrlichen Ausdruck finden.

 

Zusammenfassung: Der Apostel legt die Pflichten von Kindern und Eltern, von Dienern und Herren dar; er beschreibt die geistlichen Feinde des Christen, seine Rüstung und deren Gebrauch; er fügt eine Ermahnung zum Gebet und zur Fürbitte hinzu und schließt mit einer Empfehlung für Tychikus und einem apostolischen Segen.[21]

 



A Aus: Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. St. Louis, Missouri. Bd. 14. Groß Oesingen: Verl. der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms. 1987. Sp. 116-117

[1] Lehre und Wehre, 1901, 97

[2] Luther, 14, 116. 117

[3] Concordia Bible Class, September, 1919, 146

[4] Fürbringer, Einleitung in das Neue Testament, 67

[5] Vgl. Lehre und Wehre, Dezember, 1917

[6] Concordia Triglotta, 821 [Konk.Formel, Kurze Darl. VIII, 10 f.]

[7] Lehre und Wehre, 1920, 125-129

[8] Concordia Triglotta, 861 [Konk.Formel, Ausf. Darl. I, 9]

[9] Expositor’s Greek Testament, 3, 289

[10] Expositor’s Greek Testament, 3, 305

[11] Zu V. 13-21 vgl. Homiletisches Magazin, 1902, 225-241

[12] Luther, zitiert in Stöckhardt, Epheserbrief, 178

[13] Stöchardt, Epheserbrief, 198

[14] Vgl. Luther, 12, 916. 917

[15] Vgl. Homiletisches Magazin, 1905, 289-300

[16] Expositor’s Greek Testament, 3, 357

[17] Edersheim, The Temple, 300

B wörtlich: fürchte den Mann

C Kretzmann hat hier „Verlobung“, weil er damals der Auffassung war, dass die Ehe mit der Verlobung verbindlich geschlossen sei. Dies ist aber nicht die biblische Lehre, da wir heute ein anderes Verständnis von Verlobung haben, als dies in biblischer Zeit war, als die Verlobung der standesamtlichen Eheschließung gleichkam. Kretzmann hat später seine Auffassung geändert. Siehe auch die Ausführungen dazu im Zusammenhang mit den Erklärungen zu Matthäus 1. Übrigens ist die Beziehung von Mann und Frau in der Ehe nur ein Bereich, in der die Schöpfungsordnung im Verhältnis des Mannes als dem Haupt und der Frau als der Gehilfin – die beide gleichwertig, aber eben in ihren Aufgaben verschieden sind – umgesetzt wird. Sie zeigt sich dann auch in der Gemeinde Christi wie im öffentlichen Leben. (Anm. d. Hrsg.)

D Zu diesem Thema siehe die Darlegungen in der Fußnote zum Philemonbrief. Richtig ist nur, dass Gott sie nicht grundsätzlich verboten hat, aber sie gehört nicht zu seiner Grundordnung, vor allem für sein Volk, sondern ist Ausdruck der sündigen, gefallenen Welt, und sollte, wenn wir uns die Gesetze für den Alten Bund ansehen, die uns nicht mehr bindend, aber manche interessanten Hinweise geben, überwunden werden. (Anm. d. Hrsg.)

[18] Luther, 9, 848

[19] Luther, 9, 854

[20] Für V. 10-17 vgl. Homiletisches Magazin, 1905, 321-335; Luther 9, 810-857

[21] Ein großer Teil des Kommentars zum Epheserbrief ist eine Zusammenfassung von Stöckhardts Epheserbrief.