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Inhaltsverzeichnis
Vom Sakrament der letzten Ölung
Martin Luther, Augustiner,
wünscht seinem lieben Hermann Tulich Heil und Segen. Ob ich will oder nicht, ich
werde gezwungen, von Tag zu Tag gelehrter zu werden, weil mir so viele und so
große Meister um die Wette keine Ruhe lassen und mich ständig in Atem halten.
Über den Ablass habe ich vor zwei Jahren geschrieben, aber so, dass es mir
jetzt außerordentlich leid tut, dass dieses Büchlein so herausgegangen ist.
Denn damals konnte ich von diesem Aberglauben - der römischen Tyrannei - noch
nicht lassen und meinte deshalb, dass der Ablass nicht ganz zu verwerfen sei;
ich sah doch, dass er einhellig bei so vielen Menschen Billigung fand. Und
das war kein Wunder, denn damals quälte ich mich allein an diesem Felsblock.
Aber später - und das danke ich Silvester und anderen Brüdern, die solchen
Ablass eifrig verteidigten - verstand ich, dass der Ablass nichts anderes als
der reine Betrug der römischen Heuchler ist, durch welchen sie den Glauben an
Gott ebenso wie den Besitz der Menschen zugrunde richten. Ach, wenn ich nur
die Buchhändler dazu bringen und alle meine Leser überreden könnte, alle
meine Büchlein vom Ablass zu verbrennen und statt dessen, was ich davon
geschrieben habe, diesen Satz anzunehmen: Der Ablass ist der römischen
Heuchler Nichtsnutzigkeit. Danach haben Eck und Emser
samt ihren Mitverschworenen begonnen, mich über den Primat des Papstes zu
unterrichten. Deswegen bekenne ich auch hier, damit ich gegen so gelehrte
Männer nicht undankbar bin, dass ich durch ihre Mühe große Fortschritte
gemacht habe. Denn wenn ich gleich leugnete, dass das Papsttum göttlichen
Ursprungs ist, so habe ich doch zugegeben, dass es aus menschlichem Recht
stammt. Als ich aber die überaus subtilen Subtilitäten dieser vornehmen
Stutzer sah und hörte, mit denen sie ihren Abgott künstlich aufrichten (ich
bin ja in diesen Dingen nicht so ganz ungelehrig), weiß ich jetzt und bin
gewiss, dass das Papsttum das babylonische Reich und die Herrschaft Nimrods,
des gewaltigen Jägers ist. Damit nun meinen Freunden alles zum Guten ausschlägt,
bitte ich auch hier die Buchhändler und die Leser, das, was ich darüber
geschrieben habe zu verbrennen und dafür diesen Satz anzunehmen: Das Papsttum
ist die wilde Jagd des römischen Bischofs. Das wird aus Ecks, Emsers und
Alfelds zu Leipzig Sätzen bewiesen. Jetzt führt man mich in Bezug
auf den Empfang des Abendmahls unter beiderlei Gestalt und einige andere
hochwichtige Dinge zur Schule. Bisher habe ich Narr gemeint, dass es schön
wäre, wenn durch ein allgemeines Konzil beschlossen würde, dass das Abendmahl
den Laien unter beiderlei Gestalt gegeben würde. Darüber will mich der
überaus gelehrte Bruder eines besseren belehren und sagt, dass es weder von
Christus noch den Aposteln geboten oder geraten sei, den Laien <das
Sakrament> in beiderlei Gestalt darzureichen. Darum sei es dem Urteil der
Kirche anheimgestellt, was hier zu tun oder zu lassen sei; dem solle man sich
beugen. So seine Worte. Nun fragst du vielleicht,
welche Tollheit diesen Menschen leitet oder gegen wen er schreibt, da ich
doch den Gebrauch des Abendmahls unter einerlei Gestalt nicht verworfen und
es dem Urteil der Kirche überlassen habe, den Gebrauch des Sakraments unter
beiderlei Gestalt anzuordnen, Das versucht er selbst zu verfechten und will
doch eben damit gegen mich streiten. Darauf antworte ich, dass diese Art zu
disputieren alle die an sich haben, die gegen Luther schreiben: sie stellen
eine Behauptung auf, die sie dann anfechten, oder sie erdichten etwas, gegen
das sie dann losziehen. Weil ich nun sehe, dass sie
Zeit und Papier genug haben, so, will in mir Mühe geben, dass sie genug zu
schreiben bekommen. Ich will ihnen nämlich zuvorkommen: während diese
Großmäuler noch über eine meiner Ketzereien (denn dafür halten sie es) als
glorreiche Sieger triumphieren, will in mittlerweile eine neue vorbringen.
Denn auch in will, dass solche hervorragenden Kriegsführer mit vielen
Ruhmestiteln geziert werden. Deshalb, während sie sich darüber aufregen, dass
ich den Genuss des Sakraments in beiderlei Gestalt lobe, und sie von dieser
großen und an sich sehr wichtigen Same völlig mit Beschlag belegt sind, will
ich fortfahren und nunmehr zu zeigen versuchen, dass alle die gottlos sind,
die den Laien den Genuss des Abendmahls in beiderlei Gestalt verweigern. Um
das möglichst sinnvoll zu tun, will ich ein Vorspiel von der Gefangenschaft
der römischen Kirche anfangen. Zu seiner Zeit will ich mehr bieten, wenn die
überaus gelehrten Pappigsten erst dieses Buch "überwunden" haben
werden. Grundsätzlich und als erstes
muss ich verneinen, dass es sieben Sakramente gibt, und kann zur Zeit drei
dafür setzen: die Taufe, die Buße, das Brot. Und diese alle sind uns durch
die römische Kurse in elende Gefangenschaft geraten, und die Kirche ist all
ihrer Freiheit beraubt. Allerdings: wenn ich mich nach der Schrift richten
will, kenne ich nur ein einziges Sakrament und drei sakramentale Zeichen.
Davon mehr zu seiner Zeit. Aber jetzt zuerst Über das Sakrament des BrotesIch will also sagen, wie ich
beim Nachdenken über die Verwaltung dieses Sakraments weitergekommen bin.
Denn zu der Zeit, als ich den Sermon von dem Abendmahl herausgab, hielt ich
mich noch an den allgemeinen Brauch, kümmerte mich auch nicht um des Papstes
Recht oder Unrecht. Aber jetzt, wo man mich herausgefordert hat und mir keine
Ruhe läßt, ja mich vielmehr mit Gewalt in diesen Streit zerrt, will ich frei
heraus sagen, was ich davon halte, mögen nun die Papisten alle zusammen
lachen oder weinen. Es gibt zwei Stellen, welche
hiervon ganz klar handeln: die Evangelien beim Bericht über das letzte Mahl des
Herrn und Paulus 1. Kor. Kapitel 11. Die wollen wir besehen. Denn Matthäus,
Markus und Lukas stimmen darin überein, dass Christus allen Jüngern das ganze
Sakrament gegeben. Und dass Paulus <den Genuss des Abendmahls in>
beiderlei Gestalt überliefert hat, ist sicher. Es ist also keiner jemals so
unverschämt gewesen, dass er etwas anderes gesagt hätte. Nimm noch hinzu, was
Matthäus berichtet: nicht vom Brot habe Christus gesagt: "Esset alle
davon", sondern vom Kelch: "Trinket alle daraus" . Und ebenso
sagt Markus nicht: "sie aßen alle davon", sondern: "sie
tranken alle daraus". Sie setzen also beide den
Hinweis auf die Allgemeinheit zum Kelch und nicht zum Brot, so als ob der
heilige Geist dieses künftige Schisma vorhergesehen hätte, das den Genuss des
Kelches einigen verbietet, von dem doch Christus wollte, dass er allen
gemeinsam sein sollte. Mit was für einer Leidenschaft, meinst du, würden sie
gegen uns wüten, wenn sie das Wörtlein "alle" beim Brot und nicht
beim Kelch gefunden hätten! Gar keine Ausflucht würden sie uns gönnen, sie
würden schreien, uns zu Ketzern machen und als Schismatiker verdammen. Aber
weil es unsere Auffassung stützt und nicht die ihre, lassen sie sich durch
keinen logischen Schluss bewegen, die als Menschen mit ganz freiem Willen auch
in den Dingen, die Gott angehen, ändern und wieder ändern und alles in
Unordnung bringen. Ich bekenne, dass ich durch
diesen Grund, der mir unüberwindlich ist, überwunden bin und weder gelesen
noch gehört oder gefunden habe, was ich dagegen sagen könnte. Denn hier steht
das Wort und Beispiel Christi absolut fest, und er sagt es nicht, als ob er
es nur zuließe, sondern gebietend: "Trinket alle daraus." Denn wenn
alle trinken sollen dann kann das nicht allein als zu den Priestern gesagt
verstanden werden. So ist es ganz gewiss gottlos, die Laien, die es begehren,
davon auszuschließen, und wenn es schon ein Engel vom Himmel täte. Denn wenn
sie sagen, es sei dem Willen anheimgestellt, in welcher Gestalt sie <das
Abendmahl> austeilen wolle, so wird das ohne Grund gesagt und ohne
Schriftbeleg vorgewendet und wird ebenso leicht widerlegt, wie es behauptet
wurde. Wenn man aber den Laien eine Gestalt verweigern kann, dann kann man
ihnen auch einen Teil der Taufe und der Buße nach dem gleichen Willen der
Kirche entziehen, weil überall der gleiche Grundsatz und die gleiche Macht
gilt. Darum, wie die ganze Taufe und die ganze Absolution erteilt wird, so
soll auch das ganze Sakrament des Brotes allen Laien gegeben werden, wenn sie
es begehren. Was mich aber am meisten bedrängt
und mich ganz gefangen hält, ist, dass Christus sagt: "Das ist mein
Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der
Sünden." Hier siehst du ganz klar, dass das Blut allen gegeben wird, für
deren Sünde es vergossen ist. Wer darf aber sagen, dass es nicht für die
Laien vergossen ist? Oder siehst du nicht, zu wem er redet, als er den Kelch
gibt? Gibt er ihn nicht allen? Sagt er nicht, es sei für alle vergossen? Er
sagt: "Für euch!" Ich beschwöre dich aber, was
besteht für ein Zwang, was für religiöse Bedenken können wir haben und wozu
dient es, den Laien <den Genuss des Abendmahls in> beiderlei Gestalt,
d.h. das sichtbare Zeichen, zu verwehren? Dabei gestehen ihnen doch alle das
Sakrament als solches zu - allerdings ohne das Zeichen. Gestehen sie ihnen
nun das Sakrament als solches zu, was ja das Wesentliche ist, warum nicht
auch das Zeichen, das von geringerer Bedeutung ist? Denn in jedem Sakrament
ist das Zeichen, soweit es nur ein Zeichen ist, von unvergleichlich
geringerer Bedeutung als das Sakrament selbst. Was hindert es also, so frage
ich, das Unwesentlichere zu geben, wo man doch das Wesentliche gibt? Mir
scheint, das hat der zürnende Gott geschehen lassen, um damit eine Ursache
für die Trennung in der Kirche zu geben. Das soll ein Hinweis darauf sein,
dass wir das wahre Sakrament längst verloren haben und um des äußeren
Zeichens willen, dessen, was ganz unwesentlich ist, gegen die einzig wichtige
Sache ankämpfen, so wie einige für die äußerlichen Kirchenbräuche und gegen
die Liebe streiten. Ja, dieses Ungeheuerliche scheint zu einer Zeit
entstanden zu sein, als wir gegen die christliche Liebe anfingen, auf den
Reichtum dieser Welt ganz versessen zu sein, damit uns Gott durch dieses
schreckliche Zeichen zu verstehen gäbe, dass wir die äußerlichen Zeichen
höher achten als die Dinge selbst. Was für eine Torheit wäre es, wenn du zwar
zugäbest, dass dem Täufling der Glaube der Taufe gegeben wird, wolltest ihm
aber verwehren, dass ihm auch das Zeichen dieses Glaubens, nämlich das Wasser,
gegeben würde. Zuletzt bleibt Paulus
unüberwunden, der aller Mund verstopft, wenn er 1. Kor. 11, 23 sagt:
"Ich habe es vom Herrn empfangen, was ich euch gegeben habe." Nicht
sagt er, wie es der Bruder <Alfeld> in seiner Phantasie zusammenlügt:
was ich euch erlaubt habe. Es ist auch nicht wahr, dass er ihnen um ihres
Streites willen beiderlei Gestalt zugelassen habe. Erstens zeigt es der Text
selbst, dass um die beiderlei Gestalt gar kein Streit gewesen ist, sondern
wegen der Gleichgültigkeit der Reichen und des Neides der Armen, wie der Text
klar zeigt, wenn er sagt: "Einer ist hungrig, der andere ist trunken,
und ihr beschämt die, die da nichts haben." Dann redet er nicht von
seiner erstmaligen Lehrüberlieferung, denn er sagt nicht: Ich empfange es vom
Herrn und gebe es euch, sondern: "Ich habe empfangen und habe
gegeben", nämlich am Anfang meiner Verkündigung, lange vor diesem
Streit. Damit bringt er deutlich zum Ausdruck, dass er ihnen beiderlei
Gestalt gegeben habe. Vorwärts, ihr
Papstschmeichler! Erhebt euch wie ein Mann, gebt euch Mühe, verteidigt euch
gegen den Vorwurf der Gottlosigkeit, der Tyrannei, der Beleidigung des
Evangeliums, der ungerechten Schmähung der Brüder, die ihr als Ketzer
beschimpft - sie, die sich an die so offenbare und mächtige Schrift halten,
im Gegensatz zu euren törichten Hirngespinsten. Ist überhaupt einer von
beiden als Ketzer und Rottengeist zu bezeichnen, so sind es nicht die Böhmen,
nicht die Griechen (weil die sich ja auf das Evangelium verlassen), sondern
ihr Römer seid Ketzer und gottlose Rottengeister, weil ihr euch einzig eurer
Einbildungen rühmt - gegen die klare Schrift Gottes! Wascht euch von diesem
Vorwurf rein, ihr Herren! Was ist aber lächerlicher und
dem Kopf dieses Bruders gemäßer, als dass er sagt, Paulus habe einer
einzelnen Kirche, nämlich den Korinthern, solches geschrieben und zugelassen,
nicht aber der ganzen Kirche. Woher beweist er das? Aus seinem üblichen
Schatzkämmerlein, nämlich aus seinem eigenen gottlosen Kopf. Wenn die ganze
Kirche diesen Brief als für sie geschrieben auffasst, liest und ihm in allem
folgt, warum dann nicht auch in diesem Stück? Denn wenn wir zugeben, dass ein
Brief des Paulus oder eine einzige Stelle daraus sich nicht an die
Gesamtkirche wendet, so ist die ganze Vollmacht des Paulus erledigt. Denn die
Korinther werden sagen: was Paulus <im Brief an> die Römer vom Glauben
lehrt, gehe sie nichts an. Was kann wohl Gotteslästerlicheres oder
Unsinnigeres erdacht werden als dieser Unsinn? Das sei ferne, das sei ferne,
dass es auch nur einen einzigen Buchstaben im ganzen Paulus gibt, den nicht
die ganze allgemeine Kirche befolgen und bewahren sollte! Diese Meinung haben
auch unsere Vorfahren nicht gehabt bis auf diese gefährlichen Zeiten, von
denen Paulus geweissagt hat, dass Gotteslästerer, Blinde und ganz
Unverständige aufstehen würden. Einer von denen und deren vornehmster ist
dieser Bruder. So komme ich zu dem Schluss:
es ist gottlos und tyrannisch, den Laien das Abendmahl in beiderlei Gestalt
zu verwehren. Es steht auch nicht in der Macht eines Engels, geschweige denn
des Papstes oder eines Konzils. Ich lasse mich dabei durch das Konzil zu
Konstanz nicht beirren. Wenn dessen Autorität so viel bedeutet, warum gilt
nicht das Konzil zu Basel genau so viel, welches das Gegenteil festsetzt? Die
Böhmen dürfen beiderlei Gestalt empfangen, was mit vielem Disputieren dort
beeidet wurde, wie die vorhandenen Konzilsakten ausweisen. Das führt nun
dieser Schmeichler in seiner Unkenntnis an, um seine Hirngespinste zu
beweisen. So weise verfährt er in allen Dingen! Das ist die erste
Gefangenschaft dieses Sakraments. Sie erstreckt sich auf dessen Substanz und
Ganzheit, die uns die römische Tyrannei genommen hat. Nicht, dass die gegen
Christus sündigen, die <das Abendmahl in> einer Gestalt gebrauchen.
Denn Christus hat nicht geboten, <das Abendmahl in> einer Gestalt zu
gebrauchen, sondern hat das dem Willen jedes einzelnen anheimgestellt und
gesagt: "So oft ihr's tut, so tut das zu meinem Gedächtnis." Aber
die sündigen, die verbieten, dass <das Abendmahl in> beiderlei Gestalt
denen gegeben werde, die es freiwillig so nehmen wollen. Die Schuld liegt
nicht bei den Laien, sondern bei den Priestern. Das Sakrament gehört nicht zu
den Priestern, sondern allen. So sind auch die Priester nicht Herren darüber,
sondern Diener, die beiderlei Gestalt denen geben sollen, die und so oft sie
es begehren. Wenn sie den Laien dieses Recht entziehen und mit Gewalt
abschlagen, so sind sie Tyrannen, und die Laien sind ohne Schuld, sei es dass
sie <das Abendmahl> in einer oder in beiderlei Gestalt verlieren. Sie
müssen einstweilen im Glauben und dem Verlangen nach dem ganzen Sakrament
bewahrt bleiben. Ebenso sind sie als Diener schuldig, dem die Taufe und
Absolution zu geben, der sie begehrt, als einem, der ein Recht darauf hat. Wenn
sie es aber nicht geben, so hat sie dann der sie Begehrende im Glauben
vollkommen erlangt, und sie werden vor Christus als unnütze Knechte angeklagt
werden. <Das ist dann> so wie die heiligen Väter vor Zeiten in der
Wüste in all den Jahren das Sakrament unter keinerlei Gestalt empfangen
haben. Deshalb gehe ich nicht so
weit, dass <das Abendmahl> mit Gewalt in beiderlei Gestalt genommen
werden müsste, als ob wir nach der Notwendigkeit des Gebots zu dieser Form
des Abendmahls gezwungen wären. Sondern ich unterweise das Gewissen, dass ein
jeder die römische Tyrannei leide und wisse, dass ihm wegen seiner Sünde sein
volles Recht im Sakrament mit Gewalt genommen ist. Allein das will ich, dass
niemand die römische Tyrannei rechtfertige, als ob sie recht getan hätte,
wenn sie den Laien eine Gestalt verbietet, sondern dass wir sie verfluchen
und ihr nicht zustimmen. Trotzdem sollen wir sie ertragen, nicht anders, als
wären wir beim Türken gefangen, bei dem wir gar keine Gestalt gebrauchen
dürften. Das ist es, was ich gesagt habe: ich fände es schön, wenn durch den
Beschluss eines allgemeinen Konzils solche Gefangenschaft aufgehoben und uns
die christliche Freiheit aus den Händen des römischen Tyrannen wiedergegeben
und einem jeden sein Wille, es zu begehren und zu gebrauchen, gelassen würde,
wie es bei der Taufe und Buße geschieht. Aber jetzt zwingt er uns Jahr für
Jahr mit gleicher Tyrannei, eine Gestalt zu empfangen. So ganz ist die
Freiheit erloschen, die uns von Christus gegeben ist, so hat er unsere
abgrundtiefe Verachtung verdient. Die zweite Gefangenschaft
dieses Sakramentes ist nicht <ganz> so schlimm, soweit es das Gewissen
betrifft. Aber es ist überaus gefährlich, daran zu rühren, geschweige sie zu
verdammen. Hier werde ich ein Wiklifit und unter unzähligen Bezeichnungen zum
Ketzer werden. Was denn? Nachdem der römische Bischof aufgehört hat, ein
Bischof zu sein, und ein Tyrann geworden ist, fürchte ich mich gar nicht vor
seinen sämtlichen Dekreten. Denn ich weiß, dass es nicht in seiner Gewalt
steht, auch nicht in der eines allgemeinen Konzils, neue Glaubensartikel
aufzustellen. Als ich die scholastische Theologie in mich aufnahm, gab mir
Pierre d'Ailly Anlass zum Nachdenken. Beim vierten Buch der
"Sentenzen" disputiert er überaus scharfsinnig, es sei viel glaubwürdiger
und man brauchte viel weniger dieser überflüssigen Wunder vorauszusetzen,
wenn man glaubte, auf dem Altar wären wahres Brot und wahrer Wein und nicht
allein die bloßen Akzidenzien - wenn nicht die Kirche das Gegenteil
festgesetzt hätte. Als ich danach sah, was für eine Kirche das ist, die
solches bestimmt, nämlich die thomistische, das heißt die des Aristoteles, da
bin ich beherzter geworden. Wenn ich zuerst auch im Zweifel war, so habe ich
schließlich mein Gewissen doch in der ersten Auffassung befestigt: es ist
wahres Brot und wahrer Wein, in welchen das wahre Fleisch und das wahre Blut
Christi nicht anders und nicht weniger ist, als jene es ihren Akzidenzien
zuschreiben. Das habe ich getan, weil ich sah, dass die Meinungen der
Thomisten, ob sie nun vom Papst oder einem Konzil bestätigt sind, dennoch
eben nur Meinungen bleiben und nicht zu Glaubensartikeln werden würden, auch
wenn ein Engel vom Himmel etwas anderes verordnete. Denn was ohne
Schriftgrundlage oder ohne erwiesene Offenbarung gesagt wird, mag wohl als
eine Meinung hingehen, muss aber nicht notwendig geglaubt werden. Diese
Meinung des Thomas aber ist ohne Schriftgrundlage wie ohne Vernunftbegründung
und so ungesichert, dass ich meine, er habe weder seine Philosophie noch
seine Dialektik verstanden. Denn Aristoteles redet weit anders von den
Akzidenzien und von ihrem Subjekt, als der heilige Thomas, so dass es mir für
einen so gelehrten Mann bedauerlich erscheint, dass er seine Ansichten in
Glaubenssachen nicht allein aus Aristoteles überliefert, sondern versucht
hat, auf dem, den er nicht verstanden hat, etwas aufzubauen. Ein
unglückseliger Bau auf einem unglückseligen Fundament! Ich habe also nichts dagegen:
Wer will, mag beiderlei Ansichten beibehalten. Darauf allein kommt es mir
jetzt an, dass ich die Gewissenszweifel aus dem Wege räume. Niemand soll sich
fürchten, der Ketzerei schuldig zu sein, wenn er glaubt, dass auf dem Altar
wahres Brot und wahrer Wein sind. Sondern er soll wissen, dass es ihm ohne
Gefahr für seine Seligkeit freisteht, sich eins von beiden vorzustellen, zu
meinen und zu glauben, weil hier eben keine Glaubensnotwendigkeit vorliegt.
Jedoch will ich jetzt meine Auffassung weiter verfolgen. Erstens will ich die
nicht hören, auch nicht im geringsten achten, die da schreien werden, das sei
wiklifitisch, hussitisch, ketzerisch und gegen den Beschluss der Kirche. Denn
das tun ja nur die, die ich im Ablassstreit, in der Auseinandersetzung über
den freien Willen und die Gnade Gottes, die guten Werke und die Sünde usw.
auf mancherlei Weise als Ketzer überführt habe. Wenn nämlich Wiklif einmal
Ketzer gewesen ist, dann sind sie zehnmal Ketzer und es wäre fein, von den
Ketzern und törichten Sophisten getadelt und gescholten zu werden; ihnen aber
zu gefallen, ist die größte Gottlosigkeit. Außerdem können sie ihre Ansichten
nicht anders beweisen und die ihnen entgegengesetzten Auffassungen können sie
nicht anders zurückweisen, als dass sie sagen: das ist wiklifitisch,
hussitisch, ketzerisch. Denn diese faule Rede haben sie stets im Maule und
anderes nicht. Verlangt man von ihnen einen Schriftbeweis, so sagen sie: Wir
sind dieser Meinung, und die Kirche hat es so beschlossen. So wagt es diese
in Bezug auf den Glauben verworfene und unglaubwürdige Gesellschaft, uns
unter Berufung auf die Kirche ihre Phantasien als Glaubensartikel
vorzusetzen! Ich habe aber für meine
Auffassung eine starke Begründung, vor allem diese: den göttlichen Worten
darf keine Gewalt angetan werden, weder durch einen Menschen noch durch einen
Engel, sondern sie sollen - soweit wie nur möglich - in der allereinfachsten
Bedeutung genommen werden. Und wo uns nicht ein eindeutiger Umstand zwingt
sollen sie in ihrer wörtlichen und eigentlichen Bedeutung aufgefasst werden,
damit man den Gegnern keine Gelegenheit bietet, mit der ganzen Schrift ihr
Spiel zu treiben. So auch hier: weil die Evangelisten klar schreiben, dass
Christus das Brot genommen und gesegnet habe, und weil die Apostelgeschichte
und der Apostel Paulus es auch nachher Brot nennen, so muss man das vom wahren
Brot verstehen und vom wahren Wein und vom wahren Kelch. Denn auch sie
behaupten nicht, dass sich der Kelch verwandle. Eine Transsubstantiation
also, die durch eine göttliche Macht geschähe, vorauszusetzen, ist nicht
nötig; man muss sie vielmehr für ein erdichtetes Menschengebilde ansehen,
weil sie sich weder auf die Schrift, noch auf einen vernünftigen Grund
stützt, wie wir sehen werden. Die Kirche hat mehr als
zwölfhundert Jahre recht geglaubt, nie und nirgends haben die heiligen Väter
die Transsubstantiation <was schon ein recht ungeheuerliches Wort ist und
erträumt> erwähnt, bis die sogenannte Philosophie des Aristoteles in
diesen letzten dreihundert Jahren in der Kirche überhand genommen hat. Warum kann Christus seinen
Leib nicht in der Substanz des Brotes erhalten, ebenso wie er ihn <nach
der Kirchenlehre> in den Akzidenzien erhält? Siehe, das Eisen und Feuer,
zwei Substanzen, werden in einem glühenden Eisen so vermischt, dass jeder
Teil Eisen und Feuer <zugleich> ist. Warum kann nicht der verklärte Leib
Christi viel eher ebenso in allen Teilen der Substanz des Brotes sein? Was sollen wir hierzu sagen,
wenn wir den Aristoteles und menschliche Lehren zu Rittern über so hohe und
göttliche Dinge maßen? Warum verwerfen wir nicht solchen Vorwitz und bleiben schlicht
bei den Worten Christi und sind bereit, nicht zu wissen, was da geschähe, und
sind zufrieden damit, dass kraft der Worte der Leib Christi da ist? Ist es
denn nötig, dass wir die Art und Weise des göttlichen Handelns gänzlich
begreifen? Dass wir aber nicht zu sehr
ins Philosophieren kommen: scheint nicht Christus diesem Vorwitz fein
entgegenzutreten, wenn er vom Wein nicht gesagt hat: "Das ist mein
Blut", sondern "Dieser ist mein Blut"? Und noch viel klarer
<wird es dadurch>, dass er das Wort "Kelch" mit hinzunimmt
und sagt: "Dies ist der Kelch des neuen Testaments in meinem Blut".
Sieht man denn nicht, dass er uns im schlichten Glauben behalten wollte, und
dass wir lediglich glaubten, sein Blut sei in dem Kelch? Fürwahr, wenn ich nicht
begreifen kann, auf welche Weise das Brot der Leib Christi sein kann, will
ich doch meinen Verstand gefangennehmen unter den Gehorsam Christi und
schlicht bei seinen Worten bleiben, und glaube fest nicht allein, dass der
Leib Christi in dem Brot ist, sondern das Brot der Leib Christi ist. Denn zu
dieser Auffassung bringen mich die Worte, wo er sagt: "Er nahm das Brot,
dankte, brach's und sprach: Nehmet, esset, das <das heißt: das Brot, das
er genommen und gebrochen> ist mein Leib". Und Paulus spricht: "Das
Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes
Christi?" Er sagt nicht: in dem Brot ist, sondern: das Brot selbst ist
die Gemeinschaft des Leibes Christi. Was liegt daran, ob die Philosophie das
nicht versteht? Der heilige Geist ist mehr als Aristoteles. Versteht sie denn
überhaupt etwas von der Transsubstantiation dieser Dinge, da sie doch selber
zugesteht, dass hier die ganze Philosophie zusammenstürzt? Und wie es sich mit Christus
verhält, so verhält es sich auch mit dem Sakrament. Denn es ist nicht nötig,
dass die menschliche Natur verwandelt werden muss, wenn die Gottheit in der
Menschheit leiblich wohnen soll - als ob die Gottheit an die Akzidenzien der
menschlichen Natur gebunden wäre. Sondern beide Naturen bleiben zugleich
unversehrt bestehen, und so wird mit Recht gesagt: Dieser Mensch ist Gott,
dieser Gott ist Mensch. Und wenn die Philosophie das schon nicht versteht, so
versteht es doch der Glaube. Gottes Wort hat eine größere Vollmacht, als
unser Verstand es fassen kann! In dem Sakrament ist also der wahre Leib und
das wahre Blut. Es ist nicht nötig, dass sich das Brot oder der Wein in eine
andere Substanz verwandele, so dass Christus unter den Akzidenzien
eingeschlossen sei. Sondern beides bleibt zugleich bestehen, wie es in
Wahrheit heißt: "Dieses Brot ist mein Leib; dieser Wein ist mein
Blut" und umgekehrt. So will ich es einstweilen zur Ehre der heiligen
Worte Gottes verstehen. Ich will nicht dulden, dass ihnen durchs menschliche
Spitzfindigkeiten Gewalt geschieht und sie umgedeutet werden. Jedoch lasse
ich es anderen zu, eine abweisende Meinung zu haben. Sie sollen uns nur nicht
zwingen dass wir ihre Meinung wie Glaubensartikel annehmen. Die dritte Gefangenschaft
dieses Sakramentes ist der überaus gottlose Missbrauch, durch den es gekommen
ist, dass heute in der Kirche fast nichts verbreiteter ist, fester geglaubt
wird, als dass die Messe ein gutes Werk und ein Opfer ist. Dieser Missbrauch
hat andere unzählige Missbräuche nach sich gezogen, bis der Glaube an das
Sakrament ganz erloschen ist und sie aus dem göttlichen Sakrament lauter
Jahrmärkte, Krämerei und gewinnsüchtige Verträge gemacht haben. Daher werden
die Teilhaberschaften, die Bruderschaften, die Fürbitten, die Verdienste, die
Jahresfeiern, die Gedenktage und dergleichen Händel mehr in der Kirche
verkauft, durch Verträge erhandelt und verglichen, und an diesen hängt die
ganze Nahrung der Priester und Mönche. Ich rühre da ein heißes Eisen
an, eine Sache, die vielleicht nicht zu erschüttern ist, weil sie durch
jahrhundertelangen Gebrauch festgewurzelt und unter der Zustimmung aller
angenommen, so eingenistet ist, dass es nötig wäre, den größten Teil der
Bücher, die heute maßgebend sind, und schier die ganze äußere Gestalt der
Kirche abzutun und zu verändern. Man müsste eine gänzlich andere Art der
Zeremonien einführen oder vielmehr, man müsste sie auf ein geringes Maß
zurückführen. Aber mein Christus lebt, und man muss mit größerer Sorgfalt das
Wort Gottes befolgen als aller Menschen und Engel Gedanken. Ich will meines
Amtes walten und die Sache ans Licht bringen. Wie ich die Wahrheit umsonst
empfangen habe, so will ich sie ohne Missgunst weitergeben. Im übrigen soll
jeder für seine Seligkeit Sorge tragen. Ich will allen Fleiß darauf
verwenden, dass keiner vor dem Gericht Christi die Schuld seines Unglaubens,
und dass er die Wahrheit nicht gewusst hätte, auf mich abwälzen kann. Zuerst, um sicher und
erfolgreich zu der wahren und freien Erkenntnis dieses Sakraments zu
gelangen, müssen wir uns vor allen Dingen darum bemühen, alles das abzutun,
was zu der ersten und schlichten Stiftung dieses Sakraments aus menschlicher
Andacht und Eifer hinzugetan worden ist: als da sind die Messgewänder,
Zierrat, Gesänge, Gebete, Orgeln, Lichter und die ganze Pracht der sichtbaren
Dinge. lasst uns unsere Augen und Gemüt allein auf die reine Stiftung Christi
richten und auf nichts anderes sehen als auf das Wort Christi, durch das er
das Sakrament eingesetzt, vollbracht und uns anbefohlen hat. Denn in diesem Wort
und sonst in gar keinem anderen liegt die Kraft, Natur und das ganze Wesen
der Messe. Alles andere ist menschlicher Eifer, zum Worte Christi
hinzugekommen, ohne den die Messe sehr gut gehalten werden und bestehen kann.
Die Worte, mit denen Christus dieses Sakrament eingesetzt hat, sind folgende:
"Da sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab es
seinen Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib, der für euch
gegeben wird. Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den und sprach:
Trinket alle daraus; das ist der Kelch, das neue Testament in meinem Blut,
das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Solches
tut zu meinem Gedächtnis." Diese Worte überliefert auch
der Apostel 1. Kor. 11, 23 ff., und erklärt sie weitläufiger. Auf diese
müssen wir uns stützen, auf sie müssen wir uns wie auf einen festen Felsen
gründen, wenn wir nicht durch jeden Hauch einer <neuen> Lehre
umgeworfen werden wollen, wie es bisher durch gottlose Lehren von Leuten, die
der Wahrheit feind sind, geschehen ist. Denn in diesen Worten fehlt nichts,
was für die Vollkommenheit, den Gebrauch und Nutzen dieses Sakraments nötig
ist. Es gibt auch nichts, was überflüssig und uns nicht nötig zu wissen wäre.
Denn wer diese Worte streicht und dennoch von der Messe redet oder lehrt, der
lehrt ungeheure Gottlosigkeiten, wie es durch die geschehen ist, die ein opus
operatum und Opfer daraus gemacht haben. So bleibt's demnach zuerst
und unfehlbar dabei, dass die Messe oder das Sakrament des Altars ein
Testament Christi ist, das er bei seinem Tode zur Austeilung an seine
Gläubigen hinterlassen hat. Denn so lauten seine Worte: "Dieser Kelch
ist das neue Testament in meinem Blut." Es bleibe, sage ich, diese
Wahrheit das unerschütterliche Fundament, auf das wir alles bauen wollen, was
noch gesagt werden muss. Denn das wirst du sehen, wie wir alle
Gottlosigkeiten der Menschen zunichte machen werden, die diesem überaus
teuren Sakrament angetan worden sind. So sagt nun der wahrhaftige Christus
mit Wahrheit: dies sei das neue Testament in seinem Blut, für uns vergossen.
Ich wiederhole das nicht ohne Grund: es handelt sich um keine geringe Sache,
sondern sie will tief eingeprägt sein. Wir wollen also danach
fragen, was ein Testament ist! Dann werden wir auch zugleich wissen, was die
Messe ist, wie sie zu gebrauchen, was ihr Nutzen, was ihr Missbrauch ist. Ein
Testament ist ohne Zweifel das Versprechen eines Sterbenden, in dem er seine
Erbschaft vermacht und Erben einsetzt. Ein Testament setzt also erstens den
Tod des Erblassers voraus, danach das Versprechen der Erbschaft und die
Benennung eines Erben. Denn in diesem Sinne behandelt Paulus weitläufig, Röm.
4, Gal. 3 und 4 und Hebr. 9, das Testament. Das sehen wir Bude klar an diesen
Worten Christi. Von seinem Tode spricht er, wenn er sagt: Das ist mein Leib,
der gegeben wird; das ist mein Blut, das vergossen wird." Die Erbschaft
benennt er und bezeichnet sie, wenn er sagt: "Zur Vergebung der
Sünden." Die Erben aber setzt er ein, wenn er sagt: "Für euch und
für vieler, das heißt: für die, die das Versprechen des Erblassers annehmen
und ihm glauben. Denn der Glaube macht hier zu Erben, wie wir sehen werden. Du siehst also, dass die
Messe (wie wir sie nennen) eine von Gott gegebene Verheißung der Vergebung
der Sünden ist. Es ist eine solche Verheißung, die durch den Tod des Sohnes
Gottes bekräftigt wird. Denn eine Verheißung und ein Testament unterscheiden
sich durch nichts anderes, als dass ein Testament zugleich den Tod dessen
voraussetzt, der das Versprechen gegeben hat. Und der Erblasser ist dasselbe
wie einer, der bei seinem Tode ein Versprechen gibt; wer aber ein Versprechen
gibt, ist (um es einmal so zu sagen) ein Erblasser, der am Leben bleibt.
Dieses Testament Christi ist in allen Verheißungen Gottes von Anfang der Welt
an vorgebildet. Ja, alle alten Verheißungen haben in dieser neuen zukünftigen
Verheißung in Christus ihre Kraft. Was sie auch immer vermocht haben, das
hing an ihr. Daher sind diese Worte in der Schrift sehr gebräuchlich:
Vertrag, Bund und Testament des Herrn. Dadurch wurde angedeutet, dass Gott
dermaleinst sterben würde. "Denn wo ein Testament ist, da muss noch der
Tod eintreten des, der das Testament gemacht hat", Hebr. 9,16: Gott aber
hat ein Testament gemacht, deswegen hat er sterben müssen. Er konnte aber
nicht sterben, wenn er nicht ein Mensch war So ist eben in dem Wort
"Testament" ganz kurz beides zusammengefasst: die Menschwerdung wie
auch der Tod Christi. Daraus ist an und für sich
schon klar, was der rechte Brauch und was der Missbrauch, was eine würdige
und was eine unwürdige Vorbereitung zur Messe ist. Denn ist sie, wie gesagt,
eine Verheißung, so darf man nicht mit eigenen Werken, Kräften und
Verdiensten hinzutreten, sondern allein mit dem Glauben. Denn wo das Wort des
verheißenden Gottes ist, da ist der Glaube des Menschen nötig, der diese
Verheißung ergreift. Es ist also klar, dass der Glaube der Anfang unserer
Seligkeit ist. Der Glaube aber hängt am Wort des verheißenden Gottes, der
ohne all unser Zutun uns umsonst und mit unverdienter Barmherzigkeit
zuvorkommt und uns das Wort seiner Verheißung anbietet. "Er sandte sein
Wort und machte sie so gesunde. Nicht aber hat er unsere Werke angenommen und
ums so erlöst. Das Wort Gottes ist das allererste; dem folgt der Glaube, dem
Glauben die Liebe. Die Liebe endlich tut jedes gute Werk, denn sie tut nichts
Böses, ja sie ist des Gesetzes Erfüllung". Aber der Mensch kann auf
keine andere Weise mit Gott übereinkommen oder handeln als durch den Glauben.
Das bedeutet, dass nicht der Mensch durch irgendwelche seiner Werke, sondern
Gott durch seine Verheißung das Heil schafft. Alles hängt, wird getragen und
erhalten Durch sein kräftiges Wort, durch das er uns geschaffen hat, Damit
wir wären die Erstlinge seiner Kreatur. So hat er dem Adam, der nach
dem Falle wieder aufgerichtet werden sollte, diese Verheißung gegeben und zur
Schlange gesagt: "Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem
Weibe, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf
zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen. In diesem Worte der
Verheißung ist Adam mit den Seinen wie in Gottes Schoß getragen und durch den
Glauben an diese Verheißung erhalten worden und wartete mit Geduld auf das
Weib, das der Schlange den Kopf zertreten sollte, wie Gott verheißen hat. In
diesem Glauben und in dieser Hoffnung ist er auch gestorben und wusste nicht,
wann und welcher Art die Verheißung sein würde, aber er zweifelte nicht
daran, dass sie sich erfüllen würde. Denn eine solche Verheißung errettet,
weil es die Wahrheit Gottes ist, auch in der Hölle die Gläubigen, die auf sie
warten. Darauf folgte die andere Verheißung, dem Noah gegeben, bis Abraham.
Ihm wurde zum Zeichen des Bundes der Regenbogen gegeben. Durch den Glauben an
diese Verheißung erlangten er und seine Nachkommen einen gnädigen Gott.
Danach hat er Abraham versprochen, dass Alle Geschlechter auf Erden in seinem
Samen sollten gesegnet sein. Und das ist der Schoß Abrahams , in welchen
seine Nachkommen aufgenommen sind. Danach hat er Mose und den Kindern Israel,
besonders dem David, eine ganz deutliche Verheißung von Christus gegeben.
Durch sie hat er endlich geoffenbart, was für eine Verheißung den Alten
geschehen war. So ist es schließlich zu der
allervollkommensten Verheißung, zu der des neuen Testaments, gekommen, in
welcher mit klaren Worten das Leben und Seligkeit umsonst verheißen und denen
geschenkt werden, die der Verheißung glauben. Er unterscheidet auch mit einem
deutlichen Zeichen zwischen diesem Testament und dem alten, wenn er sagt: das
neue Testament. Denn das alte Testament, durch Mose gegeben, war nicht eine
Verheißung der Vergebung der Sünden oder der ewigen Güter, sondern der
zeitlichen, nämlich des Landes Kanaan, wodurch niemand geistlich erneuert
wurde, die himmlische Erbschaft anzutreten. Daher musste auch ein
unvernünftiges Tier geschlachtet werden, durch dessen Blut das Testament
bekräftigt wurde. Also: wie das Blut, so auch das Testament, wie das
Opfertier, so auch die Verheißung! Aber hier sagt er: "Das neue
Testament in meinem Blute", nicht in einem fremden, sondern in seinem
eigenen Blut, womit durch den Geist die Gnade verheißen wird, Vergebung der
Sünden zu erhalten und die Erbschaft zu empfangen. Die Messe ist demnach ihrem
Wesen nach eigentlich nichts anderes als die oben genannten Worte Christi:
"Nehmet hin und esset" usw., so als ob er sagte: Siehe, du sündiger
und verdammter Mensch, aus lauter und unverdienter Liebe, mit der ich dich
liebe - der Vater aller Barmherzigkeit will es so haben - verheiße ich dir
mit diesen Worten, ehe du irgend etwas verdient und verlangt hast, Vergebung
aller deiner Sünden und das ewige Leben. Und auf dass du dieser meiner
unwiderruflichen Verheißung ganz gewiss seiest, will ich meinen Leib
dahingeben und mein Blut vergießen und diese Verheißung mit dem Tode selbst
bekräftigen und beides <den Leib und das Blut> zum Zeichen und
Gedächtnis dieser Verheißung hinterlassen. Sooft du davon Gebrauch machst,
sollst du mein gedenken und diese meine Liebe und Güte gegen dich preisen,
loben und danksagen. Daraus siehst du, dass für
eine würdige Messe nichts anderes gefordert wird als der Glaube, der sich
fest auf die Verheißung verlässt, der daran glaubt, dass Christus in diesen
seinen Worten die Wahrheit redet, und nicht zweifelt, ihm seien diese
unermesslichen Güter geschenkt. Auf diesen Glauben folgt bald von selbst die
angenehmste Bewegung des Herzens, durch die der Geist des Menschen weit und
kräftig gemacht wird (das ist die Liebe, durch den heiligen Geist im Glauben
an Christus geschenkt), dass er zu Christus, einem so milden und gütigen
Erblasser, hingerissen und gänzlich ein anderer und neuer Mensch wird. Denn
wer würde nicht innig weinen, ja vor Freude an Christus fast sterben, wenn er
ganz ohne Zweifel glauben kann, dass diese unschätzbare Verheißung Christi ihm
zusteht? Wie sollte man einen solchen Wohltäter nicht liebhaben, der dem
Unwürdigen, der weit anderes verdient hätte, solchen Reichtum und diese ewige
Erbschaft anbietet, verheißt und schenkt, ehe man darum bittet? Darum ist das unser ganzes
großes Elend, dass wir viele Messen in der Welt haben und niemand oder nur
wenige diese Verheißungen und diesen angebotenen Reichtum erkennen,
betrachten und annehmen. Dabei sollte in der Messe fürwahr nichts anderes mit
größerem, ja mit ausschließlichem Eifer betrieben werden, als dass wir diese
Worte, diese Verheißungen Christi, die wahrhaftig die Messe selbst sind, uns
vor Augen hielten, sie bedächten und wiederholten, um durch diese tägliche
Gedächtnisfeier den Glauben daran zu üben, zu nähren, zu vermehren und zu stärken.
Denn das ist es, was er gebietet, wenn er sagt: "Das tut zu meinem
Gedächtnis." Das sollte auch der Prediger tun, dass er diese Verheißung
dem Volk treulich einprägte und anempfehle, um ihren Glauben daran zu
erwecken. Denn Gott hat mit den
Menschen niemals anders gehandelt, handelt auch nicht anders mit ihnen als
durch das Wort der Verheißung. Wir hingegen können mit Gott niemals anders
handeln als durch den Glauben an das Wort seiner Verheißung. Unserer Werke
achtet er nicht, bedarf ihrer auch nicht; mit denen handeln wir vielmehr
gegen die Menschen und mit den Menschen und uns selbst. Aber dessen bedarf
er, dass er von uns in seinen Verheißungen als getreu angesehen, mit Geduld
erwartet und in Glaube, Hoffnung und Liebe verehrt wird. So kommt es, dass er
seine Ehre in uns behauptet: nicht durch unser Laufen, sondern durch sein
Erbarmen, Verheißen und Schenken empfangen und haben wir alles Gute. Siehe,
das ist wahrhaft der Gottesdienst und die Anbetung, die wir in der Messe
vollbringen sollen. Aber wenn die Worte der Verheißung nicht weitergegeben
werden, was für eine Übung des Glaubens kann man dann haben? Wer hofft doch
ohne Glauben? Wer hat Gott lieb? Was für einen Gottesdienst gibt es ohne
Glauben, ohne Hoffnung, ohne Lieber Deshalb ist kein Zweifel, dass heutzutage
alle Priester und Mönche samt den Bischöfen und allen ihren Oberen
Götzendiener sind und wegen ihrer Unkenntnis, Missbrauch und Verspottung der
Messe, d.h. des Sakraments, d.h. der Verheißung Gottes in einem
hochgefährlichen Stande leben. Jeder sieht leicht ein, dass
diese zwei Dinge zugleich nötig sind, die Verheißung und der Glaube. Denn
ohne Verheißung kann nichts geglaubt werden. Ohne Glauben aber ist die
Verheißung nutzlos, weil sie durch den Glauben aufrechterhalten und erfüllt
wird. Aus diesem allen wird ein jeder leicht folgern können, dass man zur
Messe allein mit diesem Glauben gehen und hinzutreten kann, weil sie ja
nichts anderes ist als eine Verheißung. Was ohne den Glauben an Gebetlein,
Vorbereitungen, Werken, Zeichen und Gebärden mitgebracht wird, das ist alles
mehr ein Reizmittel zur Gottlosigkeit als ein frommer Dienst. Denn gewöhnlich
ist es so, dass man - so vorbereitet - meint, man ginge würdig zum Altar;
dabei ist man doch wegen seines Unglaubens, den man mit sich bringt, zu
keiner Zeit oder zu keinem Werk ungeschickter. Wieviel Messpriester kannst du
täglich und allenthalben sehen, die sich elendiglich eines großen Verbrechens
schuldig fühlen, wenn sie nicht recht gekleidet waren oder die Hände nicht
gewaschen oder beim Gebet gestockt und dadurch ein wenig gefehlt hatten. Aber
dass sie die Messe selbst, d.h. die göttliche Verheißung nicht hochachten
noch an sie glauben, deswegen haben sie nicht im geringsten ein schlechtes
Gewissen. O dieser schmachvolle Aberglaube unserer absolut gottlosen und
undankbaren Zeit! Es gibt demnach keine würdige
Vorbereitung und keinen rechten Gebrauch als allein den Glauben, mit dem der
Messe, d.h. der göttlichen Verheißung, geglaubt wird. Wer daher zum Altar
gehen oder das Sakrament empfangen will, der hüte sich, dass er nicht leer
vor dem Angesicht seines Herrgotts erscheint. Der wird aber leer sein, wenn
er nicht den Glauben an die Messe, d.h. dieses neue Testament, besitzt. Mit
was für einer Gottlosigkeit könnte er sich wohl schwerer an der Wahrheit
Gottes versündigen? Denn durch diesen seinen Unglauben macht er ihn, soviel
an ihm ist, zu einem Lügner und einem, der leere Verheißungen gibt. Es ist
demnach am allersichersten, mit keiner anderen Absicht zur Messe zu gehen,
als ob du hingehen wolltest, sonst eine andere Verheißung Gottes zu hören.
Das heißt du sollst bereit sein, nicht viel zu tun und mitzubringen, sondern
alles zu glauben und anzunehmen, was dir dort verheißen oder als Verheißung
durch den Dienst des Priesters verkündigt wird. Wenn du nicht mit dieser
Absicht kommst, so bleibe lieber weg, denn du gingest ohne Zweifel zum
Gericht dahin. Mit Recht habe ich also
behauptet, dass die ganze Kraft der Messe in den Worten Christi liegt, mit
denen er verspricht, dass die Vergebung der Sünden allen denen geschenkt
werde, die da glauben, sein Leib sei für sie dahingegeben und sein Blut sei
für sie vergossen. Und deswegen ist für die, die die Messe hören wollen,
nichts nötiger, als dass sie diese Worte fleißig und voll Glauben betrachten;
tun sie das nicht, so ist alles andere umsonst. Das ist allerdings wahr, dass
Gott in der Regel zu jeder Verheißung ein Zeichen als ein Andenken oder
Denkmal seiner Verheißung dazuzusetzen pflegt, damit sie um so treuer
behalten würde und um so wirkungsvoller <an seine Verheißung>
erinnerte. So hat Gott auch in der Messe, der wichtigsten aller Verheißungen,
ein Zeihen als ein Denkmal der so großen Verheißung hinzugesetzt: seinen
eigenen Leib und sein eigenes Blut in dem Brot und Wein, wie er sagt: "Das
tut zu meinem Gedächtnis." Ebenso fügt er auch in der Taufe zu den
Worten der Verheißung als Zeichen das Untertauchen in das Wasser hinzu.
Daraus erkennen wir, dass uns bei jeder Verheißung Gottes zweierlei angeboten
wird: das Wort und das Zeichen, so dass wir daraus ersehen, das Wort ist das
Testament, das Zeichen aber das Sakrament. So ist auch in der Messe das Wort
Christi das Testament, Brot und Wein aber sind das Sakrament. Und wie mehr
Kraft in dem Wort als in dem Zeichen liegt, so auch mehr im Testament als im
Sakrament. Denn der Mensch kann das Wort oder das Testament haben und
gebrauchen ohne das Zeichen oder ohne das Sakrament. "Glaube", sagt
Augustin, "also hast du gegessen." Aber wem wird geglaubt, als dem
Worte des, der es verheißt? So kann ich täglich, ja zu jeder Stunde die Messe
haben, indem ich sooft ich will, mir die Worte Christi vorhalten und durch
sie meinen Glauben speisen und stärken kann. Das ist recht geistlich essen
und trinken. Nun ist es zweierlei, was uns
anzufechten pflegt, dass wir die Früchte der Messe nicht empfangen. Das eine
ist, dass wir Sünder und solcher großen Dinge wegen unserer absoluten
Nichtigkeit unwürdig sind. Das andere: wenn wir schon würdig wären so sind
doch die Dinge so erhaben, dass unsere kleinmütige Natur sie nicht zu
begehren oder zu hoffen wagt. Denn wer würde nicht mehr vor der
Sündenvergebung und dem ewigen Leben zurückschrecken, als sie zu begehren,
sobald er die Größe der Dinge, die durch sie kommen, recht erwägt: nämlich
Gott zum Vater zu haben, sein Kind und Erbe aller Güter Gottes zu sein? Gegen
diese zweifache Kleinmütigkeit musst du das Wort Christi ergreifen und es
viel stärker im Auge behalten als diese Gedanken deiner Schwachheit. Denn
"groß sind die Werke des Herrn; wer ihrer achtet, der hat viel eitel
Lust daran" ; der da "mächtig ist zu geben mehr, als wir begehren
oder verstehend". Denn wenn sie nicht unsere Würdigkeit und unsere
Fassungskraft und all unsere Gedanken überträfen, dann wären sie nicht
göttlich. Christus macht uns deshalb Mut, wenn er sagt: "Fürchte dich
nicht, du kleine Herde! Denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich
zu geben!". Denn dieser unbegreifliche Überfluss Gottes, der über uns
durch Christus ausgegossen ist, bewirkt, dass wir ihn wiederum über alle Dinge
inbrünstig lieben, mit dem höchsten Vertrauen zu ihm treten, alles
geringachten und bereit sind, alles für ihn zu leiden. Daher wird auch dieses
Sakrament mit Recht ein Brunnen der Liebe genannt. Nimm dir dafür ein Beispiel
an den Menschen: wenn ein reicher Herr nämlich einem armen Bettler oder einem
unwürdigen und bösen Knechte tausend Goldstücke vermachte, würde dieser sie
bestimmt mit Freudigkeit fordern und annehmen und weder seiner Unwürdigkeit
noch der Größe des Vermächtnisses achten. Wenn ihm auch jemand entgegenträte
und ihm seine Unwürdigkeit oder die Größe des Vermächtnisses vor Augen
hielte, was meinst du, was er dazu sagen würde? Er würde sagen: "Was
geht das dich an? Was ich bekomme, das bekomme ich nicht nach meinem
Verdienst oder auf Grund eines besonderen Rechtes. Ich weiß, dass ich
unwürdig bin und mehr empfange als ich verdient habe, ja ich habe das
Gegenteil verdient. Auf Grund des Testaments und fremder Güte verlange ich,
was ich verlange. Hat er es nicht für unrecht gehalten, so viel einem so Unwürdigen
zu vermachen, warum soll ich denn meiner Unwürdigkeit wegen es anzunehmen
verschmähen? Ja, vielmehr darum greife ich desto mehr nach solch unverdienter
und fremder Gnade, je unwürdiger ich bin." Mit solchen Gedanken muss
eines jeden Gewissen gegen alle Zweifel und Gewissensbisse gewappnet sein,
diese Verheißung Christi mit festem Glauben zu erlangen. Nach Kräften muss
man sich hüten, nicht im Vertrauen auf die Beichte, das Gebet oder die
Vorbereitung zum Sakrament zu gehen, sondern an diesem allen verzagen und im
stolzen Vertrauen auf Christus hinzutreten, der es verheißen. Denn, wie genug
gesagt, hier soll allein das Wort der Verheißung im reinen Glauben regieren,
der einzig und allein eine ausreichende Vorbereitung ist. Hieraus sehen wir, aus was
für einem mächtigen Zorn Gottes es kam, dass gottlose Lehrer uns die Worte
dieses Testaments verborgen und dadurch (soweit es an ihnen lag) den Glauben
selbst ausgelöscht haben. Nun ist leicht zu sehen, was auf dem Erlöschen des
Glaubens notwendig folgen musste, nämlich der ganz und gar gottlose
Aberglaube an die Werke. Denn wo der Glaube untergeht und das Wort vom
Glauben verstummt, da entstehen alsbald an dessen Stelle menschliche Werke
und Satzungen von Werken. Durch diese sind wir wie durch eine babylonische
Gefangenschaft aus unserm Vaterland vertrieben worden, nachdem man uns all
unseren wertvollen Besitz genommen hat. So ist es mit der Messe gegangen:
durch die Lehre gottloser Menschen ist sie in ein "gutes Werk", das
sie selbst ein "opus operatum" nennen, verwandelt worden, durch
welches sie sich bei Gott alles zu vermögen anheischig machen. Von hier aus
ist es weitergegangen bis zu diesem äußersten Wahnsinn: weil sie erlogen
haben, die Messe wirke kraft ihres äußeren Vollzuges <als "opus operatum">,
haben sie noch hinzugesetzt, sie wäre den anderen auf jeden Fall nützlich,
selbst wenn sie dem schädlich sei, der sie ohne Glauben darbringe. Und auf
diesen Sand haben sie ihre Zuwendungen, ihre Teilhaber- und Bruderschaften,
Jahresgedächtnisse und dergleichen unendliche gewinn- und verdienstbringende
Dinge gegründet. Gegen diese Gespenster wirst
du kaum bestehen - denn sie sind stark und viele, und sie sind ganz fest
eingewurzelt - wenn du nicht ganz beharrlich im Auge behältst, was die Messe
ist und dich energisch der vorangegangenen Ausführungen erinnerst. Du hast
gehört, dass die Messe nichts anderes ist als eine göttliche Verheißung oder
ein Vermächtnis Christi, durch das Sakrament seines Leibes und Blutes
zugeeignet. Ist das wahr, dann siehst du auch ein, dass es unter gar keinen
Umständen ein Werk sein kann und dass in ihm nichts geschehen noch durch das
Bemühen eines anderen etwas erreicht werden kann, als allein durch den
Glauben. Der Glaube aber ist kein Werk, sondern der Lehrmeister und das Leben
der Werke. Denn wer ist irgendwie so unsinnig, dass er eine empfangene
Verheißung oder ein geschenktes Vermächtnis ein gutes Werk nennt, das er
seinem Erblasser antut, dadurch dass er es annimmt? Wo ist der Erbe, der sich
einbildet, seinem Vater der ihm etwas vermacht, etwas Gutes zu tun, dadurch
dass er die Testamentsurkunde mit der Erbschaft annimmt? Wie können wir also
so verwegen sein, dass wir um das göttliche Vermächtnis zu empfangen, so
kommen, als wollten wir Gott damit ein gutes Werk tun? Ist diese Unkenntnis
des Testaments und diese Gefangenschaft eines so hohen Sakraments nicht mehr
als bitter zu beweinen? Wo wir wegen der empfangenen Gaben dankbar sein
sollten, da kommen wir hoffärtig und wollen geben, was wir nehmen sollten,
verspotten mit unerhörter Verkehrtheit die Barmherzigkeit des Gebers, indem
wir das als ein Werk geben, was wir als eine Gabe empfangen, so dass der
Erblasser nun nicht mehr seine Guttaten austeilt, sondern die unsrigen
empfangt. Wehe dieser Gottlosigkeit! Wer ist aber jemals so toll
gewesen, dass er die Taufe für ein gutes Werk hielt. Oder welcher Täufling
glaubte, dass er ein Werk verrichtete, das er für sich und andere Gott
darbrächte und zuteil werden ließe? Ist nun in einem Sakrament und Testament
kein gutes Werk, woran man andere teilhaben lassen kann, so wird auch in der
Messe keins sein. Denn auch sie ist nichts anderes als ein Testament und
Sakrament. Daher ist es ein ausgemachter und gottloser Irrtum, die Messe für
Sünden, für Genugtuungen, für Verstorbene oder sonst für eigene oder fremde
Bedürfnisse zu opfern oder zuzueignen. dass dies absolut wahr ist, verstehst
du ganz leimt, wenn du standhaft daran festhältst, dass die Messe eine
göttliche Verheißung ist, die niemandem nutzen, keinem zugeeignet, niemandem
zugewiesen noch mitgeteilt werden kann als allein dem, der mit eigenem
Glauben glaubt. Denn wer kann Gottes Verheißung, die eines jeden Glauben im
besonderen fordert, für einen andern empfangen oder ihm zueignen? Kann in
denn einem anderen Gottes Verheißung geben, auch wenn er nicht glaubt? Oder
kann ich für einen anderen glauben? Oder kann ich machen, dass ein anderer
glaubt? Das müsste aber geschehen, wenn in die Messe einem anderen zueignen
und mitteilen kann, weil in der Messe nichts ist als diese zwei Dinge: Gottes
Verheißung und des Menschen Glaube, der da empfängt, was Gott verheißt. Ist
das wahr, so kann ich auch für andere das Evangelium hören und glauben, kann
ich für den einen getauft und kann ich für einen anderen von Sünden erlöst
werden, kann ich auch für einen anderen das Sakrament des Altars empfangen.
Ich kann auch - um ihre Sakramente durchzugehen - für einen anderen eine
Ehefrau nehmen, für einen anderen Priester, für einen anderen gefirmelt
werden, für einen anderen die letzte Ölung bekommen. Kurz, warum hat denn Abraham
nicht für alle Juden geglaubt? Warum wird von jedem einzelnen Juden der
Glaube an dieselbe Verheißung gefordert, an die Abraham geglaubt hat? Es ist
also unüberwindlich wahr: Wo Gottes Verheißung ist, da steht ein jeder für
sich selbst und wird eines jeden eigener Glaube gefordert, es wird ein jeder
für sich selber Rechenschaft geben und seine Last tragen, so wie in Markus
16, 16 gesagt ist: "Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig
werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden." Also kann ein
jeder die Messe nur sich selbst durch seinen eigenen Glauben zunutzemachen
und kann sie auf keine Weise jemand anders mitteilen. Ebenso kann der
Priester keinem für einen anderen das Sakrament reichen, sondern er reicht es
einem jeden besonders. Denn die Priester sind beim Weihen und Verwalten
<des Sakraments> unsere Diener, durch die wir nicht ein gutes Werk
darbringen oder aktiv anderen zuteil werden lassen, sondern durch sie
empfangen wir die Verheißungen und das Zeichen und das wird uns passiv
zuteil, was bisher bei den Laien geblieben ist. Denn man sagt nicht, dass sie
damit etwas Gutes tun, sondern dass sie es empfangen. Aber die Priester sind
auf ihre gottlosen Wege abgeirrt und haben sich ein gutes Werk daraus
gemacht, dass sie aus dem Sakrament und Testament Gottes mitteilen und
darbringen, wo es doch ein empfangenes Gut sein sollte. Du könntest aber einwenden:
Was? Willst du denn aller Kirchen und Klöster Brauch und Ansicht umkehren,
bei denen sie so viele Jahrhunderte in Geltung stand, sind auf die Messe doch
die Jahresgedächtnisse, Fürbitten, die Zuwendungen, die Mitteilungen usw.,
d.h. die allerergiebigsten Renten und Einkünfte gegründet. Hierauf antworte
ich: Das ist es eben, was mich angetrieben hat, über die Gefangenschaft der
Kirche zu schreiben. Denn so ist das hochwürdige Testament Gottes durch die
Ansichten und Lehren gottloser Leute, die uns unter Hintansetzung des Wortes
Gottes ihres eigenen Herzens Gedanken vorgetragen und die Welt verführt
haben, so ist also dieses Testament in die Knechtschaft ruchlosen Gewinns
gezwungen worden. Was kümmert mich die große Zahl und die Macht der Irrenden?
Die Wahrheit ist stärker als sie alle. Kannst du Christus verleugnen, der da
lehrt, dass die Messe ein Testament und Sakrament sei, so will ich ihnen
recht geben. Weiter, wenn du sagen kannst, dass der ein gutes Werk tut, der
das im Testament Vermachte empfängt oder das Sakrament der Verheißung dazu
gebraucht, so will ich meine Meinung gern verdammen. Weil du aber keins von beiden
kannst, was zauderst du da noch, den großen Haufen, der ins Verderben läuft,
zu verlassen, Gott die Ehre zu geben und seine Wahrheit zu bekennen, dass
nämlich heute alle Priester eine verkehrte Auffassung haben, wenn sie die
Messe für ein Werk halten, womit sie ihren eigenen Nöten oder denen anderer -
Lebendiger oder Toter - zu Hilfe kommen können. Ich rede unerhörte und
verblüffende Dinge. Betrachtest du aber, was die Messe ist, so wirst du
erkennen, dass ich wahr geredet habe. Das hat alles unsere gar zu große
Sicherheit bewirkt, durch die wir den gegen uns ausbrechenden Zorn Gottes
nicht gemerkt haben. Diesem allen muss man, weil
es so hartnäckig Wurzel geschlagen hat, standhaft und beständig die Worte und
das Beispiel Christi entgegenhalten. Denn wenn wir nicht daran festhalten,
dass die Messe eine Verheißung und Testament Christi ist, wie die Worte klar
lauten, so verlieren wir das ganze Evangelium und allen Trost. Wir sollen
nichts höher als diese Worte gelten lassen, Wenn schon ein Engel vom Himmel
etwas anderes lehren würden. Und in diesen Worten steht nichts vom Werk oder
vom Opfer. Weiter steht auch das Beispiel Christi auf unserer Seite. Denn
Christus hat beim letzten Mahl als er dieses Sakrament stiftete und dieses
Testament begründete, es nicht Gott seinem Vater dargebracht oder als ein
gutes Werk für andere verrichtet, sondern er saß bei Tisch und legte einem
jeden das gleiche Testament vor und reichte ihnen das Zeichen dar. Die Messe
ist nun desto christlicher, je näher und gleichförmiger sie der allerersten
Messe ist die Christus beim Abendmahl hielt. Aber die Messe Christi war ganz
einfach, ohne alle Pracht mit Kleidern, Gebärden Gesängen und anderen
Zeremonien. Christus hätte sie also nicht vollständig eingesetzt, wenn sie
als ein Opfer hätte dargebracht werden sollen. Nicht, dass jemand die ganze
Kirche tadeln soll, welche die Messe mit vielen anderen Bräuchen geziert und
erweitert hat; sondern das wollen wir, dass sich niemand durch solch
äußerlichen Glanz der Zeremonien irreleiten und durch den vielfältigen Pomp
den Zugang zu dieser ganz einfachen Messe verbauen läßt und in Wahrheit eine
Art "Transsubstantiation" treibt, wenn er die Messe in ihrer
Einfachheit aus den Augen verliert und an den vielen äußerlichen Zutaten des
Gepränges hängen bleibt. Denn was über das Wort und Beispiel Christi hinaus
hinzukommt, ist eine äußerliche Zutat zur Messe, deren jede wir nicht höher
achten sollen als jetzt die Monstranzen (wie sie sie nennen) und die
Altartücher, in denen die Hostien aufbewahrt werden. Wie es darum im
Widerspruch zueinander steht, ein Testament auszuteilen, eine Verheißung zu
empfangen und ein Opfer zu opfern, so widerspricht es sich, dass die Messe
ein Opfer sein soll, weil wir jene empfangen, dies aber geben. Nun kann aber
etwas nicht zugleich empfangen und gegeben werden und auch nicht von
demselben zugleich gegeben und empfangen werden, ebenso wenig, wie das Gebet
und die erlangte Sache dasselbe sein können, oder beten und das Erbetene
nehmen. Von daher kann jeder leicht
verstehen, was gar oft bei Gregor d. Gr. gesagt wird: die Messe eines
schlechten Priesters ist nicht geringer zu achten als die eines guten. Die
Messe des heiligen Petrus ist nicht besser gewesen als die des Verräters
Judas (wenn sie beide Messen gehalten hätten). Denn mit diesem Deckmantel
wollen viele ihre Unfrömmigkeit bemänteln und haben daher den Unterschied
zwischen dem opus operatum und dem opus operantis erfunden, damit sie auf
diese Weise selbst sicher ein schlimmes Leben führen, und dennoch anderen
Gutes zu tun in Anspruch nehmen können. Gregor hat tatsächlich recht, nur
verstehen sie ihn falsch. Denn es ist ganz wahr dass durch gottlose Priester
nicht weniger vom Testament und Sakrament gegeben und empfangen wird als
selbst durch die allerheiligsten. Denn wer wollte daran zweifeln, dass das
Evangelium auch durch Gottlose verkündigt wird? Nun ist aber die Messe ein
Teil des Evangeliums, ja die Summe und eine Zusammenfassung des Evangeliums.
Denn was ist das ganze Evangelium anders als die frohe Botschaft von der
Vergebung der Sünden? Was lang und breit über die Sündenvergebung und die
Barmherzigkeit Gottes gesagt werden kann, das ist kurz in dem Wort des
Testaments zusammengefasst. Daher sollten auch die Predigten vor dem Volk
nichts anderes sein als Auslegungen über die Messe, d.h. Erklärungen der
göttlichen Verheißungen dieses Testaments; denn das hieße den Glauben lehren
und recht die Kirche erbauen. Aber die jetzt die Messe auslegen, die gaukeln
und betrügen mit Allegorien über von Menschen erdachte Zeremonien. Wie deshalb ein gottloser
taufen kann, d.h. das Wort der Verheißung und das Zeichen des Wassers an den
Täufling heranbringen, so kann er auch die Verheißung dieses Sakraments den
Teilnehmern darreichen und es mit ihnen nehmen, wie Judas der Verräter beim
<letzten> Mahl des Herrn. Es bleibt trotzdem allezeit dasselbe
Sakrament und Testament, das im Gläubigen sein Werk und im Ungläubigen das
fremde Werk: wirkt. Aber mit dem Opfer verhält es sich ganz anders. Denn weil
nicht die Messe, sondern die Gebete Gott geopfert werden, ist es klar, dass
die Opfer eines gottlosen Priesters nichts gelten. Sondern (wie derselbe
Gregor sagt) wenn ein Unwürdiger geschickt wird, um zu bitten, so wird der
Richter zu größerer Strafe herausgefordert. Darum darf man dies beides nicht
vermengen: die Messe und das Gebet, das Sakrament und das Werk, das Testament
und das Opfer. Denn das eine kommt von Gott zu uns durch den Dienst des
Priesters und fordert Glauben; das andere kommt von unserm Glauben zu Gott
durch den Priester und bittet um Erhörung, jenes steigt herunter, dieses
steigt hinauf. Darum erfordert jenes nicht notwendig einen würdigen und
frommen Priester, aber dieses forderte; denn Gott erhöret die Sünder nicht;
er kann durch Böse Gutes tun, aber er nimmt keines Bösen Werk an, wie er an
Kain gezeigt hat. Und in den Sprüchen 15, 8 heißt es: "Der Gottlosen
Opfer ist dem Herrn ein Greuel", und Röm. 14, 23: "Was nicht aus
dem Glauben geht, ist Sünde." Damit wir aber mit diesem
ersten Teil zu Ende kommen, denn auch das übrige - wo immer der Verderber
sich erhoben hat - wollen wir ans Licht bringen, kommen wir aus diesen
Gründen allen zu dem Schluss, wem zugute die Messe eingesetzt ist und wer
würdig kommuniziert: Nämlich allein die, welche traurige, angefochtene,
betrübte, verwirrte und irrige Gewissen haben. Denn weil das Wort der
göttlichen Verheißung dieses Sakraments die Sündenvergebung anbietet, so
tritt getrost der hinzu, der von seinen Sünden geängstigt wird, sei es durch
die Reue über begangene, sei es durch die Versuchung zu künftigen. Denn
dieses Testament Christi ist die einzige Arznei für vergangene und zukünftige
Sünden. Nur musst du mit ungezweifeltem Glauben daran festhalten und glauben,
dass dir aus Gnade gegeben werde, was die Worte des Testaments sagen. Wenn du
das nicht glaubst, kannst du dein Gewissen niemals, nirgends, mit keinen
Werken und keinem noch so großem Eifer zur Ruhe bringen. Denn allein der
Glaube ist des Gewissens Friede, der Unglaube aber ist allein des Gewissens
Beunruhigung. Vom Sakrament der Taufe"Gebenedeit sei Gott und
der Vater unseres Herrn Jesu Christi", der "nach dem Reichtum
seiner Barmherzigkeit" wenigstens dieses einzige Sakrament in seiner
Kirche ungeschmälert und unbefleckt durch Menschensatzungen erhalten hat und
es für alle Völker und alle Stände der Menschen freigehalten hat. Er hat
nicht geduldet, dass es durch schändliche Gewinnsucht und gottlosen
Aberglauben unterdrückt würde, sicher mit der Absicht, die kleinen Kinder,
die des Geizes und des Aberglaubens noch nicht fähig sind, dadurch einweihen
und sie mit dem ganz einfältigen Glauben an sein Wort geheiligt werden zu
lassen. Ihnen ist die Taufe zur jetzigen Zeit auch am meisten nützlich. Denn
wenn den Erwachsenen und den Großen dieses Sakrament gegeben werden sollte,
so scheint es, dass seine Kraft und Herrlichkeit wegen der Tyrannei des
Geizes und Aberglaubens nicht hätte bewahrt bleiben können, der uns alles
Göttliche niedergestürzt hat. Die Klugheit des Fleisches hätte ohne Zweifel
auch hier ihre "Vorbereitungen" und "Würdigkeiten"
gefunden, danach Vorbehalte, Einschränkungen und was dergleichen Geldnetze
mehr sind, infolge deren das Wasser nicht wohlfeiler als jetzt Pergamente
verkauft würde. Aber obwohl der Teufel die
Kraft der Taufe in den Kindern nicht hat auslöschen können, hat er sie doch
in allen Erwachsenen zu vertilgen vermocht, so dass es jetzt fast niemanden
mehr gibt, der es beherzigt, dass er getauft ist, viel weniger, dass er sich
dessen rühmt, nachdem so viele andere Wege zur Sündenvergebung und in den
Himmel zu kommen erfunden worden sind. Zu dieser Auffassung hat ihnen eine
gefährliche Rede des Hieronymus Anlass gegeben, die entweder übel geredet
oder übel verstanden worden ist, wo er die Buße das "zweite Brett nah
dem Schiffbruch" nennt, gerade als ob die Taufe nicht eine Buße wäre.
Denn daher kommt's, dass sie, wenn sie in Sünden fallen, an dem ersten Brett
oder Schiff, als ob sie es verloren hätten, verzweifeln und anfangen, sich
allein auf das andere Brett, nämlich die Bulle, zu stützen und zu verlassen.
Von daher sind die unzähligen Lasten an Gelübden, Mönchsorden, Werken,
Genugtuungen, Wallfahrten, Ablässen und Sekten gekommen, und über sie dann
diese große Flut der Büßer, Fragen, Meinungen und Menschensatzungen, die die
ganze Welt jetzt nicht fassen kann, so dass diese Tyrannei die Kirche Gottes
viel arger plagt als sie jemals der Juden Synagoge oder eine einzige andere
Nation unter dem Himmel geplagt hat. Aber die Bischöfe hätten das
alles abtun und die Christen mit allem Fleiß zum wahren Wesen der Taufe
zurückrufen sollen, damit sie verstünden, was sie wären und was den Christen
zu tun zukäme. Aber allein das halten sie heutzutage für ihre Aufgabe, das
Volk so weit wie möglich von der Taufe wegzuführen und alle in die Sintflut
ihrer Tyrannei einzutauchen und zu erreichen, dass das Volk Christi (wie der
Prophet sagt) seiner ewig vergesse. O wie unselig sind alle, die zu dieser
Zeit Bischöfe genannt werden, die weder wissen noch tun, was Bischöfen
zusteht, sondern auch nicht einmal wissen, was sie wissen und tun müssten!
Sie erfüllen den Spruch: "Alle ihre Wächter sind blind, sie wissen alle
nichts; denn die Hirten kennen keinen Verstand, ein jeglicher sieht auf
seinen Weg, ein jeglicher geizt für sich in seinem Stande" usw. Das erste, was bei der Taufe
beachtet werden muss, ist also die göttliche Verheißung, die sagt: "Wer
da glaubet und getauft wird, der wird selig werden." Diese Verheißung
muss durchaus aller Pracht der Werke, Gelübde, Klosterregeln und allem, was
von Menschen eingeführt ist, vorgezogen werden. Denn an dieser Verheißung
hängt unsere ganze Seligkeit. Aber man muss sie so beachten, dass wir den
Glauben an ihr üben und ganz und gar nicht zweifeln, dass wir selig sind,
nachdem wir getauft sind. Denn wo ein solcher Glaube nicht da ist oder
erlangt wird, da hilft die Taufe nicht, sondern sie schadet vielmehr, und
zwar nicht allein dann, wenn man sie empfängt, sondern auf danach das ganze
Leben hindurch. Denn ein solcher Unglaube straft die göttliche Verheißung
Lügen, was die größte Sünde überhaupt ist. Wenn wir an diese Übung des
Glaubens gehen, werden wir bald einsehen, wie schwer es ist, dieser
göttlichen Verheißung zu glauben. Denn die menschliche Schwachheit, die sich
ihrer Sünden bewusst ist, glaubt am allerschwersten, dass sie selig ist oder
selig werden solle. Dennoch kann nicht selig werden, wer das nicht glaubt,
denn er glaubt der göttlichen Wahrheit nicht, welche die Seligkeit verheißt. Diese Predigt hätte man dem
Volk emsig einprägen, diese Verheißung ihm ohne Unterlass vortragen, an die
Taufe stets erinnern, den Glauben ständig erwecken und erhalten sollen. Denn
wie die Wahrheit dieser göttlichen Verheißung, wenn sie einmal über uns
ausgesprochen worden ist, bis in den Tod andauert, so soll auch unser Glaube
an sie niemals aufhören, sondern bis in den Tod erhalten und gestärkt werden
durch die ständige Erinnerung an diese Verheißung, die uns in der Taufe
gemacht ist. Wenn wir darum von Sünden aufstehen oder Buße tun, so tun wir
nichts anderes, als dass wir zu der Kraft und dem Glauben der Taufe, daraus
wir gefallen sind, umkehren und wieder zu der damals gemachten Verheißung
kommen, die wir durch die Sünde verlassen hatten. Denn die Wahrheit der
einmal geschehenen Verheißung bleibt allezeit bestehen, die uns mit
ausgestreckten Händen aufnehmen will, wenn wir umkehren. Und das ist's - wenn
ich mich nicht täusche - was die wollen, die etwas dunkel sagen, die Taufe
sei das erste und das Fundament aller Sakramente, ohne das kein anderes
erlangt werden könnte. Darum wird es sehr dienlich sein,
wenn der, der da Buße tut, vor allen Dingen sich seiner Taufe und der
göttlichen Verheißung erinnert, die er verlassen hat und ihrer mit Zuversicht
gedenkt, sie dem Herrn bekennt und sich freut, dass er noch so viel Hilfe zu
seiner Seligkeit habe, dass er getauft ist, und seine gottlose Undankbarkeit
verwünscht, dass er von dem Glauben und dem Vertrauen darauf abgefallen ist.
Denn sein Herz wird wunderbar gestärkt und zur Hoffnung auf Barmherzigkeit
ermuntert, wenn er bedenkt, dass die ihm geschehene göttliche Verheißung, die
unmöglich lügen kann, dass sie noch unversehrt und unverändert ist und auch
durch keine Sünde verändert werden kann, wie Paulus sagt, 1. Tim. 2, 13:
"Glauben wir nicht, so bleibt er treu; er kann sich selbst nicht
verleugnen." Diese Wahrheit Gottes, sage ich, wird ihn so erhalten,
dass, wenn schon alles andere dahinfiele, diese Verheißung - vorausgesetzt,
dass er an sie glaubt - ihn doch nicht verlassen wird. Denn er hat durch sie
etwas dem Feind, der auf ihn losstürmt, entgegenzusetzen. Er hat etwas, was
er den Sünden entgegenstellen kann, die sein Gewissen beunruhigen. Er hat
etwas, womit er dem Schrecken des Todes und des Gerichts begegnen kann. Er
hat schließlich, was ihm ein Trost in allen Anfechtungen sein kann, nämlich
diese eine Wahrheit, dass er sagt: Gott ist wahrhaftig in seinen
Verheißungen. Sein Zeichen habe ich in der Taufe empfangen. "Ist nun
Gott für mich, wer mag wider mich sein?" Denn wenn die Kinder Israel,
im Begriff Buße zu tun, vor allen Dingen des Auszuges aus Ägypten gedachten
und sich mit dieser Erinnerung zu Gott, der sie herausgeführt hatte,
zurückwandten - diese Erinnerung und eben diese Hilfe ist ihnen von Mose so
oft eingeschärft und von David ins Gedächtnis gerufen worden - , wieviel mehr
sollen wir dann an unseren Auszug aus unserm Ägypten denken und durch die
Erinnerung daran zu dem zurückkehren, der uns durch das Bad der neuen Geburt
herausgeführt hat, dessen Gedächtnis eben hierzu uns anbefohlen ist? Das kann
am allerbesten im Sakrament des Brots und Weins geschehen. Denn so sind vor
Zeiten diese drei Sakramente, die Buße, die Taufe und das Brot, in einem
Gottesdienst gefeiert worden und half eines dem andern. So lesen wir von
einer gottesfürchtigen Jungfrau, die, sooft sie angefochten wurde, sich allein
auf die Taufe berief und ganz kurz sagte: "Ich bin eine Christin."
Denn der Feind merkte bald die Kraft der Taufe und des Glaubens, der auf der
Wahrheit Gottes beruhte, der da verheißt, und floh vor ihr. So siebst du, wie reich ein
Christ, d.h. ein Getaufter ist, der, selbst wenn er schon wollte, seine
Seligkeit auch durch die größten Sünden nicht verlieren kann, es sei denn, er
wolle nicht glauben. Denn keine Sünde kann ihn verdammen außer dem Unglauben
allein. Alle anderen Sünden werden, wenn der Glaube wiederkommt oder auf der
göttlichen Verheißung besteht, die ihm in der Taufe widerfahren ist, in einem
Augenblick durch denselben Glauben, ja durch die Wahrheit Gottes
verschlungen. Denn Gott kann sich selbst nicht verleugnen, wenn du ihn
bekennst und an ihm, der es verheißen hat, mit festem Vertrauen hängst. Aber
die Zerknirschung und die Beichte der Sünden und danach die Genugtuung und
alle jene von Menschen erdachten Bemühungen werden dich plötzlich im Stich
lassen und dich nur unglücklicher machen, wenn du diese göttliche Wahrheit
vergisst und dich in diese Dinge verlierst. Denn nichtiges Nichts und eine
bloße Plage des Geistes ist alles, was außerhalb des Glaubens an die Wahrheit
Gottes an Bemühungen geschieht. Gleichzeitig siehst du, wie
gefährlich, ja wie falsch es ist zu meinen. dass die Buße die zweite Planke
nach dem Schiffbruch ist, und wie schädlich so ein Irrtum ist zu glauben,
dass durch die Sünde die Kraft der Taufe gänzlich vergangen und dass dieses
Schiff leck geworden ist. Es bleibt dieses Schiff allein fest und
unüberwindlich und wird niemals in einzelne Planken zerschellen. In ihm
fahren alle, die zu dem Hafen der Seligkeit fahren, welches die Wahrheit
Gottes ist, die in den Sakramenten etwas verheißt. Trotzdem geschieht es,
dass viele unbesonnen aus dem Schiff in das Meer springen und untergehen. Das
sind die, die den Glauben an die Verheißung verlassen und sich in die Sünde
stürzen. Aber das Schiff selbst bleibt und setzt unversehrt seinen Kurs fort.
Kann durch irgendeinen Gnadenerweis zum Schiff zurückkehren, so wird er nicht
mit einer Planke, sondern mit dem ganzen Schiff selbst zum Leben geführt: er
ist dann der, der zu der festen und bleibenden Verheißung Gottes durch den
Glauben zurückkehrt. Daher klagt Petrus diejenigen an, die dadurch sündigen,
dass sie vergessen haben, dass sie von ihren vorigen Sünden rein geworden
sind. Ohne Zweifel tadelt er damit die Undankbarkeit gegenüber der
empfangenen Taufe und ihren gottlosen Unglauben. Was hilft es nun, soviel von
der Taufe zu schreiben und diesen Glauben an die Verheißung nicht zu lehren?
Alle Sakramente sind eingesetzt, den Glauben zu stärken und den berühren sie
so wenig, dass diese gottlosen Leute sogar sagen, niemand dürfe der Vergebung
seiner Sünden oder der Gnade der Sakramente gewiss sein. Durch diese
Ruchlosigkeit betören sie die ganze Welt und nehmen damit nicht allein das
Sakrament der Taufe, in dem doch der Ruhm unseres Gewissens in erster Linie
besteht, gefangen, sondern tilgen es auch gänzlich aus. Gleichzeitig wüten
sie gegen die armen Seelen mit ihren Zerknirschungen, ängstlichen Beichten,
<Berichten über alle> Umstände, Genugtuungen, Werken und dergleichen
unzähligem Tand. Darum sieh zu, dass dich der
Aufwand an Werken und die trügerischen Menschensatzungen nicht verführen, der
göttlichen Wahrheit und deinem Glauben Unrecht zu tun. Beim Glauben an die
Sakramente musst du anfangen, ohne alle Werke, willst du selig werden. Auf
den Glauben aber folgen die Werke, nur dass du den Glauben nicht so gering
achtest, der doch unter allen anderen das vortrefflichste und schwierigste
"Werke" ist, durch das du allein, und wenn du schon auf alle
anderen verzichten müsstest, selig wirst. Denn er ist ein Werk Gottes und
nicht des Menschen, wie Paulus lehrt. Alle anderen Werke wirkt Gott mit uns
und durch uns, allein dieses wirkt er in uns und ohne uns. Daraus können wir klar
erkennen, was für ein Unterschied bei der Taufe besteht: zwischen dem
Geistlichen, einem Menschen, und dem Stifter, Gott. Denn der Mensch tauft und
tauft nicht: er tauft, denn er verrichtet das Werk und taucht den Täufling
unter; und er tauft nicht, denn er tut in diesem Werk nichts aus eigener
Gewalt, sondern an Gottes Statt. Darum dürfen wir die Taufe aus den Händen
eines Menschen nicht anders annehmen, als wenn uns Christus, ja Gott selbst
mit seinen eigenen Händen taufte. Denn die Taufe, die wir aus eines Menschen
Hand empfangen, ist nicht die eines Menschen, sondern Christi und Gottes.
Ebenso ist auf eine jede andere Kreatur, die wir durch eines anderen Hand
gebrauchen, allein Gottes. Hüte die demnach, die Taufe so zu unterscheiden,
dass du die äußerliche dem Menschen und die innerliche Gott zuschreibst.
Beide schreibe allein Gott zu und halte die Person des Täufers nur für ein
Werkzeug an Gottes Statt, durch welches der Herr, der im Himmel sitzt, dich
mit seinen eigenen Händen in das Wasser taucht. Er ist es, der dir Vergebung
der Sünden auf Erden verheißt, wenn er zu dir mit eines Menschen Stimme durch
den Mund seines Dieners redet. Auf welche Weise die Taufe
vollzogen wird, wenn sie nur nicht im Namen eines Menschen, sondern im Namen
des Herrn geschieht, so macht sie mit Sicherheit selig. Ja, ich würde nicht
zweifeln: wenn sie jemand im Namen des Herrn empfinge, obschon ein gottloser
Diener sie nicht im Namen des Herrn gäbe, so wäre derselbe doch wahrhaftig im
Namen des Herrn getauft. Denn die Kraft der Taufe ist nicht so sehr an des
Taufenden als des Getauften Glauben und Gebrauch gebunden. Diese und
dergleichen ängstliche Überlegungen und Fragen haben diejenigen angestellt,
die dem Glauben nichts, den Werken und Zeremonien aber alles zuschreiben,
wohingegen wir doch den Zeremonien nichts, dem Glauben allein aber alles zu
danken haben, welcher uns durch den Geist von allen diesen ängstlichen
Zweifeln und Meinungen frei macht. Das andere, was zur Taufe
gehört, ist das Zeichen oder das Sakrament, nämlich das Eintauchen in das
Wasser. Daher hat sie auch den Namen. Denn "baptizo" heißt auf
griechisch, was "mergo" auf lateinisch bedeutet ("ich tauche
ein"), und "baptisma" heißt "Eintauchen". Denn, wie
gesagt, neben den göttlichen Verheißungen werden uns auch Zeichen gegeben,
die das darstellen, was die Worte bedeuten. Wir aber sollen die Augen
auftun und lernen, mehr das Wort als das Zeichen, mehr auf den Glauben als
das Werk oder den Gebrauch des Zeichens zu achten, und wissen, dass dort, wo
Gottes Verheißung ist, der Glaube gefordert wird, und dass beides so
notwendig ist, dass keines ohne das andere wirksam sein kann. Denn es kann
nichts geglaubt werden, es sei denn eine Verheißung da, und es hat auch eine
Verheißung keinen Bestand, sie werde denn geglaubt; wenn aber beides da ist
und sie sich gegenseitig ergänzen, geben sie den Sakramenten die volle und
sehr gewisse Wirkung. Darum die Wirkung des Sakramentes außerhalb der Verheißung
und des Glaubens zu suchen, hieße sich umsonst bemühen und dafür die
Verdammnis Enden. So sagt Christus: "Wer da glaubet und getauft wird,
der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden."
Dadurch weist er darauf hin, dass der Glaube beim Sakrament so notwendig ist,
dass er auch ohne das Sakrament selig machen kann. Deshalb wollte er nicht
hinzufügen: Wer nicht glaubt und nicht getauft wird. So bedeutet nun die Taufe
zweierlei: den Tod und die Auferstehung, d.h. eine vollständige und
vollkommene Rechtfertigung. Denn dass der Geistliche das Kind in das Wasser
taucht, bedeutet den Tod; dass er es aber wieder herausnimmt, bedeutet das
Leben. So legt es Paulus, Röm. 6, 4 aus: "Wir sind mit Christus begraben
durch die Taufe in den Tod, damit gleich wie Christus ist auferweckt von den
Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen
Leben wandeln." Diesen Tod und diese Auferstehung nennen wir "neue
Kreatur", "Wiedergeburt" und "geistliche Geburt",
die man nicht allegorisch von dem Tod der Sünde und von dem Leben der Gnade,
wie es viele zu tun pflegen, sondern von dem wahren Tod und von der wahren
Auferstehung verstehen muss. Denn die Taufe ist nicht eine Erdichtung. Die
Sünde stirbt auch nicht ganz, und die Gnade wird nicht eher voll sichtbar,
bis der Leib der Sünde, den wir in diesem Leben tragen, zerstört wird, wie
Paulus sagt. Denn solange wir im Fleisch sind, regen sich und werden erregt
die Begierden des Fleisches. Darum beginnen wir auf zugleich dieser Welt zu
sterben und Gott im zukünftigen Leben zu leben, sobald wir zu glauben
anfangen, so dass der Glaube wirklich ein Tod und eine Auferstehung ist, d.h.
die geistliche Taufe, in welcher wir eingetaucht werden und wieder
hervorkommen. Wenn nun der Taufe die
Abwaschung von Sünden zugeeignet wird, so geschieht das völlig zu Recht. Aber
diese Bedeutung ist zu matt und zu schwach, als dass sie das Wesen der Taufe
zum Ausdruck brächte. Sie ist vielmehr ein Symbol des Todes und der
Auferstehung. Aus diesem Grunde möchte ich, dass die Täuflinge ganz in das
Wasser eingetaucht werden, wie es das Wort besagt und worauf die
geheimnisvolle Handlung hindeutet. Nicht dass ich es für notwendig erachte,
aber es wäre schön, wenn einer so tiefen und vollkommenen Sache auch ein
tiefes und vollkommenes Zeichen beigegeben würde, wie es ohne Zweifel auch
von Christus gestiftet ist. Denn es geht nicht so sehr darum, dass der Sünder
abgewaschen wird, als vielmehr darum, dass er stirbt, auf dass er ganz
erneuert werde zu einer anderen Kreatur und dass er dem Tod und dem
Auferstehen Christi entspreche, mit dem er durch die Taufe stirbt und wieder
aufersteht. Denn wenn man gleich sagen kann, Christus sei von der
Sterblichkeit abgewaschen worden, als er starb und wieder auferstand, wäre
das doch weniger als wenn man sagte, er wäre ganz verändert und erneuert. So
ist es besser zu sagen, die Taufe bedeutet für uns ganz sterben und zum
ewigen Leben auferstehen, als von Sünden abgewaschen werden. Hier siehst du abermals, dass
das Sakrament der Taufe, auch soweit es sich auf das Zeichen bezieht, nicht
eine Sache des Augenblicks, sondern von Dauer ist. Denn wenn auch der Taufakt
schnell vorbei ist, so dauert doch die in ihm dargestellte Sache bis in den
Tod, ja bis zur Auferstehung am Jüngsten Tage. Denn solange wir leben, tun
wir stets das, was die Taufe bedeutet, d.h. wir sterben und stehen wieder
auf. Wir sterben, sage ich, nicht nur innerlich und geistlich, indem wir der
Sünde und den Eitelkeiten der Welt absagen, sondern wir fangen tatsächlich
an, dieses leibliche Leben zu verlassen und das zukünftige zu ergreifen, so
dass es sich also um einen richtigen und leiblichen Übergang aus dieser Welt
zum Vater handelt. Darum sollen wir uns vor
denen hüten, welche die Kraft der Taufe so klein und so gering machen, dass
sie sagen, die Gnade werde zwar in der Taufe eingegossen, aber nachher durch
die Sünde fahrengelassen; dann müsste man auf einem anderen Weg, gleich als
wenn die Taufe jetzt ganz ungültig gemacht wäre, zum Himmel gehen. So sollst du
nicht urteilen, sondern die Bedeutung der Taufe so verstehen, dass du durch
sie stirbst und lebst; deswegen kannst du weder durch die Buße noch auf sonst
einem anderen Weg zurückkehren als allein zur Kraft der Taufe, und wiederum
das tun, was zu tun du getauft worden bist und was deine Taufe bedeutet Die
Taufe wird niemals ungültig, du verzweifelst denn und willst nicht zu deinem
Heile zurückkehren. Du kannst wohl eine Zeitlang vom Zeichen abirren, aber
darum ist das Zeichen nicht ungültig. Du bist also einmal mit dem Sakrament
getauft, aber du musst immer durch den Glauben getauft werden, allezeit
sterben und wieder leben. Die Taufe hat den ganzen Leib gleichsam
Verschlungen und wieder herausgegeben; so soll auch die Kraft der Taufe dein
ganzes Leben mit Leib und Seele verschlingen und wieder herausgeben am
Jüngsten Tage, angetan mit dem Kleide der Verklärung und der Unsterblichkeit.
Deshalb sind wir niemals ohne die Kraft und ohne das Zeichen der Taufe,
sondern müssen allezeit mehr und mehr getauft werden, bis wir das Zeichen am
Jüngsten Tage vollkommen erfüllen. Du verstehst nun, dass alles,
was wir in diesem Leben tun und was dazu dient, das Fleisch zu töten und den
Geist lebendig zu machen, zu der Taufe gehört. Je kürzer wir vom Leben
befreit werden, um so schneller erfüllen wir unsere Taufe, je Schwereres wir
leiden, um so vollkommener werden wir unserer Taufe gleichförmig. Deshalb war
die Kirche auch zu der Zeit im besten Stand, als täglich Märtyrer getötet und
wie Schlachtschafe geachtet wurden. Denn damals herrschte in der Kirche mit
allem Nachdruck die Kraft der Taufe, die wir jetzt vor der Unzahl der Werke
und Menschenlehren gar nicht mehr kennen. Denn alles, was wir leben, soll
Taufe sein und das Zeichen oder Sakrament der Taufe erfüllen, wenn wir von
allem anderen befreit allein der Taufe geweiht sind, d.h. dem Tode und der
Auferstehung. Vielleicht wird man meinen
Worten die Kindertaufe entgegenhalten: die Kinder verstünden die Verheißung
Gottes nicht, könnten auch den Glauben der Taufe nicht haben; deshalb würde
entweder der Glaube nicht gefordert oder die Kinder würden vergebens getauft.
Hier sage ich, was alle sagen, dass den Kindern mit dem fremden Glauben derer
zu Hilfe gekommen werde, die sie zur Taufe bringen. Denn wie das Wort Gottes,
wenn es erschallt, fähig ist, auch eines Gottlosen Herz zu verändern, das
doch nicht weniger taub und unempfänglich ist als irgendein kleines Kind, so
wird durch das Gebet der Kirche, welche das Kind darbringt und den Glauben
hat, dem alle Dinge möglich sind, auch das kleine Kind durch den
eingegossenen Glauben verändert, gereinigt und erneuert. Ich möchte auch
nicht daran zweifeln, dass selbst ein erwachsener Ungläubiger, wenn diese
Kirche betete und ihn Gott darbrächte, durch ein jedes Sakrament verändert
werden könnte, wie wir es von dem Gichtbrüchigen im Evangelium lesen, der
durch den Glauben anderer gesund gemacht worden ist. Und aus diesem Grunde
will ich gern zugeben, dass die Sakramente des neuen Gesetzes kräftig sind,
die Gnade nicht allein denen zu geben, die dem keinen Riegel vorschieben,
sondern auch denen, die das aufs hartnäckigste tun. Denn was sollte wohl der
Glaube der Kirche und das Gebet des Glaubens nicht hinwegnehmen, da man doch
glaubt, dass Stephanus den Apostel Paulus mit dieser Kraft bekehrt habe? Aber
dann wirken die Sakramente solches nicht aus eigener, sondern durch die Kraft
des Glaubens, was sie wirken, ohne den sie, wie ich gesagt habe, gar nichts
wirken. Eins füge ich hier noch
hinzu, und wollte Gott, ich könnte alle dazu überreden: dass alle Gelübde
sämtlich aufgehoben oder vermieden würden, mag es sich dabei um
Klostergelübde, um Gelübde zu einer Wallfahrt oder zu anderen Werken handeln,
und dass wir in der allergeistlichsten und überaus wirksamen Freiheit der
Taufe blieben. Es ist nicht zu sagen, wieviel dieser mehr als zuviel
verbreitete Gelübdewahn der Taufe Eintrag tut und das Wissen um die
christliche Freiheit verdunkelt, ganz zu schweigen von den unsagbaren,
unzähligen Gefahren für die Seele, welche diese Sucht Gelübde abzulegen und
die unbedachte Unbesonnenheit täglich mehr und mehr häuft. O ihr ruchlosen
Bischöfe und ihr unseligen Hirten, die ihr in falscher Sicherheit schnarcht
und eure Leidenschaften pflegt und euch nicht um den großen und sehr
gefährlichen "Schaden Josephs" kümmert. Hier sollte man mit einer
allgemeinen Anordnung entweder alle Gelübde aufheben, insbesondere die auf
Lebenszeit und jedermann wieder zum Taufgelübde zurückrufen oder fleißig dazu
ermahnen, dass niemand unbesonnen etwas gelobte, niemanden dazu auffordern,
ja schwer zugänglich und langsam sein, Gelübde zuzulassen. Denn wir haben in
der Taufe genug gelobt - mehr als wir erfüllen können - und werden genug zu
schaffen haben, wenn wir nur dieses einzige Gelübde halten wollen. Aber jetzt
"durchziehen wir Wasser und Land, damit wir viele Proselyten
gewinnen", wir füllen die Welt mit Pfaffen, Mönchen und Nonnen, und alle
diese kerkern wir mit ewigen Gelübden ein. Hier findet man Leute, die
disputieren und behaupten, ein Werk innerhalb eines Gelübdes sei besser als
ein Werk, das außerhalb eines und ohne ein Gelübde getan wird, und sei - ich
weiß nicht, um wie großer Belohnungen im Himmel willen - anderen vorzuziehen.
O diese blinden und gottlosen Pharisäer, die an der Größe, an der Vielfalt
und anderen Eigenschaften der Werke die Gerechtigkeit und Heiligkeit messen,
die bei Gott allein an dem Glauben gemessen wird, bei dem es keinen
Unterschied der Werke gibt, außer was den Unterschied des Glaubens betrifft. Mit solchen aufgeblasenen
Worten verschaffen sich diese gottlosen Leute mit ihren Erfindungen einen
guten Ruf und rühmen die Werke der Menschen, um den unverständigen Pöbel
anzulocken, der durch den äußeren Schein der Werke für gewöhnlich zu einem
starken Verlust des Glaubens, zum Vergessen der Taufe und zur Schädigung der
christlichen Freiheit verleitet wird. Denn weil ein Gelübde gewissermaßen ein
Gesetz ist und eine Auflage, werden, wenn die Gelübde vervielfacht werden,
auch die Gesetze und Werke notwendigerweise vervielfacht; werden aber diese
vervielfacht, so wird der Glaube ausgelöscht und die Freiheit der Taufe
gefangen genommen. Mit solchen gottlosen Schmeichelreden nicht zufrieden,
fügen einige noch hinzu, der Eintritt in einen Orden sei eine Art neue Taufe,
die man so oft erneuern könne, so oft der Vorsatz zum mönchischen Leben
erneuert wird. So haben sich diese Gelübdeanpreiser die Gerechtigkeit, die
Seligkeit und den Ruhm allein zugeschrieben; den Getauften haben sie gar
nichts übriggelassen, womit sie ihnen verglichen werden könnten. Der römische
Bischof, Quelle und Hauptursache allen Aberglaubens, bestätigt, billigt und
lobt jetzt diese Art zu leben mit herrlichen Bullen und Gnadenerweisen,
während die Taufe niemand auf nur einer Erwähnung wert findet. Und mit diesem
glänzenden Aufwand treiben sie - wie gesagt - das willige Volk Christi, wohin
sie wollen, dass sie sich, undankbar gegen ihre Taufe, rühmen, mit ihren
Werken etwas Besseres zu leisten als andere mit ihrem Glauben. Aber hier mag ein jeder das
Seine darüber denken. Ich will das, was ich angefangen habe, fortsetzen. Weil
ich für die Freiheit der Kirche und die Sache der Taufe eintrete, muss ich
öffentlich den Rat geben, den ich durch den heiligen Geist gelernt habe.
Darum rate ich zuerst den Vorstehern der Kirchen, dass sie all diese Gelübde
oder die Lebensweise der Gelobenden abschaffen, oder dass sie sie weder
billigen noch besonders herausstellen. Oder, wenn sie das nicht tun, rate ich
allen, die mit größerer Gewissheit selig werden wollen, dass sie sich von
allen Gelübden und besonders von den großen und lebenslänglichen enthalten,
in Sonderheit die jungen Leute. Das rate ich erstens deshalb, weil solch eine
Lebensweise, wie gesagt, kein Zeugnis noch Beispiel in der Schrift hat,
sondern allein durch der Menschenpäpste Bullen - rechte Wasserblasen -
aufgeblasen worden ist; weiter, weil sie wegen ihres äußeren Scheines und
ihrer Besonderheit willen zur Heuchelei neigt. Von da kommen der Hochmut und
die Verachtung des allgemeinen christlichen Lebens. Und wenn sonst keine
andere Ursache wäre, solche Gelübde abzuschaffen, hätte doch diese allein
Gewicht genug, dass durch sie dem Glauben und der Taufe Abbruch geschieht und
Werke gerühmt werden, die ohne Verderben nicht gerühmt werden können. Denn
unter vielen Tausenden ist kaum einer, der in den Orden nicht viel mehr die
Werke als den Glauben hochhält. In diesem Wahnsinn will noch ein jeder besser
sein als der andere, wie die "Strengeren" vor den
"Laxeren", wie sie sagen. Deshalb rate ich niemandem,
ja ich rate vielmehr allen ab, in einen Orden oder Priesteramt zu treten, er
sei denn mit dem Wissen ausgerüstet, dass er verstehe, dass die Werke der
Mönche und Priester, wie heilig und hoch sie auch sein mögen, vor dem
Angesicht Gottes in nichts unterschieden sind von den Werken eines Bauern,
der auf dem Acker arbeitet, oder eines Weibes, das ihrer Haushaltung wartet,
sondern dass alles vor Gott nach dem Glauben gemessen wird, wie Jeremia 5, 3
sagt: "Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben", und Sirach 32,
27: "Was du vornimmst, so vertraue Gott von ganzem Herzen. Denn auch das
ist ein Halten der Gebote Gottes." Ja, es kommt häufiger vor, dass ein
häusliches und schlichtes Werk einer Magd oder eines Knechtes Gott
wohlgefälliger ist als alle Fasten und Werke eines Ordensmannes und Priesters
- wegen des fehlenden Glaubens. Weil demnach die Gelübde heutzutage
wahrscheinlich nur zur Prahlerei und zur Anmaßung wegen der Werke dienen,
steht zu fürchten, dass es nirgends weniger Glauben, weniger von der Kirche
gibt als eben bei Priestern, Mönchen und Bischöfen, und dass sie rechte
Heiden und Heuchler sind, die sich für die Kirche oder für das Herz der
Kirche, ebenso für Geistliche und Leiter der Kirche halten, obwohl sie doch
nichts weniger als das sind. Dies sei einstweilen genug
von der Taufe und ihrer Freiheit. Später werde ich vielleicht die Gelübde
ausführlicher behandeln, wie es wirklich dringend nötig wäre, sich mit ihnen
besonders zu beschäftigen. Von dem Sakrament der BusseAn dritter Stelle soll von dem
Sakrament der Buße die Rede sein, über das ich bereits einige kleine Traktate
und Disputationen veröffentlicht und damit bei vielen genug Anstoß erregt
habe; ich habe dort zur Genüge auseinandergesetzt, was ich davon halte. Jetzt
brauche ich das nur kurz zu wiederholen, um die Tyrannei zu enthüllen, die
hier nicht weniger als im Sakrament des Brotes überhand genommen hat. Denn in
diesen beiden Sakramenten hat, weil hier Gewinn und Geldsucht ihren Platz
fanden, die Habsucht der Hirten unglaublich gegen die Schafe Christi gewütet,
obwohl, wie wir schon in Bezug auf die Gelübde gesehen haben, auch die Taufe
bei den Erwachsenen erbärmlich darniederliegt, damit der Habsucht gedient
werde. Das erste und das Hauptübel
bei diesem Sakrament ist, dass sie seinen Sakramentscharakter ganz
abgeschafft haben, so dass keine Spur davon geblieben ist. Denn weil es, wie
die beiden anderen Sakramente, auf dem Wort der göttlichen Verheißung und
unserm Glauben steht, haben sie beides über den Haufen geworfen. Denn das
Wort der Verheißung, wo Christus, Mat. 16, 19, sagt: "Alles, was du
binden wirst" usw., und Mat. 18, 18: "Alles, was ihr binden
werdet", und Joh. 20, 23: Welchen ihr die Sünden erlasse", denen
sind sie erlassen" usw. - Worte, durch die der Glaube derer, die Buße tun,
erweckt wird, um die Vergebung der Sünden zu erlangen - haben sie ihrer
Tyrannei angepasst. Denn in all ihren Büchern, Lehren und Predigten haben sie
sich nicht bemüht zu lehren, was den Christen in diesen Worten verheißen ist,
was sie glauben sollen und wieviel Trost sie darin haben, sondern wie weit,
wie lang und wie tief sie selbst mit Macht und Gewalt Tyrannei treiben
könnten, bis schließlich einige sogar anfingen, auch den Engeln im Himmel zu
gebieten; sie prahlen mit unglaublicher und rasender Ruchlosigkeit, sie
hätten mit diesen Worten das Herrschaftsrecht im Himmel und auf Erden
empfangen und besäßen die Macht, auch im Himmel zu binden. So lehren sie
nichts von dem das Volk rettenden Glauben, sondern sie faseln nur von der
tyrannischen Gewalt der Päpste, obwohl doch Christus nichts in Bezug auf die
Gewalt, sondern alles in Bezug auf den Glauben behandelt. Denn Christus hat nicht
Reiche, nicht Gewalten, nicht Herrschaften, sondern Dienste in seiner Kirche
gestiftet, wie wir vom Apostel gelernt haben, der da sagt: "Dafür halte
uns jedermann: für Christi Diener und Haushalter über Gottes
Geheimnisse." Ebenso hat die Stelle, wo Christus sagt: "Wer da
glaubet und getauft wird, der wird selig werden", den Glauben derer
erweckt, die getauft wurden; durch dieses Wort der Verheißung soll der
Mensch, wenn er getauft wird und glaubt, gewiss sein, dass er selig wird.
Hier wird schlechterdings nichts an Gewalt verliehen, sondern lediglich ein
Dienst an denen, die getauft werden sollen, eingerichtet. Ebenso ist es auch
hier. Wenn er sagt: "Alles, was du binden wirst" usw., erweckt er
den Glauben des Büßenden, dass er durch dieses Wort der Verheißung gewiss
sei: wenn er im Glauben losgesprochen würde, dass er im Himmel wahrhaftig
losgesprochen sei. Da wird eindeutig nichts von Gewalt, sondern der Dienst
dessen berührt, der da losspricht. Und es ist verwunderlich genug, was jenen
blinden und anmaßenden Menschen widerfahren sein muss, dass sie sich nicht
auch aus der Verheißung der Taufe eine Tyrannei angemaßt haben; oder wenn sie
sich diese nicht angemaßt haben, warum sie es sich dann bei der Verheißung
der Buße herausgenommen haben, wo doch bei beiden Sakramenten der gleiche
Dienst, eine ähnliche Verheißung und gleiche Art von Sakrament gegeben ist.
Man kann also nicht leugnen: wenn die Taufe Petrus nicht allein zugehört,
dass dann auch die Schlüsselgewalt nur mit gottloser Tyrannei für den Papst
allein in Anspruch genommen wird. Desgleichen, wenn Christus
sagt: "Nehmet, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird, das ist der
Kelch in meinem Blut" usw., erweckt er den Glauben derer, die da essen,
dass mit diesen Worten ihr Gewissen durch den Glauben befestigt wird und sie
gewiss seien, sie empfangen die Vergebung der Sünden, wenn sie davon essen.
Und auch hier verlautet nichts von Gewalt; sondern allein vom Dienst. Aber
die Verheißung der Taufe ist einigermaßen nur den Kindern geblieben, die
Verheißung des Brots und des Kelchs ist ausgelöscht und in die Knechtschaft
ihrer Habsucht verschleppt worden, und aus dem Glauben ist ein Werk, aus dem
Testament ein Opfer entstanden; die Verheißung der Buße hat sich zu einer
sehr grausamen Tyrannei entwickelt und zur Aufrichtung einer mehr als
weltlichen Herrschaft geholfen. Nachdem nun die Verheißung
und der Glaube in Vergessenheit gebracht und zunichte gemacht sind, lasst uns
sehen, was sie an deren Stelle gesetzt haben. In drei Teile haben sie die
Buße eingeteilt: Reue, Beichte, Genugtuung, doch so, dass sie von jedem das
weggenommen haben, was Gutes daran war, und an deren Stelle haben sie ihre
Willkür und ihre Tyrannei gesetzt. Zuerst haben sie von der Reue
so gelehrt, dass sie diese dem Glauben an die Verheißung weit vorgezogen
haben und noch viel schlimmer: sie wäre nicht ein Werk des Glaubens, sondern
ein Verdienst. Ja sie gedenken seiner nicht einmal, so haften sie nämlich an
den Werken und Beispielen der Schrift, wo man liest, dass viele die Gnade
wegen der Zerknirschung ihres Herzens und ihrer Demut erlangt haben. Aber sie
bemerken den Glauben nicht, der solche Zerknirschung und Schmerzen des
Herzens bewirkt hat, wie von den Niniviten Jonas 3, 5 geschrieben steht:
"Die Leute zu Ninive glaubten an Gott und ließen predigen, man sollte
fasten" usw. Noch vermessener und ärger als diese <die contritio>
haben sie eine "kleine Reue" <attritio> erdichtet, welche
durch die Kraft der Schlüssel - die sie nicht kennen - zu einer rechten Reue
würde. Diese schreiben sie den Gottlosen und Ungläubigen zu, um so die
gesamte Reue abzutun. O unerträglicher Zorn Gottes, dass das in der Kirche
Gottes gelehrt werden kann! Nachdem wir so den Glauben und sein Werk zugrunde
gerichtet haben, gehen wir in falscher Sicherheit in den Lehren und Meinungen
von Menschen einher, vielmehr wir verderben darin. Es ist ein groß Ding um
ein zerschlagenes Herz, aber nur in dem Glauben, der durch die Verheißung
und; göttliche Drohung brennt, der die unerschütterliche Wahrheit Gottes
sieht, davor zittert und erschrickt und so das Gewissen zerknirscht, es aber
auch wieder erhöht, es tröstet und das zerknirschte Gewissen erhält. So wie
die Wahrheit der Drohung Gottes die Ursache für die Zerknirschung ist, so ist
die Wahrheit der Verheißung die Ursame für den Trost, wenn sie geglaubt wird
und der Mensch mit diesem Glauben Vergebung der Sünden erlangt. Darum soll
vor allen Dingen der Glaube gelehrt und erweckt werden; wenn der Glaube
siegt, dann werden unfehlbar Zerknirschung und Trost von selbst folgen. Deshalb <obwohl an ihrer
Lehre etwas ist> lehren die, welche sagen, dass man zur Zerknirschung nur
kommen könne, indem man seine Sünden überdenkt und sich vor Augen hält, etwas
ganz Gefährliches und Verkehrtes, solange sie nicht zuvor den Grund und die
Ursachen der Reue lehren, nämlich die unerschütterliche Wahrheit der
göttlichen Drohung und Verheißung, die uns zum Glauben rufen soll. Sie
sollten einsehen, dass sie mit viel größerem Nachdruck auf die göttliche
Wahrheit sehen müssen, durch die sie gedemütigt und erhöht werden, als auf
die Menge ihrer Sünden. Wenn man sie außerhalb der göttlichen Wahrheit
ansieht, wird man die sündlichen Begierden vielmehr erregen und vermehren als
zur Reue zu führen. Ich schweige hier von der unüberwindlichen Mühe, die sie
uns auferlegt haben, dass wir nämlich um aller Sünden willen zerknirscht sein
sollten. Das ist doch unmöglich, wir können nur den geringsten Teil unserer
Sünden kennen, zumal auch die guten Werke als Sünden anzusehen sind, wie
Psalm 143, 2 sagt: "Herr, gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht: denn
vor dir ist kein Lebendiger gerecht." Denn es ist genug, dass wir die
Sünden bereuen, welche uns jetzt in unserm Gewissen quälen, die man kennt und
an die man sich leicht erinnert. Denn wer so geängstigt ist, der ist ohne
Zweifel bereit, alle Sünden zu bereuen und zu Fürsten, und wird sie bereuen
und sich davor entsetzen, wenn sie ihm künftighin offenbar werden. Hüte dich also, auf deine
Reue zu vertrauen oder die Sündenvergebung deinem Schmerz zuzuschreiben. Denn
Gott sieht dich nicht deswegen an, sondern wegen deines Glaubens, durch den
du seinen Drohungen und Verheißungen geglaubt hast, der einen solchen Schmerz
überhaupt bewirkt hat. Und darum verdankt man nicht seiner Sorgfalt, mit der
man seine Sünden aufzählt, sondern der Wahrheit Gottes und unserm Glauben,
was Gutes in der Buße ist. Alles andere sind Werke und Früchte, die von
selbst folgen; die machen nicht zu einem guten Menschen, sondern geschehen
von dem, der schon durch den Glauben an die Wahrheit Gottes gut geworden ist.
So "ging Dampf auf von seiner Nase und verzehrend Feuer von seinem
Munde, die Grundfesten der Berge regten sich und bebten, da er zornig
war", wie Psalm 18, 8 f. sagt. Zuerst ist es das Erschrecken vor der
Drohung, das die Gottlosen entzündet, dies nimmt der Glaube an und läßt den
Dampf der Wolke der Reue aufsteigen usw. Doch ist die Reue weniger der
Tyrannei der Gewinnsucht, aber ganz der Gottlosigkeit und verderblichen
Lehren anheimgefallen. Die Beichte aber und die Genugtuung sind vortreffliche
Brutstätten des Gewinns und der Gewalt geworden. Zuerst die Beichte: Es ist kein Zweifel, dass die
Beichte der Sünden notwendig und von Gott geboten ist, Mat. 3, 6: "Sie
wurden von Johannes im Jordan getauft und bekannten ihre Sünden"; 1.
Joh. 1, 9 f.: "Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und
gerecht, dass er uns die Sünden vergibt; wenn wir sagen, wir haben nicht
gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in
uns." Wenn also den Heiligen nicht erlaubt ist, ihre Sünden zu
verleugnen, wieviel mehr müssen die ihre Sünden beichten, die öffentlicher
und großer Sünden schuldig sind. Die Einrichtung der Beichte aber wird am
allerschlagendsten Mat. 18, 15 ff. bewiesen, wo Christus lehrt, den Bruder,
der an dir sündigt, zurechtzuweisen, ihn <vor die Gemeinde> zu stellen
und anzuklagen, und wenn er darauf nicht hört, ihn aus der Gemeinde auszustoßen.
Er wird hören, wenn er seine Sünde anerkennt und sie beichtet, der
Zurechtweisung sich beugend. Aber die Ohrenbeichte, wie
sie jetzt allgemein begangen wird, gefällt mir - wenn sie auch aus der
Schrift nicht bewiesen werden kann - doch außerordentlich gut, und sie ist
auch nützlich, ja notwendig. Ich will auch nicht, dass sie nicht wäre, im
Gegenteil, ich freue mich, dass sie in der Kirche Christi geübt wird. Denn
grade sie ist den angefochtenen Gewissen eine einzigartige Hilfe. Wenn also
das Gewissen sich unserem Bruder entdeckt hat und das Böse, das verborgen
lag, vertraulich offenbart worden ist, empfangen wir aus dem Mund unseres
Bruders das Wort des Trostes als von Gott gesprochen. Wenn wir es im Glauben
annehmen, gibt es uns Frieden in der Barmherzigkeit Gottes, der durch den
Bruder mit uns redet. Das allein verwerfe ich, dass solche Beichte der
Tyrannei und der Geldschinderei der Päpste unterworfen ist. Denn sie behalten
sich selbst geheime Sünden vor und gebieten, sie nur den von ihnen namhaft
gemachten Beichtvätern zu beichten. Damit beunruhigen sie die Gewissen der
Menschen und spielen sich allein als Bischöfe auf; die wahren Pflichten der
Bischöfe aber (predigen und die Armen versorgen) werden von ihnen verachtet.
Ja, diese ruchlosen Tyrannen behalten sich vor allem das vor, was weniger
wichtig ist, als da sind die lächerlichen und erdichteten Stücke in der Bulla
In coena Domini; das Entscheidende jedoch überlassen sie weithin den
einfachen Priestern. Ja, damit ihre schändliche Ruchlosigkeit desto
offenbarer werde, behalten sie das, was gegen die Ehre Gottes, gegen den
Glauben und die ersten Gebote verstößt, nicht vor. Sondern sie lehren und
loben auch dergleichen wie jenes Herumgerenne der Wallfahrten, die falsche
Heiligenverehrung, die erlogenen Heiligenlegenden, mancherlei Vertrauen auf
Werke und äußerliche Zeremonien wie deren Übung, durch welche alle der Glaube
an Gott ausgetilgt und Abgötterei begünstigt wird. Es ist am Tage, dass wir
heute keine anderen Bischöfe haben als solche, wie sie einst Jerobeam zu Dan
und Berseba eingesetzt hat: Diener der goldenen Kälber, die das Gesetz
Gottes, den Glauben, und was zum Weiden der Schafe Christi gehört, nicht
kennen, sondern dem Volk allein ihre Erfindungen mit Schrecken und Gewalt
einprägen. Obwohl ich rate, die
Vergewaltigung durch die vorbehaltenen Dinge zu dulden - wie auch Christus
gebietet, alle Tyrannei zu leiden, und uns lehrt, diesen Geldschindern
gehorsam zu sein - leugne ich dennoch, dass sie ein Recht auf ihren Vorbehalt
haben und glaube auch nicht, dass sie das auch nur mit einem Buchstaben
beweisen können. Ich kann aber das Gegenteil beweisen. Erstens: Wenn Christus
Mat. 18, 15 ff. von öffentlichen Sünden sagt, dass wir die Seele unseres
Bruders gewonnen hätten, wenn er zur Verantwortung gezogen auf uns hört, und
er sei der Kirche nur dann zu überantworten, wenn er nicht hören will - wenn
also die Sünde so zwischen Brüdern aus dem Wege geräumt werden kann, wieviel
mehr wird das dann auf verborgene Sünden zutreffen, dass sie aus dem Wege
geräumt werden, wenn ein Bruder dem andern willig seine Sünde bekennt, so
dass es nicht nötig ist, sie der Kirche, d.h. dem Prälaten oder Priester
<wie sie in ihrer Auslegung schwätzen> bekanntzumachen? Für diese
Auffassung haben wir auch eine andere Beweisstelle aus Christi Mund, wenn der
Mat. 18, 18 sagt: "Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel
gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los
sein." Denn das ist allen und jedem einzelnen Christenmenschen gesagt.
Hier sagt er wiederum auch im selben Sinne: "Weiter sage in euch: Wenn
zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, das soll
ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel." Denn wenn ein Bruder dem
anderen seine verborgenen Sünden eröffnet und um Gnade bittet, so wird er
wahrlich mit seinem Bruder auf Erden eins in der Wahrheit, die Christus ist.
Das hier Gesagte bestätigt Christus eben dort noch deutlicher und sagt:
"Wahrlich ich sage euch, wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen,
bin ich mitten unter ihnen." Dementsprechend zweifle ich
nicht, dass der von seinen heimlichen Sünden losgesprochen ist, der diese
entweder freiwillig bekennt oder ihretwegen zur Verantwortung gezogen
insgeheim vor irgendeinem Bruder um Vergebung bittet und Besserung
verspricht. Mögen die Päpste mit ihrer Gewalt dagegen wüten - Christus hat
einem jeden Gläubigen offenbar die Macht zu absolvieren gegeben. Wie unwürdig sie die Lehre
von der Genugtuung behandelt haben, davon habe ich beim Ablasshandel gesprochen,
und wie sehr sie sie missbraucht haben, die Christen an Leib und Seele zu
verderben. Zuerst haben sie so von ihr gelehrt, dass sich die Menge nie einen
Begriff von der wahren Genugtuung hat machen können, die eine Erneuerung des
Lebens ist. Dann dringen sie so darauf und machen sie so unentbehrlich, dass
sie dem Glauben an Christus keinen Raum lassen und die Gewissen der Menschen
derartig mit Zweifeln martern, dass der eine nach Rom läuft, der andere
hierher, der andere dorthin, jener in eine Kartause, dieser an einen anderen
Ort, einer geißelt sich mit Ruten, ein anderer quält seinen Leib mit Fasten
und Wachen, in einstimmiger Unsinnigkeit aber sagen sie alle: "Siehe, da
ist Christus, hier ist Christus" und meinen, dass das Reich Gottes,
welches in uns ist, durch Beobachtung äußerer Dinge kommen werde. O Rom, was
für Ungeheuerlichkeiten verdanken wir dir und deinen mörderischen Gesetzen
und Gebräuchen, mit denen du die ganze Welt dermaßen verderbt hast, dass sie
meinen, für ihre Sünden Gott mit Werken genugtun zu können, dem allein durch
den Glauben eines zerknirschten Herzens Genugtuung geschieht. Diesen Glauben
bringst du mit diesem Tumult nicht allein in Vergessenheit, sondern du
unterdrückst ihn auch, bloß damit dein unersättlicher Blutsauger solche habe,
zu denen er sagen kann: "Bring her, bring her" und mit Sünden
schachern kann. Etliche von diesen sind so
weit gegangen, sich besondere Kunstkniffe auszudenken, um die Menschen in
Verzweiflung zu stürzen: sie haben nämlich aufgebracht, dass ein Beichtender
all die Sünden von neuem beichten müsse, für welche er die auferlegte
Genugtuung unterlassen hätte. Aber was dürfen die sich nicht herausnehmen,
die dazu geboren sind, alles zehnmal in Gefangenschaft zu bringen? Ferner,
wieviele sind - so frage ich - wohl der Meinung, im Stand der Seligkeit zu
sein und für ihre Sünden genugzutun, wenn sie die Gebetlein, die ihnen der
Priester auferlegt hat, wortgetreu daherplappern, auch wenn sie inzwischen
nicht darauf sinnen, ihr Leben zu bessern? Denn sie glauben, ihr Leben sei
durch einen Augenblick der Reue und Beichte verwandelt, nur allein das bliebe
noch, für die vergangenen Sünden genugzutun. Wie sollen sie es aber besser
verstehen, wenn sie nicht anders unterrichtet werden? Hier wird überhaupt
nicht der Tötung des Fleisches gedacht, hier gilt gar nicht das Beispiel
Christi, der die Ehebrecherin absolviert und zu ihr sagt: "Gehe hin und
sündige hinfort nicht mehr", und ihr damit das Kreuz auferlegt, das
Fleisch zu töten. Einen wesentlichen Anlass für diese verkehrte Auffassung
hat gegeben, dass wir die Sünder absolviert haben, ehe die Genugtuung erfüllt
ist. Dadurch kommt es, dass sie mehr um die Erfüllung der Genugtuung, die
andauert, bemüht sind als um die Reue, die schon während der Beichte vergeht,
wie sie meinen. Dabei sollte doch die Absolution - wie in der alten Kirche -
erst folgen, wenn die Genugtuung geleistet ist. Dann könnte es geschehen,
dass sie nachher, wenn das Werk aufhört, im Glauben und in der Erneuerung das
Lebens mehr gefestigt sind. Aber damit genug der Wiederholung; darüber habe
ich in den Schriften vom Ablass ausführlicher gesprochen. Es sei jetzt auch
gänzlich von diesen drei Sakramenten genug, von denen in so vielen und
schädlichen Büchern, in dogmatischen wie in juristischen, gelehrt und
<gleichzeitig> nicht gelehrt wird. Auch muss ich noch versuchen, etwas
über die übrigen Sakramente zu schreiben, damit ich sie nicht ohne Grund zu
verwerfen scheine. Von der FirmungEs ist verwunderlich, was
ihnen in den Sinn gekommen ist, dass sie aus der Auflegung der Hände das
Sakrament der Firmung gemacht haben. Von der lesen wir, dass Christus die
kleinen Kinder angerührt, die Apostel den heiligen Geist gegeben, Priester
eingesetzt und Kranke gesund gemalt haben, wie Paulus an Timotheus schreibt:
"Die Hände lege niemand zu bald auf." Warum haben sie nicht aus dem
Sakrament des Brotes auch eine Firmung gemacht, wenn geschrieben steht, Apg.
9: "und als er Speise zu sich genommen hatte, wurde er gestärkt",
und Psalm 104, 15: "und das Brot des Menschen Herz stärke", so dass
die Firmung also drei Sakramente in sich vereinigte: das Brot, die Einsetzung
und die Firmung selbst? Ist das aber ein Sakrament, was immer die Apostel
getan haben, warum haben sie dann nicht vielmehr die Predigt zu einem Sakrament
gemacht? Das sage ich nicht, weil Ich
die sieben Sakramente verdammte, sondern weil ich bestreite, dass sie aus der
Schrift bewiesen werden können. Ja, wenn es nur in der Kirche eine solche
Auflegung der Hände wie zu der Apostel Zeiten gäbe! Dann würden wir sie
<gern> Firmung oder Heilung nennen. Es ist aber jetzt nichts davon
übrig geblieben, außer was wir selbst erfunden haben, die Ämter der Bischöfe
auszubauen, damit sie nicht ganz ohne Arbeit in der Kirche sind. Denn nachdem
sie jene Sakramente, deren Verwaltung Mühe bereitet, zusammen mit der
Verkündigung des Wortes als etwas Unwesentliches dem unteren Klerus
überlassen haben <denn alles, was die göttliche Majestät gestiftet hat,
muss verachtet sein>, da war es recht und billig, dass wir etwas weniger
Mühevolles erfanden, das so verwöhnten und großen Herren nicht beschwerlich
wäre und das wir <doch> keineswegs als etwas Unwesentliches dem unteren
Klerus anvertrauten. Denn was menschliche Weisheit ordnet, soll billig bei
den Menschen in Ehren gehalten werden. So wie jemand Priester ist, einen
solchen Dienst und ein solches Amt hat er. Denn ein Bischof, der nicht
predigt und keine Seelsorge treibt, was ist er anders als ein Abgott in der
Welt, der allein den Namen und die äußere Gestalt eines Bischofs hat? Wir
aber begehren statt dessen die von Gott eingesetzten Sakramente; dass wir
aber die Firmung zu ihnen hinzurechnen sollen, dazu haben wir keine
Veranlassung. Denn zur Einsetzung eines Sakramentes gehört vor allen Dingen
das Wort der göttlichen Verheißung, durch das der Glaube geübt werden soll.
Aber nirgendwo lesen wir, dass Christus irgend etwas von der Firmung
verheißen habe, obwohl er vielen die Hände aufgelegt hat und Markus das im
letzten Kapitel unter die Zeichen setzt: "Auf Kranke werden sie die Hände
legen, so wird's besser mit ihnen werden." Aber niemand hat das auf
einen Sakramentscharakter <der Firmung> bezogen, was auch nicht gut
möglich ist. Darum ist es genug, die Firmung für einen Brauch der Kirche oder
für eine sakramentale Zeremonie zu halten, ähnlich den anderen Zeremonien:
der Wasserweihe und anderen Dingen. Denn wenn jede andere Kreatur durch Wort
und Gebet geheiligt wird, warum sollte dann nicht viel mehr der Mensch durch
sie geheiligt werden? Dennoch können diese Dinge, weil sie nicht Gottes
Verheißung haben, nicht Sakrament des Glaubens genannt werden. Sie wirken
auch nicht das Heil, die Sakramente aber retten diejenigen, die der
Verheißung Gottes glauben. Von der EheDie Ehe wird nicht allein
ohne jeden Schriftbeweis für ein Sakrament gehalten, sondern sie ist auch
durch die gleichen Überlieferungen, nach denen sie als ein Sakrament gerühmt
wird, zum reinen Spott geworden. Das wollen wir einmal betrachten. Wir haben
gesagt, dass in jedem Sakrament das Wort der göttlichen Verheißung enthalten
ist, das derjenige glauben muss, der das Zeichen empfängt, und dass das
Zeichen allein kein Sakrament sein könne. Nun liest man aber nirgends, dass
der irgendwelche Gnade bei Gott erlange, der eine Ehefrau nimmt. Ja, es ist
von Gott der Ehe nicht einmal ein Zeichen gegeben. Denn nirgends liest man,
dass die Ehe von Gott gestiftet sei, damit sie etwas versinnbildliche, obwohl
alles, was sichtbar geschieht, als Abbild und Allegorie der unsichtbaren
Dinge verstanden werden kann. Aber dennoch sind die Abbilder und Allegorien
nicht Sakramente <in dem Sinne>, wie wir von den Sakramenten reden. Weiter: weil die Ehe von
Anfang der Welt bestanden hat und bei den Ungläubigen noch bis zum Augenblick
besteht, so gibt es keinen Grund dafür, dass die Ehe ein Sakrament des neuen
Gesetzes und der Kirche allein genannt werden kann. Denn die Ehen der Väter
waren nicht weniger heilig als unsere, und die Ehen der Ungläubigen sind
nicht weniger echte Ehen als die der Gläubigen - und doch halten sie es bei
denen nicht für ein Sakrament. Außerdem sind bei den Gläubigen auch gottlose
Eheleute, die viel gottloser sind als die Heiden selbst. Warum soll denn hier
die Ehe ein Sakrament genannt werden, aber nicht bei den Heiden? Oder wollen
wir von der Taufe und der Kirche so närrisch reden, wie es manche halten,
nämlich: das zeitliche Regiment ist nirgends anders als in der Kirche, ebenso
sei die Ehe nur im Raume der Kirche ein Sakramente. Das sind kindische und
lächerliche Redereien, durch die wir uns dem Spott der Ungläubigen über unsere
Unwissenheit und Unbedachtsamkeit aussetzen. Von der WeiheDieses Sakrament kennt die
Kirche Christi nicht, es ist eine Erfindung der Kirche des Papstes. Denn es
hat nicht nur an keiner Stelle eine Verheißung der Gnade, sondern das ganze
Neue Testament erwähnt es auch mit keinem einzigen Wort. Lächerlich ist es
aber, etwas zu einem Sakrament Gottes zu erklären, das nirgends als von Gott
gestiftet bewiesen werden kann. Nicht, dass ich sollen Brauch für verdammlich
erkläre, der so viele Jahrhunderte hindurch geübt worden ist, aber ich will
nicht, dass man in göttlichen Dingen etwas Menschliches hinzudichtet. Es
gebührt sich auch nicht, etwas als von Gott verordnet hinzustellen, was nicht
von Gott verordnet ist, damit wir uns nicht vor dem Widersacher lächerlich
machen. Vielmehr sollen wir uns bemühen, dass uns all das gewiss, rein und
durch klare Stellen aus der Schrift gesichert ist, was wir als Artikel
unseres Glaubens rühmen. Das können wir aber bei diesem Sakrament ganz und
gar nicht. Die Kirche hat auch keine
Gewalt, neue göttliche Gnadenverheissungen aufzurichten, wie nämlich manche
schwatzen: es habe nicht mindere Vollmacht, was von der Kirche, als was von
Gott gestiftet ist, weil sie durch den heiligen Geist regiert wird. Denn die
Kirche entsteht aus dem Wort der Verheißung durch den Glauben und wird eben
mit demselben Wort gespeist und erhalten, d.h. sie wird durch die
Verheißungen Gottes errichtet und nicht die Verheißung Gottes durch sie. Denn
das Wort Gottes steht unvergleichlich viel höher als die Kirche. Über dieses
Wort Gottes hat die Kirche nichts anzuordnen, zu entscheiden oder
festzustellen, sondern sie soll angeordnet, entschieden und festgestellt
werden. Wenn sie gezwungen wären
zuzugestehen, dass wir alle, soweit wir getauft sind, auf gleiche Weise
Priester sind - wie wir's auch in Wahrheit sind - und ihnen allein das
geistliche Amt - jedoch mit unserer Bewilligung - aufgetragen wäre, dann
wüssten sie auch zugleich, dass sie kein Herrschaftsrecht über uns besäßen,
außer soweit wir es ihnen freiwillig zugestünden. Denn so sagt 1. Petr. 2, 9:
"Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum und
priesterliche Reich." Darum sind wir alle Priester, so viele wir
Christen sind. Die wir aber Priester nennen, sind aus uns erwählte Diener,
die alles in unserem Namen tun sollen. Das Priestertum ist nichts anderes als
ein Dienst. So 1. Kor. 4, 1: "Dafür halte uns jedermann: für Christi
Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse." Daraus folgt, dass der, der
das Wort nicht predigt, wozu er doch von der Kirche berufen ist, überhaupt
kein Priester ist. Und das "Sakrament" der Weihe kann nichts
anderes sein als ein bestimmter Brauch, einen Prediger in der Kirche zu
erwählen. Des Priesters Amt ist es zu
predigen. Wenn er das nicht tut, dann ist er so ein Priester, wie ein
gemalter Mensch ein Mensch ist. Ob das einen Bischof ausmacht, solch unnützen
Schwätzer zum Priester zu weihen, Kirchen und Glocken zu weihen, Kinder zu
firmen? Nein, das kann jeder beliebige Diakon oder Laie auch tun. Der Dienst
am Wort Gottes macht einen Priester und Bischof. Darum rate ich, fliehet, alle
die ihr sicher leben wollt, fliehet, ihr jungen Männer und lasst euch diese
Weihen nicht übertragen, ihr wollt denn entweder predigen oder ihr seid
imstande zu glauben, dass ihr durch solches Sakrament der Priesterweihe nicht
besser geworden seid als die Laien. Denn die Stundengebete lesen ist nichts.
Weiter: Messe lesen heißt das Sakrament empfangen. Was bleibt dann also an
euch, was nicht auch an jedem Laien bliebe? Die Tonsur und das Gewand?
Elender Priester, den erst seine Tonsur und Gewand <zum Priester>
macht! Oder macht euch das Öl zu Priestern, das auf eure Finger gegossen
wird? Nein, jeder Christ ist mit dem Öl des heiligen Geistes an Leib und
Seele gesalbt und geheiligt. Einst fasste der einzelne Christ das Sakrament
nicht weniger mit seinen Händen an, als das jetzt die Priester tun. Freilich
stürzt unser Aberglaube jetzt die Laien in große Sünde, wenn sie einen bloßen
Kelch oder das Abendmahlstuch anrühren. Nicht einmal eine Nonne, eine heilige
Jungfrau, darf die Altar oder andere heilige Tücher waschen. Siehe bei Gott,
wie die hochheilige Heiligkeit dieses Standes zugenommen hat. Ich fürchte,
dass es in Zukunft den Laien auch nicht mehr erlaubt sein wird, den Altar
anzurühren, ehe sie nicht zuvor Geld geopfert haben. Ich zerspringe fast,
wenn ich an diese gottlose Tyrannei jener üblen Frevler denke, die mit solch
dummen Geschwätz und kindischen Possen die Freiheit und Herrlichkeit des
christlichen Glaubens verspotten und zugrunde richten. Darum soll jeder, der ein
Christ sein will, gewiss sein und sich darauf besinnen, dass wir alle auf
gleiche Weise Priester sind, d.h. dass wir die gleiche Gewalt am Wort Gottes
und an jedem Sakrament haben. Doch ist einem jeden, diese zu gebrauchen, nur
mit Einwilligung der Gemeinde erlaubt oder wenn man von oben her dazu berufen
ist. Denn dessen, was allen gemeinsam gehört, kann sich niemand allein
anmaßen, bis er dazu berufen wird. Und so kann das Sakrament der Weihe - wenn
es überhaupt etwas ist - nichts anderes sein als eine gewisse Form, jemand in
den Dienst der Kirche zu berufen. Weiter ist das Priesteramt eigentlich
nichts anderes als ein Dienst am Wort - am Wort, sage ich, nicht des
Gesetzes, sondern des Evangeliums. Das Diakonat aber ist nicht ein Dienst,
das Evangelium oder die Epistel zu lesen, wie es heutzutage Brauch ist,
sondern die Kirchengüter den Armen auszuteilen, damit die Priester, von der
Last der zeitlichen Dinge entledigt, sich desto mehr dem Gebet und dem Wort
widmen können. Denn in dieser Absicht sind, wie wir Apg. 6, 4 lesen, die
Diakone eingesetzt worden. Derjenige also, der entweder das Evangelium nicht
kennt oder nicht predigt, ist nicht allein kein Priester oder Bischof,
sondern eine Pest für die Kirche, der - unter dem Vorwand, ein Priester oder
Bischof zu sein - wie im Schafspelz das Evangelium unterdrückt und sich wie
ein Wolf in der Kirche aufführt. Deshalb sind diejenigen Priester und
Bischöfe, von denen jetzt die Kirche voll ist - wenn sie nicht auf andere
Weise ihr Heil wirken, d.h. wenn sie nicht erkennen, dass sie weder Priester
noch Bischöfe sind, und betrauern, dass sie einen Namen tragen, dessen
Aufgabe sie entweder nicht kennen oder nicht vollbringen können und so mit
Gebet und unter Tränen wegen dieser ihrer Heuchelei diesen elenden Zustand
beweinen - wahrlich ein Volk der ewigen Verdammnis, und es bewahrheitet sich,
was Jesaja 5, 13 f. steht: "Darum wird mein Volk müssen weggeführt
werden unversehens, weil es ohne Erkenntnis gewesen ist, und werden seine
Herrlichen Hunger leiden, und sein Pöbel Durst leiden. Daher hat die Hölle
den Schlund weit aufgesperrt, und den Rachen aufgetan ohne Maß, dass
hinunterfahren beide, ihre Herrlichkeiten und der Pöbel, ihre Reichen und
Fröhlichen." Vom Sakrament der letzten ÖlungDiesem Brauch, die Kranken zu
ölen, haben unsere Theologen zwei ihrer würdige Zusätze angefügt: Einen, dass
sie das ein Sakrament nennen, den andern, dass sie es zu einer
"letzten" <Ölung> machen. So soll es jetzt das
"Sakrament der letzten Ölung" sein, welches niemandem gegeben
werden darf, er liege denn in den letzten Zügen. Vielleicht wollten sie - es
sind ja spitzfindige Dialektiker - eine Beziehung herstellen zur ersten Salbung,
der Taufe, und zu den folgenden beiden Sakramenten, der Firmung und der
Weihe. Hier haben sie tatsächlich, womit sie mir den Mund stopfen können,
nämlich dass hier nach dem Zeugnis des Apostels Jakobus die Verheißung und
das Zeichen seien, durch welche, wie ich bisher gesagt habe, das Sakrament
ausgemacht wird. Denn er sagt: "Ist jemand unter euch krank, der rufe zu
sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl
in dem Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen,
und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm
vergeben werden." Siehe - sagen sie - hier hast du die Verheißung der
Sündenvergebung und als Zeichen das Öl. Ich aber sage, ist irgendwo
törichtes Zeug geredet worden, so ganz besonders hier. Ich rede nicht davon,
dass diese Epistel nicht ein Brief des Apostels Jakobus und auch nicht dem
apostolischen Geist gemäß ist, wie viele sehr glaubwürdig versichern, denn er
hat, gleich von wem er stammt, durch die Gewohnheit Autorität erlangt. Aber
selbst wenn er vom Apostel Jakobus stammte, würde ich dennoch sagen, dass es
einem Apostel nicht anstehe, aus eigener Macht ein Sakrament einzusetzen,
d.h. eine göttliche Verheißung zusammen mit einem Zeichen zu geben. Denn das
steht allein Christus zu. 1. Kor. 11, 23 sagt Paulus, dass er von dem Herrn
das Sakrament des Brotes empfangen habe, und 1. Kor. 1, 17, er sei nicht
gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu predigen. Aber nirgends liest
man im Evangelium etwas von einem Sakrament der letzten Ölung. Aber auch das
wollen wir beiseitelassen. Wir wollen die Worte des Apostels - oder wer sonst
der Verfasser dieses Briefes ist - selbst ansehen. Da werden wir gleich
sehen, wie die sie eben nicht beachteten, welche die Sakramente vermehrt haben. Erstens: wenn sie der Meinung
sind, dass das wahr und zu halten ist, was der Apostel sagt, mit welcher
Vollmacht verändern sie es dann und widerstehen ihm? Warum machen sie eine
letzte und besondere Ölung daraus, die doch der Apostel als allgemein gewollt
hat? Denn der Apostel hat nicht gewollt, dass es die "letzte" sein
sollte, die man allein den Sterbenden geben dürfe, sondern er sagt
schlechthin: "Ist jemand krank...", er sagt nicht: "Liegt
jemand im Sterben." Aber das ist noch besser, was
die Verheißung des Apostels ausdrücklich sagt: "Das Gebet des Glaubens
wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten" usw. Siehe,
der Apostel gebietet, dass Ölung und Gebet zu dem Zweck geschehen sollen,
dass der Kranke geheilt und ihm besser wird, d.h. dass er nicht stirbt und
dass diese Ölung eben nicht die letzte ist. Das beweisen auf bis zum heutigen
Tag die Gebete, die man während der Ölung spricht. Darin bittet man, dass der
Kranke gesund wird. Sie dagegen sagen, dass die Ölung niemandem gegeben werden
soll als den Sterbenden, d.h. dass sie nicht gesund und wiederhergestellt
werden. Wenn diese Sache nicht so ernst wäre, wer könnte sich über so eine
schöne, passende und verständige Auslegung der apostolischen Worte des
Lachens enthalten? Wird hier nicht öffentlich ihre sophistische Torheit
entlarvt, die wie hier auch an vielen anderen Stellen bejaht, was die Schrift
verneint, und verneint, was die Schrift bejaht? Warum sollten wir also
unseren so hochgelehrten Meistern nicht Dank sagen? Ich habe doch wohl zu
Recht gesagt, dass sie nirgends noch größeren Wahnsinn geredet haben als
hier. Weiter: Ist diese Ölung ein
Sakrament, darin müsste sie <wie sie sagen> ohne Zweifel "ein
wirksames Zeichen" dessen sein, was sie anzeigt und verheißt. Nun
verheißt sie Gesundheit und Wiederherstellung des Kranken, wie die Worte klar
dastehen: "Das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr
wird ihn aufrichten." Wer siebt aber nicht, dass diese Verheißung bei
wenigen, ja bei keinem erfüllt wird? Denn unter Tausenden wird kaum einer
wieder gesund, und das schreibt niemand dem Sakrament sondern der Hilfe der
Natur oder der Arznei zu. Denn dem Sakrament schreiben sie die
entgegengesetzte Kraft zu. Was sollen wir also sagen? Entweder lügt der
Apostel mit dieser Verheißung, oder diese Ölung ist kein Sakrament. Denn die
Verheißung, die einem Sakrament gegeben ist, ist zuverlässig, diese aber ist
zum größten Teil irreführend. Ja, damit wir dieser Theologen Weisheit und
Wachsamkeit noch einmal feststellen: sie wollen deshalb, dass die Ölung die
letzte ist, damit die Verheißung nicht bestehe, d.h. damit das Sakrament kein
Sakrament sei. Denn ist es die letzte, so macht sie nicht gesund, sondern
erliegt der Krankheit; macht sie aber gesund, so kann sie nicht die letzte
sein. Nach der Auslegung dieser Meister muss Jakobus sich selbst
widersprochen haben. Damit er kein Sakrament stiftete, muss er ein Sakrament
gestiftet haben; sie wollen, dass die Ölung darum die letzte ist, damit es
eben nicht wahr sei, dass der Kranke durch sie gesund werde, wie Jakobus es
festgestellt hat. Wenn das nicht Wahnsinn ist, so frage ich, was überhaupt
Wahnsinn ist? Auf diese trifft das Wort des
Apostels zu, 1. Tim. 1, 7: "Sie wollen der Schrift Meister sein und
verstehen selber nicht, was sie sagen oder was sie behaupten." So lesen
sie alles ohne Urteilsvermögen und handeln dann dementsprechend. Ich meine daher, dass diese
Ölung dieselbe ist, von der Markus 6, 13 über die Apostel geschrieben steht:
"Sie salbten viele Kranke mit Öl und machten sie gesund", ein
Brauch der alten Kirche, durch den sie Wunder an den Kranken taten. Dieser
Brauch ist aber schon längst abgekommen wie auch das, was Markus 16, 17 f.
sagt: Christus hat den Gläubigen die Macht gegeben, Schlangen zu vertreiben
und die Hände auf Kranke zu legen usw. Es wundert mich, dass sie aus diesen
Worten nicht auch Sakramente gemacht haben, wo sie doch die gleiche Kraft und
Verheißung haben wie die Worte des Jakobus. Diese "letzte", d.h.
erdichtete Ölung ist also kein Sakrament, sondern ein Rat des Jakobus - dem
folgen kann, wer da will - genommen und übriggeblieben aus dem Evangelium
Mark. 6, wie ich gesagt habe. Denn ich glaube nicht, dass dieser Rat allen
Kranken gegeben ist - da ja die Krankheit in der Kirche als Ehre gilt und der
Tod als Gewinn - sondern nur allen, die ihre Krankheit ungeduldig und schwach
im Glauben tragen. Die hat Gott deshalb bleiben lassen, damit sich an ihnen
die Wunderzeichen und die Macht des Glaubens erwiesen. Und das hat Jakobus mit
Vorsicht und Bedacht vorhergesehen, als er die Verheißung der Genesung und
der Vergebung der Sünden nicht der Ölung, sondern dem gläubigen Gebet
zugeeignet hat. Denn so sagt er: "Und das Gebet des Glaubens wird dem
Kranken helfen und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er hat Sünden getan,
wird ihm vergeben werden." Denn das Sakrament fordert nicht das Gebet
oder den Glauben des Geistlichen, weil ein Sünder auch taufen und weihen
kann, ohne Gebet, sondern es beruht allein auf der Verheißung und Einsetzung
Gottes und fordert den Glauben des, der es empfängt. Wo ist aber bei unserer
heutigen letzten Ölung das gläubige Gebet? Wer betet mit solchem Glauben über
einem Kranken, dass er nicht zweifelt, dass er gesund wird? Ein solches Gebet
des Glaubens beschreibt Jakobus hier, von dem er auch zu Anfang gesagt hat:
"Er bitte aber im Glauben und zweifle nicht". Und Christus sagt:
"Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, dass ihr's empfangt,
so wird's euch werden." Daran ist gar kein Zweifel:
wenn heutigen Tages von älteren, ehrwürdigen und heiligen Männern ein solches
Gebet voll Glaubens über einem Kranken gesprochen würde, würden so viele
geheilt, wie wir wollten. Denn was vermag der Glaube nicht? Aber wir setzen
den Glauben hinten <den diese Worte des Apostels Jakobus vor allem fordern>
und verstehen unter Ältesten jede beliebige Priesterschar, wohingegen das
doch durch Alter und Glauben ausgezeichnete Männer sein sollten. Danach
machen wir aus einer täglichen und freien Ölung die letzte und erwirken damit
nicht allein nicht die Gesundheit, die Jakobus verheißen hat, sondern im
Gegenteil, wir vernichten sie. Und nichtsdestoweniger rühmen wir uns, unser
"Sakrament", d.h. vielmehr unser Gebilde könne mit den Worten des
Apostels, die doch ganz und gar dazu im Widerspruch stehen, begründet und
bewiesen werden. O, diese Theologen! Das sei für diesmal genug
über diese vier Sakramente. Ich weiß, das wird denen, die die Anzahl und die
Handhabung der Sakramente nicht aus der heiligen Schrift, sondern vom
römischen Stuhl herleiten zu müssen meinen, missfallen. Es gibt außerdem noch
einiges andere, das anscheinend zu den Sakramenten gerechnet werden könnte
nämlich all das, dem eine Verheißung Gottes zuteil geworden ist: dazu gehören
das Gebet, das Wort, das Kreuz. Denn Christus hat den Betenden an vielen
Stellen Erhörung zugesagt, besonders Luk. 11, 5 ff., wo er uns mit vielen
Gleichnissen zum Beten einlädt. Und vom Wort sagt er: "Selig sind, die
das Wort Gottes hören und bewahren." Wer will aber aufzählen wie oft er
den Angefochtenen, Duldenden und Gedemütigten Hilfe und Ehre verheißt? Ja,
wer kann alle Verheißungen Gottes zählen, wo doch die ganze Schrift nur
darauf abzielt, uns zum Glauben zu reizen und uns einmal mit Geboten und
Drohungen drängt und dann wieder mit Verheißungen und Tröstungen anlockt.
Alles, was geschrieben steht, ist entweder Gebot oder Verheißung; die Gebote
demütigen die Hoffärtigen durch ihre Forderungen, die Verheißungen aber
erhöhen die Gedemütigten durch ihre Vergebungen. Wir haben aber gesehen, dass
eigentlich nur die Verheißungen Sakramente genannt werden können, die mit
Zeichen verbunden sind. Die anderen aber sind bloße Verheißungen, weil sie
nicht an Zeichen gebunden sind. Daraus folgt, wenn wir streng reden wollen,
dass es in der Kirche Gottes nur zwei Sakramente gibt: die Taufe und das
Brot; denn allein bei diesen beiden sehen wir das aufgerichtete göttliche
Zeichen und die Verheißung der Sündenvergebung. Denn das Sakrament der Buße,
welches ich zu diesen beiden zugerechnet habe, ermangelt eines sichtbaren und
von Gott gestifteten Zeichens; es ist, wie gesagt, nichts anderes als ein Weg
und eine Rückkehr zur Taufe. Die Taufe, die wir dem ganzen
Leben zueignen, ist in Wahrheit genug für alle Sakramente, die wir in unserm
Leben gebrauchen sollen. Das Brot aber ist in Wahrheit das Sakrament der
Sterbenden und von dieser Welt Abscheidenden, weil wir in ihm des Abschieds
Christi von dieser Welt gedenken, um ihm nachzufolgen. lasst uns diese zwei
Sakramente so aufteilen, dass die Taufe dem Anfang und dem ganzen Lebenslauf,
das Brot aber dem Ende und dem Tode zugeteilt werde. Und ein Christ soll sie
beide gebrauchen, solange er in diesem Leibe ist, bis er vollkommen getauft
und gestärkt aus dieser Welt geht, geboren zu einem ewigen neuen Leben, wo er
mit Christus im Reich seines Vaters essen wird, wie er es im Abendmahl
verheißen hat, wo er sagt: "Wahrlich ich sage euch: ich werde von nun an
nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken, bis an den Tag, da
ich's neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich." Hier sehen wir
ganz deutlich, dass das Sakrament des Brotes für den Empfang des ewigen
Lebens gestiftet ist. Dann nämlich, wenn Aufgabe und Wesen beider Sakramente
erfüllt ist, werden Taufe und Brot aufhören. Hiermit will ich ein Ende
dieses Vorspiels machen, welches ich allen frommen Christen gern und mit
Freuden übergebe, die nach dem rechten Verständnis der Schrift suchen und den
wahren Brauch der Sakramente zu wissen begehren. Es ist nämlich keine geringe
Gabe zu wissen, was uns geschenkt ist, wie es 1. Kor. 2, 12 heißt, und wie
man diese Gaben gebrauchen soll. Denn mit dem Urteilsvermögen des Geistes
ausgerüstet, werden wir uns nicht fälschlicherweise auf Dinge verlassen, die
sich ganz anders verhalten. Diese beiden Stücke, welche uns unsere Theologen
niemals gegeben, ja sogar mit Fleiß verdunkelt haben, habe ich, wenn nicht
gegeben, so doch aber sicher das erreicht, dass ich es nicht verdunkelte,
sondern anderen Gelegenheit gab, Besseres darüber auszuführen. Meine Absicht
wenigstens war es, beides darzubieten. Jedoch können wir nicht alle alles.
Den Gottlosen aber und denen, die uns anstatt der göttlichen Lehren
hartnäckig die ihren aufdrängen wollen, halte ich getrost und frei diese
Schrift entgegen und kümmere mich nicht um ihren unvernünftigen Eifer,
wenngleich ich auch ihnen einen klaren Verstand wünschte. Ich verachte ihre
Bemühungen auch nicht, sondern ich möchte sie nur von den echten und
wahrhaften Christen unterschieden wissen. Denn ich höre ein Gerücht,
dass aufs neue Bullen und päpstliche Flüche gegen mich ausgefertigt sind,
durch die ich zum Widerruf gezwungen oder zum Ketzer erklärt werden soll.
Wenn das wahr ist, dann soll dieses Büchlein ein Teil meines künftigen
Widerrufs sein; sie sollen sich nicht beklagen können, dass ihre
Gewaltherrschaft ungestraft so aufgebläht ist. Den restlichen Teil werde ich
nächstens mit Christi Hilfe so herausgehen lassen, wie es der römische Stuhl
bisher weder gesehen noch gehört hat. Damit werde ich meinen Gehorsam zur
Genüge beweisen. Im Namen unseres Herrn Jesu Christi, Amen. Was fürchtst du
Feind Herodes sehr, |
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