1520
Dem Achtbarn und Würdigen
Herren, Er Nicolao von Amsdorf, der heiligen Schrift Licentiat und Dumherrn
zu Wittenberg; meinem besunderen gunstigen Freund. D. Martinus
Luther. Gnad und Fried Gottis zuvor,
Achtbar, Würdiger, lieber Herr und Freund! 3 Die Zeit des Schweigens ist
vorgangen, und die Zeit zu reden ist kommen, als Ecclesiastes sagt Ich hab,
unserm Furnehmen nach, zusammen tragen etlich Stuck, christlichs Stands
Besserung belangend, dem christlichen Adel deutscher Nation furzulegen; ob Gott
wollt doch durch den Laienstand seiner Kirchen helfen; seintemal der
geistlich Stand, dem es billiger gebuhrt, ist ganz unachtsam worden. Sende
das alles Eur Würde, dasselb zu richten, und, wo es noth ist, zu bessern. 4 Ich bedenk wohl, dass mir's
nit wird unvorweist bleiben, als vormess ich mich zu hoch, dass ich
vorachter, begebner Mensch, solche hohe und grosse Stände dar anreden in so
trefflichen grossen Sachen, als wäre sonst niemand in der Welt, dann Doctor
Luther, der sich des christlichen Standes annehme, und so hoch vorständigen
Leuten Rath gebe. 5 Ich lass meine
Entschuldigung anstehen, vorweiss mir's, wer do will; ich bin vielleicht
meinem Gott und der Welt noch eine Thorheit schuldig, die hab ich mir itzt
furgenommen, so mir's gelingen mag, redlich zahlen, und auch einmal Hoffnarr
werden. Gelingt mir nit, so hab ich doch ein Vortheil, darf mir niemand einen
Kappen kaufen, noch den Kampf bescheren. 6 Es gilt aber, wer dem
andern die Schellen anknupft. Ich muss das Sprichwort erfullen: was die Welt
zu schaffen hat, da muss ein Münch bei sei, und sollt man ihn dazu malen. Es
hat wohl mehrmal ein Narr weislich gered't, und vielmal weise Leut groblich
genarret, wie Paulus sagt: wer do will weiss sein, der muss ein Narr werden. 7 Auch dieweil ich nit allein
ein Narr, sondern auch ein geschworner Doctor der heiligen Schrift, bin ich
froh, dass sie mir die Gelegenheit gibt, meinen Eid eben in derselben Narren
Weise gnug zu thun. Ich bitt, wollt mich entschuldigen bei den mässig
Vorständigen; denn der Uberhochvorständigen Gunst und Gnad weiss ich nit zu
vordienen, wilch ich so oft mit grosser Muhe ersucht, nu fort auch nit mehr
haben noch achten will. Gott helf uns, dass wir nit unser, sondern allein
seine Ehre suchen, Amen. Zu Wittenberg im Augustinerkloster, am Abend St.
Johannes Baptistä, im 1520. Jahr. 8 Jesus. Der Allerdurchläuchtigisten,
Grossmächtigisten Kaiserlichen Majestät und christlichen Adel Deutscher
Nation, D. Martinus Luther. 9 Gnad und Stärk von Gott
zuvor. Allerdurchläuchtigister, gnädigste lieben Herrn! Es ist nit aus lauter
Furwitz noch Frevel geschehen, dass ich einiger armer Mensch mich
unterstanden, fur euern hohen Würden zu reden. Die Noth und Beschwerung, die
alle Ständ der Christenheit, zuvor Deutscheland druckt, nit allein mich, sondern
idermann bewegt hat, vielmal zu schreien und Hulf begehren, hat mich auch
itzt zwungen zu schreien und rufen, ob Gott jemand den Geist geben wollt,
seine Hand zu reichen der elenden Nation. 10 Es ist oft durch Concilia
etwas furgewandt, aber durch etlicher Menschen List behendiglich vorhindert
und immer ärger worden; wilcher Tuck und Bosheit ich itzt, Gott helf mir,
durchleuchten gedenk, auf dass sie erkannt, hinfurt nit mehr so hinderlich
und schädlich sein mochten. Gott hat uns ein junges edlis Blut zum Häupt
geben, damit viel Herzen zu grosser guter Hoffnung erweckt; daneben will
sich's ziemen, das Unser darzu thun, und der Zeit und Gnad nutzlich brauchen. 11 Das Erst, das in dieser
Sachen furnehmlich zu thun, ist, dass wir uns je fursehen mit grossem Ernst,
und nit etwas anheben mit Vortrauen grosser Macht oder Vornunft, ob gleich
aller Welt Gewalt unser wäre; dann Gott mag und will's nit leiden, dass ein
gut Werk werde angefangen im Vortrauen eigener Macht und Vornunft. 12 Er stosset es zu Boden, da
hilft nichts fur; wie im 33. Psalm steht: es wird kein Kunig bestehen durch
seine grosse Macht, und kein Herr durch die Grosse seiner Stärk. Und aus dem
Grund, sorg ich, sei es vorzeiten kummen, dass die theuren Fursten, Kaiser
Friedrich der Erst und der Ander, und viel mehr deutscher Kaiser, so
jämmerlich sein von den Päpsten mit Fussen treten und vordruckt, fur wilchen
sich doch die Welt furchtet. 13 Sie haben sich vielleicht
vorlassen auf ihre Macht, mehr dann auf Gott, drumb haben sie mussen fallen.
Und was hat zu unsern Zeiten den Blutsäufer Julium Secundum so hoch erhoben,
dann dass ich besorg, Frankreich, Deutschen und Venedige haben auf sich selb
bauet. Es schlugen die Kinder Benjamin zwei und vierzig tausend Israeliten,
darumb, dass sie sich auf ihre Stärk vorliessen, Richt. 20,21 14 Dass uns auch nit so
gelinge mit diesem edlen Blut Carolo, mussen wir gewiss sein, dass wir in
dieser Sach nit mit Menschen, sonder mit den Fursten der Höllen handelen, die
wohl mugen mit Krieg und Blutvorgiessen die Welt erfullen, aber sie lassen
sich damit nicht uberwinden. Man muss hie mit einem Vorzag leiblicher Gewalt
in demuthigem Vertrauen Gottis die Sach angreifen, und mit ernstlichem Gebet
Hulf bei Gott suchen, und nichts anders in die Augen bilden, dann der elenden
Christenheit Jammer und Noth, unangesehen, was bos Leut vordienet haben. 15 Wo das nit, so soll sich's
Spiel wohl lassen anfahen mit grossem Schein; aber wenn man hinein kumpt,
sollen die bosen Geist ein solch Irrung zurichten, dass die ganz Welt musst
in Blut schweben, und dennocht damit nichts ausgericht. Drumb lasst uns hie
mit Furcht Gottis und weislich handelen. 16 Je grosser die Gewalt, je
grosser Ungluck, wo nit in Gottis Furcht und Demuth gehandelt wird. Haben die
Päpste und Romer bisher mugen durch Teufels Hulf die Kunig in einander
werren, sie mugen's auch noch wohl thun, so wir ohn Gottis Hulf mit unser
Macht und Kunst fahren. 17 Die Romanisten haben drei
Mauren mit grosser Behendikeit umb sich zogen, damit sie sich bisher
beschutzt, dass sie niemand hat mugen reformiren, dadurch die ganz
Christenheit greulich gefallen ist. Zum Ersten, wenn man hat auf sie drungen
mit weltlicher Gewalt, haben sie gesetzt und gesagt: weltlich Gewalt habe nit
Recht ubir sie; sondern wiederumb, geistlich sei ubir die weltliche. 18 Zum Andern, hat man sie
mit der heiligen Schrift wollt strafen, setzen sie dagegen: es gebuhr die
Schrift niemand auszulegen, denn dem Papst. Zum Dritten, dräuet man ihn mit einem
Concilio; so erdichten sie, es muge niemand ein Concilium berufen, denn der
Papst. 19 Also haben sie die drei
Ruthen uns heimlich gestohlen, dass sie mugen ungestraft sein, und sich in
sicher Befestung dieser dreier Maur gesetzt, alle Buberei und Bosheit zu
treiben; die wir dann itzt sehen. Und ob sie schon ein Concilium mussten
machen, haben sie doch dasselb zuvor matt gemacht, damit, dass sie die
Fursten zuvor mit Eiden vorpflichten, sie bleiben zu lassen wie sie sein:
darzu dem Papst vollen Gewalt geben ubir alle Ordnung des Concilii; 20 also, dass gleich gilt, es
sein viel Concilia oder kein Concilia, ohn dass sie uns nur mit Larven und
Spiegelfechten betrügen. So gar greulich furchten sie der Haut fur einem
rechten freien Concilio; und haben damit Kunig und Fursten schochter gemacht,
dass sie gläuben, es wäre wider Gott, so man ihn nit gehorchte in allen
solchen schalkhaftigen listigen Spugnissen. 21 Nu helf uns Gott, und geb
uns der Pasaunen eine, domit die Mauren Hiericho wurden umbworfen, (Jos 6,20)
dass wir diese stroheren und papieren Mauren auch umblasen, und die
christlichen Ruthen, Sund zu strafen, los machen, des Teufels List und Trug
an Tag zu bringen, auf das wir durch Straf uns bessern, und seine Huld wieder
erlangen. Wollen wir die erste Maur am ersten angreiffen. 22 Die erste Mauer Man hat's erfunden, dass
Papst, Bischof, Priester, Klostervolk wird der geistlich Stand genennt:
Fursten, Herrn, Handwerks- und Ackerleut, der weltlich Stand. Wilch gar ein
fein Comment und Gleissen ist. Doch soll niemand darub schuchter werden. Und
das auch dem Grund: dann alle Christen sein wahrhaftig geistlichs Stands, und
ist unter ihn kein Unterscheid, denn des Ampts halben allein; 23 wie Paulus 1 Corinth.,
12,12 sagt, dass wir allesampt ein Korper sein, doch ein iglich Glied sein
eigen Werk hat, damit es dem andern dienet. Das macht allis, dass wir eine
Tauf, ein Evangelium, einen Glauben haben, und sein gleiche Christen, Denn
die Tauf, Evangelium und Glauben, die machen allein geistlich und Christenvolk. 24 Dass aber der Papst oder
Bischof salbet, Platten macht, ordiniert, weihet, anders dann Layen kleidet,
mag einen Gleisner und Olgotzen machen, macht aber nimmermehr ein Christen
oder geistlichen Menschen. Demnach, so werden wir allsampt durch die Tauf zu
Priestern geweihet, wie St. Peter 1 Pet 2,9 sagt: ihr seit ein kuniglich
Priesterthum und ein priesterlich Kunigreich. 25 Und Off.: du hast uns
gemacht durch dein Blut zu Priestern und Kunigen. Dann wo nit ein hoher
Weihen in uns wäre, denn der Papst und Bischof gibt, so wurd nimmermehr durch
Papsts und Bischof Weihen ein Priester gemacht, mocht auch noch Mess halten,
noch predigen, noch absolvieren. 26 Drumb ist des Bischofs
Weihen nit anders, denn als wenn er an Statt und Person der ganzen Sammlung
einen aus dem Haufen nähme, die alle gleiche Gewalt haben, und ihm befiehl,
dieselben Gewalt fur die andern auszurichten; gleich als wenn zehen Bruder,
Kuniges Kinder, gleich Erben, einen erwähleten, das Erb fur sie zu regieren;
sie wären je alle Kunige und gleicher Gewalt, und doch einem zu regieren
befohlen wird. 27 Und dass ich's noch klärer
sag, wenn ein Häuflin frommer Christenlayen wurden gefangen, und in ein
Wustenei gesetzt, die nit bei sich hätten einen geweiheten Priester von einem
Bischof, und wurden allda der Sachen einis, erwähleten einen unter ihn, er
wäre ehlich oder nit, und befiehlen ihm das Ampt zu täufen, Mess halten,
absolvieren und predigen, der wär wahrhaftig ein Priester, als ob ihn alle
Bischoffe und Päpste hätten geweihet. 28 Daher kumpt's, dass in der
Noth ein iglicher täufen und absolvieren kann; das nit muglich wäre, wenn wir
nit alle Priester wären. Solche gross Gnad und Gewalt der Tauf, und des
christlichen Stands, haben sie uns durch's geistlich Recht fast niedergelegt
und unbekannt gemacht. Auf diese Weise erwähleten vorzeiten die Christen aus
dem Haufen ihre Bischof und Priester, die darnach von andern Bischoffen
wurden bestätiget ohn alles Prangen, das itzt regiert. So war St. Augustin,
Ambrosius, Cyprianus Bischof. 29 Dieweil dann nu die
weltlich Gewalt ist gleich mit uns getauft, hat denselben Glauben und
Evangelium, mussen wir sie lassen Priester und Bischof sein, und ihr Ampt
zählen als ein Ampt, das da gehore und nutzlich sei der christlichen Gemeine. 30 Dann was aus der Tauf
krochen ist, das mag sich ruhmen, dass es schon Priester, Bischof und Papst
geweihet sei; ob wohl nit einem iglichen ziempt, solch Ampt zu uben. 31 Dann weil wir alle gleich
Priester sein, muss sich niemand selb erfur thun, und sich unterwinden, ahn
unser Bewilligen und Erwählen das zu thun, dess wir alle gleichen Gewalt
haben. Denn was gemeine ist, mag niemand ohn der Gemeine Willen und Befehle
an sich nehmen. 32 Und wo es geschähe, dass
jemand erwählet zu solchem Ampt, und durch seinen Missbrauch wurd abgesetzt,
so wäre er gleich wie vorhin. Drumb sollt ein Priesterstand nit anders sein
in der Christenheit, dann als ein Amptmann; weil er am Ampt ist, geht er vor;
wo er abgesetzt, ist er en Baur oder Burger, wie die andern. 33 Also wahrhaftig ist ein
Priester nimmer Priester, wo er abgesetzt wird. Aber nu haben sie erdichtet
Characteres indelebiles, und schwätzen, dass ein abgesetzter Priester
dennocht etwas anders sei, dann ein schlechter Laye; ja, sie träumet, es mug
ein Priester nimmermehr anders denn Priester oder ein Laye werden. Das sein
alles Menschen erdichte Rede und Gesetz. 34 So folget aus diesem, dass
Laye, Priester, Fursten, Bischof, und wie sie sagen, Geistlich und Weltlich,
keinen andern Unterscheid im Grund, wahrlich, haben, denn des Ampts oder
Werks halben, und nit des Stands halben. 35 Dann sie sein alle gleichs
Stands, wahrhaftig Priester, Bischof und Päpste; aber nit gleichs einerlei
Werks, gleichwie auch unter den Priestern und Munchen nit einerlei Werk ein
iglicher hat. Und das ist St. Paul Röm. 12,4sqq und 1 Cor. 12,12sqq und
Petrus 1 Petr. 2,9, wie ich droben gesagt, dass wir alle ein Korper sein des
Häupts Jesu Christi, ein iglicher des andern Gliedmass. Christus hat nit zwei
noch zweierlei Art Korper, einen weltlich, den andern geistlich. Ein Häupt
ist, und einen Korper hat er. 36 Gleichwie nu die, so man
itzt geistlich heisst, oder Priester, Bischof oder Päpst sein, von den andern
Christen nit weiter noch würdiger gescheiden, dann dass sie das Wort Gottis
und die Sacrament sollen handeln, das ist ihr Werk und Ampt: also hat die
weltlich Ubirkeyt das Schwerdt und die Ruthen in der Hand, die Bosen damit zu
strafen, die Frummen zu schutzen. 37 Ein Schuster, ein Schmidt,
ein Baur, einiglicher seins Handwerks Ampt und Werk hat, und doch alle gleich
geweihet Priester und Bischoffe; und ein iglich soll mit seinem Ampt oder
Werk den andern nutzlich und dienstlich sein: dass also vielerlei Werk alle
in eine Gemein gerichtet sein, Leib und Seelen zu fodern; gleichwie die
Gliedmass des Korpers alle eins dem andern dienet. 38 Nu sich, wie christlich
das gesetzt und gesagt sei, weltlich Ubirkeit sei nit ubir die Geistlikeit,
soll sie auch nit strafen. Das ist eben so viel gesagt: die Hand soll nichts
dazu thun, ob das Aug gross Noth leidet. Ist's nit unnaturlich, schweig
unchristlich, dass ein Glied dem andern nit helfen, seinem Vorderben nit
wehren soll? Ja, je edler das Gliedmass ist, je mehr die andern ihm helfen
sollen. 39 Drumb sag ich: dieweil
weltlich Gewalt von Gott geordnet ist, die Bosen zu strafen, und die Frummen
zu schutzen, so soll man ihr Ampt lassen frei gehen unvorhindert, durch den
ganzen Korper der Christenheit, niemands angesehen, sie treff Papst, Bischof,
Pfaffen, Munch, Nonnen, oder was es ist. 40 Wenn so das gnug wäre, die
weltlich Gewalt zu hindern, dass sie geringer ist unter den christlichen
Aempten, denn der Prediger und Beichtiger Ampt oder geistliche Stand; so
sollt man auch vorhindern den Schneidern, Schustern, Steinmetzen,
Zimmerleuten, Koch, Kellnern, Baurn, und alle zeitlichen Handwerken, dass sie
dem Papst, Bischoffen, Priestern, Munchen kein Schuh, Kleider, Haus, Essen,
Trinken machten, noch Zins gäben. 41 Lässit man aber diesen
Layen ihre Werk unvorhindert; was machen denn die romischen Schreiber mit
ihre Gesetzen? dass sie sich ausziehen aus dem Werk weltlicher, christlicher
Gewalt, dass sie nur frei mugen bos sein, und erfullen, das St. Petrus gesagt
hat (2. Epist. 2,1): es werden falsch Meister unter euch erstehen, und mit
falschen erdichten Worten mit euch umbgehen, euch im Sack zu vorkäufen. 42 Drumb soll weltlich,
christlich Gewalt ihr Ampt uben frei unvorhindert, unangesehen, ob's Papst,
Bischof, Priester sei, den sie trifft, wer schuldig ist, der leide; was
geistlich Recht dawider gesagt hat, ist lauter erdichtet romisch
Vormessenheit. Denn also sagt St. Pauel allen Christen (Röm. 13, 1.4): ein
igliche Seele (ich halt des Papsts auch,) soll unterthan sein der Ubirkeit;
denn sie trägt nit umbsonst das Schwerdt. Sie dienet Gott damit, zur Straf
der Bosen, und zu Lob der Frummen. 43 Auch St. Petrus (1 Epist. 2,13). seid unterthan allen menschlichen Ordenungen umb Gottis
willen, der es so haben will. Er hat's auch vorkundet, dass kummen wurden
solch Menschen, die die weltlich Ubirkeit wurden vurachten, 2 Epist. 2,10,
wie dann geschehen ist durch geistlich Recht. 44 Also mein ich, diese erste
Papiermaur lieg darnieder; seintemal weltlich Hirrschaft ist ein Mitglied
worden des christlichen Korpers. Und wiewohl sie ein leiblich Werk hat, doch
geistlichs Stands ist; darumb ihr Werk soll frei unvorhindert gehen in alle
Gliedmass des ganzen Korpers, strafen und treiben, wo es die Schuld vordienet
oder Noth fodert, unangesehen Papst, Bischof, Priester, sie dräuen oder
bannen wie sie wollen. 45 Daher kompt's dass die
schuldigen Priester, so man sie in das weltlich Recht uberantwortet, zuvor
entsetzt werden priesterlicher Würden; das doch nit recht wäre, wo nit zuvor
aus gottlicher Ordnung das weltlich Schwerdt ubir dieselben Gewalt hätte. 46 Es ist auch zuviel, dass man
so hoch im geistlichen Recht hebt der geistlichen Freiheit, Leib und Guter,
gerad als wären die Layen nit auch so geistlich gute Christen als sie, oder
als gehorten sie nichts zur Kirchen. 47 Warumb ist dein Leib,
Leben, Gut und Ehr so frei, und nit das meine, so wir doch gleich Christen
sein, gleich Tauf, Glauben, Geist und alle Ding haben? Wird ein Priester
erschlagen, so liegt ein Land im Interdict; warumb auch nit, wenn ein Baur
erschlagen wird? Wo kumpt her solchs gross Unterscheid unter den gleichen
Christen? Allein aus Menschengesetzen und Dichten. 48 Es muss auch kein guter
Geist sein, der solch Auszug erfunden, und die Sund frei unsträflich gemacht
hat. Dann so wir schuldig sein wider den bosen Geist, seine Werk und Wort zu
streiten, und ihn vortreiben, wie wir mugen, als uns Christus gebeut und
seine Apostel; 49 wie kämen wir dann dazu,
dass wir sollten still halten und schweigen, wo der Papst oder die Seinen
teufelich Wort oder Werk furnähmen? Sollten wir umb's Menschen willen
gottlich Gebot und Wahrheit lassen niederlegen, der wir in der Tauf
geschworen haben beizustehen mit Leib und Leben? furwahr, wir wären schuldig
aller Seelen, die dadurch vorlassen und vorfuhret wurden. 50 Drumb muss das der
Häuptteufel selb gesagt haben, das im geistlichen Recht steht: wenn der Papst
so schädlich bos wäre, dass er gleich die Seelen mit grossem Haufen zum
Teufel fuhret, könnt man in dennocht nit absetzen. Auf diesen vorfluchten,
teufelichen Grund bauen sie zu Rom und meinen, man soll ehe alle Welt zum Teufel
lassen fahren, denn ihrer Buberei widerstreben. 51 Wenn es gnug wäre doran,
dass einer uber den andern ist, darumb er nit zu strafen sei, musst kein
Christen den andern strafen, seintemal Christus gebeut, ein iglicher soll
sich den Untirsten und Geringsten halten. (Matth. 18,4; Luk 9,48). 52 Wo Sund ist, da ist schon
kein Behelf mehr wider die Straf; als auch St. Gregorius schreibt, dass wir
wohl alle gleich sein, aber die Schuld macht einen unterthan dem andern. Nu
sehen wir, wie sie mit der Christenheit umbgahn, nehmen ihr die Freiheit ohn
alle Beweisung aus der Schrift, mit eigenem Frevel, die Gott und die Apostel
haben unterworfen dem weltlichen Schwerdt, dass zu besorgen ist, es sei des
Endchrists Spiel, oder sein nähster Vorlauft. 53 Die andere Mauer. Die ander Maur ist noch loser
und untuchtiger, dass sie allein wollen Meister der Schrift sein, ob sie
schon ihr Leblang nichts drinnen lernen, vormessen sich allein der Ubirkeit,
gaukel fur uns mit unvorschampten Worten: der Papst mug nit irren im Glauben,
er sei bos oder frumm; mugen desselben nit einen Buchstaben anzeigen. 54 Daher kompt es, dass so
viel ketzerisch und unchristlich, ja unnaturliche Gesetz stehen im
geistlichen Recht, davon itzt nit noth zu reden. Dann dieweil sie es achten,
der heilig Geist lass sie nit, sie sein so ungelehret und bose, wie sie
kunnten, werden sie kuhne, zu setzen, was sie nur wollen. 55 Und wo das wäre, wozu wäre
die heilige Schrift noth oder nutze? Lasset sie uns vorbrennen, und benugen
an den ungelehreten Herrn zu Rom, die der heilig Geist innen hat, der doch
nit dann frumme Herzen mag innen haben. Wenn ich's nit gelesen hätt, wäre
mir's ungläublich gewesen, dass der Teufel sollt zu Rom solch ungeschickt
Ding furwenden und Anhang gewinnen. 56 Doch dass wir nit mit Worten
wider sie fechten, wollen wir die Schrift herbringen. St. Paul spricht 1 Cor.
14,30: so jemand etwas Besseres offenbar wird, ob er schon sitzt, und dem
andern zuhoret in Gottis Wort, so soll der erst, der do red't, stillschweigen
und weichen. 57 Was wäre dies Gebot nutz,
so allein dem zu gläuben wäre, der do red't oder obenan sitzt? Auch Christus
sagt Joh. 6,45, dass alle Christen sollen gelehret werden von Gott, so mag es
je geschehen, dass der Papst und die Seinen bos sein und nit rechte Christen
sein, noch von Gott gelehret, rechten Vorstand haben; wiederumb, ein geringer
Mensch den rechten Vorstand haben: warumb sollt man ihm denn nit folgen? Hat
nicht der Papst vielmal geirret? Wer wolt der Christenheit helfen, so der
Papst irret, wo nit einem andern mehr dann ihm glaubt wird, der die Schrift
fur sich hätte. 58 Drumb ist's ein frevel
erdichte Fabel, und mugen auch keinen Buchstaben aufbringen, damit sie
bewähren, dass des Papsts allein sei, die Schrift auszulegen, oder ihr
Auslegung zu bestätigen; sie haben in die Gewalt selbs genommen. Und ob sie
furgeben, es wäre St. Peter die Gewalt geben, da ihm die Schussel seind
geben, ist's offenbar gnug, dass die Schlussel nit allein St. Petro, sondern
der ganzen Gemein geben sein. 59 Darzu die Schlussel nit
auf die Lahre oder Regiment, sondern allein auf die Sunde zu binden oder
losen geordnet sein, (Joh. 20,22.23) und ist eitel erdichtet Ding, was sie
anders und weiter aus den Schlussel ihn zuschreiben. 60 Dass aber Christus sagt zu
Petro (Luc. 22,32): ich hab fur dich gebeten, dass dein Glaub nit zurgehe,
mag sich nit strecken auf den Papst; seintemal das mehrer Theil der Papst ohn
Glauben gewesen sein, wie sie selb bekennen mussen: so hat Christus auch nit
allein fur Petro gebeten, sondern auch fur alle Apostel und Christen; wie er
sagt Joh. 17,9.20: Vater, ich bitte fur sie, die du mir geben hast; und nit
allein fur sie, sondern fur alle, die durch ihr Wort gläuben in mich. Ist das
nit klar gnug gered't? 61 Denk dach bei dir selb,
sie mussen bekennen, dass frumme Christen unter uns sein, die den rechten
Glauben, Geist, Vorstand, Wort und Meinung Christi haben; je warumb sollt man
denn derselben Wort und Vorstand vorwerfen, und dem Papst folgen, der nit
Glauben noch Geist hat? Wäre doch das den ganzen Glauben und die
christenlichen Kirche vorleugnet. 62 Item, es muss je nit
allein der Papst recht haben, so der Artikel recht ist: ich gläub ein heilige
christliche Kirche; oder mussen also beten: ich gläub in den Papst zu Rom;
und also die christliche Kirch ganz in einen Menschen ziehen, wilchs nit
anders dann teufelisch und höllisch Irrthumb wäre. Ubir das, so sein wie je
alle Priester, wie droben gesagt ist, alle einen Glauben, ein Evangelium,
einerlei Sacrament haben; wie sollten wir denn nit auch haben Macht zu
schmecken und urtheilen, was do recht oder unrecht im Glauben wäre 63 Wo bleibt das Wort Pauli 1
Cor. 2,15: ein geistlicher Mensch richtet alle Ding, und wird von niemands
gerichtet; und 2 Cor. 4,13: wir haben alle einen Geist des Glaubens; wie,
sollten wir denn nit fuhlen, sowohl als ein ungläubiger Papst, was dem
Glauben eben oder uneben ist. 64 Aus diesem allen und
vielen andern Spruchen sollen wir muthig und frei werden, und den Geist der
Freiheit (wie ihn Paulus nennet 2. Cor. 3,17) nit lassen, mit erdichten
Worten der Päpst, abschrecken; sondern frisch hindurch allis, was sie thun
oder lassen, nach unserm gläubigen Vorstand der Schrift richten, und sie
zwingen zu folgen dem bessern, und nit ihrem eigen Vorstand. 65 Musste doch vorzeiten
Abraham seine Sara horen, (1 Mos. 21,12) die doch ihm härter unterworfen war,
denn wir jemand auf Erden; so war die Eselinne Balaam auch kluger denn der
Prophet selbs. Hat Gott da durch ein Eselinne redet gegen einen Propheten, (4
Mos 22,28) warumb sollt er nit noch reden kummen durch ein frumm Mensch gegen
dem Papst? Item, St. Paul straft St. Peter als einen Irrigen, Galat. 2,11ff,
drumb gebuhrt einem iglichen Christen, dass er sich des Glaubens annehm, zu
vorstehen und vorfechten, und alle Irrthumb zu vordammen. 66 Die dritte Mauer Die dritte Maur fällt von ihr
selbs, wo diese erste zwo fallen. Dann wo der Papst wider die Schrift
handelt, sein wir schuldig der Schrift beizustehen, ihn strafen und zwingen
nach dem Wort Christi Matth. 18,15: sundiget dein Bruder wider dich, so gang
hin und sag's ihm zwischen dir und ihm allein; horet er dich nit, so nimm
noch einen oder zween zu dir; horet er die nit, so sag es der Gemeine. Horet
er die Gemeine nit, so halt ihn als einen Heiden. 67 Hie wird befohlen einem
iglichen Glied, fur das ander zu sorgen; wie vielmehr sollen wir darzu thun,
wo ein gemein regiernd Glied ubel handelt, wilchs durch seinen Handel viel
Schaden und Aegerniss gibt den andern. Soll ich ihn denn vorklagen fur der
Gemeine, so muss ich sie ja zusammenbringen. Sie haben auch keinen Grund der
Schrift, dass alein dem Papst gebuhr ein Concilium zu berufen oder
bestätigen, dann allein ihre eigene Gesetz, die nit weiter gelten, dann so
ferne sie nit schädlich sein der Christenheit und Gottis Gesetzen. 68 Wo nu der Papst sträflich
ist, horen solch Gesetz schon auf, dieweil es schädlich ist der Christenheit,
ihn nit strafen durch ein Concilium. So lesen wir Apostg. 15,6, dass der
Apostel Concilium nit St. Peter hat berufen, sondern alle Apostel und die
Aeltisten. 69 Wo nu St. Peter das allein
hätt gebuhrt, wäre das nit ein christlich Concilium, sondern ein ketzrisch
Conciliabulum gewesen. Auch das beruhmbtiste Concilium Nicenum hat der
Bischof zu Rom noch berufen noch bestätiget, sondern der Kaiser Konstantinus,
und nach ihm viel ander Kaiser desselben gleichen than, das doch die
allerchristlichen Concilia gewesen sein. 70 Aber sollt der Papst
allein die Gewalt haben, so mussten sie alle ketzrisch gewesen sein. Auch wenn
ich ansehe die Concilia, die der Papst gemacht hat, find ich nit besonders,
das drinnen ist ausgericht. 71 Darumb, wa es die Noth
fodert, und der Papst ärgerlich der Christenheit ist, soll darzu thun, wer am
ersten kann, als ein treu Glied des ganzen Korpers, dass ein recht frei
Concilium werde. Wilch niemand so wohl vormag, als das weltlich Schwerdt;
sonderlich dieweil sie nu auch Mitchristen sein, Mitpriester, mitgeistlich,
mitmächtig in allen Dingen, und soll ihre Ampt und Werk, das sie von Gott haben
ubir idermann, lassen frei gehen, wo es noth und nutz ist zu gehen. 72 Wäre das nit ein
unnaturlich Furnehmen, so ein Feur in einer Stadt aufginge, und idermann
sollt stille stehen, lassen fur und fur brennen, was do brennen mag, allein
darumb, dass sie nit die Macht des Burgemeisters hätten, oder das Feur
vielleich an des Burgemeisters Haus anhube? Ist nit hie ein iglicher Burger
schuldig, die andern zu bewegen und berufen? 73 Wie vielmehr soll das in
der geistlichen Stadt Christi geschehen, so ein Feur des Aegerniss sich
erhebt, es sei an des Papsts Regiment, oder wo es wolle. Desselben gleichen
geschicht auch, so die Feind eine Stadt uberfielen: da vordienet der Ehr und
Dank, der die andern am ersten aufbringt. Warumb sollt denn der nit Ehre
vordienen, der die höllischen Feind vorkundet, und die Christen erweckt und
beruft? 74 Dass sie aber ihre Gewalt
ruhmen, der sich's nit zieme wiederzufechten, ist gar nichts gered't. Es hat
niemand in der Christenheit Gewalt, Schaden zu thun, oder Schaden zu wehren
vorbieten. Es ist kein Gewalt in der Kirchen denn nur zur Besserung; drumb wo
sich der Papst wollt der Gewalt brauchen, zu wehren ein frei Concilium zu
machen, damit vorhindert wurd die Besserung der Kirchen; so sollen wir ihn
und seine Gewalt nit ansehen; und wo er bannen und donnern wurd, sollt man
das furachten als eins tollen Menschen Furnehmen, und ihn in Gottis
Zuvorsicht wiederumb bannen und treiben, wie man mag. 75 Dann solch seine
vormessene Gewalt ist nichts, er hat sie auch nit, und wird bald mit einen
Spruch der Schrift niedergelegt. Denn Paulus 2 Cor. 10,8 sagt: Gott hat uns
Gewalt geben, nit zu vorderben, sondern zu bessern die Christenheit. Wer will
uber diesen Spruch hupfen? Des Teufels und Endchrists Gewalt ist's, die do
wehret, was zur Besserung dienet der Christenheit; darumb ihr gar nit zu
folgen, sondern widerzustehen ist, mit Leib, Gut, und allem, was wir
vormugen. 76 Und wo gleich ein
Wunderzeichen fur den Papst wider die weltlich Gewalt geschähe, oder jemand
en Plag widerfuhre, wie etlichmal sie ruhmen, geschehen sei, soll man dasselb
nit anders achten, dann als durch den Teufel geschehen, umb unsers Glaubens
zu Gott Gebrechen. 77 Wie dasselb Christus
vorkundigt hat Matth. 24,23: es werden kummen in meinem Namen falsche
Christen und falsche Propheten, Zeichen und Wunder thun, dass sie auch die
Auserwähleten mochten vorfuhren, und St. Paul sagt 2 Thessal. 2,9f, dass der
Endchrist werde durch Satanam mächtig sein in falschen Wunderzeichen. 78 Drumb lasset uns das fest
halten: christliche Gewalt mag nichts wider Christum; wie St. Paul sagt (2.
Cor. 13,8): wir vormugen nichts wider Christum, sondern fur Christum zu thun.
Thut sie aber etwas wider Christum, so ist sie des Endchrists und Teufels
Gewalt, und sollt sie Wunder und Plagen regnen und schlossen. Wunder und
Plagen bewähren nichts, sonderlich in dieser letzten ärgisten Zeit, von
wilcher falsche Wunder vorkundet sein in aller Schrift, (2 Thess. 2,9.10).
Drumb mussen wir uns an die Wort Gottis halten mit festem Glauben, so wird
der Teufel seine Wunder wohl lassen. 79 Hiemit, hoff ich, soll das
falsch lugendhaftige Schrecken, damit uns nu lange Zeit die Romer haben
schuchter und blod Gewissen gemacht, ernieder liegen. Und dass sie mit uns
allen gleich dem Schwerdt unterworfen sein, die Schrift nit Macht haben
auszulegen durch lauter Gewalt, ohn Kunst, und keinen Gewalt haben ein
Concilium zu wehren, oder noch ihrem Muthwillen pfänden, vorpflichten, und
seine Freiheit nehmen; und wo sie das thun, dass sie wahrhaftig des
Endchrists und Teufels Gemeinschaft sein, nichts von Christo, denn den Namen
haben. |
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