D. Martin Luthers Widerlegung der Ursachen des Latomus,

so er für die Mordbrenner, die Sophisten der Schule Löwen angegeben[1]

1521

 

    Luther hatte die in der Fußnote erwähnte Schrift des Latomus noch im März 1520 mit einem Nachwort, das unter anderem die fehlende biblische Begründung der Artikel kritisierte, herausgegeben. Latomus hat für einige dann diese Begründung noch nachgeliefert, weshalb Luther darauf antworten musste. Er nannte die Löwener „Brandstifter“ oder „Mordbrenner“, weil sie seine Schriften verbrannt hatten. Die „Widerlegung des Latomus“ gilt als eine der in sich geschlossensten und systematischsten Darlegungen der zentralen reformatorischen Gnadenlehre und Anthropologie vor der Schrift „Vom unfreien Willen“. Luther konzentriert sich dabei auf die Erörterung seiner schon früher aufgestellten These, dass auch alle guten Werke Sünde sind. Auch Latomus hatte diesem Thema fast die Hälfte seiner Schrift gewidmet. Ausgehend von Jes. 64,5 und Pred. 7,20 macht er deutlich, dass kein Mensch vor Gott gerecht sein kann, keiner vor Gott wirklich Gutes wirken kann. Luther entwickelte dabei auch seine Auslegungsprinzipien. Für Luther sind Sünder „Leute der Barmherzigkeit“, die sich allein auf Christus verlassen sollen. Der Angelpunkt der Auseinandersetzung, das wird deutlich, ist das Sündenverständnis., nämlich dass Sünde alles das ist, was gegen Gottes Gesetz ist, und Christus sie vollständig getragen hat. Auch nach der Taufe verbleibt noch Sünde als wesenhaftes Stück, wie Paulus (und in seinem Gefolge auch Augustinus) betont hat, während Rom nur noch Schwachheit sehen will. Um Christi willen wird aber diese noch vorhandene Sünde dem Christen nicht angerechnet; sie ist zwar vorhanden, aber nicht mehr herrschend. Daher kann es auch keine guten Werke ohne Sünde geben. Der Höhepunkt der Schrift ist die Auslegung von Römer 7 und die klare Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. Gnade, so betont Luther, ist dabei Gunst, freundliche Zuwendung Gottes zum Sünder um Christi willen. Jegliche menschliche Mitarbeit in der Rechtfertigung wird ausgeschlossen.[2]

 

JESUS.

    Dem rechtschaffenen Herrn Justus Jonas, des geistlichen Stifts zu Wittenberg Propst, seinem Oberen (Lehrmeister) im HERRN, entbietet M. Luther im HERRN seinen Gruß!

    Da ich auch, mein allerliebster Jonas, bei eurem angetretenen obrigkeitlichen Amt (Rektorat) gerne sein und Glück wünschen wollen, aber nicht kann, habe ich diesen meinen Latomus an euch schicken wollen; nicht den, der weiter auf die Wissenschaft in Sprachen geifere, denn derselbe Jesbibenob[3] ist durch unseres Abisai Kraft gefallen, darum fürchtet euch nichts; aber auch nicht den, welcher durch eine boshafte Schminke und unselige Wortränke der Löwenschen Mordbrenner Schuld als ein langsamer Verteidiger rechtfertige, den ich glaube, dass ihr gesehen, solchen Menschen nämlich, der sich des Herrn Papsts und seiner Bulle rühmt: Sondern denjenigen schicke ich, den Luther mit Weihwasser besprengt und gereinigt, dass er nicht mehr so von unruhigen Poltergeistern geplagt werde, noch andere gute Herzen auf gleiche Weise plage. Wenn sie diesen Grund in Zeiten angeben und vor der Tat, wie sich’s geziemt, mit denselben weisen Leuten zu Rate gegangen wären, hätten sie meine Schriften weder verdammt noch verbrannt, würden auch nun nicht erst, wie Narren, nachdem die Tat geschehen, Rat suchen: Das, hoffe ich, wollte ich ausgerichtet haben. Es lehrt mich Latomus gar sattsam in diesem Buch, wie leicht es sie ankommen, in Abwesenheit Luthers in ihren Winkeln zu schwatzen: Das ist ketzerisch! Das ist irrig! Welches sie öffentlich anzugreifen sich ganz ohnmächtig befunden haben würden.

    Endlich glaube ist fest, dass diese treffliche Rechenschaft gar nicht würde an den Tag gekommen sein, wenn ihr nicht die Bulle Mut gemacht hätte, dadurch Latomus rühmt, dass sein Tun gebilligt worden; er träumt noch von dem alten, aber auch veralteten, Schrecken der vormaligen Bullen, daher er dachte, die ganze Welt würde vor seiner Schrift erbeben, dass er nun des Luthers mit der allerheiligsten Schrift Gottes spotten dürfte. Ich aber wollte nicht viel nehmen, dass eine solche Bulle nicht ein solch Tun gebilligt oder mich nicht verdammt hätte. Es stimmt alles fein zusammen, Bulle, Sache, Richter, Verteidiger: Vor deren Gemeinschaft und ansteckenden Seuche mich der HERR Jesus und alle frommen Seelen bewahren wolle! Amen.

    Ich solltet aber kaum denken, wie ungern ich von der friedfertigen Schrift Christi, der ich mich in diesem Patmos ganz ergeben hatte, abgerissen worden, die Zeit mit des stacheligen und dornigen Schullehrers Lumpereien zu verderben, da ich gesehen, dass der Mensch vom Fuß bis auf den Scheitel ganz sophistisch, dazu von der Bullenblase aufgeschwollen, so trotzig geschrieben, dass er geglaubt, er dürfe weder Vernunft noch Fleiß gebrauchen, sondern nur ins Gelag hinein schwatzen, was er entweder gelesen oder ihm eingefallen. Worauf ich höchst ungern antworte, weil man darin weder seinen Witz gebrauchen, noch die Gelehrsamkeit fördern kann und doch die guten Stunden verderben muss. Ich meine, der Mensch habe geglaubt, Luther sei ganz auf die Seite gebracht oder zu ewigem Stillschweigen verdammt, dass sie wieder die Welt mit sophistischer Tyrannei beherrschen könnten, deren ziemlichen Sturz sie guten Teils mir zuschreiben. Und wollte Gott, dass sie völlig gestürzt wäre, dass ich diese zumal unvergebliche Schuld (wenn den heiligen Bullenpäpsten zu glauben) völlig auf mir haben könnte.

    Ich sorge aber, dass, indem wir über die Gnade und guten Werke streiten, wir nicht um Gnade und gute Werke kommen. Wenigstens bitte ich, der ich diese schrecklichen Zeiten des Zornes ansehe, um nichts anderes, als dass meinem Haupt Tränenquellen gegeben werden, zu beweinen diese letzte Verheerung der Seelen, die das Reich der Sünden und des Verderbens wirkt. Es sitzt das römische Ungeheuer mitten in der Kirche und gibt sich für Gott aus; die Bischöfe heucheln, die Sophisten reden zu Gefallen, und die falschen Christen (oder Fuchsschwänzer) tun alles für dasselbe. Indes tut die Hölle ihre Seele weit auf und sperrt den Rachen auf ohne alle Maßen, und der Satan treibt mit dem Verderben der Seelen sein Spiel. Und ist niemand unter uns, der ernstlich und mit Tränen stehe am Tag dieses Grimms und sich zur Mauer stelle für Israel. Darum bin ich voll Unwillens und Zorns gegen solche gottlose Latomos, die in solchen ernstlichen Dingen ihren Spott haben und uns zwingen, bessere Sachen liegen zu lassen und mit solchem ihrem tollen, ja allertollsten Zeug zu schaffen zu haben, und wünsche ihnen auf ihre harten Stirnen, was dort steht: Alle meine Feinde müssen sich schämen und sehr erschrecken; sie müssen sich wenden und zuschanden werden plötzlich. [Ps. 6.]

    Dass ich euch aber nicht mit einem längeren Schreiben aufhalte, so will ich auf die Punkte der Latomischen Vorrede in einer anderen Vorrede antworten. Ihr aber erkennt indes hieraus, dass ich euch meinen geneigten Willen [habe] bezeugen wollen, und betet für mich, dass ich auch von den bösen (denn so keck rede ich auch mit dem Apostel) und ungläubigen Menschen errettet werde, die in solchem Babel sind, und dass mir die Tür aufgetan werde zu Lob der herrlichen Gnade des Evangeliums seines Sohnes.

    Ich aber bete zum HERRN, dass er euch seinen Geist gebe, damit ihr die allerschändlichsten Dekretalien (oder geistlichen Rechte) des Antichrists, darüber ihr zu lesen bestellt seid, aus keiner anderen Absicht lehrt, als wie ich euch gesagt habe: dass ihr nämlich ein Aaron und mit heiligen Kleidern angetan, das ist, mit göttlicher Schrift verwahrt, ergreift das Rauchfass des Gebets und diesem Verheerer entgegen geht mitten unter dem römischen Brand, davon die Welt jetzt raucht, und welcher bald mit der anderen Feuersbrunst vom Himmel durch die Zukunft unseres Heilandes, des wir warten, ausgelöscht werden wird. So sollt ihr, mein Bruder, tun, dass ihr lehrt, wie man das verlernen müsse, worüber ihr lest, und dass man wisse, wie man das als tödlich fliehen müsse, was der Papst und die Papisten setzen und glauben. Denn da wir solch großes Übel der Welt mit Gewalt nicht dämpfen können, und solche gottlosen babylonischen Ämter verwalten müssen, so ist übrig, sie so zu verwalten, dass wir sie ganz anders, nämlich als des Vaterlandes in Jerusalem feindliche Verheerer und der unersättlichen Grausamkeit der Feinde Vorsteher ansehen, dass wir nicht mit denen, die verloren gehen, in welchen das Evangelium der Herrlichkeit Gottes verdeckt ist, unser Gefängnis auch sehen und greifen (d.i. erfahren).

    Und haltet euer Werk nicht für etwas Geringes, wenn ihr das heilsame und seligmachende Evangelium CHRISTI nach des Papstes giftigem Dreck (sonst Dekreten) und allertollsten Tollheit einrichtet; nämlich solchergestalt, dass die Jugend ein Gegengift gegen dieses Gift bekomme, dessen bloßer Geruch auch den Menschen tötet, bis sie für sich lerne, Böses verwerfen und Gutes erwählen. Dieser Emanuel sei euch befohlen! Seid also männlich und stärk, dass ihr diesen Baalpeor nicht fürchtet, weil er kaum ein Beelzebub oder Mücken- (Fliegen-)Mann ist, wenn wir anders glauben, dass Jesus Christus hochgelobter HERR in Ewigkeit ist! Amen.  Der wolle euch und seine Kirche bei euch vollenden und kräftigen. In demselben gehabt euch wohl!

    Gegeben im Ort meiner Wallfahrt, den 8. Juni 1521.

 

Auf des Latomus Vorrede

    1. Zuerst beschuldigt mich Latomus: Ich hätte gleich vom Anfang den Worten nach das Meinige dem Papst unterworfen.

    Das dichtet er nach seiner sophistischen Trügerei und Keckheit. Ich aber bedaure, dass ich mich im Ernst ihm unterworfen, denn ich habe damals wirklich vom Papst, Konzilen und Universitäten so gehalten, wie sie noch jetzt insgemein heißen. Denn ob mir wohl vieles an ihnen ungereimt und ganz anders schien als Christus wollte, so habe ich doch meine Gedanken über zehn Jahre, nach dem Wort Salomos: Verlass dich nicht auf deinen Verstand, im Zaum gehalten und mir vorgestellt, es gäbe doch noch immer auf Universitäten Theologen, welche, wenn das gottlose Dinge wäre, nicht dazu schweigen würden; dachte auch, dass nirgends weniger so grobe Stöcke (Blöcke) und Esel, und nun auch so böse gefunden werden könnten wie in Löwen.

    Es ist mir aber unter dem Handel sowohl die Erkenntnis der Sachen wie der Mut gewachsen, da sie ihre Unwissenheit und Bosheit, indem sie auf dies Zeichen des Widerspruchs gestoßen, trefflich verraten haben. Und wenn sie die nicht mit so schrecklichen Haufen offenbart, sondern noch bei sich behalten hätten, so hätten sie mich Narren immer bis ans Ende betört. Ich danke aber meinem HERRN Jesus Christus, der mich um dieser Versuchung willen mit dem hundertfältigen Gut dieser Wissenschaft noch in der Zeit beehrt hat, dass ich nun gewiss weiß, der Papst sei das letzte in aller Schrift verkündigte Ungeheuer, der Antichrist; die Universitäten aber Synagogen oder Schulen aller Schulen des Satans, darin falsche Theologen, nämlich solche epikurischen Säure, ihr Regiment haben.

    2. Er sagt: Ich wäre weit entfernt von der evangelischen Bescheidenheit, die ich lehre, besonders in der Schrift, da ich eben den Sophisten zu Löwen geantwortet habe, nachdem sie meine Dinge so meisterhaft verdammt haben.

    Ich habe aber nie danach getrachtet, dass mich jemand für bescheiden oder heilig halten, sondern dass alle das Evangelium erkennen könnten, da ich hingegen frei gelassen, auf mein Leben loszuziehen, wie ein jeder wollte. Des aber rühmt sich mein Gewissen, dass ich niemanden an seinem ehrlichen Namen oder Leben angegriffen: Nur habe ich Lehren, Studieren und Köpfe, die gegen Gott sind und ihn schänden, etwas hart angergriffen. Darin nun entschuldige ich mich, bin auch nicht ohne Beispiel: Denn Johannes der Täufer und nach ihm Christus heißen die Pharisäer Otterngezücht, durch die allergreulichste und schändlichste Lästerung, gegen so gelehrte, heilige, mächtige und geehrte Leute, dass sie ihm auch wieder an den Hals warfen: Er habe den Teufel. Wenn hier Latomus Richter gewesen wäre, lieb er, was für ein Urteil hätten sie dann zu erwarten gehabt? An anderer Stelle heißt Christus sie Blinde, Lügner, Boshafte, Kinder des Teufels. Paulus aber (lieber Gott!), wie ist er vollends so gar fremd von evangelischer Bescheidenheit, da er der Galater Meister (die meines Erachtens keine kleinen Leute waren) zu einem Fluch und Bann macht: Andere Hunde, unnütze Wäscher, Lügenprediger, Betrüger und Elymas den Zauberer gar ein Kind des Teufels voller List und Schalkheit nennt und so ins Angesicht schilt.

    Und ich halte nicht, dass die Sophisten berechtigt sind, mein Herz (oder Gemüt) zu richten, da sie nicht sehen, dass mein Werk etwas anderes ist als der Apostel, Christi und der Propheten ihres. Aber evangelische Bescheidenheit ist, wie es die Latomi zu unserer Zeit auslegen, die, wenn man zu gottlosen und verruchten Päpsten und Sophisten mit geborenen Knien sagt: Gnädiger Herr, Eure Gnaden tun wohl! Vortrefflicher Magister noster, Eure Exzellenz redet wohl! Wo man sie aber das, was sie wirklich sind, heißt, nämlich ungelehrt, dumm, gottlos, und die Gottes Wort entheiligen und mit unschätzbarem Schaden der Gottseligkeit und Seelen dasselbe schänden, so ist das ganze Evangelium (auf unbescheidene Art) übertreten.

    Wenn man aber solchen schmeichelt, ob man schon alle Menschen umbrächte und die Welt verkehrte, so wäre man doch nicht unbescheiden. Denn wann würde wohl Latomus den Papst, der doch mit so viel Kriegen und bösen Streichen tobt, der Unbescheidenheit beschuldigen? So gar beruht die evangelische Bescheidenheit oder Grobheit aller auf den Papstgötzen und den ehrwürdigen Sophisten allein! Endlich beschuldigt die blutgierige Bulle (deren Grausamkeit alle Frommen verfluchten, wenn sie gleich mit Recht verdammte) der bescheidene und aller Bescheidenheit Förderer und Ausstreicher Latomus im geringsten nicht, sondern vielmehr lobt, preist und erhebt er sie, ist darauf trotzig und rühmt sich von ihr. Das sin die Männer des Bluts (Blutgierigen) und Falschen, die die Bescheidenheit in Worten und im Gesicht vorwenden und indes lauter Mord, Drohungen und Blut von sich schnauben. Niemand soll mich bereden, dass das ein redlicher und bescheidener Mensch sei, dem solche Bulle gefallen kann!

    Ich will lieber offenherzig (redlich heraus) sein und niemanden mit Schmeicheleien betrügen. Das kann ich wohl versichern. Meine Rinde (oder äußere Schale) kann etwas hart sein: Aber mein Kern (oder Inwendiges) ist weich und süß. Denn ich gönne niemandem Böses, sondern wollte gerne jedermann samt mir aufs beste raten; wie auch meine Härtigkeit niemandem schadet, so betrügt sie auch niemanden: Der mich meidet (oder mein müßig geht), der wird darum nichts von mir leiden; wer mich duldet, wird davon Gewinn haben. Salomo spricht Spr. 28: Wer einen Menschen straft, wird hernach beliebt sein, mehr als der, der mit der Zunge schmeichelt.

    Hernach führt er, meine Schuld zu vergrößern, einen Alten an, der davon handelt im Gespräch, wie ein römischer Bischof gestraft werden solle, der ihm weiße dünke. Denn die eigentliche Meinung ist: Man solle weder ganz schweigen noch reden; das Maß aber davon sei über seinem Verstand.

    Und das ist kein Wunder. Denn er hat der lieben Bulle hierunter dankbar sein müssen, um deren willen man auch das nicht wissen und über seinen Verstand halten muss, was Kinder wissen: Wiederum auch wissen, was sonst wohl die Engel nicht wissen. Denn Latomus, der Meister der Theologie, hat unter der Bedingung, göttliche Dinge zu wissen, sich erklärt, wie er sie denn auch als grundgelehrt darin in dieser Schrift verteidigt, dass er auch die menschlichen und durch täglichen Gebrauch ganz gemeinen Dinge elendig nicht wisse noch verstehe, wie den armen Seelen in ihrer Gefahr zu helfen sei. Dagegen er doch weiß, was die Seelen im Fegfeuer machen, die alsdann kein Gefühl haben, und von deren Zustand auch die Schrift nichts sagt, da doch des Papsts und ihr Zeug alles in der Schrift stehen soll.

    Aber lass die Sophisten bei ihrer Art bleiben, denn es steht ihnen doch nichts so an wie Heucheln, Lügen und Fuchsschwänzerei. Lasst uns aber den Alten hören, der ihm weise geschienen. Es lehrt derselbe dreieierlei Arten: Die erste, dass Fürsten und Gemeinden nicht mehr ungerechte Dinge begehren, sondern, wenn man sie ihnen auch selbst anböte, sie von sich weisen sollen; hernach auch selbst erst an uns abstellen, was man am Papst tadele, indem es etwas Freches wäre, das am Fürsten nicht leiden wollen, was man an sich selber habe. Die andere Art ist das Gebet; 3) die dritte die Vertragung. So urteilt dieser weise Mann.

    Die erste Art ist also wünschende, nämlich ein Gedanke, den wir fassen; z.B. wenn der Esel flöge, so hätte der Esel Federn. So lasst uns denken: Wenn niemand unrechte Dinge begehrte, so würde der Papst besser. Warum aber sollte man nicht auch so denken: Wenn sich der Papst besserte, so würde niemand unrechte Dinge begehren. Wie aber wird es denn in dem gehen, wenn man nichts von dem Papst begehrt, sondern er, wie er gar oft tut, aus eigener Tollheit und Grimm tobt? Und, welches das vornehmste, nichts nach dem Evangelium fragte und nicht das geringste Stück des bischöflichen Amtes täte, wie es 1. Tim. 3 beschrieben ist? Ist es genug, hier zu denken: Wenn niemand unrechte Dinge forderte? Denken wir aber jetzt nicht in der ganzen Welt so, nicht allein wie jener (alte Weise) vorschreibt, sondern wie ich’s auch noch verbessert habe? Denn wer wünscht dergleichen nicht? Was wird aber daraus? Was kann man mehr? Denn wer (außer der Kraft Gottes, die er nach seiner anderen Art im Gebet zu suchen lehrt) kann Fürsten und Gemeinden halten? Nämlich dem Papst nichts Unbilliges zuzumuten? Er rät auch dieses nicht (nämlich des Latomus Weiser), dass man es versuchen solle: Nämlich so ist es der Fürsten und Völker Schuld, dass der Papst böse sei. Aber lasst uns vielmehr denken: Wenn der Teufel ihn nicht ritte, so würde er fromm; dass wir also auf den Teufel schieben, dass der Papst böse ist. Diesen Rat könntest du brauchen, und zu Zeiten so denken: Wollte Gott! Dass ich hier und dort selig wäre! Denn das wäre eine gute Art, in den Himmel zu kommen.

    Darum tut in diesem ersten Rat des alten Weisen die Welt schon fast zu viel. Denn für wen betet man jetzt aller Orten mehr als für den Papst? Desgleichen, wessen Tyrannei verträgt man geduldiger als die des Papstes? Wo bleibt dann also eines so weisen Rat? Wie einen schönen Götzen macht uns solcher Weise aus dem Papst, dass sich die Schafe anfangen, selber zu weiden und das Volk selbst seinen Weg zu richten und dem Hirten die weide und dem Anführer die Bahn zu bereiten? Aber seht auch, wie fein er mit Latomus, seinem Dichter, stimmt. Latomus meint, man solle nicht ganz schweigen; sein Weiser aber will, man solle ganz schweigen. Welcher unter beiden redet nun wahr, der Dichter oder das Gedicht? Denn entweder lügt Latomus, dass ihm derselbe klug scheine, oder er lügt darin, dass ihm dünke, es sei nicht ganz zu schweigen. Aber auch der Weise bleibt nicht auf einer Rede, denn einmal rät er zu schweigen, und doch macht er aus dem Papst einen liederlichen Vettel, da er sagt: Er gebe ungerechte Dinge und die man verschmähen müsse, wenn er sie auch selber antrüge.

    Wie schön hat Hilarius gesagt: Es würde schwer sein, die Sache der Wahrheit gegen die Gottlosen zu verteidigen, wenn die Klugheit so viel einredete und raten wollte, wie sich die Gottlosigkeit heraus nähme!

    Aber lasst uns die Geheimnisse dieser heiligen Schmeichelei weiter beleuchten. Er spricht:

    Man muss des Fürsten Laster dulden, so man selber an sich hat. Dass demnach alle schweigen (wie dieser Latomische Weise rät), müssen alle auch wider Willen einerlei Laster haben. Oder es wird doch denen die Bestrafung frei bleiben, die nicht dergleichen an sich haben. Warum heißt er aber auch die schweigen? Also gönne ich nun wohl seine eine geschickte und ratsame Dankbarkeit derselben alles billigenden Bulle: Da aber dieses künstliche Spiel eigentlich auf den Luther gerichtet ist, so möchte ich gerne wissen, was er mit dem Papst, wie Fürsten, für ein Laster gemeinsam habe. Habe ich an allen päpstlichen Greueln Teil? Ich frage aber: Da er das Evangelium predigen muss aller Kreatur, dazu er berufen ist: Ob der Papst eine Kreatur sei? Warum darf man ihm denn die Wahrheit nicht frei und trocken heraus sagen? Aber genug hiervon! Solche Schmeichelei hat einen würdigen Lohn für diese Torheit.

    Darum wollen wir solchen siebenmal tollen und törichten Weisen fahren lassen und uns unterweisen lassen, wie die freien Bekenner des Evangeliums unterwiesen werden sollen; und lasst uns so halten und tun:

    Je größer der Oberste ist, besonders ein Geistlicher, desto weniger soll man sie dulden; sondern ihre Laster am meisten bestrafen. Denn das Wort Gottes soll nicht um des Menschen willen gebunden sein, und es weiß kein Ansehen der Personen. So steht Psalm 119: Und redete von deinen Zeugnissen vor Königen und scheute mich nicht. Und wen straft er Ps. 2, wenn er spricht: Und nun, ihr Könige, bekommt Verstand, und lasst euch unterweisen (züchtigen), die ihr die Erde richtet! Wie haben zum Beispiel alle Propheten, die vom Pöbel ausgenommen wurden und Könige, Priester und Propheten am meisten haben strafen müssen. Welche straft Christus im Evangelium? Etwa den Pöbel? Und nicht vielmehr die Großen allein? Was ist das also für eine pestilenzialische Fuchsschwänzerei des Latomus, dass er uns solche Beispiele verdüstern will und daher leugnet, er wisse solche Dinge nicht, die Kinder wissen?

    Ja, aber Christus war GOTT (der konnte es eher tun). Antwort: Das ist wahr, er hat sich aber erniedrigt und Knechtsgestalt an sich genommen. Er strafte nicht als GOTT, und ist so allen Predigern ein Beispiel geworden, dass sie den Pöbel verschonen, aber die Fürsten nicht schonen sollen, weil des Pöbels Unglück auf der Fürsten Schuld beruht.

    Oder ist darum zu schweigen, weil es durch Gottes Zorn böse Regenten gibt, wie Latomus der Heuchler meint; welcher will, man soll über den Pöbel losziehen, aber die Fürsten schonen? Antwort: Fürwahr, er weiß die Dinge wohl zu schätzen, der die Laster nicht nach den Verdiensten, sondern nach den Personen misst, und der Fürsten Laster zu des Volkes Schuld macht! Denn er lehrt, dass man die Laster nicht als Laster, sondern, insofern sie an Großen und Kleinen sind, diese entweder dulden oder strafen müsse.

    Was wollen diese Feinde des Kreuzes, als dass das Ärgernis des Kreuzes aufhören solle? Denn sie wissen, dass es ohne Gefahr ist, den Pöbel zu strafen, die Fürsten aber nicht ohne augenscheinliche Gefahr angetastet werden können. Aber das sind Mietlinge, stumme Hunde, die nicht bellen können, Jes. 56, die den Wolf kommen sehen und fliehen, Joh. 10, oder sich lieber zum Wolf schlagen. Nicht so Christus, dessen Hörner in Hecken hängen bleiben; dessen Abfahrt die Berge berührt, dass sie rauschen; sein Reiser fängt das Haupt Behemot; er greift in die schreckliche Reihe seiner Zähne (oder Rachen) hinein, durchbohrt seinen Backen mit einem Armband (Fallstrick), Hiob 40, und tötet mit Simson Löwen. Kurz, die ganze Schrift bezeugt, dass die Stimme des HERRN die Zedern zerbricht, die Berge Israels, die Eichen Basans und die hohen Türme, und alles, was groß ist, schlägt, Psalm 29, wie auch ein Kind erkennen kann, welches doch über den Verstand eines Meisters in Israel gehen soll.

    Man ist freilich der Hoheit Ehrerbietung schuldig; das gestehe ich. Antwort: Aber dem Wort Gottes ohne Schaden; weil das Gott selber ist, dem man mehr gehorchen muss als Menschen, Apg. 5. Wenn aber einer Obrigkeit Laster zu dulden ist, so mag es eher der weltlichen als geistlichen ihres sein; nicht allein darum, weil die Kirchenobrigkeit (nämlich des Papsts) nicht so aus Gott ist wie die weltliche; denn Gott weiß gar nichts um das Päpstegesindel, wie es heutzutage herrscht, weil er nur Propheten und Diener des Wortes in der Kirche geordnet hat. Ja, sie sind auch von Menschen nicht geordnet, sondern sie haben sich selber aufgeworfen, Gott und Menschen zum Verdruss, wie die Riesen vor der Sintflut; sondern auch darum ist es nicht zu leiden, weil das Laster einer weltlichen Obrigkeit mit keiner solchen Gefahr der Seelen geschieht. Ein Bischof aber, wenn er das Wort nicht achtet, ob er schon heilig wäre, ist ein Wolf und Satansapostel. Der ist nichts von einem Wolf unterschieden, der für die Schafe nicht gegen den Wolf wacht.

    Da wir aber wissen, dass der Teufel nicht schläft, heucheln wir doch den schlafenden Bischöfen, ja, helfen ihnen noch, wenn sie dem Teufel in seinen Werken helfen, und verdammen und würgen dagegen die, welche sie erwecken und an ihre Pflicht erinnern! Was kann ärgere Tollheit sein als diese? Darum sei der dreimal verflucht, welcher des HERRN Werk betrügerisch tut und dem Papst, der mit dem Teufel unter einem Hütlein spielt und ihm als höllischen Wolf durch die Finger sieht, noch hofiert, und kein Erbarmen hat, ob schon so vieler Brüder Seelen, die mit Christi Blut erkauft sind, elend umkommen!

    Wenn Latomus nichts anderes geschrieben hätte, so hat er durch diesen höllischen Rat schon genug gezeigt, dass er von des Satans Geist voll ist. Wie darf man hoffen, dass solche Sophisten die Schrift aus recht gottseligem Herzen lesen, verstehen oder lehren? Wie sollen sie über die christliche Lehre urteilen? Ja, was kann man Gutes von ihnen erwarten, da ihnen dieser Rat weise dünkt, welcher aus lauter Worten des leidigen Teufels selber besteht? Welcher die Sache der Kirche, die Laster der Hirten, das Heil der Seelen so gering achtet, wie wenn es nur eine leichte Schuld weltlicher Tyrannei wäre, die über Leib oder Gut herfährt?

    Ich Armer führte recht sehr, dass ich über Papst und Bischöfe, als des Teufels Gesellen und Gehilfen, noch gar zu glimpflich und bescheiden gewesen, noch selbst genug die viel tausend Seelen bedacht, die derselbe Antichrist ohne Unterlass zugrunde richtet, mit seinen Bischöfen und Sophisten, so eine rechte Pest aller Ende der Welt sind.

    Aber man muss einen Aufruhr befürchten, und sie werden doch nichts besser; spricht Latomus.

    Antwort: Was für eine Judenstimme ist das! Denn sie fürchten auch, es könnte ein Aufruhr durch Christus werden, und sie besserten sich kein Haar, ja, wurden noch schlimmer. Sollte Christus darum haben schweigen müssen? Und wer hat dir gesagt, dass sie nichts besser würden? Ist das ein theologischer Satz: Sie werden nicht hören, darum will ich schweigen? Man fürchtet sich vor Aufruhr, der die Leiber verdirbt, und verteidigt doch den Aufruhr, der die Seelen verdirbt. So fürchtet jener kluge Mann, wo etwas zu fürchten ist, dass er den leiblichen Frieden der ewigen Seelen Seligkeit vorziehe. Wer könnte diesen leibeigenen Knecht (Sklaven) und durch die allerpestilenzischsten Ratgebungen verderbten Fuchsschwänzer nach Würden genug verabscheuen? O! Solche Leute sind es ja, die der Papst billigen muss; die sind es, auf deren Urteil Bücher verdammt und verbrannt werden müssen!

    Es ist niemals weniger Aufruhr zu befürchten, als wenn das Wort Gottes gelehrt wird. Den Gott, als ein Gott des Friedens, ist alsdann zugegen: Und wenn das die Papstgötzen nicht hören wollen und fortfahren, in ihrer Tyrannei verstockt zu bleiben, mit verbieten, verdammen, verbrennen, und alsdann ein Aufruhr oder Unglück über sie kommt, so muss man ihrer spotten und lachen mit der Weisheit Sprüche 1. Es ist dann die Schuld nicht des gelehrten Wortes, sondern der Gottlosigkeit, die nicht hört das Schelten und die Strafen der Weisheit, wie eben daselbst steht.

    Dass aber Latomus nicht vorwende: Er rede nicht vom Evangelium, sondern von der Bestrafung:

    So wissen wir, dass Christus selbst das Evangelium nicht habe lehren können, ohne zu strafen. Und die Weisheit klagt, dass ihre Zucht verachtet worden [ist]. Sei ist das Salz der Erde: Sie beißt, damit sie reinige; straft, damit sie heile; schilt, damit sie selig mache; tötet, damit sie lebendig mache. Wer anders lehrt, der predigt nicht das Evangelium, sondern plaudert seine Schmeichelei daher.

    Lasst uns nun auf einen anderen Punkt kommen, da er derer zu Löwen ihre Tollheit bei Ehren erhalten und mich nicht der Schuld der Ketzerei lossprechen will, unter Vorwand der Disputation: Weil von dem, was in den prophetischen und evangelischen Schriften stehe, nicht zu disputieren sei, wie Leos, des römischen Bischofs Worte lauten, die er reichlich anzieht. Hernach wäre meine Art zu disputieren nicht schulmäßig, sondern ketzerisch, weil ich dieselbe nicht die Wahrheit zu erforschen, sondern zu bestreiten angetreten hätte.

    Dass man denn wisse, dass Latomus hier nur seine Dinge ersinne: So sage ich noch einmal, dass ich vom Anfang her in Ernst disputiert habe, ehe ich wusste, dass unsere Meister solche groben ungeschickten Tölpel und Säue wären, denn hernach (wie sie selbst gestehen) habe ich gesagt, dass ich nicht disputiere, so gar, dass ich mich auch zum Feuer dargeboten. Ich bin nie von einer solchen Verstellung gewesen, dass ich erst von dem disputieren wollte, was ich zu bejahen beschlossen; wie dieser ehrliche Mann lügt. Aber gesetzt, ich hätte mich verstellt, dass ich disputieren wollte, wer hätte mir es denn wehren können? Etwa (der Papst) Leo? Wer hat aber dem Leo solche Macht, es zu verbieten, gegeben? Etwa Latomi Glaube und der Sophisten Träumerei? Wohlan! Hat Christus den Juden, die ihn schalkhaft versuchten, nie geantwortet? Sollte also Leos Wort mehr gelten als Christi Beispiel? Das ist der Sophisten ewige und unbändige Tollheit, dass sie immer Menschenwort treiben und Gottes Wort verstecken.

    Aber das ist noch artiger: Leo sucht nicht, dass man nicht antworte, sondern dass die Widersacher nur nicht streiten (disputieren).

    Latomus zieht das dahin, dass es nicht brauche, dem Widersacher zu antworten. Und das ist der hochweise Rat der Schule zu Löwen, nach welchem sie gegen Luther verfahren möchte. Wenn der Türke uns mit Krieg angreift, welches er doch nicht darf, und sich nicht wollte wehren lassen, so wollen wir die Theologen zu Löwen als Gesandte abschicken, die zu ihnen sagen: Du darfst nicht streiten, sonst wollen wir dich verdammen; alsdann wollen wir ihn lassen toben und uns rühmen, dass wir siegen. So ist weiter des Paulus Rat und Gebot nicht nötig, dass die Bischöfe über der heilsamen Lehre der Gottseligkeit halten und die Widersacher zu strafen du ihr Maul zu stopfen; sondern es ist genug, dass sie nicht disputieren sollen, so mögen sie unwissend und Götzen seien und sicher ruhen. So können wir auch zuletzt Gebet oder alle Waffen des Geistes hinwerfen und dem Teufel nicht widerstehen, sondern ihm nur sagen: Du darfst die Kirche nicht anfallen. Welches wir auch ziemlich tun. Das ist der Latomische Glaube, welcher der Väter Sprüche behandelt.

    Was ist aber das für eine Vermessenheit und Trotz von einem so bescheidenen Mann, dass er seine prophetischen und evangelischen Dinge so keck bejaht? Denn Leos Worte lauten von den prophetischen und evangelischen. Sind etwa die von Löwen Propheten und Evangelisten gewesen? Das hat Luther gar nicht gewusst, auch wohl sonst keiner, als Latomus, welch ein großes Wunder, verstanden. Ebenso eine Kühnheit ist es, dass er vorgibt, meine Disputation wäre gegen die Wahrheit: Da der untrügliche Richter und Evangelist durch Wahrheit allezeit derer von Löwen ihre Meinungen versteht; darüber der törichte Luther geglaubt, dass der Richter nicht aber eine Partei erkennen müsste.

    Es ist aber auch dies ein sophistischer Stolz und Mordbrennertrotz, dass er sagt: Man hätte meinen Irrtümern nicht nachsehen sollen, welche aber noch keiner je erwiesen oder jetzt erweist. Es war aber genug, dass die Meinung der Evangelisten und Propheten zu Löwen die Wahrheit war, die mit ihnen nicht stimmte.

    Die Summe dieses Vorhabens, das Latomus in dieser Vorrede beschreibt, ist offenbar diese gewesen: Wir sind Magistri nostri, wir Richter, wir können nicht irren, uns muss die Welt gehorchen. Wir sagen, was wir wollen, so ist das ein Glaubensartikel, etwas Evangelisches und Prophetisches. Habe ich das nicht in meiner Schrift gegen sie gänzlich vorhergesagt, was hier Latomus gesteht? Wenn ich ein Feind dieser Fakultät (oder hohen Lehrer Gesellschaft) wäre, könnte ich ihren Stolz, Einbildung, Kühnheit, Dummheit, Unwissenheit und Bosheit dieses Anschlags nicht heftiger durchziehen, als dieser Latomus in dieser prächtigen Vorrede tut; so gar sind alle Buchstaben voll moabitischen Stolzes und mehr als sophistischer Hochmut. Denn er redet von dieser Streitigkeit nicht anders, als wenn sie stets außer Streit gewesen wäre; dass du, Latome, uns solche stattlichen Esel beinahe zu Göttern machst. So viel Wind hat eine Bulle allein in eine einzige Blase hineintreiben können.

    Ich gebe zu und billige auch, dass man Ketzerbücher verbrennen möge; aber nicht solche, von welchen du noch nicht erwiesen, dass sie irrig sind, wie die Frechheit der neuen Propheten tobt. Denn ich habe auch päpstliche Bücher verbrannt, dass unsere Magistri sehen, dass weder Kunst noch Witz dazu gehört, Bücher zu verbrennen, welches auch unsere Küchenjungen und Aufwärter in Gast- und Wirtshäusern können. Das Feuer (sprechen sie,) löst die Gründe nicht auf. Die in der Apostelgeschichte haben die Bücher nicht eher verbrannt, als bis sie die Wahrheit erforscht und gewusst, dass sie vorwitzig waren. Unsere Magistri haben das Leichte hiervon behalten, was aber schwer ist und Mühe kostet, haben sie den Herzen der Gläubigen überlassen, weil es dabei bleibt: Die von Löwen irren nicht.

    Endlich verdrießt mich, dass Maximilianus, zu der Zeit, da die Sophisten der Juden Bücher anfochten, nicht ihren Anschlag auf ihren eigenen Kopf gewandt und alle sophistischen Raupen, Heuschrecken, Käfer, Frösche, Läuse und Geschmeiß weggeräumt, dass sie auf die einige und lautere Schrift gewiesen worden wären. Denn das wäre ein allerheilsamst und viel nötiger Werk gewesen, als was man von den Büchern der Juden damals vorbrachte, mit so tollen und närrischen Artikeln, zu der Sachen Nachteil, dass ich mich damals recht des christlichen Namens geschämt, dass unsere Propheten und Ältesten über dergleichen Lappalien so ein Spiel anheben könnten. Wir verdienten aber damals ebenso wenig Dank, wie wir hoffen, dass uns jetzt bald gegeben werden wird. Unterdessen gefällt mir sehr wohl, dass der Papst das Urteil von fünf Universitäten in der Sache für gut gefunden. Denn was konnte der hohe und berühmte Stuhl, so immer Christus zum höchsten widerstrebt, tun, das ihm besser anstünde?

    Was das bedeute, so er in dem von ihnen verdammtem Satz sagt: Die Heiligen haben nicht ohne Sünde gelebt, da sie nicht das vorhergehende (antecedens) der Vorsatz verdammt, sondern die Folge eines üblen Schlusses; und dass ihn wundere, dass wir der Welt Urteil nicht gescheut und sie wegen solches verdammten Satzes angegriffen, verstehe ich nicht.

    Vielleicht hat er haben wollen, die Welt sollte vorher ihre heimliche Schlusskunst erraten, die er auch im Buch selbst gebraucht, wie wir bald sehen werden; vielleicht wird er daselbst auch diese Dinge erklären. Im Übrigen spotte ich seines Frohlockens und Siegesgeschreis, da er rühmt: Er habe Väter angezogen, die mir zuwider wären, nicht selten, sondern oft; nicht beiläufig oder leichthin, sondern mit gutem Bedacht usw. Er wollte denn (spricht er) sagen, dass sie sich selbst widersprächen. Denn das hofft er nicht, dass wir dergleichen sagen sollten, in der gewissen Versicherung, dass wir keine Propheten seien: Darum frohlockt und hüpft er als der siegende Teil. Wehe aber denen, die danieder liegen.

    Wir habe aber indes, da sie die Väter gelesen, die sie erst nicht geachtet, nicht still gesessen und befunden, dass sie gar oft Menschen gewesen, geirrt, sich widersprochen und geschlummert, so dass auch diese Rede Latomi auf dem Sand ruht und bald einfallen wird, sobald ich sein Buch angreifen werde.

    Endlich gibt der artige Zutrinker einen Vorgeschmack meiner Schrift zu kosten und spricht: Etliche meiner Artikel wären gegen die Grundsätze des Glaubens.

     Lasst uns denn auch nach ihm und nach solchem so schönen Vorgeschmack herum trinken: Ihr sollt da sehen, was zu Löwen Grundsätze des Glaubens sind. Der erste ist: Gott hat unmögliche Dinge geboten. Diesen Artikel handelt der rechtschaffene und richtige Mann so, dass er mich kein Wort dazwischenreden lässt, auch nicht das Wörtlein, uns, oder ohne die Gnade Gottes, verschweigt, davon er doch gesteht, dass es in meinen Schriften mit hinzugesetzt gewesen. Wir fragen aber: Was denn das für ein harter und ungnädiger Grundsatz des Glaubens sei, der da leugne, dass uns, das ist, ohne Gnade Gottes, die Gebote unmöglich seien? Hat denn denselben etwa Christus oder Paulus oder Mose gestellt? Ach nein! sondern irgendein menschliches Dekret auf dem Hieronymus, welches so lautet: Wer da sagt, dass Gott unmögliche Dinge geboten, der sei verflucht.

    Dies zweifelhafte und dunkle Menschenwort wird von den Sophisten so getrieben, dass sie alle Sinnen zuhalten und nur schreien: Verflucht, verflucht, verflucht! Dass man sie gleich an der Stimme als rasende Leute erkennt. Diesem Menschenwort muss man weichen und schweigen. Die so klare, helle und häufige Schrift mag dagegen streiten, wie sie will, so lässt dasselbe zarte Menschendekret nicht eine Silbe einer Erläuterungsglosse zu, sondern muss ganz hart und roh, wie sie klingt, in alle Ohren gebläut, verkündigt und in alle Herzen getrieben werden, mit größter Gefahr des Glaubens und der Erkenntnis der Gnade Gottes, aus keiner anderen Ursache, als weil es von Menschen geordnet ist, und unsere Magistri danach zu richten pflegen, als nach einer untrüglichen Regel, denn der freie Wille hat von diesen Dekreten sehr große Kraft empfangen.

    Ja, es ist dieser Glaubenssatz so stolz und ehrsüchtig wie ein Romulus, und will seinen Gesellen und Bruder Remus nicht zugleich mit sich herrschen lassen. Denn es ist noch ein gar gottseliges Dekret neben diesem Ärgernis gesetzt, das so lautet: Wer da sagt, dass wir ohne die Gnade Gottes die Gebote erfüllen können, der ist verflucht.

    Dies letzte arme Dekret hat niemanden, der es ausstreiche, erhebe, einschärfe, in das Herz treibe, sondern muss seinem Bruder, wie ich gesagt habe, die Herrschaft lassen. Dies ist kein Grundsatz des Glaubens; nach diesem richten und verdammen unsere Magistri nicht. Warum das? Weil es allzu göttlich ist und fast alle Schriften der Meister gegen dasselbe sind.

    Überdies siehe unserer Meister vortreffliche Billigkeit. Da es noch nicht genug war, dass solch armes Dekret unter der Bank läge, haben sie es noch mit einer feisten Glosse vollends gar unterdrückt und kraftlos gemacht, indem sie sagten: Die Gebote Gottes werden auf doppelte Art erfüllt, einmal nach dem Wesen der Tat, danach nach der Meinung und Absicht des Gebietenden.

    Da sie diese Ausflucht erfunden, ei wie haben sie der Wahrheit spotten können. Denn da haben sie gelehrt, dass es die Gnade Gottes gar nicht brauche, Gottes Gebote zu erfüllen, sondern die Absicht Gottes, die über die Gebote erfordert wäre, zu erfüllen. Den Gott, als ein unbilliger Forderer, ist nicht vergnügt, dass die Gebote erfüllt werden, sondern will auch, dass sie in der Gnade erfüllt werden, dass die Gnade nicht Gnade, sondern eine strenge Forderung sei. Denn der freie Wille hat dem Gesetz Genüge getan, Gott aber ist damit nicht zufrieden; welches die allergottloseste und verruchteste Meinung ist. So geht es aber (wie ich gesagt habe) dem armen Dekret.

    Wenn man aber den ersten Satz so mildern will, dass das Unmögliche schlechthin genommen werde, entweder in der Gnade oder außer der Gnade, so wehren sie hier mit Händen, Feuer und Schwert und lassen nichts anrühren, sondern, wenn man es nicht gesteht, wie es klingt, so schreien sie aus: Ketzer! Ketzer! Ketzer! Weil er der Väter Dekrete leugnet, der heiligen Kirche nicht glaubt, noch [sich] an die Grundsätze des Glaubens hält. Lieber! Was ist hier anderes zu tun, als dass man solch Otterngezücht zum unauslöschlichen Höllenfeuer reif werden und gehen lasse? Kann man zweifeln, dass solcher Sophistenhaufen Satans Schule sei? Nun siehe! wie mir solche Latomische Wasserblase solches Dekret getrost vorhält, und wie magistralisch (meisterhaft) und nostralisch [von uns] er das andere verschweigt, nämlich weil er der Welt Ohren verspotten wollen, nur dass die von Löwen nicht gottlos gehandelt haben sollen.

    Wie hoch haben sie aber ferner diese ihre gottlose und schändliche Glosse ausgestrichen? Sie lehren, dass durch die Werke nach dem Wesen der Tat so viel erlangt werden könne, wenn man sie aus allen natürlichen Kräften tue, dass ihnen Gott notwendigerweise und unfehlbar die Gnade verleihe. Das ist nun, das tun, so viel man kann: Da doch Paulus und nach ihm Augustinus mit solchen Donnerstimmen daher schallen, dass der Mensch ohne Gnade durchs Gesetz nur schlimmer werde, weil das Gesetz Zorn wirke, und einkommen, dass die Sünde überhand nehmen möchte. So dass sie mit dieser verruchten Meinung das ganze Neue Testament zunichte gemacht und uns leider! unselige Christen, die bloß den Namen führen, dahin gebracht haben, dass Christus weiter zu nichts diene, als dass er nur ein Lehrer sei.

    Denn was ist es nötig, groß zu erzählen, was sie von dem ungestaltenen Glauben, von dem erworbenen (oder angeschaften), desgleichen dem gemeinen und besonderen Glauben, desgleichen von den Grundsätzen des Glaubens hier schwatzen. Es ist endlich daher gekommen, dass, ob es schon unmöglich [ist,] die Gebote Gottes ohne Gnade zu erfüllen, nach der Meinung des Gebietenden, es dennoch bei euch stehe und ganz leicht sei, die Gnade Gottes durch Werke nach dem Wesen der Tat zu erlangen. Dass also der freie Wille nicht allein herrsche in den Werken des Wesens, sondern auch in der Absicht selbst des Gebietenden, das ist, in der Gnade Gottes selbst. Es steht nämlich so in seiner Gewalt, dass die Gnade komme oder nicht komme.

    Daher kommt das sittliche Gute, das neutrale (ohne keinseitige) Gute. Und was soll ich sagen? So viele Grundsätze des Glaubens haben sie, als Sprüche der Väter, als Dekrete der Konzilien, als Papstgesetze, als unserer Magister Meinungen, dass man sieht, wie die Welt durch eine ganze Flut solcher bloßer Grundsätze des Glaubens zugrunde gegangen. Und was werden erst die Folgerungen und Schlüssel derselben sein? Und wenn vollends die siebenmal verruchtere Theologie der neueren, welches kein Mensch leugnen kann, dazu kommt: So darf doch das unverschämte und unreine Maul derer von Löwen den Rüssel hervor recken und in die Welt blöken: Die Alten hätten eben das gelehrt, was diese neueren. So darf er doch fortfahren, beider Sprüche und Meinungen zu vereinigen, dass er Christus mit Belial verknüpfe und Licht mit Finsternis vermenge.

    Man sehe aber nur, was für Sprüche der Schrift vor solchem Ärgernis haben müssen den Platz räumen. Paulus spricht Röm. 8: Was dem Gesetz unmöglich war, indem es durchs Fleisch geschwächt war, das tat Gott und sandte seinen Sohn in der Gestalt des Fleisches der Sünden, und verdammte die Sünde wegen Sünde, dass die Rechtfertigung des Gesetzes in uns erfüllt würde.

    Hier sieht man, wie er mit offenem Mund sagt: Es sei dem Gesetz unmöglich gewesen, die Rechtfertigung des Gesetzes in uns zu bewirken oder zu erfüllen; man wolle denn auch hier die Rechtfertigung des Gesetzes zur Absicht des Gebietenden machen. Ist es nun dem Gesetz unmöglich gewesen, so zur Hilfe gegeben worden: Wieviel mehr ist es ohne Hilfe des Gesetzes unmöglich, ja so gar unmöglich, dass auch des Gesetzes Hilfe mehr schadet? Denn er sagt: In solchem Unmöglichen sei das Gesetz schwach, das ist nicht erfüllt worden, wegen des sündlichen Fleisches; oder sie müssen hier sagen, dass es nicht erfüllt sei, nach der Absicht des Gesetzgebers. Aber da wäre die Schuld nicht des Fleisches, dadurch er sagt, dass es nicht erfüllt worden, sondern Gottes mit seinem Absehen, der nicht genug dran hätte, dass es erfüllt worden, sondern die Gnade erfordere. Und so würde das Gesetz durch das Fleisch ganz wohl gekräftigt, durch die Absicht des Gebietenden aber entkräftet. O gotteslästerliche und rasende Worte! Aber diese göttliche Stimme, wie gesagt, hat müssen unter dem Rost und Motten still liegen, dass nur das Dekret, der Grundsatz des Glaubens herrschen könnte.

    So Apg. 13: Durch diesen wird euch Vergebung der Sünden verkündigt von allem, dadurch ihr im Gesetz Moses nicht konntet gerecht werden; in diesem wird ein jeder, der da glaubt, gerecht. Es hat der Apostel keine so große Kenntnis der griechischen Sprache gehabt, dass er gesprochen hätte: Durch welches es schwer hielt, gerecht zu werden; so musste er gar sagen, dass es unmöglich gewesen.

    Desgleichen Apg. 15 spricht Petrus: Das ist die Last (Joch), so weder wir noch eure Väter haben ertragen können. Was sagst du hier, Petrus? Nicht haben ertragen können? Haben sie es nicht getragen nach dem Wesen der Tat (oder des Werks)? Sind sie nicht beschnitten worden, haben geopfert und das alles gehalten? Ich sehe wohl, du weißt nichts von Grundsachen des Glaubens und schwärmst auf viele Art gegen die Theologie von Löwen.

    Aber wird hier Latomus sagen: Petrus redet von der Beschneidung, wie aus des Kapitels Anfang erhellt. Antwort: Aber haben sie die Beschneidung nicht tragen können? Ja, er redet vom Gesetz Moses. Denn so steht vorher geschrieben: Es sind einige aufgestanden von der Sekte der Pharisäer, die gläubig geworden waren, und haben gesagt: Man muss sie beschneiden und sie vor allem das Gesetz Moses halten lassen. Siehe, das Joch, welches Petrus unmöglich (oder unerträglich) nennt. Was aber beschließt er endlich? Antwort: Wir glauben (sagt er), durch die Gnade unseres HERRN Jesus Christus selig zu werden, gleicherweise wie auch sie. Und hast du, Petrus, so nicht das Wesen der Taten, so das Joch trage, und die Gnade hierzu nötig.

    Ich übergehe, was er in der Epistel an die Hebräer nicht [nur] an einem Ort von der Unmöglichkeit redet.

    Christus auch, da er Matth. 19 sagt: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme; und die Jünger darüber erstaunt, dass die Seligkeit unmöglich wäre, und sagen: Wer kann dann selig werden? Hat er in Unwissenheit diesen Grundsatz des Glaubens, nicht geleugnet, sondern bejaht, dass es unmöglich und nicht bloß schwer wäre, aber doch dies hinzugetan: unmöglich ist es bei den Menschen, wohl aber alles möglich bei Gott. Denn das hat er nicht bloß von den Reichen gesagt, sondern auf das geantwortet: Wer kann dann selig werden? Darum, da im Neuen Testament besonders das Amt des Geistes herrschen soll, das ist, die Predigt der Gnaden, wie der Apostel sagt: So wäre zu wünschen gewesen, dass dies Wort des Hieronymus entweder nie von ihm geredet wäre oder im Dunkeln begraben gelegen hätte. Denn Christen gebührt nichts, als die Ehre (Herrlichkeit) Gottes zu predigen und zu bekennen, das ist, unsere Unmöglichkeit und Gottes Möglichkeit, wie Christus hier sagt, und alle Ärgernisse aus dem Weg zu tun, so den freien Willen heben oder aufblähen können, dergleichen dies Dekret ist; und würde also unter den vornehmsten Dingen entweder Gottes Gnade rein oder unseres Elendes Erkenntnis bewahrt.

    Es hat aber den Menschen etwa geirrt, dass ich gesagt: Es würden alle Gebote Gottes auch in der Gnade völlig erfüllt in diesem Leben. Welches nicht mein, sondern des Augustinus Spruch ist, retract. 19, darauf wir unten kommen werden. Da ich aber gesagt habe: Sie geschähen nicht; habe ich nicht geleugnet, dass sie doch geschehen könnten. Und der großsprecherische Sophist hat noch nicht so viel aus seiner Schlusskunst gelernt, dass er wüsste, es sei etwas anderes, nicht geschehen und nicht geschehen können. Ich habe gesagt: Es geschieht nicht. Er schließt, darum hast du gesagt: Es kann nicht geschehen. Wer zweifelt, dass Gott jemandem so große Gnade geben könne, dass er es völlig erfülle, wie wir von der heiligen Jungfrau halten? Ob er es gleich nicht allen tut. Und wenn dem das Dekret widerspricht, mag es an den Galgen gehen und verflucht sein.

    Aber es hat dieser auch noch einen anderen Fehler, den die Sophisten immer haben, und ist die Wiederholung der Streitfrage (petitis principii), welches eine grundfalsche Art zu disputieren ist, damit auch dies ganze Buch Latomi trügt. Denn das ist der Sophisten stete Tollheit, dass sie das immer für ausgemacht und für einen untrüglichen Glaubenssatz nehmen, was sie doch erst vor allen Dingen beweisen und darlegen sollten. Wie zum Beispiel an diesem Ort: Dass Gottes Gebote völlig halten so viel heiße wie: Gottes Gebote in solchem Genüge tun, dass nichts zu vergeben bleibe; das hätte Latomus zuvorderst beweisen sollen. Denn das leugnen Augustinus und ich, die Schrift leugnet es auch. Er aber kümmert sich um nichts und fährt sicher daher, als ob er einen unleugbaren Grund des Glaubens hätte. Und da er mit dem Schwert des Geistes alles zu verheeren gedenkt, treibt er ein lächerliches Spiel vor uns mit Stoppeln und Strohhalmen seiner Meinung. Denn auch sein Dekret nicht die Meinung hat, indem wir sagen: Dass alle Gebote Gottes völlig erfüllt werden, nicht dass wir völlig alles tun, sondern dass die Gnade Gottes reichlich vergebe. Da ist nichts unmöglich, sondern alles ganz völlig, und besser sagen wir so, als dass ohne die vergebende Gnade Gottes mit bloßen Werken alles getan sei. Und darum hätte er (wie gesagt), beweisen sollen, dass sein unmögliches Ding das bedeute, was er haben will. Sie gestehen aber auch selber, dass in diesem Leben niemandem die völlige Gnade Gottes gegeben, sondern immer gemehrt werde, da doch die Gnade nicht gegeben wird, als zur Erfüllung der Gebote Gottes, und daraus folgt, dass sie insofern nicht erfüllt werden, wenn die Gnade Gottes nicht völlig wird; aber weil das die Magistri nostri recht meisterhaft sagen, so muss es gelten. Wenn es aber Luther sagte, wäre es verdammlich.

 

Zweiter Artikel: Die Sünde bleibt nach der Taufe nicht übrig

    Diesen Artikel verdammt er durch das Zeugnis des Gregorius, den ich durch des Paulus Zeugnis bewiesen habe, Röm. 7. Aber der falsche Wiederholer der Streitfrage erklärt da Sünde nicht von Sünde, sondern von Schwachheit, als wenn er bewiesen, dass man es so deuten müsste, oder als ob Paulus nicht gewusst, auf was für Art er reden müsste, oder ich seine Worte nicht gebrauchen dürfte. Lasst uns aber des Gregorius Beweis sehen. Er spricht: Christus hat gesagt: Wer gewaschen ist, der ist ganz rein. Bleibt also nichts übrig von seinem Sündengift (oder Ansteckung), die doch die ganze Welt bekennt und er erlöst hat. Latomi Unachtsamkeit übergehe ich, der versprochen hat, dass er die Zeugnisse nicht zählen, sondern wägen wolle, das ist, nach einem sophistischen Streich hat er’s umgekehrt gemeint, nämlich zu zählen und nicht zu wägen.

    Ich frage Gregorius: Sage uns, Gregorius, wo Christus das sage, was du sagst? Solltest du nicht Christi Worte in deinem Text anziehen? Du sprichst: Wer gewaschen ist, ist ganz rein. Christus aber spricht: Wer gewaschen ist, braucht nicht, als dass er die Füße wasche, sondern er ist ganz rein. Woher kommt denn die Unsauberkeit der Füße nach dem Waschen? Sagt er nicht, dass er so ganz rein sei, dass doch die Füße noch zu waschen seien? Was isst das anderes, als dass die Sünde zwar in der Taufe ganz vergeben werde, aber doch noch überbleibe? Wie auch Paulus Röm. 7 sagt: Die Füße werden im ganzen Leben gewaschen, auch bei denen, die ganz rein sind, wie er sagt: Sollt ihr einander die Füße waschen.

    Ist diese Stelle nicht für mich gegen Latomus? Es sind alle Sünden abgewaschen, und bleibt doch noch zu waschen. Dieser Spruch ist klar. Wie ist denn alles abgewaschen? Nämlich weil es durch die Gnade vergeben und geschenkt ist. Wie denn noch zu waschen? Nämlich weil (die Sünde) noch in ihrer Natur übrig ist. Davon hernach; denn hier hat man Latomus nur den Mut benehmen müssen, dass er sähe, die Väter wären manchmal als Menschen gestolpert. Und er denn ferner seine falsche Art zu disputieren erkenne, nämlich da er immer wieder auf das noch Streitige und Unbewiesene kommt; da er doch erst beweisen sollte, ganz rein sein, bedeute so viel wie, dass nichts von der Sünde nach der Taufe übrig bliebe. So auch Gregors Worte nicht notwendig wollen, oder wenn sie es wollen, zu verleugnen sind. Sie aber schieben unter der Väter Worten ihre Meinung ein und treten, wie der Esel unter der Löwenhaut, auf, dass sie uns Grundsätze des Glaubens nicht aus der Väter, sondern ihrer Meinung machen, die sie mit der Väter Worten bekleiden; die schalkhaftesten Künstler.

 

Dritter Artikel: Dass nicht alle Todsünden dem Priester zu beichten

    Von diesem sagt er, er sei in einem allgemeinen Konzil verdammt; darum ist er verdammt. Der Schluss ist richtig von Latomus zu seinem Weisen. Was hat aber das Konzil für Schrift für sich? Wenn das Konzil ohne Schrift gilt, und es genug ist, dass die Bischofshüte und Platten zusammenkommen, warum nehmen wir nicht hölzerne und steinerne Bilder aus den Kirchen, tragen sie zusammen und setzten ihnen dergleichen Hüte und Mützen auf und sagen: Dass da ein allgemeines Konzil sei? Ist es nicht höchst unrecht, dass ein Konzil ohne Wort Gottes handele oder beschließe? Ich sage aber auch  noch weiter, und leugne, dass man die Beichte ganz und gar zu fordern habe, wie ich schon in einer veröffentlichten deutschen Schrift getan und dergleichen in einer lateinischen tun werde, wenn es die Zeit fügt. Denn Menschensatzungen muss man aus der Kirche schaffen, und gesteht auch Latomus in dial., dass sie Menschen wieder abschaffen können. Die Beichte aber ist nichts anderes als eine tyrannische Forderung (oder Zwang) der Päpste, und hat keinen Grund in der Schrift.

 

Der letzte Artikel: Dass ein jedes gutes Werk in den heiligen Wandersleuten [Pilgern] Sünde sei

    Ei! Was für ein ungereimtes Zeug macht er aus diesem (Artikel), und scheint er einem so großen Mann gerade gegen das Wort des Glaubensbekenntnisses zu sein: Die Gutes getan haben, werden ins ewige Leben gehen. Hier aber frohlockt er im Ernst und spricht: Es sei eine Schande, dass man in solchen Dingen Rede und Antwort von ihnen begehre. Endlich droht er gar, der trotzige Geselle, dass sich niemand zu mir geselle. So taten auch die Juden vor Pilatus: Wäre dieser nicht ein Übeltäter, wir hätten dir ihn nicht überantwortet. Wohl recht närrische und schändliche Leute, können es sein, die unsern Magistris zu Löwen nicht auf ihren bloßen Wink geglaubt haben; wie wenn dieselben Leute wären, die irren oder etwas Böses denken könnten, wie andere Menschen, besonders da auch der Bullenbischof ihr Tun für gut erkannt, eine Bulle nämlich andere Bullen (oder Blasen).

    Aber siehe die Schalkheit des Menschen! Er legt allezeit die Sünde (davon ich im guten Werk rede) für das aus, was sie verdammlich heißen, denn diese allein ist gegen das Wort: die Gutes getan haben, werden ins ewige Leben gehen. Denn sie geben selbst zu, dass ein gutes Werk, darin erlässliche Sünde statthabe, nicht gegen dasselbe Glaubensbekenntnis sei. Sie geben auch zu, was Gerson sagt: Dass keine erlässliche Sünde an sich in ihrer Natur erlässlich sei, und dass mehr Gnadengüter Gott wegnehmende als gebende seien (privatiuas positivas), und dass sie (die erlässliche Sünde) bloß aus Gottes Barmherzigkeit erlässlich sei. Ja, welches zu verwundern, so leugnet Latomus erst nicht, dass in einem jeden guten Werk erlässliche Sünde sein könne, zum Beispiel Nachlässigkeit (Saumseligkeit), und doch ist es ihnen nichts Ungereimtes, dass sie so Sünde lehren im guten Werk, ist auch nicht gegen das Glaubensbekenntnis, aus keiner anderen Ursache, als weil sie es gesagt haben, nicht aber ich.

    Ich will sie aber auch unten dahin zwingen, und vielleicht geben sie es ungezwungen zu: Es sei ungewiss, ob ein einig gut Werk bei allen Menschen, ob es noch so gut ist, ohne Sünde sei; denn sie werden wohl keinen Menschen zwingen, solches von seinem guten Werk zu sagen. Und siehe, was ungewiss ist, das kann doch wohl sein, und ist vielleicht auch, nach ihrer Meinung. Wenn es aber ein anderer sagt, so ist es abgeschmackt und gegen das Symbolum (Glaubensbekenntnis), so dass sie nichts Ungereimteres zu nennen wissen. Denn was er für Sprüche der Väter anzieht, der Wiederholer der Streitfrage, zieht er alle dahin, wohin er nicht erweist, dass sie gehören, nämlich, dass in einem Werk keine Sünde sei, ob sie sie noch für gut halten, dass sie nicht verdammen usw., welches auch alles ich nicht leugne.

    Aber kurz: Diese Vorrede des Latomus kannst du, mein Leser, für ein sophistisches Muster halten. Denn da ist dir ein Sophist recht lebendig geschildert in seinem Aufzug, da er nämlich in Gebärden und Worten Bescheidenheit vor sich hat, aber übrigens voller Stolz, Hoffart, Bosheit, Schalkheit, Frechheit, Trotz, Unwissenheit und Unverstand ist, dass nichts drüber sein kann.

 

    Der erste Artikel, an den sich Latomus macht, ist dieser:

    Ein jedes gutes Werk ist Sünde.

    1) Schließt er, was sich nicht schließen lässt; 2) setzt er widrige Dinge entgegen; 3) löst er meine gründe auf, wie er selbst die Teilung macht. Ich, a ich diesen Sanherib wieder in sein Land zu bringen vorhabe, will vom letzten Punkt anfangen und meine Dinge erst verteidigen.

    Den trefflichen Ort Jes. 64, wo da steht: Wir sind allesamt wie die Unreinen, und alle unsere Gerechtigkeiten sind wie das Tuch einer monatskranken Frau usw. will er mir nehmen und legt ihn so aus, dass er weder ihm noch mir nütze sei; denn er macht es ungewiss, von wem die Rede sei, und führt an, dass einige ihn verstünden von dem assyrischen Gefängnis, andere von dem babylonischen, andere von der römischen Gefangenschaft der Juden. Er folgt aber mit Hieronymus und Lyra den letzteren; endlich zum vierten, wenn man ihn auch auf die Gläubigen deuten sollte, behilft er sich mit einer Zusammenfassungsart (Syechdochen), und will, dass alle Gerechtigkeiten so viel heiße wie, einige Gerechtigkeiten, welche Art zu reden in der Schrift gemein wäre. Also, da er nichts Gewisses setzt und des Hieronymus Zeugnis allein nicht gilt, als der immer gern anderer Meinungen bloß in seinen Auslegungsbüchern anführt, wie er an Augustinus schreibt; so läuft es endlich auf lauter Ungewissheit mit dem Verstand hinaus.

    Und das sei zuvorderst auf alles geantwortet, was er auf solche Meinung baut, schließt und gründet. Denn man muss mit gewissen Dingen streiten. So mag denn diese Stelle dem Latomus gegen mich ungewiss sein und nichts taugen. Hernach muss ich sehen, dass ich eine gewisse und mächtige Meinung gegen ihn habe. Und zwar gebe ich zu und beweise es, dass es von dem Gefängnis der Juden und in der Person der Gefangenen geredet werde: nicht der assyrischen, denn durch die ist die Stadt Jerusalem nicht verheert noch der Stamm Juda gefangen worden, wie hier der Prophet klagt; und wenn ich auch erweisen kann, dass es nicht von den Römischen zu verstehen, so muss es freilich dabei bleiben, dass es von dem babylonischen zu verstehen sei.

    Lasst uns erst die Stelle selbst betrachten und hören: Du begegnest dem Fröhlichen und der Gerechtigkeit tut; in deinen Wegen werden sie dein gedenken. Siehe! du bist zornig geworden, und wir haben gesündigt; wir sind immer darin gewesen und werden erhalten (sel.) werden. Und sind allesamt geworden wie die Unreinen, und alle unsere Gerechtigkeiten wie das Tuch einet monatskranken Frau. Und sind hingefallen wie ein Blatt, und unsere Sünden haben uns dahin geführt wie ein wind. Es ist niemand, der deinen Namen anrufe, der sich aufmache und dich halte. Du hast dein Antlitz vor uns verborgen und hast uns zerstoßen in der Hand unserer Missetat. Und nun, HERR, du bist unser Vater, wir aber Ton und du unser Töpfer, und wir alle deiner Hände Werk. HERR, zürne nicht so sehr und gedenke nicht weiter unserer Missetat. Siehe, schaue auf uns, wir sind alle dein Volk. Die Stadt deines Heiligen ist verwüstet worden, Zion ist zur Einöde geworden. Jerusalem ist zerstört. Das Haus unserer Heiligung und Herrlichkeit, wo unsere Väter dich gelobt haben, ist zu einem Brand geworden, und alles, was uns lieblich war, ist über den Haufen gerissen. Wirst du dich, HERR, über dem allem halten, schweigen und uns so heftig plagen.

    Latomus, als ein starker Springer, ist tapfer über die Mauer gesprungen, die seiner Meinung entgegen war in dem Wort: werden erhalten (sel.) werden; welches von den bösen Juden nicht kann verstanden werden, sondern ohne Zweifel in der Person der Auserwählten und Gläubigen gesagt wird. Hernach das Wort: du begegnest dem Fröhlichen usw. berührt er so, dass er sagt: Wer ist, der Gerechtigkeit tut, dem der Herr als einem Fröhlichen begegnet? Wenn man das Wort, wie M. will, von einem jeden Gläubigen zu aller Zeit versteht usw. Damit schnappt er ab, als wenn er auf Kieselsteine gebissen hätte, und weiß nicht, was er fragt, vielleicht aus Furcht, er könnte unglücklich im Auslegen sein.

    Latomus spricht mit den Seinen: Es würde dies in der Person derer gesagt, die auf Jerusalem und den Tempel sahen, indem sie wünschten, dass er wieder gebaut würde, damit sie opfern und Gott loben könnten, wie ihre Väter. Das halte ich für wahr, nicht, weil sie es sagen, als denen ich nichts glaube; sondern weil der Text, der sie gezwungen, auch mich zwingt; denn warum sollte er sonst die Klage so häufen und Verheerung der Stadt Gottes so vorhalten, als dadurch zu bitten, dass Gott aus Erbarmen sie wieder baue? Er zeigt dem Arzt die Wunde, ohne Zweifel, dass er heil werden wolle. Und da er gesagt hatte: Alle unsere lieblichen Dinge sind eingeäschert; hat er hinzugetan: Willst du dich, HERR, über dem allen so still verhalten? Was heißt das anders, als lasse sie nicht so liegen. Denn wenn er das nicht wieder baute, so hielte er sich freilich über dem, was einmal zerstört lag. Ist es also nicht gewiss und klar, dass in diesen Worten gebetet und geseufzt werde, dass er Jerusalem und den Tempel wieder baue? Sonst sehe ich nicht, warum er denselben immer so anführe, so vorhielte, und das Elend vergrößerte und erhöbe. So muss man mit stockischen Sophisten auch von Dingen, die an sich klar sind, handeln, dass sie unstreitig klar werden.

    Muss also für so eine Sache gebetet und geseufzt werden, die wieder gebaut werden kann. Denn der Heilige Geist ist nicht so närrisch, dass er offenbar unmögliche Dinge zu bitten antreibe. Es war aber schon beschlossen, dass nach Christus weder auf dem Berg noch zu Jerusalem, sondern im Geist und in der Wahrheit Gott angebetet werden sollte, wie Christus Joh. 4 sagt; welches künftige Geheimnis auch der Geist Jesaja so verkündigt hatte, dass kein anderer es nach David so klar erkannt und vorhergesagt hatte. Desgleichen Hag. 2 wird dies letzte Haus verkündigt. Und Daniel hat vorhergesehen, dass die Verheerung, so nach Christus kommen würde, bis ans Ende bestehen solle, dass es unmöglich ist, dass wieder eine Erbauung statthaben könne, auf welche die Juden warten. Darum kann solche Klage und Bitte nicht auf die Zeiten nach Christus gehen, sondern nur auf die babylonische Gefangenschaft, wo dem Geist billig Hoffnung und Seufzen und Gebet beigelegt wird, die Stadt wieder zu bauen.

    Denn das hat man zu merken, dass man dem Heiligen Geist nicht Gotteslästerung beimesse, wenn er in der Person der Gottlosen und Lästerer gebetet hätte. Denn es steht Ps. 109 geschrieben, dass das Gebet der Juden, während der römischen Gefangenschaft, werde Sünde und ein Greuel sein. Hernach spricht Christus Ps. 16, er wolle ihrer Namen nicht gedenken auf seinen Lippen. Wie sollte also der Geist Jesaja in der Person der Gotteslästerer ihre Lästerungen vor Gott mit solcher Demut, mit so gottseligem Bekenntnis, mit so redlichem Herzen und Andacht ausschütten? Denn es müsste ja auch sein Gebet Sünde und Lästerung sein.

    Das hat wohl die Schrift, dass der Geist auch von und für die Gottlosen durch die Heiligen bete, aber niemals in ihrer Person. Er ist der Geist des Leibes Christi und hilft im Geist ihrer Schwachheit auf und seufzt und bittet für sie. Dergleichen Gebet auch Jesajas ist, wie ein jeder begreifen kann. So hat Christus über Jerusalem geweint, aber nicht in der Person Jerusalems. Paulus auch für die Juden, aber nicht in der Person der Juden. Hier aber nimmt Jesaja die Person derer an, mit und für welche er bittet.

    Da es nun gefährlich ist, etwas zu sagen, was in der Schrift kein Beispiel hat, so darf man nur das sagen, was darin steht: Folglich lasst uns gestehen, dass der Geist des Leibes Christi nie in einer fremden, das ist, des Leibes des Satans, sondern allezeit nur in seiner Leibesperson rede, wirke, lebe und bleibe. Es kann einer, der Gott lobt, nicht die Person führen eines, der Gott lästert, da der, welcher die Person führt, und der, welches Person er führt, wenigstens in Worten, Meinungen und Wünschen übereinkommen müssen, wenn sie nicht in Vermögen und Taten dergleichen können. Aber zwischen solchen Juden und dem Geist Gottes ist eine unversöhnliche Feindschaft, und wenn er damals durch Jesaja in ihrer Person geredet hätte, so würde er auch noch heutiges Tages und vielmehr durch sie reden, da seine Worte da sind, und es die Not weit mehr erfordert. Wir können auch nicht leugnen, dass es des Geistes Worte sind, weil sie in dem heiligen Kanon (oder göttlichen Schriften) stehen. Wenn sie nun des Geistes sind, so sind sie gottselig und gläubig und heilig und schicken sich (wie man sieht), gar nicht für die Person aller Juden. Wenn er nur die Worte der Gottlosen hersagte, so könnte ihre Meinung noch geduldet werden, aber in ihrer Person zu beten und zu wirken, das kann er nicht leiden. Er sagt bei Jesaja die Worte des stolzen Babels und Assurs und Sanheribs her; bei Hesekiel die Worte des großen Drachen im Strom und vieler anderer. Er führt aber nie die Person als der Frommen und Seinigen.

    Überdies sagt er klar im Text: Siehe, schaue, wir sind alle dein Volk. Wissen wir nicht, was es sei, Gottes Volk zu sein? Dieselben Juden sind jetzt kein Volk, wie Hosea steht: Nenne seinen Namen: Nicht mein Volk; weil ihr nicht mein Volk sein werdet, und ich nicht euer Gott sein will. Und abermals: Und du, HERR, bist unser Vater, wir sind Ton, du unser Töpfer und wir alle deiner Hände Werk. Sind die Juden jetzt Kinder und nicht vielmehr Feinde? Sind das Ton des Töpfers, die sich nicht wollen zurichten lassen, denn sie erkennen den Töpfer nicht. Sind sie das Werk seiner Hände und nicht vielmehr das Werk des Satans? Und hier gilt nicht der Einwurf, dass es heiße, sie nannten ihn auf allgemeine Art Vater, Töpfer, Schöpfer. Denn der Prophet redet im Geist, und die Worte gehen aus der Inbrunst des Geistes, darin Gott nur der Kinder Vater ist, die gläubig sind, wie wir auch im Vaterunser den Vater im Geist anbeten. Darum er den Namen des Vaters außer dem Geist, besonders im Neuen Testament, nicht hört, welches doch sein müsste, wenn das in der Person der Juden gesagt würde, da jetzt (wie ich gesagt), die Not ja vorhanden und die Worte noch da sind.

    Hierdurch, so hoffe ich, werde klar sein, dass dies nicht in der Person des ungläubigen Volkes geredet sein könne; welches auch noch weiter erhellt wird, wenn wir ihren Verstand ansehen werden.

    Dass er aber haben will: Es würden solche allgemein lautenden Redensarten doch nur meist von einigen verstanden, wie die: Es suchen alle das Ihrige; da Titus und viele andere dergleichen nicht getan. Und so würden hier alle Gerechtigkeiten unrein geheißen, obschon nur einige so wären.

    So muss hier Latomus entweder vor Bosheit und Neid blind oder erzdumm sein, nicht allein weil er ganz ungeschickte Beispiele hierher bringt, sondern auch, weil er diese Redegestalt zur Unzeit hierher dreht. Wenn wir so unser Gefallen, ohne genügend Grund, mit Redegestalten (ober verblümten Worten) spielen dürfen, warum können wir nicht allen Dingen einen neuen und besonderen Verstand geben? Ich will auch etwas sagen aus Ps. 1: Alles, was er macht, das wird gedeihen; kann man das nicht auch so verstehen: Etwas wird gedeihen. Und Ps. 2: Wohl allen, die auf ihn trauen, das ist einigen; und Ps. 5: Du wirst umbringen alle, die Lügen reden, das ist einige. Und was sollte da nicht mit der Schrift für Spötterei herauskommen?

    Latomus, als ein so großer Theologe, sollte nicht sagen, was man so geben oder deuten könnte; sondern was man so sagen müsste. Man fragt hier nicht, was der Mutwille herplaudern könne, sondern was die Gottseligkeit im Auslegen leisten müsse, besonders da er mit solchen Pausbacken rühmt, er wolle die Zeugnisse der Schrift nicht zählen, sondern wägen, und den Luther, der sie unrecht anzieht, überweisen. Heißt das Zeugnisse wägen? Heißt das, den, der sie unrecht anzieht, überwinden, wenn man bloß sagt: Ich kann es so und so verstehen? Habe ich nicht durch dies Urteil die Sophisten bisher verdammt, dass sie alles so und so verstehen können, nie aber verstehen wollen, wie sie sollen? Das heißt nicht, den Widersacher widerlegen, sondern die Heilige Schrift ineinander werfen.

    Und wie fällt ihm diese Redegestalt allein an diesem Ort ein? Wie schnarcht er denn so sehr im Folgenden, da gesagt wird: Es ist niemand, der deinen Namen anruft, der sich aufmache und dich halte? Kann er es nicht auch hier deuten: Etliche und viele rufen ihn nicht an? Dadurch er verhütet hätte, dass er nicht zur Unzeit und ganz ungereimter Weise eine lange Ausschweifung hätte machen und sagen dürfen: Es hätte immer Leute gegeben, die den Namen des HERRN anriefen. Hat in den Verneinungen solche Redegestalt nicht statt? Findet man sie nicht Jes. 57: Der Gerechte kommt um, und niemand achtet darauf, und gütige Leute werden weggerafft, und niemand versteht es. Verstand (oder merkte) es Jesaja nicht, der dies sagte? Darf Latomus nur, wo er will, Redegestalten (Figuren) hermachen, und wo er nicht will, keine gelten lassen? Es wusste nämlich der kluge Mensch, dass der Spruch allda ohne Figur (alle Gerechtigkeiten unrein), gegen ihn schlösse; so musste er ihn vernichten. Hingegen, dass der: Niemand ist, der anrufe usw., wenn er in einer Figur geredet wäre, nicht gegen Luther schlösse, darum musste er sie da wegnehmen. Und bedachte der große Mann dabei nicht, wie er durch solchen Mutwillen und Freiheit dem Widersacher auch Anlass gäbe, dergleichen zu tun. Denn mit eben der Freiheit kann ich unter diesen beiden für figürlich ausgegebenen Orten umwechseln, dass sie bald zugleich, bald einer um den anderen Figuren oder keine Figuren haben. Das ist aber eine rechte Art, die Schrift zu behandeln.

    Wiederum legt der treffliche Theologe das Wort alle unsere Gerechtigkeiten sind unrein, so er den Gläubigen mit einer Figur beigelegt hatte, den zuletzt verheerten Juden ohne Figur bei; als von welchen sie diesen Ort erklären, dass sich die sämtlichen unreinen Gerechtigkeiten auf sie besser schicken. So nimmt sich Latomus heraus, mit der Schrift umzuspringen, wie er will, auch wenn er im Ernst redet und für den Glauben gegen den ärgsten Ketzer streitet. Wenn ich ein Ketzer wäre (welches Gott verhüte!) und mit solchen Larven (oder Popanzen) auf mich losziehen sähe: So würde ist desto fester auf meiner Meinung stehen und all das ihre für verdächtig halten, weil sie so unbeständig sind und nur daher plaudern; denn ich könnte mit nicht einbilden, dass sie in Ernst und Wahrheit reden; daher ich es auch nun desto mehr verwerfe und verabscheue.

    Es mag aber die Löwen’sche und neue Art zu theologisieren hinfahren; denn ich will alles Zeug des Latomus mit einem Wort übern Haufen werfen und niederschlagen. Denn so oft er durch angezogene Zeugnisse erstreiten will, dass das gute Werk nicht Sünde sei, will ich mich auch mit seiner Ausflucht einer Synecdoche (oder Zusammenfassungsart) retten und sagen: Das gute Werk wird verstanden von dem guten Werk nach einigem Stück (oder einigen Maßen); desgleichen auch die Sünde, von Sünde in einigen Stücken. Denn so bringt er auch einige Gerechtigkeiten, als nicht wohlgetan, synecdochisch heraus. Wie wird mir alsdenn der Sieg so ein leichtes sein, den ich selbst durch des Widersachers Waffen erfochten? Das heißt auch gut löwenisch und latomisch, den Verstand der Schrift aus der Reihe, Folge und Umständen der Worte herleiten, die man doch nicht ohne größte Sünde des Vatermordes grobe Stöcke und Blöcke nennen darf.

    Mag also solch löwenisch Zeug und wahre Eitelkeit hinfahren und des Augustinus Spruch, so mit der Wahrheit und aller Menschen Verstand übereinkommt, Statt haben: Eine Figur (oder rednerische Wortgestalt) beweist nichts. Welches zwar von den heiligen Bildern oder Gleichnissen gesagt ist, doch aber auch auf die Figuren der Wörter in der Sprachkunst gezogen werden kann. Denn man darf in keiner Schrift, viel weniger in der göttlichen, Figuren nach Belieben dichten, sondern sie meiden und bei dem einfachen, klaren und lauteren Wortverstand so lange bleiben, bis entweder ein Umstand selber oder die klare Ungereimtheit zwingt, auf eine Figur zu fallen. Denn was wird sonst für ein Babel der Sprachen und Wort ein der Welt sein? Es wäre alsdann besser stumm als beredt zu sein. Lasst uns in einfältigen (groben) Beispielen zeigen, dass unsere Magistri von Löwen gar zu grob und tölpisch geworden. Wenn der Poet spricht: Nascetur pulchra Trojanus origine Caesar: Es wird der Cäsar vom schönen trojanischen Stamm geboren werden.

    Wenn du hier eine Figur dichtest, dass Cäsar so viel sein soll wie Cäsares, so kannst du es tun nach deinem Gefallen; wirst du es aber den Sprachkunstlehrern weiß machen?

    Desgleichen sagt eben derselbe: Tu populos regere Imperio, Romane, memento. Du Römer, denke wohl, die Völker zu regieren. Da kannst du ohne Figur einen einigen Bürger verstehen; was werden aber die Sprachkunstlehrer sagen?

    So steht Ps. 16: Du hast mir bekannt gemacht die Wege des Lebens usw. Da kannst du aus deinem Kopf sagen, dass irdische Wege gemeint wären, die wir mit leiblichen Füßen betreten, du folgst aber zugleich Irrtum, statt des Weges. Und was braucht es mehr? Wir gestehen, dass alles voll von Figuren, dabei man aber Verstand haben muss, sie zu treffen, davon man aber keine eigentlichen Regeln geben kann. Wiewohl ich auch noch kein Beispiel dieser Figur gefunden habe in den allgemein lautenden Reden, wie Latomus hier dichtet. Wir haben die zwei Dinge, die uns den Weg weisen müssen: Nämlich Ungereimtheit der Dinge und den Umstand der Worte. Denn dass das Schwert der Hüfte Ps. 45, und der Jünger Schwerter Luk. 22 nicht Eisen bedeuten, beweist der Umstand der Worte stärker als die Ungereimtheit; wiewohl auch die da statthat. Ferner, dass einer, der seine Frau verlässt, 100fältiges in diesem Leben erlange, das zwingt die Ungereimtheit der Sachen nicht vom leiblichen lassen und wieder empfangen zu verstehen.

    So kann mein Latomus im gegenwärtigen Fall nicht sagen: Das kann man mit Figuren verstehen, nämlich alle für einige. Ich leide die Figur nicht, so lange er nicht zeigt, dass etwas Ungereimtes folgen würde oder die Not des Umstandes es erfordert; sondern ich will ihn dringen, dass der schlichte, eigentliche Hauptverstand bleiben muss, dass alle unsere Gerechtigkeiten unrein sind. Solches, sage ich, soll bleiben, weil in der Schrift nicht Ungereimtes gefunden wird, das dem zuwider ist. Und so besteht dies Zeugnis noch unüberwindlich und spottet des latomischen Unternehmens und übereilter Großsprecherei; und beweist, dass alle Ungerechtigkeit unrein, alles gute Werk Sünde sei: Wiewohl ich mich wundere, dass er seine Ausflucht, die er sonst in allen anderen Dingen gebracht, vergessen habe. Er könnte aber auch hier sagen: Die Unreinigkeit sei nichts anderes als Unvollkommenheit, wie er in dem Wort Sünde und Laster tut, nach der Macht, da sie den Dingen selbständige Wesen und den Wörtern Bedeutungen andichten, wie ihnen beliebt. Aber der großmütige Held wollte einmal durch einen herrlichen Sieg prahlen, als der durch bloße Ausflüchte erworben wird.

    Dazu noch kommt, dass diese Figur nicht statthaben kann, weil in der Schrift die Regel gilt: Dass, wo schlichtweg und wollkommen eine allgemeinlautende Redeart steht, dass platt alle Synecdoche (oder Zusammenfügungsart), da unter allen nur einige gefasst waren, weichen muss; so lässt sie es nicht genug sein, bloß auf allgemeine Art und bejahungsweise zu reden, sondern sie tut auch die allgemeine Verneinung hinzu.

    Z.B. Röm. 3 aus Ps. 14: Sie sind alle abgewichen, alle untüchtig geworden, da ist keiner, der klug ist und nach Gott fragt, da ist keiner, der Gutes tut, wo Paulus diese Regel beachtet und bestätigt und durchaus schließt, dass schlicht alle Juden und Griechen, d.i. alle Menschenkinder unter der Sünde sind. Denn wenn hier die Synecdoche nicht wegbleiben müsste, so fiele die ganze Disputation oder Schluss des Apostels hin, und käme nicht die Notwendigkeit der Gnade, die er da haben will, heraus.

    Dergleichen ist auch Ps. 32: Selig sind die, denen die Sünden vergeben sind und deren Missetaten bedeckt werden! Selig ist der Mann, dem der HERR die Sünde nicht zurechnet, und in dessen Geist kein Falsch ist.

    Siehe, dass eine völlige und gänzliche Vergebung angedeutet würde, so war es nicht genug zu sagen: Sie wären vergeben und bedeckt, bejahungsweise; es kam auch die Verneinung hinzu, dass ihm der HERR solche nicht zurechne, und kein Falsch (oder Schalkheit) in ihm sei.

    So steht es auch Klagelieder 2: Der HERR hat gestürzt und nicht verschont alle Lieblichkeiten Jakobs, dass er anzeigte, wie gar nichts davon übrig blieb.

    Ebenso Ps. 28,5: Du wirst sie niederreißen und nicht bauen; dass du nicht dächtest, es wäre eine Zerstörung zum Teil. Es ist doch gleichwohl die Synecdoche (oder Zusammenfassungsart) eine liebe und notwendige Redegestalt und ein Sinnbild der Liebe und Barmherzigkeit Gottes, dass, wenn es heißt, er schlage und verheere, man nicht denke, dass er alle aufreibe oder schlage, denn er berührt das Ganze, wenn er einen Teil berührt (oder angreift).

    So häuft hier an diesem Ort Jesaja auch sowohl Bejahungs- als Verneinungssprüche, nach eben der Regel; indem er sagt 1) Wir sind allesamt geworden wie die Unreinen, alle unsere Gerechtigkeiten sind wie ein unflätiges Tuch. Und: Wir sind alle hingefallen (verwelkt), wie ein Blatt, und unsere Missetaten haben uns dahin geführt wie der Wind. Es kommen aber auch die (allgemeinen) Verneinungen: 2) Niemand ist, der deinen Namen anrufe oder sich aufmache und dich halte. Nämlich so gar sind alle Gerechtigkeiten unrein, dass gar keine bei dir etwas gilt, dich zu halten in deinem Zorn. Darum fällt hier Latomus sein kahles Gedicht ganz über den Haufen.

    Das sag ich aber, nicht, dass ich Latomus zugegeben hätte, dass in den von ihm vorgebrachten Orten eine Synecdoche wäre; sondern dass ich gestehe, es habe solche Redegestalt sonst in der Schrift gar oft statt. Und mag der Sophist sehen, mit was für leichtem Stroh er sich an einen so festen Fels mache, weil sein Gewäsch auf mehr als eine Art niedergeworfen werden kann. Denn ich erinnere mich nicht, dass ich in irgendeinem Ort der Schrift bei allgemeinen Redearten nur eine Synecdoche erblickt hätte. Die aber Latomus beibringt, da zwingt er sie hinein, da sonst keine drin ist.

    Endlich widerlegt er sich selbst, da er spricht: Man müsse diese Worte nach ihrer Sache (oder Materie) beschränken. Wie das in Jesaja (Jes. 13), dass er alle Erde zerstöre, nämlich die ganze Welt oder Erdreich, sondern das Land Babel. So Luk. 2, da alle Welt geschätzt wird, ist es freilich nicht von der ganzen Welt gemeint, sondern von der Welt des römischen Kaisertums. Ebenso (Matth. 27): Es wurde eine Finsternis über die ganze Erde; so man allein vom jüdischen Land verstanden haben will, weil die römischen Schreiber der Finsternis nicht gedenken, außer der fabelartige Dionysius in Heliopolis, dessen Brief man hat, aber meines Erachtens erdichtet und falsch ist. Zudem zieht er allein unreine Gerechtigkeiten auf das Volk der römischen Gefangenschaft, ohne Synecdoche.

    So hat der Ort (Jes. 1) Das ganze Haupt ist krank usw. aus doppelter Ursache keine Synecdoche (oder Zusammenfassung); erstlich, weil er allgemein lautet und auch die Verneinung hinzukommt: Es ist nichts Gesundes daran usw. Und wie Paulus Röm. 9 es erklärt, so geht es auf die Juden, die nach Christus verlassen (hingegeben) wurden, an welchen wirklich ein jeder Kopf trauert und nichts Gesundes dran ist. Sie waren aber auch schon zu Christi Zeiten solche Leute. Denn er redet auf die, die da ohne Christus gewesen und geblieben sind.

    So der Ort Jeremias (Kap. 6): Sie geizen allesamt vom Kleinsten bis zum Größten, geht freilich nur auf den Körper (oder Haufen) des Geizes, dass die Frommen ausgeschlossen werden.

    Wie auch der Ort des Paulus: Sie suchen alle das Ihre, gehört zu seiner Materie und Gegenziel. Sonst hätte Paulus, der anderweitig Röm. 3 alle Menschen unter die Sünde beschließt, und Röm. 3 alle leer von dem Ruhm Gottes nennt, sich, den Abraham und alle Frommen auch mit eingeschlossen, sondern er redete von solchen, die ohne rechten Glauben lebten. Darum, wie ich gesagt habe, spottet Latomus mit ungeschickten Beispielen, weil er sich seines Irrtums bewusst und in Angst ist, und daher ausschlüpfen will, aber nicht kann. Denn es ist ein klares Zeichen, dass er durch die unüberwindliche Arbeit überwiesen sei, weil er solche nichtigen Schlupfwinkel sucht und herbeitreibt. Ach! ein reines Gewissen geht nicht mit solchen Schwänken um und bebt nicht so. Ihr armen Sophisten, kommt zu spät mit solchen Ausflüchten.

    Hier aber ist eine Figur Synecdoche im Evangelium: So wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte Im Herzen (mitten) der Erde sein. Ebenso: Die Mörder (Diebe), so mit ihm gekreuzigt waren, lästerten ihn. Und augenscheinlich Ps. 78: Sie versuchten Gott, dass sie Speise suchten für ihre Seelen. Das wird zur Schande gleichsam des ganzen Volkes Israel gesagt. Hingegen wird Ps. 105 zu ihrem Lob gesagt: Sie baten, und es kam die Wachtel usw. Das wird zum Lob gesagt. Aber beides durch eine Synecdoche, das Ganze fürs Teil. Vor allem aber herrscht solche Figur stark in den Propheten. Aber hier kann Jesajas Wort nicht bloß auf etliche gezogen werden, weil er sich mit einschließt. Er redet nicht zu anderen, wie in oben genannten Orten, sondern durch eine Personeinführung (prosopop.) macht er, dass sie von sich selbst redet und sagt: Wir alle usw. Alle unsere Gerechtigkeiten usw. Er spricht nicht: sie oder ihr.

    Nun aber ist noch übrig: Wie man das von den Gläubigen sagen könne?

    Und da hoffe ich nicht, dass ich erst beweisen müsse, dass sie gläubig und fromm gewesen, da sie auf des Jeremia Wort gehorsam sich ins Gefängnis gegeben, einige willig, andere gezwungen. Denn Christi und der Apostel Fleisch war noch in ihnen, um welches willen man sie allen noch gläubig und gottselig heißen kann, weil wir doch von seines Geschlechtes Schnur billig glauben, dass sie das ganze menschliche Geschlecht hindurch bis zu der Mutter der Jungfrau, der heilige und auserwählte Samen gewesen.

    Ich will also erst überhaupt und hernach vom Text selber sagen.

    Ich habe gelehrt. Dass unsere guten Werke von der Art seien, dass sie vor Gottes Gericht nicht bestehen, nach dem Ps. 143: Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht, weil vor dir kein Lebendiger gerechtfertigt werden wird. Da nun sein Gericht auch wahrhaft und gerecht ist, so verdammt er nicht Werke, die ganz ohne Schuld sind, denn er tut niemanden unrecht; sondern, wie geschrieben steht: Er4 gibt einem jeden nach seinen Werken. Daher denn folge, dass unser Gutes nicht gut sei, wenn nicht seine Barmherzigkeit darüber waltet, die uns solches vergebe. Hingegen aber böse sei, wenn sein Gericht über uns geht, dass einem jeden gibt, was ihm gehört. Das ist die rechte Art, Furcht und Hoffnung auf Gott zu lehren. Diese gottselige Weisheit verwerfen meine Lästerer und blähen ihre Werke auf, berauben die Menschen der Furcht und Hoffnung und machen sie stolz durch ihre schädlichen Lehren, indem sie ein gutes Werk dichten, das Lob, Ruhm und Lohn verdient; wie Latomus hier auch poltert.

    Solche Meinung habe ich nun auch mit diesem Ort Jesajas bekräftigt, und zwar mit Recht, so viel ich noch sehe; ja, er steht nun auch noch fester für mich als bevor Latomus seine Streiche dabei vorgebracht. Denn Jesaja will, da Gott zürnt und sein Volk ins Gefängnis und Wüstenei steckt, dass Gott nun nicht nach seiner Barmherzigkeit, sondern nach seiner Gerechtigkeit, ja Zorn, mit ihm handele. In welchem Gericht oder Handel der Gerechtigkeit wohl etwa fromme und solche Leute sein können, deren Gerechtigkeit außer dem Gericht unter der Herrschaft der Barmherzigkeit rein wäre, nun aber ihnen gar nichts hilft, so dass sie den ärgsten und unreinsten Sündern gleich sind. Denn der HERR erkennt sie nicht in seinem Grimm, sondern gibt sowohl den Frommen wie Gottlosen dahin, und lässt sich nicht halten. Und was tut er anderes hierdurch, als dass er die, welche gerecht sind, so hält und so auftreten lässt oder darstellt, als wenn sie nicht gerecht wären.  In welchem Gericht aber, weil er recht und wahrhaftig richtet, sie notwendig zugleich gerecht und doch unrein sein müssen. Und so erweist er, wie keiner auf seine Gerechtigkeit, sondern allein auf seine Barmherzigkeit zu trauen habe.

    In dem Verstand sagt auch Hiob Kap. 9: Ich habe eines geredet, er reibt sowohl den Unschuldigen wie Gottlosen auf. Denn er redet nicht von einem dem Schein nach Unschuldigen, und doch richtet er nicht mit Unrecht hin. So auch Jesaja versteht hier die recht Gerechten und Reinen. Denn der Geist redet in dem Geist der Frommen, nicht von gemalten oder erdichteten Gerechten oder in der Person falscher Gerechter. Es ist eine ganz wahre Gerechtigkeit, und doch wie unrein, weil sie alles dasjenige leidet, was die Unreinen leiden; nicht unschuldig bei dem gerechten Gott, obwohl unschuldig vor Menschen und in unserem Gewissen.

    In eben dem Verstand steht auch etwa Ps. 44, da die, welche viel Böses gelitten haben, sagen: Das alles ist über uns gekommen, und habe doch nicht unrecht gehandelt in deinem Testament (Bund). Unser Herz ist nicht abgewichen von deinem Weg. Das sagt auch Jeremia Kap. 48: Siehe, derer das Gericht (d.i. Strafe) nicht war, haben vom Kelch getrunken; sollten sie Trinkende trinken, und du unschuldig bleiben? Du sollst nicht unschuldig sein, sondern Trinkende trinken.

    Wie war die Strafe nicht ihre und trinken doch? Nämlich in ihrem Gewissen und vor den Leuten, wie Hiob war, welchen der HERR selbst für unschuldig erklärt, da er doch Kap. 9 ganz anders sagt; sonst hätte sie der gerechte Gott nicht geplagt. Denn er sagt abermals Jer. 31: Ich will dich im Gericht züchtigen, dass du dich nicht für unschuldig achtest. Wir sündigen demnach alle vor ihm, wenn er richtet, und sind verloren, wenn er zürnt; die wir doch, wenn uns die Barmherzigkeit deckt, unschuldig und gottselig sind, sowohl vor ihm als aller Kreatur. Das ist es, was Jesaja hier sagt.

    Dabei ist zu wissen, dass, der die Gerechtigkeit tut, hier nicht einen solchen bedeutet, der gerecht handelt, wie der im 15. Ps. Ist, der Gerechtigkeit wirkt usw., dergleichen Gerechtigkeiten er hier alle unrein heißt; sondern den, der da ist der Macher (oder Schöpfer) der Gerechtigkeit, der Urheber derselben, dass in seinen Tagen Gerechtigkeit sei; wie Jer. 33: Es wird ein König herrschen und weise sein, und wird Recht und Gerechtigkeit machen (schaffen) auf Erden. Und Ps. 119: Ich habe Gericht und Gerechtigkeit geschaffen. Denn das sind fröhliche selige Zeiten, wenn Stifter (Urheber) der Gerechtigkeit sind, die freilich zugleich Täter der Gerechtigkeit sein müssen. Und diese Stelle klagt ganz drüber, dass, wenn es gleich Fromme und Gerechte gäbe, sie doch in solcher Zeit des Zorns die Gerechtigkeit nicht aufrichten (oder darstellen) können, dadurch Gottes Zorn gestillt und gehalten würde. Sondern sie werden zugleich mit den Gottlosen aufgerieben, indem ihre Gerechtigkeit für nichts gehalten wird, weil sie der Zorn Gottes nicht aufkommen lässt: Dass du auf meine Gefahr diesen Ort noch viel weiter und reicher auslegen kannst, auf diese Art:

    Du begegnest dem Fröhlichen usw. Wenn fröhliche Zeiten sind und die Gerechtigkeit gedeiht, welches allerdings das Reich deiner Gnade ist, so bist du auch gnädig begegnest ihnen und nimmst sie mit offenen Armen an: Sie rufen deinen Namen an, und du erhörst sie; sie machen sich auf und finden dich; sie halten dich, und du schonst aller, wie zur Zeit Moses in der Wüste. Da heißt es, in deinen Wegen gehen; da heißt es, dein gedenken, dich loben, dir danken für die ausgeschütteten Wohltaten. Nun aber, da dein Zorn tobt und trübe Zeiten sind, sind wir nichts als Sünder: Du begegnest nicht, wirst nicht gefunden, nicht gehalten. Ob es gleich Fromme und Gerechte gibt, so darf doch keiner von ihnen auftreten und dich halten oder dienen Namen für uns anrufen, weil er es nicht wagen kann. Es ist hier nichts von deinem Lob zu hören, weil wir bloß über unser Böses jammern. Und wie zur Zeit, wenn die Gerechtigkeit blüht, auch anderer Sünden so weiß sind wie der Schnee, und du sie nicht strafst, ja, für keine Sünden achtest: So hältst du auch zu der Zeit des Zornes und einherfahrenden Gerechtigkeit alle unsere Gerechtigkeiten für unrein und strafst sie zugleich mit den Sünden der anderen, und raffst sie mit unter den Haufen der Bösen und zerstößt uns in der Hand unserer Bosheit und lässt uns widerfahren, was die Sünden verdient haben, dass wir als die ganz Unreinen sind. So, wenn uns die Barmherzigkeit verlässt, führen uns unsere Sünden hin wie ein Wind, und gelten alle unsere Gerechtigkeiten nichts gegen ihn.

    So sagt auch der Pöbel von einem erzürnten Fürsten: Niemand darf ihm etwas von der Sache sagen oder dafür bitten, weder Kind, Frau noch Freund usw. So klagt er über einen so großen Zorn, dass er auch alle Gerechtigkeiten der Frommen so handelt, als wenn sie Sünden und Unreinigkeiten wären und nicht auftreten oder ihn anrufen oder beugen dürfen. Es ist aber eine kalte und elende Meinung, dass man das nur von der gottlosen unheiligen Gerechtigkeit verstehen solle, wenn man sie gegen dies hitzige und eifrige Gebet hält; welches, wenn es jemals zu Recht hat gebetet werden können, so mag man es heute beten, da viele Fromme sind, aber der Papst Antichrist so überhand nimmt, dass er die Auserwählten nicht allein in Irrtum, sondern auch in das Übel der Strafen mit zieht, und ist hier niemand, der für uns Arme aufstehe, den Namen Gottes anrufe und ihn halte.

    Dass sich dieser Verstand schön zu dem Folgenden schicke, meine ich, sei ganz offenbar, und mag es unseren Latomis bloß daran liegen, dass sie denken, der Heilige Geist rede nicht im Ernst, sondern führe nur einige erdichtete Gerechtigkeiten an; aber da dürfte er nicht klagen, dass sie unrein würden, denn sie wären es schon. Hier aber bekennt er, dass es reine Gerechtigkeiten seien, und ist die Rede, dass sie befleckt und unrein würden, weil ihnen nicht widerführe, was rechten Gerechtigkeiten pflegt, sondern das Gegenteil, nämlich dass sie nicht auftreten und erscheinen, noch den erzürnten Gott halten am Tag des Grimms, bei welchem sie sonst alles vermögen am Tag der Gnaden. So reißt der Grimm und die Strenge der Gerechtigkeit den Gerechten und Ungerechten dahin; die Barmherzigkeit allein erhält, die erhalten werden.

    So siehst du hoffentlich, mein Leser, dass diese Stelle mit dem, was folgt, mit der eigentlichen Bedeutung der Worte, mit dem einfältigen und rechten Verstand, ohne die läppische Verwechslung der löwenischen Sophisten, für mich sei und unverrückt bestehe, und dieser Scylla ihr Gebell erachte. Es bleibt, sag ich, dabei, dass ein gutes Werk in seiner Natur, wenn die Wolke der Gnade nicht drüber schwebt, unrein sei und anders nicht als durch Verzeihung der Gnade allein rein, löblich und rühmlich geachtet werde.

    So stützt dieser Ort nicht allein meine Meinung, sondern reicht auch zugleich ein Muster dieser Lehre dar. Denn so steht es mit den Werken ohne die vergebende Gnade, wie wir Jesaja hier winseln hören. Und wenn sie doch nicht recht unrein und böse wären, würde der gerechte Gott nicht so mit ihnen handeln. In welcher Sache wir erkennen, wie reich die Gnade Gottes über uns sei, wie sie die Unwürdigen aufnehme, dass wir von ganzem Herzen dankbar seien und solchen Schatz und Reichtum der herrlichen Gnade Gottes preisen und loben. Diese Ehre Gottes und Erkenntnis der Wahrheit suchen jene Schlussmacher und Umstandsschmiede, die Sophisten, hinzurichten, da sie sich allein für die rechten Schriftausleger ausgeben und doch nichts tun, als dass sie sie in ein Haufen Stücke reißen und sie zweideutig und dunkel machen.

    Hiermit ist zugleich dem hochtrabenden Spott des Latomus geantwortet, dadurch er Luther als einen ganz ungereimten Menschen durchzieht, dass er diesen Ort nicht bloß auf die Juden, in deren Person ich gestehe, dass er geredet wurde, sondern zugleich auf die Heiligen aller Zeiten deute. Denn eben der Geist, der in Jesaja hier zu seiner Zeit und in seiner Trübsal gewesen, der ist auch gewesen in Hiob, Abraham, Adam, ja, ist noch in allen Gliedern des ganzen Leibes Christi, vom Anfang der Welt bis ans Ende, zu eines jeden Zeit und Stand der Trübsal. Es hätte denn Paulus 2. Kor. 4 nicht sagen dürfen: Und wir glauben, darum reden wir auch, weil er nicht gleiche Entzückung (Trieb, extasin) und zu eben der Zeit gehabt wie David. Die Zeiten, Sachen, Körper und Trübsale sind wohl anders, aber es ist einerlei Geist, einerlei Sinn, einerlei Speise und Trank aller, durch alles hindurch. Höre, wenn dir das nicht ansteht, so gebe ich den Mordbrennern von Löwen einen anderen Rat, nämlich den Psalter Davids zu verbrennen und einen neuen, der eure Triumphe über Reuchlin und Luther preisen, zu schmieden, weil jener nur der Juden Taten und Geschichten enthält, die sich also auf unsere neuen Dinge nicht schicken. Ihr blinden Leute und Maulwürfe! So seht ihr auch der göttlichen Schrift ins Antlitz und richtet nach den Werken, nicht nach dem Geist; wie die Juden in der Wüste, die an der Tür ihrer Hütten standen und nichts anderes sahen als Moses Rücken, der in die Hütten des Bundes des HERRN einging.

    Last uns zu dem andern fortgehen. Da ich gesagt hatte, man könne nicht von der Gerechtigkeit des Gesetzes verstehen, die vielmehr aufblähe, nicht aber demütig seufze, wie dieser Ort seufzt; so spricht Latomus: Ich setze ein falsches Ding zum Grund, denn der ganze Text handle von den stolzen Juden, die um zeitliche Erlösung anhielten. Und diese falsche Sache beweist er mit einem trefflichen Zeugnis, nämlich der Meinung des Latomus, der da glaube, dass dies von solchen Juden zu verstehen sei.

    So unterstehen sich diese Leute, auf sich selbst zu bauen und alles zu verdammen. Darum muss der Heilige Geist in der Person der Stolzen bisweilen stolzieren und vor Gott hoffärtig reden?

    Ferner, darf Latomus ebenso frech sagen, dass auch das vorige Kapitel von eben denselben auszulegen sei, da die Stolzen sagen: Warum hast du uns irren gemacht von deinen Wegen? Wir sind geworfen, wie am Anfang, da du nicht über uns herrschtest, weil Jesaja in eben dem Geist in gleichem Zusammenhang rede.

    Da ich ferner geleugnet hatte, dass die Gerechtigkeit des Gesetzes böse sei und den Gebrauch verworfen, darum sie getadelt wird: so zeigt Latomus abermals, wie gelehrt er in Heiliger Schrift sei. Er führt an 2. Kor. 3: Denn auch das, was herrlich gewesen ist, ist nicht hierin verherrlicht wegen der überschwänglichen Herrlichkeit. Hernach meint er, ich habe nie von dem Ort Hes. 19 gehört, wo steht: Ich habe ihnen nicht gute Gebote gegeben. Wenn er mündlich so mit mir handelte, dächte ich, er scherzte mit mir, wenn er wohl zu sprechen hätte, oder spottete mein, wenn er zornig wäre. Aber um der anderen willen wollen wir doch etwas davon sagen.

    Viele stehen in dem Wahn, Paulus handele von der zeremonialen Gerechtigkeit, welche zunichte (oder aufgehoben) worden ist, da er doch vom ganzen Gesetz redet, und Gesetz gegen Gnade, nicht aber Gesetz gegen Gesetz stellt. Der Irrtum kommt daher, weil sie das Evangelium für eine Lehre der Gesetze halten. Kurz: Es gibt zwei Ämter der Predigt, das eine des Buchstabens und das andere des Geistes. Der Buchstabe ist des Gesetzes, der Geist ist der Gnaden. Jene gehören zum Alten, dieser zum neuen Testament. Des Gesetzes Klarheit (oder Herrlichkeit) ist die Erkenntnis der Sünde: des Geistes Klarheit ist die Offenbarung oder Erkenntnis de Gnade, welches ist der Glaube. Darum machte das Gesetz nicht gerecht; sondern, weil es menschliche Schwachheit nicht vertragen konnte, ist noch bis auf den heutigen (tag) die Gnade mit ihm verdeckt auf dem Berg Tabor. Denn niemand kann die Kraft des Gesetzes vertragen, ohne die heilige Gnade, darum hat Mose sein Antlitz verdecken müssen. Darum verstehen die Juden das Gesetz bis auf den heutigen Tag nicht, denn sie suchen ihre Gerechtigkeit aufzurichten und wollen sie nicht zur Sünde machen lassen, dass sie der Gerechtigkeit Gottes untertan würden. Denn das macht die Klarheit des Gesetzes, dass alle schuldig werden, wie Röm. 11 steht: Er hat alles unter die Sünde beschlossen. So ist das Gesetz die Kraft der Sünde, wirkt Zorn und tötet. Der Geist aber macht lebendig.

    Was nun Hesekiel sagt: Ich habe ihnen Gebote gegeben, die nicht gut sind, und Gerichte, in welchen sie nicht leben werden; so geht das auf das ganze Gesetz, nicht bloß auf die Zeremonien. Wie auch das Wort des Paulus: Ist keine Klarheit (oder nicht verherrlicht) in diesem Stück, so vorher klar gewesen usw. ebenfalls aufs ganze Gesetz geht. Denn das ganze Gesetz ist wohl heilig, gerecht und gut gewesen, wie Paulus sagt Röm. 7. Aber was gut ist, kann uns wegen unserer eigenen Schuld nicht gut sein, und macht uns nicht lebendig, sondern tötet uns. Denn auch Gott selbst, das höchste Gut, ist doch den Gottlosen kein Gut, sondern der höchste Schrecken und Jammer, wie Hos. 5 steht: Ich bin dem Ephraim wie eine Made und dem Haus Juda wie eine Made. Ich bin Ephraim wie eine Löwin und dem Haus Juda wie ein junger Löwe.

    Ist es also ein Irrtum an unseren Meistern, die gar nichts in der Schrift wissen, und weder was Gesetz, noch was Gnade oder was zeremonialisch, was gesetzlich sei, verstehen; darum werden sie so irre, dass sie eins in das andere mengen. Ich sage demnach: Wie das Gesetz der Zehn Gebote gut ist, wenn man es hält (das ist, wenn man Glauben hat, welcher die Fülle des Gesetzes und Gerechtigkeit ist): Hingegen aber lauter Tod und Zorn, und dir nicht gut, wen du es nicht hältst, das ist, wenn du nicht Glauben hast, ob du wohl seine Werke tust. Denn die Gerechtigkeit des Gesetzes, auch der Zehn Gebote, ist unrein und durch Christus abgeschafft, ja, mehr als die zeremonialische. Denn sie ist eigentlich die Decke des Antlitzes Moses, so des Glaubens Herrlichkeit wegnimmt. So ist auch eine jede zeremonialische Ordnung gut, wen du sie hältst (du hältst sie aber nicht durch Werke, sondern durch den Glauben), das ist, wenn du sie so tust, dass du weißt, dass nicht in denselben, sondern im Glauben die Gerechtigkeit stehe. Hingegen nicht gut, sondern der Tod und Zorn, wenn du sie außer dem Glauben hältst; welches ebenso viel ist, als wenn du sie nicht hieltest. Ist also klar, dass das ganze Gesetz ein tötender Buchstabe sei, die Gnade im Glauben Christi aber ein lebendigmachender Geist.

    Da er ihnen nun das Gesetz des Buchstabens gegeben durch Mose, nicht aber das Gesetz des Glaubens; so sagt er recht, er habe nicht gute noch lebendigmachende Gesetze gegeben, weil sie sie nicht fromm und lebendig machen konnten. Die Gnade aber ist das Gesetz des Lebens, so gut, lebendig und gerecht macht. Und so will Paulus, dass die Diener des Neuen Testaments Diener der Gnade seien, nicht Diener des Gesetzes (2. Kor. 3), weil ihr Amt (Dienst) nicht Moses ist, denn das war schon dahin gelassen, sondern Christi, das ist, die Klarheit der Gnade zu predigen. Und ich möchte gerne von unseren Meistern hören, woher sie wissen, dass Hesekiel und Paulus 2. Kor. 3 nur vom Zeremonialgesetz reden? Werden sie sich nicht bloß auf ihren Kopf oder Menschenfündlein berufen? Denn so fahren die unreinen Säue daher und reißen die Sprüche der Schrift ohne Verstand an sich und verstehen daraus, was sie wollen, und wollen doch für den Glauben streiten, ehe sie ihre Waffen betrachten, ob sie gemalt oder recht seien.

    Da ich aber die Stelle Jesajas: alle unsere Gerechtigkeit, und wir alle unrein usw., so gehandelt hatte, dass ich auf der allgemeinen Redeart bestünde, weil er sagt: alle und wir, und sämtliche unsere usw., kehrt der scharfsinnige Schlusskünstler den Schluss auf mich und spricht: Schließ vielmehr so: Er spricht nicht alle, sondern wir alle; noch alle Gerechtigkeiten, sondern unsere Gerechtigkeiten; will also, dass man es auf die gottlosen Juden und nicht auf die Gläubige aller alle ziehe.

    Welches wir bereits genug widerlegt haben, weil es auf der ungewissen Meinung des Latomus beruht, ich aber bewiesen habe, dass es sich auf die Gläubigen, und selbst die besten darunter, sehr wohl schicke.

    Es hat aber der reiche Theologus auch noch eine andere Ausflucht: Lass es sein, dass er auch schlechthin gesagt hätte: all Gerechtigkeiten, und allesamt unrein; so muss man es doch nur auf einen Teil etlicher ziehen. Und ruft also hier wieder seine Redegestalt, entweder der Vergrößerung oder der Zusammenfassung zu Hilfe. Spricht man zu ihm: Woher weißt du, dass eine solche Figur hier statt habe, und dass man die Rede einschränken müsse? So antwortet er: Weil man es in anderen Stellen der Schrift so findet (wie oben zu sehen), wie: das ganze (oder alles) Haupt ist matt (traurig) usw. (Jes. 1). Da ihr denn abermals seht, dass Meister Latomus frei habe, alles in Figuren zu fassen und mit der Schrift nach seinem Willen zu spielen. Das heißt zu Löwen, die Zeugnisse der Schrift nach Meisterart wägen, gründlich lehren und die Ketzer glücklich bezwingen. Denn durch diesen Meistergriff will ich auch aus solchem Ort Jesajas herausbringen, dass nur ein Gottloser da verstanden werde, und will auch Latomus wehren, dass er nicht einmal derselben Gerechtigkeiten aus diesem Ort unrein machen und den Ort auf sie ziehen könne; auf diese Art nämlich. Wenn er spricht: alle Gerechtigkeiten sind besudelt, so antworte ich: Das muss man einschränken, wie jenes, aller Haupt traurig (Jes. 1) usw. nur auf etliche geht, wegen der Figur. Nun lasst uns diese etliche zu zweien machen und zu ihnen sagen: alle eure Gerechtigkeiten sind unrein; so werden sie sagen: Nein! Es ist nur eine Figur (oder Redegestalt), da das Ganze für die Hälfte oder einen Teil genommen wird. Scheinen wir nun, mein Leser, euch nicht fein theologisch zu lehren? Denn da Latomus genug daran hat, mit gleicher Schrift zu streiten, so glaube ich, weil er in der Schrift gelesen, dass einmal eine Jungfrau geboren, werde er Jungfrauen zu Müttern machen, so oft es ihm beliebt, weil er zeigen kann aus einem Ort, dass dergleichen einmal geschehen ist.

    So siehe mir nun die Art und Künste der Sophisten, dadurch sie nur alles ungewiss und unbeständig machen. Ihre Dekretellen (decretellum) nämlich: Verflucht ist, der da sagt, dass die Gebote Gottes unmöglich sind! das treiben sie mit solcher Strenge und Ernst, wie die Worte lauten, dass sie gar keine Silbe einer gottseligen Auslegung zulassen, und alle Welt verketzern, wenn sie dagegen mucke. Warum das? Weil es ihr Werk ist, ein ganz menschliches und vom Menschen erborgtes Wort. Wenn du aber die Schrift Gottes gegen sie gebrauchst, da haben sie hundert Ausflüchte; da sie nichts denken können, das sie nicht gleich zu einem Glaubensartikel machen, so denken sie doch nie etwas Beständiges und Einiges aus. Ich glaube, wenn Christus heute seine Stimme vom Himmel hören ließe und spräche: Luthers Meinung ist recht, so würden sie doch eine Unterscheidungsart vom rechten (oder wahren) zu schmieden wissen, damit sie nicht gezwungen wären, zum rechten Weg zurückzukehren.[4] Du aber, lieber Leser, kannst jene unstetigen Augen des hurerischen Weibes [Spr. 7] zum Zeugnis nehmen, dass bei unseren Magistern nicht einmal das Streben nach der einfachen Wahrheit ist, sondern nur nach mannigfaltigem und unbeständigem Gespött. Wenn ich mich so mit Meinungen, Gleichnissen, mannigfaltigen Deutungen abarbeiten sollte. So wollte ich kein Christ sein. Denn wie könnte ich hoffen, in diesen Stürmen und Fluten die gegründete Wahrheit zu finden? Was bleibt also übrig? Ohne Zweifel, da Latomus nicht beweisen kann, dass hier eine bildliche Redeweise sei, so wird er gezwungen sein, diesen Spruch ohne Bild in der einfachen und eigentlichen Bedeutung zuzulassen und dass alle unsere Gerechtigkeit befleckt sei und alle Menschen unrein seien ohne die Barmherzigkeit Gottes.

    Eine andere Stelle greift Latomus auch an, nämlich Pred. 7,21: Es ist kein gerechter Mensch auf Erden, der gutes tue und nicht sündige. Hier droht er mir sogar am Ende, ich solle aufhören, auf den Ruhm der Heiligen einen Flecken zu bringen, weil, nach ihm, der Ruhm der Heiligen ihr Werk ohne Sünde sein soll; wie sie Ps. 3,4 sagen: Du bist mein Ruhm[5], das heißt, du bist mein gutes Werk ohne Sünde, und Ps. 89,18: Denn du bist der Ruhm ihrer Stärke, das heißt, du bist ihr gutes Werk ohne Sünde; nämlich, dass wir uns selbst zu Göttern machen, wie jene gesagt haben, 2. Mose 32,23: Mache uns Götter, was eigentlich gesagt ist von guten Werken, womit sich jene Heiligen des Latomus brüsten. Und damit stimmt Jesaja 2,8: Sie beten an ihrer Hände Werk, welches ihre Finger gemacht haben. Denn die Heiligen Gottes werden vor Gott in ihren Werken zu Schanden und rühmen sich allein in ihm, wie Jeremia 9,23 sagt: Der Starke rühme sich nicht seiner Stärke, und Paulus 1. Kor. 1,31: Wer sich rühmt, der rühme sich des HERRN. Doch, wie gesagt, unsere Magister reden so vor allzu großer Klugheit, damit ihrer Herzen Gedanken offenbar würden, dass sie von der Gottseligkeit höhere Gedanken haben könnten als die Propheten oder Apostel fassen könnten. Denn, was Latomus von dem Glauben und den Werken ernstlich hält, das beweist hinlänglich sein Mund, der da überläuft von dem, des das Herz voll ist; die Natur kommt hier der Kunst zuvor, so dass er es nicht verbergen konnte.

    Die Folge, die Umstände und (wie er es nennt) den Faden der Rede hat hier der überaus kluge Wäger der Zeugnisse bei Seite liegen lassen, weil er die Gefahr merkte, darum nahm er zuerst seine Zuflucht zu den Auslegungen anderer und dann nach seiner Art zu einer anderen Stelle der Schrift. Gleichwohl würde auch ich, wenn ich außer diesem Spruch nichts hätte, nicht auf dieser Meinung bestehen. Ich habe sie aber darauf gegründet, weil ich gar nichts Befriedigendes gegen sie vorbringen könnte, wie es auch Latomus nicht kann, noch, wie ich glaube, irgendein anderer. Weil die Stelle darum mit deutlichen Worten hierher zu gehören scheint, auch von uns durchaus kein anderer Sinn in ihr gefunden werden kann, so habe ich sie, bis der Heilige Geist eine vollkommenere [Auslegung] gibt, mit denen verbunden, die deutlich und unfehlbar sind. Ich habe ihr auch öfter mit solchen Glossen, auf welche Latomus sich stützt, zu entgehen gesucht (elusi), aber immer hat sie Stand gehalten, hat sich dagegen gesträubt und ist in großer Übereinstimmung mit meinen anderen Stellen übereingekommen. Denn während Latomus nichts Neues beibringt, glaubt er doch, Luther habe nichts davon gesehen, und diese Leichtgläubigkeit war genug, ihn zum Schreiben zu veranlassen.

    Es ist leicht zu sagen, der Spruch: Es ist kein Gerechter auf Erden, der da Gutes tue und nicht sündige, sei ebenso viel wie 1. Kge 8,46: Es ist kein Mensch, der nicht sündige. Aber während er [der Heilige Geist] in jener Stelle einen Menschen und einen Gerechten, ferner Gutes tun und nicht sündigen miteinander verbindet, im Buch der Könige dagegen einfach sagt: Mensch und einfach nicht sündigen, so entschlüpft Latomus, indem er vor dem, was folgt, und vor den Umständen flieht, denen er doch vor allem zu folgen versprochen hatte. Ich aber, der ich sie beobachte, bleibe fest dabei, dass es nicht meine Sache sei, als ein Einsichtiger zu behaupten, Mensch und gerechter Mensch, desgleichen sündiges und Gutes tun und nicht sündigen sei ein und dasselbe. Aber ich gebe völlig zu, wenn Latomus mir diese Stelle entgegenhielte und als Verteidiger dieser meiner Meinung aufträte und behauptete, Mensch werde in der Schrift fast immer im bösen Sinn genommen für Sünder, wie 1. Mose 6,3 und 8,21: Der Mensch will sich von meinem Geist nicht strafen lassen, denn er ist Fleisch und Paulus [1. Kor. 3,4]: Seid ihr denn nicht fleischlich?; desgleichen öfter: Ich rede auf Menschenweise [Röm. 3,5]; desgleichen: von einem menschlichen Tag [1. Kor. 4,3] und Ps. 82,7: Ihr werdet sterben wie Menschen usw., so würde er mit wahrlich Angst gemacht haben. 

    Die Stelle hätte darum mit deutlichen Schriftstellen abgewiesen werden müssen, dass sie diesen Sinn nicht enthielte, oder man hätte ich weichen müssen, wenn sie dasselbe lehrt, was viele andere Sprüche. Denn es ist Ein Zeugnis, aber in seinem Mund wird das Wort nur dann bestehen, wenn ein zweiter oder dritter Spruch mit ihm übereinstimmt. Weil ich daher diese Stelle nicht aufzulösen weiß, so werde ich von ihrer Anforderung los, indem ich ihr weiche, da noch andere und deutlichere Zeugnisse hinzukommen, bis der Geist offenbart, dass Mensch so viel sei wie gerechter Mensch, und Gutes tun und nicht sündigen, so viel wie sündigen. So lange aber will ich dem folgen, wie die Worte lauten, da ich (wie gesagt) nicht folgen, sondern dahingestellt sein lassen würde, wenn ich allein vorläge. Doch ist die Bejahung dieses Sinnes sicherer als die Verneinung, auch wenn sie in der ganzen Schrift allein dies aussagte, weil hierin niemand sündigt, wenn er vor Gott seine guten Werke als unnütz, sündhaft, ja als gar keine anklagt, und mit Hiob alle fürchtet. Dagegen wäre es gefährlich, ja gottlos, wenn er nur Ein Werk vor sich rühmte und lobte. Dieser Grund zwingt sogar, diesen Sinn anzunehmen, selbst wenn der Spruch, wie Latomus will, nur zum Schein so redete. Nun aber, da er mit klaren Worten darauf hinausgeht und nur die Furcht da ist, dass er etwas Verborgenes enthalten könne, und der Sinn weder ganz dunkel noch ganz klar ist, so muss der Sinn, der mit der Gottseligkeit übereinkommt, oder selbst kein Sinn, den Vorzug haben vor einem, der gottlos ist.

    Hierzu kommt, dass auch hier im Hebräischen derjenige, welcher Gutes tut, der ist, welcher der Urheber isrt, dass Gutes da ist, so dass es nicht nur ein in der Person liegendes (personales), sondern ein wirksames, nach außen hin beglückendes Gutes (bonitatem) bezeichnet, und dennoch sagt er, dass ein solcher sündige, um wieviel mehr muss er den, der das Gute ausübt, zu einem Sünder machen! Wenn jedoch meine Kenntnis der hebräischen Sprache Glauben finden möchte, so würde ich behaupten, dass im Hebräischen dieser Sinn liege, denn es lautet so: Denn kein Mensch ist gerecht auf Erden, welcher Gute tue und nicht sündige. Der erste Teil es ist kein Mensch gerecht auf Erden beweist sicherlich das, was Latomus aus den Büchern der Könige anführt: Es ist kein Mensch, der nicht sündigt; ja, es beweist noch mehr, wie vor Augen ist. Was dann folgt, setzt auseinander, dass ein solcher sogar sündige, wenn er Gutes tut. Denn die Hebräer wissen, dass das Bindewort in dergleichen Redeweisen überflüssig gesetzt zu werden pflegt, wie z.B. 1 Mose 17,14: Wenn ein Knäblein nicht wird beschnitten an seinem Fleisch, dessen Seele soll ausgerottet werden aus seinem Volk; ferner 2. Mose 12,15: Ein jeglicher, der Sauerteig isst, und seine Seele soll umkommen aus Israel; so auch hier: Der da Gutes tue und nicht sündige ist so viel wie: der, wenn er Gutes tut, nicht sündige.

    Doch Latomus hat das nicht widerlegt, was die Folge erzwingt, da ich gesagt habe, es scheine überflüssig, dass Salomo bei einem gerechten Menschen noch hinzufügt und spricht, der Gutes tue und nicht sündige, als ob ein anderer gerecht wäre, der nicht Gutes tue; denn, was er vom Fallen und Sündigen zum Gespött gemacht zu haben glaubt, hat gar kein Gewichtr. Denn nicht danach, was Beda oder irgendein Mensch sagt, frage ich, sondern danach, was sie hätten sagen sollen. Allein auf die Schrift Gottes muss man achten, nicht nur, was gesagt wird, sondern auch, wer es sage. Auch hilft es ihm nichts, dass er die andere Stelle aus 1. Kön. 8 beibringt, da ihm gesagt wurde, dass er vorher beweisen müsse, diese Stele habe dieselbe Meinung und beweise gegen mich. Denn er durfte nicht etwas daneben setzen, [war nicht zur Sache gehört], sondern musste widerlegen. Warum hat er sonst nicht auch den Spruch eingeführt: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“? Und wie oft, frage ich, muss man ihm sagen, dass er nicht daneben, sondern dagegen setzen soll? Gleichwie ich nicht daneben und Ähnliches, sondern jenen stellen Widersprechendes gesetzt habe. Ich höre nicht darauf, so und so wird anderswo gesagt, sondern das will ich hören: Anderswo wird augenscheinlich das Gegenteil gesagt. Er tue sein „man kann so sagen“ hinweg und bringe dafür das gemeine „man muss so sagen“.

    Und das muss er tun. Denn da sie gerichtet, verdammt und verbrannt haben, auch von der Bulle gebilligt worden sind, so wäre es überaus schmachvoll für sie, dass sie sich nur auf das gestützt haben, was so gesagt werden kann, und nicht zeigen, dass es so gesagt werden muss. Denn was wird die Welt denken, wenn sie sich selbst an den Tag geben, dass sie über etwas so Zweifelhaftes ein so gewisses Urteil gefällt, aufgeführt haben und haben billigen lassen? Und wer würde da nicht bestätigen, dass Latomus, jener Verfechter der Wahrheit, da er Grund und Ursache angeben und die Wahrheit verfechten sollte, öffentlich zuschanden geworden sei und in keiner anderen Absicht geschrieben habe, als um Sophistereien und Gespött zu treiben, nicht aber, um zu lehren oder zu verteidigen? Denn das ist allzu grob Sophisterei treiben und den Verstand und das Urteil der ganzen Welt auf die Probe stellen. Ich will in Bezug auf nichts von dem Meinigen, dass es so gesagt werden könne, sondern alles, was nicht so gesagt werden muss, das mag dahin fahren und bleibe zum Disputieren. Auch wenn Latomus das zuwege brächte, dass das von mir Beigebrachte nicht zwingend wäre, so genügte dies doch nicht für die, welche Rechenschaft ablegen, nicht für die, welche verdammen, nicht für die welche das Meine verbrannt haben, als ob es gleichsam nicht nur erzwinge, sondern durchaus nicht hätte gesagt werden sollen. Was ist das für eine Leichtfertigkeit oder Dummheit, dass, wenn du es zum Gegenstand deiner Beweisführung gemacht hast, von Christus zu handeln, du alsbald ein anderes Lied vornimmst und von dem trojanischen Hektor singst?

    Unter anderem schwatzt er auch mit spitzfindigen (dialecticis) Ränken gegen Luther, als ob derselbe ohne alle Logik und Dialektik unwissend sei, und sagt: „Es ist eine ebenso schlechte Folgerung: ‚Es ist kein Gerechter, der Gutes tue und nicht sündige‘; folglich sündigt er mit einer und derselben Handlung, wie diese Folgerung: ‚Es ist kein Mensch, der lebt und den Tod nicht sehe‘, folglich lebt er und stirbt zugleich. Oder als wenn jemand sagte: ‚Es ist kein Mensch, der wachte und nicht schliefe‘ und man wollte hieraus schließen, dass er wachte und zu gleicher Zeit schliefe. Desgleichen: ‚Es ist kein Mensch, der da lebt und nicht äße‘; folglich isst er zu jeder Zeit, da er lebt.“ So weit jener.

    Lieber, gib mir einen von den Schulknaben des Latomus, der Einen Tag Dialektik gehört hat, um vor ihm seines Lehrers Geschicklichkeit zu prüfen. Sprich, Knabe: Ist jede solche Folgerung gut, dass aus etwas Unmöglichem sich alles ergibt, was einem beliebt, wie die ersten Anfangsgründe bei Aristoteles haben? Zum Beispiel, ist das eine gute Folgerung: 3 und 2 sind 8, folglich ist der Teufel Gott, nach der Regel: Auf etwas Unmögliches folgt alles Beliebige. Denn sobald der Vordersatz richtig ist, muss auch der Schluss-Satz richtig sein. Ist’s also nicht ebenso richtig gefolgert: Es ist kein Mensch, der lebt und den Tod nicht sehe, folglich lebt und stirbt er zugleich? Denn ist der Vordersatz unmöglich, da kein Lebender den Tod sehen kann, so folgt aus demselben Vordersatz auch das Gegenteil des Schluss-Satzes, nämlich: Folglich lebt und stirbt er nicht zugleich. Ebenso: Es ist kein Mensch, der wache und nicht schlafe. Folglich wacht und schläft er zu gleicher Zeit; denn der Vordersatz ist unmöglich, da der Mensch, welcher wacht, nicht schlafen kann; aber nicht umgekehrt. Folgt nicht so auch: Es ist kein Mensch, der lebe und nicht äße, folglich, wenn er nur lebt, isst er und isst nicht; ja und nein, und alles, was man nur folgern will? Warum leugnet denn dein Lehrer diese Folgerungen und verdammt sie? Warum narrt er so in einer so ernsten Sache? Oder hat die Bulle auch diese herrliche Tat gebilligt? Siehe darum, lieber Leser, wie blind diese sophistische Gehässigkeit ist, dass sie selbst diese schülerhaften Anfangsgründe und den allgemeinen Menschenverstand nicht fasst.

    Doch es wird vielleicht irgendein Anhänger des Latomus (Latomaster) sprechen: „Unsere herrlichen Magister haben das so gewollt: ‚Es ist kein Mensch, der leben und den Tod nicht einmal in Zukunft sehen wird‘ und Ä Es ist kein Mensch, der wache und nicht einmal schlafe‘, das heißt zu einer anderen Zeit, als da er wacht; und: ‚Es ist kein Mensch, der lebt und nicht einmal äße‘, doch nicht zu jeder Zeit, da er lebt. Denn hieraus folgt nicht: folglich lebt und stirbt er zugleich, wacht und schläft er zugleich, lebt und isst er zugleich.“

    Dank für den guten Unterricht. Doch das heißt unsere herrlichen Magister von einer Ungereimtheit befreien und in zwei andere stürzen. Deren erste ist, dass sie die Grammatik nicht kennen, noch den Unterschied zwischen dem Ausdruck der gegenwärtigen und zukünftigen Zeit5 wissen, indem sie eine zukünftige Sache durch die gegenwärtige Zeit ausdrücken, zugleich viele Beiwörter verbergen, vielleicht zur Strafe dafür, dass sie vorher die Kenntnis der Sprache verleumdeten und nun die Empfindungen (passiones) der Seele, die nach Aristoteles, wie der Dialog des Latomus hat, bei allen, dieselben sind, nicht ausdrücken können und, wie sie es gewollt haben, sprachlos sind. So gebe ich zu, dass dieser Schluss sehr schlecht ist: Es ist kein Mench, der lebt und den Tod nicht sehen wird (wie der 89. Psalm V. 49 hat), oder den Tod nicht bisweilen sehe, folglich lebt und stirbt er zugleich. Ebenso schlecht ist der Schluss: Es ist kein Mensch, der wache und nicht bisweilen schlafe, folglich wacht und schläft er zu gleicher Zeit. Es folgt nicht: Es ist kein Mensch, der da lebt und nicht bisweilen äße, folglich, wenn er nur lebt, isst er. Doch gegen wen streiben denn diese lächerlichen Schlüsse? Hat denn Luther gesagt: Es ist kein Gerechter auf Erden, der da Gutes tue und nicht bisweilen sündige, folglich tut er Gutes und sündigt zugleich? Wer kann mir dieses Beiwort „bisweilen“ aufzwingen? Wer kann sich erdreisten, es bei Salomo hinzuzusetzen?

    Und das ist die zweite Ungereimtheit unserer Magister, deren sie sich fast immer schuldig machen, welche man die petitio principii[6] nennt. Und weil Latomus dieselbe so häufig gebraucht, so will ich es mich nicht verdrießen lassen, den Menschen ebenso oft daran zu erinnern, ob er vielleicht aus diesem Streit wenigstens irgendeine Regel der Dialektik lernen könnte. Ich sage so, das hätte Latomus beweisen sollen, dass Salomos Spruch das Beiwort „bisweilen“ einschlösse, dadurch die Sünde auf die bösen Werke außerhalb des guten Menschen g

beschränkt bleiben würde. Aber er, als ob es schon bewiesen sei, nimmt und beweist in der fehlerhaftesten Weise das Geleugnete durch das Geleugnete.

    Aber wenn auch diese Fehler nicht wären, so stolpert er doch in der Art, etwas an sich oder als etwas Zufälliges auszusagen. Denn ich habe gewollt /was unseren Magistern alle Haare zu Berge stehen machen wird), und ich sage jetzt, dass die Sünde, wenn man an sich davon redet (praedicatione perseitatis) dem guten Werk inne wohne, so lange wir leben, gleichwie die Fähigkeit zu lachen in dem Menschen ist (ich rede nach der Art des Aristoteles, aber  nicht der Sophisten, die noch nicht wissen, was bei Aristoteles „an sich“ oder „eigenes Erleiden“ [propria passio] ist), aber Essen, Schlaf, Tod sind bei dem Menschen nur, wenn man von dem Zufälligen redet (praedicatione per accidens). Wie daher nicht folgt, der Mensch hat alle Zeit die Fähigkeit zu lachen, folglich lacht er alle Zeit, so folgt nicht, der Mensch lebt, folglich wacht, isst und stirbt er alle Zeit. Jedoch gleichwie folgt: Der Mensch lebt, folglich hat er die Fähigkeit zu lachen, zu essen, zu schlafen, zu sterben usw., so folgt auch: Der Mensch tut Gutes, folglich sündigt er. Denn der Gutes tuende Mensch ist die Grundlage (subiectum), die Sünde sein Erleiden, wie aus Salomo zu Grunde gelegt wurde.

    Darum will ich solche Folgerungen des Ansichseins besser fertig bringen als Latomus und meine Folgerung mit wahren Beispielen und mit notwendigen als notwendig erweisen. In dieser Weise folgt ganz richtig: Es ist kein Sophist zu Löwen, der die Schrift behandele und die Sprüche nicht verdrehe und die Wahrheit nicht verdamme, folglich behandelt er in derselben Handlung die Schrift und verdreht sie. Denn es ist die Art der Sophisten, bisweilen die Schrift zu behandeln, aber ihnen eigentümlich, sie zu verdrehen und zu verdammen. So folgt auch richtig: Es ist kein theologischer Stümper (theologista) zu Löwen, der da predige und nicht Fabeln und seine Träume rede, folglich, so oft er predigt, fabelt er. Denn ein theologischer Stümper maßt sich das Wort Gottes an, aber seine Eigentümlichkeit ist es, anstatt dessen Fabeln zu lehren. Desgleichen: Es ist kein Heuchler zu Löwen,  der Messe halte und nicht einen Abgott anbete, folglich, so oft er Messe hält, betet er einen Abgott a; denn alle Vordersätze sind notwendig und an sich so, da sie nicht anders sein können. Du wirst mir, gottseliger Leser, dies mein albernes Geschwätz verzeihen und es dem Latomus zurechnen, der sich nicht scheute, in dieser so ernsten Sache die Wahrheit mit solchen Possen zu verleumden. Ich wollte diese Spitzfindigkeiten übergehen, aber, eingedenk des Gepränges und der Bulle, fürchtete ich, einfache Leute könnten glauben, dass diese Narrenpossen wirklich etwas taugten. Wenn sie Geltung hätten, würden sie meine Meinung einer unglaublichen Ungereimtheit überführen. Darum musste ihm so vergolten werden, was er verdiente. Solche Leute sind es, welche der Papst billigt und sie die gläubigen Bebauer des Ackers des HERRN nennt, allein zu meinem Unglimpf, nicht aus Wohlgefallen an ihnen, womit sie sich doch allein brüsten.

    Dass er aber den Hieronymus hinzufügt, welcher lehrt: „Kein Mensch ist, der nicht sündige“, sei so viel als, er sei nicht beständig ohne Sünde, das heißt, es sei kein Gerechter, der Gute tue, der nicht sündige, müsse so verstanden werden, dass er bisweilen sündigt, wie man von David liest, dass er allen Willen Gottes getan und doch bisweilen gesündigt habe. Wiederum bringt hier Latomus sein: „Es kann so gesagt werden“ und weist doch nicht nach, dass so gesagt werden muss. Lieber, wer zweifelt, dass die Heiligen bisweilen sündigen? Aber Latomus hätte dies beweisen müssen, dass solches des Salomo Meinung in dem vorliegenden Spruch sei. Sein zweiter Fehler an dieser Stelle ist, dass er von etwas Ähnlichem schließt. Der dritte Fehler ist die petitio principii, weil er die Ähnlichkeit nicht zuvor beweist.

    Ich gebe die angezogene Meinung des Hieronymus zu, aber ich leugne, dass dies die gleiche und selbe Meinung des Salomo sei. Was soll man nun machen? Auch ich werde wiederum den Latomus anschreien: „Hörst du, Latomus, deine Begründung, die du übernommen hast, ist die: Eoin gutes Werk ist nicht Sünde, und den Satz: Ein gutes Werk ist Sünde, musst du widerlegen, nicht jenen beweisen: Die Heiligen sündigen bisweilen; auch nicht jenen widerlegen: Die Heiligen sündigen nie. Denn darüber streitet niemand mit dir. Nun denkt Hieronymus an dieser Stelle nicht einmal an diesen Spruch des Salomo, geschweige denn, dass er bewiese, derselbe habe den Sinn, den Latomus aus ihm vorbringt. Es ist eine ganz abgeschmackte Folgerung: Hieronymus sagt, dass die Heiligen bisweilen sündigen und nicht immer ohne Sünde sind, folglich will Salomo dasselbe, wenn er sagt: Es ist kein Gerechter auf Erden, der da Gutes tue und nicht sündige. Warum sagst du nicht auch, was Petrus sagt: Liebe Brüder, wacht und seid nüchtern? Du ziehst Folgerungen und beweist sie nicht; sodann willst du den Sinn einer Stelle in eine andere gewaltsam hineintragen aus eigener Macht, als ob dir die ganze Welt ohne irgendein Zeugnis glauben und nachgeben müsse. Bringe so viel Stellen zusammen, wie du willst, aber sei eingedenk, dass du auch beweisen musst, dass sie dieselbe Meinung haben, für die du sie angesehen haben willst. Denn dies, mein lieber Latomus, war die Aufgabe, die auf dich genommen hast; hast du diese nicht vollbracht, so hast du nichts ausgerichtet. Es steht meine Meinung und mein Salomo noch fest, und ihr werdet als Mordbrenner und Gottesräuber überwiesen werden. Ob aber Hieronymus den Spruch: „David hat allen Willen Gottes getan“ und doch bisweilen gesündigt, richtig behandelt habe in dem, dass er sagt, Gott habe gesagt „allen Willen“, aber nicht hinzufügt „beständig“, lasse ich dahingestellt, da es nicht zu dem gehört, was uns vorliegt. Wir sagen, es geschieht aller Wille Gottes so, dass er jedem unserer Werke verzeiht, wie Augustinus spricht: „Die Gebote Gottes werden erfüllt, wenn das, was nicht geschieht, verziehen wird“. Hier disputieren wir nicht von jenen groben Sünden, mit denen auch die Heiligen bisweilen sündigen, sondern von der täglichen, uns anhängenden, gleichwie sie auch selbst von einer lässlichen reden. Des Hieronymus Auslegung scheint mir ziemlich hart: Alle, das heißt, bisweilen oder die meiste Zeit; ich verdamme sie jedoch nicht wegen jener bildlichen Redeweise der Synekdoche.

    Sodann irrt er augenscheinlich, dass er den Paulus beschuldigt, als habe er entweder gesündigt oder kein gutes Werk getan, da er an Timotheus schrieb in Betreff der Pergamente und so oft er der notwendigen Bedürfnisse dieses Lebens gedacht hat. Wo ist nun hier jener Prahler, der sagte, er wolle die Zeugnisse wägen, nicht zählen? Es ist ein Irrtum, sage ich, zu behaupten, Paulus habe hierin nichts Gutes getan. Paulus selbst sage viel besser [Kol. 3,18; 1. Kor. 10,31]: Ihr esst nun oder trinkt oder was ihr tut, so tut es alles in dem Namen des HERRN Jesus Christus.“ Das gewöhnliche Leben des Gerechten ist nichts als lauter gute Werke, Denn nicht eine Klaue von seinen Schafen hat Christus in Ägypten gelassen. Dies sage ich, damit die Sophisten wissen, dass die heiligen Väter, wie sie bisweilen gesündigt haben, was Latomus aus Hieronymus an dem Beispiel Davids nachweist, so auch bisweilen geirrt haben, was ich hier an Hieronymus nachweise. Demgemäß haben ihre Zeugnisse den größten Wert, wenn sie sich auf klare Schriftstellen stützen; wenn nicht, so sollen sie mir nicht daherschreien und sich brüsten, als hätten sie gesiegt, weil das Zeugnis irgendeines Heiligen auf ihrer Seite stände. Wir sind im Streit, wo man sich auf göttliche und zwar gewisse und augenscheinliche Zeugnisse stützen muss. Die menschlichen aber mögen bei vertraulichem Zureden und in einer Rede an das Volk ihre Geltung haben.

    Doch, weil er den Paulus als ein Beispiel anzieht, der ein gutes Werk ohne Sünde getan habe, so wollen auch wir diese Personendichtung (prosopopoeiam) unternehmen. Stellen wir also St. Paulus oder Petrus vor, wie er betet oder lehrt oder sonst ein gutes Werk wirkt. Wenn das gute Werk ohne Sünde und ohne Fehler ist, so kann er mit der gebührenden Demut vor Gott stehen und so sprechen: „Siehe, HERR Gott, dieses gute Werk habe ich durch die Hilfe deiner Gnade getan; es ist in ihm kein Fehler oder irgendeine Sünde, noch bedarf es deiner verzeihenden Barmherzigkeit, die ich darüber auch nicht erbitte; ferner will ich, dass du nach deinem wahrhaftigen und strengsten Gericht es richtest. Denn dessen kann ich mich vor dir rühmen, dass auch du es nicht verdammen kannst, weil du gerecht und wahrhaftig bist; ja, ich bin gewiss, wenn du dich nicht selbst verleugnest, wirst du es nicht verdammen. Es ist nicht mehr Barmherzigkeit nötig, die in diesem Werk die Schuld erlasse, wie dein Gebet [Vaterunser] lehrt, dass ist hier schlechterdings inhaltsleer, sondern nur Gerechtigkeit, die dasselbe kröne.“

    Schauderst und schwitzt du nicht, Latomus? Es ist gewiss, dass all dieses von einem solchen Werktreiber gesagt werden könne, ja müsse, weil man die Wahrheit sagen muss, zumal vor Gott, denn nicht einmal um Gottes willen darf man lügen. Aber die Wahrheit ist, dass ein Werk, das ohne Sünde ist, des Lobes würdig, der Barmherzigkeit aber nicht bedürftig ist, das Gericht Gottes nicht fürchtet, ja schon auf das Werk selbst und das erhaltene Geschenk der Gnade vertrauen und hoffen darf, weil wir etwas haben, das wir sogar Gott selbst und seinem Gericht und seiner Wahrheit entgegenhalten können. Daher müssen wir ihn auch nicht mehr fürchten und auf seine Barmherzigkeit nicht vertrauen. Ist es nicht so, Latomus, dass dies alles folgen und geschehen muss? Denn wenn Gott auch gute Kreaturen zerstört, so verdammt und verwirft er sie darum nicht. So könnte er freilich auch einen solchen Heiligen mit seinem Werk zerstören, aber er kann ihn doch nicht verdammen oder verwerfen, denn die Wahrheit bleibt fest: Du liebst Gerechtigkeit und hasst gottloses Wesen. [Ps. 45,8.] Und so haben wir durch die Gnade Gottes etwas, das wir auch in diesem Leben und vor dem Gericht Gottes entgegenhalten und sowohl seine Barmherzigkeit als sein Gericht sicher beiseite setzen können.

    Und so bleibt dann der Spruch Ps. 143,2: Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht, denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht? Oder ist hier „kein Lebendiger“ eine Synekdoche, das ist, viele oder einige Lebendige? Aber auch Paulus spricht 1. Kor. 4,4: Ich bi mir wohl nichts bewusst (siehe da die guten Werke), aber darin bin ich nicht gerechtfertigt. Wie nicht gerechtfertigt, da doch in einem guten Werk Gerechtigkeit und keine Sünde sein soll? Sicherlich hast du das Evangelium mit allen Kräften gepredigt, du hast, wie Latomus sagt, eine Kollekte gesammelt mit allen tugendhaften Umständen, die auch von Aristoteles gefordert werden. Sicherlich kannst du nicht leugnen, dass dies Werk gut gewesen sei, wie bist du also darin noch ein Sünder? Oder bist du nicht ein Sünder, da du dich darin nicht gerechtfertigt nennst? Oder lügst du sogar, dass du dich nicht gerechtfertigt nennst, während du doch gerechtfertigt bist? Wenn du den Latomus hörst, so solltest du nicht sagen: Auch richte ich mich selbst nicht, der HERR ist es aber, der mich richtet, sondern du solltest sagen: Ich richte mich selbst, weil ein gutes Werk sein Gericht nicht fürchtet, denn es ist gerecht. Entweder also lästern Leute wie Latomus Gottes Barmherzigkeit und Gericht mit ihren Werken ohne Sünde, oder du, Paulus, lügst, ja lästerst auch selbst die Wahrheit, die von ihnen gelehrt wird. Es können nicht beisammen stehen: Ich habe ein Werk ohne Sünde; und: Darin bin ich nicht gerechtfertigt. Mache Gott nicht ungerecht, dass ein gutes Werk ohne Sünde nicht rechtfertige. Denn was sollte er darin verdammen? die Unvollkommenheit? Aber diese ist nicht Sünde, sondern eine Strafe, welche die Güte [des Werkes] vermehrt, dass es vielleicht sogar besser ist, viele dergleichen Unvollkommenheiten zu haben, als wenige.

    Aber du sagst: Jeremia spricht Kap. 17,16: Aber ich bin drum nicht von dir geflohen, mein Hirte, so hab ich Menschentage nicht begehrt, das weißt du; was ich gepredigt habe, das ist recht vor dir und 2. Kön. 20,3 spricht Hiskia: Ach HERR, gedenke doch, dass ich vor dir treu gewandelt bin und mit rechtschaffenem Herzen und habe getan, das dir wohlgefällt. Ich antworte: Er spricht aber nicht, dass er gerade in diesen Dingen nicht gesündigt habe, indem er fast dieselbe Meinung wie der Apostel ausspricht: „Ich bin mir wohl nichts bewusst“, ich habe getan, was dir wohlgefiel und alles, was mir geboten wurde, aber hierin bin ich nicht gerechtfertigt. Er spricht nur, soweit er sich bewusst ist. Zudem rufen die Heiligen im Psalter und überall an anderen Stellen das Gericht Gottes an für ihre Sache gegen die Gegner. Und doch werden diejenigen, welche vor den Menschen und ihrem Gewissen untadelig sind, vor Gott hierin nicht gerechtfertigt, wohl aber in einem anderen, nämlich in Christus. Wenn also der Apostel zu sagen wagt, er sei sich nichts gewusst und darin doch nicht gerechtfertigt, um wieviel mehr sind dann Hiskia und Jeremia in dem nicht gerechtfertigt, was sie anführen, da es viel größer und vollkommener ist, sich nichts bewusst zu sein, als in der Wahrheit zu wandeln und zu tun, was Gott gefällt. Denn diese können sich immer noch etwas bewusst sein, wie auch Latomus aus Hieronymus beweist.

    Übrigens ist es um das Wort eine ganz andere Sache; denn da wagt auch Paulus zu sagen, Gott könne nicht lügen, noch sich selbst verleugnen, denn das Wort ist sein, nicht unser, auf dem können wir mit Zuversicht stehen, auch vor ihm, und sprechen: „ich weiß, dass du dieses nicht verdammen kannst, denn es ist gerechtfertigt in sich selbst, es ist sich nicht einmal irgendeiner Sache bewusst, es fürchtet dein Gericht nicht, noch sucht es Barmherzigkeit; zudem können wir es dir auch entgegenhalten, da es dir in allem gemäß ist“ usw. Aber im Gebrauch, im Dienst und in der Behandlung des Wortes können wir das nicht, weil hier das Unsrige hinzukommt. Daher spricht Jeremia sehr wohl: Was ich gepredigt habe, das ist recht vor dir. Zudem müssen wir für das Wort sterben, da wir so gewiss sind, dass es die reine Wahrheit ist; aber wer sollte es wagen, für sein gutes Werk, das ohne alle Fehler wäre, zu sterben? Denn auch Paulus, wenn er zu Timotheus [s. Ep. 4,7] sprach: Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben behalten, hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der HERR an jenem Tag, der gerechte Richter, geben wird, sagt nicht, dass er hierin gerechtfertigt sei, sondern redet Ähnliches wie Hiskia, unter Voraussetzung der Barmherzigkeit, durch deren Wohltat er, da er sich nichts bewusst ist, die Krone der Gerechtigkeit erwartet. Das tun auch alle Gläubigen, denn die Hoffnung erwartet nicht Zorn, sondern Herrlichkeit, wie es Tit. 2,13 heißt, aber nicht in den Werken, sondern in der Barmherzigkeit Gottes.

    Wie aber? Wenn Latomus und seine Leute hier entschlüpfen wollten und sagen: Wir wollen nicht, dass es so geschehe, denn niemand ist sicher, ob er ein solches Werk habe. Was höre ich? Sind wir Stoiker oder Akademiker, dass wir nichts für gewiss halten? Wahrlich, ich glaube nicht, dass sie so toll sind. Denn was wäre ungereimter, als gute Werke lehren und zugleich nicht wissen, was gute werke sind, oder doch kein Beispiel zeigen können. Denn Paulus [1. Kor. 4] zweifelt durchaus nicht, auch David nicht; denn er spricht nicht: Ich bin zweifelhaft; sondern: Ich bin mir nichts bewusst. Und Hiskia spricht nicht: Ich bin zweifelhaft, ob ich getan habe, was dir wohlgefällt. Und David, Ps. 7,9, spricht nicht: Richte mich nach meinem Zweifel; sondern: „nach meiner Gerechtigkeit, die ich habe“. Wiederum zweifelt Paulus [1. Kor. 4] nicht, ob seine Werke in Sünde geschehen; denn er spricht nicht: Aber hierin zweifle ich, ob ich gerechtfertigt bin; sondern so: Darin bin ich nicht gerechtfertigt. Und David spricht nicht [Ps. 143,2]: Wer weiß´, ob vor dir ein Lebendiger gerecht wird; sondern: Denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht. Denn wer würde sich zu einem guten Werk überreden lassen, wenn er zweifeln müsste, was ein gutes Werk wäre? Wer möchte im Zweifel oder aufs Ungewisse laufen, wie der Apostel spricht [1. Kor. 9,26] und Luftstreiche machen wissentlich und vorbedacht? Dann würde es in #wahrheit niemals Frieden geben, da man gute Werke haben muss, und niemand in seinem ganzen Leben wüsste, wann er sie hätte.

    Daher hat uns Gott auf das Beste beraten, da er uns über beides gewiss machte, indem er Gal. 5,22 lehrt, dass die guten Werke offenbar seien, dir Früchte aber des Geistes sind Liebe, Freude, Friede usw., und Matth. 7,16: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Wiederum macht er uns gewiss, dass sie nicht ohne Fehler und Sünde seien (damit wir nicht unsere Zuversicht darauf setzten), so dass wir in jedem Werk nicht mit zweifelhaftem und trügerischem Bekenntnis uns als Sünder anerkennen können und als Leute erfunden werden, denen Barmherzigkeit widerfahren ist [Jes. 57,1, nach der Vulgata; 1. Tim. 1,13]. Ferner, damit wir einen unfehlbaren Frieden hätten, hat er uns sein Wort in Christus gegeben, auf welches wir uns mit Zuversicht stützen und sicher sein könnten vor allem Bösen. Denn gegen das Wort vermögen auch die Pforten der Hölle mit allen Sünden nichts. Dort ist der Fels unserer Zuflucht, dort können wir auch mit Jakob gegen Gott ringen und ihn mit seinen eigenen Verheißungen, seiner Wahrheit und mit seinem eigenen Wort (so zu sagen) zu zwingen wagen. Denn wer will Gott und sein Wort richten? Wer will auch den Glauben an sein Wort anklagen oder verdammen? So sollen denn auch meine Leute wie Latomus aufhören, der Herrlichkeit Gotts einen Makel anzuhängen, und ihr lästerliches Maul im Zügel halten, auch uns nicht den Abgott unseres zweifelhaften und ungläubigen Werkes aufrichten, damit nicht auch wir unsere Ehre verwandeln in das Gleichnis eines Kalbes, das da Heu frisst [Ps. 106,20].

    Am Ende ist er unwillig, dass ihnen vorgeworfen worden sei, sie verständen nicht, was Sünde sei nach dem Gebrauch der Schrift. Lasst uns sehen, spricht er, in der Schrift, was Sünde sei; dann nimmt er die Sünde in vierfacher Weise, erstlich für die Ursache der Sünde, zweitens für die Wirkungen oder Strafen derselben, drittens das Opfer für die Sünde, viertens für die Schuld selbst, dadurch die Seele schuldig wird. Und ich wundere mich, warum sie dieselben nicht auch fünftens für die Belohnung der Sünde genommen haben; sodann hätte diese fruchtbaren Unterscheider, damit wir den ganzen Aristoteles hätten, auch die Sünde an sich und die Sünde als Zufälliges nehmen können. Wenn ich nun hier fragen wollte: Was ist das für eine Schriftstelle, darin dieses Viergespann von Sünden dem Latomus erschienen ist? so antwortet er, Origenes und Ambrosius nennen den Teufel Sünde und Augustinus die nach der Taufe zurückbleibende böse Lust oder ihre Anreizung. Hieraus schließe ich, dass Origenes, Ambrosius und Augustinus die Heilige Schrift sind, auf diese Weise werden durch die guten Werke nicht nur die Götter vermehrt, sondern auch die Schriften der Götter durch die Sünden. Denn was wären die Götter, wenn sie uns nicht auch heilige Schriften geben würden? Danach leugnet er, dass der ein Sünder genannt werde, der Sünde nach der zweiten Art hat, das heißt, böse Lust oder deren Regung nach der Taufe.

    Doch lassen wir diese Ungeheuerlichkeiten fahren und kommen zur Sache. Hier rate ich dir, mein lieber Leser, dass du frei und ein Christ seist, der auf keines Menschen Wort geschworen hat, und ein beständiger Bekenner der Schrift. Wenn sie etwas Sünde nennt, so hüte du dich, dass du dich durch niemandes Worte bewegen lassest, da sie, die besser reden wollen, die Sünde selbst leugnen und sie bald als eine Unvollkommenheit, bald als eine Strafe, bald als einen Mangel bezeichnet haben wollen, wodurch sie die Worte Gottes abschwächen und verspotten, da die Schrift nichts davon hat. Du aber glaube, dass es der Heilige Geist wohl verstanden habe, seine Sachen mit passenden Worten auszusprechen, so dass er der Menschenfündlein nicht bedurfte. Denn es ist unglaublich, wie Paulus die Sophisten quält, indem er Röm. 6,7 und 8 die nach der Taufe noch zurückgebliebene böse Lust Sünde und nicht Strafe nennt. Wenn sie könnten, würden sie dies Wort mit viel Geld erkaufen.

    St. Hilarius hat mit Recht dafür gehalten, dass man außer der himmlischen Vorschrift nichts behaupten dürfe; wer dies aber versuchen würde, der verstände sie entweder nicht oder ließe sie andere nicht verstehen, was auch diesen Leuten bei dem Wort Sünde an dieser Stelle des Paulus widerfahren ist. Es merken aber die Sophisten nicht, wie ungereimt und unglaubwürdig es ist, die Sünde an dieser Stelle Strafe der Sünde zu nennen, und dass dies auf kein anderes Zeugnis der Schrift hin gelehrt werden kann, was doch im Streit der Fall sein sollte, damit dem Gegner der Mund gestopft würde, wie Paulus dem Titus befahl. Aber sie können dies nicht nur nicht lehren, dass Sünde an dieser Stelle Strafe sei, sondern obenein vermag nicht einmal die Löwener Weise, Theologie zu treiben, hier etwas, dass aus der Schrift wenigstens auch nur Eine andere Stelle vorgebracht würde, in welcher Sünde in ähnlicher Weise diese Strafe bezeichne, wenn er auch dieser Stelle nicht Gewalt antäte, dass sie von einer solchen Sünde zu verstehen sei. Da sich aber gerade hierin der Angelpunkt fast der ganzen Frage befindet und der ganze Wirrwarr der unförmlichen Masse des Latomus mit diesen Spielereien und Zweideutigkeiten des Wortes Sünde sich brüstet, so müssen wir damit umgehen, die Wahrheit so zu behaupten, dass der Gegner keine Gelegenheit mehr habe, sie zu verspotten, aber er hat sie, wen wir nicht beweisen können durch die Schrift, dass Sünde auf diese Weise nicht unterschieden und nicht mehrdeutig genommen werden dürfe. In Wahrheit können weder sie noch wir dies beweisen. Darum müssen wir bei der einfachen und beständigen Bedeutung verbleiben und nicht darüber hinausgehen, bis uns eine klare Schriftstelle darüber hinauszugehen zwingt. Wir müssen dies darum ein wenig höher anfangen.

    Vor allem zweifle nicht, dass Sünde in der Schrift nicht in vielfacher, sondern in einer einzigen, ganz einfachen Weise genommen werde, und lass dir das durch die geschwätzigen Sophisten nicht abdringen. Sünde aber ist nichts anderes als das, was nicht nach dem Gesetz Gottes ist. Denn der Spruch steht fest Röm. 3,20: Durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde, gleichwie umgekehrt durch die Sünde Unkenntnis des Gesetzes; denn die Sünde ist Finsternis, die durch das Gesetz erleuchtet und offenbar wird, so dass sie erkannt werden kann. Das aber behaupten wir gern und freuen uns, dass sich die Schrift sehr häufig grammatischer Figuren bedient, der Synekdoche[7], der Metalepsis, der Metapher und der Hyperbel, ja, in keiner anderen Schrift gibt es häufiger bildliche Redeweisen. So ist Himmel in der ganzen Schrift nur ein einfaches und eindeutiges Wort, welches das obere Weltgebäude (machinam) bezeichnet; dennoch wird es Ps. 19,1 durch eine Metapher für die Apostel gesetzt. Was die Erde als einfaches Wort bedeutet, weiß jedermann, metaphorisch aber bezeichnet es die Gottlosen, die von Lastern und allem Bösen zertreten werden. Sollte nun jemand behaupten wollen, dass diese Worte nichtsdestoweniger viele Bedeutungen hätten, so antworte ich: Wenn du so willst, so widerstreite ich nicht, aber was ist dann dies für ein Wörterbuch, das du hast, das uns die Wörter lehren soll? da ja dergleichen bildliche Ausdrücke in der Willkür oder, so zu sagen, im Belieben derer stehen, die sie gebrauchen? Wie Horaz lehrt:[8]

    Dixeris egregie, notum si callida verbum Reddiderit iunctura novum.

    [Zu deutsch: Man kann etwas herrlich ausdrücken, wenn eine scharfsinnige Gedankenverbindung ein bekanntes Wort zu einem neuen macht.]

Zum Beispiel: Fahne hält jedermann für ein einfaches Wort; aber wenn ich sage Kreuzesfahne oder Fahne des Wortes, so sieht jedermann, dass aus einem ganz bekannten Wort in trefflicher Weise ein neues geworden ist,. und wenn jemand diese prächtigen Neubildungen zu eigenen Bedeutungen machen wollte, was würde dabei herauskommen? Wirst du nämlich darum in dein Wörterbuch schreiben: Fahne bedeutet bisweilen das aufgelegte Kreuz und das gepredigte Evangelium? Persius nennt die Zwiebel mit einem Unterkleid (tunicatum) bekleidet. Ist darum so zu schreiben: Merke, Unterkleid bedeutet eine Zwiebelschale?

    Daher gefallen mir jene hebräischen Sprachkünstler nicht, die einem Wort so viele Bedeutungen beilegen, nach dem Vorgang jener Chaldäer Onkelos und Jonathan, deren Beschäftigung es gewesen zu sein scheint, das, was die Schrift mit den schönsten und zierlichsten Redebildern ausspricht, für die Ungelehrten herauszuziehen und mit einem groben und einfachen Ausdruck wiederzugeben. Daher sind dann in dieser Sprache jene Zweideutigkeiten ohne Ursache entstanden und eine Art babylonischer Verwirrung der Wörter. Denn durch die Mannigfaltigkeit werden Verstand und Gemüt außerordentlich zerstreut. Wenn man nur eine einzige einfache Bedeutung (so oft es geschehen kann) aufgestellt und alle anderen Bilder und verblümten Redeweisen beiseite gesetzt hätte, so hätte man auf ruhige und leichte Art jene ganze Verwirrung beheben können. Ferner würde man auch dem Gedächtnis und dem Verstand in außerordentlicher Weise zu Hilfe kommen und nicht minder zugleich das Gemüt mit süßem Behagen einnehmen. Denn ich weiß nicht, was für eine Kraft dieser bildlichen Redeweise innewohnt, dass sie so mächtig eingeht und Eindruck macht, so dass ein jeder Mensch von Natur gern bildlich reden hören und sprechen mag.

    Klingt es nicht viel lieblicher [Ps. 19,1]: Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, als das: Die Apostel predigen das Wort Gottes? Und wenn Mose 5. Mose 4,9 von den Gestirnen spricht, die nicht angebetet werden sollten: Dass du sie nicht anbetest und ihnen dienst, welche der HERR, dein Gott, verordnet hat allen Völkern unter dem ganzen Himmel. Wenn du das hebräische Wort in seiner Einfachheit mit Einschluss der Metapher wiedergibst, so kannst du gewiss nichts Süßeres, Gewaltigeres, Völligeres hören; denn so lautet es hebräisch: Welche der HERR, dein Gott, allen Völkern unter dem Himmel zur Liebkosung gemacht hat. Ich bitte dich, welch eine Anleitung zur Gottseligkeit? Welch eine Erregung der Empfindungen? Welch ein Ergötzen liegt nicht in diesem Wort? Dass Gott, der HERR, jene Gestirne des Himmels allen Völkern gegeben habe, um ihnen gleichsam zu schmeicheln und ihnen Liebkosungen zu erweisen, damit er sie durch seine süßeste und zarteste Güte an sich locken und durch diese sanften Wohltaten einladen möchte zur Liebe gegen ihn, gleichwie eine Mutter ihr Kind auf ihren Knien liebkost.

    Wenn du mir nun hier mit Doppelsinnigkeiten kommst und behauptest, dieses Wort bedeute an dieser Stelle eigentlich er hat ausgeteilt oder, wie unser Übersetzer [Vulgata] übersetzte er hat geschaffen, so muss ich dir zwar nachgeben, aber wie große Lieblichkeit hast du nicht dadurch zugleich beraubt und gleichsam aus dem Paradies auf die Erde gestoßen, indem du allzu eigentlich und ohne Bild redest, während ich doch in dem Bild nicht weniger mit Vergnügen auch deine Bedeutung besaß! Denn dass davon[9] Anteil, Teil, Loss, Erbe gesagt wird, wer sieht nicht, dass das daher stammt, dass Gott einem jeden freundlich sich erweist nach seinem Bedürfnis und seine Liebkosungen zu unserem Anteil macht, so dass du sagen kannst: Das ist für mich eine Liebeserweisung Gottes und mein Anteil, und daher scheint die Bedeutung des Wortes Teilung durch eine Metalepsis herausgezogen worden zu sein. Dahin gehört auch der Spruch 1. Mose 49,7: Ich will sie zerteilen in Jakob. Aber Ps. 5,10 heißt es: Mit ihren Zungen heucheln sie, anstatt mit ihrer Zunge liebkosen sie, welches das anmutige Wort beibehält. Daher hättest du das, woraus du gleichsam drei Worte machst, teilen, liebkosen und schaffen, nach dem Gebrauch der Verfasser, die entweder das Bild anwandten oder das Redebild aufhoben, mit größerer Anmut und Deutlichkeit in einem einzigen Wort zusammenfassen können.

    So, wenn es 5. Mose 6,7 heißt: Und du sollst sie deinen Kindern erzählen, so klingt es stärker, wenn du [nach dem Hebräischen] gesagt hättest: Und du sollst sie deinen Kindern einschärfen.[10] Dass es nämlich nicht eine einfache Erzählung sein soll, beweist das Folgende: und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Willst du dagegen sagen, „einschärfen“ gehe nicht auf Worte, sondern auf eisernes Gerät, so dass hier dies Wort im eigentlichen Sinn „wiederholen, erzählen, eindringlich sagen“ bedeuten müsse, so will ich dir das zugeben, aber ich will doch mehr der ersteren als der annehmlicheren und vielleicht alleinigen Bedeutung glauben. Denn dem Nachdruck dieses Wortes scheint auch Paulus 2. Tim. 4,2 nachgeeifert zu haben, wo er sagt: Halte an, es sei zu rechter Zeit oder zur Unzeit; strafe, drohe, ermahne. Was heißt das anders, als dass man das Wort Gottes beständig treiben und einbläuen, einschärfen und im Glanz erhalten müsse? Damit nämlich keine Menschensatzungen Eingang finden und das Wort Gottes stumpf machen und jenes Wort des Predigers Anwendung finde [10,10]: Wenn das Eisen stumpf wird und an der Schneide ungeschliffen bleibt, muss man’s mit Macht wieder schärfen usw.

    Und 2. Mose 32,25, wo es heißt: Da nun Mose sah, dass das Volk bloß geworden war, denn Aaron hatte es los gemacht um der Schmach und Schande willen und hatte es bloß unter seine Feinde gestellt [nach der Vulgata], so will ich mich nicht hindern lassen, dasselbe besser so wiederzugeben: Und Mose sah, dass das Volk los geworden war (denn Aaron hatte es los gemacht durch sein Geschwätz, damit er sie fein wollte anrichten). Diesem Wort eiferte Paulus an die Galater [5,4.11] nach und sprach: Ihr habt Christus verloren, und: Das Ärgernis des Kreuzes hat aufgehört, das heißt, das Ärgernis ist zu Ende, nun nicht mehr wirksam, und auch Christus ist nicht mehr in euch tätig. Ebenso hatte es hier Aaron mit seinem Kalb dahin gebracht bei dem Volk, dass es weder von Gott getrieben wurde, noch Gott in ihm wirkte, sondern, los von allen göttlichen Werken, war es angerichtet zum Ruhm der eigenen Gerechtigkeit. Fasse ich in diesem Wort nicht schön zusammen nicht nur die Blöße selbst, sondern auch, was sie sei und anzeige? Dass es nämlich kommen werde, wie auch Aaron getan hatte, dass die Priester das Volk vom Gesetz Gottes abziehen und, wenn es nun los von den göttlichen Wirkungen wäre, es in ihren [der Priester] eigenen Werken anrichten würden; wie auch Paulus spricht [Gal. 6,13]: Sie wollen, dass ihr euch beschneiden lasst, auf dass sich von eurem Fleisch rühmen können. Denn diesen Ruhm tastet Mose an, wenn er sagt, das Volk sein von Aaron lose gemacht worden und doch zu seiner Schande angerichtet, auf dass er damit selbst gebrandmarkt würde, da auf sein Betreiben das Volk so geworden war; was Hieronymus ausdrückt: „um der Schande des Schmutzes willen und hatte es bloß unter die Feinde gestellt“, was doch weder auf die Sache noch auf den Wortlaut Bezug hat, man wollte denn alles zweideutig machen, was ich nicht verwehren will. Von diesem Wort[11] hat der König von Ägypten den Namen Pharao, weil er der König eines solchen Volkes ist, das los von den Werken Gottes und nur in seinen eigenen Werken tätig war.

    Nun noch eins. In Psalm 119 wird häufig das Wort „nachdenken“ wiederholt; so. z.B. [V. 24]: Deine Zeugnisse sind mein Nachdenken; und [V. 16.117]: Ich will nachdenken deinen Rechten allezeit; und dies wird in den verschiedensten Weisen in verschiedener Fassung ausgedrückt; doch kann ich leicht sie alle in Eine Bedeutung zusammenfassen, nämlich was man gewöhnlich im Deutschen ausdrückt: „freundlich zu ihm tun, fein zu ihm stellen“[12], wie es 1. Mose 4,4 f. heißt: Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer; aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Anders Spr. 8,30: Ich hatte meine Lust täglich und wiederum [V. 31]: Meine Lust ist bei den Menschenkindern. Jes. 17,7.8: Zu der Zeit wird sich der Mensch halten zu dem, der ihn gemacht hat, und seine Augen werden auf den Heiligen in Israel schauen, und wird sich nicht halten zu den Götzen. Ferner Jes. 66,12: Auf den Knien wird man euch freundlich halten; wiederum Jes. 6,10: Und blende ihre Augen. Ich bitte dich, es mögen alle diese Bedeutungen richtig sein, so dass ein und dasselbe Wort „nachdenken“ sich halten, seine Lust haben, ansehen, freundlich halten, blenden und vielleicht noch mehr bedeuten kann. Ist es aber recht, aus Einem Wort so viele zu machen, während du doch entweder alle oder die meisten in Eine Bedeutung zusammenfassen könntest und sie allein durch bildliche Redeweise verändern? Gott sah an Abel, das heißt, während er dies tat, neigte er sein Gemüt zu ihm. Die Weisheit hat ihre Lust täglich, das heißt, während sie dies tut, neigt sie ihr Gemüt allen zu und schmeichelt sich auf gütige Weise bei den Menschenkindern ein. So wendet sich der Mensch lieblich zu Gott, so liebkost eine Mutter das Kind auf ihrem Schoß und heftet ihren Blick auf seinen Blick und gebärdet sich liebkosend gegen dasselbe. So blendet er ihre Augen, indem er macht, dass sie dieselben nun freiwillig auf ihr Bestreben richten und sie so geschlossen werden. So sind deine Zeugnisse ein Nachdenken, indem ich mich mit Verachtung alles anderen nur zu ihnen wende. Kurz, alle diese Mannigfaltigkeit fasse ich dahin zusammen, dass ich mich zu den Dingen wende, richte, zubereite, gern und von Herzen.

    Dies will ich zu dem Zweck gesagt haben, uns zu beweisen, dass die Schrift voll bildlicher Ausdrücke ist; wir dürfen aber darum nicht ebenso viele Bedeutungen und Wörter machen, wie bildliche Redeweisen vorhanden sind, denn wozu brauchte man dann noch bildliche Redeweisen? Und um wieder auf meine Aufgabe zurückzukommen, so ist Christus, da er geopfert wurde, für uns zur Sünde gemacht, aber im bildlichen Sinn, da er in allem einem Sünder so gleich war, wie solcher verdammt, verlassen und zu Schanden gemacht, dass er sich in nichts von einem wahren Sünder unterschied, als dass er die Schuld und Sünde, die er trug, nicht selbst getan hatte. So sagt er im 69. Psalm [V. 5]: Ich muss bezahlen, das ich nicht geraubt habe; damit man nicht zweifele, er bekenne sie als die Seinigen, so spricht er ebendaselbst [V. 10]: Die Schmach derer, die dich schmähen, fallen auf mich; und wiederum [V. 6]: Du weißt meine Torheit, und meine Schulden sind dir nicht verborgen. Es muss aber in der Metapher ein Unterschied von der wirklichen Sache sein; weil Ähnlichkeit (similtudo) (wie man sagt) nicht genau dasselbe mit der Sache (identitas) ist. Und was übertragen wird, überträgt man nach der Ähnlichkeit (similtudinem), sonst wäre es nicht einmal eine Übertragung. Und hierauf hat Paulus gesehen, da er Röm. 8,3 sagte: Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt (similtudinem) des sündigen Fleisches; und Hebr. 4,15: Er ist versucht worden allenthalben gleich wie wir (pro similtudine), doch ohne Sünde. Und in dieser Übertragung liegt nicht nur in den Worten, sondern auch in dem Inhalt eine Metapher. Denn in Wahrheit sind unsere Sünden von uns übertragen und auf ihn gelegt worden, so dass ein jeder, der gerade dies glaubt, in Wahrheit keine Sünden hat, sondern, auf Christus übertragen, sind sie in ihm verschlungen, da sie nun nicht mehr verdammen. Gleichwie daher die bildliche Redeweise anmutiger und kräftiger ist als die einfache und grobe, so ist auch uns die wahre Sünde lästig und unerträglich, aber die übertragene und metaphorische überaus angenehm und heilbringend.

    Wie daher Christus von dem Apostel, 1. Kor. 10,4, in Wahrheit der Fels genannt wird: Der Fels aber war Christus, so ist auch Christus in Wahrheit die Sünde. Desgleichen ist Christus die eherne Schlange, das Osterlamm [Passahlamm] und alles, was von ihm gesagt wird; darum sagen wir jedoch nicht, dass „eherne Schlange“ zwei Wörter sind, ebenso wenig wie „Fels“. Niemand hat je gesagt: Osterlamm bedeutet auf eine Art ein Stück Vieh, auf eine Art Christus. Niemand hat gesagt: Aaron bedeutet auf eine Art Christus, auf eine andere Art den Sohn Amrams. Niemand hat gesagt: David ist auf eine Art der Sohn Isais, auf eine andere Art Christus; Salomo ist auf eine Art der Sohn Davids, auf eine andere Art Christus. Und doch sagen wir mit Wahrheit: Christus ist David, Salomo, Aaron und alle jene Vorbilder des Alten Testaments. Und wegen dieses Christus, der zur Sünde gemacht ist, wird auch was ihm ähnlich ist (sua similtudo) Sünde genannt, nämlich das Opfer des Alten Testaments, so dass nicht die Verschiedenheit, sondern die Ähnlichkeit mit der Sünde in allem bleibt, welche zu bildlichen Redeweisen Anlass gibt und das Wort gemeinsam macht. Jene aber behandeln das Wort Sünde so, dass ihre vier Arten ungleicher sind als Himmel und Erde. Durch diese Ungleichheit wird der Verstand abgestumpft, die Seele verwirrt und die ganze Gnade zugrunde gerichtet, sowohl dem Wort als der Sache nach. In dieser Weise spricht Paulus, wenn er Röm. 8,3 von der Sünde handelt: Und verdammte die Sünde im Fleisch durch Sünde, das heißt, durch jene Sünde, dazu er Christus gemacht hat; da unsere Sünde auf ihn übertragen wurde, verdammte er unsere Sünde; worüber wir jetzt sehen wollen.

    Wir sagen also, dass die Sophisten in Wahrheit nicht wissen, was Sünde nach dem Sprachgebrauch der Schrift sei. Denn indem sie es eine strafe nennen, erträumen sie sich darunter etwas, was von Sünde ganz verschieden ist, was die Schrift nicht tut; denn wie gesagt, Christus war der Sünde in allem ähnlich, nur dass er keine Sünde getan hat. Denn all das Übel, was nach der Tat der Sünde in uns ist, nämlich Furcht vor dem Tod und der Hölle, fühlte und trug Christus; jenes ihr Fündlein aber von einer Anklage (reatus) und Zurechnung zur Strafe verstehen sie selbst nicht. Christus fühlte nämlich jene Zurechnung und war gleich dem, welchem in dieser Weise zugerechnet wird, obwohl ohne Schuld. Was ist aber für eine Zurechnung, die man nicht fühlen sollte? Sie ist gar nichts. Daher unterschied sich Christus (wie gesagt) damals in nichts von dem allerletzten Sünder, der schon den Urteilsspruch zu Tod und Hölle empfangen hat und nun verdammt werden sollte. Jene Zurechnung war in Kraft, nur das fehlte, dass er solche Zurechnung nicht verdient hatte und, ohne etwas getan zu haben, für uns ihr überliefert wurde; wiewohl diese Sache mehr mit der Empfindung als mit Worten gehandelt und erfasst werden muss. Ja, wir sagen noch weiter, die Sophisten fassen wohl einigermaßen, was das Wesen der Sünde sei, nämlich Beleidigung Gottes und Übertretung des Gesetzes Gottes; wie sie aber beschaffen sei, nach der Kategorie[13] der Größe, Beschaffenheit, Beziehung, Tätigkeit und Leiden, davon wissen sie hier gar nichts. Darum will ich hier in der Weise davon handeln, dass ich auf alles von Latomus Vorgebrachte nur einmal antworte, damit das Büchlein nicht übermäßig groß werde, wenn ich alles im Einzelnen durchgehe; denn man muss den Leser schonen.

    Um also für die Sophisten ganz grob zu reden, so wollen wir über die Sünde nach ihren Kategorien handeln, ob sie uns vielleicht folgen könnten. Sünde ohne Metapher, wo sie sich auch finden mag, ist in Wahrheit Sünde ihrer Natur nach, und ist die eine nicht mehr Sünde als die andere, nach der Eigentümlichkeit des Wesens, das mehr und minder nicht duldet. Doch eine mag größer und stärker sein als die andere, gleichwie auch ein Wesen größer ist als das andere; denn die Fliege ist nicht weniger ein Wesen als der Mensch, der schwache Mensch nicht weniger als der starke. Ferner, dass sie mich nicht etwa in Worten fangen, so nehme ich hier „Wesen“ nicht nach dem Gebrauch des Aristoteles, sondern nach dem des Quintilian, in der Weise, dass man von einem jeden Ding in der Welt zuerst aussagen könne, was es sei, sodann wie groß, sodann wie beschaffen, und so fort; wie es auch Aristoteles immer beobachtet, so oft er etwas erörtert; aber auch die Sophisten teilen jeder Kategorie ihre Wesenheit (quidditatem) zu. Denn so muss man, wenn man von der Gerechtigkeit handeln will, nach den Kategorien die Hauptpunkte (locos) der Rede ordnen, zuerst, was sie sei, ihrem Wesen nach; sodann wie groß, wie beschaffen sie sei, wem sie zukomme, womit sie umgehe, was sie leide, wo sie sei, zu welcher Zeit sei sei, was sie habe, wie sie sich verhalte. Denn dieses Verständnis von den Kategorien wäre meines Erachtens ungemein nützlich für die Beredsamkeit, für das Gedächtnis, für den Verstand und für die Erkenntnis der Dinge, wenn es recht geübt würde; allein den sophistischen Schulen ist es gänzlich unbekannt.

    Zwar diese wesentliche Sünde (wie gesagt) verstehen die Sophisten einigermaßen; aber nach der Taufe und nach Eingießung der Kraft Gottes ist es so damit bewandt, dass sie noch nicht ganz nichts ist, doch ist sie zerschlagen und unterworfen, so dass sie nun nicht mehr vermag, was sie vermochte. Was vermochte sie aber= Sie machte uns schuldig vor Gott, plagte das Gewissen tyrannisch und zog es von Tag zu Tag in größere Übel. Sie war in Größe, Beschaffenheit und Tätigkeit mächtig, herrschte in Ort und Zeit, denn überall und allezeit, in allen Kräften, zu jeder Stunde behielt sie die Oberhand. Dagegen in der Kategorie des Leidens war sie nichts; denn sie ertrug nicht die Strafe des Gesetzes; wollte auch nicht einmal angerührt sein. Sodann hatte sie ihren Sitz im Herzen aufgeschlagen, ihr Angesicht nach unten gewendet und eilte der Hölle zu. Ferner war ihre Beziehung die allerschlimmste, weil sie der Gnade sich widersetzte, ein Gegenstand des Zornes und des Grimmes Gottes. So herrschte sie; wir dienten ihr.

    Aber da das Reich Gottes gekommen war, wurde dieses Reich geteilt, der Fürst der Welt hinausgeworfen und das Haupt der Schlange zertreten bis auf die Hefe und einige Überreste, welche auszurotten unsere Sache sein soll. So wurden nach dem Einzug der Kinder Israel in das Land Kanaan geradezu alle Könige getötet und ihre Kraft zertreten, doch es blieben noch Überreste der Jebusiter, Kanaaniter und Amoriter zurück (wie Richter, Kap. 1, geschrieben steht), ein natürlicher und echter Teil jener ausgerotteten Völker, aber so, dass sie zinspflichtig und Knechte waren, nicht aber herrschten oder den Kindern Israel gleich gewesen wären, die dann später David, als das Reich befestigt war, ganz ausrottete. So erlangen auch wir, nachdem wir durch die Gnade der Taufe in das Reich des Glaubens berufen worden sind, die Herrschaft über die Sünde, da alle ihre Kräfte zerschlagen sind. Nur in den Gliedern bleiben noch Überreste, die unwillig murren und die Art und Natur ihres ausgerotteten Geschlechtes an sich haben, die wir durch unseren eigenen Kampf beseitigen müssen. Dies wird aber geschehen, wenn wir unser David nach Befestigung des Reichs auf dem Stuhl seiner Majestät sitzen wird.

    Um diese übriggebliebene Sünde dreht sich die Frage zwischen mir und den Sophisten, ob sie in Wahrheit für Sünde zu halten sei oder nicht? Und, wie gesagt ist, sie können nicht leugnen, dass sie von dem Apostel Sünde genannt werde, wie sie es gerne möchten, darum nehmen sie ihre Zuflucht zu den Auslegungen und Unterscheidungen der Väter, so dass sie es sogar dahin gebracht haben, dass das Wort des Paulus in der ganzen Welt verstummt ist und niemand mehr da ist, der diese Sünde mit dem Namennennt, wie Paulus sie nennt; indem sie dies als eine ungereimte und gefährliche Benennung hinstellen, als ob der Heilige Geist nicht vorsichtig genug gewesen sei, oder die rechten Worte nicht gewusst hätte, mit denen er ohne Gefahr von seinen eigenen Sachen reden und uns reden lehren sollte.

     Deshalb, um den Gebrauch des paulinischen Wortes wieder einzuführen, so wollen wir hier alle Aussprüche aller Väter allesamt auf einen Haufen verneinen, sie mögen nun diesen Überrecht böse Lust, Schwachheit, Strafe, Unvollkommenheit, Fehl oder wie sie sonst noch wollen, nennen. Wir halten ihnen unseren Apostel Paulus entgegen, das heißt den Apostel der Heiden, den so fruchtbaren Schriftsteller, der es nicht bloß an Einer Stelle Sünde, sondern allezeit Sünde nennt, und niemals Strafe, niemals Unvollkommenheit, niemals Schwachheit. Auch Augustinus, obwohl er von allen am höchsten steht, war es nicht erlaubt, das Wort des Paulus zu ändern und dafür ein anderes zu erfinden.

    Wir sagen so: Wenn sie beweisen, sei es aus der Ungereimtheit der Meinung oder aus dem Zusammenhang, diese Sünde sei nicht wahrhaft Sünde, so wollen wir weichen und zugeben, dass Sünde an dieser Stelle nicht Sünde, sondern Strafe bedeute, sonst aber wollen wir nicht einmal einem Engel vom Himmel, der anders sagen würde, weichen. Was wollt ihr mehr, ihr Sophisten? Und die Väter halte ich freilich für entschuldigt, die, teils in der Anfechtung, teils durch Not gezwungen, fest leugneten, dass nach der Taufe noch Sünde zurückbleibe, weil sie mit solchen stritten, welche die Gnade geradezu leugneten. Um sie [die Gnade] darum gebührend herauszustreichen, behaupteten sie, es würde alle Sünde weggenommen. Und es stimmte ihre Rede sehr fein und passend mit dem Gegenstand, von dem sie handelten, denn die Gegner stritten in Bezug auf die herrschende Sünde und leugneten, dass diese weggenommen werde, was gottlos ist; denn in Wahrheit ist die ganze Sünde getilgt, dass sie nun durchaus nicht mehr herrscht. Doch Augustinus selbst nennt sie an vielen Stellen klar sowohl Fehl als auch Sünde, z.B. in dem Brief an Hieronymus, worin er sagt, niemand habe in diesem Leben eine so große Liebe, dass sie nicht zunehmen sollte. „Und das, was unterdes mangelt, ist ein Fehl“, spricht er und sagt dann weiter: „Um dieses Fehls willen wird vor Gott kein Lebendiger gerecht. Um dieses Fehls willen, wenn wir sagen würden, wir hätten keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Um dieses Fehls willen ist kein Gerechter auf Erden, der da Gutes tue und nicht sündige.“ Soweit Augustinus. Hier siehst du, dass auch Augustinus diesen Schriftspruch so verstanden habe, dass der, welcher Gutes tut, sündigt, weil er in der noch nicht hinreichend gemehrten Liebe wirkt, die er Fehl nennt, indem er darlegt, es fehle in einem solchen Werk nichts anderes als die völlige Liebe. Ist das nicht klar genug?

    Aber auch Latomus führt einiges aus demselben an, wo er es immer auf dieselbe Meinung als einen Fehl bezeichnet; wiewohl ich, wie gesagt, dem Augustinus nicht durchaus glaube, damit nicht etwa der Gegner sage, ich stütze mich nur auf ihn, wo er zu meinen Gunsten sei. Meinetwegen mag er sich selbst widersprechen, wie Latomus erzwingt, das verschlägt mir nichts. Jedoch, da Latomus von diesen Donnerschlägen auf das Haupt getroffen war, so dass er lange Zeit von Sinnen und nicht bei sich selbst war, und sah, dass er in Luther den Augustinus verdammt hatte, was sämtliche Sophisten vor ihrer Vermessenheit[14] nicht sehen konnten, so dachte er, als er endlich wieder zu sich kam: Wo soll ich tun? Es ist eine Schande, besiegt zu werden. Das will ich tun: Ich will mir einbilden, die lateinische Sprache samt der griechischen und hebräischen sei durch die Kraft meines Dialogs[15] auf dem ganzen Erdkreis vertilgt, oder, wenn noch einige Überreste zurückgeblieben sind, so will ich sagen: Gleichwie ich von dieser Sünde sage, es sei nicht Sünde, so sei jenes nicht eine Sprache; denn der Papst hat unsere Tat gebilligt; so wird es leicht sein, dass ich die ganze übrige Welt zwinge, von der Löwener theologischen Fakultät die Bedeutung der Wörter zu holen. Weil darum das Wort „Fehl“ bei Augustin so häufig vorkommt, dass es sogar noch mehr feindlich entgegensteht als das Wort „Sünde“ bei Paulus, so haben wir verordnet und befehlen in Kraft unserer Fakultät, dass es ein Fehl bedeuten soll, wie wir ihn wollen, nämlich eine Unvollkommenheit, nicht etwas, was fehlt und doch nicht fehlen muss, oder etwas, was gegen das Gesetz Gottes ginge. Wenn aber jemand anders sagen würde, der soll wissen, dass er in die Ungnade der Bulle und in ihren Schwanz verfallen[16] werde. Gegeben unter dem Insiegel usw.

    Ich bitte dich, mein lieber Leser, der du dich wunderst, dass ich so gegen diese Sophisten mein Spiel treibe, ob mein Schmerz über solche unerhörte Vermessenheit und unverschämten Ränke nicht gerecht ist? Sollte ich ihrer nicht spotten? Da sie nicht zufrieden sind, die Schrift Gottes, die Aussprüche der Väter, die überzeugenden Vernunftgründe zum Spott zu haben, sondern auch dazu fortfahren, der ganzen Welt den Mund zu stopfen und geradezu alle Menschen in Bestien zu verwandeln, als ob wir nicht einmal unsere Sprache verständen. Alle Jahrhunderte, die ganze Welt nennt „Fehl“ auch das, was gegen die sittlichen Tugenden ist, und der Ausdruck ist von Lastern und Tugenden ganz gebräuchlich, auch ihr Aristoteles nennt die Sünden nicht anders als „Fehle“. Und dennoch wagen sie es, aufzutreten, wollen unsere, ihre, göttliche und alle Dinge leugnen und ins Angesicht aller sprechen, „Fehl“ werde nicht nur nicht gegen die Tugenden, sondern auch nicht gegen die Gnade gesagt. Da siehe, Löwen, deine Mordbrenner, die Feinde der Sprachen und der Wahrheit; und du, römischer Antichrist, siehe da, deine Pflanzschulen!

    Deshalb lasst uns diese Hurenstirnen verachten und den Augustin mit Paulus verbinden; was dieser Sünde nennt, nennt jener Fehl. Fehl aber, wissen wir, ist etwas, was Schuld und Tadel hat und strafwürdig ist, auch in leiblichen Dingen. So sagt die ganze lateinische Sprache. Lasst uns daher Paulus über die Sünde hören, der Röm. 8,3 f. so spricht: Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches und verdammte die Sünde im Fleisch durch Sünde, auf dass die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist. Was heißt das: die Sünde wird verdammt durch Sünde? Wir haben gesagt, Christus sei für uns zur Sünde gemacht worden, wie es 2. Kor. 5,21 heißt: Er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Hier setzt er an beiden Stellen beiderlei Art Sünde: die metaphorische oder allegorische ist Christus; eine Sünde, durch die er unsere wirkliche Sünde verdammte. Denn dass unsere Sünde weggenommen wird, wem haben dies anders zu verdanken als Christus, der für uns zur Sünde gemacht ist; durchaus nicht unseren Kräften oder Verdiensten, sondern der Sünde Gottes, das heißt, dem, welchen Gott zur Sünde gemacht hat? Ich frage nun, warum hat er nicht gesagt: „er vertilgte die Sünde“, sondern setzt vorsichtig: er verdammte die Sünde? Denn wir glauben nicht dem Löwener Sophisten, es habe dem Paulus an den Worten gefehlt, der ein auserwähltes Rüstzeug sein sollte, von dem vorhergesehen war, dass er auch in den auserwählten und eigentlichen Worten reden würde. Wer ist denn verdammt? Sodann fügt er hinzu: „im Fleisch“, womit er geradezu behauptet, es sei Sünde im Fleisch oder verdammt. Verdammt ist ja doch der, der nicht bei Straßenraub oder schlimmen Verbrechen ergriffen, nicht nur gefangen und eingekerkert wurde, sondern gerichtet und nach gefälltem Todesurteil zur Hinrichtung geführt ist, so dass nun nichts anderes mehr mit ihm geschehen kann, als dass er abgetan werde, wenn er auch noch nicht hingerichtet ist. Was hat denn ein solcher Mörder für Tugend?

    So ist auch durch die Taufe die Sünde in uns gefangen, gerichtet und ganz entkräftet, so dass sie nichts vermag, und ist der völligen Vernichtung anheim gegeben. Wer aber dieser verdammten [Sünde] zustimmt, der verfällt dem Spruch Joh. 16,8.11: Der Geist wird die Welt strafen um das Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Wir müssen glauben, dass die Sünde verdammt und dies Gericht recht sei, und es ausführen. Was sind aber diese Bande der Gefangenschaft? Jes. 11,5: Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und der Glaube der Gurt seiner Nieren. So heißt es Ps. 68,19: Du bist in die Höhe gefahren und hast das Gefängnis gefangen, du hast Gaben empfangen für die Menschen. Wer weiß aber nicht, dass ein Räuber, wenn er frei ist, in gleicher Weise ein Räuber ist, wie wenn er gefangen ist? Aber seine Macht ist erloschen, so dass nichts schwächer ist als er, da ihm der Tod ganz nahe bevorsteht, er vermag nur nicht, was ein Räuber gerne täte; er ist also elend, aber doch ein Räuber, denn wenn man ihn losließe, würde er tun, was ein Räuber tut. So ist auch die Sünde in uns nach der Taufe wirkliche Sünde, ihrer Natur nach, aber nur in ihrem Wesen, nicht in ihrer Ausdehnung, nicht in der Beschaffenheit, nicht in der Tätigkeit, im Leiden aber ganz und gar. Denn es ist durchaus dieselbe Regung zum Zorn und zur Wollust in dem Gottseligen und dem Gottlosen, dieselbe vor der Gnade und nach der Gnade; aber in der Gnade vermag sie nichts, außer der Gnade herrscht sie. Daher spricht Paulus Röm. 8,2: Das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christus Jesus, hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Warum sagt er nicht: „hat mich freigemacht von Sünde und Tod“? Hat uns Christus nicht freigemacht zugleich von Sünde und Tod? Aber er [Paulus] redet von dem eigentlichen Werk des Gesetzes des Geistes, welches das ausrichten soll, was Christus verdient hat. Christus hat allerdings alle auf einmal losgesprochen und befreit von Sünde und Tod, indem er uns das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht verdient hat. Was hat also dieser Geist des Lebens getan? Er hat uns noch nicht vom Tod, er hat uns noch nicht von der Sünde befreit; aber er wird uns einmal davon frei machen; denn noch müssen wir sterben, noch in Sünden uns abmühen. Aber vom Gesetz der Sünde und des Todes hat er uns frei gemacht, das heißt, von dem Reich und der Tyrannei der Sünde und des Todes, so dass zwar Sünde vorhanden ist, aber die Herrschaft verloren hat und nichts vermag; und der Tod zwar noch bevorsteht, aber da er den Stachel verloren hat, nun nicht mehr schaden noch schrecken kann. Siehe also schon zwei Stellen, darin Paulus das nach der Taufe zurückgebliebene Böse Sünde nennt.

    Daher befiehlt Paulus Röm. 8,13 und Kol. 3,5, die Glieder zu töten, die auf Erden sind, Zorn, schändliche Lust, Geiz und dergleichen, indem er sich klarer Worte bedient, und sie nu nicht mehr bloß Sünde nennt, sondern mit ihren eigenen Namen: Zorn, schändliche Brunst, Geiz. Aber es werden uns diese neuen Sprachforscher einreden, es seien nicht Namen von Lastern und Sünden; denn der Apostel schreibe den Heiligen und Gläubigen. Sie mögen sich daher einbilden, schändliche Brunst sei an dieser Stelle nicht ein Laster, sondern eine Strafe der Sünde und eine gewisse Unvollkommenheit, nicht gegen das Gesetz Gottes. War sie nicht auch vor der Taufe eine Strafe der Sünde? Oder hat hier allein die Zurechnung die Sache und das Wesen verändert? Sie werden darum nötig haben, fast den ganzen Paulus mit neuen Wörtern zu füllen und die alten ursprünglichen auszukratzen. So Röm. 6,12: So lasst nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leib, ihr Gehorsam zu leisten in seinen Lüsten. Was hätte klarer gesagt werden können? die Sünde ist in dem Leib, und die Lust zu derselben, aber man soll dafür sorgen, dass sie nicht herrsche. Hier ist schon die dritte Stelle. Die vierte ist ebendaselbst [V. 14]: Denn die Sünde wird nicht herrschen können über euch, da ihr nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade. Siehe, er schreibt solchen, die unter der Gnade leben, und sagt, die Sünde herrsche nicht über sie; was schlechterdings nicht von der äußerlichen, sondern von der innerlichen verstanden werden muss. Denn wer kann der äußerlichen widerstehen und einem anderen wehren, dass er nicht sündige? Die fünfte Stelle ebendaselbst [V. 6]: Unser alter Mensch ist samt ihm [Christus] gekreuzigt, auf dass der sündliche Leib aufhöre. Unser Mensch, spricht er, ist gekreuzigt, und doch muss der sündliche Leib aufhören in denselben Leuten, in uns. In keinem Fall will er sagen, dass er [Christus] den unvollkommenen Leib oder den sträflichen Leib zerstöre. Siehe, da haben wir fünf deutliche Stellen, in denen Paulus die Sünde nennt, ohne die, welche wir nicht noch aufzählen, wo er einzelne Namen von Sünden gebraucht. Und diese Rauch verkaufenden, elenden Menschen wollen alle diese himmlischen Donnerschläge zwingen, dass sie ihnen weichen sollen, auf Eine erfundene, jämmerliche Erklärung hin, die sie aus ihrem eigenen Kopf vorgebracht haben und die nicht einmal mit einer einzigen Schriftstelle bewährt worden ist. Denn von dem siebten Kapitel, das ganz hierher gehört, werden wir weiter unten handeln.

    Was nun? Sind wir Sünder? Vielmehr, wir sind Gerechtfertigte, aber durch die Gnade. Die Gerechtigkeit beruht nicht auf den Formen der Beschaffenheit, sondern auf der Barmherzigkeit Gottes. Denn in der Tat, wenn du von den Frommen die Barmherzigkeit wegnimmst, so sind sie Sünde rund haben wahrhaftige Sünde; aber weil sie glauben und sich unter dem Reich der Barmherzigkeit befinden, und die Sünde verdammt ist und beständig in ihnen getötet wird, so wird sie ihnen nicht zugerechnet. Das ist diese überaus herrliche Vergebung durch die Taufe; und sicherlich, wenn man die Sache aufmerksam betrachtet, so ist es fast größer, den für gerecht zu halten, der noch mit Sünden behaftet ist, als den, der ganz rein ist. Darf man also nicht sagen, dass die Taufe nicht alle Sünden wegnehme? In Wahrheit nimmt sie alle weg, nicht dem Wesen nach, sondern nur größtenteils dem Wesen und die ganze [Sünde] ihren Kräften nach, zugleich nimmt sie dieselbe auch täglich dem Wesen nach weg, damit sie vernichtet werde. Und ich bin nicht der einzige oder erste unter den Menschen nach den Aposteln, der dies sagt. Die Worte des Augustinus sind: „In der Taufe wird die ganze Sünde erlassen, nicht, dass sie nicht sei, sondern dass sie nicht zugerechnet werde.“ Hörst du? Es ist auch nach der Vergebung der Sünde noch da, aber sie wird nicht zugerechnet. Ist dir nicht genug, dass diese unaussprechliche Barmherzigkeit Gottes dich ganz von aller Sünde rechtfertigt und dich hält, als seist du ohne Sünde, nur dass du fortfahren sollst, das zu töten, was von ihm schon verdammt und dem Tod nahe gesetzt ist? Es zeige also Latomus eine Ungereimtheit und erzwinge, dass der Apostel nicht von der wahren Sünde im eigentlichen Sinn des Wortes zu verstehen sei. Aber, wirst du sagen, dass nicht zugerechnet werden ist doch soviel als keine Sünde. Das ist es, was ich will, dass man es nicht dem Wesen des Werkes, sondern der Barmherzigkeit zuschreibe, die sie nicht zurechnet. Latomus aber setzt die Verzeihung der Barmherzigkeit ganz beiseite und will, es ei seinem Wesen nach nicht Sünde; das aber ist ein Gottesraub.

    Hiermit, glaube ich, ist nun verteidigt, dass jedes gute Werk Sünde sei, wenn nicht die Barmherzigkeit verzeiht. Denn auch sie selbst können nicht leugnen, dass die Frucht die Natur des Baums an sich trägt. Aber von dem Baum ist schon erwiesen, dass er nicht ohne Sünde sei, wenn sie auch schon verdammt und verziehen ist; darum ist auch sein Werk nicht ohne Sünde, obwohl sie verdammt und verziehen ist. Hier sagt auch Augustinus im ersten Buch seiner Retractionen, Kap. 19, wo er erörtert, ob die Gebote Gottes in diesem Leben erfüllt werden, und schließt: „Alle Gebote Gottes werden erfüllt, wenn das, was nicht geschieht, verziehen wird.“ Sagt er hier nicht klar, nicht durch die getanen Werke, sondern durch die verzeihende Barmherzigkeit Gottes würden die Gebote erfüllt? Was wird aber verziehen, wenn nicht Sünde? Es ist also klar, dass die Sophisten sich an bloße spitzfindige Verdrehungen der Worte hängen, wenn sie sagen, es sei nicht Sünde, und doch zugeben, es werde von Paulus Sünde genannt, so dass du nach ihnen sagen kannst: Das gute Werk ist nicht Sünde und ist doch das, was Sünde genannt wird. In gleicher Weise vorher von der Unmöglichkeit: Das Gebot Gottes ist nicht unmöglich und ist doch das, was unmöglich genannt wird; als wenn du es dem Demodocus bei Aristoteles nachmachtest und sagtest: Die Löwener sind zwar keine Narren, sie tun aber das, was die Narren tun, nämlich sie richten ein solches Spiel an, dass sie die Wörter „Sünde“ und „unmöglich“ öffentlich in gar keinem Sinn gelten lassen, aus keiner anderen Ursache, als weil sie widersprochen haben, damit unsere Magister nicht von der Wahrheit zuschanden gemacht werden könnten.

    Und weil wir hier von der Sünde geredet haben, so will ich den Leser voraus erinnert haben, damit er etwas habe, was er kurz auf alle Einwände des Latomus antworten könne. Zuerst beachte, wie Latomus in allem einhergeht, als ob es mit der von mir behaupteten Sünde nichts sei und als ob dieselbe schon längst überwunden sei, wie es die Art der Sophisten ist, vor dem Sieg zu triumphieren und in der fehlerhaftesten Weise das erst zu Beweisende als bewiesen anzunehmen. Was er daher alles in der Schrift und den Väter nur zusammenraffen kann, worin verneint wird, dass die Gläubigen sündigen, das, glaubt er, erhöre hierher, damit er mich überweise. Du also bediene dich auf dies alles des Wortes des Paulus an die Römer 6,12: Lasst die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leib, auf dass du wissest, es sei etwas anderes, die Sünde herrscht, und etwas anderes, die Sünde wird beherrscht. Verstehst du? Denn so kannst du auch nach der Art des Latomus sagen, es sei etwas anderes, die Sünde wollen, und etwas anderes, die Sünde ausführen, während es doch dieselbe Sünde ist, wie z.B. Diebstahl oder Mord. Sprich also, wenn er mit Wollen von Zeugnissen angefahren kommt: Herr Zähler und nicht Wäger der Zeugnisse, Ihr beweist sehr wohl, es sei nicht in den Heiligen oder ihren Werken herrschende Sünde, aber ihr beweist nicht, dass beherrschte Sünde nicht da sei, wie die, auf welche Paulus hinweist, wenn er sagt: Leistet ihr nicht Gehorsam in ihren Lüsten; ihren, ihren, hört Ihr’s, Herr Latomus? Ihren, das heißt, der Sünde, die nicht herrschen soll im Leib und doch mit ihren Lüsten im Leib ist. Denn Luther sagt nie von den herrschenden Sünde, dass sie in den Heiligen wäre; ihr tut also nicht recht, dass ihr etwas anderes versprecht als ihr leistet; ihr wollt Luther widerlegen und widerlegt irgendein Traumgebilde, das ihr gemacht habt.

    Z.B., wenn Paulus sagt 1. Kor. 7,28: Wenn eine Jungfrau freit, sündigt sich nicht; und wenn du freist, sündigst du nicht. Dies führt Ew. Herrlichkeit gegen Luther an und Ihr beweist nicht, dass es dasselbe ist mit dem: Lasst die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leib; folglich redet er von der herrschenden Sünde, was der ganze Zusammenhang beweist, weil er von den Heiligen redet, in denen keine Sünde herrscht. Hat nicht auch Luther, viel stärker als Ihr, nach 1. Joh. 3,9 gesagt: Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde und kann nicht sündigen? Denn aus Gott sein und sündigen widerspricht einander. Die Jungfrau freit und sündigt nicht, ist weniger als sie kann nicht sündigen. Dies drückt Paulus Röm. 6,14 so aus: Die Sünde wird nicht herrschen können über euch, das heißt, ihr könnt nicht sündigen, da ihr nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade.

    Denn auch Latomus, der da sagt: Wenn eine Jungfrau freit, sündigt sie nicht, und Luther, der da sagt: Wenn eine Jungfrau freit, kann sie nicht sündigen, können nicht leugnen, dass eine freiende Jungfrau in der Leistung der Pflicht des Fleisches sündigt, wie alle einstimmig erklären und Ps. 51,7 beweist: Siehe, ich bin aus sündlichem Samen gezeugt, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen. Wie also sündigt die Freiende und sündigt doch nicht? Oder will Latomus das Wort „freien“ dahin einschränken, dass es nur bei der Verlobung vor der ehelichen Zusammenkunft gebraucht werde? Ich glaube nicht, dass er so offen seine Sophistereien treiben wolle, doch möge er es tun. Was will er dann zu dem Gebot sagen, das er [Paulus] daselbst vorausschickt [V. 3]: Der Mann leiste der Frau die schuldige Freundschaft, desgleichen die Frau dem Mann? Lehrt er denn nicht hier das Werk der Erzeugung in Sünden, von dem David spricht? Aber der Freiende ergibt sich diesem Werk von Herzen. Aber auch Latomus sagt, die Heiligen sündigen öfter, so kann auch eine Jungfrau freien, dass eine lässliche Sünde mitunterläuft; folglich muss eine Jungfrau, die da freit, der Lehre des Apostels entgegen, sündigen.

    Doch siehe den kühnen Apostel [Paulus] an, der, ohne die Zustimmung der theologischen Fakultät zu Löwen einzuholen, weiter spricht [V. 5]: Entziehe sich nicht eins dem anderen, es sei denn aus beider Einwilligung eine Zeitlang, dass ihr zum Beten Muße habt, und kommt wieder zusammen, damit euch der Satan nicht versuche um eurer Unkeuschheit willen. Was machst du, Paulus? Ohne Brief und Siegel der theologischen Fakultät zu Löwen wagst du in den Heiligen eine Unkeuschheit anzunehmen, und zwar in solchen, die du lehrst, sie sollen Muße haben zum Gebet? Fürwahr, du bist ein Tatian, Verteidiger der Kataphrygen[17], dass du die Ehe mit der Sünde verstrickst, ja, nicht nur die Ehe, sondern die Heiligen Gottes.  Und der ganze Ballst, den Latomus an Ungereimtheiten gegen Luther anführt, fällt nun auf dich, und es wird so weit kommen, dass deine Bücher verbrannt werden, dann wird nachher eine schreckliche Bulle jenen gläubigen Bebauern des Ackers des HERRN Recht geben, und Latomus wird aufstehen und in einer ausführlichen Begründung nachweisen, dass jene Unkeuschheit keine Unkeuschheit, sondern Schwachheit und Strafe ist. Und wenn Satan sie versucht, so versucht er sie nicht zur Unkeuschheit, sondern zur Schwachheit. Haben sie dann aus irgendeinem Zufall der Unkeuschheit zugestimmt, so haben sie nicht einer Sünde, sondern einer Schwachheit und Strafe zugestimmt, und darum, wenn sie sündigen, werden sie auch nicht sündigen. Siehe da, welch ein schändlicher Ketzer du sein wirst.

    Zudem muss es hiernach geschehen, dass sämtliche göttlichen Gebote nicht die Sünde verboten haben, sondern die Schwachheit und Strafe der Sünde; und es wird eine neue Theologie in die Welt kommen, dass es Sünde sei, nicht der Sünde, sondern der Schwachheit und Strafe zuzustimmen. Und Gott wird es nicht geboten haben, die Sünde zu meiden, sondern die Schwachheiten und Strafen der Sünde; und der Sinn des Paulus Röm. 6,12 wird sein: So lasst nun die Strafe der Sünde nicht herrschen in eurem Leib, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten. Wiederum muss Sünde sein dem zuzustimmen, was nicht sündhaft und verdammt ist. Fürwahr, ein ganz neuer Grund der Sünde! Die Schwachheit ist weder Sünde noch verdammt, und doch, wen du in eine Sache willigst, die weder verdammt ist noch Schuld begründet, so hast du gesündigt!

    Darum, wenn diese Sophisten gewollt hätten, dass den frommen Seelen geraten werde, so hätten sie alle Verdrehungen der Worte beiseite gelassen und die Sache einfach, wie sie ist, etwa folgendermaßen, vorgelegt: Seht, meine lieben Brüder, wir gestehen, dass gute Werke Gott gefallen und wir ganz und gar durch sie selig werden; aber sie sind nicht so gut, dass sie ohne Sünde wären, sondern, dass sie im Streit gegen die Sünde geschehen sind. Denn gerade darin besteht das ganze gute Werk, dass Sünde in uns ist und wir mit uns selbst kämpfen, dass sie nicht herrsche, und wir nicht ihren Lüsten Gehorsam leisten. Denn obgleich die Strange des Gesetzes Gottes auch dies verlangen könnte, dass dieser Kampf nicht in uns sei, weil er uns nicht so von Anfang geschaffen hat, denn Gott hat den Menschen rechtschaffen gemacht; aber sie versuchen viele Künste (spricht der weise Mann [Pred. 7,30]), denn durch dies Übel werden wir gehindert, ganz in seinem Gesetz zu sein, und der Teil von uns, welcher mit uns streitet, widerstrebt seinem Gesetz: Dennoch hat er allen Barmherzigkeit und Verzeihung zugesagt, welche wenigstens diesem Teil nicht zustimmen, sondern gegen ihn kämpfen und ihn zu vernichten suchen. Dies Bestreben gefällt Gott, nicht weil es dessen würdig wäre, sondern weil er Nachsicht mit uns gehabt und verheißen hat, uns anzunehmen.

    Daher blähe dich nicht auf oder werde hochmütig; du hast in dir selbst Ursache, das Gericht und die Strenge zu fürchten und deine Zuflucht allein zur Barmherzigkeit zu nehmen. Denn durch ihr Erbarmen, nicht durch dein Laufen, sind deine Werke gut. Du musst also nach der Strenge des Gerichts Gottes anders von dir urteilen, als nach der Milde der Barmherzigkeit. Und diese beiden Gesichtspunkte wirst du in diesem Leben nicht voneinander trennen. Nach jenem sind alle deine Werke befleckt und unrein wegen des Gott feindlichen Teils in dir; nach diesem aber bist du ganz rein und gerecht. Und damit du dies seist, hast du das Wahrzeichen der Taufe zum Zeugnis, darin dir in vollster Wahrheit alle Sünden vergeben sind; vergeben, sage ich, ganz und gar, aber noch nicht alle abgetan. Denn wir glauben ohne Zweifel, dass darin eine Vergebung aller Sünden geschehen ist; aber wir handeln und erwarten täglich, dass auch ein Abtun und eine in jeder Hinsicht vollkommene Vernichtung aller Sünden eintrete; und die, welche darauf hinarbeiten, tun gute Werke. Siehe, das ist mein Glaube, weil dies der katholische Glaube ist. Die Sophisten aber, die dies bekämpfen, gehen damit um, dass sie uns eine Zuversicht auf Werke aufrichten, und sowohl das Werk der göttlichen Barmherzigkeit als auch des göttlichen Gerichts abschwächen, wie von ihnen im 10. Psalm [V. 5] gesagt wird: Deine Gerichte sind ferne von ihm. Und darum verkehren sie auch die Furcht Gottes und unser Vertrauen; sonst wären sie noch zu leiden und zu tragen, wenn sie uns nicht dies unser zugefallenes Los und Hauptbollwerk der Seligkeit zu zerstören und zu verwüsten trachteten, und in geringeren Dingen ihre Possen trieben oder unsinnig wären.

    Aber, wirst du mir einwenden, das ist deine und eine neue Unterscheidung zwischen einer herrschenden und einer beherrschten Sünde, die nach deiner Willkür aufgestellt ist. Ich antworte: Gesetzt, es sei so, dann verachte dieselbe, ich will nicht über Worte streiten, mache du dir eine andere; wenigstens ist das Wort „herrschende Sünde“ nicht meine Erfindung, sondern ein Ausspruch des Paulus. Nenne du das, was nicht herrscht, mit welchem Namen du willst, obwohl für mich auch der Spruch redet 1. Mose 4,7: Aber lass du ihr nicht ihren Willen, sondern herrsche über sie. Hier ist sicherlich die Sünde als untertan beschrieben. Aber auch die Sophisten sind gezwungen, zuzugeben, dass die lässliche Sünde etwas anderes ist als die Todsünde. Und während sie behaupten, die lässliche schade nicht, herrsche nicht, verdamme nicht, nennen sie dieselbe dennoch eine ganz wahrhafte und eigentlich so genannte Sünde. Sie machen auch aus ihr darum nicht etwa eine Sünde einer anderen Art oder Natur, weil jene tödlich, diese lässlich sei, sondern behaupten von jeder von beiden, dass sie eine Abweichung vom Gesetz Gottes und dem Gesetz Gottes zuwider sei. Und ich bitte um nichts weiter, als dass sie mir erlauben, jenen Überrecht nach der Taufe Sünde zu nennen auf dieselbe Weise, wie sie die lässliche, nämlich dass dieser [Überrest] der Barmherzigkeit bedürfe und seiner Natur nach böse und ein Fehl sei; wenn du darein willigst, so hast du sie [die Sünde] auch zu einer herrschenden gemacht und ihr gedient und tödlich gesündigt. Hierin habe ich Paulus in der schon genügend erwähnten Stelle Röm. 6,12 für mich, von dem ich mich nicht abreißen lassen will.

    Ich sage, sie können nicht leugnen, dass nach der Taufe zwei Übel zurückbleiben, die Sünde und die Lust zu ihr. Die Worte des Paulus sind deutlich, die Sünde, der Zunder selbst, ist das natürliche Böse, und die Lust ist ihre Regung. Dieser, sagt er, dürfe man nicht gehorchen, jene müsse man zerstören, „auf dass der sündliche Leib“, spricht er [V. 6] „aufhöre“. Sie mögen also jene beiden nennen, wie es ihnen beliebt, sie sollen aber nicht leugnen, das Paulus solches sage. Getötet und zerstört will sie Paulus haben, weil sie zur Tötung verdammt sind, folglich sind sie böse Fehler und Sünden. Denn Schwachheiten, vergängliche Dinge (mortalitates) und Strafen fallen nicht unter ein Gebot, können auch nicht in unseren freien Willen gestellt werden. Denn wer könnte den Tod und die Strafen töten als allein Gott ohne uns? Aber über Sünden und das, was uns schuldig macht, werden Gebote gegeben. Wenn er uns also gebietet zu töten, ihnen nicht zu gehorchen, so versteht er durchaus nicht Strafen, nicht der Vergänglichkeit Unterworfenes, nicht Schwachheiten, sondern Sündern. Denn was wäre das für ein Gesetz: Du sollst der Schwäre nicht gehorchen; du sollst dem Fieber nicht gehorchen; du sollst dem Hunger und Durst nicht gehorchen; du sollst der Blöße und den Banden nicht gehorchen oder der bösen Lust zu einem dieser Dinge? Sind das nicht auch Schwachheiten, Strafen, vergängliche Dinge? Sondern der Sünde, dem Sünder und ihren Einflüsterungen, die ebenfalls Sünde sind, soll man nicht gehorchen.

    Doch ist es töricht, dass wir uns in einer so ganz offenbaren Sache mit so vielen Worten abarbeiten, da wir den Apostel haben, der es mit klaren, ausdrücklichen Worten als Sünde und böse Lust behauptet. Wer sich bei den Worten des Paulus nicht beruhigt, wird der sich von den unsrigen überzeugen lassen? Lieber, was würden sie getan haben, wenn Paulus dunkel geredet hätte und für Sünde übel oder Schwachheit gesetzt hätte? Oder anstatt gehorchen und nicht herrschen wachen oder sich enthalten gesagt hätte? Gleichwie Petrus spricht [1. Ep. 2,11]: Enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, wie sichere, wie frohe Triumphe hätten sie hier gefeiert? Nun aber, da sie dem Licht und dem Tag nicht widerstehen können, so suchen sie Wolken darüber zu decken und am hellen Mittag eine Finsternis zu schaffen, damit Sünde nicht Sünde sei und damit es scheine, als habe Paulus gelogen. Und selbst wenn die Väter dafür zu lauten schienen, so darf man ihnen doch nicht anhangen, sondern mehr dem Paulus, auch wenn sie Wahres gesagt hätten, weil sie dunkler und unkräftiger reden als Paulus. Des Paulus Worte sind zu klar, als dass sie irgendeiner Auslegung bedürften, ja, sie werden durch jede Auslegung mehr verdunkelt. Doch, wiewohl, wie gesagt, die Väter ebenfalls bisweilen dieses Sünde und Fehl nennen, so reden sie doch öfter von der herrschenden Sünde.

    Darum möchte ich unseren Sophisten, die mich mit den Aussprüchen der Väter bekämpfen, so antworten: Ihr beweist ganz klare Worte mit dunklen und erörtert Göttliches mit Menschlichem. Darum, weil selbst euer Aristoteles dies verboten hat, Unbekanntes mit Unbekanntem, Dunkles mit Dunklem zu beweisen, geschweige denn Deutliches mit Dunklem, so überführe ich euch als ungeschickte Streiter, die in dem ganzen Handel und zu jeder Zeit nichts tun, als in der fehlerhaftesten Weise das als Beweis aufstellen, was noch zu beweisen ist. Die Summa der Antwort und Widerlegung Luthers gegen die Begründung des Latomus ist die: Wenn in den angeführten Stellen des Apostels Paulus das bewiesen werden kann, das Worte Sünde sei nicht im wahren und eigentlichen Sinn des Wortes Sünde, so fällt Luther; kann es nicht bewiesen werden, so fällt Latomus. Aber es kann nicht bewiesen werden, außer durch gewisse Aussprüche der Väter, die sich noch dazu widersprechen, und außerdem menschlich sind, wenn sie sich auch nicht widersprächen; ihnen müssen die göttlichen vorgezogen werden, ohne deren Zeugnis nichts als gewiss behauptet werden darf: Folglich fällt Latomus und all sein Ding dahin und Luther steht mit all dem Seinen.

    Ich lobe jedoch des Latomus Treue und Beständigkeit. Nachdem er es einmal übernommen hatte, die Sache der hartnäckigen Sophisten zu verteidigen, unternimmt er nichts, was der Weise und der Halsstarrigkeit eines Sophisten unwürdig wäre, sondern zieht, verderbt, verdreht, zwingt alles Göttliche und Menschliche, was gegen sie ist, wohin es ihm nur beliebt. Das haben wir schon oben gesehen, da so viele Zeugnisse der Schrift beweisen, es sei uns unmöglich, das Gebot Gottes zu erfüllen, dass es nichts Klareres geben kann. Doch, wie die tauben Ottern, verstopfen sie dagegen ihre Ohren [Ps. 58,5] und wenden die Augen weg, nur um dies ihr einziges Dekretlein vor den Leuten zu erhalten, das sie einmal vorgebracht haben: „Verflucht sei, wer da sagt, Gott habe uns Unmögliches geboten.“ Dies menschliche Wort muss herrschen, dies müssen alle billigen, daran darf mit keiner Erklärung gerüttelt werden. Aber die göttlichen Donnerschläge muss man verschweigen und liegen lassen, ja, auch beliebige willkürliche Auslegungen eines jeden Buben zulassen. Eines Menschen Wort ist heilig und ehrwürdig, Gottes Wort aber der Schändung preisgegeben.

    So auch hier; während so viele heilige Donnerschläge bezeugen, es sei nach der Taufe noch Sünde und böse Lust zurückgeblieben, wie sie z.B. auch Zorn, Wollust, Geiz, Unenthaltsamkeit offenbar nennen mit solchen Namen, womit nach aller Menschen Begriff in einer jeden Sprache Sünden und Fehler benannt zu werden pflegen, so erheben sich dennoch diese frechen Stirnen, halten die Ohren zu, schließen die Augen und wenden das Herz ab, nur damit dies ihr menschliches Wort aller Ohren fülle, dies allein den Platz behaupte, dagegen niemand auch nur mucken darf, nämlich es bleibe nach der Taufe nur noch Strafe und Schwachheit zurück. Dem gegenüber müssen die göttlichen Offenbarungen schweigen, dem muss Paulus weichen, dem muss auch unsere tägliche Erfahrung und die aller Heiligen weichen. Tun sie das nicht, so sollen sie doch eine Maske vorbinden und unter dem Ausdruck Sünde eine Unvollkommenheit und Schwachheit vorstellen und sich hüten, dass sie sich unseren Auslegungen nicht anbequemen. Denn auch das hat Latomus weiter oben bekannt, dass die Heiligen vielfach sündigen (in seiner Bedeutung von Sünde) unversehens, aus Unwissenheit und auf andere Weise, was Paulus „die Lüste der Sünde im sterblichen Leib“ nennt, denen wir nicht gehorchen, das heißt, nicht zustimmen sollen. Denn man kann nicht unwissend oder in Übereilung oder gegen seinen Willen eine Zustimmung zu etwas geben; denn er hat ja gesagt, dass sie gegen ihren Willen sündigen. Aber weil Paulus gerade dies Sünde nennt, so wird er gezwungen, unter Sünde Strafe zu verstehen, und zwar aus keiner anderen Ursache, als weil es der Geist und nicht ein Mensch gesagt hat, damit es ganz im Belieben der Sophisten stehe, was Sünde und was Strafe sein muss. Lieber, wen sollte solche mehr als moabitische Unverschämtheit nicht entbrennen machen?

    Doch du wirst einwenden: Glaubst du also nicht den Aussprüchen der Väter? Ich antworte: Ich soll glauben? Wer hat geboten, dass man ihnen glauben soll? Wo ist ein Gebot Gottes von diesem Glauben? Warum haben denn sie selbst ihren Vätern nicht geglaubt, besonders dem Augustinus, der frei sein wollte und befohlen hat, dass alle frei sein sollten in Bezug auf die Schriften aller Menschen? Weil uns die Sophisten eine solche Tyrannei und Gefangenschaft unserer Freiheit aufgelegt haben, bis sie uns sogar gezwungen haben, dem zweimal verfluchten Aristoteles nicht zu widersprechen, sondern uns ihm zu unterwerfen: Sollten wir darum auf ewig in dieser Sklaverei verbleiben und nicht endlich einmal nach christlicher Freiheit aufatmen und nach der Rückkehr aus diesem Babel nach unserer Schrift seufzen? Aber es waren ja Heilige und haben die Schrift ins rechte Licht gesetzt, sprichst du. Wer hat denn das bewiesen, dass die Schrift von ihnen hell gemacht worden sei? Wie, wenn sie sie verfinstert hätten? Mit welchem Grund beweist du, dass sie die Schrift hell gemacht haben? Willst du auf Löwenisch oder Kölnisch sagen: Es scheint mir so, und so sagt man? Meinetwegen mag es ihnen so scheinen und mögen sie so sagen, aber mir sollen sie es beweisen oder aufhören, mir ihre eitlen Worte aufzuzwingen. Mir ist nicht geboten, ihren Träumen, sondern den Worten Gottes zu glauben. Nur Einer ist der Meister, Christus, und die Väter sind nach der Richtschnur der göttlichen Schrift zu prüfen, damit man erkenne, welche sie hell und welche sie dunkel gemacht haben; wie Paulus gebot [1. Thess. 5,21]: Prüft alles und das Gute behaltet; und 1. Kor. 14,29: Die Weissager aber lasst reden, zwei oder drei, und die anderen lasst richten. Der, welcher alles zu prüfen geboten hat, hat keinen Menschen ausgenommen, nicht den Augustinus, nicht den Hieronymus, nicht den Origenes, ja, nicht einmal den Antichrist, den Papst.

    Aber die dunkle Schrift bedarf der Erklärung. Lasse sie, wo sie dunkel ist; halte sie, wo sie klar ist. Und wer hat bewiesen, dass die Väter nicht dunkel sind? Wiederum dein „Es scheint so“ und jener „Man sagt“? Denn was tun auch die Väter, als dass sie die klarsten und deutlichsten Zeugnisse der Schrift suchen und vorbringen? Arme Christen, deren Wort und Glaube noch auf Deutungen der Menschen beruht und von ihnen Erleuchtung erwartet; das ist leichtfertig und gottlos. Die Schrift ist allen gemeinsam, deutlich genug, soweit es zur Seligkeit notwendig ist, auch dunkel genug für Geister, die [vorwitzig] forschen wollen. Ein jeglicher folge seinem Beruf in diesem reichen und gemeinsamen Wort Gottes; Menschenworte aber lasst uns entweder zurückweisen oder sie mit Urteil lesen. Dies ist genug auf diesen Spruch, und übrig mehr als genug.

 

Zum Dritten

    Er macht sich an Paulus, Röm. 7. Hier bekräftigt mir Latomus meine Meinung aufs allerstärkste und verrät, wie er nicht aus Eifer für die Wahrheit, sondern in der Absicht, zu verderben und die Welt zu betrügen, dies Buch geschrieben habe, bloß um die Schmach des Mordbrennens und gottesräuberischen Urteils von sich abzuwenden. Denn wie trotzig und halsstarrig er auch sonst ist, so geht er durch die Worte des Paulus doch so bleich und zitternd, schweigend und vorsichtig hindurch, als habe er bei jedem Tüttelchen gefürchtet, es könnte sich irgendein Abgrund auftun und das armeselige Sophistlein verschlingen. Nachdem er aber diese Gefahren überstanden hatte und in sein Feld kam, wo er freies Spiel hatte, da rafft er die Sprüche der Väter zusammen, Als ob er es für ein Wunder gehalten haben wollte, dass ein im Sitzen ausdauernder und müßiger Leser viel nicht zur Sache Gehöriges zusammenflicken und anhäufen kann, vielleicht in der Hoffnung und Absicht, mich durch die Menge abzuschrecken, dass ich nicht noch einmal schriebe, da ein Buch von ganz unendlichem Umfang dazu gehören würde, auf seine einzelnen Punkte zu antworten. Doch diese Hoffnung wird ihn täuschen, denn da meine Schriftstellen bewährt worden sind, ist er gerade dadurch niedergeworfen, so dass eine besondere Antwort auf alle einzelnen Punkte nicht nötig ist. Die Summa der Ausflucht des Latomus also ist diese: Das, was hier von Paulus gesagt wird, beweist nichts anderes, als dass nach der Taufe noch eine Schwachheit zurückbleibt, welche Sünde genannt werden mag; dass aber nichtsdestoweniger der Geist, wenn er diese Schwachheit regiert, das Gute so wirkt, dass es nicht für eine verdammenswerte Sünde zu achten sei, noch auch, dass darum der Mensch in einem guten Werk sündige oder der Sünde diene.

    Hier siehst du erstlich, wie Latomus die Sache nur in die Länge ziehen, den Leser davon abbringen und die Zeit hinbringen will, indem er eine ganz andere Frage behandelt, als wovon die Rede ist. Er hat nämlich die Frage von der durch die Barmherzigkeit verzeihlichen Sünde zu behandeln auf sich genommen, denn dass ich hiervon rede, hat er selbst an mehr als Einer Stelle bezeugt. Und bei allem und nach allem diesem Lärm von Zeugnissen kommt er zu folgendem Schluss: Siehe, es ist keine verdammungswürdige Sünde; während er doch so hätte schließen müssen: Siehe es ist keine Sünde, nicht einmal eine verzeihliche, auch nicht eine solche, für welche Barmherzigkeit nötig wäre. Gleichwie wenn du mich tadeltest, dass ich das Lachen eine lässliche Sünde genannt hätte, und du dann, nachdem du alle deinen Geifer ausgespien und deinen Schweiß vergeudet hättest, endlich aufatmend zu mir sagen würdest: Siehe da, Lachen ist keine Todsünde. Auf diese Weise disputierte auch Elihu gegen Hiob [Kap. 18]. Hältst du es aber für eine geringe Probe der Geduld, solche Nichtswürdigkeiten, hinterlistige Ränke und Kunstgriffe von solchen zu ertragen, die sich als Lehrmeister der ganzen Welt aufwerfen in einer so heiligen und nötigen Sache? Ich klage jetzt nicht darüber, dass sie nicht wissen, was Sünde sei, sondern, dass sie sich so boshaft verstellen und sagen, sie wüssten es sehr wohl, und mit ihrer unverschämten Lüge so viele gottselige Herzen berücken.

    Doch der schreckhafte und flüchtige Sophist macht mir Zuversicht. Ich will vor sein Angesicht den Paulus stellen, dass er nicht entrinnen kann; ich will ihm nachjagen und ihn ergreifen, und nicht umkehren, bis er umkomme [Ps. 18,38]. Entweder soll Latomus den Paulus oder Paulus den Latomus umbringen, der sich vergebens auf menschliche Hilfe stützt. Ich frage also ernstlich: Ist mir, als einem christlichen Bekenner des Evangeliums, erlaubt, das Sünde zu nennen, was der Apostel Paulus Sünde heißt? Ich erörtere nun durchaus nicht, was die Bedeutung von Sünde sei, hierauf werde ich später zu sprechen kommen. Ich will, dass man mir einfach darauf antworte, ob es mir erlaubt sei, dies paulinische Wort zu gebrauchen? Ist es nicht erlaubt, so tilge man den Paulus aus; ist es aber erlaubt, was brüllen dann die Sophisten mit so grausamen Worten gegen mich, weil ich ein gutes Werk Sünde genannt habe? Ist es ihnen nicht auch erlaubt, ein gutes Werk unvollkommen und schwach zu nennen? Was nun? Werden sie mich etwa zwingen, ihre Worte zu gebrauchen? Oder warum wollen sie nicht gezwungen sein, meine und des Paulus Worte zu gebrauchen? Sie wollen es nicht Sünde nennen; wohl! Und ich will es nicht Schwachheit und Unvollkommenheit nennen. „Aber die heiligen Väter haben doch Sünde für Unvollkommenheit und Schwachheit genommen.“ Wohl! Wer will mich aber zwingen, die Worte der Väter zu gebrauchen? Wer will mich zwingen, das Wort des Paulus fahren zu lassen? Oder wollen sie vielleicht sagen, weil es ungereimt und gefährlich ist? Das geht aber dann nicht gegen mich, den Luther, sondern gegen Paulus und den Geist Christi.

    Aber du gebrauchst das Wort Sünde nicht so wie Paulus. Wer hat euch das gesagt? Der Vergleich der Väter mit dir. Wer hat diesen Vergleich angestellt? Wir! Wer seid denn ihr? Wer hat euch gewiss gemacht, dass ihr nicht irrt? Vielleicht, weil die Bulle euch gebilligt hat? Ja, wer hat euch denn gewiss gemacht, dass die Väter das Wort des Paulus richtig ausgelegt haben? Hört ihr, was murmelt ihr da? Du siehst also, dass alles, was die Sophisten bisher vorgebracht haben, aus ihrem eigenen Kopf hervorgeht; aber mit dir Latomus, als dem Führer der Sophisten, habe ich besonders zu reden. Die Sache drückt deine Schultern, denn du führt eine solche und so große Sache, wie sie weder Cicero noch Demosthenes geführt haben. Ich klage euch vor Gott und den Menschen an als Mordbrenner, Gottesräuber, Mörder und Verletzter der christlichen Gottseligkeit. Meine also ja nicht, dass du noch disputieren und dein Spiel treiben kannst; es ist eine ernste Sache, die wir führen.

    Weil ihr nämlich in der Schande ergriffen seid /den im Anfang trachtet ihr nach Ruhm, darum beginnt schon Beschämung sein Ende zu werden), das ist die Ursache, das ihr so brüllt, donnert, rast und mit zugehaltenen Ohren niemanden hören wollt, sondern mit unsinnigem Geschrei nur dies aufwerft: Es ist keine Sünde, es ist keine Sünde, es ist keine Sünde in einem guten Werk. Darum ist alles nichts, was ich vorbringe, auslege und auseinandersetze. Nur gegen solch Wort rast ihr so, aus keiner anderen Ursache, als weil wir es verdammt habt und fürchtet, es könnte durch Paulus zu eurer Beschämung wieder auferweckt werden, so dass Latomus mit unglaublicher Unverschämtheit gerade dies  von mir gesetzte Wort an allen Stellen für verdammliche und Todsünde auslegt. Was doch bei Paulus nur eine Schwachheit bezeichnen soll, das legt er mir überall mit Unterdrückung meiner eigenen Auslegung so arg und gehässig aus wie möglich, da er sogar bekannt hat, dass ich von einer verzeihlichen rede, indem er will, dass die Welt glaube, ich nenne Sünde, was er selbst als Sünde angesehen wissen will, dieser ehrbare und wahrheitsliebende Mann. Wiederum in Paulus legt er es so schwach aus, dass er das Wort ganz aufhebt. Welch ein mächtiger Schriftsteller ist doch Latomus, der das Recht hat, die Worte zu schärfen und zu unterdrücken, nicht nach der Absicht der Schreiber, sondern nach seinem Belieben! Ich verspreche aber dir und der ganzen Welt, dass ich das Wort nicht anders gebrauchen will als Paulus, wofür ich den Namen des HERRN anrufe, dass er mir widerstehe, wenn ich es anders gebrauchen sollte. Was willst du noch mehr? Doch das Wort selbst will ich beibehalten, aber deine und der Väter Wörter will ich nicht, das sollst du wissen. Ich will, sage ich, Sünde nennen, was ihr Mangel oder Unvollkommenheit nennt; willst du mich anders zwingen? Ich mache mir nichts aus eurem noch so ungestümen Lärm, den ihr, wie ich sehe, nicht ohne Ursache erregt damit ihr nicht unterliegen und als solche erfunden werden könntet, die sich mutwillig in so große Schande gestürzt haben; aber das hättet ihr vorher bedenken sollen.

    Lasst uns nun auf die Bedeutung dieses Wortes kommen. Paulus nennt das Sünde, was nach der Taufe noch zurückbleibt; die Väter nennen es nicht Sünde, sondern Schwachheit und Unvollkommenheit. Hier stehen wir an einem Scheideweg; ich folge dem Paulus, du wirst den Vätern folgen. Ich nehme den Augustinus aus, weil er es mit runden Worten wirklich einen Fehler und Ungerechtigkeit nennt.

    Wir kommen nun weiter zu der Hauptsache des Streites, nämlich, ob eine solche Sünde, oder, wie du willst, eine solche Schwachheit ihrer Natur nach, oder allein durch die vergebende Barmherzigkeit, nicht gegen Gott und sein Gesetz sei. Ist dies nicht der kurze Inbegriff unseres Streites? Ich habe den Ausdruck des Paulus für mich. Jeder weiß, was der bezeichnet, nämlich das, was seiner Natur nach gegen Gott ist (wenn es nicht vergeben wird). Du hast, wie es dir scheint, die Väter für dich, welche behaupten sollen, dass es seiner Natur nach nicht gegen Gott und sein Gesetz sei. Zuerst beweist du nicht, dass dies die Meinung der Väter sei, sondern alles, was du einführst, kann leicht von mir abgewiesen werden, wenn ich sage, sie reden von der Sünde [nicht] außer der Barmherzigkeit. Denn sie sagen ganz recht: Diese Sünde unter der Gnade (so würde ich nach meiner Denkungsart sagen) beschuldige durchaus niemanden, verdamme niemanden, schade nicht, habe durchaus nichts gemein mit der Sünde außer der Gnade. Sage ich denn nicht auch so, Latomus? Was für ein Gottesraub ist denn bei mir, da wir an dem Ziel zusammenkommen, dass jeder von uns beiden behauptet, ich: Diese Sünde habe kein Böses an sich, du (wie du es nennst): Diese Schwachheit habe kein Böses an sich. Warum wütest du so gegen mich und beschuldigst mich so hart, da du doch aus den Vätern nichts anderes beweisen kannst, als das, was ich gesagt habe? Aber durch Verwegenheit und Feuer werde ich weder geschreckt noch geschmeidig gemacht, lieber Latomus.

    Aber immerhin, es mag ja unter den Vätern irgendeiner sein, den ich noch nicht gesehen habe, denn den Augustinus, Hieronymus, Ambrosius, Gregor und Bernhard kenne ich, so dass du mir vergebens so viele Wolken[18] vorhältst. Aber es mag einer sein, der behauptet, dass das, was [nach der Taufe] übrig ist, seiner Natur nach nicht gegen Gott sei, noch gegen sein Gesetz, und der da leugnet, dass es allein durch die vergebende Barmherzigkeit Gottes nicht gegen Gott und sein Gesetz sei. Wenn du einen solchen finden würdest (ich hoffe aber, du werdest ihn bei dem finden, was ein Maulesel gebiert), was hast du dann gefördert? Was ausgerichtet? Was ersiegt? Wer wird mich gewiss machen, dass das die Meinung des Paulus sei? Oder wird es mir nicht freistehen, an seiner [des Kirchenvaters] Meinung zu zweifeln? Darf ich nicht so bei mir murmeln: Der Man ist zwar heilig, aber wie, wenn er ein Mensch wäre und hier Menschliches vorbrächte? Wer weiß, ob nicht etwas anderes im Apostel verborgen liegt, was jener nicht sieht? Zumal da Paulus es so frei und offen Sünde nennt, der doch, wenn er gewollt hätte, ebenso hätte reden können, wie jener redet. Wer hat ihm das Recht gegeben, uns ein Gesetz aufzulegen [und zu fordern], dass es so verstanden werden müsse? Niemand unter euch lege ein Gesetz auf, spricht Christus [Luk. 11,46; Matth. 23,4]. Möchtest du, o Latomus, mit dienen Sophisten diesen Gedanken eines gottseligen Herzens zu Feuer oder Strick verdammen? Wie, wenn er nicht anders könnte und gerechte Ursache da wäre, weil er gewiss ist, dass Gott in Paulus rede, dessen Worte zu verehren, aber nicht zu verletzen sind? Bei jenem [Kirchenvater] ist er nicht gewiss, ob Gott oder ein Mensch rede.

    Was sollen wir hier tun? Du wirst sagen: Wir wollen zur Vernunft und zum gemeinen Menschenverstand gehen. Dafür danke ich. Wir sind also in dieser Sache des Ansehens der Menschen los. Dein Grund wird darum ein solcher sein, dass er sich rühmt, aus einem Glaubensartikel zu fließen, nämlich, dass wir glauben, in der Taufe werde uns die Vergebung aller Sünden geschenkt, wie Paulus an vielen Stellen lehrt. Denn dies ist der Grund, den auch deine Väter haben, und er gefällt mir. Aber was ist das, dass den Paulus dieser Grund so gar nichts gekümmert hat, dass er das, was nach der Vergebung aller Sünden noch übrig ist, Sünde nannte? Die Väter aber soll er dazu bewogen haben, dass sie die Sünde leugnen, wie du sagst. Ihr habt eine Unterscheidung der Sünde erfunden, um jenen Grund und das Wort des Paulus zu retten, da ihr diese beiden auf keine Weise miteinander in Übereinstimmung bringen konntet und doch könnt ihr gerade diese Unterscheidung mit keiner Stelle der Schrift beweisen, sondern sie ist ein menschliches Fündlein, wie du nicht leugnen kannst, aber (wie es euch scheint) ein notwendiges wegen des vorher angeführten Grundes. Verhält es sich nicht so? Verstehe ich nicht deine Sachen? Und gegen dieselben habe ich nichts aus Versehen oder Unwissenheit aufgestellt, so dass ich dich als Magister [Lehrmeister] durchaus nicht nötig gehabt hätte.

    Wenn ich nun schon durch Erleuchtung des Heiligen Geistes eine Art gefunden haben sollte, dass sowohl die Gewissenhaftigkeit gegen die Glaubensartikel unverletzt, als auch Paulus zu gleicher Zeit unverletzt bliebe und nicht nötig wäre, irgendeine gewaltsame und unerhörte Veränderung mit seinem Wort vorzunehmen, sondern dasselbe einfach, eigentlich und auf rechte Art in der Bedeutung angenommen würde, die es auch anderswo haben kann, dadurch aus dem Grund genuggetan würde, der euch dringt, dem Wort allein in dieser Stelle seine rechte Bedeutung zu nehmen, das heißt, in Paulus und außerdem nirgends in der Schrift: Wolltest du es mir verweigern? Und wenn du es nicht annehmen wolltest, wolltest du mich auch meiner Freude berauben, da wir in dem Inbegriff der Sachen schön überein kämen? Aber ich würde mich von dem einfältigen Verstand der Worte Gottes nicht abbringen lassen; wenn ich sie, ohne dem Glauben etwas abzubrechen, in gutem Sinn verstehen könnte, so wollte ich euren menschlichen Fündlein durchaus nicht weichen.

    Du sprichst aber: Wenn wir in der Hauptsache übereinkommen, was bringst du denn unheilige Neuerungen in den Wörtern auf und bist mit uns nicht einig ohne Ärgernis? Ich antworte: Weil ich lieber aus der Quelle als aus den Bächlein trinken will; willst du mir dies wehren? Denn es sind zwei Dinge, die mir anliegen. Zuerst, dass ich die Schrift in ihrer Kraft rein haben will, unbefleckt von aller Menschen, auch der Heiligen Berührung, unvermischt mit allem irdischen Zusatz. Denn ihr seid es, die unheilige Neuerungen in den Wörtern nicht vermieden habt, wie Paulus sagt [1. Kor. 1,10], sondern habt diese heiligen Ergötzlichkeiten Gottes mit irdischen Zutaten würzen wollen. Aber meine Seele ekelt mit Hesekiel [Kap. 4,12.14], das Brot zu essen, das mit Menschenmist bedeckt ist; weißt du, was das bedeutet? Zweitens, dass ihr auch dies Geheimnis der Gnade und der Sünde nicht habt mit lauteren Worten und lauter behandeln können, ferner dasselbe auch nicht verstehen, noch auch lieb haben, und so seid ihr kalt, blass, traurig und träge geworden im lob und in der Liebe gegen Gott. Denn ein menschliches Wort, welches zu dem göttlichen hinzugetan wird, ist eine Decke über die reine Wahrheit, ja, wie ich bereits gesagt habe, ist Menschenmist, von dem es bedeckt wird, wie der HERR im Hesekiel abbildet Es ist das Manna, welches im goldenen Krug aufbewahrt werden muss, nicht in den Händen von Menschen herumgeworfen und damit berührt werden.

    Du wirst sagen: Was ist denn nun diese deine Art? Ich will es mitteilen, wiewohl ich vermute, dass es euch, die ihr nach Knoblauch und Pfeben schmachtet und bereits an einem verdorbenen Geschmack leidet, nicht gefallen wird. Aber mit genügt es, dass ihr diese Art nicht widerlegen könnt, sie aber euch überführen kann, dass ihr Gottes Worte verdreht auf eine solche Meinung, die sie an keiner anderen Stelle haben. Jedermann weiß, wie schmählich es ist, dass man das hören muss von Christen, geschweige von Theologen.

    Die göttliche Schrift handelt von unserer Sünde auf zweifache Weise, auf eine Weise nach dem Gesetz Gottes, auf die andere nach dem Evangelium Gottes. Dies sind die beiden Testamente Gottes, die zu unserer Seligkeit verordnet sind, damit wir von der Sünde befreit werden. Das Gesetz handelt von der Sünde nicht anders, als dass es dieselbe offenbare, wie Paulus sagt Röm. 3,20: Durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde. Diese Erkenntnis lehrt zweierlei, die Verderbtheit der Natur und den Zorn Gottes. Von der ersteren sagt [die Schrift] Röm. 7,7: Die Sünde erkannte ich nicht, außer durch das Gesetz. Denn ich wusste nichts von der Lust, wenn das Gesetz nicht hätte gesagt: Lass dich nicht gelüsten. Denn jenen schändlichen Kitzel hat sie der Natur nach nicht Sünde genannt, sondern seinen bösen Gebrauch an einem anderen Körper Wie Schändung, Ehebruch, Hurerei; so nennt sie Zorn und Geiz nicht Sünde, sondern ihren Gebrauch im Diebstahl, Betrug, Schmähung, Mord und ebenso in anderen Dingen. Und ich weiß nicht, ob Sünde in der Schrift jemals für diese Werke genommen wird, die wir Sünde nennen. Denn sie scheint fast nur den zugrunde liegenden Sauerteig so zu nennen, der die bösen Werke und Worte als seine Früchte hervorbringt. Denn diese Sünde offenbart das Gesetz recht eigentlich, da sie vorher unbekannt und tot war, wie Röm. 5,13 sagt; sie liegt auch sehr lebendig verborgen unter den scheinbaren Werken der Heuchler. Denn Paulus sagt [Röm. 11,32], dass durch die Schrift alle Menschen unter diese Sünde beschlossen sind, obwohl nie verborgen bleiben kann, dass sie nicht ihre Früchte hervorbringe, in dem einen auf diese, in einem anderen auf eine andere Weise. Aber du kannst kein böses Werk anzeigen, darunter du alle Menschen beschließen könntest. Davon anderswo mehr. Von dem anderen (nämlich dem Zorn Gottes) sagt Röm. 4,15: Das Gesetz richtet nur Zorn an, weil es Gal. 3,10 heißt: Verflucht sei jedermann, der nicht bleibt in allem dem, das geschrieben steht in dem Buch des Gesetzes, dass er es tue“; und Röm. 5,12: Der Tod durch die Sünde; und Röm. 6,23: Der Tod ist der Sünde Sold. Soweit unterrichtet uns also das Licht des Gesetzes und lehrt uns, dass wir unter der Verderbnis und unter dem Zorn sind, und beschließt einen jeden Menschen, dass er sowohl ein Lügner als auch ein Kind des Zornes ist. Aber die Verderbnis hätten wir vielleicht verachtet und uns in unserem Übel gefallen, wenn nicht das andere Übel des Zornes uns diese Torheit vertriebe und wehrte mit Schrecken und Gefahr des Todes und der Hölle, dass wir im ersteren Übel keinen Frieden hätten. Und der Zorn ist für uns ein bei weitem größeres Übel als die Verderbnis, weil wir die Strafe mehr hassen als die Schuld.

    Darum offenbart das Gesetz ein zweifaches Übel, ein innerliches und ein äußerliches; das eine, welches wir uns selbst aufgelegt haben, die Sünde oder die Verderbnis der Natur, das andere, welches Gott auflegt, Zorn, Tod und Fluch. Es seien diese beiden, wenn du willst, Schuld und Strafe. Aber unter diesen Ausdrücken haben wir die Schuld und die Strafe allzu schwach und kalt behandelt, und ich weiß nicht, was für Beziehungen und Zurechnungen erdichtet. Wir nennen, der Schrift gemäß, derb und voll Sünde oder Schuld oder innerliches Übel die ganze Verderbnis der Natur, in allen Gliedern, die böse ist und zum Bösen geneigt von Jugend auf, wie 1. Mose 6,5 und 8,21 geschrieben steht. Und dieser Zorn ist so groß, dass das, was gut scheint, nichts nützt, z.B. Künste, Gaben, Klugheit, Tapferkeit, Keuschheit und was es nur an natürlichen, sittlichen und Verstandesgaben gibt, an welchen der gemeine Menschenverstand keinen Fehler wahrnehmen könnte, so sehr, dass heutzutage auch unsere Theologen diese Dinge unter das Gute rechnen und ihnen nichts Böses zuschreiben. Nur das, was außer der Gnade getan werde, verdiene nicht das Himmelreich, wiederum verdiene es doch auch weder die Hölle noch Strafe. Sie würden bereit sein, geradeaus zu behaupten, dergleichen könne auch den Himmel verdienen, wenn sie nicht einen gewissen Schall von der Notwendigkeit der Gnade vernommen hätten, den sie meinen, es fehle daran nichts, was das erfordere, sondern nur das, worauf die Gnade dringe. Sie lehren, dem Gesetz sei genuggetan, aber nicht dem Evangelium.

    Sie fügen noch hinzu, dieses Gute sei so groß, dass es Gnade verdiene nach der Billigkeit (de congruo), und unfehlbar, und werde so ein völlig Gutes, wenn auch nicht eigentlich verdient, doch durch eigenes Verdienst.[19] Hierzu kommt, dass Gott selbst nicht leugnet, dass diese Dinge gut sind, wie dies in Wahrheit nicht geleugnet werden kann, sondern er belohnt sie und schmückt sie mit zeitlichen Wohltaten, wie Herrschaft, Vermögen, Ruhm, gutem Ruf, Würde, Ehre, Vergnügen und dergleichen, derart, dass nicht nur die Decke des eigenen Scheins, sondern auch der göttlichen Vergeltung zu der natürlichen Blindheit hinzukommt, welche das wahrhaft Gute nicht kennt, so dass sie sicher und auf das hartnäckigste darauf besteht, diese Dinge seien gut. Darüber hat sich hauptsächlich das prophetische Amt abgearbeitet und alle Propheten sind getötet, weil sie diese Dinge tadelten und ein wahrhafteres Gutes forderten. Denn die Prophetie ist nichts anderes gewesen, als die verfeinerte Darlegung (expolitio) und (dass ich so sage) Praxis und Anwendung des Gesetzes oder, wie es in den Schlussreden (syllogismis) heißt, das Untergeordnete (subsumptio), welches aussprechen sollte, wie ein jedes gute Werk vorfiel, ob es wahrhaft gut wäre oder nicht recht gut. Daher lesen wir, dass in den alten Büchern vieles verworfen wird, was wir anstaunen. Damit wehrte Gott, dass sie ihrer Meinung nicht folgen sollten, sondern seine Stimme hören. Darum hat er ihnen immer Propheten erweckt, welche in diesen guten Dingen (dass ich so sage) das Gesetz in Ausübung brächten und gleichsam an Beispielen zeigten, was das Gesetz wäre.

    Das Gesetz allein zeigt daher, freilich nicht, dass diese Digne böse sind an sich, denn sie sind Gottes Gaben, aber dass sie in bösem Gebrauch sind wegen der sehr verborgenen Wurzelsünde (radicale peccatum), dadurch sie auf diese Dinge vertrauten, sich darin gefielen und sich rühmten in dem nicht wahrnehmbaren Bösen, wie noch jetzt und allezeit dieses innerlichste Übel der Sünde tut, da man doch allein auf Gott vertrauen, ihm gefallen und seiner sich rühmen soll, wie es Jeremia 9,23 heißt: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Denn alle diese Dinge sind gut, umsonst ausgestreut, häufiger über Böse als über Gute, so dass der 73. Psalm [V. 2] sich beklagt, dass er deshalb schier gestrauchelt und sein Tritt beinahe geglitten wäre. Aber alles dies ist (wie ich gesagt habe) unter dem Horn und dem Fluch beschlossen, und es nützt nichts, und bereitet so gar nicht zu der Gnade nach dem, was gebührt (de congruo), dass es vielmehr das Herz verhärtet, dass es die Gnade nicht begehrt oder für notwendig achtet. Wied er 119. Psalm [V. 70) sagt: Ihr Herz ist geronnen wie Milch [Vulg.] Besser im Hebräischen: Ihr Herz ist dick wie Schmeer. Dieses Volk wird eigentlich in der Schrift der Gottlosigkeit, des Unglaubens, des harten Nackens beschuldigt, weil sie ihren unbezähmten Sinn in diesen ansehnlichen guten Dingen nicht demütigen, weder das Gesetz noch ihre Sünde darin erkennen konnten, sondern immer meinten, dass sie Gott darin einen Dienst leisten vor allen anderen wahrhaft Gerechten. Diesen wird vergebens gepredigt, diese sind die Blutgierigen und die Falschen [Ps. 5,7; 55,24]. Kurz, das Gesetz meinen sie, erfüllt zu haben, und sie bedürfen der Gnade nicht (wie ich gesagt habe), außer für ein gewisses Überflüssiges, was Gott fordert. Diesen ist Mose verhüllt, sie ertragen nicht sein glänzendes Angesicht (cornutam faciem) [2. Mose 34,29.30.35]; in so großer Weisheit, Gute, Gerechtigkeit, Gottesdienst wollen sie nicht böse sein, und können auch nicht erkennen, dass sie es sind, weil sie nicht hören. Du siehst also, wie unvergleichlich viel höher das Gesetz ist als die natürliche Vernunft, und wie tief die Sünde stecke, deren Erkenntnis ds Gesetz lehrt. Diese sind also alle unter dem Zorn, weil sie alle unter der Sünde sind.

    Das Evangelium dagegen behandelt die Sünde so, dass es dieselbe wegnimmt und folgt in solcher Weise sehr schön auf das Gesetz. Denn das Gesetz führt die Sünde ein und überschüttet uns damit durch Erkenntnis derselben. Dadurch hat es zuwege gebracht, dass wir begehren, von ihr befreit zu werden und nach der Gnade Verlangen trugen. Denn das Evangelium predigt und lehrt auch zweierlei, Gerechtigkeit und die Gnade Gottes. Durch die Gerechtigkeit heilt es das Verderben der Natur, und zwar durch die Gerechtigkeit, welche eine Gabe Gottes ist, nämlich der Glaube an Christus, wie Röm. 3,21 sagt: Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt; und wiederum Röm. 5,1: Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott usw. und Kap. 3,28: So halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben. Und diese Gerechtigkeit, welche der Sünde entgegengesetzt ist, wird in der Schrift insgemein für die innerste Wurzel genommen, deren Frucht die guten Werke sind. Der Begleiter bei diesem Glauben und dieser Gerechtigkeit ist die Gnade oder Barmherzigkeit, die Gunst Gottes, gegen den Zorn, welcher der Begleiter der Sünde ist, so dass ein jeder, der an Christus glaubt, einen gnädigen Gott hat. Denn wir würden in diesem Gut der Gerechtigkeit weder recht fröhlich sein, noch würden wir dies sein Geschenk groß achten, wenn es allein wäre und uns nicht einen gnädigen Gott machte. Gnade nehme ich hier eigentlich für Gunst Gottes, wie es sich gebührt, nicht für eine Eigenschaft des Gemüts, wie unsere Neueren lehren. Aber diese Gnade wirkt endlich wahrhaft Frieden des Herzens, dass der Mensch, von seinem Verderben geheilt, auch empfindet, dass er einen gnädigen Gott hat. Das ist’s, was die Gebeine fett macht und das Gewissen fröhlich, sicher, unerschrocken, dass es alles wagt, alles kann, so dass es auch des Todes spottet in diesem Vertrauen auf die Gnade Gottes.

    Wie demnach der Zorn ein größeres Übel ist als das Verderben der Sünde, so ist die Gnade ein größeres Gut als die Gesundheit der Gerechtigkeit, von der wir gesagt haben, dass sie aus dem Glauben herkomme. Denn jedermann (wenn es möglich wäre) wollte lieber die Gesundheit der Gerechtigkeit entbehren als die Gnade Gottes. Denn Vergebung der Sünden und Friede wird eigentlich der Gnade Gottes zugeschrieben, aber dem Glauben die Heilung der Verderbnis. Denn der Glaube ist ein innerliches Geschenk und Gut, welches der Sünde entgegengesetzt ist, welches reinigt, und der Sauerteig im Evangelium [Matth. 13,33], der unter drei Scheffel Mehl gar verborgen ist. Aber die Gnade Gottes ist ein äußerliches Gut, die Gunst, dem Zorm entgegengesetzt. Diese beiden Dinge unterscheidet Röm. 5,17: Denn so um des Einen Sünde willen der Tod geherrscht hat durch den Einen, viel mehr werden die, so da empfangen die Fülle der Gnade und Gabe zur Gerechtigkeit herrschen im Leben durch Einen, Jesus Christus. Die Gabe in der Gnade Eines Menschen nennt er den Glauben an Christus (den er auch öfter eine Gabe nennt), der uns in der Gnade Christi gegeben ist, das ist, weil er, als der allein unter allen Menschen Angenehme und Wohlgefällige, einen gnädigen und gütigen Gott hatte, so dass er uns diese Gabe und auch diese Gnade verdienen konnte.

    Im ersten Kapitel St. Johannes‘ [V. 17] sagt Johannes der Täufer folgendermaßen: Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden; und vorher [V. 14]: voller Gnade und Wahrheit. So ist die Wahrheit, welche von Christus auf uns fließt, der Glaube, die Gnade aber begleitet den Glauben wegen der Gnade Christi, wie er ebendaselbst vorausgeschickt hat [V. 16]: Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. Welche Gnade? Um welche Gnade? Unsere Gnade, dass Gott uns günstig wäre, um die Gnade Christi, durch welche er ihm günstig ist. Denn, sagt er, das Gesetz ist durch Mose gegeben, aber die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. Wir haben also zwei Güter des Evangeliums gegen zwei Übel des Gesetzes, die Gabe statt der Sünde, die Gnade statt des Zorns. Daraus folgt, dass diese zwei, Zorn und Gnade, sich so verhalten (da sie außer uns sind), dass sie ganz und gar ausgeschüttet werden, so dass, wer unter dem Zorn ist, ganz unter dem ganzen Zorn ist, wer unter der Gnade, ganz unter der ganzen Gnade ist, weil #Zorn und Gnade die Person betreffen. Denn, wen Gott in die Gnade aufnimmt, den nimmt er ganz auf, und wem er günstig ist, dem ist er ganz günstig; wiederum, wem er zürnt, dem zürnt er ganz und gar. Denn er teilt diese Gnade nicht, wie er die Gaben teilt; er liebt nicht das Haupt und hasst die Füße, noch ist er der Seele günstig und hasst den Körper. Und doch schenkt er der Seele, was er dem Leib nicht gibt, er schenkt dem Kopf, was er den Füßen nicht gibt. So auch in der ganzen Kirche, welche in derselben Gnade Gottes steht, wie Röm. 5,2 sagt: Durch welchen wir auch einen Zugang haben im Glauben zu dieser Gnade, darin wir stehen usw. Verschieden und mannigfaltig ist er in seinen Gaben. So auch umgekehrt, wem er nicht günstig ist, dem ist er ganz und gar nicht günstig, und doch straft er ihn nicht ganz, ja, einer bleibt durch Eine Sünde Eines Gliedes ganz unter dem Zorn, aber ein anderer bleibt durch Eine Gabe Eines Werkes ganz unter der Gnade, damit man die Gnade, wie gesagt, weit scheide von den Gaben, weil allein die Gnade Gottes das ewige Leben ist [nach der Vulgata], Röm. 6,23, und allein der Zorn der ewige Tod.

    Nun wollen wir zur Sache kommen. Der Gerechte und Gläubige hat ohne Zweifel Gnade und Gabe; die Gnade, welche ihn ganz angenehm macht, dass die Person durchaus wohlgefällig ist, und der Zorn, bei ihr nicht mehr statt hat; die Gabe aber, welche ihn heilt von der Sünde und seinem ganzen Verderben an Seele und Leib. Es ist darum überaus gottlos zu sagen, dass ein Getaufter noch in Sünden sei, oder dass nicht alle Sünden aufs völligste vergeben seien. Denn was ist da noch für Sünde, wo günstig ist und keine Sünde wissen will, und er völlig den ganzen Menschen annimmt und heiligt? Das ist aber nicht unserer Reinigkeit beizulegen, wie du siehst, sondern allein der Gnade Gottes, der da günstig ist. Alles ist durch die Gnade vergeben, aber noch nicht alles gesund durch die Gabe. Die Gabe ist auch eingegossen, der Sauerteig ist gemischt, arbeitet, dass er die Sünde auskehre, welche der Person schon vergeben ist, und dass er den bösen Geist austreibe, den hinauszuwerfen er Erlaubnis hat. Indessen, während dies geschieht, heißt es Sünde und ist wirklich in seiner Natur Sünde, nur muss man in seiner Gnade und Gabe beharren. Die Sünde ist von sich selbst nicht verschieden, ihrem Wesen nach, vor der Gnade und nach der Gnade, es ist aber ein Unterschied in der Behandlung. Denn sie wird jetzt anders behandelt als vorher. Wie wurde sie vorher behandelt? Dass sie da wäre und erkannt würde und uns belastete; jetzt wird sie behandelt, dass sie nicht sei und hinausgeworfen werde. Aber um deswillen ist und bleibt sie wirklich und von Natur Sünde. Ja, es ist Undankbarkeit und Beleidigung der Gnade und Gabe Gottes, zu leugnen, dass sie wirklich Sünde sei. Die Gnade freilich hat da keine Sünde, weil die ganze Person wohlgefällig ist, aber die Gabe hat Sünde, weil sie ausfegt und kämpft. Aber auch die Person ist weder wohlgefällig, noch hat sie Gnade, außer um der Gabe willen, welche sich bemüht, auf diese Weise die Sünde auszukehren. Gott macht nicht erdichtete, sondern wahre Sünder selig; er lehrt nicht eine erdichtete Sünde töte, sondern wahre Sünde.

    Siehe, diese einfache und paulinische Art zu verstehen und zu reden suche ich und will ich haben in der Behandlung der Sünde und der Gnade. Sie ist rein und lauter, wird durchaus ohne alle Schwierigkeit gefasst, bedarf keiner Unterscheidungen und ist wundersam lieblich und klar und eröffnet die ganze Schrift. Hier ist nicht nötig zu sagen, Sünde werde bei Paulus für Schwachheit genommen, ja, es ist nötig, dass sie für wahre Sünde genommen werde, damit die Gnade und Gabe Gottes rein und der Wahrheit gemäß dargelegt werden können. Wenn jemand das leugnet, dass es wirklich Sünde sei, der lästert die Gabe Gottes und ist undankbar. So sage und lehre ich, dass ein jeder Mensch wisse, er habe in jedem Werk soviel von der Sünde, wie in ihm die Sünde noch nicht hinausgeworfen ist; wie der Baum, so die Frucht damit er sich vor Gott nicht wegen seiner Reinigkeit in sich selbst rühme, er rühme sich aber in der Gnade und Gabe Gottes, dass er einen günstigen Gott hat, der diese Sünde nicht zurechnet und obenein die Gabe gegeben hat, durch welche er sie ausfege. Darum bekenne er die Wahrheit, dass, wenn er nach der Natur des Werkes, ohne Gnade gerichtet werden sollte, er vor seinem [Gottes] Angesicht nicht bestehen könnte, jetzt aber, weil er sich auf die Gnade stützt, ist nichts, was ihn anklagen könnte. Ist denn dies so dunkel, wie die ungeheuren Bände der Sophisten, die zusammengetragen sind über Sünde und Gnade? Oder kommen nicht bereits das Wort des Paulus und der gottselige Glaube und der Grund, welcher zu erzwingen schien, dass Sünde für Strafe genommen werden müsse, schön überein? Was ist leichter, als zu sagen, dass Sünde entweder nach dem Gesetz oder nach dem Evangelium behandelt werde? Wenn man sie allein nach dem Gesetz behandelt, so ist sie Tod und Zorn, wenn allein nach dem Evangelium, so ist sie Gnade und Leben, sie bleibt aber unter beiden wirklich und wesentlich Sünde. Deshalb sind die Sprüche der Väter, welche leugnen, dass in einem Gerechten Sünde sei, alle nach der Gnade zu verstehen, aber nicht nach dem Wesen der Sünde oder nach dem Gesetz, den Christus hat uns frei gemacht, dass wir bereits nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind.

    Aber du wirst sagen, die heiligen Väter leugnen die Sünde und du beweist nicht, dass Sünde auf diese Weise hier genommen werden müsse. Ich antworte: Erstens, ich verstehe und lehre doch nichts Gottloses und was sich nicht mit dem Glauben reime. Lässt du das nicht zu? Und ich werde es noch ausführlicher beweisen. Ferner beweise ich dies, dass Sünde in der Schrift überall so genommen wird, wie ich es nehme, darum beweise ich kräftig, dass es so genommen werden muss, da ohne das Beispiel der Schrift in Glaubenssachen nichts behauptet werden darf. Danach beweist du in zweifacher Art nichts. Zuerst beweist du nicht, dass die Väter sagen, es dürfe Sünde nicht so genommen werden, oder könne nicht so genommen werden, wie ich es nehme, weil sie es zwar Schwachheit nennen und die Sünde leugnen, man aber annehmen kann, sie hätten dies getan, indem sie nicht das Wesen der Sünde im Auge gehabt haben, sondern die Gnade Gottes, und du hast nichts, was du hier entgegensetzen kannst. Ja, wenn sie selbst aus Herzensgrund leugneten, es sei nach seinem Wesen Sünde, so beweisen sie es doch nicht, noch ist es ein Artikel des Glaubens, was sie meinen oder sagen, ja, sie reden gefährlich, wenn sie ohne Vorbild der Schrift reden.

    So dass Sünde nur Schuld[20] bedeute, beweist weder du, dass sie das wollen, noch beweisen sie, dass es so sein müsse. Ihr habt hier das sehr dunkle Wort Schuld (reatus) erfunden, und wollt, dass es dem Wesen nach Sünde bedeute. Aber die Schrift ist einfacher, hat in leichter und klarer Rede nur: Verderbnis und Zorn. So beweist du nicht, dass Vergebung aller Sünden, Abwaschung der Sünden und was sie sonst noch von der Herrlichkeit der Taufe mit Recht sagen, dasselbe sei wie, dass keine Sünde in ihrer Natur übrig bleibe, und sie selbst beweisen das auch nicht. Aber dem allen steht Paulus entgegen, aber auch Petrus. Letzterer sagt [1. Petr. 2,11]: Enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, welche gegen die Seele streiten, ersterer aber [Gal. 5,17]: dass die Sünde im sterblichen Leib gegen den Geist gelüste, und sie erzwingen, dass die Aussprüche der Väter ihr Absehen haben auf die Gnade, welche dem Getauften günstig ist, und auf das Geschenk, welches der Sünde entgegengesetzt ist, nicht auf das Wesen der Sünde oder auf das Geset5z. Und so, lieber Latomus, ist alles, was du vorgebracht hast, nichtig und widerlegt, zerstreut wie Staub vor dem Angesicht des Windes. Da nun dieser meiner Meinung die gottselige Lehre günstig ist, die Worte der Schrift damit übereinstimmen und in ihr Einfachheit und Lauterkeit in Worten und Sachen ist, so will ich mir das Wort Sünde nicht nehmen lassen bei allen Menschen und allen ihren Werken in diesem Leben, obgleich ich bekenne, dass sie nach der Gnade Gottes keine Sünde und auch kein böses Werk haben. Wer mir nicht folgen will, der lasse es und folge anderem, aber er soll wissen, dass sich sein Ding auf menschlichen Grund stütze, nicht auf göttliche Zeugnisse. Ich werde nicht leiden, dass man dem Augustinus, der den Apostel erklärt, mehr glaube als dem Apostel selbst, der die Sünde so oft wiederholt.

     Nun wollen wir sehen, wie die Schrift zu dieser Meinung stimme. Lukas im letzten Kapitel [24,47] sagt Christus, dass Buße und Vergebung der Sünden in seinem Namen gepredigt werde. Warum war Vergebung der Sünden nicht genug? Kommt hiermit nicht überein, dass Buße die Änderung der Verderbnis und beständige Erneuerung von der Sünde ist welche der Glaube wirkt, das Geschenk Gottes und die Vergebung? Das Geschenk der Gnade ist, dass da keine Sünde des Zorns bleibt. Denn er lehrt nicht, dass die erdichtete Buße der Sophisten gepredigt werden soll, welche nur eine Stunde lang dauert. So lange gepredigt wird, so lange man lebt, muss man Buße tun und erneuert werden, damit die Sünde ausgetrieben werde. Kannst du etwa diese beiden Dinge der Schwachheit und der Strafe auch so anpassen? Wer würde Buße tun über seine Schwachheit5? Wer würde die Strafe erneuern? Dasselbe besagt das Wort Johannes‘ des Täufers, welches Christus wiederholt hat [Matt. 3,2; 4,17]: Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Was ist das anderes, als das Leben ändern, was der Glaube ausrichtet, der die Sünde ausfegt, und in dem Reich Gottes sein, welches die vergebende Gnade zuwege bringt? Denn das nennt Johannes [Matth. 3,8] rechtschaffene Früchte der Buße, wenn die Sünde ausgekehrt wird und nicht äußerliche Werke erheuchelt werden. Hiermit stimmt so schön das Gleichnis Matth. 13,33 vom Sauerteig und den drei Scheffeln Mehl, dass es nichts Passenderes geben kann. So stimmt es aber nicht, wenn du die Sünde nur Schwachheit und Strafe nennst, ja, dann hast du es mit diesen Worten schon dunkel gemacht, dass du das Gleichnis weder sehen noch verstehen kannst. Hierher gehört auch das Gleichnis von dem Halbtoten, der von dem Samariter geheilt wurde, ganz und gar und in erster Reihe. Dieser wurde nicht auf einmal gesund, er ist aber auf einmal aufgenommen, dass er geheilt würde, indem der Levit und der Priester, die Diener des Gesetzes, ihn zwar sahen, ihm aber nicht halfen. Das Gesetz (wie ich gesagt habe) bringt Erkenntnis der Sünde, aber Christus macht gesund durch den Glauben und bringt wieder zur Gnade Gottes.

    Hierher gehört Joh. 13,10: Wer gewaschen ist, der ist ganz rein, nämlich durch die Gnade, und doch wäscht er durch den Glauben, der tätig ist, die Füße der übriggebliebenen Sünde. Hierher gehört auch, dass wir Reben sind an Christus [Joh. 15,2], welcher der Weinstock ist, weil wir Frucht bringen als rein in allem, und doch reinigt der himmlische Weingärtner den Reinen, damit er mehr Frucht bringe.

    Von allem diesem kannst du nichts reimen mit der Strafe und der Schwachheit, denn sogleich geht der Sinn des Waschens, des Reinigens, des Heilens verloren, nur dass man die unbestimmten erlässlichen Sünden hierher ziehen könnte. Aber das ist ein oberflächlicher Sinn, der die Blätter beschneidet, die Wurzel aber nicht ausschneidet. Und, wie das Gleichnis gibt, welches Latomus eingeführt hat, eine solche Art zu heilen ist gleich dem Abscheren der Haare, wo sie von neuem wieder wachsen. So ist aber nicht die Gabe Gottes, welche die Wurzeln zu töten sich bemüht und nicht die Taten, sondern sie reinigt die Person selbst, dass diese erlässlichen Sünden aufhören oder doch wenigstens in geringerem Grad hervorsprossen. Vergebens widerstehst du den erlässlichen Sünden, wenn du nicht die Sünde, welche der Zunder dazu ist, auslöschst, aus der jene sprießen. Sie Sünde begehrt immer, aber du widerstehst ihrer Begierde, wen du nicht nur ihren Regungen widerstehst, sondern sie selbst auch tötest, was geschieht durch die Gabe des Glaubens, welche den alten Menschen der Sünde, wie ihn der Apostel nennt, tötet, kreuzigt und mit verschiedenen Leiden übt. Hierher passt auch das Bild, welches ich oben gebraucht habe, dass die Kinder Israel, nachdem sie in Besitz des Landes Kanaan gekommen waren, die Überbleibsel der Amoriter, Jebusiter und Kanaaniter nicht ausrotteten. Diese Überbleibsel hatten keine andere Beschaffenheit, als die Völker selbst. Aber diese unsere [Gegner] lehren, die Schwachheit und die Strafe seien auch nicht böse, vielmehr nützlich und zu erstragen, gleich als ob sie nicht auszufegen wäre.

    Ich schließe also, da Paulus Röm. 6,12 die Sünde in eurem sterblichen Leib, [V. 14] die Sünde wird nicht herrschen können, [V. 6] der sündliche Leib höre auf, Röm. 8,2 hat mich frei gemacht vom Gesetz der Sünde, Röm. 7,13 die Sünde wirke, [V. 23] die Sünde widerstreite, die Sünde nehme gefangen, [V. 25] dem Gesetz der Sünde dienen, 1. Kor. 7,5 Unkeuschheit, 1. Kor. 5,8 den alten Sauerteig der Bosheit und Schalkheit, Eph. 4,22 den alten Menschen, Kol. 3,5.8 Zorn, böse Lust, Geiz, Hebr. 12,1 die Sünde, so uns immer anklebt, – kurz, da Paulus es überall mit dem Namen Sünde und Fehl benennt, so würde ich doch auch, wenn er es nur Ein Mal Sünde genannt hätte, keinem Engel weichen. Denn da er an so vielen Stellen beständig dasselbe behauptet, wer sind denn jene Menschen, dass sie mich zwingen sollten, ihre Deuteleien in den Text zu setzen und die Worte des Paulus auszutilgen? Ich will ihre Meinungen nicht, und sage zuversichtlich, dass Sünde in uns sei und in allen unseren Werken, so lange wir hier leben. Wen mich also meine Löwener vorher gehört hätten und mehr auf Gottes als der Menschen Wort Acht gehabt hätten, so würden sie gewiss die Wahrheit reiner erkannt haben, welche sie bewahrt hätte vor einer so entsetzlichen Gotteslästerung, Schändung des Heiligtums, Verbrechen und Schandtat, dass sie das Wort des Paulus nicht so verwegen verbrannt hätten. Ich stelle ihnen aber noch die Wahl, dass sie in sich gehen, ihren Irrtum anerkennen, Gott die Ehre geben, ihre Tollheiten bekennen, die sie mit keinem Grund schützen können, und siehe, alles soll ihnen verziehen sein. Denn ich will sehr gern mit ihnen Gemeinschaft haben, und ihres Bösen niemals gedenken, wie ich nicht will, dass Gott des meinigen gedenke. Sollten sie aber in dem verharren, was ich verwünsche, so werde ich sie sicherlich für verflucht halten. Der HERR wird ein Einsehen haben, ob mein Bann mehr oder weniger auf sich habe, als die abgeschmackten, blutgierigen, gottesschänderischen, kurz, des Papsts und Roms allerwürdigsten Bullen. Amen. Hiermit glaube ich nun, ist gebührend dargetan, verteidigt und begründet, was ich in Bezug auf diesen Artikel in meiner Erörterung (resolutione) beigebracht habe, welche Latomus anficht, und dass alle Dinge des Latomus nichts sind als Unwissenheit in der Schrift, dann auch bloße Mutmaßungen und Beweise aus zu Beweisendem.

    Eins will ich noch hinzufügen, damit ich dieser Sache mit Vernunft und Erfahrung helfe. Ich disputiere mit Sophisten. Wir wollen von der Regel zum Beispiel kommen, damit wir nicht Stoiker seien, welche einen solchen Mann als einen Weisen beschrieben, wie sie ihn niemals gesehen hatten, wie auch Quintilian einen solchen Redner zurichtet. Ich frage, ob sie es wagen, einen solchen Menschen zu verschaffen, der von Einem guten Werk, welches er getan hat, sagen könne, dies ist ohne Sünde, selbst auf die Weise, wie sie selbst von der Sünde reden. Ich glaube nicht, dass sie selbst oder irgendein Mensch es wagen würden, von seinem Werk diese Meinung zu haben. Wenn sie sagen, das könne keiner, was beschuldigen sie mich denn so entsetzlich, da sie selbst dasselbe halten, ja, mehr sagen als ich. Denn ich habe nichts von der erlässlichen Sünde geredet. Was ist denn Ungereimtes daran, wenn man sagt, dass in jedem guten Werk Sünde sei, da sie selbst zugestehen, in den meisten sei sicherlich Sünde, und in wenigen sei keine Sünde, auch da sie ohne Beispiel, allein nach der Regel, reden? Wenn es nicht ungereimt ist an Einem oder vielen, wie kann es ungereimt oder unmöglich sein bei allen? Sind wir nicht so schöne Doktoren, da wir die Regel ohne Beispiel lehren? Aber sie werden sagen: Es ist ungewiss, wessen Werk gut sei, ohne Sünde. Was tun wir also? Führen wir die Leute aufs Ungewisse mit unseren Lehren? Oder ist das nicht ungereimt, in der Kirche Ungewisses zu lehren? Wann wir dann Friede in unseren Herzen sein? Was soll man inzwischen tun? Soll man beten um Vergebung der Sünde in einem guten Werk, oder soll man es vor Gott rühmen? Es ist Gefahr, wenn es Sünde ist, und man nicht um Vergebung bittet. Wiederum ist Gefahr, wenn man um Vergebung bittet, wo nicht Schuld ist, oder man doch nicht glaubt, dass Schuld da ist. Denn man würde lügen und für das bitten, wovon man dafürhält, dass nicht dafür gebetet werden müsse, und gerade dadurch bekennen, das Werk habe Vergebung nötig, und ihm dadurch Unrecht tun. Soll man es in Zweifel stellen? So soll man auch Ungewisses beten, nicht nur tun? Habt Dank, Magistri nostri, die ihr uns alles ungewiss lasst und nicht einmal das gewiss macht, ob alles ungewiss sei.

    Aber das mag dahinfahren. Ein Beispiel dieser Regel: Ein gutes Werk ist ohne Sünde. Das fehlt ganz in diesem Leben, weil Paulus (wie wir gesagt haben) dies nicht von seinen Werken zu behaupten wagt, da er spricht [1. Kor. 4,4]: Ich bin mir wohl nichts bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt. Wir müssen aber gewiss sein; darum hat Gott in seiner Gnade uns mit einem Menschen versorgt, auf den wir vertrauen sollten, und nicht auf unsere Werke. Denn obgleich er uns durch die Gabe des Glaubens gerechtfertigt hat und durch seine Gnade uns geneigt geworden ist, so hat gewollt, dass wir uns auf Christus stützen, damit wir nicht ohne Festigkeit wären in uns selbst und in seinen Gaben; damit auch diese angefangene Gerechtigkeit uns nicht genügend dünke, wenn sie nicht in der Gerechtigkeit Christi hange und aus ihm fließe; damit auch nicht irgendein Unverständiger, nachdem er die Gabe einmal empfangen hat, sich schon satt und sicher dünke, sondern er hat gewollt, dass wir von Tag zu Tag mehr zu ihm [Christus] gezogen werden, nicht stehen bleiben bei dem, was wir empfangen haben, sondern ganz in Christus verklärt würden. Denn seine Gerechtigkeit ist gewiss und beständig, da ist kein Wanken, da ist kein Fallen, er ist HERR aller Dinge.

    So oft daher Paulus den Glauben an Christus predigt, predigt er ihn mit wunderbarer Sorgfalt so, dass nicht allein durch ihn und von ihm die Gerechtigkeit sei, sondern auch zu ihm, dass er uns in sich hineinbringe und verkläre, und gleichsam ins Verborgene setze, bis der Zorn vorübergehe. So Röm. 5,1: Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren HERRN Jesus Christus. Siehe, der Glaube ist nicht genug, sondern der Glaube, welcher sich unter die Flügel Christi verbirgt und sich seiner Gerechtigkeit rühmt; und wiederum [V. 2]: Durch welchen wir auch einen Zugang haben im Glauben zu dieser Gnade. Wiederum lehrt er den Glauben so, dass er ihn unter die Flügel Christi wirft; auch Kol. 1,19.20: Denn es ist das Wohlgefallen gewesen, dass alles durch ich versöhnt würde zu ihm selbst. Siehe: Durch ihn zu ihm. Und weiter [V. 20]: Damit, dass er Frieden machte durch das Blut an seinem Kreuz durch sich selbst. Siehe: Durch das Blut an seinem Kreuz durch sich selbst. Was will mit diesen Worten der Apostel anders, als dass jener unbestimmte Glaube der Sophisten nicht genug ist, von dem man dafürhält, dass er nach empfangener Gabe wirke? Sondern das ist erst der Glaube, welcher dich zu einem Küchlein, Christus zur Gluckhenne macht, dass du unter seinen Flügeln Hoffnung habest. Denn Heil ist unter desselben Flügeln, sagt Maleachi [Kap. 4,2], damit du dich nämlich nicht stützt auf den empfangenen Glauben, denn das heißt Hurerei treiben; sondern du sollst wissen, dass sei Glaube, wenn du ihm anhangst, auf ihn vermessen bist, weil er für dich heilig und gerecht ist. Siehe, dieser Glaube ist die Gabe Gottes, welcher uns die Gnade Gottes erlangt und jene Sünde auskehrt und uns selig und gewiss macht, nicht durch unsere, sondern Christi Werke, dass wir bestehen und bleiben können in Ewigkeit, wie geschrieben ist [2. Kor. 9,9]: Seine Gerechtigkeit bleibt Ewigkeit.

    Du möchtest aber sagen: Ihr scheint euch in einem Wortstreit zu drehen, da ihr in der Hauptsache übereinkommt, und keiner von beiden behauptet, jenes Überbleibsel nach der Taufe sei verdammlich, möge es nun Sünde sein oder Strafe. Ich antworte: In Bezug auf den Zweck kommen wir überein, dass es nämlich unschädlich sei; aber keineswegs über die Sache selbst. Denn sie schreiben der Natur zu, was Gottes Gnade ist; das darf man nicht leiden. Ferner machen sie die Menschen sicher, dass sie die Sünde nicht ausfegen. Sie vermindern auch die Kenntnis des Geheimnisses Christi, dadurch auch das Lob und die Liebe gegen Gott, indem sie nicht die Güte erwägen, welche sich ausbreitet über die Sünder, dass die Gnade aufs reichste über sie ausgeschüttet ist, sondern sie machen die Natur unschuldig. Wenn gleich nichts anderes entgegenstände, so reden sie doch ohne Schrift, verderben auch die Lauterkeit der Schrift ohne Ursache und verdunkeln das Verständnis der Sachen. Daher kommt’s, dass sie ihre Einfachheit verliert und zum Ärgernis wird, welches uns gar weit von ihr abführt. So ist es ergangen, als wir zuerst Deutungen von Menschen zuließen, als ob sie gottselig und klarer wären als die Schrift. Endlich wurde auch für diese Deutung eine andere Deutung gegeben, so dass bereits kein Maß noch Ziel war, die Deutungen der Deutungen zu vermehren, und uns in die allergrößte Verwirrung der Worte zu ziehen, bis dass wir zuletzt durchaus nichts mehr von christlichen Dingen wussten und gar glaubten, heidnischer Wahnwitz sei unseren Sachen gleich und nützlich.

    Diese Ärgernisse und Höhen müssen abgetan werden, und die Wege Zions, welche lang und genug getrauert haben, müssen endlich einmal wieder betreten werden, und wir müssen mit dem reinen Weizen der einfachen und lauteren Schrift geweidet werden. Du siehst nämlich, dass Latomus auch hier alles mit Menschendeutungen ungewiss macht, außer dem, was Menschen und Philosophen sonst schon aufgebracht haben, in solchem Grad, dass er glaubt, er dürfe auch diese Stelle des Paulus auf zweifache Weise auslegen, sowohl von dem Menschen unter dem Gesetz, als auch von dem Menschen unter der Gnade. Aber das heißt nichts lehren, sondern die Seelen verwirren. Die Meinung derer ist abzuleugnen und ganz zu verwerfen, welche behaupten, dass Paulus hier von dem Menschen unter dem Gesetz rede, da die Worte offenbar und hell sind [Röm. 7,22.25], dass er Lust habe an Gottes Gesetz und mit dem Gemüt dem Gesetz Gottes diene. Das kann sich auf keinen Gottlosen reimen, der mit allen Kräften dem Gesetz Gottes widerstrebt, wie er im 3. und 5. Kapitel gelehrt hatte. Mein Rat wäre, wer die Heilige Schrift nicht in einem gewissen Sinn festhalten kann, der bleibe davon. Es ist sicherer, mit den Laien die Schrift nicht zu wissen, als sie ungewiss zu haben. Es ist unglaublich, wie große Beschwerden der Satan einem Sterbenden durch dieselbe macht, wenn er sie zweideutig hat, so dass ich glaube, die Sophisten seien dazu vom Teufel angestiftet, dass sie dieselbe ungewiss machen sollen durch ihre Zweideutigkeiten und Spielereien.

    Wir fragen also hier: Wo ist jener Wäger der Zeugnisse, der eine Begründung liefern wollte für unsere Inhaber der Magisterwürde zu Löwen? Behauptet er nicht selbst lauter Ungewisses? Geht er nicht allein damit um, dass Luthers Meinung seiner zweifelhaften Meinung zuwider sei? Aber jene, welche verdammt und verbrannt haben, sind ganz andere Leute gewesen, nämlich solche, die da wollten, es sei ihre ausgesprochene, gewisse und unbefehlbare Meinung, dass nicht allein so gesagt werden könne, sondern, dass auch so gesagt werden müsse. Und für diese Armen redet Latomus nichts, wiewohl er versprochen hat, für sie zu reden, und so zuversichtlich war, dass er rühmte, man müsse sich schämen, in einer so gewissen Sache Grund und Ursache zu begehren. Aber, wie ich gesagt habe, sie haben sich nicht auf ihre Begründung, sondern auf die Bulle verlassen, dass sie wagten hervorzukommen, und da sie hervorkamen, nichts anderes suchten, als dass sie die Schrift zerfleischten und der ganzen Welt das Maul schmieren mit ihrem: Man kann so sagen. Wenn sie nur auch in Bezug auf ihr wütendes Vornehmen diese Meinung gehabt und gesagt hätten: Es kann so verdammt und verbrannt werden, aber wir sagen noch nicht, dass so verdammt und verbrannt werden müsse, so würde ihr Werk ihren Worten entsprechen. Wer sieht nicht, wofür sie sich selbst erklären? Die das als gewiss verdammt haben, wovon sie noch heute selbst bekennen, dass sie ungewiss darüber seien. Denn obgleich die heiligen Väter bisweilen zweifeln und verschieden sind in dem Sinn der Schrift, so haben sie doch niemals diese Raserei hinzugefügt, dass sie das behaupteten, und Abweichendes verdammten und verbrannten. Darum ist die Begründung noch nicht an den Tag gekommen, welche von diesem Wäger versprochen wird. Denn damit, dass er den Luther und seine Meinung verspottet, beweist er die seinige doch nicht, noch widerlegt er die meinige, sondern macht beide ungewiss, da doch die zweifache von ihm beigebrachte Auseinandersetzung nicht wahr sein kann. Daher schließe ich, dass unsere Magister verrückt gewesen sind, als sie mich verdammten, und nicht wussten, was sie taten. Dessen ist ihr Anwalt Latomus Zeuge, der dieses Buch um deswillen geschrieben hat, damit der Welt dies nicht länger verborgen bliebe.

    Da ich gesagt hatte, dem Gesetz widerstreiten sei nichts anderes als sündigen; nicht Gutes tun sei gegen das Gesetz, antwortet er: Dass Augustinus wage zu behaupten, es sei nicht Sünde, wenn nicht die Einwilligung dabei sei. Dann fügt er hinzu: Es sei auch nichts Verdammliches in ihnen, weil sie nicht sündigten. Siehe den nichtswürdigen Sophisten, wie er alles fälscht! Wer sieht nicht, dass Augustinus hier von der Todsünde rede, welche begangen wird durch Zustimmung zur Lust zur Sünde, aber er leugnet doch nicht, dass diese Regungen erlässliche Sünden sind. Doch erdichtet Latomus, dass dies gegen Luther sei, nicht, weil er nicht weiß, dass ich von solcher Sünde rede, die nicht Todsünde oder verdammlich ist, sondern weil er, von Bosheit erregt, wünscht, dass mein Ding so verstanden werde. Und nun was für eine Dialektik des Latomus ist das: Es ist nichts Verdammliches, weil sie nicht sündigen, also folgt auch aus dem Gegensatz der Folge der Gegensatz des Vordersatzes. Die erlässlich Sündigen sündigen, so ist etwa Verdammliches an ihnen. Das heißt den Apostel Paulus auf Löwen’sche Weise auslegen. Sie behaupten, eine erlässliche Sünde sei ohne Verdammnis, meine Sünde aber [von der ich rede] machen sie zu einer verdammlichen.

    Sie halten es auch nicht der Mühe wert, sich zu erinnern, wie oft ich das eingeführt habe, was Paulus sagt, es sei nichts Verdammliches, wenn auch etwas Sünde da sei, weil er so viel von der Sünde voraus geschickt hatte; aber darum ist nichts Verdammliches, nicht weil keine Sünde da wäre, wie Latomus lügt, sondern weil sie in Christus Jesus sind, wie Paulus sagt, das heißt, die Küchlein ruhen unter der Henne und unter dem Schatten seiner Gerechtigkeit oder, wie Paulus Röm. 5,15 deutlicher sagt, sie haben Gnade und Gabe in seiner Gnade. Dann wandeln sie auch nicht nach der Sünde oder nach dem sündlichen Fleisch, das heißt, sie stimmen der Sünde nicht zu, welche sie wirklich haben. Denn Gott hat sie mit zwei sehr starken und festen Grundlagen versehen, damit ihnen diese Sünde nicht zur Verdammnis gereiche, zuerst Christus selbst als einen Gnadenstuhl (wie Röm. 3,25 sagt), dass sie unter seiner Gnade sicher seien, nicht weil sie glauben und den Glauben oder die Gabe haben, sondern weil sie dieselbe in der Gnade Christi haben. Denn niemandes Glaube würde bestehen, wenn er sich nicht auf Christi eigene Gerechtigkeit stütze und durch seinen Schutz erhalten würde. Dies ist nämlich der wahre Glaube (wie ich gesagt habe), nicht eine unbeschränkte (absoluta) oder vielmehr veraltete (obsoleta) Eigenschaft in der Seele, wie jene erdichten, sondern der sich von der Gnade Christi nicht abreißen lässt, noch sich auf etwas anderes stützt als er weiß, der [Christus] sei bei Gott in Gnaden und könne nicht verdammt werden, noch irgendjemand, der sich so auf ihn verlässt. Freilich, diese übrige Sünde ist etwas so Großes, ein so unerträgliches Gericht Gottes, dass du nicht bestehen kannst, wenn du ich nicht für dich entgegenstellst, von dem du weißt, dass er ohne alle Sünde ist; das tut der wahre Glaube.

    Das andere ist, dass sie nach empfangener Gabe nicht nach dem Fleisch wandeln und der Sünde nicht gehorchen. Aber das erste ist die hauptsächlichste und stärkste Grundlage, wiewohl auch die andere etwas ist, aber in Kraft der ersteren. Denn Gott hat einen Bund mit denen geschlossen, die auf diese Weise in Christus sind, dass, wenn sie gegen sich selbst und ihre Sünde streiten, nichts Verdammliches an ihnen sein soll. Nicht deshalb ist nichts Verdammliches, wie Latomus rast, weil sie nicht sündigen, oder keine Sünde in einem guten Werk wäre. Dies erdichtet der Sophist, ohne und gegen den klaren Text des Paulus, aus seinem eigenen Kopf. Sondern er sagt [Röm. 8,1]: Weil sie in Christus Jesus sind und nicht wandeln nach dem Fleisch, indem er offenbar von der Todsünde redet. Die Sophisten gehen allein damit um, dass sie diese Sünde abschwächen, welche Gott doch so groß macht, dass er will, dass ihm sein Sohn entgegen gehalten werde, und alle Menschen durch dies überaus strenge Urteil zu Christus drängen und treiben, damit sie zitternd, verzweifelnd und seufzend sich unter seine Flügel begeben. Aber jene Leugner dieser Sünde machen schläfrige und sichere Leute, die sich auf das empfangene Gut verlassen; dadurch machen sie auch Christi Gnade wertlos und die Barmherzigkeit Gottes gering, worauf notwendigerweise Erkaltung in der Liebe, Trägheit im Lob und Lauheit in der Dankbarkeit folgen muss. Diese wissen durchaus nichts von Christus.

    Darum hüte du dich vor jenen höchstverderblichen Leuten und lerne, dass die Werke Gottes groß, wunderbar und herrlich seien. Deshalb sollst du wissen, dass du diese Sünde nicht groß genug machen kannst, denn kein Mensch hat jemals das Übel derselben völlig erforschen oder fassen können, da es unendlich und ewig ist, damit du wiederum erkennst, dass die Werke Gottes, in Christus an dir geschehen, unermesslich sind, da er dir in Christus eine so mächtige Gnade zuvorverordnet hat, die nicht zulässt, dass du durch ein so großes Übel verderbt werdest. Und wiewohl du eines so großen Übels wert bist, sollst du doch durch die Gnade dieses Menschen nicht allein nicht verderbt werden durch dasselbe, sondern endlich auch davon befreit werden. Der Ruhm der Gnade muss hoch erhoben werden, und sie kann nicht hoch genug gepriesen werden, so dass Paulus ausruft [2. Kor. 9,15]: Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gnade. Höre also ja nicht auf das kalte und matte Zischen der Sophisten von guten Werken ohne Sünde, vom eingegossenen Glauben, vom erworbenen Glauben, vom freien Willen; das sind Träume und Possen gegen diese ernste Sache. Du musst dich zu Christus ziehen lassen, wie Jes. 2,10 sagt: Gehe hin in den Felsen und verbirg dich in der Erde, vor der Furcht des HERRN und vor seiner herrlichen Majestät; und im Hohelied, Kap. 2,14: Meine Taube in den Felslöchern, in den Steinritzen. Irre dich nicht. Die Große des Schutzes zeigt genügend an, wie groß diese Sünde sei, wenn du nicht etwa dafürhältst, dass Christus, der Sohn Gottes ein hölzernes Bild sei. Alle Heilligen erzittern vor diesem Gericht, und wenn sie nicht Christus zum Beschirmer haben, so sind sie verloren. Und wir disputieren und spielen noch, ob in guten Werken Sünde sei. Freilich, so klug sind wir in Bezug auf die schreckliche ewige Majestät, dass wir gleich als von einem Menschen disputieren, wenn wir von ihr disputieren.

    Danach geht der Unterscheider weiter und spricht: Aus zwei Ursachen sei der Fehl, der gegen das Gesetz Gottes zu sein schiene, nicht Sünde: Erstens, wenn der Gebrauch der Vernunft fehlt, wie bei Wahnsinnigen, Schlafenden, Kindern; zweitens, wenn man ihm nicht zustimmt, wie bei Jungfrauen usw. Wer sieht hier wiederum nicht, dass nicht die Löwener verteidigt werden, welche den Luther verdammt haben wegen der Sünde in den Heiligen, die durch die Gnade Gottes geknechtet ist, sondern irgendwelche erdichtete Traumgötter, die ihn verdammt haben, als ob er gelehrt hätte, dass eine Todsünde in einem guten Werk sei. Bis jetzt hat mich noch kein Sophist so völlig überdrüssig gemacht wie dieser Latomus, solche Nichtswürdigkeit ist in diesem Menschen und solche Unsinnigkeit in den Spielereien. Denn so dumm ist er nicht, dass er nicht verstände, ich rede nicht von einer solchen Sünde, in Bezug auf welche er die Sprüche der Väter zitiert und davon er selbst plappert, da er öfter bezeugt, er wisse das, sondern es ist reine Nichtswürdigkeit, dass er gegen sein eigenes Zeugnis prahlt, ich habe von der verdammlichen Sünde geredet, und solches (wie ich gesagt habe) der Welt weis macht.

    Der Art ist dieses, dass er die Geneigtheit zum Bösen nicht ein Hindernis der Tugend, noch etwas Böses, noch Sünde nennt, sondern (sagt er) es hat den Märtyrern zum Guten sogar genützt. Was höre ich? Es hat ihnen zum Guten genützt, also ist es nicht Sünde. Du siehst, wie trefflich die Sophisten die Gnade Gottes lästern möchten. Denn das, was der Gnade Gottes zukommt, schreiben sie auf das unverschämteste der Sünde zu. Der Teufel, als ein Versucher, nüt5zt den Heiligen zum Guten, als sind seine Versuchungen weder böse noch Sünden. Man muss das Böse der Neigung überwinden, also ist es nicht böse. Ich bitte dich, wie gar sehr stellt dieser Sophist meine Geduld auf die Probe. Wirklich, wenn ich in dem Büchlein, welches ich gegen ihr Verdammungsurteil herausgegeben habe, so büße ich es hier reichlich, indem ich ihre unglaubliche Dummheit, Unwissenheit und Bosheit tragen muss. Denn die Geneigtheit [zum Bösen]  ist um deswillen Sünde, weil sie den Märtyrern widersteht und ihnen zu schaffen macht, obgleich die Kraft der Gnade dadurch mehr hervorleuchtet. Es muss aber dieses Zuschaffenmachen nicht sein, wenn man das Gericht Gottes ansieht. Die Barmherzigkeit bewirkt es, dass verschont wird; Gotts Gabe ist es, dass überwunden wird. Du aber, lieber Leser, siehe, welch einer unterhörten Tat ich schuldig geworden bin, dass ich diese Leute dargestellt habe als solche, die dümmer sind als die Klötze.

    Und er fügt noch das hinzu, die Sünde sei nur eine freiwillige, besonders die Tatsünde, also ist in einem guten Werk keine Sünde. Der Schluss gilt von Latomus auf Latomus; besonders weil Gregor sagt: Niemals würde Gott die Gefäße des Zorns vernichten, wenn nicht freiwillige Sünde an ihnen erfunden würde. Und warum gibt er Kindern und Unwissenden das Verderben zum Lohn? Aber auch Gregor redet hier von Gefäßen des Zorns und von ihren Sünden, was Latomus versteht von den Sünden der Heiligen in einem guten Werk, wie könnte er es sonst gegen mich einführen? Wie würde er sonst zur Sache reden? Denn er greift die Sünde an, die ich namhaft gemacht habe, und beweist durch Gregor, dass dies keine Sünde sei, weil sie allein mit Willen geschehen könne. Aber ich habe es satt. Fort mit dem überaus abgeschmackten Ränkeschied, der weder mich, noch sich, noch die Väter, noch die Schrift auch nur eines Haares breit versteht, und wenn er sie verstände, nicht verstehen will. In diesem ganzen Buch ist nichts recht gehandelt, als dass den Löwener Mordbrennern und der antichristlichen Bulle ein würdiger Anwalt gegeben ist.

    Nun wollen wir den Apostel selbst ansehen und ihre Deutungen, daneben gesetzt, betrachten, damit wir lernen, wie viele neue Wörter alsbald aufkommen. Wir wissen, sagt er [Röm 7,14 ff.], dass das Gesetz gut ist, ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft, das heißt, wie jene sagen, ich bin schwach und bestraft, verkauft unter die Strafe. Dann „geistlich“, weil es im Gegensatz gesagt wird, wird dasselbe fein als Gesund, ohne Strafe erlöst von der Strafe. Ferner: Denn ich weiß nicht, was ich tue (das ist, ich leide Strafe), denn ich tue nicht das Gute (das ist, die Freiheit von der Strafe), das ich will, sondern das Böse (das ist die Strafe), das ich hasse, das tue ich. So ich aber das tue, das ich nicht will, so willige ich ein (das ist, ich bin straflos), dass das Gesetz gut sei (das ist, dass es Straflosigkeit sei). So tue nun nicht ich dasselbe, sondern die Sünde (das ist, die Strafe), die in mir wohnt. Denn ich weiß, dass in mir (das ist, in meinem Fleisch) wohnt nichts Gutes (das ist, Freiheit von der Strafe). Wollen habe ich wohl, aber Vollbringen das Gute finde ich nicht. Denn das Gute (das ist, Freiheit von Strafe), das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse (das ist, die Strafe), das ich nicht will, das tue ich. So ich aber tue, das ichnicht will, so tue ich dasselbe nicht, sondern die Sünde (das ist, die Strafe), die in mir wohnt. So finde ich in mir nun ein Gesetz, der ich will das Gute (das ist, die Freiheit von der Strafe) tun, das mir das Böse (das ist, die Strafe) anhängt. Denn ich Lust am Gesetz Gottes (das ist, ich bin straflos) nach dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein anderes Gesetz  (das ist, Strafe) in meinen Gliedern, das da widerstreitet (das ist bestraft) dem Gesetz in meinem Gemüt (das ist, meiner Straflosigkeit) und nimmt mich gefangen (das ist, schleppt mich zur Strafe), in der Sünde Gesetz (das ist, in die Strafe), welches ist in meinen Gliedern. Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leib dieses Todes? (das ist, dieser Strafe) Ich danke Gott durch Jesus Christus, unserem HERRN. So diene ich nun mit dem Gemüt dem Gesetz Gottes (das ist, ich bin unter Straflosigkeit gestellt), aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde (das ist, ich bin unter die Strafe gestellt). So ist nun nichts Verdammliches usw.

    Heißt das, den Paulus erläutern, wenn ich auch zugäbe, dass gut und recht so gesagt werde? Aber die Väter haben so geredet. Haben sie aber etwa befohlen oder befehlen können, dass man so reden müsse? Muss man nicht Gott mehr gehorchen als den Menschen? Paulus befiehlt und hatte das Recht zu befehlen [1. Tim. 6,20]: Meide die ungeistlichen losen Geschwätze (novitates), und dass du reden sollst, wie er selbst redet, und bei den heiligen, altherkömmlichen Wörtern bleibst. Denn was ist ungeistlich? Ist es nicht das, was nicht heilig ist? Aber Menschliches ist nicht heilig, dann aber auch neu[21], weil es nicht von den Aposteln gesetzt ist. Auch kannst du mir nicht entgegenhalten, dass das Wort homousios[22] gegen die Arianer angenommen worden sei. Von vielen ist es nicht angenommen worden, und zwar von sehr berühmten Leuten, dass auch Hieronymus wünschte, es möchte abgeschafft werden, und so wenig entgingen sie durch dieses neu aufgebrachte Wort der Gefahr, dass Hieronymus klagt, er wisse nicht, was doch für ein Gift in den Silben und Buchstaben sei. Denn die Arianer beschäftigen sich gar viel mehr mit diesem Wort als mit der Schrift. Und auch Hilarius konnte hierauf nichts anderes antworten, als dass durch dieses Wort gerade das ausgedrückt würde, was die [rechte] Sache sei, und die ganze Schrift enthielte dies. Das findet aber in gegenwärtigem Fall nicht statt. Denn an keiner Stelle nimmt die Schrift das Wort Sünde für diese Strafe, sondern im Gegenteil überall für das Böse, welches dem Gesetz Gottes entgegen ist, dass auch die Ähnlichkeit (nach welcher ganz allein Latomus ein Theologe ist) hier nicht statthat.

    Ja, wenn eine Ähnlichkeit wäre, und das Beispiel gälte, so dürfte man sich doch nicht darauf berufen, sondern den Vätern zugute halten, dass sie einmal ohne Schrift ein ungeistliches Wort gesetzt haben. Sonst, wenn man das Beispiel einführt, so dürfte man die ganze Schrift in andere Wörter verändern, wie die Sophisten getan haben. Wenn nun meine Seele das Wort homousios hasste, und ich es nicht gebrauchen wollte, würde ich kein Ketzer sein. Denn wer könnte mich zwingen, [dies Wort] zu gebrauchen, wenn ich nur die Sache festhalte, welche auf dem Konzil aus der Schrift festgestellt worden ist? Obgleich die Arianer in Glaubenssachen üble Meinung gehabt haben, so ist doch diese ihre Forderung sehr gut gewesen, mag sie nun aus bösem oder gutem Sinn entsprungen sein, dass man in Glaubensartikeln kein ungeistliches (profanam) und neues Wort einführen dürfe. Denn die Lauterkeit der Schrift muss bewahrt werden, und ein Mensch darf nicht so vermessen sein, dass er mit seinem Mund klarer und lauterer reden wolle, als Gott mit seinem Mund geredet hat. Wer die Worte Gottes nicht versteht, der in göttlichen Dingen für sich redet, der glaube nur nicht, dass er die Worte eines Menschen verstehen werde, der von fremden Dingen redet. Niemand redet besser als der, welcher es am besten versteht; wer aber könnte die Dinge besser verstehen als Gott selbst? Ja, wie viel ist es denn, was der Mensch von göttlichen Sachen versteht?

    Der elende Mensch gebe vielmehr Gott die Ehre und bekenne entweder, er verstehe seine Worte nicht oder lasse ab, dieselben mit seinen neuen und eigenen Worten zu entheiligen, damit uns die liebenswerte Weisheit Gottes in echter Gestalt bleibe. Darum mögen die Väter sagen, was sie können; ich will, dass die Worte dieses Paulus an dieser Stelle bedeuten, wie sie lauten, und verachte ihre Erdichtungen von Anklage (reatibus) und Schuld und derartige Spielereien, welche das Verständnis mehr verdunkeln als ihm helfen. Leicht, offenbar und treu sind die Worte des Apostels; jene brennenden und stark glänzenden Sonnen bedürfen nicht der menschlichen Fackeln. Du sagst, da ist keine Anklage, da ist keine Schuld, also ist auch keine Sünde da, und kommst dir vor, als habest du schön geredet, da du doch aufs dunkelste und, wie Nehemia [Kap. 13,24] sagt, Asdodisch redest und nach der Sprache eines jeglichen Volks und schon die heilige und väterliche Sprache vergessen hast. Darum weg mit den ausländischen Sprachen und wir wollen die heimatliche und echte wieder einführen.

    Denn warum sagst du nicht viel reiner und lichtvoller: Da ist nicht Zorn, sondern Gnade? Darum verdammt die Sünde da nicht, obgleich sie rechte Sünde ist. Der Evangelist Johannes trinkt rechtes Gift, aber es tötet ihn nicht, weil die Kraft des Glaubens da war, welche das rechte Gift  nicht zu etwas anderem machte, als rechtem Gift, oder zur Strafe, oder zur Schwachheit, aber er hinderte demselben zu schaden. Wenn ein anderer es getrunken hätte, so wäre er wahrhaftig gestorben. Christus sagt [Mark. 16,18]: So sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden. Er hat nicht gesagt, so wird es nicht mehr tödlich sein, sondern, es wird nicht schaden, weil sie in meinem Namen trinken werden. Was wäre es sonst für ein Ruhm des Wunders, wenn es aufhörte, tödlich zu sein, wenn es getrunken würde? Das chaldäische Feuer war wirklich Feuer und blieb es, aber es verletzte nicht die drei Männer [Dan. Kap. 3], nicht, weil es nicht brennen und sengen konnte, sondern weil es dies an ihnen nicht tun konnte, während es die anderen vor dem Ofen gänzlich verzehrte.

    So ist diese Sünde wahre Sünde, weil sie alle anderen dem Zorn unterwirft [Röm. 5,9], diese aber nicht unterwirft, weil sie das Gegenmittel haben, aber jene nicht, nämlich die Gabe Gottes in der Gnade des Einen Menschen Jesus Christus, mit welcher angetan sie nicht nach dem Fleisch wandeln. Ist denn dies nicht so klar und leicht, dass niemand so unbeholfen sein kann, dass er es nicht sehr leicht fasse? Dagegen jene Spitzfindigkeiten von Anklage, Schuld, vom Gestaltlichen und Wesentlichen der Sünde, der Beraubung, der Fertigkeit, der Tat, der Vertreibung, der Eingießung, der Vergebung, der Eigenschaften, der Formen, der Gegenstände, der inneren und äußeren Güte, der inneren und äußerlichen Bosheit, der Gebührenden, des Verdienstlichen, der Art des Guten, des Angenehmen, des Nichtangenehmen (deaccepati), – wer kann alle Stimmen dieser Frösche und Fliegen hören, geschweige durchmustern? Selbst die fassen es noch nicht einträchtig, welche die Lehrer (Magistri) der anderen sind, geschweige denn, dass das arme Volk von ihnen eine richtige Kenntnis erhalten könnte, was Sünde und Gnade sei, denn hier muss man auch den äußerlichen Dreck der Philosophie und zehnmal Geschissenes verschlungen haben, ehe man verstehen kann, was Anklage (reatus) oder Schuld sei. Diese Ungereimtheiten und Ungeheuerlichkeiten der Sophisten mögen dahinfahren.

    Recht sagt daher Paulus [Röm. 7,14]: Ich aber bin fleischlich (er sagt nicht, ich bin fleischlich gewesen), unter die Sünde verkauft. Beweise mir also, dass „fleischlich“ in der Schrift bedeute, Strafübeln und Schwachheiten unterworfen. ER nennt sich aber fleischlich, nicht weil er ganz fleischlich ist, sondern nach dem Gemüt ist er geistlich, nach dem Fleisch fleischlich, wie nach dem Gemüt frei von der Sünde, nach dem Fleisch verkauft unter die Sünde, wie er spricht [V. 25]: So diene ich nun mit dem Gemüt dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde. Hier lass dich von Latomus nicht irre machen, der zweierlei willen setzt. Es ist Ein Mensch Paulus, der beides von sich bekennt in einer und der anderen Beziehung; unter der Gnade ist er geistlich, aber unter dem Gesetz fleischlich; es ist derselbe, ja ebenderselbe Paulus in beiden Lagen. Die Gabe macht, dass er geistlich ist und unter der Gnade, in der Gnade des Einen Menschen Jesus Christus. Die Sünde macht, dass er fleischlich ist, aber nicht unter dem Zorn, weil Gnade und Zorn nicht zusammenstimmen, noch sich gegenseitig bekämpfen, noch übereinander herrschen, wie die Gabe und die Sünde tun. So auch [Röm. 7,15]: Denn was ich tue, weiß ich nicht, als ein Fleischlicher, ich weiß es aber als ein geistlicher Mensch. Wie könnte er sonst von sich aussagen, er wisse nicht, was er tue? Danach im Folgenden nennt er das das Böse, was er tut; so versteht er das Böse, was er tut, aber nach dem Fleisch weiß er es nicht, was er nach dem Geist erkennt. Denn er glaubt wirklich, dass die Sünde, welche im Fleisch wütet, etwas Gutes sei, welches er begehrt, und lässt es auch dem Menschen so erscheinen und sieht nicht, wie böse sie ist [V. 15,19]: Denn das Gute, das ich will, tue ich nicht, sondern das Böse, das ich hasse, das tue ich. Siehe, er versteht das Gute und das Böse, aber der geistliche Paulus versteht so und will und hasst. Der fleischliche aber versteht das Gute nicht und tut und liebt das Böse statt des Guten.

    Nun möge Latomus Schrift vorbringen, dadurch bewiesen werde, dass fleischlich hier etwas anders bedeute als in anderen Stellen, und wie es die Grammatik und einfache Bedeutung erfordert. Er beweise, dass das Böse und das Gute in  dieser Stelle etwas anderes bedeute als an anderen Stellen. Er beweise, dass wollen, nicht wollen, hassen, tun hier etwas anderes bedeute als an anderen Stellen. Da er dies nun nicht kann, und ihre Bedeutung an dieser Stelle der Gottseligkeit nicht zuwider ist, weshalb sollten wir uns durch Menschendeutungen bewegen lassen? Denn ebensowohl wird der eigentlich fleischlich genannt, welcher nur teilweise fleischlich ist, wie ich gesagt habe, als der ein Mensch ist, welcher ein gebrechlicher oder kleiner Mensch ist. Wenn der Kopf eines Menschen verwundet ist, so sagen wir auch recht, der Mensch ist verwundet. Und wer den Fuß eines Hundes schlägt, von dem sagt man ganz recht, er habe den Hund geschlagen. So weiß Paulus nicht, weil er nach dem Fleisch nicht weiß; und er wirkt, weil er nach dem Fleisch wirkt; und er tut Böses, weil er nach dem Fleisch tut. Und es ist böse, weil s gegen den Geist und das Gute ist. Doch deshalb kann man ganz wohl sagen, er wirke, er tue, er sei böse, er verstehe ganz, wiewohl er nicht ganz wirkt, nicht ganz tut, nicht alles Böse vollbringt, oder nur teilweise versteht. Wie auch ein Mensch nicht deshalb unverwundet ist, weil er nicht an jedem Teil verwundet und getötet ist, und du einen Hund ebensowohl geschlagen hast, wenn du ihn auch nicht an jedem Teil geschlagen und getötet hast, ja, du hast verwundet, geschlagen, wenn du auch nur das geringste Glied desselben verletzt hast, nach der eigentlichen und echten Bedeutung des Wortes. Darum ist hier auch recht eigentlich Sünde, wiewohl sie nicht den ganzen Menschen tötet, verdammt, dem Zorn unterwirft. Denn die Gnade und die Gabe bewahren den Menschen, dass er nicht sündigen, das isst, in diese Sünde willigen und verloren gehen kann.

    Du wirst sagen: Du beweist aber auch nicht, dass Sünde anderswo in dieser Weise genommen werde, nämlich dass sie nicht verdamme. Ich antworte: Dieses ist auch nicht nötig, und ich habe es mir nicht vorgenommen. Damit habe ich hier allein zu schaffen, dass Sünde an dieser Stelle dasselbe bedeute wie überall. Dass ich aber sage, hier werde die Sünde anders behandelt, das geht die Bedeutung von „Sünde“ nichts an, denn die Schrift nimmt Sünde überall auf dieselbe Weise, aber nicht überall behandelt sie dieselbe in derselben Weise oder beschreibt sie in derselben Weise, wie sie behandelt wird. Hier sagt sie, es geschehe Sünde, anderswo, sie werde vergeben, anderswo, sie werde bestraft, anderswo, [die Strafe der Sünde] werde aufgeschoben, anderswo, sie werde verschwiegen, anderswo, sie werde bekannt, anderswo, sie werde geleugnet. Und wer könnte die Handlungen, das Erleiden und das Zufällige der Sünde aufzählen? So wird an dieser Stelle beschrieben, was die Sünde tut und leidet unter der Gnade. Es wird nicht geleugnet, dass es Sünde sei, ja, diese Stelle legt zugrunde, dass Sünde geschehen sei und da sei. Hier wird gesagt, dass sie, da sie besiegt ist, sich auflehne gegen den Heiligen Geist, von der anderswo geschrieben wird, dass sie als Siegerin herrsche. Es ist überall durchaus dieselbe Sünde, aber nicht überall vermag, tut und leidet sie dasselbe. Dass aber die Schrift anderswo Sünde in derselben Weise nehme, was die Bedeutung anbelangt, habe ich weiter oben aus Paulus bewiesen, der sie Röm. 6 und 8 so nimmt; außerdem Röm. 7; Gal. 6; 1. Kor. 5; Eph. 4; 1. Kor. 7; Kol. 3; Hebr. 13, da er sie Unkeuschheit, Wollust, Zorn usw. nennt, und 1. Joh. 1,8: So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Aber die Widersacher können für ihre Bedeutung auch nicht einmal ein Pünktlein aufbringen.

    Nun wollen wir dem Paulus weiter folgen [Röm. 7,16]: So ich aber das tue, das ich nicht will, so willige ich, dass das Gesetz gut ist. Eine wunderbare Zusammenstellung; er stimmt dem guten Gesetz zu, aber nicht er ganz (totus), weil er nicht als ganzer [Mensch] tut, was er nicht als ganzer [Mensch] will; hier ist auch nicht der ganze [Mensch], der zustimmt, der tut, der nicht will; sondern derselbe, der dem guten Gesetz zustimmt, tut, was er nicht will, das ist, dem guten Gesetz, welches er will, Zuwiderlaufendes; [V. 17]: So tue ich nun dasselbe nicht. Wer ist der „ich“, der das jetzt nicht tut, von dem bald gesagt wird, dass er es tue? Freilich, der „ich“, der ich geistlich bin, der ich nach diesem „ich“ jetzt angesehen werde in der Gnade, welcher nicht zulässt, dass ich abgeschätzt werde nach der Sünde, nach welcher ich fleischlich bin. Alles ist abgewaschen und jetzt ist ein anderes „ich“ da als vor der Gnade, wo ich nach der Sünde als ganz fleischlich geachtet wurde. [V. 17]: Sondern die Sünde, die in mir wohnt. Du tust es nicht, und doch das, was in dir ist, tut es? Deine Hand schlägt mich, und du schlägst mich nicht? So ist’s wirklich, weil sie es gegen meinen Willen tut, und danach werde ich geschätzt. Ich tue es aber doch wirklich, weil es ein Teil von mir tut, aber ich werde nicht nach demselben beurteilt. Die Hand tut Böses, und mir würde es zugerechnet werden, wenn nicht mein Gemüt unschuldig wäre. Aber darum ist es doch Böses, was die Hand tut, nur dass es nicht zugerechnet wird. Es wird aber nicht zugerechnet wegen des unschuldigen Gemüts. So ist die Sünde wahrhaft Sünde, aber weil die Gabe und die Gnade in mir sind, wird sie nicht zugerechnet, nicht wegen ihrer Unschuld, als ob sie nicht schadete, sondern weil die Gabe und Gnade in mir herrschen.

    [V. 18]: Denn ich weiß, dass in mir, das ist, in meinem Fleisch, wohnt nichts Gutes. Weil es mein Fleisch ist, nicht ein fremdes, darum wird gesagt, dass das, was in ihm wohnt, in mir wohne. Wie bewegt sich Paulus aufs allerlieblichste zwischen dem Fleisch und dem Geist, indem er zwischen beiden mit der anmutigsten Synekdoche aufs gefälligste abwechselt! Denn wirklich wohnt die Sünde im Fleisch ist und wahrhaft Sünde. Denn der Jebusiter wohnt in unseren Grenzen und wird ein Splitter in unseren Augen und ein Anstoß an unserer Seite, wenn wir nicht danach trachten, ihn auszurotten. Was ist der Splitter in den Augen anderes als ein Holz vor dem Angesicht, an welchem du dich stoßen könntest, wenn du unvorsichtig einhergehst? So hat die Sünde täglich vor uns ihr Treiben und stellt sich uns auf dem Weg entgegen und reizt uns auch zur Seite; wenn sie nicht männlich ausgefegt wird, stoßen wir uns und werden durch sie in Ärgernis gebracht. Sie ist ein gar böser Gast, und doch wohnt sie im Fleisch, in uns, in unserem Land, in unseren Grenzen. Darum ist nichts Gutes im Fleisch, ich sage wahrlich, nichts Gutes, nicht allein Strafe, sondern Sünde.

    [V. 18]: Wollen habe ich wohl, aber Vollbringen das Gute finde ich nicht. Er erklärt sich selbst deutlicher, wie der geistliche Mensch in der Sünde nicht Böses tut, sondern das Gute will und doch vollbringt er dieses Wollen nicht wegen der im Fleisch wohnenden Sünde. Aber dies Wollen ist nicht um deswillen nichts, weil er es nicht vollbringt, wie dagegen die Sünde auch nicht für nichts Böses zu achten ist, weil sie im Fleisch wohnt, wiewohl mein „ich“ es nicht tut, sondern die Sünde selbst. Beides, sage ich, es geschieht ein Böses und es geschieht doch nicht. Es geschieht, weil die Sünde es tut; es geschieht nicht, weil mein Gemüt es nicht tut, es nicht will, freilich es auch nicht vollbringen würde, weil dies die Sünde tut. Ich bitte dich, würde er einen so großen Kampf zwischen der Strafe und dem Geist mit einer so großen Sorgfalt beschreiben? Aber dies streitet wiederum gegen die Sophisten. Sie können sagen, wo in der Schrift jemals Strafe (womit sie gedenken, sich auszudrehen, dass sie nicht gezwungen werden möchten, es Sünde zu heißen) als ein solches gelehrt werde, was man fliehen, dem man widerstehen, das man mit so großem Eifer verdammen müsse? Es ist nicht die Strafe, von der die Schrift befiehlt, dass man sie nicht tragen solle, und deshalb gilt diese ganze Ausflucht nichts. Sowohl ihre Deutung als ihr Text, ihre Sachen und ihre Wörter sind alle gegen den Gebrauch der ganzen Schrift, gegen die Meinung aller Gottseligen, so dass aus ihrer Deutung eine nicht geringere Ungereimtheit folgt als die, der sie im Text zu entfliehen versuchten. Denn es ist ungereimt zu behaupten, was du nirgends finden oder beweisen kannst, sondern gezwungen wirst, alles Entgegenstehende als ein Alleinstehender zu hören.

    [V. 19]: Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. So ich aber tue, das ich nicht will, so tue ich dasselbe nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Siehe den treuen Herold des Glaubens! Er wiederholt und schärft sorgfältig ein, indem er gleichsam mit dem Finger auf jenes Wort zeigt: So ich aber tue, das ich nicht will, weil es oben zu dunkel gesagt schien, wo er, da er ähnlich gesagt hatte: So ich aber das tue, das ich nicht will, ehe er den Schluss zog: So tue ich nun dasselbe nicht, dazwischen fügte: So willige ich, dass das Gesetz gut ist. Hier aber schließt er bald: Wenn ich es tue, da ich es nicht will, so beweist dieses Nichtwollen sicherlich, dass ich es doch nicht tue, und doch geschieht es in mir, also tut es notwendigerweise die Sünde, die in mir wohnt, so dass niemand diese Stelle anders als vom geistlichen Menschen verstehen kann, noch auch von denen, welche böse Werke ausüben. Denn er sagt hier, dass eins von dem anderen gehindert werde, aber doch so, dass der Geist vorherrsche und ihm zugeschrieben werde, dass er das Böse nicht tue, nicht wolle. Denn er kehrt den Satz nicht um, dass er sagen sollte: Denn nicht das Böse, das ich will, das ich tue, sondern das Gute, das ich nicht will, das tue ich, wenn ich aber das Gute tue, das ich nicht will, so tue ich es nun nicht, sondern die Gnade, die in mir wohnt. Denn so müsste das Fleisch sagen, wenn es herrschte über den Geist, der ihm widerstände. Jetzt aber, da der Geis klagt und das Fleisch anklagt, so ist offenbar, dass nicht das Fleisch herrscht, sondern dass es dem herrschenden Geist beschwerlich und widerspenstig ist. Denn nichts redet für das Fleisch, sondern gegen das Fleisch; das tut aber ein fleischlicher Mensch nicht, der außer der Gnade steht. Es lässt sich also die Gnade Gottes dieses Werk der Sünde nicht zurechnen, weil er es wirklich nicht tut, und doch ist es in ihm, und er selbst tut es auch wirklich, wie hinlänglich gesagt ist.

    [V. 21]: So finde ich in mir nun, der ich will das Gute tun, dass mir das Böse anhangt. Denn es ist nicht ein anderer, der das Gute tun will, als der, dem das Böse anhangt. Der geistliche Mensch will das Gute tun als ein ganzer Mensch (totus), aber der fleischliche Mensch hangt ich man als nicht gar ein ganzer Mensch (minus totus). [V. 22.23]: Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt, und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern. Hier erklärt er sich aufs deutlichste. Denn Lust haben an Gottes Gesetz findet nur statt bei einem gottseligen und gerechten Menschen; wer nicht gerecht ist, der widerstreitet nicht dem Gesetz in seinen Gliedern, es liegt ihm auch nicht an zu widerstreiten. Das Gesetz aber des Geistes nennt er nicht ein natürliches Gesetz, wie man sagt, sondern er setzt es dem Gesetz in den Gliedern entgegen, vielmehr nennt er den Willen des Geistes so, der am Gesetz Gottes Lust hat; dem setzt er das Gesetz in den Gliedern entgegen, welches Lust hat am Gesetz der Sünde, so dass auch das Gesetz in den Gliedern der Wille ist, der dem Willen des Geistes entgegengesetzt ist. Er nennt ihn aber widerstreitend und zeigt damit gewiss das Böse an, nicht der Strafe, sondern der Schuld; denn das Böse ist, dem Gesetz Gottes widerstreiten. Er sagt nun nicht allein, nicht gehorchen, sondern widerstreiten, was schwerer ist, damit du die Sünde, die nach der Taufe noch übrig ist, nicht zu gering schätzen mögest. Sie ist groß und wird durch eine große Gabe Gottes weggenommen und wird durch eine große Gnade verziehen um des Geistes willen, der nicht widerstreitet, sondern Lust hat an dem Gesetz Gottes.

    Und jenes Letzte ist noch schrecklicher, dass sie gefangen nimmt. Siehe, ich bitte dich, mit wie großen Zentnerlasten und Kraft der Worte er diese Sünde groß macht, welche jene so abschwächen und aufheben. Sie ist nicht allein, lebt nicht allein, will nicht allein, tut nicht allein, widerstrebt nicht allein, sondern wütet sogar und nimmt gefangen. Ich bitte dich um Gottes willen, sind das geringfügige Dinge? Und wer fühlt nicht, dass das so in ihm geschehe? Wer hat nicht jemals die wütenden Gedanken und Regungen der Wollust und des Zorns empfunden, wie ungern und unwillig auch immer? Ihre Wut ist ungezähmt, ja, worüber man sich wundern wird, sie wütet nicht so in den Gottlosen, weil sie ihrem Anlauf nicht Stand halten, sie weichen und gehorchen ihr und darum erfahren sie nie, wie große Arbeit, wie große Beschwerde es sei, zu ringen gegen die Sünde und über sie zu herrschen. Jener Angriff erfordert einen strengen Kriegsdienst, daher wird Christus auch der HERR der Heerscharen genannt und ein König, mächtig im Streit, weil er diese großen Anläufe durch seine Gabe nicht allein aushält, sondern auch überwindet.

    Siehe daher die Große der Gabe und Gnade Gottes, dass ein so großes Übel den Gottseligen nicht verdammlich ist; die bösen Gedanken der Gottseligen sind stärker als die der Gottlosen, und doch beflecken sie nicht, verdammen sie nicht, jene [die Gottlosen] aber beflecken und verdammen sie. Warum das? Ist nicht auf beiden Seiten dieselbe Sünde? Wirklich dieselbe Sünde, aber die Gottseligen haben das Gegenmittel, jene haben es nicht. Darum sündigen die Gottseligen nicht in ihrem [der Sünde] stärkeren Angriff, während jene im geringeren sündigen, nicht, weil auf beiden Seiten keine Sünde wäre, sondern dies ist der Ruhm der Gnade Gottes, nicht ihrer bösen Natur. Wenn die Gnade aufhört, verdammt sie wirklich, jetzt hindert die Gnade, dass sie die böse Natur nicht verdamme. [Ps. 115,1]: Nicht uns, HERR, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre. Es ist nicht, wie die Sophisten schwärmen, dass eine so wütende Widersacherin des Gesetzes Gottes keine Sünde wäre, es ist nicht Strafe, es ist nicht Schwachheit, sondern eine große Sünde, wie der 19. Psalm klagt, indem er sagt [V. 14]: Ich werde unschuldig bleiben großer Missetat. Dieser Ruhm sei ferne von unserer Reinigkeit. Er sagt aber gefangen nehmen, nicht weil der geistliche Mensch gefangen genommen wird, sondern weil von dem Teil, welcher der Sünde angehört, nichts unterlassen wird, dass der geistliche Mensch gefangen genommen werde, wie er selbst Gal. 1,13 sagt: Ich zerstöre die Gemeinde Gottes, da es doch unmöglich ist, dass die Kirche zerstört werde. Aber er unterließ nichts, so viel an ihm war, dass sie zerstört würde. Darum sagt er hier nicht, sie widerstreitet und ich bin gefangen genommen worden; sie nimmt gefangen, und ich werde nicht gefangen genommen. Denn wenn er dies auch gesagt hätte, so würde der Sinn zwingen zu verstehen, nach dem Fleisch, wie er gesagt hat, dass er verkauft sei und fleischlich, nach dem Fleisch; in solcher Weise, sagt er, er sei gefangen nach dem Fleisch, und diese Bedeutung, als die einfachere, gefällt mir besser.

    [V. 24]: Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leib dieses Todes? Hier nennt er die Sünde den Tod, das ist, die größte Beschwerde, bildlich, und redet wie das 2. Buch Mose, Kap. 10,17, da Pharao bat, dass die Heuschrecken weggenommen würden: Bittet den HERRN, euren Gott, dass er doch nur diesen Tod von mir wegnehme. Denn er nennt die Sünde mit ihrem gehässigsten Namen, wie auch jener die Heuschrecken, wegen ihrer dringenden, gottlosen, unaufhörlichen, unbezähmbaren Wüterei, durch welche sie uns in diesem Leben keinen Frieden haben lässt, sondern uns beständig zwingt, in der Schlachtreihe zu stehen. Denn Paulus fürchtet an dieser Stelle nicht des Latomus schlafende und ruhende Art des Verhaltens.[23] Auch Augustinus hat das nicht gewollt, was Latomus ihm auflegt. Es ist zwar wahr, dass wir nicht immer in Einer Leidenschaft toben; nicht immer brennt der Zorn, nicht immer wütet die Wollust, nicht immer quält der Neid, sondern eine folgt auf die andere. Und wenn alle schlafen, so schlafen die Lauheit und Trägheit nicht. Wenn du auch angestrengt tätig bist, so wacht der Stolz. Und wie ich aufs wahrste gesagt habe: Wie wir nicht ohne das Fleisch sind, so wirken wir nicht ohne das Fleisch, so wind wir auch nicht ohne die Fehler des Fleisches und wirken auch nicht ohne dieselben, wie Latomus gar albern aus dem Besonderen oder Einzelnen folgert, da er schließt: Bisweilen ruht die Leidenschaft, so ist nicht in jedem guten Werk Sünde, da er hätte sagen sollen: Bisweilen ruhen alle, und die ganze Sünde schläft, was unmöglich ist. Denn das Fleisch ist eine lebendige Sache und ist in ständiger Bewegung, die sich so ändert, wie die Gegenstände sich ändern.

    Dass aber im Schlaf nicht Sünde ist, ist auch Gottes Gnade zuzuschreiben, nicht der Natur. Freilich verdammliche Sünde ist da nicht [dass aber Sünde da sei,] dem steht auch nicht im Weg, dass der Gebrauch der Vernunft nicht da sein könne. Es ist aber Sünde, dass wir nicht rein schlafen können. Warum sind wir nicht in rechter Beschaffenheit geblieben, in der wir hätten rein schlafen und alles rein tun können? Den Trunkenen entschuldigt seine Trunkenheit nicht, wenn er durch dieselbe etwas sündigt; warum ist er nicht nüchtern geblieben? Deshalb wird uns um unsertwillen nichts zugute gehalten, nichts aus uns ist rein, sondern allein durch die Gnade und Gabe Gottes. Was entschuldigt die Kinder, die nicht getauft sind, dass sie ewig verdammt werden?[24]

    [V. 25]: Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren HERRN. Paulus sagt Dank, nicht seiner Gerechtigkeit, sondern dem barmherzigen Gott, und zwar durch Jesus Christus, unserem HERRN. Denn diesen hält er Gott immer vor, unter dessen Flügeln verbirgt er sich, in dessen Gnade freut er sich und rühmt sich der Gnade und Gabe Gottes. Er wünscht aber von diesem Leib befreit zu werden. Denn er sagt nicht, wer wird mich befreien von dem Tod dieses Leibes, sondern von dem Leib dieses Todes. Weil er sieht, dass in diesem Leben die Reinheit der Löwener Heiligen nicht möglich ist, und er doch rein zu sein wünscht, darum wünscht er zu sterben. Ein Gottloser sagt dieses Wort nicht, oder wenn er es sagt, so sagt er es nicht aus dieser Ursache. Denn wegen der Strafe würde er so nicht ausrufen, nicht so den Tod anrufen, sondern die Sünde beschwert ihn allzu sehr. Du siehst also, dass diese Stelle auf die Allerheiligsten passe, und dass sie die unbändige und wütende Sünde leiden, damit wir lernen, Gottes Gnade nicht abzuschwächen durch Abschwächung unseres Bösen, indem wir leugnen, dass dies Sünde sei, durch menschliche Deutungen; sondern, indem wir sie groß machen und erheben, so viel wir können, dass an den Tag kommen möge, solch Bekenntnis und Großmachen sei das Werk Gottes, der wunderbar ist in seinen Heiligen und allen seinen Willen in ihnen tut, da wir doch Sünden zu haben scheinen und wirklich Sünde haben. Denn sein Wille ist nicht die Sünde, die in uns ist, sondern unsere Heiligung [1. Thess. 4,3] von dieser Sünde.

    Es fasst also Paulus zusammen, wie das Leben eines gottseligen Menschen in dieser Zeitlichkeit beschaffen sei, indem er spricht [V. 25]: So diene ich nun mit dem Gemüt dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde. Ich ist ein und derselbe Mensch. Und daran hindert nicht der Einwurf des Latomus, welcher glaubt, dies könne so verstanden werden, wie jenes oben: Es wohnt in mir, das ist, in meinem Fleisch, nichts Gutes. Paulus selbst legt dies so aus, da er spricht: Ich diene mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde; wenn du nicht als ein zierlicher Deutler noch hinzufügen und sagen wolltest: Mein Fleisch dient mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde. Denn was sollte damit gesagt sein? Die Worte sind zu klar, als dass sie eine sophistische Verdrehung leiden sollten. Ich selbst, sagt er, kein anderer. Danach sagt er, ich diene; nicht bloß, ich habe Sünde, sondern ich diene ihr, oder, was ebenso viel ist, mein Fleisch dient ihr. Was aber heißt, der Sünde dienen? Ist es nicht ihren Willen tun? Ist es nicht gegen das Gesetz Gottes tun? Aber dies tut das Fleisch, da es widerstreitet, da es gefangen nimmt, da es wütet. Denn so dient es der Sünde, aber weil der Geist nicht gehorcht, noch auch durch ihr Wüten besiegt wird, darum verdammt sie nicht. Der Dienst der Sünde wird nichtig, alle ihre Anstrengungen werden vereitelt, aber darum ist es nicht so, dass er nichts, oder dieser Dienst nicht böse wäre, oder das Fleisch durch diesen bösen Dienst nicht sündigte, wiewohl es vergeblich dient und sein Herr, die Sünde, nicht die Oberhand hat, vielmehr verdient es darum selbst gekreuzigt und getötet zu werden, damit es aufhöre, so zu dienen. [Röm. 8,1]: So ist nun nichts Verdammliches in denen, die in Christus Jesus sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln. Wahrlich, nichts Verdammliches, aber nicht: Nichts Sündliches (peccati), sondern etwas Sünde ist da, nicht von der, von der Latomus allein sich einbildet, dass er sie kenne, durch welche der Geist der Sünde dient, außer der Gnade, sondern der Sünde, welche eine solche sein würde, wenn nicht die Gnade und die Gabe in der Gnade Eines Menschen die Oberhand hätten. Die Natur der Sünde ist wirklich in ihnen, aber sie vermag nun nicht mehr, was sie sonst vermocht hat.

   Latomus muss also eine solche Stelle der Schrift beibringen, dass dem Gesetz Gottes widerstreiten nicht Sünde sei, sondern eine Strafe oder Schwachheit. Denn von dem, was er aus Augustinus sagt, dass der Mensch darum nicht sündige, ist genug geredet, wie es genommen werden müsse, nämlich er spricht von der Sünde außer der Gnade. Das führt der ungeschickte Dialektiker gegen mich ein, der ich rede von der Sünde innerhalb der Gnade, wie er überall und in allen Dingen tut und auf gewohnte Weise behauptet, was er beweisen sollte, als ob er ersiegt hätte, eine Sünde in der Gnade gebe es bei den Menschen nicht. Wenn er keine Schriftstelle beibringt, werden wir ihn zwingen, mit der einfachen und eigentlichen Bedeutung der Worte sich zufrieden zu geben, dass dem Gesetz Gottes widerstreiten wahrhaft sündig sei. So muss er beweisen, dass gefangen nehmen unter das Gesetz der Sünde, und dem Gesetz dienen soviel sei, wie schwach sein und nicht sündigen, sonst haben wir, die Worte genommen, wie sie lauten, bewiesen, dass es dasselbe sei wie sündigen, überall, bei einem jeden, von dem gesagt wird, er diene der Sünde oder ihrem Gesetz. Wie Christus sagt Joh. 8,34: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht, und 2. Petr. 2,19: Denn von welchem jemand überwunden ist, des Knecht ist er, und Paulus selbst Röm. 6,17.18: Ihr wart Knecht der Sünde; nun ihr frei geworden seid von der Sünde, seid ihr Knecht geworden der Gerechtigkeit“. So ist hier Paulus selbst ein Knecht der Sünde, aber weil er hinzufügt mit dem Fleisch, so unterscheidet er offenbar zwischen dem einfachen der Sünde dienen (was Latomus allein will und das er sich einbildet zu kennen) und zwischen mit dem Fleisch der Sünde dienen.

    Es ist nicht wahr, was Latomus lehrt, dass bisweilen der Sünde nicht gedient werde, und dies ist nicht wahr, weder einfach im Dienst der Sünde, noch im Dienst der Sünde nach dem Fleisch. Denn alles, was der tut, der ein Knecht der Sünde ist, ist Sünde. Sie ist der Herr seiner Person, und der Dienst ist ein Name, nicht eines Werkes, sondern eines Standes, welcher alle Bestrebungen des ganzen Lebens zusammenfasst, wie es dagegen etwas anderes ist, einfach Gott dienen, als mit dem Fleisch. Die Gerechten dienen einfach Gott, das geht nämlich die Person an, aber die Heuchler dienen ihm nur mit dem Fleisch, weil sie dienen allein mit Werken, nicht mit dem Glauben des Herzens. Und wie diese verdammliche Heuchler sind, so sind jene (dass ich so sage) heilsame Heuchler, welche mit dem Fleisch der Sünde dienen, und sie sind böse, dem Ansehen nach, aber gut in Wahrheit. Aber auch die äußerlichen Werke der Heuchler sind nicht nichts, sondern wirklich nützlich und gut, weil sie der Kreatur Gottes nützlich sind; so sind auch die Sünden der Gerechten wirklich böse und schädlich, weil sie Werke der Sünde sind, und wie die guten Werke den Heuchlern nichts nützen, so schaden den Gerechten ihre Sünden nichts. Weil ich daher gesagt habe: Wie kann der ohne das Fleisch oder den Willen des Fleisches wirken, der ohne dasselbe nicht sein kann? Hält denn nicht Latomus gar ungereimt den Ausspruch des Paulus entgegen [2. Kor. 10,3]: Obgleich im Fleisch, so wandeln wir doch nicht nach dem Fleisch?[25] Als ob das wäre, nach dem Fleisch wandeln, da wir nicht ohne das Fleisch wirken. Hierdurch meint er das Gleichnis zunichte gemacht zu haben, welches ich von einem rostigen Werkzeug gegeben habe, so gar nichts sieht diese sophistische Art. Paulus dient mit dem Fleisch der Sünde und doch wandelt er nicht nach dem Fleisch. Doch dieser Wäger der Zeugnisse führt auch den Paulus nicht richtig an, denn Paulus sagt 2. Kor. 10,3: Denn ob wir wohl im Fleisch wandeln, so streiten wir doch nicht nach dem Fleisch [d.i. fleischlicher Weise]. Der Sinn ist aber derselbe.

    Doch was ist es nötig, alle Sachen des Latomus einzeln durchzugehen, da aus allen diesen Aussprüchen all das Seine reichlich widerlegt ist und das Meinige bestätigt? Denn ich habe genügend gezeigt, dass Latomus ganz und gar sich stellt auf die Behauptung dessen, das er beweisen sollte (petitio principii), da er nicht will, dass Sünde von mir anders genommen werde, als wie er es selbst nimmt. Mit vorsätzlicher Bosheit verdreht er sowohl meine Aussprüche als auch die aller Väter, da er sie, wo sie einfach von der Sünde reden, dahin zieht, dass es gegen die Sünde in der Gnade gesagt sei, oder er wendet das, was von der Sünde des Ganzen gesagt ist (dass ich so sage), auf die Sünde des Teiles an. Das tut er, weil er mit seinen Sophisten nie erkannt hat, was Gnade und Sünde sei, was Gesetz und Evangelium, was Christus und ein Mensch.

    Denn wer von Sünde und Gnade, vom Gesetz und Evangelium, von Christus und den Menschen auf christliche Weise handeln will, der darf fast nicht anders als von Gott und den Menschen in Christus handeln. Da ist sehr vorsichtig in Acht zu nehmen, dass er beide Naturen von der ganzen Person aussage, mit allen ihren Eigenschaften, und doch sich hüte, dass er ihr nicht zuschreibe, was einfach Gott oder einfach dem Menschen zukommt. Denn es ist etwas anderes, von dem menschgewordenen Gott oder von dem zu Gott gemachten Menschen zu reden, und etwas anderes, einfach von Gott und dem Menschen zu reden. So ist die Sünde außer der Gnade etwas anderes als die in der Gnade, so dass du dir vorstellen könntest, die Gnade oder die Gabe Gottes sei in die Sünde verhüllt und die Sünde in die Gnade aufgenommen, so lange wir hier leben, dass die Sünde wegen der Gabe und Gnade nun nicht mehr Sünde sein soll.

    Aber dies ist eine Betrachtung, welche mit mehr Muße behandelt werden muss. Deshalb will ich es hier anstehen lassen, bis ich mehr Zeit habe und auch die anderen Sachen widerlegen kann. Denn was er von der Buße und dem Ablass behauptet, ist nichts wert, da er alles aus menschlichen Schriften beweist. Denn weder Gregor noch irgendein Engel haben Macht gehabt, irgendetwas in der Kirche zu setzen oder zu lehren, was aus der Schrift nicht bewiesen werden kann. Und zugleich glaube ich, dass mit dem Angeführten hinlänglich bewiesen ist, die scholastische Theologie sei nichts anderes als Unwissenheit der Wahrheit und ein Ärgernis, welches neben die Schrift gesetzt ist. Es ist mir auch gleichgültig, dass Latomus mit der Undankbarkeit und der Beschimpfung gegen den heiligen Thomas, Alexander und andere zeiht. Denn sie haben sich übel um mich verdient gemacht. Ich glaube auch nicht, dass es mir an Verstand fehle, selbst Latomus wird das zugestehen, und mein Fleiß ist sicherlich nicht verborgen. Meinen Rat aber habe ich gesagt, dass ein junger Mann die scholastische Philosophie und Theologie meide als den Tod seiner Seele.

    Die Evangelien sind nicht so dunkel, dass sie den Kindern nicht verständlich sein könnten. Wie sind denn die Christen unterrichtet worden zur Zeit der Märtyrer, als es diese Philosophie und Theologie nicht gab? Wie hat Christus selbst gelehrt? Die heilige Agnes war mit 13 Jahren eine Theologin, ebenso Lucia und Anastasia, woraus haben sie gelernt? Denn die Studien der Universitäten haben bis auf den heutigen Tag noch nicht irgendeinen Märtyrer oder Heiligen geliefert, in so vielen Jahrhunderten, aus einer so großen Zahl, der da bewiese, dass ihre Lehrweise Gott angenehm und recht sei, da jene aus Privatschulen Scharen von Heiligen geliefert haben. Die philosophische und scholastische Theologie wird an ihren Früchten erkannt. Denn in Bezug auf den Thomas von Aquino zweifle ich sehr stark, ob er verdammt oder selig sei; eher würde ich glauben, dass Bonaventura selig sei. Thomas hat viel Ketzerisches geschrieben, und er ist der Urheber, dass Aristoteles herrscht als Verwüster der gottseligen Lehre. Was verschlägt mir das, dass der Bullenbischof ihn unter die Heiligen erhoben hat?

    Ich glaube demnach, dass auch ich ein nicht ganz ungeschicktes Urteil in diesen Dingen habe, weil ich darin erzogen bin, die Meinung der gelehrtesten Zeitgenossen erkundet, die besten Schriften dieser Art durchdacht habe, in der Heiligen Schrift wenigstens etwas gelehrt bin und einigermaßen geprüft durch die Erfahrung in diesen geistlichen Dingen, welche, wie ich deutlich sehe, dem Thomas abgegangen ist und allen, welche Ähnliches schreiben und lehren. Darum sei jeder, der es annehmen will, durch meinen Rat gewarnt; ich tue, was ich tun muss, und erinnere wiederum mit dem Apostel [Kol. 2,8]: Seht zu, dass euch niemand beraube durch die Philosophie und lose Verführung (dies lege ich getrost und zuversichtlich von der scholastischen Philosophie aus) nach der Menschen Lehre und nach der Welt Satzungen (dies sind die Rechte der Bullen und was sonst in der Kirche ohne Schrift eingesetzt ist) und nicht nach Christus. Hier ist klar, dass Paulus will, dass hier allein Christus gelehrt und gehört werde. Wer aber sieht nicht, wie die hohen Schulen die Bibel lesen? Vergleiche die, welche über die Meinungen der Lehrer (sententias) und über die Philosophie gelesen und geschrieben haben, mit denen, welche über die Bibel geschrieben haben oder dieselbe lehren (da sie das Hauptsächlichste von allen hätte blühen und herrschen sollen), und du wirst sehen, wie die hohen Schulen das Wort Gottes achten.

    Aber ich kehre zu dir zurück, mein lieber Jonas, und schicke diesen Latomus von mir fort zu dir, damit er mir nicht mehr beschwerlich sei, da ich schon angefangen habe, die Episteln und Evangelien deutlich auszulegen; das ist die Ursache, dass es mir lästig gewesen ist, seinen Dreck zu lesen und zu beantworten. Wenn es mir gut scheint, so werde ich zu anderer Zeit auf alles antworten; nur habe ich als ein Verbannter Mangel an Büchern und trage das Urteil der Ketzer-Magister[26], dadurch sie die Juden auf die bloße Bibel zwingen wollten. Denn allein die Bibel ist bei mir. Nicht, als ob bei mir viel davon abhinge, dass ich Bücher habe, aber [dazu würden sie mir dienlich sein] weil ich sehen muss, ob die Aussprüche der Väter von dem Gegner auch redlich angezogen werden. Denn den Dionysius führt er dafür an, dass man Gott für die Abgeschiedenen „bitten“ soll, da jener doch vom Loben schreibt, wie ich mich sehr wohl erinnere. Und warum antwortet nicht einer von euch auf das Übrige? Entweder du oder Andreas Karlstadt? Warum kommt Amsdorf nicht hervor? Müsst ihr nicht alle ebenso wohl die Ehre des Evangeliums verteidigen? Ich habe das Haupt der Schlange zertreten, warum könnt ihr nicht den Leib zertreten?

    Zum Beispiel, da er das Wort Hiob 9,28: So fürchte ich alle meine Schmerzen so auslegt: „ich fürchte“, das ist, ich beobachte; und das Wort Ps. 143,2: Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht usw., wo der Prophet bittet gegen das Gericht Gottes, was er so auslegt: Das ganze Leben Gottes ist ohne Sünde, und das ganze Leben keines Menschen ist ohne Sünde, darum will er nicht nach dem Leben Gottes gerichtet werden. Daher macht er aus dem Gericht Gottes oder dem Angesicht Gottes [vor welchem man erscheinen muss] das Leben Gottes. Wo aber wird es in der Schrift so genommen? Also ist irgendein Teil unseres Lebens, welcher sagen könnte: Gehe ins Gericht[27]; der müsste freilich zu einer anderen Zahl gehören als derer, welche alle Lebendigen genannt werden. Aber führt er nicht die Väter ein? Sind aber die Väter nicht auf Menschen gewesen? Könnte nicht irgendeiner von euch diese und ähnliche Possen ganz leicht widerlegen? Das Gericht Gottes ist das Werk Gottes, durch welches er nicht sein Leben mit uns vergleicht, sondern das unsrige prüft. Was wäre es sonst für eine Ungereimtheit, dass das ewige Leben verglichen werden sollte mit dem, welches nur einen Augenblick dauert? Vieles und fast alles ist von dieser Art. Denn ich möchte gern, dass auch ihr etwas für das Wort tätet, damit ich Muße bekäme und dem armen Volk endlich einmal dienen könnte. Ihr Rekruten müsst auch geübt werden, und das geschähe am besten, da ich noch lebe, wenn ich vielleicht noch etwas helfen kann. Aber, ich bitte dich, da ist das Buch, nimm es. Wie freue ich mich, dass ich es nicht länger bei mir behalten muss! Leb wohl. Aus meinem Patmos, den 22. Juni 1521.



[1] Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften. Hrsg. von Johann Georg Walch. Bd. 18. Halle: Johann Justinus Gebauer. 1746. Sp. 1301 ff. [Jacobus Latomus, ca. 1475-1544, war Professor an der Universität in Löwen (Leuven) hatte Februar 1520 eine Verurteilung Luthers veröffentlicht. Anm. d. Hrsg.]

[2] Orientiert an: Martin Brecht: Martin Luther. Ordnung und Abgrenzung der Reformation. 1521-1532. Berlin: Evangelische Verl.Anst. 1989. S. 16-18

[3] 2. Sam. 21,16: Jesbibenob war ein Nachkomme der Riesen, wurde durch Abisai überwunden. Anm. d. Hrsg.

[4] Von hier ab geht der Text nach der St. Louiser Ausgabe.

[5] So die Vulgata. In der deutschen Bibel: „Du bist, der mich zu Ehren setzt.“

[6] Dasjenige als Beweis gebrauchen, was erst bewiesen werden muss.

[7] Synekdoche: ein Teil für das Ganze, oder das Ganze für einen Teil; Metalepsis ist ein Tropus, da das Folgende für das Vorhergehende steht; Metapher ist ein Bild in einem einzigen Wort, während Allegorie Bilder von Sachen enthält (vgl. Walch, St. Louiser Ausgabe, Bd. 22, Tischreden, Kap. 52, § 3); Hyperbel ist Übertreibung.

[8] Von der Dichtkunst, V. 47 f.

[9] Von „austeilen“; von partior ist portio, pars abgeleitet.

[10] So in der deutschen Bibel.

[11] Nämlich von פרע

[12] Von Luther selbst deutsch gegeben

[13] Die Philosophen unterscheiden verschiedene Arten der Aussage, welche sie Kategorien nennen. Aristoteles hat deren zehn: Wesen, Größe, Beschaffenheit, Beziehung, Ort, Zeit, Umstände, Fähigkeit, Tätigkeit, Leiden.

[14] Ante temeritatem d.h. ehe sie vermessen die Bücher Luthers verbrannten.

[15] Hiermit ist die 1519 herausgegebene Schrift des Latomus gemeint: De trium linguarum, et studii theologici ratione dialogus.

[16] D.h. dass er den Zorn der Anhänger der Bulle auf sich laden werde.

[17] Vielleicht sind hiermit die „Enkratiten“ gemeint, die sich der Ehe, als eines Werkes des bösen Geistes, enthielten. Vgl. Gueriches Kirchengeschichte, 7. Aufl., Bd. 1, 275.

[18] D. i. Haufen von Zeugnissen

[19] Si non proprio merito, tamen per proprium meritum.

[20] Reatus, eigentlich: Anklagezustand

[21] „Neu“ bezieht sich auf novitates in der Vulgata.

[22] Versehentlich von Luther geschrieben statt hypostasis.

[23] Habitus. Was darunter zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Folgenden zu Ende dieses Absatzes.

[24] Walch: Das ist auch noch ein Irrtum der ersten Zeiten aus dem Papsttum.

[25] Nach der Vulgata nicht richtig von Latomus angeführt, wie Luther gleich bemerkt.

[26] Hierdurch kommt Luther auf das zurück, was er gegen das Ende seiner Antwort auf die Vorrede des Latomus gesagt hat über das Bücherverbrennen der Sophisten. Nach Luthers Absicht ist der obige Ausdruck doppelsinnig, nämlich: Magister, welche andere als Ketzer verurteilen und doch selbst die ärgsten Ketzer sind.

[27] Nach den obigen Worten des Latomus ist zwar nicht das ganze Leben, aber doch ein Teil desselben ohne Sünde.