Luthers
Theologie in Grundzügen
Dargelegt in Anlehnung an Kurt
Dietrich Schmidt und Bengt Hägglund
Von Roland Sckerl
Inhaltsverzeichnis
3. Luthers
Geschichtsverständnis
5.
Die Lehre vom Heiligen Geist
6.
Der dreieinige Gott (Trinität)
7. Das Verständnis des
Menschen (Anthropologie)
9. Gottes Erlösungswerk am
Menschen
A) Die Buße oder
Sinnesänderung
Die Rechtfertigung des
Sünders – allein Gottes Werk aus Gnaden
Gerechtfertigt allein durch
Christi Verdienst für uns
Gerechtfertigt
allein mittels des Glaubens
Der Gottesdienst der um Wort
und Sakrament versammelten Gemeinde
Religionsfreiheit und
Toleranz bei Luther
11. Das Leben im neuen
Gehorsam
Das Widerstandsrecht bei
Luther
12. Die Lehre von den letzten
Dingen (Eschatologie) bei Luther
Luthers Theologie ist
nicht zuletzt eine Theologie der biblischen Begriffe, ja, überhaupt eine
Theologie des Wortes. Sehr deutlich wird das in seiner Vorrede zum Römerbrief,
die vor allem eine Erklärung der grundlegenden biblischen Begriffe des
christlichen Glaubens ist.[1] Das
ist wichtig, denn Luther geht auf die Schrift selbst zurück und legt sie direkt
aus, ohne Rückgriff auf den von Aristoteles geprägten Sprachschatz der
Scholastik.[2]
Das ist genuin biblische Theologie.
Dabei steht im Zentrum
der Heiligen Schrift die Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden,
allein um Christi Verdienst willen, allein durch den Glauben, durch die allein
die Schrift recht aufgeschlossen wird, wie Luther selbst es erfahren hatte.[3]
Luther hat dabei
unbedingt festgehalten an der Wörterinspiration der gesamten Heiligen
Schrift durch den Heiligen Geist, was sich auch darin zeigt, wie sehr er auf
der Ausdrucksweise der Schrift in ihrem Verständnis beharrt hat, denn sie ist
das Schrift gewordene Wort Gottes.[4]
Dem widersprechen nicht Luthers kritische Anmerkungen zum Jakobusbrief, vor
allem in der Vorrede von 1522. Es ist zu beachten, dass Luther sich in der
Haltung zu den kanonischen Büchern an die Alte Kirche anschloss, die zwischen
den unumstrittenen (Homologumena) und den zeitweilig
von einigen angezweifelten (Antilegomena) Schriften
unterschied. Zu letzteren zählten der zweite Petrusbrief, der zweite und dritte
Johannesbrief, der Hebräer-, Jakobus- und Judasbrief sowie die Offenbarung. Nur
hinsichtlich dieser Gruppe von Schriften hat Luther solch kritische Äußerungen
gemacht, hat sich auch nicht tiefer in sie hineingearbeitet. Man kann daraus
also keinesfalls Ansätze zu einer Bibelkritik bei Luther ableiten.
Jesus Christus
selbst ist die Mitte der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments,
d.h. auch das Alte Testament spricht direkt von Christus, nicht nur typologisch[5]. „Also
weist und zeigt die ganze Heilige Schrift vom Anfang bis zum Ende auf Christus
und schweigt aller andern Heiligen in diesem Stück, dabei Gnade und Wahrheit zu
finden und zu suchen sei. Soll sie nun jemand erlangen, so muss es Seine Fülle
tun; unsere Brocken, Partecken und Tröpflein oder
Stöcklein werden‘s nicht tun.“[6]
Darum, weil die Schrift Gottes Wort ist, Gott selbst zu uns redet, und gerade
in Christus sich besonders offenbart hat, ist die einzige angemessene Haltung
der Schrift gegenüber die des Glaubens, nämlich sie im Glauben anzunehmen,
gleichgültig, was das Wort sagt, gleichgültig, wie die Vernunft sich dazu
stellt. Denn die Vernunft kann ja allerdings nicht die Tiefen der Gottheit
erkennen (1. Kor. 2,14), die muss Gott durch seinen Geist im Wort uns selbst
erschließen (1. Kor. 2,11).[7]
Die Heilige Schrift, weil
sie Gottes Wort ist, ist daher für Luther die einzige Autorität in der
Kirche (SOLA SCRIPTURA), aus der allein die Kirche ihre Lehre zu ziehen
hat. Keine andere Größe kann entsprechende Aussagen über Gott machen, es gibt
keine weiteren Offenbarungsquellen, wie etwa apostolische Tradition, kirchliche
Tradition, Wissenschaft, Gefühl, Vernunft, Zeitgeist. Denn all das wäre ein
Eingriff in Gottes Majestätsrechte und daher Gotteslästerung.[8]
Sehr deutlich wird das schon in seinem Buch „Von der babylonischen
Gefangenschaft der Kirche“, in dem er sich mit dem römischen
Sakramentsverständnis auseinandersetzte und gegen Tradition und menschliche
Lehre auf die Worte der Heiligen Schrift im Blick auf die Sakramente pochte,
beim Abendmahl auf die Einsetzungsworte Christi, die allein angeben, was das
Abendmahl ist und wir darin empfangen. Daher bekennt er auch in den
Schmalkaldischen Artikeln: „Es gilt nicht, dass man aus der heiligen Väter
Werk oder Wort Artikel des Glaubens macht, sonst müsste auch ein Artikel des
Glaubens werden, was sie für Speise, Kleider, Häuser usw. gehabt hätten, wie
man mit dem Heiligtum getan hat. Es heißt, Gottes Wort soll Artikel des
Glaubens stellen und sonst niemand, auch kein Engel.“ (Teil II, Art.
II,15.) In seiner Schrift „Vom Missbrauch der Messe“ hatte er schon 1522
geschrieben: „So ist’s ja auch menschlicher Vernunft, ich geschweige der
göttlichen Schrift, entgegen, dass man einen Artikel des Glaubens auf
Menschenträume gründen und bauen will. Denn die heiligen Sakramente und Artikel
des Glaubens sollen und wollen allein durch göttliche Schrift gegründet und
bewährt werden; wie denn Mose im 5. Buch überflüssig bezeugt.... Ich habe
gesagt, man fragt nicht, wie die Heiligen gelebt und geschrieben haben, sondern
wie die Schrift anzeigt, dass wir leben sollen.“[9]
Die Bedeutung des Wortes
Gottes zeigt sich vor allem darin, dass Gott nie anders mit uns verkehrt als
durch das Wort. Und das heißt für den Glauben wie auch für die Kirche:
Gottes Wort, nicht das Sakrament, steht im Zentrum.[10]
Und das hat Folgen: a) Der Gläubige hat durch das Wort ein bewusstes
Verhältnis zu Gott (im Unterschied zum römischen Sakramentalismus
und zur Mystik), das sich in Anfechtung, Verzweiflung, Buße, Glauben, Gebet,
Liebe zeigt. Die Verkündigung ist daher DIE kirchliche Tätigkeit.
b) Dieses bewusste Gottesverhältnis führt auch zu einer persönlichen
Gemeinschaft zwischen Gott und dem Menschen, in der Gott durch sein Wort
mit uns verkehrt. c) Gottes Wort wendet sich dabei zuerst und vor allem an das Gewissen,
nicht an das Gefühl oder den Verstand, und will so durch Sündenerkenntnis und
Trost des Evangeliums an uns arbeiten, uns verändern, eine biblische
Sittlichkeit hervorbringen.[11]
d) Dabei besagt schon der Begriff „Wort Gottes“, dass die Gemeinschaft nicht
von uns Menschen ausgeht, auch gar nicht ausgehen kann, sondern dass sie von
Gott ausgeht, dass er, durch sein Wort und kulminierend in Christus, zu uns
kommt, uns anspricht und so, und nur so, Gemeinschaft zwischen Gott und
Mensch entsteht.[12]
e) Dieses Wort Gottes aber ist kein leeres Wort, keine bloße Information,
sondern ist dynamis, ist eine Kraft (Joh. 6,63), weil
Gott selbst darin wirkend gegenwärtig ist. Darum kommt es auch nicht leer
zurück, sondern wirkt, wozu Gott es gesandt hat (Jes. 55,11).[13]
Weil allein die Heilige
Schrift Gottes Offenbarung ist, darum kann es auch keine Instanz in dieser Welt
geben, die sich das Recht anmaßt, die Auslegung festzulegen, denn sonst
würde eine fremde Größe, etwa die Kirche, der Papst, die Bischöfe, eine Synode,
ein Konzil, Herr über die Schrift. Vielmehr gilt für die Auslegung: Die
Schrift legt sich selbst aus. Das heißt: a) Jedes Schriftstück ist aus
seinem eigenen Zusammenhang zu erklären. b) Nur der buchstäbliche Sinn ist der
rechte Sinn; dabei ist der historische Zusammenhang zu beachten. Den vierfachen
Schriftsinn, wie er in der Scholastik propagiert wurde, lehnte Luther
entschieden ab. Die Schrift ist grammatisch-historisch zu verstehen. c)
Entscheidend ist, dass der Kern der Schrift beachtet wird. Erst dem nachgeordnet ist die Kenntnis der Sprachen von hoher
Bedeutung.[14]
Bei Rom entscheidet die Kirche, letztlich der Papst, was nach der Schrift – und
weiteren Quellen (Tradition) – die Norm für die Kirche und ihre Lehre ist.
Tatsächlich aber legt allein die Schrift die Norm fest, ja, sie ist die Norm
der Lehre der Kirche, ist norma normans, normierende Norm, denn Gottes Wort ist nicht
dunkel, zweifelhaft, sondern klar.[15]
Gottes Wort ist ein
gewaltiges, ein schöpferisches Wort, nicht nur Erkenntnisquelle, durch
das Gott der Vater, durch den Sohn, das Wort und den Werkmeister der Schöpfung
(Spr. 8,30), und den Geist seines Mundes (Ps. 33,6) alles erschaffen hat und
noch erhält. „Gott der Vater hat das Geschöpf aller Kreatur durch sein Wort
angefangen und vollbracht, und erhält es auch noch für und für durch dasselbe,
bleibt so lange bei seinem Werk, dass er schafft, so lange bis er will, dass es
nimmer sein soll. … Wenn Gott seine Hand gehen ließe und abzöge, so würde Haus
und alles gar bald in einem Haufen fallen. Aller Engel und Menschen Gewalt und
Weisheit vermöchten sie nicht in ihrem Wesen einen Augenblick zu erhalten; die
Sonne würde nicht lange am Himmel haften und leuchten; kein Kind würde geboren;
kein Körnlein, Gräslein
noch sonst etwas würde wachsen aus der Erde, noch sich erneuern, wo Gott nicht
für und für wirkt. Täte der Schöpfer, der immerdar wirkt, ebenso sein
Mitwirker, die Hand ab, so ging alles gar bald zu scheitern und zu Trümmern.
Darum bekennen wir in den Artikeln unsers christlichen Glaubens: Ich glaube an
Gott den Vater, Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erden. Wenn er uns, die
er geschaffen hat, nicht erhielte, so wären wir vorlängst, ja wohl in der Wiege
und in der Geburt verdorben und gestorben.“[16]
Dieses Wort ist auch
kraftvoll, schöpferisch gerade im Hinblick auf das Heilswerk des HERRN an uns
Menschen. Auch das hat Luther betont. Gottes Wort wirkt Sündenerkenntnis,
Verdorbenheitserkenntnis und damit Buße, Sinnesänderung und schließlich den
rettenden Glauben an Jesus Christus. Dazu aber ist es notwendig, dass Gesetz
und Evangelium klar unterschieden werden, ein wichtiger Schlüssel zum rechten
Verständnis der Heiligen Schrift und zur rechten Verkündigung. „Hier ist zu
wissen, dass die ganze Heilige Schrift wird in zweierlei Wort geteilt, welche
sind Gebot oder Gesetz Gottes und Verheißung oder Zusagung.
Die Gebote lehren und schreiben uns vor mancherlei gute Werke; aber
damit sind sie noch nicht geschehen. Sie weisen wohl, sie helfen aber nicht;
lehren, was man tun soll, geben aber keine Stärke dazu. Darum sind sie nur dazu
geordnet, dass der Mensch darinnen sehe sein Unvermögen zu dem Guten und lerne
an sich selbst zweifeln. Und darum heißen sie auch das Alte Testament und
gehören alle ins Alte Testament. Wie das Gebot: ‚Du sollst nicht böse Begierde
haben‘, beweist, dass wir allesamt Sünder sind und kein Mensch vermag zu sein
ohne böse Begierde, er tue, was er will; daraus er lernt an sich selbst
verzagen und anderswo zu suchen Hilfe, dass er ohne böse Begierde sei und so
das Gebot erfülle durch einen andern, das er aus sich selbst nicht vermag. So
sind auch alle anderen Gebote uns unmöglich.
Wenn nun der Mensch aus
den Geboten sein Unvermögen gelernt und empfunden hat, dass ihm nun Angst wird,
wie er dem Gebot genug tue (das das Gebot muss erfüllt sein oder er muss
verdammt sein), so ist er recht gedemütigt und zunichte geworden in seinen
Augen, findet nichts in sich, damit er könne fromm werden. Dann, so kommt das
andere Wort, die göttliche Verheißung und Zusagung,
und spricht: Willst du alle Gebote erfüllen, deiner bösen Begierde und Sünde
los werd ,wie die Gebote zwingen und fordern, siehe,
da glaub an Christus, in welchem ich dir zusage alle Gnade, Gerechtigkeit,
Friede und Freiheit, glaubst du, so hast du; glaubst du nicht, so hast du
nicht. Denn ich habe kurz in den Glauben gestellt alle Dinge, dass, wer ihn
hat, soll alle Dinge haben und selig sein; wer ihn nicht hat, soll nichts
haben.“[17]
Die Schrift kann aber nur
durch den Glauben recht verstanden werden, denn sie ist nicht eine
Ansammlung von Anweisungen, gesetzlichen Vorschriften, sondern in ihrem Kern
Evangelium, ruft zum Glauben, wirkt den Glauben und als seine Frucht den
Gehorsam des Glaubens auch im Leben. Das führt zum inneren Verständnis der
Bibel durch die Anwendung im Glauben. Der bezieht sich direkt auf das Wort,
nicht, wie die Scholastik propagierte, auf eine metaphysische Wirklichkeit
dahinter.[18]
Um die Heilige Schrift
Gottes recht zu verstehen, müssen Gesetz und Evangelium klar unterschieden
werden. Dies ist eine der Grundlagen der Theologie Martin Luthers. Dabei geht
es für uns heute nicht mehr um das mosaische Gesetz, das für Israel im Alten
Bund galt, in Christus aber zum Ende gekommen ist, sondern um das natürliche
oder Moralgesetz, das für alle Zeiten gilt, auch für die Christen. Christus hat
für uns das gesamte Gesetz, auch das mosaische, erfüllt.[19]
Beide, Gesetz und
Evangelium müssen gepredigt werden. Denn das Gesetz soll den Sünder von seiner
Sünde überführen, ihm seine Verdorbenheit aufzeigen und so schließlich ein geängstetes und
zerschlagenes Herz bewirken. Es zielt auf das Gewissen und will so zu Christus,
dem Heiland, treiben (Röm. 3,20; Gal.
3,19.24). Das Gesetz gibt dabei an, was wir tun sollen und droht bei
Nichtbefolgen Strafe an. So soll das Gesetz das Böse verhindern, das Gute
fördern und anzeigen, was die guten Werke sind, die Gott haben will (für den
Christen). Aber die Hauptaufgabe des Gesetzes ist das Wirken der Sünden- und
Verdorbenheitserkenntnis.[20]
Das Evangelium dagegen
fordert nicht, sondern schenkt die Vergebung der Sünden um Christi willen aus
lauter Gnade frei umsonst und wirkt so das herzliche Vertrauen, den rechten
Glauben an Jesus Christus, richtet den Sünder auf und bewegt ihn als Frucht des
Glaubens dann auch zur Hingabe an seinen Retter und zu den guten Werken, die
Gott haben will, und zwar nicht aus einer Haltung des Zwangs oder der
Pflichterfüllung, sondern aus rechter Gottes- und Nächstenliebe aufgrund des
Liebesgebotes Gottes.[21]
Luther hebt deutlich
hervor, dass alle Gotteserkenntnis nur durch Jesus Christus möglich ist.
Damit bekräftigt er nur das, was Christus selbst seinen Jüngern in seinen
Abschiedsreden gesagt hat: „Wenn ich mich kenntet, so kenntet ihr auch den
Vater. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen. … Wer mich sieht, der
sieht den Vater.“ (Joh. 14,7.9b.)
Gott, das hebt der
Reformator hervor, ist lebendiger Wille, weist sich aus durch ein
Wirken, Tun ohne Ende, d.h. er hört nicht auf zu wirken. Gott ist aber vor
allem auch allmächtig. Und das heißt: Es gibt für Gottes Wirken keine
Grenzen, keine Schranken. Alles wird von ihm erschaffen und auch
erhalten. Es geschieht alles nur, weil Gott es will. Er ist allmächtig,
allgegenwärtig, allein wirksam.[22] Es
kann nichts geschehen, was Gott nicht will.[23]
Es geschieht alles notwendig, weil Gott es so will. „So steht gar fest und bleibt unüberwindlich der Satz, dass alles
aus Notwendigkeit geschieht. Und hier gibt es kein Dunkel oder Rätsel. Bei
Jesaja spricht der Herr: ‚Mein Anschlag wird bestehen und mein Wille wird
geschehen.’ (Jes. 46,10)“[24]
Das aber hat
weitreichende Folgen. Zuerst und vor allem, wie Luther es schon bei der
Heidelberger Disputation 1518 dargelegt hat, dann ausführlich in seiner
Auseinandersetzung mit Erasmus (Vom unfreien Willen), dass der Mensch keinen
freien Willen hat. Kein Mensch kann irgendetwas zu seiner Seligkeit
beitragen. Er kann letztlich nur widerstreben. Gott allein ist es, der aus dem
Nichtwollenden einen Wollenden macht.[25]
Hier stoßen wir allerdings auch an Grenzen. Denn wenn Gott allmächtig ist, wenn
der Mensch nichts tun und wollen kann ohne Gott, so ergibt sich die Frage,
warum dann doch Menschen verloren gehen, obwohl doch Gott will, dass alle
Menschen gerettet werden (1. Tim. 2,4). Hier können wir nicht weiter gehen, als
die der Heilige Geist selbst es in der Bibel sagt: „Israel, du bringst dich in
Unglück; dass du gerettet wirst, ist lauter meine Gnade.“ (Hos. 13,9.) Also:
Wer verloren geht, der geht aus eigener Schuld verloren; wer gerettet wird,
wird allein aus Gottes Gnade gerettet. Das letzte Warum können wir in dieser
Welt nicht lösen. Da haben wir es mit dem Deus absconditus
zu tun, dem verborgenen Gott. Über den können wir aber nichts sagen; um den
sollen wir uns auch weiter nicht kümmern. Gott hat uns an Christus und sein
Wort verwiesen. Darum sollen wir uns allein an den offenbarten Gott halten, wie
er uns in dem ins Fleisch gekommenen und gekreuzigten Christus begegnet. Denn
hier, in Christus, lernen wir ihn wirklich kennen, als den, der nicht den Tod,
sondern das Leben des Sünders will. Da wird deutlich: Gottes Wille des Sünder
gegenüber ist Liebe schlechthin. In Christus offenbart sich Gott als
der völlig frei Schenkende. So erkennen wir ihn übrigens auch schon in der
Schöpfung.[26]
Über den verborgenen und nur in Christus uns offenbaren Gott schreibt der
Reformator: „Über Gott, sofern er nicht offenbart ist, gibt es weder Glauben
noch Wissenschaft noch Kenntnis, und muss man sich hier daran halten, dass
gesagt ist: Was über uns ist, geht uns nichts an. Solcherweise nämlich sind
Erkenntnisse, welche über und außerhalb der Offenbarung Gottes etwas allzu hoch
ausspüren, gänzlich des Teufels. Sie nützen zu nichts mehr, als dass sie uns in
das Verderben stürzen, weil sie sich um einen unerforschlichen Gegenstand bemühen,
nämlich um den nichtoffenbarten Gott. Wenn Gott seine Beschlüsse und
Geheimnisse im Verborgenen zurückhält, warum bemühen wir uns so sehr, sie uns
offenbar zu machen? Gott hat von Anfang an alsbald dieser Neugier
entgegenstehen wollen. So nämlich hat er seinen Willen und Beschluss sich
gesetzt:
Ich werde aus einem nicht
offenbaren Gott zu einem offenbaren Gott werden und werde dennoch der gleiche
Gott bleiben. Ich werde Fleisch werden und dir meinen Sohn senden, dieser wird
für deine Sünden sterben und von den Toten auferstehen. Und so werde ich dein
Sehnen erfüllen, dass du wissen könntest, ob du prädestiniert bist oder nicht.
Siehe hier meinen Sohn, diesen höre, diesen schaue an, wie er in der Krippe
liegt, im Schoß der Mutter, wie er am Kreuz hängt. Siehe zu, was er tut und was
er sagt. Dort kannst du mich sicher greifen. Wenn du Christus hörst und auf
seinen Namen getauft wirst und sein Wort lieb hast, dann bist du sicher
prädestiniert und deines Heils gewiss.“[27]
Wir müssen bedenken: Gott ist Gott, ist die ewige Majestät, der
allein Unsterblichkeit hat und wohnt in einem Licht, da niemand zukommen kann
(1. Tim. 6,16) und daher für uns immer auch unerforschlich und unbegreiflich
bleiben wird. Da können wir ihn nur mit Furcht und Zittern anbeten. Wir selbst
aber sollen uns, um Gott zu erkennen, an das Christus und sein Wort halten,
denn da hat er sich uns offenbart, da will er erkannt, geglaubt, erfasst
werden. „Dieser heimliche Wille ist nicht zu erforschen, sondern mit Furcht
und Zittern anzubeten als eine tiefe, heilige Heimlichkeit der hohen Majestät,
die er sich allein behalten hat.
So müssen wir nun Gott in
seiner Majestät und Natur in seinem heimlichen Willen unerforscht lassen. Denn
da haben wir nichts mit ihm zu schaffen; er will auch nicht, dass wir sollen
mit ihm zu schaffen haben. Es tut Gott vieles, das er uns durch sein Wort nicht
zeigt. Er will auch vieles, da er uns durch das Wort nicht zeigt, dass er es
will. Nun sollen wir das Wort ansehen und den unerforschlichen Willen stehen lassen,
davon uns nichts befohlen ist. Denn wir müssen uns nach dem Wort regieren,
nicht nach dem unerforschlichen Willen. Man soll sich hier nicht kümmern zu
erforschen die hohen, großen, heiligen Heimlichkeiten der Majestät, welche doch
wohnt in einem Licht, da niemand zukommen kann, wie Paulus sagt (1. Tim. 6).
Wir sollen uns halten an Gott, da er uns zu sich lässt, der Mensch geworden
ist, an Jesus Christus, den Gekreuzigten, wie Paulus sagt, in welchem alle
Schätze der Weisheit Gottes verborgen sind. Den durch ihn haben wir reichlich,
was wir wissen und was wir nicht wissen sollen.“[28]
Was aber erkennen wir von
Gott, wenn wir Christus ansehen? Neben seiner Heiligkeit und Zorn, die die Sünde nicht ungestraft lassen können,
aber vor allem das wahre Herz Gottes zu uns, sein Erbarmen und seine Liebe. „Hieraus ist offenbar, dass die Lehre des
Evangeliums, die allerlieblichste Lehre und die so überaus voll ist des
reichsten Trostes, nicht predige von unseren oder des Gesetzes Werken, sondern
von der unbegreiflichen und unaussprechlichen Barmherzigkeit und Liebe Gottes
gegen uns unwürdige und verlorene Menschen, nämlich, dass der barmherzige
Vater, da er sah, dass wir durch den Fluch des Gesetzes unterdrückt und so
darunter gehalten würden, dass wir uns selbst mit unseren Kräften niemals
daraus hätten befreien können, seinen eingebornen
Sohn in die Welt gesandt und alle Sünden aller Menschen auf ihn gelegt habe und
gesagt: Du sollst Petrus sein, der da verleugnet hat; Paulus, der da verfolgt,
gelästert und Gewalt geübt hat; David, der die Ehe gebrochen hat; der Sünder,
der den Apfel im Paradies gegessene hat; der Schächer am Kreuz: Kurz, du sollst
die Person sein, die alle Sünden aller Menschen getan hat; gedenke also, dass
du bezahlst und für genugtust.
Da kommt das Gesetz und spricht: Ich finde
ihn als einen Sünder, und zwar einen solchen, der die Sünden aller Menschen auf
sich genommen hat, und ich sehe außerdem keine Sünde als allein auf ihn, darum
soll er am Kreuze sterben; und so greift es ihn an und tötet ihn.
Da dies geschehen ist, ist die ganze Welt
von allen Sünden gereinigt und gesühnt, also auch befreit vom Tode und von
allem Übel.“[29]
Gottes Alleinwirksamkeit
hebt die Verantwortung des Menschen nicht auf. Hier liegt vielmehr die Spannung
oder Antinomie, dass wir einerseits mit der Schrift bekennen, dass Gott der
allein Wirkende ist, vor allem unser Heil allein sein Werk ist, ohne jegliches
menschliche Mittun, andererseits aber der Mensch, wenn er verloren geht, dafür
selbst verantwortlich ist. Ebenso ist der Mensch vor Gott verantwortlich für
all sein Tun und Lassen.[30]
Diese Spannung zeigt sich
auch in der Lehre von der Prädestination oder Gnadenwahl. Aus der Bibel
wissen wir, dass Gott alles wirkt mit unabänderlicher Notwendigkeit und dass
die Gnadenwahl, das ist, Gottes Wahl in Christus vor der Zeit der Welt zur
Errettung von Menschen durch den Glauben an Christus, die Ursache unseres
Heils, unserer Erlösung ist, denn der natürliche Mensch ist völlig unfrei,
unfähig, irgendetwas zu seinem Heil beizutragen. Weiter aber dürfen wir gemäß
der Schrift nicht gehen. Wir können und dürfen Gott keine Verantwortung dafür
geben, dass damit diejenigen, die er nicht erwählt hat, für immer verloren sind
– und das, obwohl doch Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur
Erkenntnis der Wahrheit kommen (1. Tim. 2,4). Das ist aber, wie gesagt, nicht
Gottes Schuld, sondern liegt in der Verantwortung der Menschen, die verloren
gehen. Darüber können wir nicht hinausgehen. Da bekommen wir es wieder mit dem
Deus absconditus zu tun.[31]
Vielmehr soll ja die Lehre von der Prädestination oder Gnadenwahl dazu dienen,
uns unseres Heils gewiss zu machen und zu verdeutlichen, dass wir selbst nichts
zu unserer Errettung beitragen können. „Damit ist ja nun rein abgeschnitten
und verdammt alle Vermessenheit der falschen heiligen wider Gott, dass sie so
viel tun und verdienen wollen, dass sie Gott versöhnen und zum Freund machen.
Denn was tun solche anders, als dass sie die Wahl anfangen und wollen die
Ersten sein, dass ihr Verdienst vorgehe und seine Gnade hernach getrollt komme;
und nicht er sei, der uns erwählt, sondern wir ihn suchen und uns zum Freund
machen wollen, dass wir rühmen können, er habe Guts von uns empfangen. So tut
alle Welt, durch ihre vorgehenden Werke Gottes Gnade zu verdienen. Aber es
heißt: ‚Ihr habt mich nicht erwählt‘, das ist, ihr seid meine Freunde nicht um euret-, sondern um meinetwillen. Denn so ihr wäret um
euretwillen, so müsst ich euer verdienst ansehen. Nun
aber seid ihrs allein von mir und durch mich, der ich euch zu mir ziehe und
gebe euch alles, was ich habe, dass euer Ruhm nichts anders sei, als von meiner
Gnade und Liebe, weder euer und aller Welt Werk und Verdienst. Denn ich habe
mich nicht lassen finden von euch, sondern ich habe euch müssen suchen und zu
mir bringen, da ihr ferne und fremd wart von der Erkenntnis Gottes und lagt im
Irrtum und Verdammnis wie die andern.“[32]
Ähnlich geht es auch mit
der Frage nach dem Ursprung des Bösen. Gott hasst die Sünde, das Böse
(Ps. 5,5) – und dennoch existiert es. Luther verweist hier auf das Beispiel des
Apfelbaums: Der Gärtner kann wohl den Baum pflanzen und pflegen, aber er kann
nicht bewirken, dass er gute Äpfel bringt bzw. verhindern, dass er schlechte
bringt. Das Beispiel hinkt allerdings, weil Gott ja allmächtig ist. Ähnlich mit
dem anderen Beispiel, das Luther verwendet, wenn er Gott mit einem Zimmermann
vergleicht, der mit einer schartigen Säge arbeitet und daher keine guten
Ergebnisse bekommt, weil eben das Werkzeug schlecht ist. Warum macht Gott in
seiner Allmacht das Werkzeug nicht gut? Wir wissen es nicht. Auch hier haben
wir es wieder mit dem Deus absconditus zu tun. Gemäß
der Bibel wissen wir nur, dass Gott gerecht ist, und dass die Verdammnis die
gerechte Strafe für die Sünder ist.[33]
Gott lässt unter anderem
auch das Böse zu, um uns die Augen über unsere Bosheit, die Bosheit der
Menschen, zu öffnen. Vor allem aber: Auch der Teufel muss letztlich Gott
dienen.[34]
Satan ist keine eigenständige Macht, sondern letztlich Gott unterworfen, wie
wir sehr schön am Leben des Joseph sehen. Satan suchte es durch die Brüder böse
mit ihm zu machen; Gott aber machte daraus, was gut ist, um ein großes Volk zu
erretten (1. Mose 50,20).
Auch wenn Gott uns in
Christus vor allem als der liebende Gott begegnet, dürfen wir nicht vergessen:
Er ist auch der heilige Gott, der dem Sünder zürnt und die Sünde richtet.
Beides gehört also zusammen: Gottes Heiligkeit und Gottes Liebe. Jes. 28,21
zeigt, wie beides zusammen passt: Die Liebe ist Gottes eigentliches Werk,
die sich verbirgt hinter dem fremden Werk Gottes, seinem Zorn. Gottes
Zorn soll den Sünder zu Christus treiben. Daneben aber dürfen wir auch den
strafenden und richtenden Zorn Gottes nicht vergessen.[35]
Wenn Gott der
allmächtige, alleinwirkende Gott ist – wie kann es dann in dieser Welt so viel Leid
und Elend geben? Luther macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass der
Mensch erst zerbrochen werden muss, bevor er Gott finden kann. Gott muss ihm
alle selbstgebastelten Stützen, Hilfen nehmen, alles, woran sein Herz, außer
Gott, hängt. In Leid, Schmerz, Elend soll er so die Ohnmacht der eigenen Kraft
und Gottes wahre Liebe zu ihm erkennen. Denn im Leid zeigt sich Gottes Liebe.
Es gilt aber, in der schlagenden Hand Gottes wirklich die suchende Liebe Gottes
zu erkennen.[36]
Auch Luthers
Geschichtsverständnis gründet in der Alleinwirksamkeit Gottes: Gott sieht und
ordnet alles im Voraus und vollbringt es in der Zeit. Dabei ist Gott selbst
die Regel. Sein allmächtiges Handeln zeigt sich gerade auch darin, dass er
ein Land hebt, stärkt, sich ausbreiten lässt, während er ein anderes Land, das
eben noch in Blüte stand, stürzen lässt, wie wir das an Israel/Juda, an Assyrien, Babylonien und Mazedonien in der Bibel
sehen.[37]
Augenscheinlich scheinen ja wir Menschen die Handelnden zu sein, denken wir nur
an die Großen der Geschichte wie Alexander von Mazedonien oder Hannibal. Und
Gott will auch, dass wir in der Geschichte verantwortlich handelnd tätig
werden. Aber was sind wir Menschen in der Geschichte tatsächlich? Nichts weiter
als Marionetten. Dahinter aber steht die göttliche Leitung, die eben Reiche
fördert oder stürzt, die wir aber nicht sehen.[38]
Gott braucht sie zwar nicht notwendig, aber er hat es beschlossen, durch weltliche
Mächte, Kräfte zu handeln, die Guten zu beschützen, die Bösen zu strafen und
hat daher der Obrigkeit das Schwert gegeben (Röm. 13). Durch sie regiert er
mittelbar die Welt.[39]
Gott ist der Alleinwirkende in der Geschichte – das ist die eine, grundsätzliche
Aussage. In der Geschichte, das sehen wir vordergründig, tobt sich auch die
Bosheit der Menschen, die Bosheit der Welt, tobt sich der Teufel aus und baut
sein Gegenreich auf. So ist auch in der Geschichte Gott nur verborgen am Werk.
Und doch regiert Gott alles und wird am Jüngsten Tag der Geschichte für immer
ein Ende setzen. Was Gott jeweils mit den einzelnen Geschehnissen in der
Geschichte bezweckt, das können wir oft nicht erkennen, zuweilen vielleicht im
Nachhinein.[40]
Luther hat klar und
deutlich die Zweinaturenlehre der Schrift, wie sie
das Konzil von Chalcedon 451 bekannt hat, bejaht. Sein eigentliches Interesse
aber galt besonders der Menschheit Christi, denn sie ist die Offenbarung Gottes
des Vaters. Gott können wir normalerweise nicht sehen (s. 2. Mose 33; 34), aber
in Jesus von Nazareth ist er zu uns gekommen, wahrer Gott und wahrer Mensch in
einer Person. In dem Menschen Jesus von Nazareth wohnt die Fülle der
Gottheit leibhaftig (Kol. 2,9). Gerade an Christi Gehorsam, an seinem
Leiden und Sterben am Kreuz, an seiner erbarmenden Liebe wird die Liebe Gottes
zu uns Menschen deutlich – aber auch sein Zorn über die Sünde, der auch den
eigenen Sohn, der als Gottes Lamm die Sünde der Welt auf sich nahm (Joh. 1,29),
nicht verschonte. In dem Menschen Jesus aber begegnet dir Gott. Und einen
anderen Gott sollen wir nicht haben als eben diesen, der zugleich wahrer Mensch
wurde, auch wenn es aller natürlichen Vernunft widerstreben mag.[41] „An
dem Christus fange deine Kunst und Studieren an, da lass sie auch bleiben und
haften; und wo dich deine eigenen Gedanken und Vernunft oder sonst jemand
anders führt und weist, so tu nur die Augen zu und sprich: Ich soll und will
von keinem andern Gott wissen als in meinem Herrn Christus. Siehe, ist er vom
Vater gesandt, so muss er wahrlich etwas ausrichten und uns zu sagen haben aus
des Vaters Willen und Befehl, dass wir ihn als die Majestät selbst hören
sollen. Nun hören wir kein anderes Wort, als dass er soll der Welt helfen und
uns den Vater zum Freund machen; sehen auch kein anderes Werk, als dass er
dahingeht und solches ausrichtet, predigt, leidet und zuletzt am Kreuz stirbt.
Siehe, da steht mir des Vaters Herz, Wille und Werk offen und erkenne ihn gar;
welches sonst niemand jemals sehen noch treffen kann, wie hoch er steigt und
spekuliert mit eigenen klugen und spitzigen Gedanken.
Wenn du aber solchen
Blick fahren lässt, so musst du anlaufen, erschrecken und zurückfallen, weil du
dich selber außer dem Gnadenblick rückst und in die bloße Majestät gaffst, die
dir zu hoch und zu schwer ist. Denn außer Christus kann die Natur keine Gnade
noch Liebe in Gott sehen noch erlangen; wie denn auch außer ihm nichts als
eitel Zorn und Verdammnis ist.“[42]
Aber dass der Mensch
Jesus von Nazareth zugleich wahrer Gott ist, liegt nicht unbedingt auf der
Hand. Auch hier hat sich Gott wieder verborgen. Nur der Glaube erkennt ihn.
Christus schenkt persönlich alles, was wir brauchen, Frieden, Vergebung,
Rechtfertigung, neues Leben. Aber all das kann eine Kreatur nicht, sondern
allein die göttliche Majestät. Daran erweist er, Jesus von Nazareth, sich als
der Christus, als der wahre Gott. Und so handelt er heute noch, durch Wort und
Sakrament.[43]
Luther schreibt dazu: „O, das ist ein lächerlich Ding, dass der einige Gott,
die hohe Majestät, sollte ein Mensch sein; und kommen hier zusammen beide,
Kreatur und Schöpfer, in einer Person. Da sperrt sich die Vernunft mit allen
Kräften.
Hier sind uns genommen
und gewehrt die klugen Gedanken, damit die Vernunft gen Himmel flattert und
Gott in der Majestät sucht und forscht, wie er im Himmel regiere usw., und das
Ziel hierher gesteckt, dass ich aus der ganzen Welt laufe nach Bethlehem, in
den Stall und die Krippe, das das Kindlein liegt, oder Maria in dem Schoß; das
heißt die Vernunft doch gar gedämpft. Da liegt ein Mensch, der da geboren wird
wie ein anderes Kind und lebt wie ein anderes Kind und führt kein anderes
Wesen, Werk, Gebärde als ein anderer Mensch, dass keinem Menschen jemals ins
Herz fallen könnte, dass die Kreatur soll der Schöpfer selbst sein. Wo sind die
Weisen, die das je hätten erdenken oder in den Sinn nehmen können? Da muss ja
alle Vernunft niederliegen und ihre Blindheit bekennen, dass sie will gen
Himmel klettern und geistliche Dinge untersteht zu messen, und kann doch, das
vor Augen liegt, nicht gewahr werden.“[44]
Entscheidend ist die
Einheit der einen Person mit ihren zwei Naturen, besonders in ihrem göttlichen
Tun, Gehorchen, Lieben, Schaffen, unter gegenseitiger Mitteilung der
Eigenschaften der einen Natur an die andere. Dabei gilt: Was Christus macht,
macht Gott, eben aufgrund der Wesenseinheit von Vater und Sohn.[45]
Für Christi Werk
ist entscheidend, dass er Gottes Wort an uns ist, und zwar bis heute.
Christi Tod für uns
ist a) Urbild dessen, was Gott an uns wirken will, nämlich uns durch den Tod
zur Herrlichkeit bringen. b) Christi Tod macht aber auch deutlich: Christus
trägt unsere Strafe, um unserer Sünde willen, die er als das Lamm Gottes
für uns auf sich genommen und sich dann für uns geopfert hat.[46]
So hat er, gehorchend und liebend, Gottes Zorn für uns überwunden und damit für
uns Frieden gemacht durch sein Blut (Jes. 53). Das ist das alles Entscheidende:
CHRISTUS FÜR UNS (SOLUS CHRISTUS).
Daher ist Christi Tod für
uns a) Gottes Versöhnung. Der heilige und gerechte Gott ist versöhnt,
weil Christus die Strafe getragen hat, die uns gilt. b) So hat Christus für
uns genug getan gegenüber Gott und seinem Gesetz, das er gehorchend und
leidend erfüllt hat, denn er trug Gottes Zorn an unserer Statt.
Aber nur der, der das auch für sich im Glauben ergreift, steht nicht mehr unter
Gottes Zorn. Wer aber im Unglauben verharrt, über dem bleibt der Zorn Gottes
(Joh. 3,36). c) Damit hat er uns erlöst von Schuld und Sünde.
Mit Christi Auferweckung
hat der Vater öffentlich verkündigt, proklamiert, dass er versöhnt ist, dass
Gottes Liebe, nicht Gottes Zorn das letzte Wort hat. a) Damit ist dem Tod seine
Macht genommen (2. Tim. 1,10). b) Nun lebt er aber auch in denen, die ihn im
Glauben empfangen, ergriffen haben, und kämpft in ihnen und mit ihnen gegen die
Sünde. c) So hat der Teufel seine Herrschaft in den Gläubigen verloren, denn
Christus ist ihr HERR.[47]
All dieses Rettungswerk
Gottes ist als solches aber auch wieder für das menschliche Auge, den
menschlichen Verstand an sich nicht begreifbar, ist kein Herrlichkeits-,
sondern ein Kreuzesweg, ist Gottes Rettungswirken verborgen in Schwachheit, in
menschlicher Kreatur, unter scheinbarem Unterliegen, weshalb es dem natürlichen
Menschen ärgerlich ist. „Denn an diesem König und seiner Predigt, der
jedermann sich billig freuen sollte, ärgert sich die ganze Welt. Und ist eben
das der Ärgernisse eins, dass die Welt sich an der Lehre Christi ärgert, dass
sie sich nicht will auf Gottes Gnade, sondern auf ihr eigenes Werk und
Verdienst verlassen. Zum andern ärgert sich die Welt auch in dem an Christus,
dass er so gar arm und elend ist. Ebenso, dass gleich
wie er das Kreuz trägt und sich daran hängen lässt, so ermahnt er auch seine
Christen, ihr Kreuz auf sich zu nehmen und ihm so durch allerlei Anfechtung und
Trübsal nachzufolgen. Solchem ist die Welt zumal feind.
Also ist der liebe Herr
Christus allenthalben in der Welt ein ärgerlicher Prediger. Dem Evangelium geht’s
nimmermehr anders. Es ist und bleibt eine Predigt, daran sich stoßen nicht
geringe Leute, sondern die heiligsten, frömmsten, weisesten, gewaltigsten auf
Erden, wie die Erfahrung mitbringt. Wohl aber denen, die wissen und glauben,
dass es Gottes Wort ist, die sind genesen, getröstet und gestärkt wider alle
solche Ärgernisse.“[48]
So lässt sich
zusammenfassend sagen: Christi Werk ist unsere Erlösung von Sünde, Tod und
Teufel. Damit ist Christus auch der HERR geworden im Leben der Gläubigen.[49]
Wie Luther auch im Großen Katechismus erklärt: „Ich glaube, dass Jesus
Christus, wahrhaftiger Gottessohn, sei mein HERR geworden. Was ist nun das: ein
HERR werden? Das ist’s, dass er mich erlöst hat von Sünde, vom Teufel, vom Tod
und allem Unglück. Denn zuvor habe ich keinen Herrn noch König gehabt, sondern
bin unter des Teufels Gewalt gefangen, zum Tod verdammt, in der Sünde und
Blindheit verstrickt gewesen.“ (GK, Teil II, 2. Art., 27.) „Das sei nun
die Zusammenfassung dieses Artikels, dass das Wörtlein
‚HERR‘ aufs einfältigste so viel heiße wie ein Erlöser, das ist, der uns vom
Teufel zu Gott, vom Tod zum Leben, von Sünde zur Gerechtigkeit gebracht hat und
dabei erhält.“ (GK, Teil II, 2. Art. 31.)
Es gibt daher keinen
anderen Rettungsweg, keine andere Möglichkeit der ewigen Erlösung als allein
Jesus Christus, den der Glaube empfängt, ergreift. „Baue, mache und suche,
was du willst: Wenn es dahin kommt, dass man in ein anderes Leben treten und
aus diesem scheiden soll, so musst du diesen Weg allein ergreifen oder ewig
verloren sein. Denn ‚Ich (spricht er) bin der Weg‘, darauf man zum Vater kommt,
und sonst keiner. Ich, und kein anderer, bin die Wahrheit und das Leben. Da
musst du hin, dass du dich an diesen Mann haltest und fest bei dem Glauben und
Bekenntnis bleibst; und immer denselben geübt im Leiden und Sterben und gesagt:
Ich weiß keine andere Hilfe und Rat, kein Heil noch Trost, keinen Weg noch
Steg, als allein meinen Herrn Christus, für mich gelitten, gestorben,
auferstanden und gen Himmel gefahren. Da bleib ich bei und gehe hindurch, ob
auch eitel Teufel, Tod und Hölle unter und vor mir wären. Denn das ist ja der
rechte Weg und Brücke, fester und gewisser als irgendein steinernes oder
eisernes Gebäude, und müssten eher Himmel und Erde brechen, als dieses sollte
fehlen oder trügen.“[50]
Warum benötigen wir
überhaupt das Wirken des Heiligen Geistes? Nun, Christi Erlösungswerk fand vor
bald 2.000 Jahren statt. Der Heilige Geist nun überbrückt durch sein Werk den
zeitlichen Abstand zwischen dem Werk des fleischgewordenen Christus und uns und
macht uns so das Heil gegenwärtig. Das heißt: Ohne den Heiligen Geist
wäre es für uns unmöglich, zu Gott, zu Christus zu kommen. Das hat Luther ja sehr
klar auch in der Auslegung des dritten Glaubensartikels im Kleinen Katechismus
ausgeführt: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an
Jesus Christus, meinen HERRN, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der
Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben
erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.“ Und im Großen Katechismus: „Denn weder du
noch ich könnten jemals etwas von Christus wissen noch an ihn glauben und ihn
zum HERRN kriegen, wo es nicht durch die Predigt des Evangeliums von dem
Heiligen Geist würde vorgetragen und uns in den Busen geschenkt. Das Werk ist
geschehen und ausgerichtet; denn Christus hat uns den Schatz erworben und
gewonnen durch sein Leiden, Sterben und Auferstehen usw. Aber wenn das Werk
verborgen bliebe, dass niemand wüsste, so wäre es umsonst und verloren. Dass nun solcher Schatz nicht
begraben bliebe, sondern angelegt und genossen würde, hat Gott das Wort
ausgehen und verkündigen lassen, darin den Heiligen Geist gegeben, uns solchen
Schatz und Erlösung heimzubringen und zueignen. Darum ist das Heiligen nichts
anderes, als zu dem HERRN Christus bringen, solches Gut zu empfangen, dazu wir
von uns selbst nicht kommen könnten.“ (GK, Teil II, 3. Art. 38-39.) Das
drückt gleichzeitig auch deutlich aus, dass unser Heil in keiner Weise von
menschlicher Vorleistung abhängt.
Wie aber geschieht nun
das Wirken des Heiligen Geistes? Nun, er wirkt nicht unmittelbar auf die
Menschen, sondern durch das Wort (und Sakrament, bei dem aber auch das Wort das
Entscheidende ist).[51]
In den Schmalkaldischen Artikeln hat der Reformator es unmissverständlich
dargelegt: „Darum sollen und müssen wir darauf beharren, dass Gott nicht
will mit uns Menschen handeln als durch sein äußerliches Wort und Sakrament.
Alles aber, was ohne solches Wort und Sakrament vom Geist gerühmt wird, das ist
der Teufel.“ (Teil III, Art. 8, 10.) Das ist umso wichtiger, weil wir
Christus ja nur im Wort haben. Das alles heißt: Der Heilige Geist ist im
Wort Gottes wirkend gegenwärtig, wie es auch Joh. 6,63 und Jes. 55,10-11
dargelegt ist. Es muss, damit das Wort kräftig, wirkmächtig ist, nicht erst
noch etwas von außen hinzugetan werden. So wirkt der Heilige Geist durch das
Wort auf das Herz des Menschen, dass er das Wort nicht nur äußerlich, mit den
Ohren, hört, sondern auch innerlich, also mit dem Herzen, mit dem Gewissen und
dann dem Verstand und Willen, vernimmt und ergreift, es also geistlich versteht
(„inneres Wort“. Denn der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes,
es ist ihm eine Torheit, und kann es nicht erkennen, denn es muss geistlich
gerichtet sein. 1. Kor. 2,14.) Das heißt: Der Heilige Geist begründet den
Glauben durch die Schrift. Er ist es, der es macht, dass die Schrift als
Gottes Wort eine Leben schaffende und erhaltende Macht, Kraft ist und uns so zu
Christus führt und bei ihm erhält (s.a. Röm. 1,16-17; 10,14-17; 1. Petr. 1,23;
Jak. 1,18). Auch das drückt Luther ja in dem schon angeführten Auszug aus der
Erklärung zum dritten Glaubensartikel aus. In den Schmalkaldischen Artikeln
führt er weiter dazu aus: „Und in diesen Stücken, so das mündliche,
äußerliche Wort betreffen, ist fest darauf zu bleiben, dass Gott niemand seinen
Geist oder Gnade gibt außer durch oder mit dem vorhergehenden äußerlichen
Wort.“ (Teil III, Art. 8, 3.) In all dem erweist sich der Heilige Geist als
der, der er ist: wahrer Gott.[52]
Und wie macht er das, der Heilige Geist? „Gleichwie der Sohn die Herrschaft
überkommt, dadurch er uns gewinnt, durch seine Geburt, Sterben und Auferstehen usw.,
so richtet der Heilige Geist die Heiligung aus durch die folgenden Stücke, das
ist durch die Gemeinde der Heiligen oder christliche Kirche, Vergebung der
Sünden, Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben, das ist, dass er uns erstlich führt in seine heilige Gemeinde und in der Kirchen
Schoß legt, dadurch er uns predigt und zu Christus bringt.“ (GK, Teil. II,
3. Art., 37.)
Luther hat sich, das
machen die voraufgehenden Abschnitte deutlich, klar zur Trinität, zu heiligen
Dreieinigkeit, zur Dreieinheit Gottes bekannt, dazu, dass jede Person die ganze
Gottheit ist und Gottes Wirken ein trinitarisches Wirken: Das Wort Gottes ist
Christus, der wirkt durch den Heiligen Geist. Die Kirche ist das Volk Gottes,
gleichzeitig der Leib Christi und Bau und Tempel des Heiligen Geistes.[53]
Auch das hat er kurz in den Schmalkaldischen Artikeln dargelegt, worüber auch
im Grundsatz damals kein Streit war: „Dass Vater, Sohn und Heiliger Geist,
in Einem göttlichen Wesen und Natur, drei unterschiedliche Personen, ein
einiger Gott ist, der Himmel und Erden geschaffen hat.“ (Teil I, 1.)
Die Scholastik ging, im
Rückgriff auf die heidnische griechische Philosophie, von einem Dualismus zwischen
Leib und Seele aus. Luther aber hatte den ganzen Menschen im Blick.
Grundlegend für das
Verständnis des Menschen ist das rechte Verständnis von der Erbsünde. Sie ist
nicht nur, wie Rom und auch die Ostkirche behaupten, ein Fehlen der
ursprünglichen Gottebenbildlichkeit, sondern vielmehr eine abgrundtiefe
Verdorbenheit der gesamten Menschen Natur. Die Grundsünde ist dabei der
Unglaube, der aus dem Zweifel an Gottes Wort kommt. (Der Zweifel, das muss der
moderne Mensch sich sagen lassen, ist also nicht etwas Gutes, Wichtiges,
sondern ist Sünde, denn wir haben Gottes festes prophetisches Wort. Aber auch
mit dieser Sünde dürfen wir zu ihm kommen, auch für sie hat Christus sein Blut
vergossen.) Das führt dann zum Abweichen von Gottes Geboten und zeigt sich
unter anderem in bösen Begierden, in falscher Selbstgenugsamkeit
(nämlich Ichzentriertheit), in Hochmut, Habgier und Geiz. Dabei ist auch der
Fromme selbst bei seinen besten Werken nicht frei von Sünde. Es geht bei der
Erbsünde um unsere Stellung vor Gott. Die Erbsünde ist dabei gemäß Psalm 51
die angeborene Verdorbenheit des Menschen, die sich dann zeigt in allen
bewussten und unbewussten Willensäußerungen. „Solche Erbsünde ist so gar eine tiefe böse Verderbung
der Natur, dass sie keine Vernunft kennt, sondern muss aus der Schrift
Offenbarung geglaubt werden, Ps. 51; röm. 5; 2. Mose 33; 1. Mose 3. Darum sind
das eitel Irrtum und Blindheit gegen diesen Artikel, dass die Schultheologen
gelehrt haben, nämlich: ‚Dass nach dem Erbfall Adams des Menschen natürliche
Kräfte sind ganz und unverderbt geblieben und der
Mensch habe von Natur eine rechte Vernunft und guten Willen, wie die
Philosophen solches lehren. Ebenso, dass der Mensch habe einen freien Willen,
Gut es zu tun und Böses zu lassen, und wiederum Gutes zu lassen und Böses zu
tun. … Ebenso, wenn ein Mensch tut, so viel an ihm ist, so gibt ihm Gott gewiss
seine Gnade.“ (Schmalk. Art., Teil. III, Art.
1,3-8.) Der Mensch wird also als Sünder geboren – und weil er Sünder ist, darum
sündigt er; er wird nicht erst durch (bewusste) sündhafte Handlungen zum
Sünder. Dieses abgrundtiefe Verderben aber erkennt die Vernunft von sich aus
nicht; das kann uns nur Gottes Wort deutlich machen.[54]
Luther stellte sich damit klar gegen Rom, das behauptete, es gäbe noch
natürliche Kräfte im Menschen, die unverdorben geblieben seien, der Wille könne
recht nach dem tun, was die Vernunft erkenne. „Unmöglich ist’s gewesen, dass
sie sollten recht von der Buße lehren, weil sie die rechten Sünden nicht
erkannten. Denn (wie droben gesagt), sie halten von der Erbsünde nicht recht,
sondern sagen, die natürlichen Kräfte des Menschen seien ganz und unverderbt geblieben, die Vernunft könne recht lehren und
der Wille könne recht darnach tun, dass Gott gewiss seine Gnade gibt, wenn ein
Mensch tut, so viel an ihm ist, nach seinem freien Willen. Hieraus musste nun
folgen, dass sie allein die wirklichen Sünden [Tatsünden] büßten, wie
böswillige Gedanken, (denn die böse Bewegung, Lust, Reizung war nicht Sünde),
böse Worte, böse Werke, die der freie Wille wohl hätte können lassen.“ (Schmalk. Artikel, Teil III, 3. Art. 10-11.)
Die Erbsünde ist also ein
reales Verderben von Leib und Seele und endet erst mit dem Tod. Ursprünglich
war der Mensch in Gottebenbildlichkeit erschaffen, also vollkommen und heilig.
Die Erbsünde betrifft also nicht nur bestimmte Teile des Menschen, nicht nur
niedere Seelenkräfte, wie die Scholastik behauptete, sondern wahrhaft den
ganzen Menschen durch und durch und wird auch nicht, wie die Scholastik meinte,
mit der Taufe getilgt. Die Taufe nimmt die Erbschuld, aber das Erbverderben
haftet am Menschen bis zu seinem Tod. Die verbleibende böse Lust ist, wie Röm.
7,7 deutlich macht, wahrhaft Sünde. Darum ist der Wiedergeborene Mensch
Gerechter und Sünder zugleich (simul iustus et peccator). Durch den
täglichen konsequenten Kampf gegen die Sünde und entschiedenes Leben mit Gott
wird aber die Macht der Erbsünde im Menschen abnehmen. So ist also der
Wiedergeborene im Glauben an Christus ganz und gar gerecht, der menschlichen
Natur nach aber weiterhin auch ganz und gar Sünder, also geistlich zwei
Menschen in einer Person – und ist doch nur ein ganzer Mensch.[55]
Die Frage nach der Freiheit bzw. Unfreiheit
des Willens ist von entscheidender Bedeutung zum rechten Verständnis der
biblischen Sicht vom Menschen und damit auch von der Rechtfertigung des
Sünders. In Bezug auf die Erlösung fehlt dem natürlichen Menschen jeglicher freier Wille. Freiheit in diesem Sinn ist eine
göttliche Eigenschaft, die nur Gott selbst zukommt. Luther hat dies sehr
deutlich gegen Erasmus artikuliert, der in Übereinstimmung mit Rom behauptete,
der Mensch habe die Fähigkeit sich für oder gegen die Gnade zu entscheiden.
Luther dagegen hat mit der Bibel unterstrichen, dass in geistlicher Hinsicht
der „freie Wille“ eine Illusion ist. Die Errettung eines Menschen hängt zu
keinem noch so geringen Teil an ihm, sondern ist allein in Gottes
Gnadenwillen gegründet, der alles wirkt. Die Forderungen der Schrift an den
Sünder, auf denen Erasmus seine Argumentation unter anderem aufbaute, dienen
nicht dazu, dass der Mensch sich vorbereite auf die Gnade oder sie sich
verdiene oder mit ihrer Hilfe sich den Himmel erwerbe, sondern vielmehr dazu,
dass der Mensch, eben durch das Gesetz, zu einer klaren Erkenntnis seines
geistlichen Unvermögens, seiner gänzlichen Verderbtheit kommt. Es ist daher
wichtig, dass wir auch deutlich unterscheiden, was Gesetz und was Evangelium
ist. Genau das hat Erasmus in seinen Ausführungen versäumt und daher das
Evangelium vergesetzlicht.[57]
„Aber unsere Diatribe unterscheidet wiederum gar nicht zwischen den Worten
des Gesetzes und der Verheißung, macht diesen Spruch Hesekiels zu einem Wort
des Gesetzes und legt ihn so aus: ‚Ich will nicht den Tod des Sünders’, d.i.
ich will nicht, dass er tödlich sündigt oder ein des Todes schuldiger Sünder
werde, sondern vielmehr, dass er sich von der Sünde bekehre, wenn er eine getan
hat, und also lebe. Denn wenn sie nicht also auslegte, würde sie nichts zur
Sache vorbringen. Dies aber heißt ganz und gar jenes süße Wort Hesekiels: ‚Ich
will nicht den Tod’ umkehren und beseitigen.“ [58]
Damit wies
Luther eindeutig Roms Behauptung zurück, es gäbe ein „Verdienst nach
Billigkeit“ als Vorbereitung auf die Gnade. Diese Irrlehre ist verbunden mit
der Behauptung, die Freiheit sei eine Fähigkeit zu tun, was in geistlicher
Hinsicht gut ist, zwischen Gut und Böse zu wählen. In geistlichen Dingen aber
ist das völlig unmöglich, da der natürliche Mensch vor der Wiedergeburt
geistlich tot ist. Nur in weltlichen Dingen hat die Vernunft eine gewisse
Freiheit der Entscheidung, in geistlichen Dinge nicht.
Der natürliche Mensch ist also in Knechtschaft unter der Sünde, weshalb
seine Erlösung ganz und gar Gottes Werk sein muss.[59] Das heißt doch: Der
Mensch kann ohne die Gnade nur Böses tun. „Ebenso, wenn wir glauben, dass die Erbsünde uns also verderbt hat, dass
sie auch denjenigen, die vom Geiste getrieben werden, durch den Kampf gegen das
Gute außerordentlich viel zu schaffen macht, so ist es klar, dass in dem
Menschen, der den Geist nicht besitzt, nichts übrig ist, das sich zum Guten
wenden könne, sondern nur zum Bösen. Ebenso, wenn die Juden, die unter
Anstrengung aller Kräfte der Gerechtigkeit nachtrachteten, vielmehr der
Ungerechtigkeit anheim fielen, und die Heiden, die
nach der Gottlosigkeit trachteten, umsonst und unverhofft zur Gerechtigkeit
gelangten, so ist es abermals durch das greifliche
Werk und die Erfahrung offenbar, dass der Mensch ohne die Gnade nur Böses wollen
kann. Aber in Summa, wenn wir glauben, dass Christus die Menschen durch sei
Blut erlöst hat, so müssen wir bekennen, dass der ganze Mensch verloren gewesen
ist; wir werden sonst Christus überflüssig oder zum Erlöser des wertlosesten
Teiles machen.“[60]
Damit macht Luther deutlich klar, dass der natürliche, nichtwiedergeborene
Mensch geistlich tot ist, nichts, gar nichts tun kann, was zu seiner Errettung
beitragen könnte, Gott auch gar nicht lieben, nicht an ihn glauben, ihm nicht
dienen kann, sondern dass er vielmehr einer geistlichen Auferweckung, Lebendigmachung bedarf, die nur von außen, eben durch Gott,
kommen kann. Das heißt: Aus sich selbst kann niemand sein
Leben bessern oder gute Werke tun. Aber die
Auserwählten werden anfangen, genau dies durch den Heiligen Geist zu tun. „Wer,
sagst du, wird sich befleißigen, seien Leben zu bessern? Ich antworte: Kein
Mensch, und keiner wird es auch können; denn um deine ‚Verbesserer’, die den
Geist nicht haben, kümmert sich Gott gar nichts, da sie Heuchler sind. Es
werden aber die Auserwählten und Frommen durch den heiligen Geist gebessert,
die übrigen gehen ungebessert zu Grunde. ... Du
sagst, wer wird glauben, dass er von Gott geliebt werde? Ich antworte: Kein
Mensch wird es glauben; er wird es auch nicht glauben können; die Auserwählten
aber werden glauben, die übrigen werden ohne zu glauben untergehen, wider Gott
zürnend und ihn lästernd, so, wie du hier es tust.“[61]
Die Lehre aber vom unfreien Willen wird auch
zu einer rechten Haltung des durch die Schrift erleuchteten Menschen führen,
nämlich dass er sich recht vor Gott demütigt als einer, der auch weiß, dass er
Gott nichts, wirklich gar nichts, bringen kann. Denn wer weiß, dass alles an
Gottes Willen hängt, der verzweifelt an sich selbst und seinen eigenen Fähigkeiten
und Möglichkeiten und erwartet richtig alles von Gott. „Wer aber gar nicht
daran zweifelt, dass alles am Willen Gottes hänge, der verzweifelt völlig an
sich selbst, wählt nichts aus, sondern erwartet den Gott, der da wirkt; der ist
am nächsten der Gnade, dass er gerettet wird. Darum wird um der Auserwählten
willen dies gepredigt, damit sie also gedemütigt und vernichtet gerettet
werden; die übrigen widerstreben dieser Demütigung, ja, sie verurteilen es
sogar, dass diese Verzweiflung an sich selbst gelehrt wird, und sie wollen,
dass etwas noch so Geringes ihnen belassen werde, das sie selbst ausrichten
können. Diese bleiben heimlich stolz und Gegner der Gnade Gottes. Das ist, sage
ich, der eine Grund: dass die Frommen die Verheißung der Gnade gedemütigt
erkennen, anrufen und annehmen.“[62]
Genau das ist übrigens der Punkt, um den es bis heute in der Auseinandersetzung
mit den Synergisten aller Schattierungen geht, gerade
auch im evangelikalen Raum (Entscheidungstheologie!), die ja entweder ganz und
gar von einem freien Willen reden (z.B. Werner Gitt)
oder doch zumindest einen kleinen Raum dem menschlichen Zutun lassen wollen und
nicht das pure passive des Menschen in der Bekehrung bekennen wollen (z.B.
Siegfried Kettling).
Der Weg, der hier von der Bibel uns
vorgezeichnet ist, ist der Weg des Kreuzes, der im Glauben zu gehen ist, denn
Gott verbirgt seine Güte unter Zorn, seine Gerechtigkeit unter Ungerechtigkeit;
er macht lebendig, indem er uns tötet; der Gott ist gerecht, der uns eigentlich
verdammen muss.
Daher: Das, was mit uns geschieht, das
geschieht nicht aus freiem Willen heraus, sondern aus Notwendigkeit. Wer nicht
von Gott wiedergeboren ist durch das Evangelium, der ist notwendig böse und handelt
notwendig böse, er kann gar nicht anders, denn nicht wir, nur Gott in uns wirkt
in und durch uns Gutes. Darum: Ohne Gott kann ein Mensch notwendig – nicht
gezwungenermaßen – nur Böses tun, und tut es dabei aus freien Stücken, mit
willfährigem Willen. Und aus eigener Kraft kann ein Mensch das Böse nicht
lassen, es bleibt der böse Wille, die böse Lust.
Es geht dabei auch um Gottes Gottheit und
das rechte Verständnis von Gott, wie es Luther in seiner Auseinandersetzung mit
Erasmus hervorgehoben hat. Gott wirkt allerdings alles in allen, 1. Kor. 12,6,
und ohne ihn geschieht nichts, denn er ist allmächtig. Deshalb wirkt er
notwendig auch im Satan und im Gottlosen. Aber das, was sie tun können, das ist
nur Böses. „Er wirkt aber in ihnen so, wie sie sind und wie er sie findet,
d.h. da sie sich abgewandt haben und böse sind und von jener Wirkung der
göttlichen Allmacht fortgerissen werden, so tun sie nur, was von Gott abgewandt
ist.“[63]
Gott reicht ihnen also Kraft, Vermögen, Energie bei – aber sie gebrauchen diese
Gaben zum Bösen, weil sie böse sind. Es geschieht also Böses, aber Gott ist es
nicht, der böse handelt. Die Bösen aber, die da Böses tun,
müssen mit diesem ihrem Tun ihm dennoch als Werkzeuge, zum Guten, dienen, denke
nur an die Brüder Josephs. Es verschulden also die Werkzeuge, die Gott nicht
müßig sein lässt, dass Böses geschieht, indem Gott selbst in Bewegung setzt,
nicht anders, wie wenn ein Zimmermann mit einem schartigen und stumpfen Beil
schlechte Hiebe macht. Daher kommt es, dass der Gottlose immer irrer und
sündiger werden muss, weil er, von der göttlichen Macht fortgerissen, nicht
müßig belassen wird; er muss demnach so wollen, wünschen und handeln, wie er
ist.“[64]
Natürlich taucht dann die Frage auf: Warum
ändert Gott in seiner Allmacht nicht den bösen Willen von uns Menschen, etwa
den des Pharaos, der die Israeliten ausrotten wollte? Er hebt hervor, dass wir hier auf das Geheimnis Gottes treffen, das wir nicht erforschen können, sondern uns nur darunter
beugen und Gott anbeten, denn Gott ist in seinem Wirken letztlich für uns
unbegreiflich. „Doch warum ändert er nicht zugleich die bösen Willen, die er
bewegt? Das gehört zu den Geheimnissen der Majestät, da seine Gerichte
unbegreiflich sind. Und es ist nicht unsere Aufgabe, dies zu erforschen, sondern
vielmehr, diese Geheimnisse anzubeten.“ Hier bleibt Gott einfach für uns
unbegreiflich und verborgen. Wir sollen uns dagegen an den geoffenbarten Gott
halten, wie er uns in der Schrift begegnet, insbesondere in Jesus Christus.
Darum, als Gott auf Pharao einwirkte, hatte dies eben nicht die Wirkung, dass
Pharao, der im Bösen sich verhärtet hatte, besser wurde, sondern vielmehr wurde
er nur noch böser: „… durch die
natürliche Wirkung Gottes wird er getrieben, natürlich zu wollen, wie er eben
beschaffen ist – er ist aber böse –; und deswegen muss er gegen das Wort
anlaufen und verhärtet werden.“[65]
Das Wort Gottes ist in
allem entscheidend, auch in den Sakramenten, wie Luther bei jedem der Sakramente
im Kleinen Katechismus hervorhebt, etwa beim Abendmahl, dass das Wort neben dem
Essen und Trinken das Hauptstück im Sakrament ist. Er bezeichnet die Sakramente
auch als „verba visibilis“
oder „sichtbare Worte“. Welchen Sinn aber haben die Sakramente neben dem Wort?
Während das Wort allgemein ausgestreut wird, über die Menge geht, dienen die
Sakramente dem persönlichen Gnadenzuspruch. Bei ihnen geht es um die
persönliche Heilsgewissheit.[66]
Sie sind wohl gültig, unabhängig vom Glauben oder Unglauben des Spendenden wie
des Empfangenden, aber die geistliche Gabe des Sakraments wird allein durch den
Glauben empfangen. Deshalb hat Luther das opus operatum Roms konsequent abgelehnt, weil es da nicht nur um
die objektive Gültigkeit des Sakraments geht, sondern der Vollzug des
Sakraments als eine an sich verdienstliche Handlung, Leistung betrachtet wird,
während der Glaube außen vor gelassen wird.[67]
In der Auseinandersetzung
mit Rom hat Luther in klarem Rückgriff auf die Bibel von den angeblich sieben
Sakramenten nur zwei beibehalten, nämlich Taufe und Abendmahl, weil nur sie zu
unserem Heil von Christus eingesetzt wurden, nur sie ein äußeres Zeichen haben
und eine damit verbundene, von Christus befohlene Handlung, alles verbunden mit
einer Verheißung zu unserer Erlösung. „Zunächst muss ich die Siebenzahl der
Sakramente leugnen und weiß zur Zeit nur ihrer drei zu
behaupten, die Taufe, die Buße und das Brot. Ich behaupte, dass uns diese alle
durch die römische Kurie in jämmerliche Gefangenschaft geführt und die Kirche
all ihrer Freiheit beraubt sei.“[68]
Nach seiner gründlichen Arbeit über die Sakramente anhand der Schrift ist er
dann bei zwei Sakramenten geblieben, Taufe und Abendmahl. Er sagt auch klar
aus, was ein Sakrament ist: „Wir haben gesagt, in jedem Sakrament habe man
ein Wort göttlicher Verheißung, welchem der glauben müsse, der das Zeichen
empfängt; aber das Zeichen allein könne kein Sakrament sein.“[69]
Nicht jegliche Verheißung ist also ein Sakrament, sondern nur diejenige, die
Christus mit einem Zeichen verbunden hat: „Doch hat es beliebt, im
eigentlichen Sinn nur diejenigen Verheißungen Sakramente zu nennen, mit
denen Zeichen verknüpft sind. … Daraus folgt, dass es, wenn wir es mit dem
Sprachgebrauch ernst nehmen, nur zwei Sakramente in Gottes Kraft gibt, die
Taufe und das Brot, da wir nur bei diesen beiden das von Gott gestiftete
Zeichen wie die Verheißung der Sündenvergebung finden. Denn das Sakrament der
Buße, das ich diesen beiden zugezählt habe, entbehrt des sichtbaren und von
Gott gestifteten Zeichens und ist, wie gesagt, nichts anderes als der Weg und
die Rückkehr zur Taufe.“[70]
Auch für die Sakramente
gilt, wie für die gesamte Kirchengewalt: Sie sind allen an Christus
Gläubigen durch die Wiedergeburt zur Verwaltung anvertraut. Ordentlicherweise aber übt die öffentliche Verwaltung
derjenige aus, der von der Christenschar, gewöhnlich der Ortsgemeinde als der
direkten, unmittelbaren Christenversammlung um Wort und Sakrament, dazu berufen
wurde. In Notfällen kann dies aber auch durch jeden Nichtordinierten geschehen.
„Das erste aber und das allerhöchste, daran alle
anderen haften und hangen, ist lehren das Wort Gottes. Denn mit dem Wort lehren
wir, segnen, binden und entbinden, taufen, opfern, richten und urteilen alles;
so dass wir, wem wir das Wort befehlen, demselben mögen mitnichten versagen
alles, was einem Priester zugebührt. Nun aber
dasselbe Wort ein gemein Ding aller Christen ist, wie Jesaja sagt Kap. 53,13:
‚Ich werde allen deinen Söhnen geben, dass sie von Gott gelehrt sollen sein.’
Dies sind aber, die von Gott gelehrt sind, die es hören und lernen vom Vater,
wie Christus Joh. 6, V. 45 auslegt. ‚Das Hören geschieht aber durch das Wort’
Christi, zu den Römern 10, V. 17, damit dieses Lob bestehe im 149. Psalm, V. 5:
‚Dies ist der Preis aller seiner Heiligen.’ Welcher? ‚Die Freude an Gott in
ihren Kehlen, zweischneidige Schwerter in ihren Händen, sich zu rächen an den Geschlechten, zu strafen die Völker und zu binden ihre
Könige mit Fesseln und ihre Edelsten mit eisernen Handbanden, dass sie in ihnen
vollbringen das beschriebene Gericht’ etc. (nach der Vulgata).
Zum ersten, dass nun das erste Amt, nämlich das Amt in Gottes Wort,
allen Christen gemeinsam sei, beweist auch überdies, wie gesagt ist, dieser
Spruch 1. Petr. 2,9: ‚Ihr seid das königliche Priestertum, dass ihr verkündigen
sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem
wunderbaren Licht.’ Ich bitte euch, welche sind doch die Berufenen von der
Finsternis in das wunderbare Licht? Sind es allein die beschorenen
und gesalbten Larven? Oder sind es nicht alle Christen? Petrus aber gibt ihnen
nicht allein das Recht, sondern auch ein Gebot, ‚dass sie verkündigen sollen
die Tugenden Gottes’; welches fürwahr nichts anderes ist, als predigen das Wort
Gottes. … Und sagen das nicht darum, dass
man u n s glauben müsse; sondern bezeugen das durch die
Worte und Zeugnisse Christi, der also an dem Abendessen gesprochen hat: ‚Das
tut zu meinem Gedächtnis.’ Denn es wollen auch die beschornen
Papisten selbst, dass durch diese Worte Christi alle Priester gemacht und die
Gewalt zu segnen verliehen. Nun hat er diesen Spruch zu allen den Seinen
gesagt, die dazumal gegenwärtig waren, von diesem Brot und Wein aßen und
tranken, auch zu allen denen, die hernach künftig von diesem Brot und Wein
essen und trinken würden. Aus dem folgt: Was daselbst ist verliehen worden, das
ist allen verliehen worden.“[71]
Die Taufe geschieht in
Gottes Namen, das heißt, Gott selbst handelt in der Taufe mit dem Täufling
und nimmt ihn in Gottes Gemeinschaft auf. „Denn in Gottes Namen getauft
werden ist nicht von Menschen, sondern von Gott selbst getauft werden. Darum,
ob es gleich durch des Menschen Hand geschieht, so ist es doch wahrhaftig
Gottes eigenes Werk; daraus ein jeglicher wohl schließen kann, dass es viel
höher ist als irgendein Werk, von einem Menschen oder Heiligen getan. Denn was
kann man für ein Werk größer machen als Gottes Werk?“ (GK, Teil 4, 10.) Die
Taufe, gerade als Säuglingstaufe, steht am Anfang des Lebens und markiert damit
sehr deutlich, dass der Mensch nichts zu Gottes Gnaden hinzutun kann.
Die Taufe gehört also zum schenkenden Tun Gottes. Was aber wirkt Gott in
der Taufe? In Röm. 6 wird es deutlich gemacht: Der alte Mensch wird in der
Taufe mit Christus gekreuzigt, ein neuer Mensch kommt aus der Taufe hervor. In
der Taufe werden, Apg. 22, die Sünden abgewaschen, sie ist daher das Bad der
Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes (Tit. 3,4 ff.), gibt, wie
Luther im Kleinen Katechismus sagt, Vergebung der Sünden. „Darum fasse es
aufs Allereinfältigste so, dass dies der Taufe Kraft, Werk, Nutzen, Frucht und
Ziel ist, dass sie selig mache. Denn man tauft niemand darum, dass er ein Fürst
werde, sondern, wie die Worte lauten, dass er selig werde. Selig werden aber
weiß man wohl, dass es nichts anders heiße als von Sünden, Tod, Teufel erlöst,
in Christi Reich kommen und mit ihm ewig leben.“ (GK, Teil 4, 24-25.) Aber
all diese geistlichen Gabe, Tod des alten Menschen, Auferstehen des neuen Menschen,
Vergebung der Sünden und damit ewiges Leben, all das hat durch die Taufe nur
derjenige, der diese Dinge durch den rechtfertigenden Glauben an Christus
empfängt. Die Taufe ist also das Unterpfand der Gnade. Aber: Ohne den Glauben
kann jemand 20mal getauft sein und hat dennoch nichts erlangt.[72] „Der
Glaube macht die Person allein würdig, das heilsame göttliche Wasser nützlich
zu empfangen. Denn weil solches allhier in den Worten
bei und mit dem Wasser vorgetragen und verheißen wird, kann es nicht anders empfangen
werden, als dass wir solchs von Herzen glauben. Ohne
Glauben ist es nichts nütze, ob es gleich an sich selbst ein göttlicher
überschwänglicher Schatz ist.“ (GK, Teil 4,32-34.) Aber der Glaube macht
die Taufe nicht, er empfängt sie nur (GK, 4.Teil, 53). Sie wird daher nicht
unrecht, wenn sie nicht sogleich im Glauben empfangen wird; die Person soll sie
dann später im Glauben ergreifen. Geschieht das aber nicht, wird sie ihm zum
Gericht dienen; dass der Täufling einen „unverlierbaren Charakter“ bekäme, wie
Rom lehrt, hat Luther mit der Bibel klar abgelehnt. Die Taufe geschieht also
nicht auf der Grundlage des Glaubens, sondern des Wortes Gottes. „Ich komme
her in meinem Glauben und auch der andern, dennoch kann ich nicht darauf bauen,
dass ich glaube und viele Leute für mich bitten, sondern darauf baue ich, dass
es dein Wort und Befehl ist; gleichwie ich zum Sakrament gehe, nicht auf meinen
Glauben, sondern auf Christi Wort, ich sei stark oder schwach, das lass ich
Gott walten.“ (GK, Teil 4, 56.)
Auch hier in der Taufe
ist das Wort wieder das entscheidende Ding: „Denn das ist der Kern in dem
Wasser, Gottes Wort oder Gebot und Gottes Namen, welcher Schatz größer und
edler ist als Himmel und Erde.“ (GK, Teil 4, 16.) Luther hat sich dabei
sowohl gegen Thomas von Aquin und die römische Behauptung gewandt, dass dem
Taufwasser eine besondere Kraft innewohne, wie auch den Schwärmern, die der
Taufe keine weitere Bedeutung zuwiesen, besonders sie als Gnadenmittel
leugneten (wie das bis heute fast durchweg alle Refomierten
und Evangelikalen machen). Nicht das Wasser an sich wirkt, sondern das Wort im
Wasser.
Luther hat entschieden an
der Säuglingstaufe festgehalten. „Von der Kindertaufe halten wir,
dass man die Kinder taufen solle. Denn sie gehören auch zu der verheißenen
Erlösung, durch Christus geschehen, und die Kirche soll sie ihnen reichen.“
(Schmalk. Art., Teil III, 5. Art., 4.) Warum? In Luk.
1,44 erkannte er, dass Gott es ist, der den Glauben schenkt. Der Glaube ist
also kein Produkt der menschlichen Vernunft, des menschlichen Verstandes,
sondern Gottes Geschenk. Dann hat Christus Mark. 10,13 ff. klar gemacht, dass
er will, dass die Kinder zu ihm gebracht werden. Er hat aber nicht eine
(Kinder-)Segnung eingesetzt, um den Kindern reichen geistlichen Segen zukommen
zu lassen, sondern die heilige Taufe (Matth.
28,18-20). Wir haben Hinweise in Apg. 16 (Taufe ganzer Häuser), dass sie schon
in der Zeit der Apostel geübt wurde und über die Jahrhunderte weiter gegangen
ist, sonst wäre ja schier die Kirche nicht vorhanden gewesen. Es gilt auch zu
bedenken, dass jeder, der aus dem Fleisch geboren ist, Fleisch ist (Joh. 3,6),
und das betrifft zunächst einmal jeden Menschen. Jeder muss also geistlich neu
geboren werden, wozu die Taufe ein Mittel ist, bei den Säuglingen das einzige
Mittel.[73]
Die Taufe, und das hat
Luther schon früh in seinem „Sermon von der Taufe“ ausgeführt, ist nicht nur so
ein einmaliger Akt, der danach keine Bedeutung mehr hat. Vielmehr gilt es
gerade, aus der Taufe zu leben, also das, was in der Taufe grundsätzlich
geschehen ist und gegeben wurde, nun auch im alltäglichen Leben umzusetzen.
Daher heißt es im vierten Unterabschnitt im Kleinen Katechismus: „Was
bedeutet denn solch Wassertaufen? Antwort: Es bedeutet, dass der alte Adam in
uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen
Sünden und bösen Lüsten, und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein
neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor
Gott lebe.“ (KK, IV,11-12.) Buße tun heißt also: in die Taufe zurückkehren.
„Denn was heißt Buße anders, als den alten Menschen mit Ernst angreifen und
in ein neues Leben treten? Darum, wenn du in der Buße lebst, so gehst du in der
Taufe, welche solches neue Leben nicht allein deutet, sondern auch wirkt, anhebt
und treibt; denn darin wird gegeben Gnade, Geist und Kraft, den alten Menschen
zu unterdrücken, dass der neue hervor komme und stark werde.“ (GK, Teil 4,
75-76.)
Auch beim Abendmahl geht
es darum, den Empfänger der Vergebung persönlich gewiss zu machen. Dazu
empfängt er unter dem Brot den Leib, den Christus für ihn dahingegeben, unter
dem Wein das Blut, das Christus für ihn auf Golgatha vergossen hat. Luther
hat gerade die Realpräsenz von Leib und Blut Christi in, mit und unter Brot und
Wein sehr betont, und zwar, wie er schon in der „Babylonischen Gefangenschaft
der Kirche“ darlegte, aufgrund der Einsetzungsworte. „Das Wort (sage ich)
ist das, das dies Sakrament macht und unterscheidet,
dass es nicht laut er Brot und Wein,
sondern Christi Leib und Blut ist und heißt.“ (GK, Teil 5, 10.) „Denn
auf den Worten steht alle unser Grund, Schutz und Wehre wider allen Irrtum und
Verführung, so je gekommen sind oder noch kommen mögen.“ (GK, Teil 5, 19.)
Denn „ist“ kann nicht „bedeutet“ meinen, sondern nur „ist“. Und selbst wenn da
im Hebräischen und Griechischen das Wort selbst nicht steht, dann eben nur
deshalb, weil das die Art und Weise ist, wie in diesen Sprachen im Präsens
„ist“ ausgedrückt wird. Ein anderes Wort (etwa „bedeutet“) hätte ausgesprochen
werden müssen. Realpräsenz meint dabei tatsächlich „praesentia
in rebus“, also substantielle Gegenwart von Leib und
Blut unter Brot und Wein, also in den Elementen, nicht weit weg im Himmel (der
auch gar nicht „örtlich“ im reformierten Sinn verstanden werden kann), (auch
nicht „Gegenwart des ekklesiologischen Leibes
Christi“[74]).
In den Schmalkaldischen Artikeln heißt es: „Vom Sakrament des Altars halten
wir, dass Brot und Wein im Abendmahl sei der wahrhaftige Leib und Blut Christi,
und werde nicht allein gereicht und empfangen von
frommen, sondern auch von bösen
Christen.“ (Teil III, 6. Art., 1.) Und in der Wittenberger Konkordie 1536 bezeugte er mit den Oberdeutschen: „Sie
bekennen laut der Worte des Irenäus, das in diesem Sakrament zwei Dinge sind,
ein himmlisches und ein irdisches. Demnach halten und lehren sie, dass mit dem
Brot und Wein wahrhaftig und wesentlich zugegen sei, gereicht und empfangen
werde der Leib und das Blut Christi. Und wiewohl sie keine Transsubstantiation,
das ist, eine wesentliche Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und Blut
Christi glauben, auch nicht halten, dass der Leib und Blut Christi localiter, das ist räumlich, ins Brot eingeschlossen oder
sonst beharrlich damit vereinigt werde außerhalb der Nießung des Sakraments:
Doch so lass sie zu, dass durch sakramentliche Einigkeit das Brot sei der Leib
Christi usw. Denn außerhalb der Nießung, so man das Brot beiseite
legt und behält im Sakramenthäuslein oder in
der Prozession umherträgt und zeigt, wie im Papsttum geschieht, halten sie
nicht, dass Christi Leib zugegen sei.“ (Konk.Formel,
Ausf. Darl., VII, 14-15.)
Diese Auseinandersetzung
mit Zwingli (sie betrifft letztlich aber auch Calvin und seine Nachfolger, auch
wenn Calvin die reformierte Abendmahlslehre differenzierter dargelegt hat) hat
ihren letzten Grund in der Christologie und überhaupt in der Stellung zu Gott
im Fleisch. Bei Zwingli, der stark im Humanismus und damit auch der
griechischen Philosophie wurzelte, ist ein grundsätzlicher Dualismus zwischen
geistlich und leiblich zu finden, wie ihn Calvin auch weitergeführt hat (das
sogenannte „Extracalvinisticum“: Das Irdische,
Leibliche sei nicht fähig, das Himmlische, Unendliche zu fassen – was allein
schon Kol. 2,9 widerspricht). Die menschliche Natur Christi tritt völlig hinter
der göttlichen zurück. Der Glaube richtet sich nach Zwingli nicht eigentlich
auf die eine Person aus zwei Naturen, sondern auf die göttliche Natur Christi,
darum könne er nichts mit den äußeren Elementen oder Christi Leib und Blut (als
der menschlichen Natur zugehörig) zu tun haben. Er zieht dann, wie die späteren
Reformierten ebenso, Joh. 6, vor allem V. 63, herzu, ohne zu bedenken, dass das
gesamte Kapitel überhaupt nichts mit dem Abendmahl zu tun hat. Deshalb kommt
Zwingli zu seiner symbolischen Deutung, bzw. Calvin dann zu der Behauptung, nur
der Glaube könne Teil haben an Christi Leib und Blut, aber eben nur geistlich,
denn sie befänden sich im Himmel, daher nur geistlich zugänglich. Luther hat
dagegen gemäß der Bibel entschieden an der Einheit der Person Christi, der
Gemeinschaft der beiden Naturen in der einen Person, festgehalten, weil die
Schrift, nicht die Vernunft Meister ist, und damit auch an den äußeren
Elementen. Die Gegenwart von Christi Leib und Blut ist keine Sache des Glaubens,
sondern unabhängig von Christus durch die Einsetzungsworte gegeben, weshalb
auch die Ungläubigen sie empfangen, wie der Reformator es dann in den
Schmalkaldischen Artikeln betont hat (siehe oben). Ein geistliches Essen findet
auch für Luther statt, nämlich durch den Glauben, der das, was Christus durch
seinen für uns hingegebenen Leib, sein für uns vergossenes Blut erworben hat:
Vergebung der Sünden.[75]
Diesen Segen hat allein der Gläubige. Der Ungläubige dagegen nimmt sich Christi
Abendmahl zum Gericht. (Daher praktiziert die evangelisch-lutherische Kirche
seit Luther die Anmeldung zum Abendmahl, um als Haushalter der Gaben Christi
dafür Sorge zu tragen, dass möglichst niemand es sich zum Gericht nimmt, auch
durch falschen Glauben oder offenbares böses Leben Unwürdige es nicht
empfangen.)
Luther hat dabei
festgehalten, dass es Christi Ordnung und Befehl, sein Wort, ist,
wodurch die sakramentliche Vereinigung irdischer und himmlischer Elemente
geschieht. „Solches sein Befehl und Einsetzung vermag und schafft, dass wir
nicht schlicht Brot und Wein, sondern seinen Leib und Blut darreichen und
empfangen, wie seine Worte lauten: Das ist mein Leib usw. Das ist mein Blut
usw. Dass nicht unser Werk oder Sprechen, sondern der Befehl und Ordnung
Christi das Brot zum Leib und den Wein zum Blut macht vom Anfang des ersten
Abendmahls bis an der Welt Ende, und
durch unsern Dienst und Amt täglich gereicht wird.
Also hier auch, wenn ich
gleich über alle Brote spreche, dass ist Christi Leib, würde freilich nichts
daraus folgen, aber wenn wir seiner Einsetzung und Heißung
nach im Abendmahl sagen: Da ist mein Leib, so ist’s sein Leib, nicht unsers
Sprechens und Tätelworts halben, sondern seines
Heißens halben, dass er uns so zu spreche und zu tun geheißen hat, und sein
Heißen und Tun an unser Sprechen gebunden hat.“
(Bd. 6, Jenaer Fol. 99; Bd. 3, Jenaer Fol. 446; in: Konk.Formel, VII,
77-78.) Damit unterstreicht er auch, dass mit der Konsekration dann auch die
sakramentale Vereinigung gegeben ist, worauf sogleich die Austeilung und der
mündliche Genuss folgen müssen. (Wie lange sie anhält, hat Luther dogmatisch
nicht festgelegt (aber seelsorgerlich), da hierzu die Schrift nichts aussagt.
Er hat aber dringend empfohlen, dass alle konsekrierten Elemente zu verzehren,
um allen sonst auftretenden und doch nicht befriedigend zu klärenden Fragen aus
dem Weg zu gehen. S. Wolferinusbriefe.)
Luther griff auch die
altkirchliche Aussage wieder auf vom Abendmahl als dem Mittel zur
Unsterblichkeit, aber nicht in dem Sinn, dass es leiblich-magisch wirke,
sondern nur in dem Sinn, dass derjenige, der es das heilige Abendmahl im
Glauben an Jesus Christus empfängt, dadurch auch das ewige Leben hat. Auch hier
gilt also: Den geistlichen Segen hat nur derjenige, der glaubt. Wer
nicht glaubt, nimmt es sich, siehe 1. Kor. 11, zum Gericht. Darum ist auch im
heiligen Abendmahl das Wort entscheidend. Daher heißt es auch im Kleinen
Katechismus: „Was nützt denn solches Essen und Trinken? Antwort: Das zeigen
uns die Worte: Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden: Nämlich
dass uns im Sakrament Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit durch solche
Worte gegeben wird. Denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und
Seligkeit. Wie kann leibliches Essen und Trinken solche großen Dinge tun?
Antwort: Essen und Trinken tut’s freilich nicht, sondern die Worte, so da
stehen: Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden. Welche Worte
sind neben dem leiblichen Essen und Trinken als das Hauptstück im Sakrament;
und wer denselben Worten glaubt, der hat, was sie sagen und wie sie lauten,
nämlich Vergebung der Sünden.“ (KK, VI, 5-8.)
Das gemeinsame Abendmahl
schafft eine Bruderschaft des Glaubens, die gegründet ist in der Einheit im
rechten, wahren Glauben. Abendmahlsgemeinschaft ist daher Kirchengemeinschaft.
Ohne Einheit in der Lehre kann es deshalb auch keine Gemeinschaft im Abendmahl
geben. Gerade im Brief an die Gemeinde in Frankfurt am Main hat der Reformator
das stark herausgehoben.
Obwohl Luther aufgrund
der Bibel an der Realpräsenz von Christi Leib und Blut in den Elemente
festhielt, hat er die römische Transsubstantiationslehre als eine
philosophische Spekulation, die in der Bibel keine
Grund hat, zurückgewiesen. „Warum weisen wir solchen Vorwitz nicht ab und
bleiben schlicht bei Christi Worten und verzichten darauf, zu wissen, was da
vor sich geht, zufrieden damit, dass der wahrhaftige Leib Christi kraft der
Einsetzungsworte dort vorhanden ist? Ist’s denn nötig, dass wir die Art und
Weise, wie Gott wirkt, begreifen?“[76]
Im Abendmahl werden also Brot und Wein sowie Leib und Blut Christi ausgeteilt,
und zwar der Leib Christi mit dem Brot, das Blut Christi mit dem Wein. Beide,
irdische und himmlische Elemente sind tatsächlich vorhanden und werden
dargereicht und empfangen, die einen auf natürliche, die anderen auf
übernatürliche Weise.
Ebenso hat Luther die
römische Messe entschieden abgelehnt als eine Verkehrung des biblischen
Abendmahls. Zum einen, weil Christi Opfer und das Tragen unserer Strafe einmal
für immer geschehen ist; zum anderen, weil ein menschliches Opfer zu unserer
Rettung gar nichts bewirkt, da Gott allein es ist, der unsere Rettung wirkt;
zum dritten, weil Gott es ist, der im Sakrament, auch im heiligen Abendmahl, handelt.
Er schenkt uns darin seine Gnade, die Vergebung der Sünden. Dagegen hat die
römische Messe das Abendmahl auf den Kopf gestellt und aus Gottes Gabe an uns
ein menschliches Opfer an Gott gemacht – tatsächlich also eine Gotteslästerung.
Daher bezeugt Luther auch in den Schmalkaldischen Artikeln: „Dass die Messe
im Papsttum muss der größte und schrecklichste Greuel
sein, als die stracks und gewaltig gegen diesen Hauptartikel [von der
Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden, allein um Christi Verdienst
willen, allein durch den Glauben; Anm. d. Verf.] strebt, und doch über und
vor allen andern päpstlichen Abgöttereien die höchste und schönste gewesen ist.
Denn es ist gehalten, dass solches Opfer oder Werk der Messe (auch durch einen
bösen Buben getan) helfe dem Menschen von Sünden, beide, hier im Leben und dort
im Fegfeuer, welches doch allein soll und muss tun das Lamm Gottes, wie droben
gesagt.“ (Teil II, 2. Art., 1.) „Nun aber die Messe nichts anders ist
noch sein kann (wie der Canon und alle Bücher sagen), als ein Werk der Menschen
(auch böser Buben), damit einer sich selbst und andere mit sich gegen Gott
versöhnen, Vergebung der Sünden und Gnade erwerben und verdienen will (denn so
wird sie gehalten, wenn sie aufs allerbeste wird gehalten; was sollte sie
sonst?): so soll und muss man sie verdammen und verwerfen. Denn das ist stracks
gegen den Hauptartikel, der da sagt, dass nicht ein böser oder frommer
Messknecht mit seinem Werk, sondern das Lamm Gottes und Sohn Gottes unsere
Sünde trägt.“ (Teil II, 2. Art., 7.)
Gemäß den
Einsetzungsworten, die allein für Lehre und Praxis des heiligen Abendmahls
maßgeblich sind, hat Luther auch das Verbot des Laienkelchs scharf
zurückgewiesen. „Sonst, wenn wir eine Einsetzung Christi abändern
lassen, haben wir alsbald alle seine Gesetze zunichte gemacht, und ein
jeglicher wird sagen dürfen, er sei nicht gebunden durch eins seiner Gesetze
oder Stiftungen. … Ist’s aber den Laien zugleich gegeben, so folgt unweigerlich
daraus, dass wir den Laien beiderlei Gestalt nicht verwehren dürfen. Wird sie
denen doch verwehrt, die darum bitten, so handelt man gottlos und wider Christi
Tat, Beispiel und Einsetzung.“[77]
Diese Handlungsweise, es menschlicher Willkür zu unterwerfen, ob beide
Gestalten gegeben werden oder nicht, ist gottlos, tyrannisch, ja eben
antichristlich. Denn das Blut ist all denen zu geben, für die es vergossen
wurde.[78]
Luther hatte das römische
Bußverständnis in seiner ganzen Tiefe kennen gelernt und war nicht zuletzt
daran verzweifelt. Rom hatte die Buße institutionalisiert, vor allem in der
Beichte vor dem Priester im Rahmen des sogenannten „Bußsakraments“ mit den
menschlichen Leistungen von Reue, Bekenntnis und Genugtuung. Der Glaube hatte
darin keinen Platz. Luther setzt dem entgegen, dass die Buße nicht nur eine
sporadische Momenthandlung ist, sondern vielmehr eine Lebenshaltung, wie er es
bereits in der ersten seiner 95 Thesen ausgedrückt hat: „Da unser Herr und
Meister Jesus Christus spricht: Tut Buße usw., will er, dass das ganze Leben
seiner Gläubigen auf Erden eine (stete) Buße sei.“[79]
Im Kleinen Katechismus hat er es im Hauptstück von der Taufe wieder
aufgegriffen: „Was bedeutet denn solch Wassertaufen? Es bedeutet, dass der
alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben
mit allen Sünden und bösen Lüsten, und wiederum täglich heerauskommen und
auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit
vor Gott ewiglich lebe.“[80]
Es geht bei der Buße also einerseits um das Absterben des alten Menschen
und andererseits um Teilhabe an der Genugtuung, die Christus erworben hat, als
Frucht des Glaubens.[81] „Und
diese Buße währt bei den Christen bis in den Tod; denn sie beißt sich mit der
übrigen Sünde im Fleisch durchs ganze Leben, wie S. Paulus Röm. 7. Zeugt, dass
er kämpfe mit dem Gesetz seiner Glieder usw., und dass nicht durch eigene
Kräfte, sondern durch die Gabe des Heiligen Geistes, welche folgt auf die Vergebung
der Sünden. Dieselbe Gabe reinigt und fegt täglich die übrigen Sünden aus und
arbeitet, den Menschen rein und heilig zu machen.“ (Schmalk.
Art., Teil III, 3. Art., 40.)
Damit aber ein Mensch zu
diesem rettenden Glauben kommt, muss er zunächst die tiefe Kluft erkennen, die
zwischen ihm und Gott besteht, eben klare Sündenerkenntnis haben, damit er
deutlich lernt, dass ohne diesen Zusatz er in der Werkgerechtigkeit verharrt.
Darum ist es so wichtig, dass die Ichhaftigkeit, der Egoismus zerbrochen wird,
was geschieht in dem, was wir auch als Buße oder Sinnesänderung
bezeichnen. Dazu verwendet der HERR das Gesetz.[82] „Es ist also das eigentliche Amt des Gesetzes, dass
es uns aus unserem Lager führe, das heißt, aus dem Frieden und Vertrauen auf
uns selbst, und uns vor das Angesicht Gottes stelle und uns seinen Zorn
offenbare. Da wird dann das Gewissen inne, dass es dem Gesetz nicht genuggetan
habe noch genugtun könne, auch den Zorn Gottes nicht zu ertragen vermöge, den
das Gesetz offenbart; wenn es uns so vor Gottes Angesicht stellt, das heißt,
wenn es schreckt, anklagt und die Sünde aufdeckt, da ist es unmöglich, dass wir
dann bestehen können. Darum fliehen wir erschrocken und schreien mit Israel:
Wir müssen sterben, wir müssen sterben! Der Herr rede nicht mit uns, rede du
mit uns usw.“[83] „Solches Amt [des Gesetzes]
behält das neue Testament und treibt‘s
auch, wie S. Paulus Röm. 1 tut und spricht: ‚Gottes Zorn wird vom Himmel
offenbart über alle Menschen.‘ Ebenso 3: ‚Alle Welt
ist vor Gott schuldig.‘ Und: ‚Kein Mensch ist vor ihm
gerecht.‘ Und Christus Joh. 16: ‚Der Heilige Geist
wird die Welt strafen um die Sünde.‘ Das ist nun die
Donneraxt Gottes, damit er beide, die offenbaren Sünder und falsche Heilige in
einen Haufen schlägt und lässt keinen Recht haben, treibt sie allesamt in das
Schrecken und Verzagen. Das ist der Hammer, (wie Jeremia spricht): ‚Mein Wort
ist ein Hammer, der die Felsen zerschmettert.‘ Das ist
nicht activa contritio,
eine gemachte Reue, sondern passiva contritio, das rechte Herzeleid, Leiden und Fühlen des
Todes. Und das heißt denn die rechte Buße anfangen, und muss der Mensch hier
hören solch Urteil: Es ist nichts mit euch allen, ihr seid öffentliche Sünder
oder Heliige, ihr musst alle anders werden und anders
tun als ihr jetzt seid und tut, ihr seid, wer und wie groß, weise, mächtig und
heilig ihr wollt, hier ist niemand fromm. Aber zu solchem Amt tut das Neue
Testament flugs die tröstliche Verheißung der Gnade durchs Evangelium, der man
glauben solle, wie Christus spricht Markus 1: ‚Tut Buße und glaubt dem
Evangelium‘, das ist, werdet und macht‘s anders und glaubt meiner Verheißung.“ (Schmalk. Art., Teil III, Art. 3, 1-4.)
Die Reue bezieht sich
dabei nicht nur auf einzelne Sünden, sondern beschreibt auch die Zerknirschung
des Sünders über seine abgrundtiefe Verdorbenheit überhaupt, dass er Gott gar
nichts bringen kann. Die Reue ist also kein verdienstlicher menschlicher Akt,
sondern nichts weiter als die durch den Heiligen Geist mittels des Worts
gewirkte Akzeptanz der göttlichen Anklage und Strafe. Ein Bekenntnis aller
Sünde, wie Rom es für die Absolution forderte, wies Luther ganz schriftgemäß
(s. Ps. 19) als unmöglich zurück. Das Bekenntnis betrifft vielmehr einzelne
Sünden, die in der Privatbeichte vor Gott gebracht werden, wie auch die
abgrundtiefe Verdorbenheit der Natur überhaupt. Die Absolution beschränkt
Luther keineswegs auf einen besonderen „Priesterstand“, sondern jeder Christ
ist ja Priester, daher kann jeder Christ dem anderen die Absolution oder den
Zuspruch der Sündenvergebung reichen. Die Sündenvergebung basiert dabei nicht
auf verdienstlicher Reue, auch nicht auf menschlicher Genugtuung, sondern ist
gegründet allein auf Gottes Erbarmen, Gnade und Christi Verdienst für uns, das,
was er durch sein Leiden und Sterben für uns getan hat.[84]
Durch das Gesetz kommen
also Sünden- und Verdorbenheitserkenntnis; durch das Evangelium dagegen der
Glaube an Christi Vergebung. Und die Frucht, die dieser rettende Glaube dann
mit sich bringt, ist die Wesensänderung, nämlich weg vom Ich, hin zu Christus
als Kernhaltung.[85]
B) Die Rechtfertigungslehre[86]
Luther unterscheidet
zwischen der „äußeren“ oder bürgerlichen Gerechtigkeit, die ein Mensch durch äußerliche
Werke, durch ein bürgerlich ordentliches Leben und Handeln in der Gesellschaft
erwirbt, die aber keine Gerechtigkeit vor Gott ist, und der „inneren“
Gerechtigkeit oder Gerechtigkeit des Herzens, bei der es um die Reinheit, die
Vollkommenheit des menschlichen Herzens geht. Das ist die Gerechtigkeit, die
vor Gott im Gericht gilt, die sich aber kein Mensch, auch nicht durch äußere
Anstrengungen, Werke, verdienen kann, sondern die reines Geschenk ist,
empfangen im Glauben an Jesus Christus.[87]
Die Rechtfertigung des
Sünders ist somit ein purer alleiniger Akt Gottes (SOLA GRATIA), ohne
irgendeine menschliche Mitwirkung. Die Rechtfertigung ist also etwas, das dem
Menschen widerfährt, etwas, darin der ganz passiv ist, weil Gott allein am
Wirken ist, und zwar aus lauter Liebe.[88] „Denn in meinem Herzen herrscht allein dieser
Artikel, nämlich der Glaube an Christus, aus welchem, durch welchen und zu
welchem bei Tag und bei Nacht alle meine theologischen Gedanken fließen und
zurückfließen. … Doch es zwingt mich, diese Scham abzulegen und ohne Scham kühn
zu sein, die endlose und schreckliche Entheiligung und den Greuel,
welcher in der Kirche Gottes allezeit gewütet hat und auch heutzutage nicht
aufhört zu wüten wider diesen einigen und festen Fels, den wir die Lehre
(locum) von der Rechtfertigung nennen, das
heißt, wie wir nicht durch uns selbst (ohne Zweifel auch nicht durch unsere
Werke, welche geringer sind als wir selbst), sondern durch fremde Hilfe, durch
den eingebornen Sohn Gottes, Jesus Christus, von Sünde,
Tod und Teufel erlöst und mit dem ewigen Leben beschenkt sind.“[89]
„Diese aber, nämlich des Glaubens Gerechtigkeit, ist die allerköstlichste,
welche Gott uns um Christi willen ohne unsere Werke zurechnet, ist auch nicht
eine weltliche, noch eine zeremoniale, noch eine
Gerechtigkeit aus dem göttlichen Gesetze, hat auch nicht mit unseren Werken zu
schaffen, sondern ist völlig verschieden, das heißt, nur eine leidende
Gerechtigkeit (gleichwie jene zuvor genannten tätige Gerechtigkeiten
sind). Denn dabei wirken wir nichts, haben auch nichts, das wir Gott gäben,
sondern empfangen nur, und leiden, dass ein anderer, nämlich Gott, in uns
wirke. Deshalb kann man diese Gerechtigkeit des Glaubens oder die christliche
Gerechtigkeit wohl eine leidende Gerechtigkeit nennen.“[90]
„Mit diesen Worten nun: ‚Dass er uns errettete‘ usw. zeigt Paulus, wovon dieser
ganze Brief handele, dass nämlich die Gnade und Christus vonnöten sei, und dass
keine Kreatur, weder Mensch noch Engel, den Menschen aus dieser argen Welt
erretten könne. Denn das sind Werke allein der göttlichen Majestät, die nicht
in der Gewalt eines Menschen oder eines Engels stehen, dass Christus die Sünde
getilgt und uns aus der Tyrannei und Herrschaft des Teufels errettet hat, das
heißt, aus der argen Welt, welche ein gehorsamer Sklave und williger Nachahmer
ihres Gottes, des Teufels, ist.“[91] Darum können
wir mit unseren Werken nichts ausrichten. „Und
zugleich wollen wir mit Paulus bekennen, dass alle unsere Werke und
Gerechtigkeit nur Schade und Dreck seien, mit denen allen wir dem Teufel auch
nicht ein Haar krümmen konnten.
Auch alle Kraft des freien Willens, alle
pharisäische Weisheit und Gerechtigkeit, alle Orden, Messen, geistliche Stände,
Heiligendienst, Gelübde, Fasten, härene Hemden usw. treten wir mit Füßen und
speien sie an als das abscheulichste unflätige Kleid und das verderblichste
Gift des Teufels. Dagegen wollen wir die Ehre Christi klar ans Licht stellen
und verherrlichen, der uns durch seinen Tod nicht bloß von der Welt, sondern
von der argen Weg errettet hat.“[92]
Das Ziel ist
dabei, den Menschen zurückzuholen in die Gemeinschaft Gottes und steht zugleich
verheißend für die ewige Herrlichkeit, zu der Gott uns holen will.[93]
Der Mensch ist vor der Wiedergeburt, Bekehrung ja geistlich tot, tot in Übertretungen
und Sünden (Eph. 2,1-3) und kann daher Gott nicht bringen, kann sich auch in
keiner Weise auf die Gnade vorbereiten, sondern kann sie nur als reines
Geschenk empfangen. Die Behauptung übrigens, die Rom gegenüber Luther
aufgestellt hat, dass seine Entdeckung nichts Neues gewesen sei, sondern auch
schon bei römischen Theologen zu finden, stimmt nur insofern, als die Occamisten die freie Gnade in Christus ohne eigenes
Verdienst nur als seltene Ausnahme von der Regel kannten, aber eben nicht als
die Heilsordnung selbst. Da liegt also tatsächlich ein tiefgreifender,
grundlegender Unterschied vor.[94]
Auch ist der Begriff der Gnade ein völlig anderer. Luther fasst den Begriff der
Gnade nämlich gemäß der Bibel in seiner eigentlichen Bedeutung, als Gottes Gunst,
Gottes Liebe zum Heil des Menschen, nicht als eine eingegossene Qualität oder
Kraft, die es dem Menschen Stärke und Tugend gebe, damit er an seinem ewigen
Errettung mitarbeiten könne (so die Lehre Roms bis heute). Im Menschen ist ja
nichts als Sünde und Feindschaft gegen Gott, darum muss die Erlösung ja ganz
das Werk der Gnade sein, die mit Gottes Allmacht zusammenwirkt, wodurch die
Gnade Gottes die Ursache des Glaubens und alles Guten ist.[95]
Nun kann man sich
allerdings fragen: Wie ist es möglich, dass der heilige und gerechte Gott Sünde
vergibt, Sünder gerecht spricht? Darum hat der Vater im Rat der heiligen
Dreieinigkeit von Alters her beschlossen, dass Jesus
Christus um uns Sünder willen Mensch wird, damit er die Strafe tragen und so
Gott mit der Welt, jedem Menschen, versöhnen kann. In Christus hat Gott jedem
Menschen die Sünden vergeben. „Hier erhebt
sich die Frage, wie wir die Vergebung der Sünden erlangen können, sowohl der
Sünden, welche andere Leute, als auch derer, die wir selbst auf uns haben?
Paulus antwortet[1,4], der Mann, welcher Jesus Christus heißt, Gottes Sohn,
habe sich selbst für dieselben gegeben. Dies sind herrliche und tröstliche
Worte, die auch im alten Bunde verheißen sind, dass unsere Sünden auf keine
andere Weise weggenommen werden als durch den Sohn Gottes, der in den Tod
dahingegeben ist.“[96]
Daran
hängt ja alles, darum ist das auch das höchste Wissen: Christus hat sich für
uns dahingegeben. „Dies ist daher das
höchste Wissen (scientia) und die rechte christliche
Weisheit, dass man diese Worte Pauli für ernstliche und ganz wahre halte,
nämlich dass Christus in den Tod gegeben sei, nicht um unserer Gerechtigkeit
und Heiligkeit willen, sondern um unserer Sünden willen, welche rechte, große,
viele, ja, unendliche und unüberwindliche Sünden sind.“[97]
Gerade in Anfechtungen um der Sünde willen gilt es diese Tatsache
festzuhalten und sich daran zu klammern im herzlichen Vertrauen auf unseren
Retter Jesus Christus. „Christus, Gottes
Sohn, ist nicht für die Heiligen und Gerechten gegeben, sondern für die
Ungerechten und Sünder. Wenn ich gerecht wäre und keine Sünde hätte, so
bedürfte ich des Versöhners, Christi, nicht. … Da nun meine Sünden so
ernstlich, wahrhaftig, groß, unendlich, schrecklich und unüberwindlich sind,
und meine Gerechtigkeit mir vor Gott nicht nützt, sondern vielmehr schadet, so
ist deshalb Christus, Gottes Sohn, für dieselben in den Tod dahingegeben, damit
er sie austilgte und mich und alle, die dies glauben, selig machte. … Deshalb,
wenn du ein Sünder bist, wie wir sicherlich alle immer sind, so bilde dir
Christus nicht vor als einen Richter, der auf dem Regenbogen sitzt, sonst wirst
du erschrecken und verzweifeln; sondern ergreife seine rechte Beschreibung,
nämlich diese: dass Christus, Gottes und der Jungfrau Sohn, eine solche Person
sei, welche nicht schreckt, nicht plagt, uns Sünder nicht verdammt, nicht
Rechenschaft von uns fordert wegen unseres schändlich verbrachten Lebens,
sondern die sich selbst für unsere Sünden gegeben und durch ein einziges Opfer
die Sünden der ganzen Welt abgetan, gekreuzigt und in sich selbst vertilgt hat.
Diese Beschreibung lerne mit Fleiß und
besonders dies Fürwort ‚unsere‘ mache dir so zu eigen[, dass du wissest], dass
diese drei Silben ‚unsere‘, im Glauben ergriffen, auch deine Sünde ganz und gar
wegnehmen und austilgen, das heißt, dass du aufs allergewisseste wissest, dass
Christus nicht allein die Sünden einiger Menschen, sondern auch deine und die
Sünden der ganzen Welt hinweggenommen habe.“[98]
Die
Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ist also Christi Gerechtigkeit, uns Sündern
erworben durch seinen aktiven Gehorsam und sein (passives) Leiden und Sterben
für uns, empfangen ohne irgendeine menschliche Voraussetzung, Würdigkeit, Verdienst
allein durch den Glauben. Sie ist keine Qualität im Menschen, sondern ein
Richterspruch Gottes um Christi willen, den nur der empfängt, der sich zuvor
durch das Gesetz als Sünder in seiner abgrundtiefen Verdorbenheit erkannt hat.
Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, durch die wir gerettet werden, ist also
eine fremde, eben Christi, Gerechtigkeit.[99]
Der Glaube, den
Gott der HERR durch das Wort des Evangeliums wirkt, ist zuerst lebendige Erkenntnis Gottes aufgrund der
Schrift. Das ist ganz wichtig. Objekt des Glaubens ist also nicht die
Kirchenlehre, sondern Gott selbst. Glauben ist weiter und vor allem Vertrauen
zu Gott, gegründet in der Liebe Gottes, die sich in Jesus Christus am Kreuz
zeigt. Der Glaube ist ein Wagen auf Gottes Wort hin und führt in die
Sohnschaft, macht zu Gottes Kindern. Allen Trost und alle Zuversicht setzt der
Glaube allein auf den lebendigen, dreieinigen Gott. Das Herz ist umgewandelt
und auf Gott ausgerichtet, um mit ihm zu leben. Zuvor aber muss der HERR rechte
Sünden- und Verdorbenheitserkenntnis wirken, wodurch er den Sünder zerbricht,
damit der seine ganze Untauglichkeit, Verdorbenheit, die Verdammnis, die er
eigentlich verdient hat, erkennt und dass Gott allein ihn retten kann und ihm
alles geben muss.[100] „Darum schärfen wir beständig ein, dass die
Erkenntnis Christi und der Glaube nicht ein menschlich Ding oder Werk sei,
sondern schlechthin eine Gabe Gottes, der den Glauben in uns sowohl schafft als
auch erhält.
Gleichwie aber Gott den Glauben zuerst durch
das Wort schenkt, so übt, mehrt, befestigt und vollendet er ihn darnach auch
durch das Wort. Deshalb ist das der höchste Gottesdienst und der allerheiligste Sabbath, dass man sich in der Gerechtigkeit übe, mit dem Worte umgehe
und es höre. Dagegen ist nichts Gefährlicheres als Überdruss am Worte Gottes.“[101]
Glaube und Werke sind, wenn es um unsere
Rechtfertigung, um die ewige Errettung geht, strikt zu trennen. Es ist eine
falsche Lehre, wenn behauptet wird, die Rechtfertigung erhalte der, der den
Glauben und die Werke aufweisen könne. „Eben
dasselbe [nämlich die Einmengung des Gesetzes ins
Evangelium, Anm. d. Hrsg.] haben auch die Schultheologen (sophistae
= Scholastiker) und unsere Papisten getan, nämlich, man müsse an Christus
glauben, und der Glaube sei der Grund der Seligkeit, aber er rechtfertige
nicht, wenn er nicht durch die Liebe eine Gestalt gewonnen habe (fides formata caritate).
Dies ist nicht die Wahrheit, sondern ein Schein und erdichtetes Vorgeben des
Evangeliums. Das wahre Evangelium aber ist, dass die Werke oder die Liebe nicht
der Schmuck oder die Vollendung des Glaubens seien, sondern dass der Glaube, an
sich, die Gabe Gottes und das Werk Gottes im Herzen sei, welches darum gerecht
macht, weil es den Heiland Christus selbst ergreift.“[102] Der Glaube ist also nicht, auch als
lebendige Erkenntnis, ein Vernunftprodukt wie in der Scholastik, die zwischen
einem Vernunftglauben und einem eingegossenen Glauben unterschied. Nur
letzterer galt als Gnadengeschenk, bedeutete aber nichts anderes als volle
Annahme der gesamten Offenbarung Gottes. Luther hat diese Unterscheidung
abgelehnt und hervorgehoben, dass der rechtfertigende Glaube Gottes Geschenk,
gewirkt durch das Wort (Evangelium) ist, nicht nur ein bloßes Ja zur Wahrheit,
sondern lebendige Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott.
Gerade
angesichts der Last der Sünden, der damit verbundenen Anfechtungen und Anklagen
des Gesetzes gilt es, sich ganz und völlig an das Evangelium zu halten. „Hier soll ich das Evangelium zu Rate ziehen
und hören, welches lehrt, nicht, was ich tun solle, denn das ist das
eigentliche Amt des Gesetzes, sondern, was Jesus Christus, der Sohn Gottes, für
mich getan habe, nämlich, dass er für mich gelitten hat und gestorben ist, um
mich von Sünde und Tod frei zu machen. Dies anzunehmen und zu glauben befiehlt
mir das Evangelium, und dies ist und heißt die Wahrheit des Evangeliums. Und dies ist der Hauptartikel der ganzen
christlichen Lehre, in welchem die Erkenntnis der ganzen Gottseligkeit besteht.“[103] Wie also kann der rechtfertigende Glaube
beschrieben werden? „Darum ist der
christliche Glaube nicht eine müßige Eigenschaft (qualitas)
oder eine leere Hülse im Herzen, welche auch bei einer Todsünde vorhanden sein
könnte, bis dass die Liebe hinzukomme und ihn lebendig mache, sondern wenn es
der rechte Glaube ist, so ist er eine gewisse Zuversicht des Herzens und ein
festes Vertrauen, durch welches Christus ergriffen wird, so dass Christus der
Gegenstand ist, auf welchen sich der Glaube richtet, ja, nicht der Gegenstand,
sondern, dass ich so sage, Christus ist im Glauben selbst gegenwärtig. … Es
rechtfertigt also der Glaube, weil er diesen Schatz ergreift und besitzt,
nämlich den gegenwärtigen Christus.“[104] Der rettende Glaube erfasst also Christi
Verdienst als für ihn, den Sünder, vollbracht. „Der erworbene Glaube wie auch der eingegossene Glaube der Sophisten
sagt über Christus: ‚Ich glaube an Gottes Sohn, der gelitten hat und auferweckt
worden ist‘, und damit hört er auf. Der wahre Glaube aber sagt: ‚Ich glaube
wahrhaftig an Gottes Sohn, der gelitten hat und auferstanden ist, ich bin
gewiss, dass er all dies für mich getan hat, für meine Sünden …‘ Dieses ‚für
mich‘ oder ‚für uns‘ macht darum – wo es im Glauben erfasst wird – einen solchen
rechten Glauben und unterscheidet ihn von allem anderen Glauben, der bloß von
Dingen hört, die geschehen sind.“[105]
Was aber hat dies für
eine Wirkung? Da die Rechtfertigung ganz Gottes Werk ist, gegründet allein auf
Gottes Gnade und Christi Verdienst, und der Glaube, der sie empfängt, ergreift,
ebenfalls Gottes Werk ist, gewirkt durch das Evangelium von Christus, so ist
der gerechtfertigte Sünder seines Heils gewiss. Nur deshalb, weil das Heil
ganz Gottes Werk ist, allein auf ihm beruht, ist Heilsgewissheit möglich. Denn
wenn der Mensch auch nur zu einem geringen Teil beteiligt wäre, so wäre das
Heil immer ungewiss.[106]
Gott selbst ist es, der
das Herz des Menschen neu macht und die Gemeinschaft zwischen ihm und den
Menschen bewirkt. Daraus folgt dann als Frucht die Heiligung, die Tat des
Gehorsams. Der Glaube, wo er recht ist, kann gar nicht anders, er bringt
gute Früchte. Dennoch bleibt auch der wiedergeborene Mensch Gerechter und
Sünder zugleich. Denn die Rechtfertigung ist eine Gerechterklärung,
nicht eine Gerechtmachung. Die Gerechterklärung ist ein punktuelles Ereignis, kommt allein
von Gottes Seite und ist vollkommen. Die Gerechtmachung
ist auch ein Werk Gottes, des Christus in uns, aber es wird in diesem Leben nie
vollendet, sondern erst in der Herrlichkeit.[107]
Glauben und
Werke, Glauben und Liebe sind also, was die Rechtfertigung des Sünders angeht,
klar zu unterscheiden. Der Glaube ist die Ursache, die Liebe, die Werke sind
die Frucht daraus. Das neue, veränderte Leben ist also
Frucht des Glaubens und daher nicht in die Rechtfertigung zu rechnen, sondern
gehört in die Heiligung. Diese Neuwerdung aber dauert unser ganzes Leben an.
Der rechtfertigende Glaube wirkt dabei keinen neuen Habitus, keine qualitative
Veränderung in dem Sinn, dass der neue Mensch aus eigener (eingegossener) Kraft
nun Gott gehorchen könne, sondern er lebt als Frucht, aus dem Glauben, in
täglichem Kampf gegen die Sünde, in täglicher Erneuerung. Das gehört zur
Heiligung, ist Gottes Werk in uns, beruht nicht auf uns, sondern auf Gottes
Verheißung, gehört aber nicht in die Rechtfertigung, sondern ist, das kann
nicht genug betont werden, eine Folge derselben.[108]
Sie ist nämlich die natürliche Frucht der Wiedergeburt, also des Glaubens: Der
wiedergeborene neue Mensch ist wahrhaft ein anderer als der alte, aber nicht
unabhängig von Gott, sondern nur aus Gottes Gnade, und lebt nun, als gerecht
Erklärter, durch den Christus in uns. Nach seiner Lebensgerechtigkeit ist er
daher auch nicht fertig, sondern im Werden, in diesem Leben nie vollkommen. Es
geht dabei um die Entfaltung des in der Wiedergeburt, durch den dort gewirkten
Glauben, geschenkten neuen Lebens. „Darum muss hier kurzum gar ein anderer
Mensch, das ist, die ganze Person anders werden, die gar neuen Verstand,
Gedanken, Sinne und Herz habe.“[109]
Dieses neue Leben aus dem Glauben aber trägt nichts zu unserer
Rechtfertigung, die ja längst geschehen ist, bei, bewirkt auch nichts zu
unserer ewigen Seligkeit, sondern ist vielmehr eine Frucht der Rechtfertigung.
Auch hier gilt es, Gesetz und Evangelium klar zu unterscheiden. „Mit diesen Worten [Gal. 2,17] klagt er die falschen
Apostel und alle Werkheiligen auf das schwerste an, dass sie alles verkehren, weil
sie aus dem Gesetz die Gnade, aus der Gnade das Gesetz, aus Mose Christus, aus
Christus einen Mose machen. Denn sie lehren, dass nach Christus und nach aller
Gerechtigkeit Christi noch die Beobachtung des Gesetzes notwendig sei, wenn man
gerecht werden wolle. So wird durch eine unerträgliche Verkehrung das Gesetz zu
Christus, weil dem Gesetz das beigelegt wird, was recht eigentlich Christus
zukommt. Sie sagen: Wenn du die Werke des Gesetzes tust, so wirst du gerecht.
Wenn du sie nicht tust, so wirst du nicht gerechtfertigt, magst du auch noch so
sehr an Christus glauben.“[110]
Die guten
Werke machen also nicht den Glauben, sondern sie erweisen den Glauben, sind
Frucht und Zeichen des rechten Glaubens. „Zum
andern, setzt die Werke so, dass sie sind ein gewisses Zeichen und wie ein
Siegel an einen Brief gedrückt, damit ich sicher werde, dass der Glaub recht
sei. Ursach: Fühle ich in meinem Herzen, dass das
Werk daher fließt aus Liebe, so bin ich sicher, dass mein Glaube rechtschaffen
ist. So ich vergebe, so macht mich das Vergeben gewiss, dass mein Glaub
rechtschaffen sei, und versichert mich und beweist meinen Glauben, dass Gott
mir auch vergeben hat und täglich vergebe; vergebe ich aber nicht, so mag ich
frisch schließen, dass mir es am Glauben fehlt.“[111] So macht oder formt auch nicht die Liebe den Glauben, wie Augustinus
und die Scholastik behaupteten, sondern der Glaube prägt die Liebe. Nur der
Glaube macht das Werk vor Gott gut; denn an sich gibt es kein Werk, das vor
Gott gut wäre, da alles, was wir denken, machen von Sünde durchzogen ist.[112]
„Und auf solchen Glauben, Erneuerung und
Vergebung der Sünden folgen dann gute Werke. Und was an denselben auch noch sündlich oder Mangel ist, soll nicht für Sünde oder Mangel
angerechnet werden eben um desselben Christus willen, sondern der Mensch soll
ganz, beide nach der Person und seinen Werken, gerecht und heilig heißen und
sein aus lauter Gnade und Barmherzigkeit, in Christus über uns ausgeschüttet
und ausgebreitet. Darum können wir nicht rühmen viel Verdienst und Werk, wo sie
ohne Gnade und Barmherzigkeit angesehen werden, sondern wie geschrieben steht,
1. Korinther 1: ‚Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn‘, das ist, dass er
eine gnädigen Gott hat. So ist’s alles gut. Sagen auch weiter, dass, wo gute
Werke nicht folgen, so ist der Glaube falsch und nicht recht.“ (Schmalk. Art., Teil III, Art. 13,2-4.)
Es kommt
also ganz darauf an, das rechte, evangelische Glaubensverständnis zu haben.
Denn die Scholastik konnte auch ein „allein aus Glauben“ behaupten, meinte
aber, in Anlehnung an ein falsches Verständnis von Gal. 5,6, dass der rettende
Glaube der Glaube sei, der durch die Liebe tätig ist (so auch oft im
Pietismus). Luther aber stellte klar heraus, dass Paulus an dieser Stelle nicht von der
Rechtfertigung redet, sondern vom gesamten Christenleben. Dabei ist der rechte Glaube aber, wie schon dargelegt, ein solcher, der
natürlicherweise Frucht bringt, unablässig das Gute tut.[113]
Luther hat, wie es von der
Schrift her richtig ist, den Schwerpunkt auf die Kirche im eigentlichen Sinn,
also die Schar der wahrhaft an Christus Gläubigen gelegt als das wahre Volk
Gottes, die Gemeinschaft derer, die gerechtfertigt sind, denen die Sünden
vergeben sind, die mit Christus leben. Da aber der Glaube im Herzen verborgen
ist und niemand dem anderen ins Herzen sehen kann, ist diese Gemeinschaft, was
ihre konkreten Glieder angeht, verborgen. Sie muss auch verborgen bleiben, weil
die Gläubigen Gerechte und Sünder zugleich sind. Die Gemeinschaft der Heiligen
ist also keine Gemeinschaft im Sinn des bürgerlichen Lebens, aber sie ist eine
tatsächliche Gemeinschaft, nämlich des Glaubens, der Liebe und der Fürbitte.[114] „Ich glaube eine heilige, christliche
Kirche, Gemeinschaft der Heiligen. Da deutet es der Glaube klar, was die Kirche
sei, nämlich die Gemeinschaft der Heiligen, das ist eine Schar oder Versammlung
solcher Leute, die Christen und heilig sind; das heißt eine christliche,
heilige Schar oder Kirche … , sondern Sancta, Catholica, Christiana, das heißt ein christliches heiliges
Volk, das da an Christus glaubt, weshalb es ein christliches Volk heißt, und
den heiligen Geist hat, de sie täglich heiligt, nicht
allein durch die Vergebung der Sünden, die ihnen Christus erworben hat, sondern
auch durch Abtun, Ausfegen und Töten der Sünden, wodurch sie ein heiliges Volk
heißen. Und (die) heilige, christliche Kirche ist nun so viel wie ein Volk, das
(aus) Christen (besteht) und heilig ist, oder wie man auch zu sagen pflegt,
‚die heilige Christenheit’, oder ‚die ganze Christenheit’. Im Alten Testament
heißt es ‚Gottes Volk’.“[115]
Was ist es nun, was die Kirche ausmacht? „So dass also immerdar auf Erden ein christliches, heiliges Volk am
Leben sei, in welchem Christus lebt, wirkt und regiert durch Gnade und
Vergebung der Sünden, und der heilige Geist durch
tägliches Ausfegen der Sünden und Erneuerung des Lebens, auf dass wir nicht in
Sünden bleiben, sondern ein neues Leben führen können und sollen in allerlei
guten Werken und nicht in alten bösen Werken, wie die zehn Gebote oder zwei
Tafeln des Mose fordern. Das ist die Lehre des Paulus.“[116] Die eigentliche Wirklichkeit der Einen
Kirche ist also im Rechtfertigungsglauben zu finden, den Gott durch sein Wort
wirkt und so sein Volk schafft. Darum ist die Kirche Gottes Kirche, und
zwar als Kirche des Evangeliums, und er das wahre und einzige Haupt seiner
Kirche und will allein in ihr durch sein Wort (und Sakrament)
wirken, denn sie ist seine neue Schöpfung.[117]
„Gott will allhier,
das ist in der Kirche, allein reden und keinen andern leiden, da soll man
nichts als allein ihn selbst und sein Wort hören.“[118] Das ist Luthers Grundanliegen im Blick auf
die Kirche in all seinen Äußerungen über sie.[119]
Die Eine Kirche ist also nicht
in erster Linie eine Institution; sie darf auch nicht mit irgendeiner äußeren
Kirchengemeinschaft gleichgesetzt werden, wie es Rom macht. Dennoch aber ist
die Eine Kirche auch eine geschichtsmächtige Größe, nämlich im Gebrauch
der ihr von Gott anvertrauten Gnadenmittel (Kennzeichen der Kirche, notae ecclesiae) oder, anders
ausgedrückt, in der Ausübung ihrer Funktionen, das heißt vor allem: der
Verkündigung des rechtfertigenden und kircheschaffenden
Evangeliums, und die äußere Versammlung daher nicht unnötig oder unwichtig, wie
es die Schwärmer, Spiritualisten behaupten. Daraus
entstehen dann auch Lebensformen, die nach Ort und Zeit durchaus verschieden
sein können – wenn nur die Oberherrschaft des Evangeliums und damit die
ungehinderte Verwaltung der Gnadenmittel, also Gottes Alleinwirksamkeit durch
das Evangelium, gewährleistet ist – und, bis auf einige Eckpunkte, nicht von
Gott vorgegeben sind, sondern aus menschlicher Übereinkunft in christlicher
Freiheit kommen.[120] „Dies ist das rechte Hauptstück und hohe
Hauptheiligtum, durch welches das christliche Volk heilig heißt. Denn Gottes
Wort ist heilig und heiligt alles, was es anrührt, ja, es ist Gottes Heiligkeit
selbst, Röm. 1,16: ‚Es ist Gottes Kraft, die selig macht alle, die daran
glauben’; und 1. Tim. 4,5: ‚es wird alles heilig durchs Wort und Gebet’. … Wir
reden aber von dem äußerlichen Wort, durch Menschen, wie durch Dich und mich,
mündlich gepredigt. Denn solches hat Christus hinterlassen als ein äußerliches
Zeichen, daran man seine Kirche oder sein christliches heiliges Volk in der
Welt erkennen sollte.“[121]
„Denn wie droben vom Wort gesagt: Wo Gottes Wort ist, da muss die Kirche sein,
ebenso auch, wo die Taufe und Sakrament (des Abendmahls) sind, da muss Gottes Volk
sein, und umgekehrt. Denn solche Heiligungsmittel hat, gibt, übt, braucht,
bekennt niemals als allein Gottes Volk, ob auch gleich etliche falsche und
ungläubige Christen heimlich darunter sind. Aber diese entheiligen das Volk
Gottes nicht, insbesondere solange sie es heimlich sind. Denn die offenbaren
leidet die Kirche oder Gottes Volk nicht unter sich, sondern weist sie zurecht
und macht sie auch heilig, oder, wo sie nicht wollen, stößt sie sie durch den
Bann von dem Heiligtum aus und hält sie für Heiden, Matth.
18,17.“[122] In seiner Schrift „Von den Konzilien und Kirchen“ hat Luther dann noch weitere,
sozusagen nachgeordnete, Kennzeichen angeführt, wie: Absolution, Diener am
Wort, Gebet, Kreuz und Anfechtung. Aber herausragend, bestimmend sind Wort und
Sakrament.
Die Eine heilige
christliche Kirche ist gewirkt durch das Wort Gottes, nämlich das
Evangelium von Christus, ist creatura verbi. „Dies zwingt und macht uns gewiss, dass ein
frommer Christ weiß, dass die Kirche außerhalb des Wortes Gottes nichts ordnet
noch setzt; und welche das tut, die ist keine Kirche denn mit dem Namen, wie
Christus sagt. Es ist nicht Gottes Wort darum, dass es die Kirche sagt;
sondern, dass Gottes Wort gesagt wird, darum wird die Kirche. Die Kirche macht
nicht das Wort, sondern sie wird von dem Wort; ein gewisses Zeichen, dabei wir
erkennen, wo die Kirche sei, ist das Wort Gottes.“[123]
Denn das Wort wirkt den rechtfertigenden Glauben, der in die communio, die verborgene Gemeinschaft der Gläubigen,
eingliedert. Das heißt: Dasselbe Evangelium, das den rechtfertigenden Glauben
wirkt, schafft auch die Kirche. Gottes Volk und Gottes Wort sind nicht zu
trennen. „Denn Gottes Wort geht nicht
ohne Frucht ab (Jes. 55,11), sondern muss zum wenigsten ein Viertel oder ein
Stück vom Acker haben. Und wenn sonst kein Zeichen wäre, außer diesem allein,
so wäre es doch Beweis genug, dass daselbst ein christliches, heiliges Volk
wäre. Denn Gottes Wort kann ohne Gottes Volk nicht sein, und umgekehrt kann
Gottes Volk nicht ohne Gottes Wort sein.“[124] Darum darf nichts in der Kirche das
lebensschöpferische Heils- oder Gnadenwort Gottes in Christus an die Seite
drängen, verdrängen, ablösen, denn allein durch das Evangelium wird sie
erschaffen, erhalten und recht regiert. Sonst herrscht in der Kirche das Gesetz.
Deshalb darf auch nichts und niemand über das Wort gesetzt werden, weder Papst
noch Bischöfe noch Konzile oder Synoden, auch keine Wissenschaft, Vernunft,
Bibelkritik, die versuchen, das Wort zu normieren oder zu bestimmen.[125]
Sie ist beauftragt und
bevollmächtigt, die Gnadenmittel nach innen und außen zu verwalten, was dann
zur äußeren Gestalt der Kirche als einer Versammlung um Wort und
Sakrament führt, ebenso zum Aufrichten des von Gott geordneten Dienstes an Wort
und Sakrament, dem Dienst, der die Versöhnung predigt (2. Kor. 5,19). Die
eigentliche Aufgabe der Kirche ist also die Predigt des Wortes Gottes in Gesetz
und Evangelium.[126]
Es geht damit bei der Kirche um das Heilshandeln Gottes, um die Rettung durch
Christi Blut erkaufter Sünder. Darum ist der wahre Schatz der Kirche, ihr von
Christus anvertraut, das Evangelium. Kirche Gottes ist Kirche des Evangeliums.[127]
Wort und Sakrament, als der Samen, woraus der rechtfertigende Glaube und
gleichermaßen auch die Kirche erwächst, sind damit auch die Kennzeichen (notae ecclesiae) der Kirche. Das
heißt: Wiewohl die Eine Kirche als die verborgene Gemeinschaft des Glaubens
hinsichtlich ihrer Glieder nicht konkret erkannt werden kann, so kann doch ihr
Vorhandensein erkannt werden an der Verwaltung der Gnadenmittel, weil sie nicht
leer zurückkommen, sondern wirken, wozu Gott sie gesandt hat (Jes. 55,10-11),
also Glauben und damit die Kirche bauen. Die äußere Versammlung aber, die durch
die Verkündigung des Evangeliums und die Verwaltung der Sakramente entsteht, ist
eine gemischte Versammlung, der nicht nur wahrhaft Gläubige angehören, sondern
auch solche, die sich zwar äußerlich zu Wort und Sakrament, zum Bekenntnis,
halten, aber nicht wirklich glauben (Heuchler, Scheinchristen), aber, so lange
sie nicht in offenbare Sünden fallen, nicht erkannt werden können. Der Anspruch
der Schwärmer, eine „Gemeinde der Heiligen“ bauen zu wollen, in der allein
Gläubige Glieder sind, ist irreal, da niemand dem anderen ins Herz sehen kann.[128]
Weil der Glaube
vom Heiligen Geist direkt durch das Wort gewirkt wird, ist kein Mittler
zwischen Gott und dem Menschen mehr nötig, es bedarf keiner Priester mehr im
alttestamentlichen oder im römischen Sinn. Jeder Gläubige ist auch direkt zum
Zeugnis aufgerufen, zur Verkündigung des Heils in Christus und ist mit der
ganzen Kirchengewalt bevollmächtigt, einschließlich der Sakramentsverwaltung (allgemeines
Priestertum aller Gläubigen). „Haben bisher
bleiben lassen müssen, dass S. Peter im ersten Spruch Matth.
16 nichts besonders für seine Person gegeben sei, und also haben es viele der
alten Väter verstanden. Auch weisen es aus die Worte Christi, ehe er die
Schlüssel S. Peter gab, da fragt er nicht allein Petrus, sondern allesamt und
sprach: ‚Was haltet ihr von mir?’ Da antwortete Petrus für sie alle und sprach:
‚Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.’ Darum muss man die Worte
Christi, Matth. 16, nach den Worten im 18. Kapitel
und Johannes am letzten verstehen und einen Spruch nicht gegen zwei stärken,
sondern einen durch zwei recht erklären.“[129] „Also jetzt auch, die Schlüssel sind der
ganzen Gemeinde gegeben, wie droben bewiesen ist.“[130] Daher
gibt es im Neuen Testament kein Priestertum mehr wie im Alten Testament oder
bei Rom. „Zum ersten wollen wir von dem Priestertum handeln,
und soll ein jeglicher wahrhaftiger Christ eigentlich wissen, dass im Neuen
Testament kein äußerlicher, sichtbarer Priester ist, denn die durch
Menschenlügen der Teufel erhoben und aufgeworfen hat. Wir haben nur einen
einzigen Priester, Christus, welcher sich selbst für uns und uns alle mit ihm
geopfert hat, 1. Petr. 2,24. Davon spricht Petrus, 1. Petr. 3,18: Christus ist
einmal für unsere Sünde gestorben, ein Gerechter für die Ungerechten, auf dass
er uns tot am Fleisch und lebendig am Geist Gott opferte. Und Hebräer 10,14:
Mit einem Opfer hat er vollbracht und vollkommen gemacht ewiglich die
Geheiligten.
Dies ist
ein geistliches Priestertum, allen Christen gemein, dadurch wir alle mit
Christus Priester sind, das ist, wir sind Kinder Christi, des höchsten
Priesters. Wir bedürfen auch keines andern Priesters oder Mittlers als
Christus. Ein jeglicher Priester, Hebr. 5,1, wird dazu aufgenommen, dass er
bitte für das Volk und predige. So mag ein jeglicher Christ durch sich selbst
in Christus beten und vor Gott treten, Röm. 5,2.“[131] Als Christen bedürfen wir daher keines Mittlers zu dem lebendigen
Gott außer Christus. „Durch diese Zeugnisse der Schrift wird das äußerliche
Priestertum im Neuen Testament zu Boden gestoßen; denn sie machen das Gebet,
den Zutritt vor Gott und die Lehre, welches alles einem Priester eignet und
gebührt, allen Menschen gemein. Wozu bedarf man eines Priesters, wenn man nicht
eines Mittlers und Predigers bedarf? Sollten wir Priester setzen und haben ohne
ihr Wort und Amt? Ist doch Christus allein und sonst keiner aller Christen
Mittler und Lehrer, 1. Tim. 2,5.“[132]
Alle Christen, alle, die durch den Heiligen Geist durch das Evangelium
wiedergeboren sind, sind also Priester und Könige, 1. Petr. 2,1-4.9; Offenb. 5,10; 20,6. Der Pfarrer dagegen hat kein
Priesteramt inne, wiewohl er, als Christ, auch ein Priester ist, aber nicht
unterschieden von seinen Gemeindegliedern.
Allerdings soll die
öffentliche Verwaltung der Gnadenmittel auf von der Gemeinde berufene
Prediger übertragen werden. Die höchste Gewalt in der Kirche kommt also,
unter Christus, der um Wort und Sakrament versammelten Schar
der Gläubigen zu. Es gibt keine Herrschaft in der Kirche. Auch die Bischöfe
sind keine Herrscher oder Herren.[133] „Denn es gehört zu dem, wer predigen will, eine gute Stimme, ein
gutes Aussprechen, ein gutes Gedächtnis und andere natürliche Gaben. Welcher
dieselben nicht hat, der schweigt billig und still und lässt einen andern
reden. ... Denn ob wohl jedermann zu predigen Gewalt hat, so soll man doch
niemand dazu gebrauchen, sich des auch niemand unterwinden, er sei denn vor
andern dazu geschickt; demselben sollen auch die andern weichen und ihm statt
geben, auf dass geziemende Ehre, Zucht und Ordnung gehalten werde. Denn so
gebietet Paulus dem Timotheus, dass er denen das Wort Gottes zu predigen
befehle, die dazu geschickt sind und die andern lehren und unterweisen können.“[134] „Ich hoffe ja,
dass die Gläubigen, und welche Christen heißen wollen, sehr wohl wissen, dass
der geistliche Stand sei von Gott eingesetzt und gestiftet, nicht mit Gold oder
Silber, sondern mit dem teuren Blute und bittern Tode
seines einigen Sohnes, unsern HERRN Jesus Christus. Denn aus seinen Wunden
fließen wahrlich, wie man vor Zeiten auf die Briefe malte, die Sakramente, und
hat es wahrlich teuer erworben, dass man in der ganzen Welt solch Amt hat zu
predigen, taufen, lösen, binden, Sakrament reichen, trösten, warnen, ermahnen
mit Gottes Wort, und war mehr zum Amt der Seelsorger gehöret. Denn auch solch
Amt nicht allein hier das zeitliche Leben und alle weltliche Stände fördert und
erhalten hilft, sondern das ewige Leben gibt und vom Tode und Sünden erlöset,
welches denn sein eigentlich vornehmlich Werk ist; und zwar die Welt allzumal
stehet und bleibt allein um dieses Standes willen, sonst wäre sie längt zu
Boden gegangen.“[135] Diese Prediger aber sind Gottes Boten,
Gottes Mund. „Gott redet in den heiligen Propheten und Gottesmännern, wie es St.
Petrus in seiner Epistel auch sagt: ‚Die Heiligen Gottes haben geredet, getrieben
durch den Heiligen Geist.‘ Da soll Gott und Mensch
nicht voneinander gesondert noch geschieden werden nach dem Verstand und Urteil
menschlicher Vernunft; sondern man soll stracks sagen: Dieser Mensch, Prophet,
Apostel oder rechtschaffene Prediger und Lehrer, was er aus Gottes Befehl und
Wort redet und tut, das redet und tut Gott selber, denn er ist Gottes Mundstück
oder Werkzeug. Da sollen die Zuhörer schließen und sagen: Jetzt höre ich nicht
Paulus, Petrus oder einen Menschen, sondern Gott selber reden, taufen,
absolvieren, strafen, bannen und das Abendmahl reichen.“[136] Dieses Eine Amt, dieser Dienst an Wort
und Sakrament, ist aber keine menschliche Ordnung, kommt nicht aus einer
„inneren Notwendigkeit“, ist auch nicht bloß um der Ordnung willen da, sondern
dass Diener an Wort und Sakrament berufen werden, das ist Christi Wille und
evangelische Ordnung („ius divinum“).
Dabei kann es in der geschichtlichen Ausführung dann in vielfältigen Formen
auftreten, wie es gerade nach Zeit und Ort nötig ist. „So das Amt des
Worts einem verliehen wird, so werden ihm auch verliehen alle Ämter, die durch
das Wort in der Kirche werden ausgerichtet, das ist: die Gewalt zu taufen, zu
segnen, zu binden und zu lösen, zu beten und zu richten oder urteilen. Denn das
Amt, zu predigen das Evangelium, ist das höchste unter allen, denn es ist das
rechte apostolische Amt, das den Grund legt allen andern Ämtern, welchen allen
zugehört, auf das erste zu bauen, als da sind die Ämter der Lehrer, der
Propheten, der Regierer, derer, so die Gabe, gesund
zu machen, haben, wie sie denn Paulus nacheinander ordnet 1. Kor. 12,8 ff.“[137]
„Alle die, so im Pfarramt oder Dienst des Worts gefunden werden, sind in einem
heiligen, rechten, guten, Gott angenehmen Orden und Stand, als die da predigen,
Sakrament reichen, dem gemeinen Kasten vorstehen, Küster und Boten oder
Knechte, so solchen Personen dienen usw.“[138]
Es gibt also in der
Kirche keine von Gott vorgegebene Hierarchie (was ja Rom bis heute
behauptet), denn über die Gemeinschaft mit Gott durch den Glauben an Jesus
Christus hinaus gibt es keine Steigerung. Die Kirche ist in Wirklichkeit also
eine Brüdergemeinschaft unter einem Meister, Christus (s. Matth.
23,8).[139]
„Christus hat aus göttlicher Gewalt
dies, und alles, was dein ist, allen unterworfen; er hat allen zu urteilen und
richten, zu lesen und predigen Gewalt und Macht gegeben.“[140] Rom, als hierarchisch-institutionalistische
Einrichtung hat sich von seinem ganzen Wesen her von Gott emanzipiert und will
in sich selbst Kirche sein, hat sich gegen Gottes kircheschaffendes
Wirken durch das Wort abgeschlossen, nicht anders als die spiritualistischen
Kreise, die auf die religiöse Eigendynamik ihrer Mitglieder setzen bzw. über
Gott, vor allem seinen Geist, meinen, verfügen zu können.[141]
Das hieß auch für Luther nicht, sich gegen eine anstaltliche,
institutionelle Seite der Kirche grundsätzlich zu stellen (wie es die Spiritualisten machen), wohl aber, Acht darauf zu haben,
dass sie sich nicht vom Evangelium lösen, der Norm des Wortes nicht mehr
unterworfen sind, sondern ihm in jeder Hinsicht dienstbar bleiben.[142]
„Gott hat seine Kirche keinem Menschen befehlen wollen zu regieren, sondern
hat’s für sich und bei sich selbst behalten und geboten, dass man nichts als
sein Wort lehren solle.“[143]
Deshalb gibt es auch keine von Gott vorgegebenen kirchlichen Institutionen,
keine neutestamentliche Gemeindeverfassung, kein „ius
divinum“ für kirchliche Ordnungen.
Das Leben wird in dieser
Welt nie vollkommen werden, denn der Gläubige bleibt Gerechter und Sünder
zugleich. Wo er aber in offenbare Sünde fällt und darin beharrt, ist
Kirchenzucht nötig. Falsche Lehre dagegen ist in der Kirche untragbar. Denn die
Lehre ist uns von Gott vorgegeben, sie ist doctrina divina, göttliche Lehre, und muss daher rein bleiben.
Falsche Lehre zu dulden ist Gotteslästerung. Daher darf es keine Gemeinschaft
mit solchen geben, die falscher Lehre anhängen, keine
Union wahrer und falscher Kirche.[144]
Die Kirche, wie Gott sie will, ist die Kirche des reinen Wortes und der
unverfälschten Sakramente. „Das Gut ist so groß, dass es keines Menschen
Herz begreifen kann, (darum gehört auch ein großer, harter Kampf dazu), und ja
nicht so gering zu achten ist, wie die Welt tut und etliche unverständige
Geister vorgeben: Man soll nicht über einen Artikel so hart streiten usw. und
darüber die christliche Liebe zertrennen, sondern, ob man gleich in einem
geringen Stück irrte, da man sonst in andern eines ist, möge man wohl etwas
weichen und gehen lassen, und gleichwohl brüderliche und christliche Einigkeit
und Gemeinschaft halten.
Nein, lieber Mann, rat
mir nicht des Friedens und Einigkeit, darüber man Gottes Wort verliert; denn
damit wäre schon das ewige Leben und alles verloren. Es gilt hier nicht weichen
noch etwas einräumen dir oder einigen Menschen zu Liebe; sondern dem Wort
sollen alle Dinge weichen, es heiße Feind oder Freund. Denn es ist nicht um
äußerlicher oder weltlicher Einigkeit und Friedens willen, sondern um des
ewigen Lebens willen gegeben. Das Wort und die Lehre soll christliche Einigkeit
oder Gemeinschaft machen; wo die gleich und einig ist, da wird das andere wohl
folgen; wo nicht, so bleibt doch keine Einigkeit. Darum sage mir nur von keiner
Liebe noch Freundschaft, wo man dem Wort oder Glauben will abbrechen; denn es
heißt nicht, die Liebe, sondern das Wort bringt ewiges Leben, Gottes Gnade und
alle himmlischen Schätze.“[145]
Darum ist es so
notwendig, dass die Christen Gottes Wort und Gottes Lehre kennen und
entsprechend alle Predigt, Vortrag, Schriften usw. daran prüfen, ob sie rechtgläubig
sind oder nicht und nötigenfalls die Konsequenzen ziehen. „Er heißt ein
Geist der Wahrheit wider alle Lügen und falsche Geisterei.
Denn die Welt ist auch allzeit voll Geister; wie man spricht: „o Gott eine
Kirche baut, da baut der Teufel seine Kapelle daneben; das ist: Wo Gottes Wort
rein aufgeht, da führt er nebenein Sekten und Rotten
und viele falsche Geister, die auch führen den Ruhm und Namen Christi und
seiner Kirche. Es ist aber im Grund alles falsch und keine Wahrheit und
Gewissheit. Ich aber will euch geben (spricht Christus) den Geist, der euch
sicher und gewiss macht der Wahrheit, dass ihr nicht dürft zweifeln in diesem
oder jenem Stück, so euer Seligkeit betrifft, sondern der Sache gewiss und
Richter sein könnt und urteilen über alle andere Lehre. So wird er euch machen
nicht allein Kämpfer und Siegmänner, sondern auch das Barettlein
aufsetzen und heißen Doctores und Meister sein, die
gewiss können schließen, was rechte oder falsche Lehre sei in der Christenheit;
so spitzig solls der Teufel nicht vorgeben und kein
Rottengeist so behände sein, dass er eure Lehre falsch oder euch irre mache.“[146]
Für viele Menschen gilt
die Beichte als etwas Römisch-Katholisches. Sie ist ja im evangelischen Raum leider
durch den Pietismus und den darauf folgenden Rationalismus sehr in
Vergessenheit und Verruf geraten. Hier und da wurde zwar mit der
konfessionellen Erweckung im 19. Jahrhundert auch eine Erneuerung der Beichte
versucht, aber dies gelang doch nur teilweise. Was hat nun Luther uns zur
Beichte zu sagen?
Luther unterscheidet
dreierlei Arten von Beichte: eine, die vor Gott geschieht; eine, die dem
Nächsten geschieht; dann die Privatbeichte, die eine Beichte vor Gott im
Beisein eines Nächsten ist. Es kann aber da keine rechte Beichte geben, wo es
keine rechte Sündenerkenntnis gibt, sonst ist alles Heuchelei. Die Beichte
vor Gott ist die entscheidende und muss unbedingt sein: Da bekennst du dich
vor Gott als ein Sünder, sowohl allgemein als auch im Blick auf konkrete Sünden
(wenn du dauerhaft keine konkreten nennen kannst, so ist das etwas sehr
fragwürdiges, weil du dann tatsächlich gar keine Sündenerkenntnis hast und noch
in tiefer Finsternis steckst). „Es gibt
aber, wie ich früher mehr gesagt habe, dreierlei Art von Beichte: eine vor
Gott. Denn zum ersten ist vor allen Dingen Not, dass ich mich vor Gott als
einen Sünder erkenne, wie die das Evangelium folgert, Röm. 3,23 und Joh. 3,5:
‚Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes
nicht sehen.’ Wer nun bekennt, dass er vom Weibe geboren ist, muss Gott die
Ehre geben und sagen: Ich bin nichts als ein Sünder, wie David in Psalm 51,7
singt: ‚Siehe, ich bin in sündlichem Wesen geboren,
und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen’, als wollte er sagen: Ich muss
wohl ein Sünder sein, es ist mir angeboren; sobald ich im Mutterleibe gemacht
ward, war ich ein Sünder. Denn Fleisch und Blut, davon ich gemacht bin, war
Sünde, wie man sagt: Wo Haut und Haar böse ist, da wird kein guter Pelz draus.
So ist der Ton, aus dem wir gemacht werden, nicht gut; was Mutter und Vater
dazu tut und bringt, ist schon Sünde.“[147]
Wer recht beichtet, also von Herzen,
der lässt es sich auch von jemand anders sagen, dass er ein Sünder ist und
worin er gesündigt hat. Wer dagegen murrt, der ist noch kein Christ, dem ist es
nicht wirklich ernst mit seiner Sündenerkenntnis[148].
Die andere Weise der Beichte ist diejenige, die dem Nächsten
geschieht, wovon Matth. 5,23 ff.; 6,12 und Jak.
5,16 reden. Bei dieser Beichte unterscheidet Luther auch wieder zwei Arten: Die
eine ist die allgemeine Beichte. Da geht es eigentlich darum, dass ein
jeglicher allen anderen etwas schuldig ist und so jeder dem anderen. Sie bleibt
aber recht unkonkret. Die zweite ist die persönliche Beichte dem Nächsten
gegenüber, an dem man gesündigt hat. Da muss allerdings rechte Sündenerkenntnis
sein, auch vor Gott, dass der Mensch dann sich so beugt, dass er auch zu dem
geht, an dem er gesündigt hat, und um Vergebung bittet[149].
Die dritte Weise ist nun
die Privatbeichte. Das ist die
Beichte, bei der der Sünder vor Gott in Gegenwart eines anderen Christen
beichtet, der ihm dann, im Auftrag Christi und an Christi Statt,
die Sünden vergibt (nicht nur eine Sündenvergebung erklärt oder verheißt oder
ankündigt, sondern sie wirklich vergibt). Wenn die ersten beiden Weisen, vor
Gott und dem beleidigten Menschen, geschehen sind, dann ist die Privatbeichte
nicht nötig. Sie ist kein Muss, von Gott nirgends befohlen, sondern eine gute
Einrichtung der Kirche.
Die Privatbeichte enthält aber mancherlei
Nutzen, weshalb es gut ist, wenn sie beibehalten bzw. wieder eingerichtet wird.
Der Hauptnutzen ist die Absolution, also dass der Beichtende die Sünden
vergeben wird durch einen anderen Christen, so, als ob Christus selbst sie ihm
vergebe. „Zum ersten die Absolution, dass
dich dein Nächster an Gottes Statt freispricht, was
gleich viel ist, als wenn Gott selbst spräche; das sollte uns ja tröstlich
sein. Wenn ich wüsste, dass Gott an einem Ort wäre und mich freisprechen
wollte, sollte ichs nicht einmal noch an einem Orte,
sondern so oft ich immer könnte daselbst holen. Solches hat er nun in
Menschenmund gelegt. Darum ist es gar tröstlich, besonders den beschwerten
Gewissen, solches da zu holen.“ [150]
Der andere Nutzen ist die Unterweisung, die in diesem Zusammenhang geschehen
kann, nämlich dass der Beichtvater fragen kann und so erkennen, was der
Beichtende glaubt, betet, lernt. Darum hat Luther die Beichte mit dem Abendmahl
verbunden, damit er die sich Anmeldenden zuvor verhören konnte, warum sie zum
Abendmahl kommen wollen und was sie da glauben zu empfangen. Ein dritter Nutzen
ist dies, dass sich der Beichtende dort Trost und Rat holen kann, nachfragen[151].
Wichtig: Die
Privatbeichte ist kein Zwang. Es ist vom Teufel, wenn der Papst sie erzwingt,
dabei sogar noch mit Hersagen aller Sünden. Das ist alles Menschenwerk und auch
ganz unmöglich. Die Beichte ist freiwillig und muss es auch bleiben[152].
„Die Erzählung aber der Sünden soll frei sein einem jeden, was er erzählen oder
nicht erzählen will; denn so lange wir im Fleisch sind, werden wir nicht lügen,
wen wir sagen: Ich bin ein armer Mensch voller Sünde..“ (Schmalk. Art., Teil III, Art. 8,2.)
Der Gottesdienst der um Wort und Sakrament
versammelten Gemeinde[153]
Jeder Mensch hat seinen Gottesdienst.
Die Frage ist nur, ob es der rechte oder der falsche Gottesdienst ist. Und das
entscheidet sich zuerst daran, ob er den rechten Gott hat oder einem Götzen,
Abgott dient, einen selbsterdachten Gottesdienst hat, und dann, ob er die
rechte Auffassung von der Gottesgemeinschaft hat. „Das Wort ‚Ich bin dein
Gott‘ das Maß und Ziel ist, alles, was von Gottesdienst gesagt mag werden.“[154]
Das erste Gebot ist also für den rechten Gottesdienst entscheidend, ja, die
Erfüllung dieses Gebotes ist wahrer Gottesdienst. Wer dagegen nicht den wahren
Gott hat, lebt in Abgötterei.[155]
Was ist der christliche
Gottesdienst? Nicht wenige meinen, christlicher Gottesdienst sei, Gott anbeten,
ihm Lobpreislieder singen, die Sehnsucht im Herzen haben, ihm nahe zu sein; ihm
dadurch zu dienen, dass wir zu Gott singen und beten. Nun ist all das nicht
völlig verkehrt, aber in dieser einseitigen Auffassung doch völlig schief und
irrig. Denn hier wird Gottesdienst so aufgefasst, dass wir Gott dienen.
In der Bibel findet wir
das genaue Gegenteil: Gott dient uns, und erst dann, als Frucht
der daraus entstandenen neuen Gemeinschaft, kann der Mensch Gott dienen. Gott
ist der an uns handelnde Gott. Wir sind dazu aufgerufen, uns im Glauben diesem Gott
zuzuwenden; das ist dann unser rechter Gottesdienst.[156]
Der wahre Glaube ist dabei „ein aktiver Glaube, der von Christus beherrscht ist
und zum Kampf gegen die Werke des Teufels, der Abgötterei, getrieben wird,
indem er einen wahren Gottesdienst übt. Das Leben des Christen im Alltag ist
Gottesdienst ist ein Leben, in dem er gemäß Gottes Gebot Gott im Nächsten
dient.[157]
Die Erneuerung des
Gottesdienstes durch Luther ging im Kampf zum einen
gegen den römischen Missbrauch, zum anderen gegen die schwarmgeistige
Entartung. Rom hat den Gottesdienst verfälscht, indem das Wort Gottes in den
Hintergrund tritt, vor allem was seine Auslegung angeht. Außerdem gilt der
Gottesdienst als Leistung, als ein verdienstliches Werk, das Gott gebracht
wird. Die Schwärmer dagegen hatten ihn völlig vergeistigt und verwarfen alles
„Äußere“ als „fleischlich“, einschließlich Gewänder, Bilder, Orgel. Für Luther
steht im Zentrum des Gottesdienstes das Wort Gottes, und zwar nicht nur
gelesen, sondern auch ausgelegt, verkündigt. „Fleisch“ ist für Luther nicht das
Äußere an sich, sondern das, was aus der Fleischeslust kommt. Bilder und Zermonien aber z.B. können dem Verständnis des Wortes und
so der Erbauung dienen. Gottesdienst ist für ihn Gemeinschaft mit Gott und
Gemeinschaft untereinander; ist Abladen der Sünden bei Christus und empfangen
der Vergebung sowie Mittragen der Sorgen und Lasten der Mitchristen.[158]
Gott dient uns mit seinem
Wort und seinem Werk, so schon in der Schöpfung. Seine Geschöpfe, Adam und Eva,
sollten dann ihm dienen, indem sie den Garten Eden bebauten und nicht
vom Baum der Erkenntnis aßen. Gott hat seinem Volk Israel gedient, indem er es
aus der Sklaverei in Ägypten herausführte und gab ihm dann seine Gebote und
Ordnungen. Vor allem aber hat Gott allen Menschen in Jesus Christus gedient, in
seinem Wort, seinen Wundern, seinem Gehorsam, Leiden und Sterben und so die
Erlösung für alle Menschen vollbracht.
Und Gott dient uns bis
heute. Christus kommt in seinem Geist zu uns in Wort, Taufe und Abendmahl und
ist dadurch wirksam und entzündet in uns den rettenden Glauben, das heißt,
macht Wohnung in uns und übernimmt die Herrschaft in unserem Leben, hat damit
die Glaubensgemeinschaft zwischen sich und uns begründet. „Denn so tut Gott
mit uns, dass er uns beiderlei vorlegt: sein Werk und sein Wort. Das Werk soll
der Leib tun, das Wort soll die Seele fassen. Denn wo das Werk ohne Wort würde
vorgelegt, wäre es niemand etwas nütze. … (34) So teilt Gott also nach
beiderlei Maß und gibt das Wort für die Seele und das Werk für den Leib, auf
dass sie beide selig werden und einerlei Gnade genießen unter zweierlei Weise,
einem jeglichen sein bescheiden Teil.“[159]
(Die Verbindung mit Christus ist
keine „Beziehung“, an der wir zu arbeiten hätten, die mal
besser und mal schlechter ist, sondern sie ist wirkliche Gemeinschaft oder
Vereinigung, von Christus durch Wort und Sakrament begründet. Sie kann wohl
durch Sünde, wenn sie herrschend wird, zerstört werden; aber da, wo Christus
durch Wort und Sakrament wirkt und so der Glaube entzündet und erhalten wird,
ist die Gemeinschaft vorhanden.) Der Gottesdienst ist also bestimmt von Gottes
Offenbarung in den äußeren Mitteln und kommt nicht aus menschlichem Antrieb.
Und dass Gott uns so dient, geschieht nicht nur einmal, sondern er kommt immer
wieder in Wort und Sakrament zu uns, bringt seine Vergebung mit und wirkt an
uns. Die Predigt ist also ein Offenbarungshandeln Gottes, nicht ein Reden von
Gottes Handeln.[160]
Und wir antworten in der Glaubensgemeinschaft mit Christus darauf a) in
Sündenbekenntnis, Glaubensbekenntnis, Anbetung, Lobpreis, Fürbitte und Gebet
(liturgischer Gottesdienst); b) indem wir anfangen, gemäß unserem Stand,
unseren Berufungen Gottes Willen nach seinen zehn Geboten zu tun, also dem
Nächsten in Liebe zu dienen und so unser ganzes Leben mit all seinen
Alltagsverrichtungen ein rechter Gottesdienst ist (alltäglicher Gottesdienst).
Dieser Gottesdienst ist aber nur möglich, wenn er aus dem Zentrum heraus
geprägt und gestärkt wird, eben dem Gottesdienst der im Namen Jesu um Wort und
Sakrament versammelten Gemeinde.
Der Gottesdienst ist also
Gottes Gabe, nicht ein menschliches Opfer.[161]
Auch sind nicht Zeremonien das Entscheidende, sondern Christi Geschenk des
Evangeliums.[162]
Das gilt besonders für die Messe, die eben nicht menschliches Opfer ist,
sondern Gottes Gabe: „Denn das heißt ein rechter Gott, der da gibt und nicht
nimmt, der da hilft und nicht sich helfen lässt , - - - Summa, der alles tut
und gibt, und der niemandes bedarf, und tut solches alles umsonst, aus lauter
Gnaden ohne Verdienst, den Unwürdigen und Unverdienten, ja den Verdammten und
Verlorenen. Solches Gedächtnis, Bekenntnis und Ehre will er haben.“[163]
Das Messopfer widerstreitet also Gott selbst und
seiner Natur.[164]
Im Zentrum
des Gottes steht das Wort. „Aber die Summa sei die, dass es ja alles
geschehe, dass das Wort im Schwang gehe und nicht wiederum ein Heulen und
Dünken draus werde, wie bisher gewesen ist. Es ist alles besser nachgelassen
als das Wort.“[165]
Gott redet durch das Wort zu uns, durch das Wort hat er sich uns offenbart.
Darum ist es höchster Gottesdienst, Gottes Wort zu hören und ihm zu glauben.[166]
Vor allem: Dieses Wort ist Fleisch geworden. In Christus ist Gott selbst zu uns
in diese Welt gekommen, um uns aus der Macht der Finsternis zu erretten. Darum
ist die Verkündigung Kampf gegen Gottes Feinde zur Rettung von Menschen.[167] „So
muss das Wort Gottes nicht geringe, sondern die allermächtigsten Feinde haben,
an welchen es kann Ehre einlegen, nach seiner großen Gewalt, als denn diese
vier Gesellen sind: Fleisch, Welt, Tod, Teufel. Daher Christus heißt der HERR
Zebaoth, das ist ein Gott der Heerfahrt oder Heerscharen, der immer kriegt und
in uns zu Felde liegt.“[168]
Wir sind aber nicht allein in diesem Kampf, sondern die Predigt ist
Kampfhandlung Christi, der der eigentlich Wirkende ist im Gottesdienst. So
taten die lieben Apostel. Sie schlugen getrost um sich mit dem Wort Gottes, wo
der Teufel mit seinem Reich am dicksten und stärksten war. Und rissen und
nahmen ihrer viel von ihm, zertrennten und zerstörten ihm sein Reich in allen
Landen, wie wir lesen in Actis [Apostelgeschichte],
wie S. Paulus mit dem Teufel kämpft und ritterlich ficht und allenthalben
gewann. Darum er auch solch Predigen pflegt zu nennen einen Kampfstreit,
Fechten und Ritterspiel usw. Also wir jetzt auch und alle Christen bis zum
Jüngsten Tag tun, dass wir dem Teufel viel Leute abschlagen und aus seinem
Rachen reißen.“[169]
Wichtig: Die Predigt muss schriftgemäß und christozentrisch
sein.[170]
In rechter Weise christozentrisch aber ist sie, wenn
es vor allem um den Christus des Evangeliums geht, nicht der Christus des
Gesetzes dominiert. Es geht also auch um die rechte Unterscheidung von Gesetz
und Evangelium.[171]
Christus kommt aber nicht
nur im Wort allein zu uns, sondern auch im Wort, verbunden mit Brot und Wein.
Der verborgene und doch in seiner Schöpfung überall gegenwärtige Christus ist
mit seinem Leib und Blut in besonderer Weise gegenwärtig in, mit und unter Brot
und Wein – für uns, zu unserem Heil, nicht, wie bei Rom, an sich. Darum ist auch
das Abendmahl Handeln Gottes für uns, wir Menschen sind Empfangende (Sakramentum, nicht Sakrifizium).[172]
Im Gottesdienst wirkt
Christus durch das Wort den Glauben. Und der Glaube empfängt, ergreift das
Wort.[173]
Wohl wird dieser Glaube dann aktiv, soll auch im Alltag lebendig sich zeigen –
aber niemals losgelöst vom Wort, vom Evangelium, sondern immer als der, der
wirken kann nur, weil er aus dem Evangelium empfängt.[174] „Eines
heiligen Menschen leben steht mehr im Nehmen von Gott als im Geben; mehr im
Begehren als im Haben; mehr im fromm Werden als im
fromm Sein, wie S. Augustinus spricht.“[175]
Dieser Glaube wird also wirksam, nämlich im Opfer, im Lob- und Dankopfer, im
Gebetsopfer und im leiblichen Opfer.[176]
Das heißt auch: „Der alte Mensch muss mit Christus getötet und gekreuzigt
werden.“[177]
Dies Opfer aber ist für den Menschen das allerfeindseligste und
unangenehmste Ding auf Erden. Denn es tötet und verdammt und geht im Widerspiel
alles, das der Welt und dem Menschen wohl gefällt und recht dünkt. … (Gott) ist
der Zimmermann, wir sind das Holz dazu, das Werk ist das liebe heilige Kreuz, welchs folgen muss auf die Lehre des Evangeliums. Hier
zimmert und arbeitet er an uns, hofelt und schnitzt,
dass er den alten Menschen in ins töte … und uns also vollkommen bereite, dass
wir seine neue Kreatur seien.“[178]
Gottesdienst ist also
Leben in der von Gott durch Wort und Sakrament gewirkten und erhaltenen
Glaubens- oder Gottesgemeinschaft und so in seinem Kern Erfüllung des ersten
Gebots.
Es mag verwundern, bei
Luther über Missionsverständnis zu lesen, denn allerdings hat Luther niemanden
in die Mission nach Übersee ausgesandt und auch nirgends direkt dazu
aufgefordert. Dennoch wäre es falsch zu meinen, Mission habe für Luther gar
nicht existiert, er habe von neu entdeckten Ländern und den dort lebenden
Heiden nichts gewusst oder es hätte ihn nicht interessiert. Im Unterschied zu
späteren Jahrzehnten war sich Luther sehr wohl im Klaren, dass der
Missionsauftrag der Kirche aller Zeiten gilt und dass allen Völkern dieser Erde
die frohe Botschaft gebracht werden muss. Das zeigt sich in seinen Predigten
über die Schlussverse des Markusevangeliums: „Allhier
begibt sich eine Frage über den Spruch: Geht hin in alle Welt; wie dieser
Spruch zu verstehen ist und zu halten, da die Apostel ja nicht in alle Welt
gekommen sind! Denn es ist kein Apostel her zu uns gekommen; auch sind viele
Inseln gefunden worden noch zu unsern Zeiten, die da Heiden sind, und niemand
hat ihnen gepredigt, und die Schrift sagt doch, ihre Lehre sei erschollen in
alle Lande und ihr Richtschnur sei in die ganze Welt ausgegangen. Antwort: Ihre
Predigt ist in alle Welt ausgegangen, wiewohl sie in alle Welt noch nicht
gekommen ist. Dieser Ausgang hat angefangen und angegangen, wiewohl er noch
nicht vollbracht und ausgerichtet ist, sondern wird je weiter und ferner
gepredigt bis an den Jüngsten Tag. … Es ist eben um diese Botschaft der
Predigt, wie wenn man einen Stein ins Wasser wirft, der macht Bülgen und Kreise und Striemen um sich, und die Bülgen walchen sich immer fort
und fort, eine treibt die andere, bis dass sie an das Ufer kommen. Wiewohl es
mitten inne stille wird, dennoch ruhen die Bülgen
nicht, sondern fahren vor sich. So geht es auch mit der Predigt zu: Sie ist
durch die Apostel angefangen und geht immerdar fort und wird durch die Prediger
weiter getrieben, hin und her in die Welt gejagt und gefolgt, wird doch immer
weiter denen, die sie zuvor nicht gehört haben, kund gemacht, wiewohl sie
mitten unter dem Weg ausgelöscht und eitel Ketzerei wird.“[179]
„Das Evangelium soll niemand vorenthalten werden, bis dass es komme bis an die
Enden der Welt, wie im Psalm steht. So ist es auch jetzund
zu uns gekommen, die wir liegen am Ende der Welt, denn wir liegen hart am
Meere.“[180]
Das zeigt, dass für Luther ganz klar kein Volk der Erde ausgenommen ist von der
frohen Botschaft. „Denn der Herr spricht: Predigt allen Kreaturen, damit er
alle Stände fassen will, dass kein Kaiser, kein König auf Erden so mächtig sein
soll, er soll diese Lehre des Evangeliums hören, annehmen und glauben oder er
soll verdammt sein.“[181]
Dabei macht Luther auch deutlich, dass Weltmission nicht meint, die äußere
Ordnung in den Völkern zu ändern, ihnen andere politische Systeme aufzuzwingen,
sondern eben: Predigt des Evangeliums. „Wiederum hat auch das Reich Christi
nichts zu tun mit jenen äußerlichen Sachen, lässt solch Wesen bleiben ungeändert, wie es ist und geht in seinen Ordnungen. Denn
Christus befiehlt, dass sie sollen das Evangelium predigen allen Kreaturen; die
Kreaturen sind und stehen alle zuvor da, ehe er mit dem Evangelium kommt, d.i.,
alle weltlichen Sachen und Ordnungen, so von Menschen nach der Vernunft und von
Gott eingepflanzter natürlicher Weisheit gefasst sind, welche auch St. Petrus
nennt menschliche Kreaturen, 1. Petr. 2, und doch auch Gottes Ordnungen heißen,
Röm. 13. Darin will Christus nichts Neues oder anderes machen, sondern lässt
sie bleiben, wie sie sind und heißen; allein dass er der Welt lässt sagen von
diesem seinem ewigen Reich, wie man dazu komme, dass man der Sünde und ewigen
Todes los werde, dass ihm in dem alle zugleich ohne Unterschied unterworfen
sein sollen und ihn für ihren Herrn erkennen durch den Glauben.“[182]
Die Frage mag im Raum
stehen: Warum hat Luther dann nicht mit der Überseemission begonnen? Diese
Frage stellen heißt, die historischen Umstände zu vergessen. Durch Gottes Gnade
war die Reformation in vielen Ländern durchgedrungen – und in diesen Ländern
fing man somit an, das Evangelium zu predigen, so dass Luther nicht ganz zu Unrecht
fragte, ob wohl Deutschland zuvor je das Evangelium so gehört habe. Das heißt:
Die Heiden, mit denen man es vor der Hand zu tun hatte, waren die Menschen im
eigenen Land. Mission hieß also zunächst Binnen- oder Innere Mission. Es ging
um die Festigung der Reformation, die Konsolidierung der erneuerten Kirche. Das
war das Naheliegende. Die Welt wurde darüber nicht vergessen, konnte aber noch
nicht in Angriff genommen werden. Zur zweiten Bitte des Vaterunsers (Dein Reich
komme) schrieb er: Derhalben bitten wir nun
zum ersten, dass solches bei uns kräftig werde und sein Name so gepriesen durch
das heilige Wort Gottes und christliche Leben, beide, dass wir, die es
angenommen haben, dabei bleiben und täglich zunehmen, und dass es bei andern
Leuten ein Zufall und Anhang gewinne und gewaltig durch die Welt gehe, auf dass
ihrer viel zu dem Gnadenreich kommen, der Erlösung teilhaftig werden, durch den
Heiligen Geist herzugebracht, auf dass wir so
allesamt in Einem Königreich, jetzt angefangen, ewig bleiben.“[183]
Auch war es so, dass zu Luthers Zeit kein evangelischer Staat Besitzungen in
Übersee hatte, und in die spanischen und portugiesischen Kolonien konnten sie
nicht reisen. Und die skandinavischen Länder, Norwegen und Schweden, hatten im
eigenen Land mit den Samen noch selbst genug Heiden vor der Tür.[184]
Wiewohl Luther in seinen 95 Thesen sich
allerdings noch fest in der römisch-katholischen Kirche verankert sieht und ja
nichts anderes anstrebte als deren Rückkehr zur Kirche der Apostel, so ist
schon in seinen Thesen der Grund gelegt dafür, dass der Primat des Papstes
fällt, und zwar vor allem in der 58. These: „Auch sind es nicht die
Verdienste Christi und der Heiligen, denn diese bewirken immer, auch ohne den
Papst, Gnade für den inneren Menschen, Kreuz, Tod und Hölle für den äußeren
Menschen.“[186]
Hier hat Luther eine sehr weitreichende Aussage gemacht, nämlich dass unser
ewiges Heil, dass der rechtfertigende Glaube nicht gebunden ist an
Institutionen, Ämter, sondern allein an das Evangelium, durch das uns Christi
Verdienst, für uns erworben durch seinen Gehorsam, Leiden und Sterben,
angeboten, dargereicht, zugeeignet, geschenkt wird. Dies hat Luther später, wie
wir noch hören werden, in den Schmalkaldischen Artikeln nochmals untermauert.
Dies ist ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der biblisch-reformatorischen
evangelisch-lutherischen Lehre und derjenigen Roms.
In seiner Disputation mit Eck 1519 wird
Luthers Stellung zum Papsttum weiter präzisiert: Matthäus 16, 18 lässt Luther als
Zeugnis für das Papsttum nicht gelten, da die Worte ja keineswegs nur auf die
römische Kirche gehen. Die Einheit der Kirche ist ja nicht auf das Papsttum,
sondern auf den einen Glauben, die eine Taufe, den einen Herrn gegründet. „Daher
beruht die Einheit der Kirche nicht auf der Einheit der römischen
Oberherrschaft, sondern viel besser, wie der Apostel sagt Eph. 4,5, auf der
Einheit des Glaubens, der Taufe, des Herrn, wie Cyprian in seinen Briefen auch
häufig ausspricht.“[187]
So setzt er den Begriff „Fels“ zunächst einmal in Beziehung zu dem Glauben der
Kirche[188], um
dann darzulegen, wer oder was mit „Fels“ tatsächlich gemeint ist, nämlich,
gemäß des Heiligen Geistes Auslegung dieser Stelle in 1. Kor. 3,11, Christus
selbst. „Wenn nun auch Augustinus und alle Väter den Petrus verstanden haben
unter dem Fels, so werde ich, der ich Einer bin, ihnen widerstehen mit dem
Spruche des Apostels, das heißt, mit göttlichem Rechte, da er schreibt 1. Kor.
3,11: ‚Einen andern Grund kann niemand legen, als der gelegt ist, welcher ist
Jesus Christus.’, und dem Spruche 1. Petr. 2,4 ff., wo Petrus Christus den
lebendigen Stein und den Eckstein nennt, indem er lehrt, dass wir darauf zu
einem göttlichen Hause gebauet werden. Sonst, wenn
Petrus der Grund der Kirche wäre, so wäre die Kirche gefallen durch die Stimme
Einer Magd, der Türhüterin, während doch die Pforten der Hölle sie nicht
sollten überwältigen können.“[189]
„Ich glaube nicht, dass der Herr durch diesen Ausspruch etwas anderes angezeigt
habe als diese Worte, welche Petrus dem Herrn antwortete, da er sagte: ‚Du bist
Christus, der Sohn des lebendigen Gottes’, weil auf diesen Artikel des Glaubens
die Kirche gegründet ist. Also hat Christus die Kirche auf sich selbst
gegründet.“[190]
In seiner ein Jahr später erschienen Schrift
„Vom Papsttum zu Rom wider den berühmten Romanisten zu Leipzig geht Luther
unter anderem nochmals auf Matth. 16,18 ein: Die
immer wieder angeführte Stelle aus Matthäus 16,18 wird von Rom völlig falsch
ausgelegt. Sie wird dagegen vom Heiligen Geist selbst gedeutet in Matthäus 18,
nämlich dass die Gewalt der gesamten Gemeinde gegeben ist, ebenso auch Johannes
21. In Matthäus 16,18 geht es gar nicht in erster Linie um Petrus, denn es sind
alle Apostel, alle Christen angesprochen. „Haben bisher bleiben lassen
müssen, dass S. Peter im ersten Spruch Matth. 16
nichts besonders für seine Person gegeben sei, und also haben es viele der
alten Väter verstanden. Auch weisen es aus die Worte Christi, ehe er die
Schlüssel S. Peter gab, da fragt er nicht allein Petrus, sondern allesamt und
sprach: ‚Was haltet ihr von mir?’ Da antwortete Petrus für sie alle und sprach:
‚Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.’ Darum muss man die Worte
Christi, Matth. 16, nach den Worten im 18. Kapitel
und Johannes am letzten verstehen und einen Spruch nicht gegen zwei stärken,
sondern einen durch zwei recht erklären.“[191]
Alle Apostel haben daher die gleiche Gewalt. Petrus hat auch selbst nie einen
Apostel eingesetzt, was ja hätte sein können, wenn er über ihnen gestanden
wäre. Selbst Matthias und Paulus sind weder von ihm noch von allen Aposteln
zusammen eingesetzt worden, sondern allein von Christus. Wie sollte dann Petrus
Herr über sie alle sein?[192]
Bereits
1519 hatte Luther in einem Brief an Spalatin die
Frage gestellt, ob nicht das Papsttum der Antichrist ist. Das wurde ihm je länger je mehr zur Gewissheit. In seinem „Nachwort zu
der Abhandlung des Johannes Nannis von Viterbo über
die Herrschaft des Papstes“, die wohl aus dem Jahr 1520 stammt, also nur etwa
ein Jahr nach der Disputation mit Eck, bekennt Luther schon unmissverständlich,
dass das römische-katholische Papsttum der Antichrist ist. In aller
Schärfe weist er die Anmaßung des römischen Bischofs zurück, Hirte der ganzen
Kirche zu sein: „..., obgleich nach den Lügen des Teufels selbst, des Vaters
der Lügen, keine unverschämtere und unreinere Lüge unter der Sonne je
vorgebracht ist, als dass der römische Bischof der Hirte der ganzen Kirche
sei.“[193]
Luther vergleicht das Papsttum in dieser Schrift mit Judas Ischarioth
und seinem die Apostel verwirrenden verräterischen Treiben, weist darauf hin,
dass unter der Vorgabe, die Schafe zu weiden, tatsächlich eine Tyrannei
errichtet worden ist. Er beschreibt das Papsttum nach der Offenbarung Jesu
Christi an Johannes als den Antichristen, die geistliche Hure, trunken nach
dem Blut der Heiligen, die wütet gegen den wahren Glauben an Christus und
deshalb der Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens ist[194],
wie ja Paulus den Antichristen im 2. Thessalonicherbrief
beschreibt.
In der
Auseinandersetzung mit Ambrosius Catharinus 1521
vertieft er dies noch. Die wahre Kirche ist also weder an einen bestimmten Ort,
etwa Rom, gebunden, noch an eine bestimmte Person, etwa den Papst, sondern steht
allein im Glauben an Christus und sein Wort. Genau das Gegenteil aber behauptet
die römisch-katholische Kirche, die das Heil bindet an Personen, die es Kraft
ihrer Weihe vollständig weitergeben könnten. Aber genau das macht den
Antichrist aus, dass er das Heil an Personen und Orte bindet und nicht an
Christus und sein Wort allein. „Was ist es denn nun für eine
Unsinnigkeit der gottlosen Papisten, dass sie die Kirche Gottes, die am
allermeisten gefreiet ist, an einen besonderen Ort
und Person, als ob sie deren nicht entraten könnte, binden dürfen? Und sagen,
der sei nicht ein Christ, der diesen Papst, obschon er gottlos ist, wohnend an
der heiligen Stätte, nicht anbeten will, und solle niemandem helfen, wenn er
frei dahin, wo er wollte, jemanden für einen Hirten hätte. Dies ist der rechte Greuel, der sich an die heilige Stätte gestellt hat [Matth. 24,15]. Das sind die kräftigen Irrtümer, die über
die Gottlosen Gott schickt [2. Thess. 2,4.11]. Denn so eine Stätte und
besondere Person zu der Seligkeit nötig sind, so folgt, dass alle die, so
dieselbe Stätte und Person haben und ehren, selig und heilig sind.“[195]
Luther macht damit deutlich, dass die römisch-katholische Amts- und
Sakramentslehre durch und durch antichristlich ist, weil sie das Heil an
Menschen bindet und damit den freien Zugang zum Heil im Glauben an Jesus
Christus versperrt. Er betont, dass die Kirche all dies gar nicht benötige und
auch nicht habe. Das Amt und bestimmte Stätten gehören eben nicht zum Wesen der
Kirche. Dass das Papsttum der Antichrist ist, macht Luther unter anderem daran
fest, dass Rom die biblische Rechtfertigungslehre, das Zentrum des christlichen
Glaubens, umgestoßen hat, dass es aus der Gabe des Abendmahls ein menschliches
Opfer gemacht hat, dass der römische Bischof sich anmaßt, Stellvertreter
Christi zu sein und gewissensverbindliche Gesetze für die Christen erlässt, die
keinen Grund in der Schrift haben. Was also kennzeichnet das Reich des
Antichristen? Es ist ein Reich der Selbstgerechtigkeit und neuer,
menschengemachter, Gesetze. „Denn also ist aufgekommen das Reich des
römischen Antichrists, dass man bald, ja gleich noch
zu Zeiten der Apostel, angefangen hat, durch die Werke wollen fromm und selig
werden; darnach, dass man etliche Weisen und Gebärden des Gottesdienstes in der
Kirche (wie sie sagen) zu einer Zier und Wohlstand hat angerichtet. Zuletzt hat
dieselben der römische Bischof alle zu Haufen gerafft und dieselben in harte
und strenge Gesetze verwandelt und damit die christliche Freiheit unterdrückt, so gar, dass es jetzt ohne alle Maße eine größere Sünde
ist, wenn einer wider diese Gebärden und Gesetze sündigt, als so er sündigt
gegen Gottes Gebot.“[196]
Darum erkennt Luther im Papsttum den in Dan. 8,24 im Antichristen geweissagten
Verderber wieder. „Das ist so viel geredet, als, er wird den Glauben in
Christus und das Reich der guten Gewissen verderben; welches Reich Christi
heißt das Reich Gottes, das Himmelreich und das Reich der Wahrheit. ... Darum
der König, der ein Verderber ist des Himmelreichs und ein Verderber des
schlichten einfältigen Wesens in Christus (wie Paulus sagt [2. Kor. 11,3]), ist
niemand anders als eben der rechte Antichrist, der für den Glauben die Werke,
für die Wahrheit einen Schein, für die Geheimnisse lauter Gebärde, für das
Evangelium seine Vorschläge, für das schlichte Wesen Betrug und Listigkeit,
dazu für das Wort Gottes seine geistlichen Rechte vorhält und lehrt, und
alsdann dadurch verderbt die Gewissen und verwüstet den Geist der Wahrheit.“[197]
Dieses Reich ist völlig entgegen gesetzt dem Reich Christi, das ein Reich der
Freiheit ist, denn Christus hat uns freigemacht aus der Knechtschaft des
Gesetzes, damit wir nicht mehr aus Zwang etwas tun müssten, sondern aus dem
freien Ja des Glaubens. Der Papst aber hat seine Gesetze aufgerichtet.[198]
In besonderer Weise wird dieser Angriff des
Papsttums gegen Christi Ordnung deutlich an den Sakramenten. Luther spricht
hier im Zusammenhang mit der römisch-katholischen Messe vom täglichen Frevel am
Altar. „Aber lasset uns kommen auf die allergrößten und greulichsten
Sünden unter allen, die er tut, das ist, auf den Frevel, den er täglich begeht
und bisher an dem Sakramente des Altars, an der Taufe und Buße begangen hat.“[199]
In den Schmalkaldischen Artikeln hat Luther das
nochmals bekräftigt. Darum, weil es sich gegen und über Christus setzt, ist das
Papsttum der rechte Antichrist. Als solcher hat es falsche Lehre aufgebracht,
einen eigenen Gottesdienst eingerichtet, verdammt, plagt, verfolgt dagegen die
wahren Christen. „Dies Stück zeigt gewaltiglich,
dass er der rechte Antichrist oder Widerchrist sei, der sich über und wider
Christus gesetzt und erhöht hat, weil er will die Christen nicht lassen selig
sein ohne seine Gewalt, welche doch nichts ist, von Gott nicht geordnet noch
geboten. Das heißt eigentlich ‚über Gott und wider Gott sich setzen’, wie St.
Paulus sagt 2. Thess. 2. ... Zuletzt ist’s nichts als
eitel Teufel, da er seine Lügen von Messen, Fegfeuer, Klösterei,
eigenem Werk und Gottesdienst (welches denn das rechte Papsttum ist) treibet
über und wider Gott, verdammt, tötet und plagt alle Christen, so solchen seinen
Greuel nicht über alles heben und ehren. Darum, so
wenig wir den Teufel selbst für einen Herrn oder Gott anbeten können, so wenig
können wir auch seinen Apostel, den Papst oder Antichrist, in seinem Regiment
zum Haupt oder Herrn leiden. Denn Lügen und Mord, Leib und Seele zu verderben
ewiglich, das ist sein päpstlich Regiment eigentlich, wie ich dasselbe in
vielen Büchern bewiesen habe.“[200]
Luther hebt erneut hervor, dass das Papsttum nicht nach göttlichem Recht das
Haupt der Christenheit sei, sondern dass dies allein Jesus Christus zukommt,
während der Papst nichts anderes ist als Bischof von Rom, und als solcher nicht
über anderen Christen steht, sondern ihnen als ihr Bruder zur Seite. „Dass
der Papst nicht sei iure divino
oder aus Gottes Wort das Haupt der ganzen Christenheit (denn das gehört einem
allein zu, der heißt Jesus Christus), sondern allein Bischof oder Pfarrherr der
Kirche zu Rom und derjenigen, so sich williglich oder
durch menschliche Kreatur (das ist, weltliche Obrigkeit), zu ihm begeben haben,
nicht unter ihm als einem Herrn, sondern neben ihm als Brüder und Gesellen,
Christen zu sein, wie solches auch die alten Konzilien
und die Zeit St. Cyprians zeigen.“[201]
Dabei ist die Wirkung des Papsttums in der Geschichte vor allem Verderben für
die Christenheit.[202]
Von Roland Bainton,
einem amerikanischen Lutherbiographen, wird überliefert, dass man wünschen
könnte, Luther wäre
gestorben, bevor er seine Spätschriften gegen die Juden geschrieben habe,
gemeint ist besonders „Von den Juden und ihren Lügen“.[204]
Dies macht deutlich, wie schwer es bis heute den Menschen fällt, sich mit
Luthers Stellung zu den Juden auseinanderzusetzen.
Der Hintergrund ist der Holocaust. Aus
diesem Eindruck wird Luther dann aufgrund seiner Aussagen sofort in die
rassistische Ecke gestellt, obwohl Rassismus damals völlig unbekannt war und
erst im 18. Jahrhundert aufkam.[205]
Überhaupt wird Luther aus Ereignissen und Erlebnissen beurteilt, die
Jahrhunderte später stattfanden und für die man ihn nun, nachträglich,
mitverantwortlich macht.
Während Luther in seiner frühen
Lehrtätigkeit noch ganz vom römisch-katholischen Ungeist, der von Hass und
Verachtung gegen die Juden bestimmt war, geprägt war, so änderte sich das mit
seiner reformatorischen Erkenntnis und der daraus erwachsenen Liebe zu Jesus
Christus, dem Heiland für Juden und Heiden.
Bereits die Psalmenvorlesung der Jahre
1519-21 über die ersten 22 Psalmen gibt darüber deutliches Zeugnis in der
Auslegung zu Vers 7 von Psalm 14, wo
es ja heißt: Ach, dass die Hilfe aus Zion
über Israel käme, und der HERR sein gefangen Volk erlöste! So würde Jakob
fröhlich sein, und Israel sich freuen. Luther bezieht sich dabei auf
Paulus, der diesen Vers in Römer 10 aufgreift und hebt hierbei hervor, dass
dies eben durch menschliches Bemühen unmöglich ist. Dass Juden bekehrt werden
zu Jesus von Nazareth als dem Messias Israels und Heiland der Welt, dass ist vielmehr allein durch Gottes allmächtiges
Gnadenhandeln möglich. Dies umso mehr, als ja eben durch Gottes Ratschluss einem
Teil von Israel Blindheit widerfahren ist, die daher auch nur durch
Gott wieder aufgehoben werden kann. Gott selbst muss die Hilfe über Israel
bringen: „Wer wird nun Hilfe über
Israel bringen, wird sie aber bringen aus Zion? Niemand, bis dass der HERR
selbst die Gefangenschaft seines Volks wende, nämlich des Volks, welches nach
dem Fleische Israel ist, und nun in der größten und längsten und
allerschlimmsten Gefangenschaft gehalten wird, da es sowohl leiblich als auch
geistlich gefangen ist; gleicherweise, nach dem Exempel dieses Volks, wird der
HERR die Gefangenschaft eines jeglichen Volks wenden, das sein ist, wenngleich
es nicht nach dem Fleische Israel und Gottes Volk ist.“[206]
Hier wird ein weiterer Aspekt deutlich, der für Luther bleibend sehr
wichtig war: Israel als Zeichenvolk. So, wie Gott mit Israel handelt, so
handelt er auch mit den Heidenvölkern. So, wie Gott Israel richtet, so richtet
er auch die Heidenvölker, wenn sie ihm widerstreben. Und so, wie Israel aus
seiner geistlichen Finsternis allein durch Gottes allmächtiges Gnadenhandeln
errettet werden kann, so können auch die Menschen aus den Heiden allein durch
Gottes gnädiges Allmachtshandeln errettet werden aus
der Finsternis zu Jesus Christus. Jesus Christus ist die alleinige Hilfe für
beide, Juden wie Heiden.
Darum spricht sich Luther auch vehement
gegen das Wüten gegen die Juden aus, wie es damals üblich war: „Deshalb ist das Wüten etlicher Christen
verdammlich (wenn man sie anders Christen nennen kann), welche meinen, dass sie
Gott einen Dienst daran tun, wenn sie die Juden aufs gehässigste verfolgen,
alles Böse über sie denken, und sie bei ihrem bedauernswerten Unglück mit Stolz
und Verachtung verhöhnen, da man nach dem Exempel dieses Psalms und dem des
Paulus Röm. 9,1 von ganzem Herzen ihretwegen traurig sein und Leid tragen und
beständig für sie beten sollte.“[207]
Hier macht der Reformator deutlich, welches unsere Haltung Israel gegenüber
sein soll: Traurig sollen wir sein darüber, dass sie immer noch in der
geistlichen Finsternis sind, dass sie immer noch, trotz des jahrtausendelangen
Gerichts und der vielen Leiden, sich nicht bekehrt haben, und für sie beten.
Dabei betont Luther, dass dies nur dann in rechter Weise geschehen kann, wenn
wir selbst in der Liebe zu Christus stehen: „Wenn
aber die Liebe gegen Christus Christen macht, so sind wir ohne Zweifel ärger
als die Juden, Ketzer und Türken, da niemand Christus weniger liebt als wir.“[208]
Die Juden, das gehört zur theologischen Grundhaltung Luthers
ihnen gegenüber, die er nie geändert hat, waren für ihn der Typos des
verlorenen Sünders, den Christenmenschen zur Mahnung gesetzt in Gericht
und Gnade. Schon in der Psalmenvorlesung 1513-1515 und der Römerbriefvorlesung
1515/16 hatte Luther alle diejenigen zusammengestellt, die sich vor Gott ihrer
eigenen Werke rühmen und ihnen teuflische Überheblichkeit vorgeworfen, da sie Feinde
des Kreuzes Christi sind, und darunter die Juden, die Moslems, die römisch-katholischen
Priester und die Christen gerechnet, die sich auf ihre Werke verlassen.[209]
Ja, jeder Christ muss, wenn er seine Liebe zu Christus prüft, feststellen, wie
kalt sie eigentlich ist, wie nah er da den Juden steht.[210]
Keine menschliche Maßnahme kann die Bekehrung der Juden erzwingen, da ihre
Blindheit von Gott ist – nur Gott selbst kann sie daher überwinden.
Luther lehnte daher den Juden gegenüber, wie gegenüber allen anderen Menschen,
einen Bekehrungszwang ab. Dabei sah er aber die Juden durchaus auf einer Linie
mit den Menschen aus der Christenheit, die auch nicht aus eigener Kraft und
Willen gerettet werden können und natürlicherweise wie die Juden unter Gottes
Zorngericht stehen und daher, wie die Juden, allein aus Gottes Erbarmen
errettet werden können. Die jüdische Messiashoffnung
der nachmessianischen Zeit sah er daher zu Recht als vergeblich an und
erwartete, gemäß den Zeugnissen der Schrift, wie Jesaja 10,21, dass nur
ein Rest der Juden selig wird.[211]
Luthers zentrales
Anliegen gegenüber den Juden, das wird während seines ganzen Lebens, bis hin zu
seiner letzten Predigt in Eisleben, immer wieder deutlich, ist dies: Dass Juden
zum rettenden Glauben an Jesus von Nazareth als dem im Alten Testament
verheißenen Messias kommen. Dies sollte auch unsere Haltung den Juden gegenüber
bestimmen. Das ist auch der Kern der bedeutenden Schrift des Reformators: Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei
aus dem Jahr 1523. Er führt in
diesem Zusammenhang dann aus, dass das bisherige Verhalten der
heidenchristlichen Kirche, unter dem Papsttum, gerade nicht eine Einladung an
die Juden zum Glauben an Jesus Christus gewesen ist: „Denn sie haben mit den Juden gehandelt, als wären es Hunde und nicht
Menschen; haben nichts mehr können tun, als sie schelten und ihr Gut nehmen,
wenn man sie getauft hat; keine christliche Lehre noch Leben hat man ihnen
bewiesen, sondern nur der Päpsterei und Möncherei unterworfen. Wenn sie denn gesehen haben, dass
der Juden Ding so starke Schrift für sich hat, und der Christen Ding ein lauter
Geschwätz gewesen ist, ohne alle Schrift, wie haben sie doch mögen ihr Herz
stillen und recht gute Christen werden?“[212]
Luther wollte, dass man mit den Juden nun freundlich umgehen sollte, sich
bemühen, sie in der Heiligen Schrift recht zu unterweisen, und war der Hoffnung,
dass dann viele zum rechten christlichen Glauben kämen: „Ich hoffe, wenn man mit den Juden
freundlich handelte und aus der Schrift sie säuberlich unterwiese, es sollten
ihr viel rechte Christen werden, und wieder zu ihrer Väter, der Propheten und
Patriarchen, Glauben treten; davon sie nur weiter geschreckt werden, wenn man
ihr Ding verwirft und so gar nichts will sein lassen, und handelt nur mit
Hochmut und Verachtung gegen sie. … Darum wäre meine Bitte und Rat, dass man säuberlich
mit ihnen umginge und aus der Schrift sie unterrichtete, so möchten ihr etliche
herbeikommen.“[213]
1538 schrieb Luther seinen „Brief wider die
Sabbather an einen guten Freund“, wohl den Grafen
Wolf Schlick zu Falkenau.[214]
Der äußere Anlass zu dieser Schrift war ein Brief des Freundes, in dem dieser
ihm davon berichtete, dass die Juden, anstatt nun zu Christus bekehrt zu
werden, ihrerseits in den böhmischen Ländern missionarisch tätig sind und
Christen zum Judentum verführen, behaupten, der Messias sei noch nicht gekommen
und ihrer, der Juden, Gesetz bleibe ewig und müsse auch von den Heiden
angenommen werden. Der Freund hatte Luther um Hilfestellungen gebeten, wie der
jüdischen Argumentation entgegenzutreten sei.
Auch diese Schrift ist in einem sehr
sachlichen Ton gehalten und ist ganz und gar eine theologische Abhandlung, in
der es Luther um zwei Dinge ging: zum einen, dass der Messias schon gekommen
ist, zum anderen, dass das jüdische Gesetz keineswegs ewig dauert. In beiden
Abschnitten hebt Luther immer wieder die Lage der Juden hervor, die ihnen doch
deutlich machen müsste, dass sie auf einem Irrweg sind: Seit damals 1500 Jahren
hatten die Juden keinen Staat, keinen Tempel, waren fern von Jerusalem, hatten
keinen Fürsten, keine Priester, keinen Gottesdienst, wie ihn Mose
vorgeschrieben hatte. Sie lebten im Elend. Und im großen Unterschied zu ihren
Notzeiten in Ägypten und Babylonien hat Gott der HERR ihnen seit der Zerstörung
Jerusalems keine Propheten gegeben, keine Verheißung, wann dieses Elend denn
enden soll.
Nun kommen wir zu den beiden Schriften, die
eigentlich für all die Aufregung um Luther und seine Stellung zu den Juden
gesorgt haben, nämlich zu „Von den Juden und ihren Lügen“ und „Vom Schem Hamphoras und vom
Geschlecht Christi, Matth. 1“, beide 1543 erschienen.
Schon der Titel der ersten dieser beiden „Von den Juden und ihren Lügen“
scheint für viele das rote Tuch zu sein. Was dabei völlig ausgeblendet wird ist
aber die Tatsache, dass Luther hier den Juden nicht anders begegnet als dem
Papsttum, über das er gerade zu der Zeit seine abschließende Schrift
herausbrachte: „Vom Papsttum zu Rom, vom Teufel gestiftet“. Alle diese
Schriften stehen in einem Zusammenhang, nämlich durchaus dem apokalyptischen
Grundverständnis Luthers und sind noch einmal, sozusagen zusammenfassend, seine
Kampfansage gegen jegliche Form der Werkgerechtigkeit. Und das wird gerade in
dieser Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ immer wieder deutlich, dass er
Papsttum, Judentum und Islam in dieser Hinsicht ganz und gar auf einer Linie
sieht – und das allerdings völlig zu recht.
Er hatte überhaupt nicht vor, noch
irgendetwas zu dem Komplex „Judentum“ zu schreiben. „… aber weil ich erfahren, dass die elenden, heillosen Leute nicht
aufhören, auch uns, das ist, die Christen, an sich zu locken, habe ich dies
Büchlein lassen ausgehen, damit ich unter denen erfunden werde, die solchem
giftigen Vornehmen der Juden Widerstand getan und die Christen gewarnt haben,
sich vor den Juden zu hüten.“[215]
Das heißt: Die Juden waren damals durchaus missionarisch aktiv und versuchten,
Christen zu Juden zu machen, teilweise durchaus mit Erfolg. Luther drückte über
die Lage der Juden durchaus sein Bedauern aus. „Ich bin zwar kein Jude, aber ich denke mit Ernst nicht gern an solchen
grausamen Zorn Gottes über dies Volk; denn ich erschrecke davor, dass mir’s durch Leib und Leben geht.“[216]
Er war der Meinung, dass, da alles Reden nichts hilft, das Elend, in das Gott
der HERR sie gestürzt hat, das einzige Mittel sei, damit zumindest etliche zu
Besinnung kämen. „Summa, wie, wie gesagt,
disputiere nicht viel mit Juden von den Artikeln unseres Glaubens; sie sind von
Jugend auf also erzogen mit Gift und Groll wider unsern HERRN, dass da keine
Hoffnung ist, bis sie dahin kommen, dass sie durch ihr Elend zuletzt mürbe und
gezwungen werden zu bekennen, dass Messias sei gekommen und sei unser Jesus;
sonst ist’s viel zu frühe, ja, gar umsonst, mit ihnen zu disputieren, wie Gott
dreifaltig, Gott Mensch sei, Maria Gottes Mutter sei. Denn solches keine Vernunft
noch menschlich Herz zulässt, wie viel weniger solch ein verbittert, giftig,
blind Herz der Juden! Was Gott selbst nicht bessert mit solchen grausamen
Schlägen, das werden wir mit Worten und Werken ungebessert
lassen (wie gesagt).“[217]
Dabei zieht Luther auch immer wieder Parallelen zu anderen verstockten Menschen
der Heilsgeschichte, etwa Pharao in Ägypten, der auch durch Mose nicht
gebessert wurde.
Wenn Luther von den „Lügen der Juden“
spricht, so meint er damit ihre Art und Weise der Schriftauslegung, dass also
die jüdischen Gelehrten nach Jesus Christus das Alte Testament anders auslegen
als zuvor, nämlich viele messianische Stellen umdeuten, damit sie auf keinen
Fall auf Jesus von Nazareth hin verstanden werden könnten. Es geht also, und das ist ungeheuer wichtig für die christliche
Theologie und unser Schriftverständnis, darum, ob das Alte Testament
christologisch, christozentrisch zu verstehen und
auszulegen ist – wie es Jesus Christus selbst getan hat (s. Luk. 24,37) und
ebenso die Apostel (siehe die Predigten in der Apostelgeschichte, auch Röm.
15,4 ff.; 1. Kor. 2,2), und damit die
ganze Heilige Schrift wirklich ein einheitliches, christozentrisches
Buch ist, und das ist biblisch-reformatorisches Schriftverständnis – oder,
wie es vielfach heute im evangelikalen Bereich geschieht, beeinflusst nicht
zuletzt von der Geschichtswissenschaft und dem Darbysmus,
das Alte Testament israelistisch, mit dem leiblichen
Israel im Blick, zu verstehen ist. Für
die reformatorische Schriftauslegung ist dabei verbunden die immer deutlicher
werdende Selbstoffenbarung des lebendigen Gottes als des dreieinigen Gottes in
Schöpfung, Erlösung und Heiligung. Um es noch stärker zuzuspitzen: Es geht
darum, ob wir eine nur historisch-grammatische Exegese haben oder eine, ich
möchte sie so nennen, dogmatisch-historisch-grammatische, die die Analogie des
Glaubens, mit der Tatsache, dass jeder Glaubensartikel an zumindest einer
hellen Stelle dargelegt ist, zum Ausgangspunkt hat. Die Auseinandersetzung
darum zeigt sich schon in Luthers zweiter Psalmenvorlesung 1517-21, hat sich
aber später, besonders auch aufgrund dieser Disputation mit den drei jüdischen
Gelehrten, verschärft.[218]
Was nun Luther in besonderer Weise gegen
die Juden aufgebracht hat, waren die Lästerungen gegen Christus, Maria und die
Christen. Und das hat er wohl erfahren aus dem, was aus dem Talmud, oder unter
dem Vorwand, aus dem Talmud zu sein, in Umlauf war, sowie von Konvertiten wie
Johann Pfefferkorn und Anthonius Margaritha und was
sie über das Judentum verbreiteten. Das hängt dann auch mit der zweiten Schrift
dieses Jahres zusammen, vom Schem Hamphores.
So wurde behauptet, Jesus sei ein Zauberer und, weil er Wunder getan, mit dem
Teufel im Bunde gewesen, habe mit dem Tetragrammaton
(also den vier Buchstaben für Jahweh im hebräischen
Alphabet) Zauberei getrieben, sei ein Hurenkind und Maria eine Hure gewesen. In
diesem Zusammenhang kommen dann auch manche Aussagen vor, die eher das
Aufgreifen von im Volk verbreiteten Vorurteilen waren, zusammenhängend mit dem
Wucherwesen, was aber die große Masse der eher verarmten Juden kaum betraf.[219]
Das ist nun der direkte Hintergrund, auf
dem die umstrittenen Äußerungen Luthers dann kommen, die er mit folgenden
Worten einleitet: „Was sollen wir Christen
nun tun mit diesem verworfenen verdammten Volk der Juden? Zu leiden ist’s uns
nicht, nachdem sie bei uns sind, und wir solch Lügen, Lästern und Fluchen von
ihnen wissen, damit wir uns nicht teilhaftig machen aller ihrer Lügen, Flüche
und Lästerung. So können wir das unlöschliche Feuer
göttlichen Zorns (wie die Propheten reden) nicht löschen, noch die Juden
bekehren. Wir müssen mit Gebet und Gottesfurcht eine scharfe Barmherzigkeit
üben, ob wir doch etliche aus der Flamme und Glut erretten könnten: Rächen
dürfen wir uns nicht, sie haben die Rache am Halse tausendmal ärger als wir
ihnen wünschen mögen. Ich will meinen treuen Rat geben.“[220]
Es ging Luther hier keineswegs um irgendwelche Racheakte, er wollte auch, ganz
im Gegensatz zu den Pogromen der Hitlerzeit, nicht, dass irgendwelche
Privatpersonen sich an Juden vergriffen. Er meinte aber, dass man ihr
öffentliches und heimliches Lästern nicht dulden dürfe, da sonst Gottes Zorn
über das Land kommen müsste, da wir, weil wir es wissen und dulden, mitschuldig
würden. Gottes Ehre und der Eifer um Gottes Ehre – das sind die wahren Motive
Luthers; und dazu die Hoffnung, dass durch die „scharfe Barmherzigkeit“, wie er
es nennt, doch etliche zur Besinnung kämen und gläubig würden.
Was sind nun die Maßnahmen, die Luther
forderte? Sie waren für die damalige Zeit in keiner Weise ungewöhnlich, sondern
vielmehr zum Teil nichts anderes als Ausführungen aus der kaiserlichen
Polizeiverordnung von 1530, etwa was die Handarbeit der Juden anging. In vielen
Ländern, wie Frankreich, England, Böhmen, durften damals überhaupt keine Juden
leben. Das muss man in diesem Zusammenhang auch beachten. Was also forderte nun
Luther?[221] Ich
zähle hier auf: 1) die Synagogen zerstören, damit sie im Gottesdienst nicht
mehr lästern könnten; 2) ihre Häuser zerstören, damit sie nicht heimlich
lästern können; sie sollten dann wie Zigeuner wohnen; 3) Talmud und Gebetbücher
verbrennen, weil sie Abgötterei, Fluchen und Lästerung lehren; 4) den Rabbinern
das Lehren verbieten, weil sie über Christus Lügen verbreiten; 5) das Geleit
für die Juden aufheben; 6) den Wucher verbieten; das erwucherte
Geld abnehmen und zur Unterstützung bekehrter Juden verwenden; 7) die Juden
sollten sich durch Handarbeit nähren; sollten sie aufrührerisch werden, sollte
man sie austreiben.
Luther hebt dabei nochmals hervor, dass es
ihm nicht darum geht, jemand zum Glauben zu zwingen, denn das sei unmöglich,
aber er will das Lästern Christi nicht dulden.[222]
Obwohl ja nun Luthers Aussagen über die
Juden zum Teil sehr hart waren, auch seine Maßnahmen harsch und scharf, so
hängt andererseits sein Herz am jüdischen Volk und sein Wunsch kommt am Ende
der Schrift nochmals heraus: „Christus,
unser lieber HERR, bekehre sie barmherziglich.“[223]
In der Schrift „Von den Juden und ihren
Lügen“ hatte Luther bereits angekündigt, dass er noch über den Schem Hamphoras
schreiben wollte, was er dann auch im gleichen Jahr ausführte. In dieser
Schrift geht es um die von jüdischer Seite aufgebrachte Behauptung – Luther
stützt sich auch hier hauptsächlich auf Anthonius
Margaritha –, dass Jesus Christus durch Zauberei, gerade auch Zauberei im
Zusammenhang mit dem Tetragrammaton, seine Wunder
vollbracht habe. Dies zu widerlegen hatte Luther sich vorgenommen.
Über die Hälfte der Schrift nun beschäftigt
sich Luther mit der Herkunft Christi und der Auslegung von Jesaja 7,14. Auch
dies zeigt an, dass diese Schrift in erster Linie theologischen Charakter hat.
Aus ihr sind durchaus interessante exegetische Hilfen für die Auslegung der
Geschlechtsregister Jesu zu finden und vor allem sehr klare Darlegungen, warum,
und zwar aufgrund der Schrift Alten Testaments aber auch der Auslegung durch
den Heiligen Geist im Neuen Testament, Jesaja 7,14 almah
unbedingt mit „Jungfrau“ und nicht mit „junger Frau“ zu übersetzen ist.[224]
In diese Aussagen mischen sich viele
Vorurteile ein, die damals verbreitet waren, wohl nicht zuletzt auch verbreitet
wurden durch Konvertiten aus dem Judentum und daher wohl auch geglaubt wurden.
Ist Luther aber darum ein Judenhasser gewesen, wie etliche meinen? Nein!
Allerdings sah er im nachchristlichen Judentum, und das ist wiederum eine
zunächst grundsätzlich theologische Frage, den Ausdruck erklärter Rebellion
gegen Gott, Abkehr vom Gott des Alten Testaments, Ausdruck geistlicher
Finsternis, ja Verstocktheit.
Die Frage, die ihn daher im Zusammenhang
mit den Juden und der Warnung vor ihnen immer wieder beschäftigte, um die
Christen zu stärken, war: Ist der im Alten Testament verheißene Messias gekommen?
Die Juden warten ja noch auf den Messias. Luther legt nun dar, und das wird
auch bestätigt durch heutige Aussagen aus dem Judentum, dass die
nachchristliche jüdische Messiaserwartung eine völlig
andere ist als die biblisch-christliche, nämlich eine diesseitige, auf ein
israelitisches Weltreich ausgerichtete (dabei durchaus verwandt mit dem
Chiliasmus oder dem Gedanken eines irdischen Tausendjährigen Friedensreiches in
bestimmten christlichen Kreisen. Das Augsburger Bekenntnis verwirft dies ja in
Artikel XVII.)[225]
Da die Juden Jesus von Nazareth als den
Messias ablehnen, obwohl doch in ihm sich die Weissagungen des Alten Testaments
erfüllt haben, darum, so folgert Luther, haben sie nicht nur nicht das Neue
Testament, sondern tatsächlich auch nicht mehr das Alte Testament: „Denn erstlich ist
es ja gewiss, dass sie nicht verstehen die Verheißungen vom Messias. Zum andern
verstehen sie nicht die zehn Gebote, weil ohne den Messias die nicht können verstanden werden. Zum dritten können sie nicht
verstehen, was die Zeremonien meinen. Dazu, weil nun das Priestertum gefallen,
verstehen sie auch nicht wohl die Weise oder Larve der Zeremonien. Zum vierten
versteht kein Jude die edlen köstlichen Exempel oder Leben der Väter, Adam,
Noah, Abraham, Isaak, Jakob, Joseph, David, Summa, des ganzen Volks Israel.
Denn sie wissen nicht, was rechter Glaube, rechte gute Werke sind. Solches
beweisen ihre blinden, tollen, elenden Talmudglossen, Comment, zuletzt auch
ihre Grammatica. Darum haben sie nicht mehr am Alten
Testament.“[226]
Bei seiner letzten Predigt, die Luther
gehalten hat, in seiner Geburtsstadt Eisleben, geht er auch nochmals auf die
Juden ein. Seine Darlegung ist nochmals eine Zusammenfassung seiner Haltung,
die, wenn wir so wollen, hin und her gerissen ist. So mahnt er einerseits dazu,
christlich an ihnen zu handeln, ihnen den christlichen Glauben anzubieten,
betont noch einmal, wie in seiner ersten Schrift, „Dass Jesus ein geborner Jude war“, dass Jesus Christus doch in Vetter ist,
von ihrem Fleisch und Blut.[227]
Andererseits hebt er aber auch, wie in „Von den Juden und ihren Lügen“ seine
Auffassung hervor, dass sie täglich Christus und seine Mutter lästern und
schänden und dass sie daher, weil dies bekannt sei, nicht geduldet werden
dürften, da man sich sonst fremder Sünde teilhaftig machen würde.[228]
Da aber, wo sie Christus annehmen, da sollen wir sie als unsere Brüder halten –
sonst aber nicht dulden noch leiden.[229]
Der Eindruck, der oft vermittelt wird im
Blick auf die Aussagen Luthers zu den Juden, ist, dass er etwas völlig
außerhalb aller Diskussion Stehendes gesagt habe, sozusagen ganz allein mit
seiner Haltung gestanden habe. Das ist völlig falsch, wie schon die historische
Analyse zeigte. Noch mehr aber gilt das für das geistliche Umfeld, nicht nur
innerhalb der lutherischen Reformation, sondern auch im reformierten Umfeld.
Hier gab es bis auf ganz wenige Ausnahmen keine praktischen Unterschiede. Urbanus Rhegius etwa, der
Reformator der Braunschweiger Lande, versuchte, ähnlich wie Luther, die Juden
zu gewinnen, was aber misslang.[230]
Auch solche, die aus dem humanistischen Umfeld der Reuchlinbewegung
kamen, standen den Juden kritisch bis ablehnend gegenüber, so sehr sie zum Teil
auch, wie Sebastian Münster, wissenschaftlich am Hebräischen arbeiteten.
Münster musste, nachdem er verschiedene Disputationen mit Juden veranstaltet
hatte, feststellen, dass sie unbekehrbar sind, vor allem, wie er erkannte, so
lange sie aus ihrer Literatur (vor allem Talmud) „das Gift ihrer Kritik am
Christentum saugen“.[231]
Martin Butzer, der eine Zeitlang in Hessen wirkte,
ging bei seiner Einstellung, ähnlich wie andere reformierte Theologen wie
Zwingli, Bullinger und Calvin, vom Gedanken eines
„christlichen Staates“ aus, eine Idee, die Luther aufgrund seiner
Zwei-Reiche-Lehre mit der Trennung von Kirche und Staat, völlig fremd war.
Diese Idee führte Butzer dazu, dass er dem Staat die
Aufgabe übertrug, das Christentum zu verteidigen, auch gegen die Juden, die
damals übrigens durchaus noch sehr missionarisch waren. Anhänger falscher
Religion sollten bestraft, ausgewiesen werden. Die Juden wollte er nur unter
schwersten Auflagen dulden, wie sie schon in der kaiserlichen Polizeiordnung
von 1530 genannt wurden. Obwohl Butzer mehrfach
vorstellig deswegen wurde, ging Landgraf Philipp einen milderen Weg.
Bei der Betrachtung des
Umfeldes, in dem Luthers Aussagen entstanden, darf vor allem der Einfluss
messianischer Juden nicht unterschätzt werden. Vor allem zwei Konvertiten sind
dabei zu nennen, Johann Pfefferkorn, der seit 1505 sich auch schriftstellerisch
äußerte und unter anderem den „Judenspiegel“ herausbrachte. Er führte darin an,
dass in den jüdischen Büchern Gott, Christus und Maria gelästert werden und
behauptete, die Juden seien gefährlicher als der Teufel.[232]
Wie ist nun diese Haltung Luthers zu
beurteilen? Luther hat sich in seinen letzten Jahren noch einmal, sozusagen
abschließend, mit denen beschäftigt, die, aufgrund ihrer
Werkgerechtigkeitslehre, allerdings dem biblischen Evangelium diametral entgegen stehen: Papsttum und Judentum. Und da hat er das
Papsttum nicht anders behandelt, auch was verbale Kraftausdrücke angeht, als
das Judentum. Das heißt: Luthers Artikulation gegenüber den Juden ist nicht
Ausdruck eines speziellen Judenhasses, sondern vielmehr seiner Ausdrucksweise
überhaupt gegenüber Irrlehrern. Das war zum Teil ein Zug der Zeit. Zum anderen
wusste Luther selbst, dass er damit oft zu weit ging. Das gilt gewiss auch für
die Art und Weise, wie er die Juden verbal in seinen Spätschriften traktiert
hat. Der andere Maßstab, gerade für uns Christen, und wenn wir einen Christen
beurteilen, ist die Heilige Schrift Gottes. Was also sollen wir mit Luthers
Äußerungen zu den Juden machen?
Wir müssen, wie schon eingangs gesagt,
unterscheiden zwischen seinen theologischen Darlegungen und seinen praktischen
Folgerungen. Seine theologischen Darlegungen sind im Grundzug immer gleich
geblieben, seine praktischen Folgerungen nicht. Seiner theologischen Haltung können und
müssen wir, da sie biblisch ist, ohne wenn und aber folgen. Sie schließt damit auch ein klares Bekenntnis
zur Mission unter Israel ein. Da Luther dabei das, was er hier gegen die Juden
sagt, auch gegen alle anderen sagt, die das Heil in Christus nicht annehmen, so
ist seine Polemik nicht einseitig, antisemitisch, sondern aus der
Rechtfertigungslehre her begründet. Ja, auch der gerechtfertigte Sünder ist
nicht besser als der Jude, denn er bedarf wie dieser der rechtfertigenden Gnade
in Christus.[233]
Was nun die praktischen Folgerungen Luthers
angeht, die sich ja, wie wir gesehen haben, im Laufe der Zeit sehr gewandelt
haben, so erachte ich folgende Haltung für angebracht:
Luthers Vorschläge in seinen Spätschriften
sind, wie aus seinen Aussagen hervorgeht, hervorgerufen davon, dass er, in
erster Linie aufgrund der Schriften von Konvertiten aus dem Judentum, wie vor
allem Anthonius Margaritha, davon ausging, dass die
Juden, in der Synagoge wie auch in ihren täglichen Gebeten, den dreieinigen
Gott und besonders Christus lästern und auch seine Mutter Maria. Hier meinte nun
Luther, um der Ehre Gottes Willen und um nicht fremder Sünde teilhaftig zu
werden, aktiv werden zu müssen.
Luther ist aber in seinen praktischen
Folgerungen nicht folgerichtig vorgegangen, hat er doch selbst immer wieder
bezeugt, dass auch Gewalt die Juden nicht bekehren kann, sondern sie, wie alle
anderen Menschen auch, bekehrt werden von Gott allein aus Gnaden durch das
Evangelium Christi. Außerdem hat er, und das
tatsächlich als einziger Reformator, stets betont, dass es in Glaubensdingen
keine Gewalt, keinen Zwang geben darf. Dem ist er, leider, in seinen späteren
praktischen Vorschlägen nicht gefolgt. Diese Vorschläge widersprechen auch
seiner Zwei-Reiche-Lehre, nämlich einer konsequenten und eindeutigen Trennung
von Kirche und Staat, womit auch jeglicher staatliche Eingriff in kirchliche
Dinge, auch jeglicher staatlicher Zwang in Glaubensdingen, ausgeschlossen wird.
Auch mit dieser Zwei-Reiche-Lehre stand Luther übrigens unter den Reformatoren
völlig allein. Wiewohl im Hintergrund
der Vorschläge Luthers sein Eifer um die Ehre Gottes und unseres Heilandes
steht, und wiewohl diese Vorschläge im
Einklang mit der politischen und religiösen Haltung seiner Zeit war, ist Luther
darinnen zu weit gegangen und hat die sonst so deutlich von ihm vertretenen
Lehren nicht beachtet. Dazu gehört neben den schon angeführten auch die
Nächstenliebe, zu denen wir gegenüber den Juden gerade auch deshalb
verpflichtet sind, weil sie, wie Luther bis zuletzt ja auch betont hat, Jesu
Vettern sind, er ja von ihrem Fleisch und Blut kam. Diese Haltung lernen wir am
besten am Apostel Paulus aus dem Römerbrief. Luther, und das ist ganz wichtig,
war kein Antisemit, rassische Überlegungen waren ihm wie völlig fremd. Er war
Theologe, ein Streiter Christi, der allerdings, wie dargelegt, zu fehlerhaften
und für uns nicht annehmbaren praktischen Schlüssen kam. Bei der Darstellung zu
Luthers Stellung zu Religionsfreiheit bzw. Toleranz wird dabei in einem
größeren Rahmen nochmals eingegangen.
Herangetragen wurde die
islamische Frage an Luther wie die christliche Welt überhaupt damals durch die
Türkenkriege, die die Moslems dem christianisierten Europa durch immer neue
expansionistische Angriffe aufzwangen.[235] Daher
waren die Fragen, die Luther bewegte, nicht zuletzt auch Fragen, warum Gott
diese Kriege zuließ. Die Antwort, die er fand, ist aber auch für uns heute von
Bedeutung, der wir ja in anderer, vielleicht noch gefährlicherer, weil für
viele nicht so offensichtlicher, Weise vom Islam bedroht werden.
Die Kriege, die die Türken
führten, das erkannte Luther ganz deutlich, waren
Angriffskriege und damit ein Frevel, weil Angriffskriege von Gott verboten
sind. Dennoch aber, und das war es ja, was auch seine Zeitgenossen so
schockierte, hatten die Türken Erfolg. Warum ließ Gott das zu? Gott straft die
Welt, das ist Luthers deutliche Antwort. „Aufs
erste, weil das gewiss ist, dass der Türke gar kein Recht noch Befehl hat,
Streit anzufangen und die Länder anzugreifen, die nicht sein sind, ist freilich
sein Kriegen ein lauter Frevel und Räuberei, dadurch Gott die Welt straft, wie
er sonst manchmal durch böse Buben auch zuweilen fromme Leute straft.“[236]
Der Islam ist also eine Zuchtrute Gottes gegen die Bösen und Unwissenden, um
sie aufzuwecken: „… dass ich gesagt
hatte, wider den Türken streiten ist eben so viel, als Gott widerstreben, der
mit solcher Rute unsere Sünde heimsucht. … So stand’s
aber dazumal: Es hatte niemand gelehrt noch gehört, wusste auch niemand etwas
von der weltlichen Obrigkeit, woher sie käme, was ihr Amt oder Werk wäre oder
wie sei Gott dienen sollte.“[237]
Zweierlei kommt dabei zusammen:
Zum einen die Wut des Teufels über die Gemeinde Jesu Christi – und der Islam
ist dabei der ärgste und letzte Zorn des Teufels gegen Christus, und zum
anderen, wozu Gott diese Wut des Teufels verwendet, nämlich als Strafe gegen
die Verächter und Verfolger Jesu Christi auf Erden. Luther hat damals den
Angriff der Türken ganz eindeutig endzeitlich gedeutet und darin eine Erfüllung
von Daniel 7,10 gesehen, wie er gerade in seiner Heerpredigt gegen die Türken
Daniel immer wieder anführt.[238] „Darum, so halte fest und sei sicher, dass
der Türke gewisslich sei der letzte und ärgste Zorn des Teufels wider Christus,
damit er dem Fass den Boden ausstößt und seinen Grimm ganz ausschüttet wider
Christi Reich; dazu auch die größte Strafe Gottes auf Erden über die
undankbaren und gottlosen Verächter und Verfolger Christi und seines Worts, und
ohne Zweifel der Vorlauf der Hölle und ewiger Strafe. Denn Daniel sagt, dass nach
dem Türken flugs das Gericht und die Hölle folgen soll [Dan. 7,10].“[239]
Wie aber können wir als Christen
der islamischen Herausforderung und Gefahr begegnen? Zuerst und vor allem,
indem wir uns selbst bessern, Buße tun, umkehren zu Jesus Christus, dem Heiland
und HERRN. „So gefiel mir das auch nicht,
dass man so trieb, hetzte und reizte die Christen und die Fürsten, den Türken
anzugreifen und zu überziehen, ehe denn wir selbst uns besserten und als die
rechten Christen lebten. Welche alle beide Stücke, und ein jegliches
insonderheit, genugsam Ursache ist, allem Krieg zu widerraten. Denn das will
ich keinem Heiden noch Türken raten, geschweige denn einem Christen, dass sie
angreifen oder Krieg anfangen, welches ist nichts anders als zu Blutvergießen und
zu Verderben raten, da doch endlich kein Glück bei ist, wie ich auch im
Büchlein von Kriegsleuten geschrieben habe; so gelingt es auch nimmer wohl,
wenn ein Bube den andern strafen und nicht zuvor selbst fromm werden will.“[240]
Das heißt: Es muss erst der Teufel selbst bekämpft werden durch Buße und
Umkehr, auch Umkehr von der Irrlehre, sonst ist alles andere umsonst.[241] Gerade
wenn man bedenkt, was der Islam ist, seinen totalitären, gewaltgeneigten
Charakter und sein ausgesprochenes Antichristentum, sind wir aufgerufen, auch
heute, kräftig gegen den Islam zu beten, dass er nicht an die Macht kommt. „Welchem frommen christlichen Herzen wollte
nun nicht grauen vor solchem Feinde Christi? Weil wir sehen, dass der Türke
keinen Artikel unseres Glaubens stehen lässt, außer den einen von der Toten
Auferstehung. Da ist kein Christus, kein Erlöser, Heiland, König, keine
Vergebung der Sünden, keine Gnade noch Heiliger Geist. Und was soll ich viel
sagen: In dem Artikel ist’s alles zerstört, dass Christus unter und geringer
soll sein als Mahomet. Wer wollte nicht lieber tot
sein als unter solchem Regiment leben, da er seines Christus schweigen und
solche Lästerung und Greuel wider ihn sehen und hören
muss, und reißt doch so gewaltig ein, wo er ein Land gewinnt, dass man sich
auch williglich drein gibt. Darum bete, wer da beten
kann, dass solcher Greuel nicht unser Herr werde, und
wir nicht mit solcher schrecklichen Rute des göttlichen Zorns gestraft werden.“[242]
Der Islam, das ist die
Grundlinie, die Luther in seiner Betrachtung dieser Weltanschauung immer
beibehalten hat, steht im Dienst des Teufels. „Denn der Türke (wie gesagt) ist ein Diener des Teufels, der nicht
allein Land und Leute verderbt mit dem Schwert, welchen wir hernach hören
werden, sondern auch den christlichen Glauben und unsern lieben HERRN Jesus
Christus verwüstet.“[243]
Luther hat die ungeheuere Bedrohung, die der Islam
für den christlichen Glauben bedeutet, klar erkannt, nämlich dass er letztlich
die Gemeinde Jesu Christi verwüsten, auslöschen will.
Auch die Situation der Christen unter der islamischen Herrschaft hat er
gesehen: Öffentliches Bekenntnis und öffentliche Predigt, Mission gegen
Mohammed ist in islamischen Ländern nicht möglich. Das heißt: Es gibt
tatsächlich in islamischen Ländern keine Religionsfreiheit. Das ist auch ein
starker Grund, das war Luther deutlich vor Augen, warum mittel- bis langfristig
die christliche Kirche in den islamisch beherrschten Ländern auf dem Rückzug
ist, ja, völlig unterzugehen droht.[244]
Zwei Elemente sieht Luther dabei
als eine besondere Bedrohung im Vorgehen der Moslems, auch sie sind bis heute
so geblieben: Gewalt und List. „Wie kann
man aber mächtiger Christus zerstören als mit diesen zwei Stücken, nämlich mit
Gewalt und List? Mit Gewalt: der Predigt und dem Wort wehren; mit List: böse
gefährliche Exempel täglich vor Augen stellen und zu sich reizen. Auf dass wir
nun unsern HERRN Christus, sein Wort und Glauben nicht verlieren, müssen wir
wider den Türken nicht anders bitten, denn als wider andere Feinde unserer Seligkeit
und alles Guten, gleich als wider den Teufel selbst.“[245]
Wohl nimmt der Islam scheinbar
manches aus der Bibel, vor allem dem Alten Testament, aber vielfach verzerrt,
verdreht, aber das Entscheidende, das leugnet er mit aller Macht, und darum ist
der Graben zwischen dem christlichen Glauben und der islamischen Weltanschauung
unüberwindlich: Der Islam leugnet, ja, verwirft mit Vehemenz, die
Gottessohnschaft Jesu Christi, verwirft auch, dass er der Heiland der Welt ist,
der Retter aller Menschen, dass er für uns gestorben und auferstanden ist und
jetzt lebt und regiert zur Rechten Gottes des Vaters. Damit hat er das Herz des
christlichen Glaubens herausgerissen. Dagegen stellt er seinen Mohammed und
dessen Werkforderungen, einschließlich der Gewalt gegen Andersgläubige. Auch
daran hat sich ja bis heute nichts geändert.[246] „Erstlich, so lobt
er wohl Christus und Maria gar sehr, als die alleine ohne Sünde seien; aber
doch hält er nichts mehr von ihm als von einem heiligen Propheten, wie Jeremia oder
Jona ist, verleugnet aber, dass er Gottes Sohn und rechter Gott ist. Dazu hält
er auch nicht, dass Christus sei der Welt Heiland, für unsere Sünde gestorben,
sondern habe zu seiner Zeit gepredigt und sein Amt ausgerichtet vor seinem
Ende, gleichwie ein anderer Prophet. Aber sich selbst lobt und hebt er hoch und
rühmt, wie er mit Gott und den Engeln geredet habe und ihm befohlen sei, die
Welt, nachdem Christi Amt nun aus ist als eines Propheten, zu seinem Glauben zu
bringen, und wo sie nicht wollen, mit dem Schwert zu bezwingen oder strafen,
und ist das Schwertrühmen viel darinnen. Daher halten die Türken viel höher und
größer von ihrem Mahomet als von Christus; denn
Christi Amt habe ein Ende, und Mahomets Amt sei jetzt
im Schwang. Daraus kann nun ein jeglicher wohl merken, dass der Mahomet ein Verstörer ist unseres
HERRN Christus und seines Reichs. Denn wer die Stücke an Christus leugnet, dass
er Gottes Sohn ist und für uns gestorben sei und noch jetzt lebe und regiere
zur Rechten Gottes, was hat er mehr an Christus? Da ist Vater, Sohn, Heiliger
Geist, Taufe, Sakrament, Evangelium, Glaube und alle christliche Lehre und
Wesen dahin, und ist an Statt Christi nichts mehr als
Mahomet mit seiner Lehre von eigenen Werken, und
sonderlich vom Schwert. Das ist das Hauptstück des türkischen Glaubens, darin
alle Greuel, aller Irrtum, alle Teufel auf einen
Haufen liegen.“[247]
Wir sehen aus all dem übrigens, dass Luther keineswegs nur einige
oberflächliche Kenntnisse über den Islam hatte, sondern die zentralen,
wichtigen Aussagen sehr wohl gut kannte.
Luther sah darin, und das
nicht zu Unrecht, die
weltlich-geistliche endzeitliche Bedrohung, wie sie schon bei Daniel
beschrieben ist, wie er gerade in seiner Heerpredigt gegen die Türken immer
wieder darlegt. Der Hauptfeind des Islam ist das Christentum. Er identifizierte
den Islam (Türken) mit dem „kleinen Horn“ bei Daniel, und sein Reich als einen
Teil des Römerreiches.[248] (Da wir die
Prophetie in ihrer Gänze immer nur in der Erfüllung verstehen können, müssen
wir aus heutiger Sicht sagen: Wiewohl sicher das Osmanische Reich (mitsamt der
heutigen Türkei) eine entschieden antichristliche Kraft war (und ist), und so,
mit dem Papsttum, unter dem „kleinen Horn“ (das hier für die geistlichen und
weltlichen antichristlichen Mächte zusammen steht) zu verstehen ist, so war
doch die Zeit noch nicht völlig erfüllt, waren die drei Hörner noch nicht
völlig überwunden. Es ist gut möglich, dass diese drei Hörner für ein Drittel
der Welt stehen, die durch den Islam als der
antichristlichen weltlichen Macht überwunden wird und beherrscht, unter
Umständen auch in Verbindung mit dem Papsttum. Denn diese beide sind furchtbare
Feinde des biblischen Christentums, und ist der Islam in schlimmer Weise ein
Lästerer Christi und seines Evangeliums.)
Und dennoch: Die antichristlichen
Mächte, Papsttum wie Islam, werden auf die Dauer nicht den Sieg behalten,
sondern, wie schon bei Daniel dargelegt, kommt gleich auf ihr Wüten der Jüngste
Tag: „Zum sechsten, soll flugs aufs
Türken Reich und Wüten der jüngste Tag und das Reich der Heiligen kommen, wie
Daniel hier spricht, dass des Horns Kriege und Siege sollen währen, bis der
Alte komme und setze sich zu Gerichte.“[249]
Wie kann ein Christ in einem islamischen Land leben, überleben? Wichtig ist hier, das
hebt Luther hervor, und das gilt ja für das Leben unter allen Systemen, vor
allem den totalitären, aber auch in der Welt überhaupt: den eigenen Glauben,
die christliche Glaubenslehre gut kennen. Zuerst und vor allem heißt das: den
Katechismus kennen und können. Und in Auseinandersetzung mit dem Islam da
besonders den zweiten Glaubensartikel von Christus und seinem Erlösungswerk,
der uns ja unterscheidet von allen anderen Religionen. „So lerne nun, weil du noch Raum und Statt
hast, die zehn Gebote, dein Vaterunser, den Glauben, und lerne sie wohl,
sonderlich diesen Artikel, da wir sagen: ‚Und an Jesus Christus, seinen einigen
Sohn, unsern HERRN, der empfangen ist vom Heiligen Geist, geboren von der
Jungfrau Maria, gelitten hat unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und
begraben, niedergefahren zur Hölle, am dritten Tag auferstanden von den Toten,
aufgefahren gen Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters,
von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten.’ Denn an
diesem Artikel liegt’s, von diesem Artikel heißen wir Christen, und sind auch
auf denselben durchs Evangelium berufen, getauft und in die Christenheit
gezählt und angenommen, und empfangen durch denselben den Heiligen Geist und
Vergebung der Sünden, dazu die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben.
Denn dieser Artikel macht uns zu Gottes Kindern und Christi Brüdern, dass wir
ihm ewiglich gleich und Miterben werden.
Und durch diesen Artikel wird unser Glaube
gesondert von allen andern Glauben auf Erden. Denn die Juden haben des nicht, die Türken und Sarazenen
auch nicht, dazu kein Papist noch falscher Christ, noch kein anderer
Ungläubiger, sondern allein die rechten Christen. Darum, wo du in die Türkei
kommst, da du keine Prediger noch Bücher haben kannst, da erzähle bei dir
selbst, es sei im Bette oder in der Arbeit, es sei mit Worten oder Gedanken,
dein Vaterunser, den Glauben und die zehn Gebote. Und wenn du auf diesen
Artikel kommst, so drücke mit dem Daumen auf einen Finger oder gib dir sonst
etwa ein Zeichen mit der Hand oder Fuß, auf dass du diesen Artikel dir wohl
einbildest und merklich machst, und sonderlich, wo du etwa wirst ein türkisches
Ärgernis sehen oder Anfechtung haben, und bitte mit dem Vaterunser, dass dich
Gott behüte vor Ärgernis und behalte dich rein und fest in diesem Artikel, denn
an dem Artikel liegt dein Leben und Seligkeit.“[250]
Dabei gilt es auch, sich von dem
teilweise strengen Leben, dass etliche Muslime, auch etwa die Imame, führen mögen,
wie auch tatsächlichen oder angeblichen Wundern sich nicht irre machen zu
lassen, sondern es deutlich vor Augen zu haben, dass es des Teufels Religion
und Werkgerechtigkeit ist. Ebenso wenig soll einen Christen die äußere Ordnung
ihres Gottesdienstes beeindrucken.
Die Frage, ob und in
wieweit Luther für Religionsfreiheit eingetreten ist, ist nicht unwichtig und
besonders auch für seine Auffassung von Staat und Kirche von Gewicht. Bei der
Beurteilung darf das historische Umfeld nicht einfach ausgeblendet werden. Es
ist vor allem zu bedenken, dass vor der Reformation die Situation eines
konfessionell gemischten Gebietes faktisch auszuschließen war, zumindest für
den Bereich der lateinischen Kirche. (Im Osten hatte es das in der frühen Zeit
der Kirche vor dem islamischen Angriff durchaus gegeben. Darauf kann hier aber
nicht eingegangen werden, da es für die weitere Geschichte in Europa keine
Rolle spielte.[251])
Das Mittelalter kannte
öffentlich-rechtliche Duldung nur für die Juden, in bestimmten Fällen auf für
Heiden, wenn ihre Schar zu groß war, um sie zu unterdrücken, ähnliches galt für
Häretiker, für die sonst aber, gegründet auf den Darlegungen von Thomas von
Aquin, die Todesstrafe galt.[252]
Begründet wurde dieses Vorgehen mit dem Schutz vor Verführung, da diese ja das
ewige Heil gefährdet. Abfall vom Glauben galt als Verrat.[253]
Erst mit der Reformation,
die zu einem Ende der konfessionellen Einheitlichkeit führte, tauchte die Frage
der Duldung neu auf, umso mehr, als eben die neuen Konfessionen diese für sich
verlangten, nicht zuletzt aus der Gewissheit heraus, dass sie ja im Besitz der
Wahrheit seien.[254]
Wie standen nun die
Reformatoren zu diesem Thema? Calvin war derjenige, der in seiner Auffassung
am nächsten bei Rom blieb und vor allem die Todesstrafe für die Leugnung der
Trinität forderte (und im Fall Michael Servet auch durchführte). Vergehen gegen
die Seele dürften nicht straflos bleiben.[255]
Es war der Servetprozess allerdings der einzige, der
mit einem Todesurteil endete. Aber es gab viele Kirchenzuchtsfälle
vor dem Genfer Konsistorium. Den Täufern, die Calvin radikal ablehnte, hat er
nicht die Todesstrafe gefordert.[256]
Zwingli dagegen
übte schneller die Todesstrafe, angefangen bei den Täufern (während seiner Zeit
vier), die wegen „Ungehorsams gegen das Gesetz der Obrigkeit“ hingerichtet
wurden, denn Zwingli ging, als jemand, der von Erasmus geprägt war, von einem
„christlichen Staat“ aus, den er anstrebte. Daher kam die Durchführung der
Reformation in den Schweizer Gebieten auch durch Ratsbeschluss zustande und
machte die dort entstehende reformierte Kirche faktisch zur Staatskirche, d.h.
Staat und Kirche verschmolzen zu einer Einheit.[257]
Mit der Zwinglischen Auffassung eng verwandt war die Haltung
Melanchthons, der eine ähnlich strenge Form der Intoleranz vertrat. Auch er
kannte in Anlehnung an Erasmus nur eine „christlichen Staat“ und erklärte die
Erkenntnis Gottes und die Ehre Gottes zur höchsten Aufgabe der Obrigkeit, hier
auch in Übereinstimmung mit Calvin.[258]
Für ihn war die religiöse Einheit des Landes grundsätzliche Ordnung. Und um
sich beim Kaiser und den Römern nicht verdächtig zu machen, forderte er die
schärfste Verfolgung der Täufer, einschließlich der Todesstrafe.[259]
Luther dagegen hat
im Unterschied zu all den anderen Reformatoren die Idee eines „christlichen
Staates“ stets vehement abgelehnt und war gegen jegliche Vermischung von
Geistlichem und Weltlichem. Die Obrigkeit hat für ihn keine geistliche
Funktion. Darum hat Luther durchaus die Duldung nicht nur der Römer, sondern
selbst der Häretiker gefordert. Der Glaube war für ihn etwas zutiefst
Persönliches und daher frei. Zwang in Glaubensdingen lehnte er völlig ab. Die
Sorge vor einer neuen Gesetzlichkeit war für ihn größer als die Angst vor
Unordnung. Auch im Blick auf die Anfänge der Bauernunruhen und der Gewalttaten Müntzers unterschied er klar zwischen deren terroristischen
Handlungen und der Auseinandersetzung mit ihrer schwärmerischen Lehre: „Man
lasse sie nur getrost und frisch predigen, was sie können und wider wen sie
wollen … Man lasse die Geister aufeinander platzen und treffen. Werden etliche
indes verführt, wohlan, so geht’s nach rechtem Kriegslauf. Wo ein Streit und
Schlacht ist, da müssen etliche fallen und wund werden.“[260]
Daran hat Luther
grundsätzlich immer festgehalten. Niemand kann zum Glauben gezwungen werden.
Der Unglaube kann nicht mit Gewalt Unterdrückt werden. „Denn wo man einen
Buben wollt mit Gewalt ausrotten, da wachsen ihrer zween
dargegen auf.“[261]
Später allerdings ist
Luther dafür eingetreten, die öffentliche Verbreitung der Ketzerei zu
verbieten, vor allem unter dem Eindruck des Bauernkrieges und der täuferischen Schreckensregimes in Münster, da er hier eine
Vermischung von Religiösem und Politischem sah, da sie „Aufruhr und Unruhe
lehren“. Allerdings zählte er nun zu Aufruhr auch die täuferische
Ablehnung obrigkeitlicher Ämter, des Eides, der Landesverteidigung, des
Eigentums und des kirchlichen Predigtamtes.[262]
Dass Luther dann auch nur
noch eine Kirche in einem Land öffentlich zulassen will, hängt letztlich auch
damit zusammen, denn er fürchtet „Rotten, Unfried, Hass und Neid auch in andern
weltlichen Sachen“.[263]
Es geht Luther also um den öffentlichen Frieden. Seine Intoleranz ist daher
einzig politisch, nicht religiös, begründet, nämlich um den Frieden zu
erhalten. Allerdings kommt später noch ein religiöses Moment dazu: Ketzerei ist
Lästerung Gottes. Und bei seiner apokalyptischen Weltsicht, die von einem nahen
Weltende ausging, wollte er, dass die Obrigkeit Gotteslästerung nicht duldet.
Und dazu zählte er sowohl die römische Messe, wie auch die jüdisch-rabbinische
Leugnung Christi und die wiedertäuferische Predigt.
Luther war besorgt, dass sonst der Zorn Gottes über ein Volk und Land
hereinbrechen könnte. Nur in privaten Räumen sollte daher andere Lehre erlaubt
sein (so etwa für die Römischen in Wittenberg und Altenburg). Allerdings
forderte Luther nicht die Todesstrafe, sondern Verbot häretischer Predigt und
Landesverweisung (und hier, auch das ist wichtig, galt dies gleichermaßen für
Römer, Juden und Täufer).[264]
Dass er bei den Täufern
dann doch die Todesstrafe schließlich befürwortete, war ein Ergebnis langen
Drängens Melanchthons und kam aus der Sorge um völlige Zerrüttung der Ordnung
und um ihrer Blasphemie willen. Jahrelang hatte Luther gegen Melanchthons
Drängen gezögert. Und auch dann gab er nur eher widerwillig nach. „Wiewohl
es crudele [grausam]
anzusehen, dass man sie mit dem Schwert straft, so ist es doch crudelius [grausamer], dass sie ministerium
verbi damniren [das
Predigtamt verdammem] und keine gewisse Lehre treiben
und rechte Lehre unterdrücken und dazu regna mundi [weltliche Regierung] zerstören wollen.“[265]
Luthers Denken war auch geprägt von der Geschichtsauffassung, dass Gottes Zorn
und Gericht Realität sind. Dennoch blieb er grundsätzlich dabei, dass der
Glaube frei ist, dass die Irrlehrer mit dem Wort zu überführen sind. Aber seine
Sorge um eine immer mehr verfallende Welt wurde für ihn immer beklemmender. Daher
griff er dann zu diesen Mitteln. (Das steht übrigens letztlich auch hinter
seinen extremen Schriften über die Juden in seinen letzten Jahren mit den dort
vorgeschlagenen Maßnahmen. Er rechnete sie durchaus in eins mit den Römern und
Täufern.) Es hat, und das ist auch wichtig, zu Luthers Zeit im evangelischen
Raum keinen Ketzerprozess gegeben, wie das bei Rom üblich war. Das war eine
Frucht seiner Auffassung.[266]
Heute können wir die
Grundauffassung Luthers auch im öffentlichen Bereich umsetzen, weil wir auch
Luthers Erkenntnisse darüber, „dass ein christlicher Fürst ein seltener Vogel
ist“ berücksichtigen können und die Regierungen noch gottloser, noch
antichristlicher sind, als dies schon zu Luthers Zeit der Fall war, und vor
allem die Möglichkeit gegeben ist, trotz unterschiedlicher Konfessionen den
äußeren Frieden zu wahren. Gottes Gericht werden wir nicht abwenden können, da
die Herzen nicht zu zwingen sind.
Die Rechtfertigung ist Gerechterklärung, aber sie bringt als Folge
natürlicherweise die Einwohnung Christi im Gläubigen mit sich (Joh. 14,23), der
nun auch mit der Gerechtmachung oder Heiligung
als Frucht der Rechtfertigung beginnt oder dem neuen Leben oder neuen Gehorsam.
Der Glaube ist im Gewissen darin gebunden an Gottes Wort, will gemäß Gottes
Wort von Herzen nach Gottes Willen leben. Das neue Leben ist also kein
autonomes Leben, losgelöst von Gott, sondern vielmehr ein theonomes
Leben, unter Gottes Leitung.[267]
Der Glaube ist durch
Christus grundsätzlich frei von der Sündenherrschaft, der Gläubige nicht mehr
Knecht der Sünde, ist auch frei vom Zwang des Gesetzes. „… desgleichen, dass ein Christ ganz und gar nichts
mit dem Gesetz und mit der Sünde zu schaffen habe solle, besonders in
Anfechtungen. Sofern er ein Christ ist, steht er über dem Gesetz und der Sünde.
Denn er hat in seinem Herzen gegenwärtig und eingeschlossen Christus, den HERRN
des Gesetzes, wie ein Ring einen Edelstein umfasst. Wenn ihn daher das Gesetz anklagt,
die Sünde ihn erschreckt usw., so sieht er Christus an. Wenn er den im Glauben
ergriffen hat, so hat er bei sich den Sieger über das Gesetz, über Sünde, Tod
und Teufel, der über alle diese herrscht, dass sie ihm keinen Schaden tun
können.
Deshalb ist ein Christ, in der eigentlichen
Bedeutung des Wortes (proprie definitus),
frei von allen Gesetzen und durchaus niemandem weder innerlich noch äußerlich
unterworfen. Doch sage ich mit ganz besonderem Nachdruck: sofern er ein Christ
ist (nicht sofern er ein Mann oder eine Frau ist), das heißt, sofern er ein
Gewissen hat, das angetan, geschmückt und reich gemacht ist durch diesen
Glauben, durch diesen großen und unermesslichen Schatz, oder, wie Paulus sagt,
diese unaussprechliche Gabe, welche nicht hoch genug erhoben und gelobt werden
kann, weil sie Kinder und Erben Gottes macht.“[268]
Das Herz ist, was den neuen Menschen angeht, ganz auf Gottes Willen
ausgerichtet und damit an Gott selbst gebunden, nicht nur an einzelne
Satzungen. In der Hinsicht ist der Christ ein freier Mensch und Herr aller
Dinge, niemandem untertan, wie Luther es in „Von der Freiheit eines
Christenmenschen“ dargelegt hat.[269]
Weil aber der alte
Mensch, der alte Adam zugleich auch noch vorhanden ist, die Sünde darum immer
wieder hochkommt, darum ist das Leben des Christen, wie Luther es auch in der
ersten These ausgedrückt hat, ein Leben in der Buße, also im täglichen Kampf
gegen die Sünde, täglicher Sündenerkenntnis, täglicher Sinnesänderung,
täglicher Vergebung – und das alles gewirkt durch das Wort. Der Christ lebt
also stets allein aus Gottes Liebe und Vergebung und hat nur so inneren Frieden
und neue Kraft.[270]
Dieses neue Leben vor
Gott zeigt sich vor allem als Leben im Dienst des Nächsten. Denn Gott selbst
bedarf unser nicht, wohl aber der Nächste. Und das ist etwas, was Gott
wohlgefällt.[271]
Dass das neue Leben für
Luther eine so große Bedeutung hatte, mag verwundern, denn sein Glaube war
entschieden endzeitlich ausgerichtet. Er erwartete die Wiederkunft Christi zum
Jüngsten Gericht in Kürze. Aber anders als die frühe Kirche oder Rom verfiel er
nicht in Weltflucht (Möncherei), aber auch nicht, wie
die Schwarmgeister und Täufer, in Askese, Anarchie oder Abwendung von den
Ordnungen Gottes in dieser Welt., obwohl für Luther
diese Welt allerdings ein Jammertal ist. Aber durch das Liebesgebot Gottes weiß
er sich berufen zum Dienst am Nächsten und dazu, in den Ordnungen Gottes in
dieser Welt zu leben: Ehe, Beruf und Staat.[272]
Ganz im Gegensatz zu Rom hat
Luther die Ehe, die lebenslange Verbindung eines Mannes und einer Frau, hoch
geachtet und geehrt als einen von Gott selbst gestifteten heiligen Stand – aber
nicht als eine Heilsordnung, aus der man ein Sakrament macht, sondern als eine
natürliche oder Schöpfungsordnung, die auch außerhalb der Kirche Christi
existiert. Aus diesem Grund hat er die Ehegesetzgebung dem Staat und nicht der
Kirche gegeben. Damit hatte Luther bereits den Weg frei gemacht zur Zivilehe,
die durchaus in dieser Konsequenz liegt. Zugleich hat er sich damit gegen die
kirchlichen, über die natürliche Ordnung hinausgehenden, Eheverbote
ausgesprochen.[273] „Allhier [Eph. 5,25]hat St. Paulus zusammengefasst und
ineinander geflochten diese beiden Stücke, den ehelichen Stand und die
Auferstehung, samt dem ganzen Reiche Christi in seiner Christenheit. Und hält
den Ehelichen, beiden, Mann und Weib, dies einige Exempel vor, dass Christus
sei das Haupt der Kirche, wie ein Mann seines Weibes, und die Christenheit
seine Braut oder Ehefrau. Lehrt also uns und alle, so da wollen eine
christliche Ehe führen und besser machen als die Heiden, dass sie dies Bild in
die Augen fassen, so ihnen Gott hat vorgestellt in Christus und seiner
Christenheit, und sich in ihrem Ehestand darnach halten und Gott loben und
danken, dass sie in den beiden göttlichen Ständen erfunden werden, nämlich: in
der hohen geistlichen Ehe mit dem Herrn Christus und in dieser niedrigen,
leiblichen Ehe in der Welt oder im Fleisch.
Denn das ist nicht eine
geringe Ehre und Herrlichkeit des ehelichen Standes, dass ihn Gott vorgestellt
und ausmalt zum Bild und Exempel der hohen, unaussprechlichen Gnade und Liebe,
so er hat in Christus erzeigt und schenkt, als das allergewisseste und
lieblichste Zeichen der höchsten, freundlichen Vereinigung zwischen ihm und der
Christenheit und allen ihren Gliedern,
deren man keine nähere erdenken mag. Und zeigt hiermit genugsam an, dass dieser
Stand ein göttlicher Stand sei und ihm gefalle, weil er ihn erwählt und setzt
zu solchem heiligen Exempel oder Vorbild der geistlichen Hochzeit, darinnen
sein Herz und Wille gegen uns leuchten soll, und wir uns alle täglich darinnen
spiegeln sollen; und besonders die Eheleute in ihrem Stand sich untereinander
darnach halten, wie sie hier St. Paulus ermahnt.“[274]
Die Ehe hat Luther als
den Bereich gesehen, in den Gott den Christen hineingesetzt hat, um gerade
darin sein Christsein zu bewähren in seinem Verhältnis zu Gott und zu seinem
Nächsten, vor allem Selbstüberwindung, Selbstverleugnung zu üben. Daher hatte
er eine besondere Achtung vor dem Stand der Mutter in ihrem täglichen Dienst
für Mann und Kinder und hat auch die Ordnung festgehalten, wie sie Gott für
Mann und Frau schon in der Schöpfung gesetzt hat.[275] „Demnach
soll auch im ehelichen Stand das Weib den Mann nicht allein lieben, sondern
auch gehorsam und untertan sein, und sich dieses Exempel vorbilden, das sie
erinnere, so zu denken: Mein Mann ist ein Bild des rechten, hohen Hauptes
Christi, um desselben willen ich ihn ehre und tue, was ihm gefällig ist.
Desgleichen soll wiederum der Mann sein Weib von Herzen lieben um der hohen Liebe willen, so er hier an Christus sieht, und auch denken: Desgleiche habe weder ich, noch keiner getan; darum will ich dem Exempel nach, so viel ich kann, mich auch so gegen mein Weib halten durch die Liebe, wie gegen mein eigen Fleisch, dass ich ihrer pflege, nähre und warte, und nicht bitter noch wunderlich gegen sie sei, sondern, ob sie gebrechlich und etwas Fehl an ihr ist, mit Vernunft und Geduld trage. Das wäre denn nicht mehr eine weltliche und menschliche, oder vernünftige, sondern eine christliche, göttliche Ehe, davon die Heiden nicht wissen; denn sie sehen nicht den hohen Schmuck und Ehre der Hochzeit, dass es ein Bild ist der hohen, geistlichen Hochzeit Christi. Darum gebührt uns Christen, diesen Stand vielmehr zu ehren und herrlich zu halten als die den großen Schmuck und Herrlichkeit, daran gehängt, wissen und kennen.[276]
Welch
eine hohe und gewaltige Aufgabe die Elternschaft ist, macht Luther in den
folgenden Worten deutlich: „Also ist’s wahr, wie man sagt, dass die Eltern,
ob sie sonst nichts zu tun hätten, können sie an ihren Kindern Seligkeit
erlangen; an welchen, so sie die zu Gottesdienst recht ziehen, haben sie
fürwahr beide Hände voll guter Werke vor sich. Denn was sind hier die
Hungrigen, Durstigen, Nackten, Gefangenen, Kranken, Fremdlinge, als deiner
eigenen Kinder Seelen (Matth. 25,35 u. 36), mit
welchen dir Gott aus deinem Haus ein Spital macht, und dich ihnen zum
Spitalmeister setzt, dass du sie warten sollst, sie speisen und tränken mit
guten Worten und Werken, dass sie lernen Gott trauen, glauben und fürchten und
ihre Hoffnung in ihn setzen, seinen Namen ehren, nicht schwören noch fluchen,
arbeiten, Gottesdiensts und Worts warten, dass sie zeitliche Dinge lernen
verachten, Unglück sanft tragen und den Tod nicht fürchten, dies Leben nicht
lieb haben! O, wie eine selige Ehe und Haus wäre das, wo solche Eltern inne
wären; fürwahr, es wäre eine rechte Kirche, ein auserwähltes Kloster, ja ein
Paradies.
Wiederum können die
Eltern nicht leichter die Hölle verdienen als an ihren eigenen Kindern, in
ihrem eignen Haus, wo sie dieselben versäumen und nicht lehren die Dinge, die
droben gesagt sind. Was hilft’s, dass sie sich tot fasten, beten, wallen und
alle Werke täten? Gott wird sie doch davon nicht fragen am Tod und Jüngsten
Tag, sondern wird fordern die Kinder, die er ihnen befohlen hat.“[277]
Kinder waren für Luther, ganz gemäß der
Bibel, ein Segen. „Kinder sind das lieblichste
Pfand in der Ehe, die binden und erhalten das Band der Liebe. Es ist die beste
Wolle am Schaf. … Ach, wie ein großer, reicher und herrlicher Segen Gottes ist
im Ehestande! Welch eine Freude wird dem Menschen gezeiget an den Nachkommen, die von ihm gezählet
werden auch nach seinem Tode, wenn er nun liegt und faulet! Ist doch das die
schönste und größte Freude.“[278]
Die Grundlage aller Erziehung ist der Auftrag Gottes an die Eltern,
nämlich dass sie ihre Kinder nicht als „Privateigentum“ bekommen haben, sondern
dass Gott der HERR damit auch eine Aufgabe verbunden hat, diese in Zucht und
Ermahnung zum HERRN zu erziehen, sie auch recht zu unterrichten für ihren Beruf
in dieser Welt. „Eltern sind von Gott
darum nicht in ihren Stand gesetzt, dass sie allein ihre Lust an den Kindern
sehen und ihren Vorwitz mit ihnen treiben, sondern in der Zucht und Ermahnung
zum HERRN auferziehen.“[279] Hier liegt eine besondere Aufgabe
der Frau als Mutter, ihr von Gott gegeben. „Es
greift ein Weib viel besser zu einem Kinde mit dem kleinen Finger als ein Mann
mit beiden Fäusten. Mit wie feinen, bequemen Gebärden spielen und scherzen die
Mütter, wenn sie ein weinendes Kind stillen oder in die Wiege legen. Lass nun
solches einen Mann tun, so wirst du müssen sagen, er stellt sich dazu wie ein
Kamel zum Tanz, so gar übel stehet ihm solches an,
auch wenn er das Kind mit einem Finger angreifen soll.“[280]
So, wie das Evangelium aber überhaupt im
Christentum dominieren soll, auch in der Verkündigung, so soll es auch in der
Erziehung dominieren. Das heißt nun für die Praxis, dass in der Erziehung, im
Alltag der Kinder, die Freude vorherrschen soll. Das heißt, die
Erziehung soll weder tyrannisch noch mönchisch geprägt sein, sondern den
Kindern viel Raum zur Freude, zur Ergötzung, damit auch zum Spielen geben. „Jungen Leuten ist solcher tyrannischer, mönchischer Zwang ganz schädlich und ist ihnen
Freude und Ergötzen so hoch von Nöten, wie ihnen Essen und Trinken ist; denn
sie bleiben auch desto eher bei Gesundheit.“[281]
Darum wäre es auch völlig falsch, Gott zur
Überwachungs- und Strafinstitution zu verfälschen. Die Kinder bekämen damit ein
völlig verkehrtes Gottesbild. Gewiss, sie sollen und müssen die Gebote Gottes
lernen, müssen auch wissen, dass Gott auch die Übertretung seiner Gebote
strafen wird. Das ist das Gesetz. Auch das ist den Kindern früh beizubringen,
damit sie die nötigen Grenzen in ihrem Leben erkennen. Aber vor allem sollen
sie Christus als ihren Heiland und himmlischen Kinderfreund kennen und
lieben lernen, wie er auch Mark. 10,13-16 dargestellt wird.
Was die Kinder als Erstes lernen sollten,
ist beten, beten zu Christus, zu dem lieben Gott, ihrem himmlischen
Vater. Es kommt dabei nicht darauf an, dass sie jeglichen Inhalt sogleich
verstehen, wohl aber, dass sie mehr und mehr Gott recht vertrauen lernen. Neben
erlernten Gebeten soll man sie früh anleiten, auch eigene Gebete zu
formulieren.
Dann aber ist es vor allem wichtig, dass
sie einen großen Vorrat an christlicher Kenntnis erhalten. Dies
geschieht durch die biblische Geschichte wie auch den Katechismus. „Wenn Gott den Eltern Kinder gibt,
so sollen sie dieselben lehren, Gott lieben von ganzem Herzen und von ganzer
Seele und allem ihrem Vermögen, und dass man ihnen soll Gottes Wort
einschärfen, das ist, immer mit ihnen treiben und üben, dass es nicht verroste
noch verdunkele, sondern stets im Gedächtnis und Werk, als neu und hell,
bleibe. Denn je mehr man von Gottes Wort handelt, je heller und neuer es wird
und heißet billig: Je länger, je lieber. Wo man’s aber nicht treibet, so wird’s
bald vergessen und unkräftig.“[282]
Gerade der Katechismus ist für die
Unterweisung in der biblischen Lehre von großer Bedeutung. „Ein jeder Hausvater ist schuldig, dass er zum wenigsten die Woche
einmal seine Kinder und Gesinde ausfrage und verhöre, was sie von Religion
wissen oder lernen, und wo sie es nicht können, mit Ernst dazu halte.“[283]
Daneben ist aber auch eine gute und
umfassende Allgemeinbildung wichtig. „Wenn
nun gleich, wie ich gesagt habe, keine Seele wäre, und man der Schulen und
Sprachen gar nicht bedürfte um der Schrift und Gottes willen; so wäre doch
allein diese Ursache genugsam, die allerbesten Schulen, beide für Knaben und Mägdlein, an allen Orten aufzurichten, da die Welt auch
ihren weltlichen Stand äußerlich zu erhalten, doch bedarf feiner geschickter
Männer und Frauen; dass die Männer wohl regieren könnten Land und Leute, die
Frauen wohl erziehen und erhalten könnten Haus, Kinder und Gesinde.“[284]
Gott hat die Kinder gerade auch darum den Eltern gegeben, dass sie dieselben
recht erziehen und unterweisen, das ist Gottes Wille und Gebot. „Er hat die Kinder gegeben und Nahrung dazu,
nicht darum, dass du allein deine Lust an ihnen sollst haben oder zur Welt
Pracht erziehen. Es ist dir ernstlich geboten, dass du sie sollst ziehen zu
Gottes Dienst, oder sollst mit Kind und allem rein ausgewurzelt werden, dass
alles verdammt sei, was du an sie legest; wie das erste Gebot sagt: ‚Ich suche
heim der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied,
deren, die mich hassen.’ Wo willst du
sie aber zu Gottes Dienst ziehen, wenn das Predigtamt und geistlicher Stand
darniederliegt und verfallen ist? Und deine Schuld ist, der du wohl hättest
können dazu tun und helfen erhalten, wo du dein Kind hättest lassen lernen. Denn
wo du es tun kannst, und dein Kind dazu tüchtig ist
oder Lust hat, und du tust es nicht, sondern hinderst es, hörest du es wohl? So
bist du schuldig an dem Schaden, dass der geistliche Stand verfällt und weder
Gott noch Gottes Wort in der Welt bleibt. Denn so viel an dir ist, lässest du ihn verfallen; und weil du ein Kind nicht willst
dazu geben, so tätest du eben auch mit allen, wenn du die Welt voll Kinder
hättest, dass deinethalben Gottesdienst schlicht zugrunde geht.“[285]
Vor allem aber kommt es auf
die Charakter- und Persönlichkeitsbildung an. Dabei kommt dem Beispiel
der Eltern eine große Bedeutung zu. Zucht und Disziplin der Eltern ist daher
wichtig. Sie sollen auch vorsichtig sein in dem, was sie vor den Kindern reden,
was sie ihnen zeigen, damit sie nicht verwirrt werden oder mit Dingen belastet,
die sie in ihrem jeweiligen Alter noch nicht verarbeiten können. Man soll „nicht allein gern der Jugend dienen,
sondern man soll sie auch nicht ärgern, weder mit Worten noch mit Werken,
sondern zum Besten ziehen. Das sehen wir in der Erfahrung, dass die Jugend ist
wie ein Zunder, der über die Maßen leichtlich fängt,
was böse und ärgerlich ist. Darum gehört ein besonderer Fleiß dazu, dass man
auf beide, auf die Kinder und ihre Engel sehe. Auf die Engel, dass man sie
nicht betrübe; auf die Kinder aber, dass man sie nicht ärgere. Darum sollte man
bei dem jungen Volke vorsichtiger und bedächtiger sein, nicht alles reden noch
tun, was man sonst redet und tut.“[286] Von frühester Kindheit an ist es
wichtig, dass das Kind Gehorsam lernt. Das gehört auch ins vierte Gebot
hinein, anhand dessen das Kind erkennen soll, dass die Eltern Autorität haben
von Gott und dass es, das Kind, wenn es den Eltern gehorcht, Gott gehorcht. „Ach, was tut nachhängen! Wie werden die
Kinder verderbet, wenn man ihnen ihren Willen lässet
und strafet sie nicht.“[287]
Grundlage aller Gehorsamsforderung sind die Gebote Gottes. Die
Heiligkeit Gottes, den heiligen Ernst Gottes im Blick auf seinen Willen lernen
die Kinder damit.
Verbunden mit dem Gehorsam ist auch Disziplin
und Zucht, auch Strafe. Wichtig dabei: Der Stock darf nicht das Regiment
führen, die Liebe muss vielmehr unbedingt dominieren. Nicht Furcht und Zwang
sollen das Verhältnis des Kindes zu seinen Eltern prägen. „Die Erfahrung lehret, dass durch Liebe weit mehr ausgerichtet werden
könne als durch knechtische Furcht und Zwang.“[288]
Kindlich soll man vielmehr den Kindern begegnen, „sollen wir Kinder ziehen, so müssen wir auch Kinder mit ihnen werden,
man muss die Jugend kindlicher Weise und spielend aufziehen. Das wäre auch die
rechte Weise, Kinder wohl zu ziehen, weil man sie mit Gutem und Lust kann
gewöhnen.“ 67 Dass Schläge dabei
nicht das Haupterziehungsmittel sein dürfen, war schon Luther klar: „Was man allein mit Ruten und
Schlägen soll zwingen, da wird keine gute Art draus, und wenn man’s weit
bringet, so bleiben sie doch nicht länger fromm als die Rute auf dem Nacken
liegt.“[289]
Luther erkannte bereits, dass die Kinder von
ihren Anlagen her unterschiedlich sind, daher auch unterschiedlich zu erziehen,
auch jeweils gemäß ihren Anlagen zu fördern sind. Und: Kein Kind zu einem Beruf
zwingen, sondern ihm helfen, den Beruf zu finden, in dem
es seine Anlagen, seine Begabungen und Neigungen am besten entfalten kann.
Die Reformation Martin Luthers hat für das Schulwesen einen ungeheuren
Impuls bedeutet. Letztlich geht der Gedanke der Schule für alle mit
Unterrichtspflicht auf Luther und seine Mitstreiter zurück. Dabei war es für
Luther immer selbstverständlich, auch wenn er die Obrigkeiten zur Schulgründung
aufrief, dass die Schulen christliche Schulen sind, andere konnte er sich gar
nicht vorstellen. „Wo aber die heilige
Schrift nicht regiert, da rate ich fürwahr niemand, dass er sein Kind hintue.
Es muss verderben alles, was nicht Gottes Wort ohne Unterlass treibt; darum
sehen wir auch, was für Volk wird und ist in den hohen Schulen.“[290] Das macht deutlich, dass zum einen
wirklich Gottes Wort auch in den Schulen, hohen wie niederen, zu treiben ist,
und der ganze Unterricht davon bestimmt sein soll. „Vor allen Dingen sollte in den hohen und niederen S c h u l e n die vornehmste und allgemeinste Lektion die heilige Schrift sein und für die jungen Knaben das
Evangelium. Und wollte Gott, eine jegliche Stadt hätte auch eine Mädchenschule,
darinnen des Tages die Mägdlein eine Stunde das
Evangelium hörten, es wäre auf Deutsch oder Lateinisch.“[291]
Es geht dabei nicht nur um die einfache
Bildung, sondern auch die umfassende, die nötig ist, um zu predigen, zu
regieren. „Denn es muss eine Gemeinde,
und besonders eine solche Stadt, mehr Menschen als Kaufleute haben, auch andere
Leute, die mehr können als rechnen und deutsche Bücher lesen. Deutsche Bücher
sind vornehmlich dem gemeinen Mann gemacht, im Hause zu lesen. Aber zu
predigen, regieren und richten, beide im geistlichen und weltlichen Stande,
sind wohl alle Künste und Sprachen in der Welt zu wenig, geschweige denn die
deutsche allein, sonderlich jetzt zu unsrer Zeit, da man mit mehr und andern
Leuten zu reden hat als mit Nachbar Hans.“[292]
Wessen Aufgabe ist es nun, die Kinder zu
erziehen und zu unterrichten? Es ist zuerst und vor allem die Aufgabe der
Eltern! Das ist ganz wichtig: Es ist nicht die Aufgabe des Staates, der darin
von den Eltern unterstützt wird, sondern es ist genau umgekehrt, es ist Aufgabe
der Eltern und die staatlichen Stellen unterstützen sie dabei. (Leider ist das
heute genau ins Gegenteil verkehrt worden.) „Ja,
sprichst du, solches alles ist den Eltern gesagt; was gehet
das die Ratsherren und Obrigkeit an. Ist recht geredet; ja, wie, wenn die
Eltern aber solches nicht tun? Wer soll es dann tun? Soll es darum unterbleiben
und die Kinder versäumt werden? Wo will sich da die Obrigkeit und Rat entschuldigen,
dass ihnen solches nicht sollte gebühren?“[293]
Darum wandte sich Luther auch an die Ratsherren, also die Stadtobrigkeiten,
dass sie Schulen aufrichten sollten. Er verwies darauf, dass etliche Eltern
ihrer Aufgabe einfach nicht nachkommen, obwohl sie es könnten; andere können es
von ihren Kenntnissen nicht, wieder andere haben nicht die finanziellen
Möglichkeiten. Und vor allem: Sie alle sind mit ihrem Beruf völlig ausgefüllt
und können die Zeit nicht erübrigen; und nur die wenigsten sind in der Lage,
sich Hauslehrer zu halten. Darum muss die Obrigkeit als Hilfsorgan einspringen,
im Auftrag und zur Unterstützung der Eltern.[294]
„Darum will’s hier dem Rat und der
Obrigkeit gebühren, die allergrößte Sorge und Fleiß auf’s junge Volk zu haben. Denn
weil der ganzen Stadt Gut, Ehre, Leib und Leben ihnen zu treuer Hand befohlen
ist, so täten sie nicht redlich vor Gott und der Welt, wo sie der Stadt
Gedeihen und Besserung nicht suchten mit allem Vermögen Tag und Nacht.“[295]
Leider ist es heute so, dass der (gottlose) Staat faktisch die volle Macht auch
im Erziehungsbereich übernommen und die Eltern immer mehr zurückgedrängt hat,
anstatt nur Hilfs- und Unterstützungseinrichtung der Eltern zu sein.
Die
Schulen sind aber nicht nur wichtig, um Nachwuchs für das geistliche, das
heilige Predigtamt zu bekommen, sondern auch für die anderen Werke. „Wenn nun gleich, wie ich gesagt habe, keine
Seele wäre, und man der Schulen und Sprachen gar nicht bedürfte um der Schrift
und Gottes willen; so wäre doch allein diese Ursache genugsam, die allerbesten
Schulen, beide für Knaben und Mägdlein, an allen
Orten aufzurichten, da die Welt auch ihren weltlichen Stand äußerlich zu
erhalten, doch bedarf feiner geschickter Männer und Frauen; dass die Männer
wohl regieren könnten Land und Leute, die Frauen wohl erziehen und erhalten
könnten Haus, Kinder und Gesinde. Nun solche Männer müssen aus Knaben werden,
und solche Frauen müssen aus Mägdlein werden; darum
ist’s zu tun, dass man Knäblein und Mägdlein dazu
recht lehre und aufziehe. … Wo man sie aber lehrte und erzöge in Schulen oder
sonst, da gelehrte und züchtige Meister und Meisterinnen wären, die da Sprachen
und andere Künste und Historien lehrten, da würden sie hören die Geschichte und
Sprüche aller Welt, wie es dieser Stadt, diesem Reiche, diesem Fürsten, diesem
Manne, diesem Weibe gegangen wäre, und könnten also in kurzer Zeit gleichsam
der ganzen Welt von Anbeginn Wesen, Leben, Rat und Anschläge, Gelingen und Ungelingen vor sich fassen wie in einem Spiegel; daraus sie
dann ihren Sinn schicken und sich in der Welt Lauf richten könnten mit
Gottesfurcht, dazu witzig und klug werden aus denselben Historien, was zu
suchen und zu meiden wäre in diesem äußerlichen Leben, und andern auch darnach
raten und regieren.“[296]
Weil Schulen so
wichtig sind, hat Luther nach dem Predigtamt das Amt des Lehrers oder
Schulmeisters als das höchste, wichtigste Amt angesehen. „Das sage ich kürzlich: Einem fleißigen frommen Schulmeister oder Magister oder wer
es ist, der Knaben treulich zieht und lehret, dem kann man nimmermehr genug lohnen und mit keinem Gelde
bezahlen . … Und ich, wenn ich vom Predigtamt und andern Sachen ablassen könnte
oder müsste, so wollte ich kein Amt lieber haben als Schulmeister oder Knabenlehrer
sein. Denn ich weiß, dass dies Werk nächst dem Predigtamt das allernützlichste,
größte und beste ist …“[297]
Der römische Katholizismus hatte eine Zwei-Stände-Ordnung, besser:
Zwei-Klassen-System, geschaffen, nämlich „Geistliche“ und „Laien“. Nach
römischer Lehre steht nur der „Geistliche“ wirklich in einem Gottesdienst, der
„Laie“ dagegen nur sporadisch, wenn er ein besonderes Liebeswerk vollbringt,
während seiner alltäglichen Arbeit keinerlei weitere Bedeutung beigemessen
wurde.[298]
Ganz anders bei Luther. Wie schon bei der Lehre vom Amt dargelegt, hat
Luther gemäß der Bibel die römische Hierarchie wie überhaupt die Vorordnung der
„Geistlichen“ verworfen und die römische Ständeordnung überwunden. Wenn Luther
vom „geistlichen Stand“ redet, dann als von einem Berufsstand, so, wie es auch
den Stand der Schuhmacher, der Bäcker, der Bergleute, der Kaufleute usw. gibt.
(Grundlegend spricht Luther von der Drei-Stände-Ordnung in der Welt: Nährstand
(Familie und Wirtschaft), Lehrstand (Kirche) und Wehrstand (Obrigkeit, Staat),
in der jeder Mensch lebt, an denen jeder Mensch in irgendeiner Weise Anteil
hat, in die dann die Berufsstände eingeordnet sind.) Der Beruf gehört also in
Gottes Schöpfungsordnung und Gott setzt jeden Menschen in verschiedene Lebens-
und Berufsstände. Vor allem aber hat Luther betont, dass jegliche Arbeit, die
der Gemeinde und dem Nächsten von Nutzen ist, ehrliche Arbeit, und, wenn von
Herzen für Gott getan, rechter Gottesdienst ist. Es gilt, das ist wichtig,
auch im Blick auf die tägliche Arbeit, darin die Liebespflicht gegen den
Nächsten zu erfüllen. Eben nicht, wie bei Rom, durch besondere Werke neben
dem Beruf, sondern vielmehr im Beruf, wenn wir darinnen dem Nächsten dienen. Das
sind die guten Werke, die wir in unserem Alltag zu tun haben. Darum ist auch in
unserer alltäglichen Tätigkeit, in unserem Beruf, unserer Arbeit der Glaube das
entscheidende Moment, denn nur der Glaube macht jegliches Werk gut.[299]
Damit bekommt die Arbeit eine ganz neue Stellung. Sie dient nicht nur,
ja, nicht einmal in erster Linie, dazu, die Mittel für den Lebensunterhalt zu
verdienen, sondern darum, Gott und dem Nächsten zu dienen. Sie
ist die dem Menschen gewiesene Aufgabe in der Welt, der damit Gottes Mitarbeiter
wird bei der Erhaltung der Ordnung in der Welt. Es geht also bei der Arbeit
nicht darum, reich zu werden, Karriere zu machen, sich in den Vordergrund zu
schieben, sondern eben darum zu dienen, denn die menschliche Gemeinschaft ist
von gegenseitigem Dienen geprägt. Von daher hat jegliche Arbeit ihren Sinn,
ihre Würde. Jede Arbeit, bewusst im Glauben für Gott und den Nächsten getan,
ist Gottesdienst.[300]
Hier wird auch eine klare konservative Kapitalismuskritik deutlich. Zugleich
bedeutet das aber auch: Es kann bei der Arbeit für den Christen nicht nur darum
gehen, gerade noch so seine Pflicht zu erfüllen, sondern es geht darum, vor
Gott zu bestehen, ihn zu ehren, was geschieht durch rastlosen und unermüdlichen
Einsatz aller Kräfte. Hieraus hat sich ein neues, ein lutherisches Arbeitsethos
entwickelt.[301]
Auf diesem Hintergrund hat Luther auch den Begriff des „Berufs“ neu
gefüllt und geprägt. Der Mensch soll im Beruf seine ihm von Gott gegebenen
Fähigkeiten entfalten, jeder in seinem (Berufs-)Stand. Das Wort „Beruf“ hängt
nicht von ungefähr zusammen mit dem Wort „Berufung“. Nicht nur der Prediger hat
eine Berufung, sondern jeder Mensch ist von Gott in seinen „Beruf“ gestellt,
eben: berufen, um darin Gott und dem Nächsten zu dienen. Darin liegt der Würde
jeder Arbeit, auch die der Hausfrau und Mutter, auch die der Putzfrau, auch die
der Müllmänner, wie auch diejenige der Bauarbeiter, der Ingenieure, der Lehrer,
der Wissenschaftler.[302]
„Gott muss viel
und mancherlei Ämter und Stände haben, darum gibt er auch mancherlei
unterschiedene Gaben und macht’s so, dass immer einer des andern bedarf. Was
wären Fürsten, Adel, Regenten, wenn nicht auch da wären andere, wie Pfarrer,
Prediger, Lehrer, ebenso die den Acker bauen, Handwerksleute usw.?
Darum, obgleich eines
andern Stand geringer ist als deiner, sollst du dennoch wissen, dass er
auch von Gott geschaffen und geordnet ist. Wiederum sollst du wissen, dass du
auch dazu in deinen Stand gesetzt bist, dass du dich herunter sollst lassen und
andern dienen: als ein Edelmann seinem Fürsten zu Hof oder zu Feld, Knecht und
Magd ihren Hausherren und Frauen; und sollst solches tun
um Gottes Willen.
Gott fragt nicht danach, ob du ein Herr,
Knecht, Mann oder Weib bist, sondern bleib in dem Stand, darin du berufen bist,
und lerne darin Gott dienen gegen deinen Nächsten.“[303]
Luther hat aber auch die Probleme gesehen, die mit manchen Ständen
zusammenhängen, etwa dem des Kaufmanns. Schon zu
seiner Zeit zeigte sich gerade bei den Kaufleuten die Habsucht, die Profitgier,
was später ein ganzes Wirtschaftssystem prägen sollte, das Bestreben, reich zu
werden, andere zu übervorteilen. Nicht zuletzt durch den Wucher (Luther zählte
unter Wucher nicht nur Zinsnehmen, sondern auch Geiz, Profitgier, Spekulation,
Geldvermehrung ohne Arbeit) versuchten die Kaufleute ihrem Ziel näher zu
kommen. Für Luther ist das gemeine Ausbeutung des Nächsten, eine schlimmere
Sünde als Hurerei. Auch das für den modernen Kapitalismus und die sogenannte
„freie Marktwirtschaft“ geltende „Gesetz von Angebot und Nachfrage“ hat der
Reformator für durch und durch sündig angesehene, da dadurch die Notlage des
Nächsten ausgenutzt wird. Er riet zum Suchen nach dem gerechten Preis,
etwa dadurch, dass der Kaufmann vom Lohn eines Tagelöhners ausgeht, dann einen
Aufschlag für seine wichtige Arbeit als Kaufmann macht, auch das Risiko, das er
hat, dabei berücksichtigt, und die eigenen Unkosten einkalkulieren und so dann
berechnen, wieviel er auf den Einheitspreis der Ware schlagen darf.[304]
„Darum musst du
dir vorsetzen, nichts als deine ziemliche Nahrung zu suchen in solchem Handel,
darnach Kost, Mühe und Arbeit und Gefahr rechnen und überschlagen, und also
dann die Ware selbst setzen, steigern oder erniedrigen, dass du solcher Arbeit
und Mühe Lohn habest. Ich will aber hier das Gewissen nicht so gefährlich
gefangen noch so enge gespannt haben, als müsste man das Maß so eben treffen, dass nicht um einen Heller sollte fehlen.
Denn das ist nicht möglich, dass du soeben treffen solltest, wie viel du
verdient habest mit solcher Mühe und Arbeit; es ist genug, dass du mit gutem
Gewissen darnach trachtest, dass du gern das rechte Maß treffest.“[305]
.Luther sprach sich scharf gegen das Zinsnehmen aus
wie auch die Profitorientierung des Handels und stellte sich gegen die
Herrschaft des Geldes.[306]
„Erstlich haben die Kaufleute unter sich eine gemeine Regel,
das ist ihr Hauptspruch und Grund aller Finanzen, dass sie sagen: Ich mag meine
Ware so teuer geben, wie ich kann. Das halten sie für Recht. Das ist dem Geiz
der Raum gemacht und der Hölle Tür und Fenster alle aufgetan. … Was ist das
anders gesagt als so viel: Ich frage nichts nach meinem Nächsten, hätte ich nur
meinen Gewinn und Geiz voll; was geht’s mich an, dass es zehn Schaden meinem
Nächsten täte auf einmal? Da siehst du, wie dieser Spruch so stracks
unverschämt, nicht allein gegen die christliche Liebe, sondern auch gegen das
natürliche Gesetz fährt.“[307]
Daneben gibt es auch Tätigkeiten, die keinen ehrlichen Beruf darstellen,
wie Bettelei, Räuberei, Wucherhandel, Prostitution. Ja, auch die gesamte
römische Klerisei seiner Zeit hat Luther darunter gerechnet.[308]
Luther hat die Bergpredigt als für den Christen verbindlich sehr ernst
genommen. Aber er hat zugleich erkannt, dass sie kein Staatsgrundgesetz sein kann.
Es kann kein Reich Gottes auf dieser Erde geben, das wird erst mit dem Jüngsten
Tag kommen. Daher kann es auch keinen „christlichen Staat“ geben, sozusagen als
Vorbereitung dieses Reiches Gottes hier auf Erden. Die Bergpredigt ruft den
Christen auf zu völliger Selbsthingabe, Selbstaufopferung im Dienst am
Nächsten, dazu, ihm mit allem zu dienen und dem Übel nicht zu widerstreben. Der
Christenweg ist daher auch immer ein Kreuzesweg.[309]
Kann, darf ein Christ dann überhaupt etwas mit dem Staat zu tun haben?
Denn der Staat beruht auf Gewalt, muss Gewalt androhen und anwenden als Mittel
der Abschreckung und der Durchsetzung der Gesetze. Die Schwarmgeister (Müntzer, Spiritualisten, die
Wiedertäufer) behaupteten ja, dass ein Christ kein politisches Amt ausüben
dürfe, keinen Eid und keine Militärdienst leisten, auch kein Eigentum haben
dürfe. Luther sah ganz klar, dass man die Bergpredigt nicht der Welt
überstülpen kann, dass man die Welt nicht zwingen kann, christlich zu leben.
Dazu ist ja vielmehr eine neue Geburt, eben die Wiedergeburt, die Geburt aus
Gott, nötig.[310] So
erkannte Luther ebenfalls, dass ein staatenloser Zustand in der gefallenen Welt
zu einem dauernden Kampf aller gegen alle führen würde und nur durch die
staatliche Gewalt, die Gott eingesetzt hat, der äußere Friede bewahrt wird.
Dadurch, durch diese äußere Ordnung, wird auch überhaupt die Existenz und
Ausbreitung des Evangeliums in dieser Welt ermöglicht. Denn die wahren Christen
sind immer eine kleine Minderheit und würden, ohne den äußeren Schutz, sehr
bald völlig ausgerottet werden. So stellt auch die staatliche Ordnung eine
Ordnung der Liebe dar, einer zwar herben Liebe, aber einer Liebe, durch die den
Menschen der äußere Friede, die äußere Existenz, die äußere Wohlfahrt
ermöglicht wird. Sie ist eine Weise Gottes, diese Welt zu regieren, neben der
Weise, wie er mit seinem Volk, seinen Gläubigen umgeht. Es sind zwei völlig
verschiedene Weisen, aber es ist doch jedes Mal Gottes Regierung (Zwei-Reiche-
oder Zwei-Regimenten-Lehre).[311]
„Gott regiert die Welt auf eine doppelte Weise. Die eine Weise hilft zur
Erhaltung dieses leiblichen, irdischen, zeitlichen Lebens, damit zur Erhaltung
der Welt. Die andere Weise hilft zum ewigen Leben, das heißt: zur Erlösung der
Welt. Das erste Regiment führt Gott mit der linken Hand, das zweite mit der
rechten Hand.“[312]
„Weltliche Herrschaft ist ein Bild, Schatten und Figur der
Herrschaft Christi. Denn das Predigtamt bringt und gibt ewige Gerechtigkeit,
ewigen Frieden und ewiges Leben. Aber das weltliche Regiment erhält zeitlichen
und vergänglichen Frieden, Recht und Leben. Aber dennoch ist’s eine herrliche,
göttliche Ordnung und eine treffliche Gabe Gottes, der es auch gestiftet und
eingesetzt hat und auch will erhalten haben, als des man allerdinge nicht
entbehren kann, und wo es nicht wäre, könnte kein Mensch vor dem andern
bleiben, es müsste einer den andern fressen, wie die unvernünftigen Tiere
untereinander tun. Es erhält einem jeglichen seinen Leib, dass den nicht
jedermann erwürgen dürfe; es erhält jeglichem sein Weib, dass nicht jedermann
dasselbe nehmen und schänden dürfe; es erhält jeglichem sein Kind, Tochter und
Sohn, dass ihm dasselbe nicht jedermann entführen noch entwenden darf; es
erhält jeglichem sein Haus und Hof, dass nicht ein jedermann hinein brechen
noch darin freveln dürfe; es erhält jeglichem seinen Acker, Vieh und allerlei
Güter, dass dieselben nicht ein jedermann angreifen, stehlen, rauben,
beschädigen dürfe.“[313] Gott regiert also in dem einen Reich, dem zur
Rechten (Gottes Volk, Gnadenreich), durch das Evangelium in Wort und Sakrament;
in dem anderen Reich, dem zur Linken (Welt, Staat), durch Vernunft und Gewissen
unter Anwendung auch von Gewaltandrohung und Gewalt. Letzteres Reich gehört in
die Not- oder Erhaltungsordnung und soll vor dem zerstörerischen Treiben des
Teufels in den äußeren Dingen schützen. Auch eine heidnische Obrigkeit
gebraucht Gott zu seinen Zwecken. Das Reich zur Rechten dagegen bietet an,
eignet zu durch das Evangelium Vergebung der Sünden und ewiges Leben. In beiden
Reichen oder Regimenten waltet Gottes Liebe, denn
auch sein Zorn steht im Dienst der Barmherzigkeit, um die Bösen zu zwingen und
die Frommen zu schützen.[314]
Es ist also keineswegs so, dass der Staat, dass die Welt sozusagen
autonom seien, nach ihrem eigenen Gutdünken leben,
sich verhalten könnten. Nein, auch sie sind an Gottes Ordnung gebunden, und
zwar an das natürliche oder moralische Gesetz als Grundlage menschlicher
Ordnung (denn der Staat ist Gottes Notordnung in einer gefallenen Welt). Weil
auch die staatliche Ordnung Gottes Ordnung ist und Seine Weise, diese Welt zu
regieren, darum darf auch ein Christ Angehöriger der staatlichen Obrigkeit
sein, auch als Soldat, auch da die Nächstenliebe üben und dem Unrecht wehren.
Er handelt aber als Christ im Amt anders, um seiner Verantwortung für die der
Obrigkeit anbefohlenen Menschen willen, für die er dem Übel wehren muss, als er
als Christ im privaten Leben reagiert, wo er dem Übel nicht wehrt. Ebenso hat
darum auch der Christ die Pflicht zum Gehorsam gegen die Obrigkeit – mit der
Einschränkung: so lange sie nicht etwas verlangt, das
gegen Gottes Gebot und Ordnung ist. Denn in dem Fall gilt, dass wir Gott
mehr gehorchen müssen als den Menschen, da gibt es eine Pflicht zum
Ungehorsam.[315] Das
heißt dann aber nicht aktiver Widerstand, sondern passiver Widerstand. In allem
ist der Christ ja bereits, auch das Unrecht zu leiden.[316]
Wichtig ist, dass beide Reiche nicht vermischt werden, sondern in ihren
jeweiligen Aufgaben bleiben. „Dieser Unterschied zwischen dem weltlichen
Regimente, dem Hausstande und der Kirche muss fleißig bewahrt, und ein
jeglicher Stand in seinen gehörigen Schranken gehalten werden. Und wiewohl wir
aus allen Kräften darauf hingearbeitet haben, so wird doch der Satan nicht
aufhören, dieses unter einander zu mischen und zu verwirren, und es wird
niemals an Leuten mangeln, die sich nicht in den Schranken ihres Amts halten
werden. Die mit falschem Geist erfüllten (spirituosi),
schwärmerischen und aufrührerischen Lehrer, mit ihrem Amte nicht zufrieden,
reißen auch das weltliche Regiment an sich. Dagegen die weltliche Obrigkeit und
die Fürsten senden auch ihre Sichel in eine fremde Ernte, und legen ihre Hände
an das Ruder des Kirchenregiments, und nehmen sich auch hier die Herrschaft
heraus. So hat der Teufel allezeit seine Werkzeuge, die uns hier Unruhen
erregen und die vorgeschriebenen Grenzen ihres Berufs überschreiten.“[317] Das
heißt übrigens auch, dass die Kirche nicht mit weltlicher, staatlicher Gewalt
ihre Ziele erreichen, durchsetzen darf. Weder Kirchenstaat noch Kirche als
staatliche Einrichtung.
Ein wichtiger
Gesichtspunkt, nicht nur im Blick auf die staatliche Obrigkeit, sondern im
Blick auf alle Verhältnisse, die in das vierte Gebot gehören, ist Luthers
Unterscheidung zwischen Amt und Person. Das Amt ist von Gott
gesetzt, durch das Amt wirkt Gott, auch wenn die Person, die das Amt ausübt,
problematisch, böse ist. Gott wirkt auch trotz der Bosheit der Menschen,
solange die Ordnungen an sich nur aufrecht erhalten werden, wenn auch durch
böse Amtsträger vielfach missbraucht. Gott hat seine Wege, auch ihn zur
Rechenschaft zu ziehen.[318] „Des
Wandels oder Fehls halben sind sie der Ehre nicht beraubt. Darum ist nicht
anzusehen die Personen, wie sie sind, sondern Gottes Wille, der es also schafft
und ordnet. Sonst sind wir zwar vor Gottes Augen alle gleich, aber unter uns
kann es ohne solche Ungleichheit und ordentlichen Unterschied nicht sein, darum
sie auch von Gott geboten sind, zu halten, dass du mir als deinem Vater
gehorsam seist, und ich die Oberhand habe.“[319]
Der Staat, die Obrigkeit aber hat seine Grenzen insofern, als Staat
und Kirche streng zu trennen sind, der Staat sich nicht in die Kirche und
ihr Amt, und umgekehrt die Kirche nicht in das Amt der Obrigkeit zu mengen hat,
wiewohl sie auch der Obrigkeit Gottes Gebot und Ordnung vorzuhalten, zu warnen
und mit dem Wort zu strafen hat (Wächteramt der Kirche). „Es heißt so: nicht die Welt, Fürst
oder Kaiser, sondern der Heilige Geist soll Richter sein durch das Wort; die
Welt aber soll sich strafen und richten lassen und solchem Urteil folgen. Wo
sie sich aber dawider setzt und selbst will über
Gottes Wort urteilen und verdammen und uns gebieten, sollen wir wissen, dass
solch Urteil verdammt und des Teufels sei, und wir demselben widerstehen sollen
und sagen: Lieber Fürst, Kaiser und Welt, ich bin wohl unter deiner Gewalt mit
Leib und Gut, und was dein Regiment über Leib und Gut betrifft, soll und will
ich gern gehorsam sein; aber wenn du willst weiter greifen in Gottes Regiment,
da du nicht sollst noch kannst Richter sein, sondern dich richten lassen samt
mir und allen Kreaturen durch sein Wort, da soll und will ich dir nicht folgen,
sondern eben das Widerspiel tun, damit ich ihm gehorsam sei und bei seinem Wort
bleibe.
Lieber, wir sind nicht getauft auf Könige,
Fürsten, noch auf die Menge, sondern auf Christus und Gott selber; wir heißen
auch nicht Könige, Fürsten oder Menge, wir heißen Christen. Der Seele soll und
kann niemand gebieten, er wisse denn ihr den Weg zu weisen gen Himmel. Das kann
aber kein Mensch tun, sondern Gott allein. Darum, in den Sachen, die der Seelen
Seligkeit betrifft, soll nichts als Gottes Wort gelehrt und angenommen werden.“[320]
Dem widerspricht auch nicht, dass Luther selbst den Kurfürsten nach dem
Bauernkrieg und den Visitationen zu Hilfe rief. Er sollte nur aus christlicher
Liebe „Notbischof“ in einer historischen Notsituation sein, die verschwinden
würde. Luther verwahrte sich von vornherein dagegen, dass kaiserliche,
fürstliche oder städtische Macht in die kirchlichen Belange hineinregiert.
Deshalb rief er schon bald im Blick auf die Konsistorien: „Wir müssen die Konsistorien wieder
zerreißen, denn wir wollen den Papst und die Juristen nicht in der Kirche
haben.“[321]
Luther und der Bauernkrieg[322]
Luthers Stellungnahme zum
Bauernkrieg ist immer wieder in der neueren Zeit auf das heftigste kritisiert
worden. Dabei hat man völlig den Zusammenhang der dabei zumeist zitierten
zweiten Schrift zu diesem Thema vergessen, vor allem die anderen beiden
Schriften ausgeblendet – und man hat vor allem die Ordnungen Gottes, wie wir
sie in der Heiligen Schrift haben, beiseite geschoben.
Genau diese Ordnungen aber hat Luther in diesen Schriften verteidigt, diese
Ordnungen sah er auch gefährdet, durch die Fürsten wie durch die Bauern,
aufgrund ihres bewaffneten Aufstandes aber vor allem durch die Bauern.
Die erste Schrift Luthers zum Bauernkrieg
war seine „Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in
Schwaben“ aus dem Jahr 1525. Schon der Titel zeigt an, dass Luther, bei allen
Bedenken, die er in dieser Schrift noch anmeldete, doch die zwölf Artikel der
Bauern immerhin als eine Grundlage für Gespräche und Frieden ansah – und genau
zu diesem Frieden, der auch ein Abstellen vieler Nöte mit sich gebracht hätte,
aufrief.
Zunächst wandte er sich
an die Fürsten und sagte es ihnen offen heraus, dass sie selbst die eigentliche
Ursache für diesen Aufruhr seien. „Erstlich mögen wir niemand auf Erden verdanken solchen
Unrat und Aufruhr als euch Fürsten und Herren.“[323]
Und warum? Weil sie die Menschen schinden, weil sie brandschatzen, weil sie
hochmütig sind und nach äußerer Pracht sich sehnen – so dass schließlich der
arme Mann die Situation nicht mehr ertragen kann. Darum ruft er die Fürsten zur
Besserung, zur Buße auf, wenn nicht, so werde ein großes Unglück über sie
kommen. Vor allem hält er ihnen auch vor, dass sie Gottes Wort behindern und so
Gottes Gericht geradezu herab beschwören. „Ihr
müsst anders werden und Gottes Wort weichen. Tut ihr’s nicht durch freundliche,
willige Weise, so müsst ihr’s tun durch gewaltige und
verderbliche Unweise.“[324]
Gott wird Feinde finden und senden gegen sie, die
ihnen großes Übel tun werden. Luther hebt auch hervor, dass er selbst gegen den
Aufruhr ist und auch immer zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit aufgerufen hat.
Es ist aber für die Fürsten nun die Zeit gekommen, dass sie den berechtigten
Forderungen der Bauern gegenüber nachgeben, damit nicht Gottes Zorn und Gericht
über sie komme.
Im
zweiten, wesentlich ausführlicheren, Teil wendet sich Luther an die Bauern.
Dabei hebt er zunächst hervor, dass Gott allerdings recht täte, wenn er die
Fürsten stürzen würde, die Gottes Wort zu predigen
verbieten und die Menschen bedrücken. Die Bauern aber sollen bei all dem, was
sie unternehmen, darauf achten, ob sie wohl vor Gott ein gutes Gewissen dabei
haben können und wirklich selig werden. Denn was nützt ihnen ein zeitlicher,
weltlicher Sieg, wenn sie darüber das ewige Heil verlieren? „Denn wo ihr gutes Gewissen habt, so ist bei
euch der tröstliche Vorteil, dass euch Gott wird beistehen und hindurch helfen.
Und ob ihr gleich eine Zeitlang unterläget oder darüber den Tod littet, so
gewännet ihr doch zuletzt, und würde die Seele ewiglich mit allen Heiligen
erhalten. Habt ihr’s aber nicht Recht noch gutes
Gewissen, so müsst ihr unterliegen und, ob ihr schon zeitlich gewännet und alle
Fürsten erschlügt, doch zuletzt ewiglich an Leib und Seele verloren werden.
Darum ist euch hier nicht zu scherzen, es gilt Leib und Seele ewiglich auf
eurer Seite. Und ist am meisten das wahrzunehmen und mit allem Erst darauf zu
sehen, nicht allein wie mächtig ihr seid und wie großes Unrecht jene haben,
sondern wie gutes Recht und Gewissen ihr habt.“ [325]
Es gilt also gerade auch im Blick auf den Umgang mit der Obrigkeit, dass wir
auf Gottes Wegen bleiben.
Die Bauern nannten sich ja eine christliche
Vereinigung. Luther bestreitet ihnen das Recht dazu, ja, weist darauf hin, dass
sie mit einer solchen Behauptung gegen das zweite Gebot verstoßen und aufgrund
ihres Handelns alles Unglück auf sich ziehen müssen. Denn wer zum Schwert
greift, der wird durch das Schwert umkommen, Matth.
26,52. Luther weist hin auf Römer 13, wo es deutlich heißt, dass alle Obrigkeit
von Gott ist und wir ihr untertan sein müssen, selbst dann, wenn sie böse ist.
Aufruhr ist in keiner Weise erlaubt. „Ja,
sprecht ihr, die Obrigkeit ist zu böse und unleidlich; denn sie wollen das
Evangelium uns nicht lassen, und drücken uns allzu hart in zeitlicher Güter Beschwerung
und verderben uns also an leib und Seele. Antworte
ich: Dass die Obrigkeit böse und unrecht ist, entschuldigt keine Rotterei noch Aufruhr. Denn die Bosheit zu strafen gebührt
nicht einem jeglichen, sondern der weltlichen Obrigkeit, die das Schwert führt,
wie Paulus Röm. 13,4 und Petrus 1. Epist. 2,14 sagt,
dass sie zur Strafe der Bösen von Gott verordnet sind. So gibt’s auch das
natürliche und aller Welt Recht, dass niemand soll noch möge sein eigener
Richter sein noch sich selbst rächen.“[326]
Aufruhr ist also gegen das natürliche, noch mehr aber gegen das christliche
Recht. Wenn sie dennoch sie weiterhin als eine göttliche oder christliche Schar
bezeichnen, so ziehen sie damit, weil sie tatsächlich gegen Gottes Wort
handeln, Gottes schwere Strafe auf sich. Der Aufruhr muss zwangläufig
zur Anarchie führen. Nach Gottes Ordnung gilt es, auch der bösen Obrigkeit untertan zu
sein. Wollen sie das nicht, so stehen sie in der Gefahr, über der leiblichen
Freiheit, die sie vielleicht erringen, die Seele ewig zu verlieren, unter
Umständen aber Leib und Seele und alle Güter. Denn das christliche Recht
besagt, Matth. 5,39 ff., dem Übel nicht zu
widerstehen, ja, Matth. 5,44, selbst für den Feind zu
bitten und ihn zu lieben. Es kann also durchaus nicht die Haltung eines
Christen sein, unter allen Umständen sein Recht durchzusetzen, koste es, was es
wolle.
In seiner Zusammenfassung
hebt Luther nochmals hervor, dass beide Seiten in ihrem Verhalten und Handeln
unchristlich sind, daher beide unter Gottes Zorn stehen. Den Obrigkeiten hält
er vor, dass sie Tyrannen sind und nach der Heiligen Schrift und den
Erfahrungen der Geschichte Tyrannen schrecklich geendet haben[327].
Die Bauern ermahnt er, indem er ihnen aufzeigt, dass gemäß der Heiligen Schrift
und den Erfahrungen der Geschichte noch jede Rotterei,
also Aufruhr, ein schlimmes Ende genommen hat. Wer nun in einem solchen Streit,
mit Gewalt ausgetragen, umkommt, er sei Obrigkeit oder Bauer, ist ewiglich
verloren, da er jedes Mal für etwas Böses kämpft[328] Darum ruft er dazu auf, dass sie die
Streitigkeiten nicht mit Gewalt, sondern friedlich, mit Recht, austragen und
schlägt vor, dass aus den Grafen, Herren und Städten ein Rat gebildet wird, der
aushandelt, welche Zugeständnisse sie den Bauern machen können. Die Bauern ihrerseits
sollen einige ihrer Artikel, die undurchführbar sind, zurücknehmen. So könnte
dann Frieden werden.
Nur wenige Wochen nach
Luthers „Ermahnung zum Frieden“ hatte sich die Lage völlig geändert. Die Bauern
hatten die Verhandlungen verlassen, zu den Waffen gegriffen und vor allem in
Schwaben und Franken, auch gereizt durch die Machenschaften des
römisch-katholisch gesonnenen Schwäbischen Bundes, furchtbar gewütet, so etwa
an Ostern (!) bei Weinsberg. Ähnlich, wenn nicht noch schlimmer, sah es in Thüringen
aus, wo Thomas Müntzer die Bauern aufhetzte. Er sah
sich als ein „zweiter Gideon“, als von Gott berufen, das von Volk von den
„großen Hansen“ zu befreien und eine kommunistische Republik mit brutaler und
grausiger Gewalt zu errichten. Bis zum Äußersten fanatisierte er die Massen und
rief zu einem schonungslosen Vorgehen auf, wie Luther selbst in Stolberg und
Nordhausen feststellen musste, als er dort vergeblich versuchte, die Bauern
wieder zur Vernunft zu bringen. Ende April/Anfang Mai 1525 stand praktisch ganz
Thüringen in Flammen, war von den Müntzer’schen
Rotten mit Mord, Raub und Brandschatzung überzogen worden. Viele Schlösser und
etwa 40 Klöster wurden von ihnen innerhalb weniger Wochen niedergebrannt.
Darum sah
Luther sich herausgefordert, nun anders als in seiner zur Versöhnung
aufrufenden Schrift sich zu äußern. Jetzt wollte er die Obrigkeit dazu
aufrufen, ihres Amtes zu walten. „Nun
denn sich solche Bauern und elende Leute verführen lassen und anders tun als
sie geredet haben, muss ich auch anders von ihnen schreiben, und erstlich ihre Sünde vor ihre Augen stellen, wie Gott Jesaja
58,1 und Hesekiel 2,7 befiehlt, ob sich etliche erkennen wollten, und darnach
der weltlichen Obrigkeit Gewissen, wie sie sich hierin halten sollen,
unterrichten.“ (Luthers Werke, ebd.)
Welche Sünden warf er den Bauern vor? A)
Sie haben der Obrigkeit Treue und Untertänigkeit geschworen, wie es Gott Matth. 22,21 und Röm. 13,1 von ihnen verlangt – nun aber
haben sie ihren Gehorsam gebrochen und sind zu meineidigen, treulosen Buben
geworden. Gemäß Röm. 13,2 muss darum das Gericht über sie kommen. B) Sie sind
Aufrührer, rauben und plündern Klöster und Schlösser, sind daher Räuber. Da sie
öffentlichen Aufruhr machen, ist jeder verpflichtet, sich ihnen entgegen zu
stellen. C) Besonders schlimm an dem allem: Sie bemänteln ihre Verbrechen noch
mit dem Evangelium, wagen es, sich „christliche Brüder“ zu nennen. Damit aber
sind sie zu Gotteslästerern geworden, die schändlich Gottes Namen missbrauchen
und tatsächlich dem Teufel dienen. Luther weist dabei auch darauf hin, dass das
Evangelium die Güter nicht allgemein macht, sondern die Gütergemeinschaft der
frühen Gemeinde auf freiwilliger Basis beruhte[329].
Luther sah es daher als seine Pflicht an, die
Obrigkeit zu unterrichten, wie sie sich angesichts dieser Bedrohung behalten
soll: Sie hat das Recht, auch ohne noch einmal Frieden anzubieten, die Bauern
zu schlagen und zu strafen, auch wenn es eine Obrigkeit wäre, die sonst gegen
das Evangelium ist, denn auch eine heidnische Obrigkeit hat das Recht,
treulose, meineidige Untertanen zu strafen.
Wer dagegen wirklich christliche,
evangelische Obrigkeit sein, will, der soll zunächst einmal die ganze Sache
Gott anheim stellen, Buße tun über den eigenen Sünden
und Gott um seine Hilfe bitten. Dann soll er den Bauern nochmals einen
Vergleich anbieten – und erst dann, wenn das nichts hilft, zum Schwert greifen und sich dann als Gottes Arm und Diener des Zornes
Gottes verstehen nach Röm. 13,4.[330]
Luthers zweite Schrift verursachte viel
Wirbel, umso mehr, je weiter man von den Ereignissen und der direkten
Veranlassung der Schrift entfernt war. Vor allem wurde Luther vorgeworfen, er
sei durch sein Buch mit verantwortlich für das Blutvergießen und hätte stattdessen
zur Barmherzigkeit auffordern sollen. In seinem dritten Schreiben zum
Bauernkrieg, „Ein Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern“, weist
Luther diese Vorwürfe mit Recht zurück[331].
Er hatte die christliche Obrigkeit sehr wohl zur Barmherzigkeit aufgerufen und
dazu aufgefordert, den Bauern nochmals ein Friedensangebot zu unterbreiten.
Luther, der ja selbst in Thüringen versucht hatte, den Bauern ins Gewissen zu
reden, musste schreiben, dass die Bauern ja nicht hören wollten, sich nichts
sagen ließen – und darum die Obrigkeit schließlich zur Gewalt greifen musste,
um die Ordnung wieder herzustellen[332].
Er betont dabei, dass er als Prediger Gottes nicht danach zu fragen hat, was
die Menschen gerne hören wollen, sondern was der Wille Gottes ist, den muss er
verkündigen, auch den Zorn Gottes[333].
Er fragt auch danach, ob denn diejenigen, die angesichts des Todes so vieler
Bauern nach Barmherzigkeit riefen, dies wohl auch gemacht haben, als die Bauern
massenweise Menschen umbrachten[334].
Denen, die verführt worden sind und nun
wirklich nach Erklärung ringen, denen schreibt er, dass es zwei Reiche gibt, die zu unterscheiden sind: nämlich Gottes Reich
und das Weltreich. Gottes Reich ist ein Reich der Gnade und Barmherzigkeit, nicht
des Zornes und der Strafe. Das weltliche Reich dagegen ist ein Reich des Zornes
mit strafen und wehren, auch richten, um die Bösen zu
zwingen und die Frommen zu schützen. Aus diesem Grund hat das Weltreich auch
das Schwert. Darum gehören alle Sprüche von der Barmherzigkeit in Gottes Reich,
nicht in das weltliche Reich, denn das muss streng, ernst, zornig sein. „Es sind zweierlei Reiche: Eines ist Gottes
Reich, das andere ist der Welt Reich, wie ich so oft geschrieben habe, dass mich’s wundert, wie man solches noch nicht wisse oder
merke. Denn wer diese zwei Reiche weiß recht von einander
zu scheiden, der wird sich freilich an meinem Büchlein nicht ärgern, wird auch
die Sprüche von der Barmherzigkeit wohl vernehmen. Gottes Reich ist ein Reich
der Gnade und Barmherzigkeit und nicht ein Reich des Zorns oder Strafe. Denn
daselbst ist eitel Vergeben, Schonen, Lieben, Dienen, Wohltun, Friede und
Freude haben usw. Aber das weltliche Reich ist ein Reich des Zornes und
Ernstes. Denn daselbst ist eitel Strafen, Wehren, Richten und Urteilen, zu
zwingen die Bösen und zu schützen die Frommen. Darum hat es auch und führt das
Schwert, und ein Fürst oder Herr heißt Gottes Zorn oder Gottes Rute in der
Schrift, Jesaja 14,5. Die Sprüche nun, die von Barmherzigkeit sagen, gehören in
Gottes Reich und unter die Christen, nicht in das weltliche Recht.“[335]
Wer nun diese beiden Reiche vermengt, der
würde den Zorn in Gottes Reich, die Barmherzigkeit aber in der Welt Reich
setzen und damit beide zerstören. So konnte Luther es als
eine Gnade Gottes ansehen, dass so dem Unfrieden und Aufruhr gewehrt wurde,
dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Bei Aufruhr ist jedermann berechtigt
und auch verpflichtet, einzugreifen, wie auch bei Notwehr gegen ein Verbrechen,
wenn die staatliche Macht nicht in der Lage ist, einzugreifen oder das
Verbrechen zu verhindern. Aber Privatrache, Privatrecht, das ist nicht
zulässig.[336] Wer sich nun gefangen gegeben hat oder sonst sich ergeben, an dem
sollte Barmherzigkeit geübt werden, so hatte es Luther auch schon in seinem
zweiten Schreiben gesagt.[337]
Luther hätte, das betonte er nochmals,
gerne Bauern und Herren zum Frieden gebracht – aber die Realität war, dass
keine der beiden Seiten wirklich wollte. Darum kam es zur Katastrophe. Aber
Gott saß dennoch im Regiment.
Der Staat ist Gottes Ordnung, aber sie ist „Notverordnung Gottes“ in
einer sündigen Welt.[338]
Damit ist eine Änderung der staatlichen Ordnung nicht grundsätzlich
ausgeschlossen. Aber der Christ wird gemäß Römer 13 nicht zum Umsturz raten
oder sich daran beteiligen. Er wird aber allen Befehlen, Anweisungen, die den
Geboten, dem Willen Gottes widersprechen, widerstehen durch passiven
Widerstand. „Verflucht
sei aller Gehorsam in den Abgrund der Hölle, so der Obrigkeit, Väter, Mütter,
ja auch der Kirche gehorsam ist, so dass er Gott ungehorsam ist.“[339] Luther betonte, dass das Evangelium verbietet, der
Obrigkeit in den Arm zu fallen, dass es keine „neue Gesetze bringt im Weltregiment, sondern gebietet und will
haben, dass wir den Gesetzen sollen gehorsam sein und der Obrigkeit.“[340] Auch gegenüber der Tyrannei betont Luther: Man
soll Gott wirken lassen. „Gott wird die Tyrannen und Oberpersonen nicht vergessen“,
„Gott kann schnell strafen.“[341]
Dies sah Luther auch durch die Geschichte bestätigt. Gott ist für ihn der
alleinige Richter über die Obrigkeit.
Luther hat konkret den Widerstand gegen den Kaiser nur anerkannt, soweit
er von der Reichsverfassung als Rechtsordnung gedeckt war, also etwa Absetzung
des Kaisers durch die Kurfürsten. Ansonsten betonte er auch in diesem
Zusammenhang, dass das Neue Testament den Ungehorsam selbst gegen die
ungerechte Obrigkeit verbietet. Konkret empfahl er den Fürsten, sich einem
Vorgehen des Kaisers gegen die Evangelischen nicht entgegenzusetzen, aber es
auch nicht zu unterstützen.[342]
So hatte Luther den Schmalkaldischen Bund auch nur als politischen
Zusammenschluss gebilligt. Erst 1536 näherte er sich der Position der Fürsten
im Schmalkaldischen Bund an, dass zum Schutz der Religion und aus politischen
Gründen die Reichsstaaten einem Angriff des Kaisers widerstehen dürften, weil
der Kaiser, so argumentierte Luther, in einem Religionskrieg nicht als Kaiser
galt. Die antichristliche Tyrannei des Papstes müssten die Christen nicht
hinnehmen. Aber selbst zu diesem Zeitpunkt fremdelte Luther eher mit diesen
Überlegungen und hatte äußerste Bedenken. Auch die Auffassung der Juristen,
dass das Reich kollegial vom Kaiser und den Kurfürsten geleitet würde und ein
Angriff des Kaisers auf einen Kurfürsten daher Verfassungsbruch sei, war für
Luther nicht wirklich einleuchtend und völlig überzeugend.[343]
Für ihn war das Gebet eine viel effektivere Waffe. Nur dem Papst gegenüber, den
Luther weder als kirchliche, noch als politische oder wirtschaftliche Obrigkeit
anerkannte, war für den Reformator aktiver Widerstand erlaubt, auch wenn er
sich Fürsten oder des Kaisers als seine Helfershelfer bedient. Dies sieht
Luther allerdings als einen Ausnahmezustand, weil das Papsttum antichristliche
Macht ist und durch seine totalitären Ansprüche das Heil der Seelen gefährdet.
Diese Ausnahme hat Luther vom sonstigen Widerstand gegen die Obrigkeit streng
unterschieden.[344]
Man muss also vorsichtig sein, bei Luther ein aktives Widerstandsrecht
finden zu wollen, wie es etliche versucht haben (Ansätze bei Künneth, s. S. 297, oder bei Uwe Siemon-Netto).
Das sogenannte „Magdeburger Bekenntnis“ ist gewiss kein Ausdruck der Theologie
Luthers und auch nie als lutherische Bekenntnisschrift anerkannt worden. Wie er
schon im Zusammenhang mit dem Bauernkrieg klar machte, heißt es für den
Christen: leiden, passiv widerstehen. Das ist genau auch der Weg, den wir aus
dem Neuen Testament finden, und zwar auch im Zusammenhang mit
Christenverfolgungen, von denen dort berichtet wird. (Selbst die Ausnahme, die
Luther im Blick auf das Papsttum machte, erscheint eher konstruiert und
problematisch.)[345]
12. Die Lehre von den letzten
Dingen (Eschatologie) bei Luther[346]
Luther hat deutlich und unmissverständlich
den doppelten Ausgang der Geschichte gemäß der Bibel gelehrt. Dies
unterstreichen auch seine Aussagen in seinem Bekenntnis aus dem Jahr 1529: „Am letzten glaube ich die Auferstehung
aller Toten am jüngsten Tag, beide, der Frommen und der Bösen, dass ein
jeglicher daselbst empfange an seinem Leib, wie er es verdient hat, und so die
Frommen ewig leben mit Christus, und die Bösen ewig sterben mit dem Teufel und
seinen Engeln. Denn ich‘s nicht halte mit denen, so da lehren, dass die Teufel
endlich auch werden zur Seligkeit kommen.“[347]
Diese Aussage macht klar, dass Luther jegliche Form der Allversöhnung ablehnte
und gemäß Matthäus 25 bekannte, dass die Gläubigen für immer mit Christus in
der Herrlichkeit sein werden, die aber im Unglauben verharren für immer mit dem
Teufel und seinen Dämonen in der Hölle.
In der Auferstehung wird der Leib „ohne Gebrechen, verklärt und rein“ sein
und nichts bedürfen, was irgendwie mit dem vergänglichen Wesen zu tun hat.
Unterschiede werden aber in der Klarheit der Leiber bestehen.[348]
Dabei geht es, wie auch Paulus 1. Thess. 4 schreibt, so zu, dass diejenigen,
die am Jüngsten Tag noch leben, nicht begraben werden müssen, sondern „in einem Augenblick und plötzlich anders
werden“, eben verwandelt.[349]
Die anderen aber, die schon entschlafen sind, werden im Nu auferstehen und
zusammen mit denen, die verwandelt werden, Christus entgegengerückt werden in
der Luft, um für immer bei ihm zu bleiben. Da wird es dann keine Anfechtung
mehr geben, sondern wir werden „von allem
Übel erlöst sein, Trauern, Weinen, leid, Schmerzen, Tod wird nicht mehr sein,
auch keine Sünde mehr in unserm Fleisch wohnen; sondern wird ganz rein sein,
ohne allen Unflat, böse Lust und Begierde.“ Die Gottlosen werden wohl auch
auferstehen, aber um ihr Urteil zu empfangen, die ewige Verdammnis.[350]
Dieser Jüngste Tag wird kommen wie ein Dieb in der Nacht, wenn die Menschen in
Sicherheit, Ehrgeiz, Tyrannei, Unzucht, Geiz und allerlei Lastern dahinleben.[351] „Das soll
auf einen Tag alles zergehen, aber nicht mehr durch Wasser, sondern
durch Feuer verzehrt, dass nicht mehr Tag noch Nacht, Winter noch Sommer, Same
noch Ernte sein wird, sondern neue Himmel und Erde, und ein ewiger Tag.“[352]
Himmel und Erde werden vergehen, alles, was jetzt noch so fest zu stehen
scheint, wird im Feuer vergehen, so hat es Luther auf der Grundlage von 2.
Petr. 3 bezeugt.
Was die Zukunft der Geschichte bis zu
diesem Jüngsten Tag angeht, so hat er aus Offenb. 6
vorgestellt, dass die Gemeinde besonders mit Verfolgung, Krieg, Krankheit und
Seuchen sowie Hunger, wirtschaftlichen Nöten geplagt wird (wie die Welt
überhaupt) und, Kap. 8, von geistlichen Nöten, Irrlehrern aller Art, die sich
immer mehr ausdehnen, immer härter, umfangreicher und schlimmer werden, wobei
schließlich, ab Kap. 10, geistliche und leibliche Nöte zusammenkommen.[353]
Aus der Offenbarung, Kap. 13, hat er von den zwei Tieren gelehrt als von der
weltlichen antichristlichen Macht (Kaisertum) und – das Tier mit den beiden
Hörnern – von der geistlichen antichristlichen Macht, dem Papsttum, das
zugleich auch eine weltliche Macht ist. Diese plagen, wie Luther es entfaltet,
die Christenheit, zusammen mit dem zweiten Wehe, das aus dem Osten kommt,
nämlich dem Islam. Diese Plage der Gemeinde Christi „mit falschen Lehren und Kriegen, mit Buch und Schwert“ wird zum
Ende der Zeit zunehmen.[354]
Er macht deutlich, dass die letzte Zeit, wie in der Offenbarung geschildert,
gekennzeichnet ist von „viel Trübsalen,
Ketzereien und andern Gebrechen“, so dass von der Kirche, der Gemeinde
Christi schier kaum noch etwas zu erkennen ist. Dennoch: Die Christenheit wird
dennoch endlich den Sieg behalten![355]
In den letzten Tagen aber werden auch innerhalb der Christenheit, wie auch
Petrus sagt, Spötter auftreten, die weder den Jüngsten Tag, die leibliche
Auferstehung oder das ewige Leben glauben und aus allem ein Gespött machen –
wie ja heute schon in den Landeskirchen weithin der Fall ist. Was das heißt,
hat Luther deutlich ausgedrückt: „Denn wo
dieser Artikel [von der leiblichen Auferstehung] hinweg ist, da sind auch alle
anderen hinweg, und der Hauptartikel und der ganze Christus verloren oder ja
vergeblich gepredigt.“[356]
Zu Offenb. 20 bemerkt Luther, dass die tausend Jahre
wohl begonnen haben, als Johannes die Offenbarung schrieb [sie begannen konkret
mit der Bindung Satans, was auf Golgatha geschah, denn im Triumphzug hat
Christus ihn bei seiner Himmelfahrt mit sich geführt, Kol. 2,15.], und der los
werden wird, um noch einmal die Feinde der Christenheit zu sammeln, die Luther
dann vor allem in den Türken, also Moslems, sah.[357]
Wie in Matth. 24 von Jesus Christus dargelegt, werden
Rotten, Sekten, falscher Lehrer kommen, und zwar mit großen Zeichen und
Wundern. Das hat schon damals im Papsttum angefangen, wird aber noch schlimmer
werden. (Heute finden wir es auch in der Pfingst- und charismatischen
Bewegung.) Darum warnt Luther eindringlich davor, Zeichen zu glauben. Selbst
wenn Tote auferweckt würden, sollen wir das nicht als ein Zeichen von Gott
annehmen, vielmehr Gott um Bewahrung vor Versuchung und Verführung anflehen und
auf Christus von ganzem Herzen vertrauen.[358]
[1] vgl. Kurt Dietrich Schmidt: Grundriss der Kirchengeschichte. 7. Aufl. 2., unveränd. Nachdr. der 5., durchges. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1979. S. 285. (Zitierw.: KDS) Dr. Martin Luthers sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. Bd. 14. Groß Oesingen: Verl. der Luth. Buchhandlung Heinrich Harms. 1987. Sp. 94 ff.; Bengt Hägglund: Geschichte der Theologie. München: Chr. Kaiser Verl. 1983. S. 168
[2] vgl. KDS ebd.
[3] vgl. KDS, a.a.O., S. 286Walch, a.a.O., Sp. 446 ff. (Vorrede über den ersten Teil seiner lateinischen Schriften).
[4] vgl. KDS, a.a.O. ebd. Dies wird sehr deutlich auch in seiner Auslegung des ersten Buches Mose. Ich verweise dazu auch auf meinen Aufsatz, der dies gerade an Luthers Genesisvorlesung darlegt: Martin Luther, ein Lehrer der Verbalinspiration. (Über den Verf. erhältlich.)
[5] vgl. Hägglund, a.a.O., S. 169
[6] WA 46, S. 643; in: Nun freut euch lieben Christen gmein. Hrsg. von Karl Witte. Neuendettelsau: Freimund-Verl. 1968. S. 27. (Zitierweise: Witte); Hägglund, a.a.O.
[7] vgl. KDS, a.a.O.
[8] vgl. ebd. S. 288
[9] Luthers Werke. Hrsg. von Buchwald, Kawerau ... 3. Aufl. Berlin 1905. Erste Folge: Reformatorische Schriften. Bd. 2. S. 184.185 f. (Zitierw.: Buchwald, Kawerau, RF 2)
[10] vgl. ebd. S. 287
[11] vgl. ebd. S. 287 f.
[12] vgl. ebd. S. 288
[13] vgl. ebd.
[14] vgl. ebd. S. 289.290; Hägglund, a.a.O., S. 170
[15] vgl. Buchwald, Kawerau, RF 2, a.a.O., S. 290; Hägglund, a.a.O.
[16] WA 46, S. 558; in: Witte, a.a.O., S. 81
[17] WA 7. S. 23; In: Witte, a.a.O., S. 67 f.
[18] vgl. Hägglund, a.a.O., S. 168 f.
[19] vgl. ebd. S. 169.171
[20] vgl. ebd. S. 171. Luther hat nicht den Begriff des „dritten Gebrauchs“ des Gesetzes, aber die Sache selbst: „Durch den Glauben wird die Liebe gegen das Gesetz eingegossen … Der Geist aber des Glaubens hält das Gesetz mit Liebe gegen das Gesetz, das heißt, er erfüllt es aufs beste …“ WA 2,498,25-28; Walch 2 8,1448, in: Gottfried Hoffmann: Luther und die Rechtfertigung. Oberursel 1984. (Oberurseler Hefte. H. 20.) S. 55, Anm. 90. „So haben wir nun die Zehn Gebote, einen Ausbund göttlicher Lehre, was wir tun sollen, dass unser ganzes Leben Gott gefalle, und den rechten Born und Röhre, aus und in welchen quellen und gehen müssen alles, was gute Werke sein sollen, also dass außer den Zehn Geboten kein Werk noch Wesen gut und Gott gefällgi sein kann, es sei so groß und köstlich vor der Welt, wie es wolle.“ Gr. Kat., 311. (Das ist klar gegen Werner Elert und Gerhard Ebeling festzuhalten, die behaupteten, dass Luther den dritten Gebrauch des Gesetzes nicht gekannt habe und die daher tatsächlich die Heiligung, den Christus in uns, verkürzen.) Vgl. W.M. Oesch: Der Tertius usus legis. in: Der Bekenntnislutheraner 2/2018. S. 3 ff.; Eugene F.A. Klug: Luther on Law, Gospel and the Third Use of the Law. The Springfielder. 1974. S. 155 ff. (Deutsch in: Der Bekenntnislutheraner 3/2018. S. 3 ff.)
[21] vgl. Hägglund, a.a.O.
[22] vgl. KDS, a.a.O.; Hägglund, a.a.O.
[23] vgl. Luthers Werke. Hrsg. von Buchwald, Kawerau u.a. Ergänzungsbd. 2. Berlin 1905. S 519. S. 235: „Es ist also auch dies hochnötig und heilsam für den Christen zu wissen, dass Gott nichts zufällig und bedingt voraus weiß, sondern dass er alles durch seinen unveränderlichen und ewigen, unfehlbaren Willen voraussieht, vorhersagt und tut. Dieser einem Blitz zu vergleichende Satz schlägt zu Boden und zermalmt von Grund aus den freien Willen.“ (Zitierw.: Buchwald, Kawerau EB)
[24] ebd. S. 238
[25] vgl. KDS, a.a.O., S. 291
[26] vgl. ebd. S. 293
[27] WA 8, S. 620 ff.; in: Witte, a.a.O., S. 107
[28] Vom unfreien Willen, S. 146-148; in: Witte, a.a.O., S. 227
[29] Dr. Martin Luthers sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. Bd. 9. Groß Oesingen: Verlag der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms. 1987. Sp. 372 (Zitierw.: Galaterbrief)
[30] vgl. KDS, a.a.O., S. 295
[31] vgl. ebd. S. 294; Hägglund, a.a.O., S. 179
[32] WA 45, S. 697; in: Witte, a.a.O., S. 104
[33]
Vgl.
Hägglund, a.a.O., S. 179 f.
[34] vgl. KDS, a.a.O., S. 292
[35] vgl. ebd. S. 295 f.
[36] vgl. ebd. S. 297 f.
[37] vgl. ebd. S. 298
[38] vgl. WA 42,507, 16f., in: KDS, a.a.O., S. 299, Anm. 32
[39] vgl. WA 23,8,33 ff.; 40 I,174,1 ff.; in KDS, a.a.O.,
S. 299 und Anm. 33 und 34
[40] vgl. KDS, a.a.O., S. 300
[41] vgl. ebd. S. 301
[42] WA 28, S. 101; in: Witte, a.a.O., S. 57 f.
[43] vgl. KDS, a.a.O., S. 301 f.
[44]
Erklärung
zu 1. Tim. 3,16; WA 37,42 f.; in: Witte, a.a.O., S. 35
[45] vgl. KDS, a.a.O., S. 302 f.
[46] KDS behauptet ja, Luther habe es abgelehnt, dass Christi Tod ein Gott dargebrachtes Opfer gewesen sei. Damit widerspricht er allerdings eindeutig Luthers Darstellungen: „Weil Christus durch sein Opfer und Gebet am Kreuze die Sünde weggenommen hat, so hat weder Tod noch Hölle noch Teufel Ursache an uns. … Das Opfer Christi, das einmal geschehen ist, gilt ewig, und wir werden selig, dieweil wir daran glauben. … Gottes Sohn hat sich selbst williglich ins Mittel gesetzt zwischen Gottes Zorn und unsere Sünde, und zum Opfer oder Bezahlung dargegeben durch sein Blut und Tod.“ Dr. Martin Luthers sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. Bd. 23. Groß Oesingen: Verlag der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms. 1986. Sp. 1263.1264
[47] vgl. ebd. S. 303-305
[48] WA 52,2, S. 27 ff.; in: Witte, a.a.O., S. 29
[49] vgl. KDS, a.a.O., S. 303-305
[50] WA 45, S. 493; in: Witte, a.a.O., S. 59
[51] vgl. KDS, a.a.O., S. 305
[52] vgl. ebd.
S. 306
[53] vgl. ebd.
[54] vgl. Hägglund, a.a.O., S. 176
[55]
vgl.
ebd. S. 177
[56]
Die
Darlegungen zu diesem Thema sind teilweise entnommen dem Aufsatz: Roland Sckerl: Vom unfreien Willen. Durmersheim. 2008.
[57]
vgl.
Hägglund, a.a.O., S. 178
[58]
Luthers
Werke. Hrsg. von Buchwald, Kawerau u.a. Ergänzungsbd. 2. Berlin 1905. S 340
[59]
vgl.
Hägglund, a.a.O., S. 178 f.
[60]
Luthers
Werke, a.a.O., S. 519 f.
[61]
ebd.
S. 258 f.
[62]
ebd.
S. 260
[63]
ebd.
S. 385
[64]
ebd.
[65]
ebd.
S. 394
[66] vgl. KDS, a.a.O., S. 318 f.
[67]
vgl.
dazu: Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche. In: Luthers Werke. Hrsg.
von Buchwald, Kawerau usw. 3. Aufl. Erste Folge:
Reformatorische Schriften. 2. Berlin: C.A. Schwetschke
und Sohn. 1905. S. 426 (Zitierw.: LW)
[68] LW, a.a.O., S. 386
[69] ebd. S. 470
[70] ebd. S. 508 f.
[71]
Walch.
Nachdr. der 2., überarb.
Aufl. Band 10. Groß Oesingen: Verlag der Lutherischen
Buchhandlung Heinrich Harms. 1987. Sp. 1572.1576.
(Dass ein Laie das Sakrament verwalten kann, gilt auch für das Abendmahl. Da
kann die Christenschar dann einen Abendmahlsdiakon berufen, der das Abendmahl
verwaltet. Das ist besonders wichtig in Verfolgungszeiten, wenn vielleicht alle
Pastoren verhaftet sind, wenn die Christen nur noch als kleine Scharen in
Häusern oder sonst irgendwie im Untergrund zusammenkommen können. Anm. d.
Hrsg.)
[72] vgl. KDS, a.a.O., S. 319
[73] vgl. auch ebd. S. 320
[74]
Diese
Behauptung hat ja neuerdings Notger Slenczka aufgestellt, der im Anschluss an die unionistische
Leuenberger Konkordie versucht, die lutherische
Abendmahlslehre reformiert umzudeuten. Auch er endet, wie alle Reformierten,
bei einer „Realpräsenz“ nur für die Glaubenden. Vgl. dazu: In ipsa fide Christus adest. In: https://goettingen.interseth.de/wp-content/uploads/2017/05/Slenczka-In-ipsa-fide.pdf
[75]
vgl.
Hägglund, a.a.O., S. 188 f.
[76] LW, a.a.O., S. 401
[77] ebd.. S. 389. S. 395: „Ich schließe also: Den Laien beide Gestalt zu verweigern, ist gottlos und tyrannisch, und steht nicht in irgendeines Engels, geschweige denn in eines Papstes oder Konzils Macht.“
[78] vgl. ebd. S. 390 f.: „Aber was hier das Wichtigste ist und mich völlig gefangen nimmt, Christus spricht: ‚Das ist mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.‘ [Matth. 26,28.] Hier steht ganz klar, dass das Blut allen gegeben wird, für deren Sünden es vergossen ist. Wer wollte aber wagen zu sagen, dass es für die Laien nicht vergossen sei? Oder siehst du nicht, wen er anredet, indem er den Kelch gibt? ‚Für euch‘, spricht er; wohlan, das mögen die Priester sein. ‚Und für viele‘; das können nicht wieder die Priester sein; und doch spricht er: ‚Trinkt alle daraus!‘“
[79] Die 95 Thesen des Theologen Dr. Martin Luther. Hrsg. von Helmut Korinth. Hamburg 1983. S. 7
[80]
Kurze
Auslegung des Kleinen Katechismus Dr. Martin Luthers. Hrsg. von der Ev.-Luth. Synode von Missouri, Ohio u.a. Staaten. St. Lous, Mo.: Concordia Publishing House.
1912. S. 21
[81] vgl. Hägglund, a.a.O., S. 172
[82] vgl. KDS, a.a.O., S. 309 f.
[83] Galaterbrief, a.a.O., Sp. 204
[84] vgl. ebd.
[85] vgl. ebd.
[86] Schmidts Darstellung der Rechtfertigung bei Luther krankt daran, dass er Rechtfertigung und Heiligung nicht klar unterscheidet, ebenso wenig Gesetz und Evangelium, etwa die Buße durchs Gesetz will zustande kommen lassen. So wird bei ihm aus der Gerechterklärung tatsächlich eine Gerechtmachung und ist zwischen Schmidts Darstellung der Rechtfertigung und derjenigen Roms allerdings kaum noch ein Unterschied. Hier kann daher der Darlegung von KDS nicht gefolgt werden.
[87] vgl. Hägglund, a.a.O., S. 173
[88] vgl. ebd. S. 307
[89] Galaterbrief, a.a.O., Sp. 8-9
[90] ebd. Sp. 18
[91] ebd. Sp. 65 f.
[92] ebd. Sp. 66
[93] vgl. KDS, a.a.O., S. 308
[94] vgl. Hägglund, a.a.O., S. 165
[95] vgl. ebd. S. 179
[96] Galaterbrief, a.a.O., Sp. 54
[97] ebd. Sp. 58
[98] ebd. Sp. 58.59.61
[99] vgl. Hägglund, a.a.O., S. 174 f.
[100] vgl. KDS, a.a.O., S. 311; Hägglund, a.a.O., S. 173
[101] Galaterbrief, a.a.O., Sp. 95
[102] ebd. Sp. 125
[103] ebd. Sp. 128 f.
[104] ebd. Sp. 177.178
[105] WA 39 I,44 ff.; in: Hägglund, a.a.O., S. 174
[106] vgl. KDS, a.a.O.
[107] vgl. KDS, a.a.O., S. 310
[108] vgl. KDS, a.a.O., S. 312; Hägglund, a.a.O:,
S. 175. Der Begriff der Wiedergeburt wird zwar in der Theologie
unterschiedlich gefüllt (s. Kirchliches Handlexikon. Begr.
von Carl Meusel. Bd. 7. Leipzig: Justus Naumann.
1902. S. 240 ff.), aber es ist völlig richtig, wenn Luther unter ihm, im
Anschluss an die Heilige Schrift, das Wirken des rechtfertigenden Glaubens
versteht. Aber selbst da, wo er in der Theologie weiter gefasst wird, also auch
die Erneuerung oder Entfaltung des geschenkten neuen Lebens mit einschließt,
muss der klare Unterschied zwischen der Rechtfertigung des Sünders, empfangen
mit der Wirkung des rettenden Glaubens, und der Heiligung oder Erneuerung als
der wachsenden, aber nie vollkommenen Entfaltung des neuen Lebens unbedingt
festgehalten werden. Dies ist umso wichtiger, als leider in den letzten 100
Jahren viele sich lutherisch nennende Theologen von der
biblisch-reformatorischen Rechtfertigungslehre weg Richtung Rom gegangen sind.
Dies gilt nicht zuletzt für Edmund Schlink in seiner „Theologie der
lutherischen Bekenntnisschriften“ (3.Aufl. München: Chr. Kaiser. 1948.
(Einführung in die evangelische Theologie. Bd. 8.), etwa S. 140, wo er
behauptet, die Rechtfertigung sei nicht nur Gerechterklärung,
nicht nur ein Urteil, sondern auch Gerechtmachung
(was Schlink dann als Wiedergeburt bezeichnet). Er hat dies ja dann vor allem
ab S. 156 weiter ausgeführt. (s. dazu auch: Gottfried Hoffmann: Luther und die
Rechtfertigung. Oberursel. 1983. (Oberurseler Hefte. H. 20.) S. 6 f. 36 f.)
Damit hat er den Weg geebnet zu der sogenannten „Gemeinsamen Erklärung“
zwischen Lutherischem Weltbund Römisch-katholischer Kirche über die
Rechtfertigungslehre, die tatsächlich einen Abfall des LWB vom
biblisch-reformatorischen Rechtfertigungsverständnis darstellt.
[109]
Dr.
Martin Luthers Sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl.
Bd. 11. Groß Oesingen: Verlag der Lutherischen
Buchhandlung Heinrich Harms. 1987. Sp. 1168
[110] Galaterbrief, a.a.O., Sp.
194.
[111] WA 10, I/11, S. 317 f., EA 13,95 ff.; in: Witte, a.a.O..,
S. 272
[112] vgl. Hägglund, a.a.O., S. 176; Friedrich Wiegand: Dogmengeschichte der Alten Kirche. Leipzig: Quelle und Meyer. 1912. S. 114
[113] vgl. Hägglund, a.a.O.; S. 174; Hoffmann, a.a.O:, S. 47. Luther hat es daher entschieden zurückgewiesen, das „reine Herz“ als eine neue Beschaffenheit zu verstehen, die mit der Rechtfertigung „eingegossen“ würde, also die Rechtfertigung doch Gerechtmachung wäre. In einer Universitätsdisputation in Wittenberg 1536 hat er auf den Einwand „Rechtfertigen bedeutet nicht ‚annehmen oder für gerecht erklären‘, sondern ‚neue Beschaffenheiten eingießen‘, weil Petrus sagt: ‚Er reinigte ihre Herzen durch den Glauben‘. Das ‚Herz reinigen‘ ist nichts anderes, als ‚neue Beschaffenheiten eingießen‘“ geantwortet: „Das Wort ‚reinigen‘ ist auch in der Apostelgeschichte ein Wort der Zurechnung. Das Herz reinigen heißt, dem Herzen die Reinigkeit zurechnen. Gott reinigt die Heiden, d.h. er rechnet sie als gereinigt, weil sie Glauben haben, obgleich sie in Wirklichkeit Sünder sind. … Zuerst reinigt er zurechnungsweise, darnach gibt er den heiligen Geist, durch den wir in unserem Wesen gereinigt werden. Der Glaube reinigt durch die Vergebung der Sünden, der heilige Geist durch die Wirksamkeit. Das ist die göttliche Säuberung und Reinigung, die vom Himmel herabkommt, aber durch den Glauben und den heiligen Geist.“ (WA 39 I, 98,16-19 und 99,15-29; in: Hoffmann, a.a.O., S. 38) Luther unterscheidet hier also sehr genau zwischen der Reinigung durch den Glauben, also der Rechtfertigung als Gerechterklärung, und der Reinigung durch den Heiligen Geist, also der als Frucht folgenden Erneuerung in der Heiligung.
[114] vgl. KDS, a.a.O., S. 315; Hägglund, a.a.O., S. 189
[115] Luther Deutsch. Hrsg. von Kurt Aland. Berlin 1952. Bd. 6. S. 17
[116] ebd. S. 19
[117]
vgl.
Ernst Kinder: Der evangelische Glaube und die Kirche. Berlin: Lutherisches
Verlagshaus. 1958. S. 65 f. 67
[118]
Wider
Hans Worst. 1541. Clemen 4, 355; in: Kinder a.a.O.
[119]
vgl.
Kinder, a.a.O., S. 66
[120] vgl. KDS, a.a.O., S. 316; Kinder, a.a.O., S. 62. 64 f.
[121] Luther Deutsch, a.a.O., S. 22 f.
[122] ebd. S. 24 f.
[123] WA 8, S. 491 f.; in: Witte a.a.O., S. 333
[124]
Luther
Deutsch, a.a.O., S. 23
[125]
vgl.
Kinder, a.a.O., S. 67. Kinder verweist in diesem Zusammenhang auch auf Kohlmeyer und Reinhold Seeberg, die herausgearbeitet hatten,
dass Luther zwar einerseits den Corpus-Christi-Gedanken übernommen hatte, aber
darin eine entscheidende Umgestaltung vornahm: Der Angelpunkt zwischen Haupt
und Leib ist das Wort, das Evangelium, nicht das Amt oder die Sakramente (,
wobei die Sakramente allerdings mit dem Wort einerseits verbunden sind,
andererseits aber von ihm regiert werden). All das ist gerade auch auf
romanisierende hochkirchliche Kreise hin wichtig festzuhalten, die das Amt und
die Sakramente wieder an die Stelle des Wortes und zwischen Christus und seine
Gemeinde schieben.
[126] vgl. KDS, a.a.O.
[127]
vgl.
Kinder, a.a.O., S. 60 f. 65
[128]
vgl.
Hägglund, a.a.O., S. 190
[129] Buchwald, Kawerau ... 3. Aufl. Erste Folge: Reformatorische Schriften I. Berlin 1905. S. 145 f. (Zitierw: Buchwald, Kawerau RF 1)
[130] ebd. S. 150
[131] Buchwald, Kawerau, RF 2, a.a.O., S. 186 f.
[132] ebd. S. 187
[133] vgl. KDS, a.a.O., S. 317
[134] Buchwald, Kawerau, RF 2, a.a.O., S. 201
[135] Predigt, dass man die Kinder zur Schule halten soll. 1530. in: Walch 2. Bd. 10. Nachdr. d. 2., überarb. Aufl. Groß Oesingen 1987. Sp. 423 f.
[136] WA Tischreden 3, S. 673 f, EA 57,39f; in: Witte a.a.O. S. 339
[137] Walch 2, Bd. 10, a.a.O., Sp. 1592
[138]
Luthers
Bekenntnis vom Abendmahl Christi. 1528. In: Walch 2. Bd. 20. Nachdr. der 2., überarb. Aufl.
Groß Oesingen: Verlag der Lutherischen Buchhandlung
Heinrich Harms. 1986. Sp. 1098,521
[139] vgl. KDS, a.a.O., S. 316
[140] Buchwald, Kawerau, RF 2, a.a.O:, S. 199
[141]
vgl.
Kinder, a.a.O., S. 66
[142]
vgl.
ebd. S. 70 f.
[143]
WA
30 II, 487; in: Kinder. a.a.O., S. 71, Anm. 2
[144] vgl. KDS, a.a.O., S. 317
[145] WA 34/2, S. 387; EA 18, S. 242 f.; in: Witte, a.a.O.,
S. 357 f.
[146] WA 45, S. 727 ff., EA 49,384 f.; in: Witte, a.a.O.,
S. 340
[147] Sermon von dem Sakrament des Leibes und Blutes Christi. 1526. in: Luther Deutsch. Hrsg. von Kurt Aland. Bd. 4. 4. Aufl. Göttingen 1990. S. 207
[148] vgl. ebd. S. 208
[149] vgl. ebd. S. 210
[150] ebd. S. 211
[151] vgl. ebd.
[152] vgl. ebd. S. 212 f.
[153] Der Abschnitt über den Gottesdienst orientiert sich an: Vilmos Vajta: Die Theologie des Gottesdienstes bei Luther. 3. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1959 und ist in seinen Grundzügen entnommen dem Heft: Roland Sckerl: Christliche Lehre zu Luthers Kleinem Katechismus.
[154] WA 18,69:22; in: Vajta, a.a.O., S. 3
[155] vgl. Vajta, ebd.
[156] vgl. ebd. S. 4. 17
[157]
vgl.
ebd. S 21 f.
[158] vgl. Hägglund, a.a.O., S. 184 f.
[159] WA 23,189:23; in: Vajta, a.a.O.,
S. 24 f., Anm. 61
[160] vgl. Vajta, S. 27
[161] vgl. ebd. S. 43
[162] vgl. ebd. S. 45
[163] WA 30 II 603:12; in: Vajta, a.a.O., S. 53 f.
[164] vgl. Vajta, a.a.O.,
S. 54
[165] WA 12,37:26; in: Vajta, a.a.O:,
S. 118
[166] vgl. Vajta, a.a.O:,
S. 119
[167] vgl. ebd. S. 120 f.
[168] WA 30 II 621:14; in: Vajta, a.a.O., S. 121, Anm. 14
[169] WA 19, 159:1; in: Vajta, a.a.O., S. 142, Anm. 67
[170] vgl. ebd. S. 144 f.
[171] vgl. ebd. S. 144 f.
[172] vgl. ebd. S. 170.172
[173] vgl. ebd. S. 224.228
[174] vgl. ebd. S. 232
[175] WA 18,522:11; in: Vajta, a.a.O., S. 234, Anm. 22
[176] vgl. Vajta, a.a.O.,
S. 277
[177] ebd.
[178] WA 17 II 11:21; 31 I 419:5; in: Vajta, a.a.O., s. 277 f., Anm. 30
[179]
G.L.
Plitt: Geschichte der lutherischen Mission. Neu hrsg. von Otto Hardeland. Leipzig: A. Deichert’sche
Verlagsbuchhdlg. 1894. S. 5 f. Luthers Auffassung
unterscheidet sich hier wohltuend von der, die in der zweiten Phase der
lutherischen Orthodoxie, etwa ab Johann Gerhard, aufkam, die meinte, dass ja
das Evangelium schon in alle Welt hinausgegangen sei und daher die Weltmission
nicht mehr nötig wäre. Justinianus von Wels hat gegen
diese Verdrehung des biblischen Wortes mit Recht protestiert und an seinem Teil
versucht, in Niederländisch-Guayana im 17. Jahrhundert Mission zu treiben. Dort
ist er dann auch bald verschollen.
[180]
ebd.
S. 6
[181]
ebd.
S. 7 f.
[182]
ebd.
S. 8
[183]
ebd.
S. 9
[184]
Es
sei noch darauf hingewiesen, dass Schweden nicht nur im Gebiet des eigenen
Reiches im Norden, in Finnland und im Baltikum Mission unter den Heiden betrieb,
sondern auch mit der Gründung seiner Kolonie am Delaware in Nordamerika 1637
der Auftrag zur Mission verbunden war. Der lutherische Katechismus, übersetzt
von Johann Campanius, war das erste christliche Buch
in indianischer Sprache.
[185] Die Darstellung ist entnommen aus: Roland Sckerl: Martin Luthers Stellung zum Papsttum und deren bleibende Bedeutung für die Gemeinde Jesu Christi. Durmersheim 2008.
[186] Heinrich Fausel: D. Martin Luther. Leben und Werk 1483-1521. 2. Aufl. Neuhausen/Stuttgart 1996. S. 97
[187] Dr. Martin Luthers sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. Groß Oesingen 1987. Bd. 15. Sp. 922
[188] vgl. Walch, Bd. 15, a.a.O., Sp. 931
[189] Walch, Bd. 15, a.a.O.,
Sp. 940
[190] Walch, Bd. 15, a.a.O.,
Sp. 953
[191] Luthers Werke. Hrsg. von Buchwald, Kawerau ... 3. Aufl. Erste Folge: Reformatorische Schriften I. Berlin 1905., a.a.O., S. 145 f.
[192] vgl. ebd. S. 147
[193] Dr. Martin Luthers sämtliche Schriften. Hrsg. von Joh. Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. Bd. 18. Groß Oesingen 1986. Bd. 18, a.a.O., Sp. 457
[194] vgl. ebd, Sp. 458 f.
[195] ebd. Sp. 1466
[196] ebd. Sp. 1518 f.
[197] ebd. Sp. 1543
[198] „Dieweil aber dieser König von Gebärden immer für und für nichts anders tut als dass er uns gebietet und überall durch seine Gesetze oder geistlich Recht nur dringt und zwingt und tut dasselbe dennoch an Gottes Statt und in Gottes Namen; so ist offenbar, dass er ein Widersacher Christi ist, ein Verderber des neuen Testaments, ein Feind der christlichen Freiheit, der da zwingt die Unwilligen zu den Werken, die er geboten hat. ... Wiederum lehrt uns Christus, dass man nicht vor Gott dadurch gerecht wird, so man ihm schon dient an solchen Orten. Aber der Papst lehrt also: Man werde fromm und gerecht dadurch, und das sei der rechte Gottesdienst und Gottes Ehre, wenn man Kirchen bauet und weihen lässt, und dieselben in der Meinung und Gewissen als die heiligen Stätten absondert von andern Häusern.“ Walch 2, Bd. 18. a.a.O., Sp. 1545; 1548
[199] ebd. Sp. 1558
[200] Schmalk. Art., T. II, Art. IV, 11, 14
[201] Schmalk. Art., T. II, Art. IV, 1
[202] „Hieraus folgt, dass alle dasjenige, so der Papst aus solcher falscher, freveler, lästerlicher, angemaßter Gewalt getan und vorgenommen hat, eitel teuflisch Geschichte und Geschäft gewesen und noch sei (außer was das weltliche Regiment belangt, darin Gott auch wohl durch einen Tyrannen und Buben lässt einem Volk viel Gutes geschehen), zu Verderbung der ganzen heiligen christlichen Kirche (soviel an ihm gelegen) und zu verstören den ersten Hauptartikel von der Erlösung Jesu Christi.“ Schmalk. Art., T. II, Art. IV, 3
[203]
Die
Darstellung ist entnommen aus: Roland Sckerl: Martin
Luther und die Juden. Durmersheim 2010.
[204] vgl. Bainton, Roland: Here I
Stand, S. 297; in: Tjernagel, Neelak:
Martin Luther and the Jewish People. Milwaukee, Wisconsin: Northwestern
Publishing House. 1985. S. VII
[205] vgl. Tjernagel, a.a.O., S. XI; 76 f.
[206] Walch 2, Bd. 4, Groß Oesingen
1987, Sp. 927,144
[207] Walch 2, Bd. 4, a.a.O., Sp. 927 f., 146
[208] Walch 2, Bd. 4, a.a.O., Sp. 929,147
[209] vgl. www.maschiach.de/context/view/449/39/
[210] vgl. Luthers Psalmenvorlesung 1518-21, in: Kirche und Synagoge. Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden. Hrsg. von Karl Heinrich Rengstorf und Siegfried von Kortzfleisch. Stuttgart: Ernst Klett Verlag. 1968. Bd. 1. S. 386 („Solidarität der Strafwürdigen“, s. 387)
[211] vgl. Weimarer Ausgabe 3/32,25 f; 4/468,35 ff; in: www.wikipedia.org/wiki/Antijudaismus_in_der_Neuzeit; vgl. auch Kirche und Synagoge, a.a.O., S. 378-384
[212] Walch 2, Bd. 20, a.a.O., Sp. 1794 f., 4
[213] Walch 2, Bd. 20, a.a.O., Sp. 1795,5; 1821,95.96
[214] so Mathesius; vgl. Walch 2, Bd. XX,
a.a.O., Sp. 1828, Anm.
[215] Walch 2, Bd. 20, a.a.O., Sp. 1860
[216] ebd. Sp. 1863,
[217] ebd. Sp. 1863,7
[218] vgl. Kirche und Synagoge, a.a.O., S. 385.408
[219] vgl. Walch 2, Bd. 20, a.a.O., Sp. 1987-1989
[220] ebd. Sp. 1989 f.,298
[221] ebd. Sp. 1990-2009
[222] ebd. Sp. 2001,326-327
[223] ebd. Sp. 2029,394
[224] zu almah vgl. ebd. Sp. 2091-2109
[225] ebd. Sp. 2074-2075
[226] ebd. Sp. 2076,118
[227] vgl. Walch 2, Bd. 12. Groß Oesingen 1987. Sp. 1264
[228] ebd. Sp. 1264 f
[229] ebd. Sp. 1265.1267
[230] vgl. Kirche und Synagoge, a.a.O., S. 432
[231] vgl. ebd. S. 437 f.
[232] vgl. www.wikipedia.org/wiki/Antijudaismus_in_der_Neuzeit
[233] vgl. Kirche und Synagoge, a.a.O., S. 380 f.
[234] Darstellung entnommen aus: Roland Sckerl: Martin Luther und der Islam. 2010.
[235] Ziemlich überall, wo der Islam in Afrika und Asien heute sitzt, ist er durch Gewalt, durch Krieg, hingekommen, wie ja die kriegerische Ausbreitung sowohl im Koran vorgegeben als auch in den Hadithen (Darstellungen des Lebens Mohammeds, faktisch verbindliche Auslegung des Islams als Vorbild für die Moslems) vorgebildet ist. Auf diesem Hintergrund sind auch die Kreuzzüge politisch-historisch zu sehen (ihre theologische Beurteilung muss eine andere sein, da unser Heiland Jesus Christus sowohl die gewaltsame Verteidigung wie auch die gewaltsame Ausbreitung des Glaubens kategorisch verbietet, und wir als Christen unsere Feinde lieben sollen). Sie waren zunächst einmal die militärische Antwort auf die islamische Aggression, die fortdauernd vor allem das Byzantinische Reich traf. Deshalb hatte Kaiser Alexios III. den Westen um militärischen Beistand gegen diese Angriffe gebeten, mit dem Ziel, durch die Moslems unterworfene byzantinische Gebiete zurückzugewinnen. Die Art des Vorgehens der Lateiner im Orient, bis hin zur Gründung eigener Staaten, war keineswegs im Sinne von Byzanz.
[236] Vom Krieg wider die Türken. 1529. in: Dr. Martin Luthers sämtliche Schriften. Hrsg. von Johann Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. Bd. 20. Groß Oesingen 1986. Sp. 2118
[237] ebd. Sp. 2110 f.
[238] Die immer wieder von pietistischer Seite angeführte Behauptung, dass das reformatorische und orthodoxe Luthertum sich nicht um die biblische Prophetie und Endzeitfragen gekümmert habe, ist schlicht falsch. Es hat allerdings keine chiliastische Sicht dieser Dinge anerkannt. Dagegen hat es, besonders Luther selbst, in einer teilweise geradezu intensiven Endzeiterwartung und Naherwartung der Wiederkunft Christi gestanden und viele endzeitliche Aussagen, auch aus den Prophetien, auf Vorgänge ihrer Zeit hinsichtlich Papsttum, Islam und Judentum gedeutet.
[239] Heerpredigt wider die Türken. 1529. in: Dr. Martin Luthers …, a.a.O, Sp. 2156
[240] Krieg, a.a.O., Sp. 2113
[241] vgl. Krieg, a.a.O., Sp. 2118. „Sollen wir nun Glück haben wider den Mahmet, den äußerlichen Feind der Christenheit, so werden wir zuvor müssen dem inwendigen Feind, dem Antichristen mit seinem Teufel, absagen durch rechtschaffene Buße, und uns zu unserm HERRN und Heilande Jesus Christus mit rechtem Ernst und einfältigem Herzen kehren, damit wir recht und mit Wahrheit beten können, und also der Erhörung gewiss sein mögen. Sonst werden wir Glück haben wie unsere Vorfahren.“ Bruder Richards Widerlegung des Alkoran (Zitierw.: Widerlegung), in: Dr. Martin Luthers sämtliche Schriften. Hrsg. von Johann Georg Walch. Nachdr. der 2., überarb. Aufl. Bd. 20. Groß Oesingen 1986. Sp. 2284 f. Damit widerlegt Luther auch alle menschlichen Gedanken, dass die christlichen Konfessionen gegen die Herausforderung des Islam zusammenrücken müssten. Nein, nicht Ökumene, sondern Rückkehr zur biblischen Wahrheit, Umkehr, weg von der Ökumene, der Vermischung von Wahrheit und Irrlehre. Sonst kann die Gemeinde Jesu Christi weder gegen den inneren noch gegen den äußeren Antichristen bestehen.
[242] Krieg, a.a.O., Sp. 2126
[243] ebd. Sp. 2123
[244] vgl. ebd. Sp. 2123 f.
[245] ebd. Sp. 2124
[246] Die Unterscheidung, wie sie in den westlichen Ländern propagiert wird, zwischen Islam und Islamismus, ist künstlich und übersieht, ob bewusst oder unbewusst, das sei dahingestellt, die Tatsache, dass die Gewalt gegen Andersgläubige ihre Grundlage im Koran hat, der dazu an vielen Stellen auffordert, ebenso auch zur Unterdrückung der „Völker des Buches“, also von Juden und Christen, die zwar unter Umständen in einem islamischen Staat leben dürfen, aber Menschen zweiter oder dritter Klasse sind. Und dass der Koran so zu verstehen ist, wird durch die Hadithe veranschaulicht, die Darstellungen des Lebens Mohammeds, der faktisch authentischen Auslegung des Koran. Es sei nur daran erinnert, dass Mohammed an die 60 Raubkriege führte, zwei jüdische Stämme in Medina durch Völkermord beseitigte, Verträge schloss und brach, wie es ihm gerade beliebte.
[247] Krieg, a.a.O., Sp. 2124 f.
[248] vgl. Heerpredigt, a.a.O., Sp. 2161. In wieweit Luthers Identifizierung des kleinen Horns mit dem Islam zugestimmt werden kann, ist eine andere Frage. Der Islam ist sicher ein Teil der antichristlichen Mächte, und zwar eine sehr bedeutende, geistliche wie weltliche allerdings, aber auch nicht die einzige weltliche Gegenmacht. Überhaupt sieht ja die Offenbarung Jesu Christi an Johannes die weltlichen Mächte als solche als antichristliche Kräfte, mit denen der geistliche Antichrist immer wieder paktiert. Und diese weltlichen Mächte nehmen immer wieder auch quasi-religiösen Charakter an, wie die Ideologien in den totalitären Systemen zeigen, und wie der Islam dies in Vollendung darstellt. In sofern ist Luthers Aussage einerseits auf die weltlichen Mächte insgesamt zu beziehen, andererseits aber die herausragende Stellung die gerade dem Islam in der antichristlichen geistlichen wie weltlichen Bedrohung zukommt, zu beachten. So, wie sich die Dinge heute abzeichnen, kann es durchaus zu einer geistlichen Verbindung zwischen Rom und dem Islam kommen, und zugleich auch zu einer weltlichen Machtübernahme des Islam mittel- bis langfristig in Europa. Richtig ist auch jeden Fall, dass der Islam eine bedeutende, bedrohliche antichristliche Macht ist, und sicher auch zu dem kleinen Horn zu zählen ist. Das „kleine Horn“ steht ja für die antichristliche Macht, und zwar gerade die geistliche antichristliche Macht, den Antichristen, also das Papsttum.
[249] Heerpredigt, a.a.O., Sp. 2165
[250] ebd. Sp. 2181 f.
[251] Es sei für diesen Bereich verwiesen auf: Werner Elert: Abendmahl und Kirchengemeinschaft in der alten Kirche hauptsächlich des Ostens. Berlin: Lutherisches Verlagshaus. 1954
[252]
vgl.
Heinrich Bornkamm: Das Jahrhundert der Reformation.
2., verm. Auf. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
1966. S. 263
[253] vgl. ebd.
S. 264
[254] vgl. ebd.
S. 264 f.
[255] vgl. Defensio orthodoxae fidei.
1554. Corp. Ref. 8,477; in: Bornkamm, a.a.O., S. 266
[256] vgl. Bornkamm, a.a.O. und Anm. 5
[257] vgl. ebd. S. 266 f.
[258] vgl. De officio principum, quod mandatum Dei praecipiat eis tollere abusus ecclesiasticos (1539). Corp. Ref. 3,240.247; in: Bornkamm, a.a.O., S. 267 f.
[259] vgl. ebd. S. 268
[260] Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist. 1524; in: Bornkamm, a.a.O., S. 269
[261] WA 51; 184,21; in: Bornkamm, a.a.O. vgl. auch Anm. 13: „Denn auch Gott selbst, der über alle Gewalt ist, hat noch nie einen Menschen mit Gewalt zum Glauben wollen dringen.“ WA 30 II; 400,12 ff.
[262] vgl. Bornkamm, a.a.O., S. 269 f.
[263]
vgl.
Ps. 82 (1530). WA 31 I; 209,15 ff.; in: Bornkamm, a.a.O., S. 270
[264] vgl. ebd. S. 271
[265] WA, Br. 6,223; in: Bornkamm, a.a.O., S. 272, Anm. 21
[266] vgl. Bornkamm, a.a.O., S. 272 f.
[267] vgl