Die Schmalkaldischen Artikel


Artikel christlicher Lehre,

so da hätten sollen aufs Konzilium in Mantua, oder wo es sonst worden wäre, überantwortet werden von unsers Teils wegen, und was wir annehmen oder nachgeben könnten oder nicht usw.,

durch D. Martin Luthern geschrieben

Anno 1537.

Vorrede Doktor Martin Luthers.

1] Da der Papst Paulus, des Namens der dritte, ein Konzilium ausschrieb im vergangenen Jahr, auf die Pfingsten, zu Mantua zu halten, und hernach von Mantua wegrückte, daß man noch nicht weiss, wohin er’s legen will oder kann, und wir uns auf unsern Teil versehen sollten, daß wir entweder auch zum Konzilio berufen oder unberufen verdammt würden: ward mir befohlen, Artikel unsere Lehre zu stellen und zusammen[zu]bringen, ob’s zur Handlung [wenn es zur Verhandlung] käme, was und wiefern wir wollten oder könnten den Papisten weichen, und auf welchen wir gedächten endlich zu beharren und zu bleiben.

2] Demnach habe ich diese Artikel zusammen[ge]bracht und unserm Teil überantwortet. Die sind auch von den unsern angenommen und einträchtiglich bekannt, und beschlossen, daß man sie solle (wo der Papst mit den Seinen einmal so kühn wollte werden, ohne Lügen und Trügen, mit Ernst und wahrhaftig ein recht frei, christlich Konzilium zu halten, wie er wohl schuldig wäre) öffentlich überantworten und unsers Glaubens Bekenntnis vorbringen.

3] Aber weil sich der römische Hof so greulich vor einem freien christlichen Konzilio fürchtet und das Licht so schändlich fleucht, daß er auch denen, die seines Teils sind, die Hoffnung genommen hat, als werde er nimmermehr ein frei, christlich Konzilium leiden, viel weniger selbst halten; daran sie sich denn, wie billig, fast [sehr] ärgern und nicht geringe Beschwerungen darüber haben, als die daran merken, daß der Papst lieber wollte die ganze Christenheit verloren und alle Seelen verdammt sehen, ehe er sich oder die Seinen wollte ein wenig reformieren und seiner Tyrannei ein Mass setzen lassen: so hab’ ich gleichwohl diese Artikel indes wollen durch öffentlichen Druck an den Tag geben, ob ich ja eher sterben sollte, denn ein Konzilium würde (wie ich mich ganz versehe und verhoffe), weil die lichtflüchtigen und tagscheünden Schelme so jämmerlich Mühe haben, das Konzilium zu verziehen und zu verhindern., damit die, so nach mir leben und bleiben werden, mein Zeugnis und Bekenntnis haben vorzuwenden [anzuführen] über das [ausser dem] Bekenntnis, daß ich zuvor [im Jahre 1528] habe lassen ausgehen, darauf ich auch noch bisher [ge]bleiben bin und bleiben will mit Gottes Gnade.

4] Denn was soll ich sagen? Wie soll ich klagen? Ich bin noch im Leben, schreibe, predige und lese täglich, noch [dennoch] finden sich solche giftige Leute, nicht allein unter den Widersachern, sondern auch falsche Brüder, die unsers Teils sein wollen, die sich unterstehen, meine Schrift und Lehre stracks wider mich zu führen, lassen mich zusehen und zuhören, ob sie wohl wissen, daß ich anders lehre, und wollen ihr Gift mit meiner Arbeit schmücken und die armen Leute unter meinem Namen verführen. Was will doch immermehr nach meinem Tode werden?

5] Ja, ich sollte billig alles verantworten, weil [solange] ich noch lebe. Ja wiederum, wie kann ich allein alle Mäuler des Teufels stopfen? sonderlich denen (wie sie alle vergiftet sind), die nicht hören noch merken wollen, was wir schreiben, sondern allein an dem sich üben mit allem Fleiss, wie sie unsere Worte in allen Buchstaben aufs schändlichste verkehren und verderben mögen. Solchen lasse ich den Teufel antworten oder zuletzt Gottes Zorn, wie sie verdienen. 6] Ich denke oft an den guten Gerson, der zweifelte, ob man etwas Gutes sollte öffentlich schreiben. Tut man’s nicht, so werden viel Seelen versäumt, die man könnte erretten; tut man’s aber, so ist der Teufel da mit unzähligen giftigen, bösen Mäulern, die alles vergiften und verkehren, daß doch die Frucht verhindert wird. 7] Doch was sie daran gewinnen, steht man am Tage. Denn sintemal sie so schändlich wider uns gelogen und die Leute mit Lügen haben wollen behalten, hat Gott sein Werk immer fort [voran] getrieben, ihren Haufen immer kleiner und unsern größer gemacht und sie mit ihren Lügen zuschanden lassen werden, und noch immerfort.

8] Ich muss eine Historia sagen. Es ist hie zu Wittenberg gewesen aus Frankreich ein Doktor gesandt, der vor uns öffentlich sagte, daß sein König gewiß und übergerwiß wäre, daß bei uns keine Kirche, keine Obrigkeit, kein Ehestand sei, sondern ginge alles untereinander wie das Vieh und täte jedermann, was er wollte. 9] Nun rat, wie werden uns an jenem Tage vor dem Richt[er]stuhl Christi ansehen die, so solche grobe Lügen dem Könige und andern Landen durch ihre Schrift eingebildet [eingeprägt, weisgemacht] haben für eitel Wahrheit? Christus, unser aller Her und Richter, weiss ja wohl, daß sie lügen und gelogen haben; des Urteil werden sie wiederum müssen hören; daß weiss ich fürwahr. Gott bekehre, die zu bekehren sind, zur Busse! Den andern wird’s heissen: Weh und Ach ewiglich!

10] Und daß ich wieder komme zur Sache, möchte ich fürwahr wohl gern ein recht christlich Konzilium sehen, damit doch viel Sachen und Leuten geholfen würde. Nicht daß wir’s bedürfen; denn unsere Kirchen sind nun durch Gottes Gnade mit dem reinen Wort und rechtem Brauch der Sakramente, mit Erkenntnis allerlei Stände und rechten Werken also erleuchtet und beschickt [versorgt], daß wir unserthalben nach keinem Konzilio fragen und in solchen Stücken vom Konzilio nichts Besseres zu hoffen noch zu gewarten wissen. Sondern da sehen wir in den Bistümern allenthalben viel Pfarren ledig und wüst, daß einem das Herz möchte brechen, und fragen doch weder Bischöfe noch Tumherren [Domherren] danach, wie die armen Leute leben oder sterben, für welche doch Christus ist gestorben, und sollen denselben nicht hören mit ihnen reden als den rechten Hirten mit seinen Schafen, 11] daß mir graut und bange ist, er möchte einmal einst ein Engelkonzilium lassen gehen über Deutschland, das uns alle in Grund verderbte wie Sodom und Gomorra, weil wir sein so freventlich mit dem Konzilio spotten.

12] Über solche nötige Kirchensachen wären auch in weltlichem Stande unzählige grosse Stücke zu bessern. Da ist Uneinigkeit der Fürsten und Stände, Wucher und Geiz find wie eine Sündflut eingerissen und eitel Recht geworden, Mutwille, Unzucht, Übermut mit Kleidern, Fressen, Spielen, Prangen mit allerlei Untugend und Bosheit, Ungehorsam der Untertanen, Gesinde und Arbeiter aller Handwerke, auch der Baürn Übersetzung [Übervorteilung] (und wer kann’s alles erzählen?) haben also überhandgenommen, daß man’s mit zehn Konziliis und zwanzig Reichstagen nicht wieder wird zurechtbringen. 13] Wenn man solche Hauptstücke des geistlichen und weltlichen Standes, die wider Gott find, im Konzilio würde handeln, so würde man wohl zu tun kriegen alle Hände voll, daß man dieweil wohl würde vergessen des Kinderspiels und Narrenwerks von langen Röcken, grossen Platten [Tonsuren], breiten Gürteln, Bischofs= und Kardinalshüten oder Stäben und dergleichen Gaukelei. Wenn wir zuvor hätten Gottes Gebot und Befehl ausgerichtet im geistlichen und weltlichen Stande, so wollten wir Zeit genug finden, die Speisen, Kleider, Platten und Kaseln [Messkleider] zu reformieren. Wenn wir aber solche Kamele verschlingen und dafür Mücken seigen, die Balken lassen stehen und die Splitter richten wollen, so möchten wir wohl auch mit dem Konzilio zufreiden sein.

14] Darum hab’ ich wenig Artikel gestellt; denn wir ohne das von Gott so viel Befehl haben in der Kirche, in der Obrigkeit, im Hause zu tun, daß wir sie nimmermehr ausrichten können. Was soll’s denn, oder wozu hilft’s, daß man drüber viel Dekrete und Satzungen im Konzilio macht, sonderlich so man diese Hauptstücke, von Gott geboten, nicht achtet noch hält? Gerade als müsste er unser Gaukelspiel feiern [ehren] dafür, daß wir seine ernsten Gebote mit Füssen treten. Aber unsere Sünden drücken uns und lassen Gott nicht gnädig über uns sein; denn wir büssen auch nicht [tun keine Busse], wollen dazu noch allen Greül verteidigen.

15] Ach lieber Her Jeu Christe, halt du selber Konzilium und erlöse die Deinen durch deine herrliche Zukunft! Es ist mit dem Papst und den Seinen verloren; sie wollen dein nicht. So hilf du uns Armen und Elenden, die wir zu dir seufzen und dich suchen mit Ernst, nach der Gnade, die du uns gegeben hast, durch deinen Heiligen Geist, der mit dir und dem Vater lebet und regieret, ewiglich gelobet? Amen.

Das erste Teil

ist von den hohen Artikeln der göttlichen Majestät, als:

I.

Daß Vater, Sohn und Heiliger Geist, in einem göttlichen Wesen und Natur, drei unterschiedliche Personen, ein einiger Gott ist, der Himmel und Erde geschaffen hat;

II.

Daß der Vater von niemand, der Sohn vom Vater geboren, der Heilige Geist vom Vater und Sohn ausgehend;

III.

Daß nicht der Vater noch Heiliger Geist, sondern der Sohn sei Mensch [ge]worden;

IV.

Daß der Sohn sei also Mensch [ge]worden, daß er vom Heiligen Geist ohne männlich Zutun empfangen und von der reinen, heiligen Jungfrau Maria geboren sei; danach gelitten, gestorben, begraben, zur Hölle gefahren, auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, künftig zu richten die Lebendigen und die Toten usw. Wie der Apostel, item St. Athanasii Symbolum und der gemeine Kinderkatechismus Lehrt.

Diese Artikel sind in keinem Zank noch Streit, weil wir zu beiden Teilen dieselben bekennen. Darum [ist] nicht vonnöten, jetzt davon weiter zu handeln.

Das andere Teil

ist von den Artikeln, so das Amt und Werk Jesu Christi oder unsere Erlösung betreffen.

Hier ist der erste und Hauptartikel:

1] Daß Jesus Christus, unser Gott und Her, sei um unserer Sünden willen gestorben und um unserer Gerechtigkeit willen auferstanden, Röm. 4.

2] Und er allein das Lamm Gottes ist, das der Welt Sünde trägt, Joh. 1. Und Gott unser aller Sünde auf ihn gelegt hat, Jesaia 53.

3] Item: Sie sind allzumal Sünder und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung Jeu Christi in seinem Blut usw. Röm. 3.

4] Dieweil nun solches muss geglaubt werden und sonst mit keinem Werk, Gesetz noch Verdienst mag [kann] erlangt oder gefasst werden, so ist es klar und gewiss, daß allein solcher Glaube uns gerecht mache, wie Röm. 3 St. Paulus spricht: "Wir halten, daß der Mensch gerecht werde ohne Werke des Gesetzes durch den Glauben"; item: "Auf daß er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jeu."

5] Von diesem Artikel kann man nichts weichen oder nachgeben, es falle Himmel und Erde, oder was nicht bleiben will. "Denn es ist kein anderer Name den Menschen gegeben, dadurch wir können selig werden", spricht Petrus Act 4. "und durch seine Wunden sind wir geheilet", Jes. 53 Und auf diesem Artikel steht alles, was wir wider den Papst, Teufel und Welt lehren und leben. Darum müssen wir des gar gewiss sein und nicht zweifeln, sonst ist es alles verloren und behält Papst und Teufel und alles wider uns den Sieg und Recht.

Der II. Artikel. Von der Messe.

1] Daß die Messe im Papsttum muss der grösste und schrecklichste Greül sein als die stracks und gewaltiglich wider diesen Hauptartikel strebt und doch über und vor allen andern päpstlichen Abgöttereien die höchste und schönste gewesen ist. Den es ist gehalten [sie halten dafür], daß solch Opfer oder Werk der Messe (auch durch einen bösen Buben getan) helfe dem Menschen von Sünden, beide hier im Leben und dort im Fegfeür, welches doch allein soll und muss tun das Lamm Gottes, wie droben gesagt. Von diesem Artikel ist auch nicht zu weichen oder nachzulassen; denn der erste Artikel leidet’s nicht.

2] Und wo etwa vernünftige Papisten wären, möchte man dermassen [gemässigt] und freundlicherweise mit ihnen reden: Erstlich, warum sie doch so hart an der Messe hielten? Ist’s doch ein lauter Menschenfündlein, von Gott nicht geboten. Und alle Menschenfündlein mögen wir fallen lassen, wie Christus spricht Matth. 15: "Sie dienen mir vergeblich mit Menschengeboten."

Zum andern ist’s ein unnötig Ding, das man ohne Sünde und [Ge]Fahr wohl lassen kann.

4] Zum dritten kann man das Sakrament viel besser und seliger[er] Weise (ja allein seliger Weise) nach Christus’ Einsetzung kreigen. Was ist’s denn daß man um einer erdichteten, unnötigen Sache willen, da man’s sonst wohl und seliger haben kann, die Welt in Jammer und Not wollte zwingen?

5] Man lasse den Leuten öffentlich predigen, wie die Messe als ein Menschentand möge ohne Sünde nachbleiben und niemand verdammt werde, wer sie nicht achte, sondern möge wohl ohne Messe, durch bessere Weise selig werden: was gilt’s ob die Messe alsdann nicht von ihr selbst fallen wird, nicht allein bei dem tollen Pöbel, sondern auch bei allen frommen, christlichen, vernünftigen, gottesfürchtigen Herzen; viel mehr, wo sie hören würden daß es ein [ge]fährlich Ding, ohne Gottes Wort und willen erdichtet und erfunden ist.

6] Zum vierten, weil solche unzählige unaussprechliche Mißbräuche in aller Welt mit Kaufen und Verkaufen der Messen entstanden [sind], sollte man sie billig lassen fahren, auch allein [um] solchen Mißbräuchen zu wehren, wenn sie gleich an ihr selbst etwas Nützliches und Gutes hätte. Wieviel mehr soll man sie fahren lassen, solche Mißbräuche ewiglich zu verhüten, weil sie doch gar unnötig, unnütz und [ge]fährlich ist und man alles nötiger, nützlicher und gewisser ohne die Messe haben kann!

7] Zum fünften. Nun aber die Messe nichts anders ist noch sein kann (wie der Kanon und alle Bücher sagen) denn ein Werk der Menschen (auch böser Buben), damit einer sich selbst und andere mit sich gegen Gott versöhnen, Vergebung der Sünden und Gnade erwerben und verdienen will (denn also wird sie gehalten, wenn sie aufs allerbeste wird gehalten; was sollte sie sonst?), so soll und muss man sie verdammen und verwerfen. Denn das ist stracks wider den Hauptartikel, der da sagt, daß nicht ein böser oder frommer Meßknecht mit seinem Werk, sondern das Lamm Gottes und Sohn Gottes unsere Sünde trägt.

8] Und ob einer zum guten Schein wollte vorgeben, er wollte zur Andacht sich selbst berichten [mit dem Sakrament versehen] oder kommunizieren, das ist nicht Ernst. Den wo [wenn] er mit Ernst will kommunizieren, so hat er’s gewiss und aufs beste im Sakrament, nach der Einsetzung Christi gereicht. Aber sich selbst kommunizieren ist ein Menschendünkel [eine menschliche Meinung], ungewiss und unnötig dazu verboten. Und er weiss auch nicht, was er macht, weil er ohne Gottes Wort falschem Menschendünkel und Fündlein [Erfindung] folgt. 9] So ist’s auch nicht Recht (wenn alles sonst schlecht [richtig] wäre), daß einer das gemeine Sakrament der Kirche nach seiner eigenen Andacht will brauchen und damit seines Gefallens ohne Gottes Wort ausser der Kirche Gemeinschaft spielen.

10] Dieser Artikel von der Messe wird’s ganz und gar sein im Konzilio. Denn wo es möglich wäre daß sie uns alle andern Artikel nachgäben, so können sie doch diesen Artikel nicht nachgeben. Wie der Campegius zu Augsburg gesagt, er wollte sich eher auf [in] Stücke zerreissen lassen, ehe er wollte die Messe fahren lassen. So werde ich mich auch mit Gottes Hilfe eher lassen zu Asche machen, ehe ich einen Messknecht mit seinem Werke, er sei gut oder böse, lasse meinem Hern und Heiland Jeu Christo gleich oder höher sein. Also sind und bleiben wir ewiglich geschieden und widereinander. Sie fühlen’s wohl, wo die Messe fällt, so liegt das Papsttum; ehe sie das lassen geschehen, so töten sie uns alle, wo sie es vermögen.

11] Über das alles hat dieser Drachenschwanz, die Messe, viel Ungeziefer und Geschmeiss, mancherlei Abgötterei gezeugt.

12] Erstlich das Fegfeür. Da hat man mit Seelenmessen, Vigilien, dem Siebenten, dem Dreissigsten und jährlichen Begängnissen, zuletzt mit der Gemeinwoche und aller Seelen Tag und Seelbad [Freibad für Arme, zum Seelenheil des Stifters gespendet] ins Fegfeür gehandelt, daß die Messe schier allein für die Toten gebraucht ist, so doch Christus das Sakrament allein für die Lebendigen gestiftet hat. Darum ist das Fegfeür mit allem seinem Gepränge, Gottesdienst und Gewerbe für ein lauter Teufelsgespenst zu achten. Denn es ist auch wider den Hauptartikel, daß allein Christus und nicht Menschenwerk den Seelen helfen soll; ohne daß sonst auch uns nichts von den Toten befohlen noch geboten ist. Derhalben mag man es wohl lassen, wenn es schon kein Irrtum noch Abgötterei wäre.

13] Die Papisten führen hier Augustinum und etliche Väter [an], die vom Fegfeür sollen geschrieben haben, und meinen, wir sehen nicht, wozu und wohin sie solche Sprüche führen. St. Augustinus schreibt nicht, daß ein Fegfeür sei, hat auch keine Schrift, die ihn dazu zwinge, sondern lässt es in Zweifel hangen ob eins sei, und sagt, seine Mutter habe begehrt, daß man ihrer sollte gedenken bei dem Altar oder Sakrament. Nun, solches alles ist ja nichts denn Menschenandacht gewesen einzelner Personen, die keine Artikel des Glaubens (welches allein Gott zugehört) stiften.

14] Aber unsere Papisten führen solch Menschenwort dahin, daß man solle glauben ihrem schändlichen, lästerlichen, verfluchten Jahrmarkt von Seelmessen ins Fegfeür zu opfern usw. Solches werden sie noch lange nicht aus St. Augustino beweisen. Wenn sie nun den fegfeürischen Messenjahrmarkt abgetan haben, davon St. Augustinus nie geträumt hat, alsdann wollen wir mit ihnen reden, ob St. Augustinus’ Wort ohne Schrift möge zu dulden sein und der Toten gedacht werden bei dem Sakrament. 15] Es gilt nicht, daß man aus der heiligen Väter Werken oder Worten Artikel des Glaubens macht, sonst müsste auch ein Artikel des Glaubens werden, was sie für Speise, Kleider, Häuser usw. gehabt hätten, wie man mit dem Heiligtum [Reliquien] getan hat. Es heisst, Gottes Wort soll Artikel des Glaubens stellen und sonst niemand, auch kein Engel.

16] Zum andern ist das daraus gefolgt, daß die bösen Geister haben viel Büberei angerichtet, daß sie als Menschenseelen erschienen sind, Messen, Vigilien, Wallfahrten und andere Almosen geheischt mit unsäglichen Lügen und Schalkheiten. 17] Welches wir alle haben für Artikel des Glaubens halten und danach leben müssen, und der Papst [hat] solches bestätigt, wie auch die Messe und alle andern Greül. Hier ist auch kein weichen oder Nachlassen.

18] Zum dritten die Wallfahrten. Da hat man auch gesucht Messen, Vergebung der Sünden und Gottes Gnade; denn die Messe hat’s alles regiert. Nun ist das ja gewiss, daß solche Wallfahrten ohne Gottes Wort uns nicht geboten, auch nicht vonnöten [sind], weil wir’s wohl besser haben mögen und sie ohne alle Sünde und [Ge]Fahr lassen mögen. Warum lässt man denn daheim eigene Pfarren, Gottes Wort, Weib und Kind usw., die nötig und geboten sind, und läuft den unnötigen ungewissen, schädlichen Teufelsirrwischen nach? 19] Ohne daß der Teufel den Papst geritten hat, solches zu preisen und [zu] bestätigen, damit die Leute ja häufig von Christo auf ihre eigenen Werke fielen und abgöttisch würden, welches das ärgste dran ist, über das, daß es unnötig, ungeboten, ungeraten und ungewiss, dazu schädlich Ding ist. Darum ist hier auch kein Weichen oder Nachgeben usw. 20] Und man lasse solches predigen, daß es unnötig, dazu [ge]fährlich sei; danach [wird man] sehen, wo Wallfahrten bleiben.

21] Zum vierten die Brüderschaften, da sich die Klöster, Stifte, auch Vikaristen haben verschrieben und mitgeteilt (rechtes und redliches Kaufs) alle Messen, gute Werke usw., beide für Lebendige und Tote; welches nicht allein eitel Menschentand, ohne Gottes Wort, ganz unnötig und ungeboten, sondern auch wider den ersten Artikel der Erlösung ist, darum keinswegs zu leiden.

22] Zum fünften das Heiligtum, darin so manche öffentliche Lügen und Narrenwerk erfunden, von Hunds= und Rossknochen, das auch um solcher Büberei willen, des der Teufel gelacht hat, längst sollte verdammt worden sein, wenngleich etwas Gutes dran wäre; dazu [kommt, daß es] auch ohne Gottes Wort, weder geboten noch geraten, ganz unnötig und unnütz Ding ist. 23] Aber das Ërgste [ist], daß es auch hat müssen Ablass und Vergebung der Sünden wirken, als ein gut Werk und Gottesdienst, wie die Messe usw.

24] Zum sechsten, hier gehört her der liebe Ablass, so beide den Lebendigen und Toten ist gegeben (doch um Geld), und der leidige Judas oder Papst das Verdienst Christi samt den übrigen Verdiensten aller Heiligen und der ganzen Kirche darin verkauft usw. Welches alles nicht zu leiden ist und auch nicht allein ohne Gottes Wort, ohne Not, ungeboten, sondern zuwider ist dem ersten Artikel. Den Christus’ Verdienst nicht durch unser Werk oder Pfennig, sondern durch den Glauben aus Gnaden erlangt wird, ohne alles Geld und Verdienst, nicht durch’s Papsts Gewalt, sondern durch die Predigt oder Gottes Wort vorgetragen.

Von Anrufung der Heiligen.

25] Anrufung der Heiligen ist auch der endechristischen [antichristischen] Missbräuche einer und streitet wider den ersten Hauptartikel und tilgt die Erkenntnis Christi, ist auch nicht geboten noch geraten, hat auch kein Exempel der Schrift, und haben’s alles tausendmal besser an Christo, wenn jenes gleich köstlich Gut wäre, als doch nicht ist.

26] Und wiewohl die Engel im Himmel für uns bitten (wie Christus selber auch tut), also auch die Heiligen auf Erden oder vielleicht auch im Himmel, so folgt daraus nicht, daß wir die Engel und Heiligen anrufen, anbeten, ihnen fasten, feiern, Messe halten, opfern, Kirchen, Altar, Gottesdienst stiften und [auf] andere Weise mehr dienen und sie für Nothelfer halten und allerlei Hilfe unter sie teilen und jeglichem eine sonderliche züignen sollten, wie die Papisten lehren und tun. Denn das ist Abgötterei, und solche Ehre gehört Gott allein zu. 27] Denn du kannst als ein Christ und Heiliger auf Erden für mich bitten, nicht in einerlei, sondern in allen Nöten. Aber darum soll ich dich nicht anbeten, anrufen, feiern, fasten, opfern, Messe halten dir zu Ehren und auf dich meinen Glauben zur Seligkeit setzen. Ich kann dich sonst [auf andere Weise] wohl ehren, lieben und dir danken in Christo. 28] Wenn nun solche abgöttische Ehre von den Engeln und toten Heiligen weggetan wird, so wird die andere Ehre ohne Schaden sein, ja bald vergessen werden. Denn wo der Nutz und Hilfe, beide leiblich und geistlich, nicht mehr zu hoffen ist, werden sie die Heiligen wohl mit Frieden lassen, beide im Grabe und im Himmel. Den umsonst oder aus Liebe wird ihrer niemand viel gedenken, achten noch [sie] ehren.

29] Und die Summa: Was die Messe ist, was daraus [ge]kommen ist, was daran hanget, das können wir nicht leiden und müssen’s verdammen, damit wir das heilige Sakrament rein und gewiss, nach der Einsetzung Christi, durch den Glauben gebraucht und empfangen, behalten mögen.

Der III. Artikel. Von Stiften und Klöstern.

1] Daß die Stifte und Klöster, vorzeiten guter Meinung gestiftet, zu erziehen gelehrte Leute und züchtige Weibsbilder, sollten wiederum in solchem [Ge] Brauch geordnet werden, damit man Pfarrherren, Prediger und andere Kirchendiener haben möge, auch sonst nötige Personen zu weltlichem Regiment in Städten und Ländern, auch wohlgezogene Jungfraün zu Hausmüttern und Haushälterinnen usw.

2] Wo sie dazu nicht dienen wollen, ist’s besser, man lasse sie wüste liegen oder reisse sie ein, denn daß sie sollten mit ihrem lästerlichen Gottesdienst, durch Menschen erdichtet, als etwas Besseres denn der gemeine Christenstand und von Gott gestiftet Ëmter und Orden [Berufe] gehalten werden. Denn das ist alles auch wider den ersten Hauptartikel von der Erlösung Jeu Christi. Zudem, daß sie auch (wie alle andern Menschenfündlein) nicht geboten, nicht vonnöten, nicht nütze, dazu [ge]fährliche und vergebliche Mühe machen, wie die Propheten solche Gottesdienste Aven, das ist, Mühe, heissen.

Der IV. Artikel. Vom Papsttum.

1] Daß der Papst nicht sei iure divino oder aus Gottes Wort das Haupt der ganzen Christenheit (denn das gehört einem allen zu, der heisst Jeus Christus), sondern allein Bischof oder Pfarrherr der Kirche zu Rom und derjenigen, so sich williglich oder durch menschliche Kreatur (das ist, weltliche Obrigkeit), zu ihm begeben haben, nicht unter ihm als einem Herrn, sondern neben ihm als Brüder und Gesellen, Christen zu sein, wie solches auch die alten Konzilia und die Zeit St. Cypriani weisen [zeigen].

2] Jetzt aber darf kein Bischof den Papst Bruder heissen wie zu der Zeit, sondern muss ihn seinen allergnädigsten Herrn heissen, wenn’s auch ein König oder Kaiser wäre. Das wollen, sollen und können wir nicht auf unser Gewissen nehmen; wer es aber tun will, der tü es ohne uns.

3] Hieraus folgt, daß alle dasjenige, so der Papst aus solcher falscher, freveler, lästerlicher, angemasster Gewalt getan und vorgenommen hat, eitel teuflisch Geschichte und Geschäft gewesen und noch sei (ohne was das leibliche Regiment belangt, darin Gott auch wohl durch einen Tyrannen und Buben lässt einem Volk viel Gutes geschehen), zu Verderbung der ganzen heiligen christlichen Kirche (soviel an ihm gelegen) und zu verstören den ersten Hauptartikel von der Erlösung Jeu Christi.

4] Denn da stehen alle seine Bullen und Bücher, darin er brüllt wie ein Löwe (als der Engel Apok. 12 bildet), daß kein Christ könne selig werden, er sei denn ihm gehorsam und untertan in allen Dingen, was er will, was er sagt, was er tut. Welches alles nichts anderes ist, denn also viel gesagt: Wenn du gleich an Christum glaubst und alles an ihm hast, was zur Seligkeit not ist, so ist’s doch nichts und alles umsonst, wo du mich nicht für deinen Gott hältst, mir untertan und gehorsam bist, so es doch offenbarlich ist, daß die heilige Kirche ohne Papst gewesen zum wenigsten über fünfhundert Jahre, und bis auf diesen Tag die griechische und viel anderer Sprachen Kirchen noch nie unter dem Papst gewesen und noch nicht sind. 5] So ist’s, wie oft gesagt, ein Menschengedicht, das nicht geboten, ohne Not und vergeblich [ist]; denn die heilige christliche Kirche ohne solch Haupt wohl bleiben kann und wohl besser geblieben wäre, wo solch Haupt durch den Teufel nicht aufgeworfen wäre. 6] Und ist auch das Papsttum kein nütze in der Kirche, denn es übt kein christlich Amt, und muss also die Kirche bleiben und bestehen ohne den Papst.

7] Und ich setze, daß der Papst wollte sich des begeben, daß er nicht iure divino oder aus Gottes Gebot der Oberste wäre, sondern, damit die Einigkeit der Christen wider die Rotten und Ketzerei desto bass [besser] erhalten würde, müsste man ein Haupt haben, daran sich die andern alle hielten; solches Haupt würde nun durch Menschen erwählt und stünde in menschlicher Wahl und Gewalt dasselbe Haupt zu ändern, zu entsetzen, wie zu Konstanz das Konzilium fast die [ungefähr diese] Weise hielt mit den Päpsten, setzen der dreie ab und wählten den vierten; ich setze nun, sage ich, daß sich der Papst und der Stuhl zu Rom solches begeben und annehmen wollte (welches doch unmöglich ist; denn er müsste sein ganz Regiment und Stand lassen umkehren und zerstören mit allen seinen Rechten und Büchern; Summa, er kann’s nicht tun): dennoch wäre damit der Christenheit nichts geholfen, und würden viel mehr Rotten werden den zuvor.

8] Denn weil man solchem Haupt nicht müsste untertan sein aus Gottes Befehl, sondern aus menschlichem guten Willen, würde es gar leichtlich und bald verachtet, zuletzt kein Glied behalten, müsste auch nicht immerdar zu Rom oder anderm Ort sein, sondern wo und in welcher Kirche Gott einen solchen Mann hätte gegeben, der tüchtig dazu wäre. O, das wollte ein weitläuftig, wüstes Wesen werden!

9] Darum kann die Kirche nimmermehr bass [besser] regiert und erhalten werden, denn daß wir alle unter einem Haupt, Christo, leben, und die Bischöfe alle, gleich nach dem Amt (ob sie wohl ungleich nach den Gaben), fleissig zusammenhalten in einträchtiger Lehre, Glauben, Sakramenten, Gebeten und Werken der Liebe usw.; wie St. Hieronymus schreibt, daß die Priester zu Alexandria sämtlich und insgemein die Kirche regierten, und [wie] die Apostel auch getan und hernach alle Bischöfe in der ganzen Christenheit, bis der Papst seinen Kopf über alle erhob.

10] Dies Stück zeigt gerwaltiglich, daß er der rechte Endechrist oder Widerchrist sei, der sich über und wider Christum gesetzt und erhöht hat, weil er will die Christen nicht lassen selig sein ohne seine Gewalt, 11] welche doch nichts ist, von Gott nicht geordnet noch geboten. Das heisst eigentlich "über Gott und wider Gott sich setzen", wie St. Paulus sagt 2 Thess. 2. Solches tut dennoch der Türke noch Tatter [Tatar] nicht, wie grosse Feinde sie der Christen sind, sondern lassen glauben an Christum, wer da will, und nehmen leiblichen Zins und Gehorsam von den Christen.

12] Aber der Papst will nicht lassen glauben, sondern spricht, man solle ihm gehorsam sein, so werde man selig. Das wollen wir nicht tun, oder drüber sterben in Gottes Namen. 13] Das kommt alles daher, daß er iure divino der Oberste hat sollen heissen über die christliche Kirche. Darum hat er sich müssen Christo gleich und über Christum setzen, sich das Haupt, hernach einen Herrn der Kirche, zuletzt auch der ganzen Welt und schlecht [schlechthin] einen irdischen Gott rühmen lassen, bis er auch den Engeln im Himmelreich zu gebieten sich unterstand. 14] Und wenn man unterscheidet des Papstes Lehre von der Heiligen Schrift oder sie dagegen stellt und hält, so findet sich’s daß des Papstes Lehre, wo sie am allerbesten ist, so ist sie aus dem kaiserlichen, heidnischen Recht genommen und lehrt weltliche Händel und Gerichte, wie seine Dekretales zeugen. Danach lehrt sie Zeremonien von Kirchen, Kleidern, Speisen, Personen und des Kinderspiels, Larven [Scheinwesens] und Narrenwerks ohne Massen, aber in diesem allem gar nichts von Christo, Glauben und Gottes Geboten. Zuletzt ist’s nichts denn eitel Teufel, da er seine Lügen von Messen, Fegfeür, Klösterei, eigenem Werk und Gottesdienst (welches denn das rechte Papsttum ist) treibet über und wider Gott, verdammt tötet und plagt alle Christen, so solchen seinen Greül nicht über alles heben und ehren. Darum, sowenig wir den Teufel selbst für einen Herrn oder Gott anbeten können, so wenig können wir auch seinen Apostel, den Papst oder Endechrist, in seinem Regiment zum Haupt oder Herrn leiden. Denn Lügen und Mord, Leib und Seele zu verderben ewiglich, das ist sein päpstlich Regiment eigentlich, wie ich dasselbe in vielen Büchern bewiesen habe.

15] An diesen vier Artikeln werden sie genugsam zu verdammen haben im Konzilio; denn sie nicht das geringste Gliedlein von der Artikel einem uns lassen können noch wollen. Des müssen wir gewiss sein und uns erwägen [vertraünd hingeben der Hoffnung, Christus, unser Her, habe seinen Widersacher angegriffen und werde nachdrüken beide mit seinem Geist und Zukunft. Amen.

Den im Konzilio; werden wir nicht vor dem Kaiser over weltlicher Obrigkeit wie zu Augsburg (der ganz ein gnädiges Ausschreiben tat und in der Güte liess die Sachen verhören), sondern vor dem Papst und dem Teufel selbst werden wir dastehen, der nichts gedenkt zu hören, sondern schlechts [zu] verdammen, [zu] worden und zur Abgötterei zu zwingen. Darum müssen wir hier nicht seine Füsse küssen oder sagen: Ihr seid mein gnädiger Herr! sondern wie im Zacharia [Sacharja] der Engel zum Teufel sprach: "Strafe dich Gott, Satan!"

Das dritte Teil der Artikel.

Folgende Stücke oder Artikel mögen wir mit Gelehrten, Vernünftigen oder unter uns selbst handeln. Der Papst und sein Reich achten derselben nicht viel; denn conscientia ist bei ihnen nichts, sondern Geld, Ehr’ und Gewalt ist’s gar.

I. Von der Sünde.

1] Hier müssen wir bekennen, wie St. Paulus Röm. 5 sagt, daß die Sünde sei von Adam, dem einigen Menschen, hergekommen, durch welches Ungehorsam alle Menschen sind Sünder [ge] worden, dem Tode und dem Teufel unterworfen. Dies heisse die Erbsünde oder Hauptsünde.

2] Solcher Sünde Früchte sind danach die bösen Werke, so in den zehn Geboten verboten sind als Unglaube, falscher Glaube, Abgötterei, ohne Gottesfurcht sei, Vermessenheit, Verzweifeln, Blindheit und Summa, Gott nicht kennen oder achten; danach: lügen, bei Gottes Namen schwören, nicht beten, nicht anrufen, Gottes Wort nicht achten, Eltern ungehorsam sein, morden, Unkeuschheit, stehlen, trügen usw.

3] Solche Erbsünde ist so gar eine tiefe, böse Verderbung der Natur, daß sie keine Vernunft nicht kennt, sondern muss aus der Schrift Offenbarung geglaubt werden, Ps. 51; Röm. 5; Ex. 33; Gen. 3. Darum sind das eitel Irrtümer und Blindheit wider diesen Artikel, das die Schultheologen [Scholastiker] gelehrt haben, nämlich:

4] Daß nach dem Erbfall Adams des Menschen natürliche Kräfte sind ganz und unverderbt [ge] blieben und der Mensch habe von Natur eine rechte Vernunft und guten Willen, wie die Philosophi solches lehren.

5] Item, daß der Mensch habe einen freien Willen, Gutes zu tun und Böses zu lassen, und wiederum, Gutes zu lassen und Böses zu tun.

6] Item, daß der Mensch möge [könne] aus natürlichen Kräften alle Gebote Gottes tun und halten.

7] Item, er möge [könne] aus natürlichen Kräften Gott lieben über alles und seinen Nächsten als sich selbst.

8] Item, wenn ein Mensch tut, soviel an ihm ist, so gibt ihm Gott gewisslich seine Gnade.

9] Item, wenn er zum Sakrament will gehen, ist nicht not ein guter Vorsatz, Gutes zu tun, sondern sei genug, daß er nicht einen bösen Vorsatz, Sünde zu tun, habe; so gar gut ist die Natur und das Sakrament so kräftig.

10] Es sei nicht in der Schrift gegründet, daß zum guten Werk vonnöten sei der Heilige Geist mit seiner Gnade.

11] Solche und dergleichen viel Stücke sind aus Unverstand und Unwissenheit beide der Sünde und Christi, unsers Heilands, gekommen, rechte heidnische Lehre, die wir nicht leiden können. Denn wo diese Lehre recht sollte sein, so ist Christus vergeblich gestorben, weil kein Schade noch Sünde im Menschen ist, dafür er sterben müsste; oder [er] wäre allein für den Leib, nicht für die Seele auch gestorben, weil die Seele gesund und allein der Leib des Todes ist.

II. Vom Gesetz.

1] Heir halten wir, daß das Gesetz gegeben sei von Gott, erstlich, der Sünde zu steürn mit Dräün und Schrecken der Strafe und mit Verheissen und Anbieten der Gnade und Wohltat. Aber solches alles ist der Bosheit halben, so die Sünde im Menschen gewirkt, übel geraten. 2] Denn eines Teils sind davon ärger [ge]worden, als die dem Gesetze feind sind, darum daß es verbeut, [verbietet], was sie gerne tun, und gebeut, was sie ungern tun. Derhalben, wo sie vor der Strafe können, tun sie nun mehr wider das Gesetz denn zuvor. Das sind denn die rohen, bösen Leute, die Böses tun, wo sie Stätte und Raum haben.

3] Die andern werden blind und vermessen, lassen sich dünken, sie halten und können das Gesetz halten aus ihren Kräften, wie jetzt droben gesagt ist von den Schultheologen; daher kommen die Heuchler und falschen Heiligen.

4] Aber das vornehmste Amt oder Kraft des Gesetzes ist, daß es die Erbsünde mit den Früchten und allem offenbare und dem Menschen zeige, wie gar tief seine Natur gefallen und grundlos verderbt ist, als dem das Gesetz sagen muss, daß er keinen Gott habe noch achte und bete fremde Götter an, welches er zuvor und ohne das Gesetz nicht geglaubt hätte. Damit wird er erschreckt, gedemütigt, verzagt, verzweifelt, wollte gern, daß ihm geholfen würde, und weiss nicht wo aus, fängt an, Gott feind zu werden und zu murren usw. 5] Das heisst den Röm. 4: "Das Gesetz erreget Zorn" und Röm. 5: "Die Sünde wird grösser durchs Gesetz."

III. Von der Busse

1] Solch Amt [*des Gesetzes] behält das Neü Testament und treibet’s auch, wie St. Paulus Röm. 1 tut und spricht: "Gottes Zorn wird vom Himmel offenbart über alle Menschen"; item 3: "Alle Welt ist vor Gott schuldig" und "Kein Mensch ist vor ihm gerecht." Und Christus Joh. 16: "Der Heilige Geist wird die Welt strafen um die Sünde."

2] Das ist nun die Donneraxt [der Blitzstrahl] Gottes, damit er beide die offenbarlichen Sünder und falschen Heiligen in einen Haufen schlägt und lässt keinen recht haben, treibt sie allesamt in das Schrecken und Verzagen. Das ist der Hammer (wie Jeremias spricht): "Mein Wort ist ein Hammer, der die Felsen zerschmettert." Das ist nicht activa contritio, eine gemachte Reü, sondern passiva contritio, das rechte Herzeleid, Leiden und Fühlen des Todes.

3] Und das heisst denn die rechte Busse anfangen, und muss der Mensch heir hören solch Urteil: Es ist nichts mit euch allen; ihr seid öffentliche Sünder oder Heilige, ihr müsst alle anders werden und anders tun, weder [als] ihr jetzt seid und tut, ihr seid, wer und wie gross, weise, mächtig und heilig, als ihr wollt; hier ist niemand fromm.

4] Aber zu solchem Amt tut das Neü Testament flugs die tröstliche Verheissung der Gnade durchs Evangelium, der man glauben solle, wie Christus spricht Marci 1: "Tut Busse und glaubet dem Evangelio", das ist, werdet und macht’s anders und glaubt meiner Verheissung. 5] Und vor ihm her Johannes wird genannt ein Prediger der Busse, doch zur Vergebung der Sünden, das ist er sollte sie alle strafen und zu Sündern machen, auf daß sie wüssten, was sie vor Gott wären, und sich erkennten als verlorne Menschen und also dem Heren bereitet würden, die Gnade zu empfangen und der Sünden Vergebung von ihm [zu] gewarten und an[zu]nehmen. 6] Also sagt auch Christus Luk. am 24. selbst: "Man muss in meinem Namen in alle Welt predigen Busse und Vergebung der Sünden."

7] Wo aber das Gesetz solch sein Amt allein treibt ohne Zutun des Evangelii, da ist der Tod und die Hölle, und muss der Mensch verzweifeln wie Saul und Judas, 8] wie St. Paulus sagt: "Das Gesetz tötet durch die Sünde." Wiederum gibt das Evangelium nicht einerlei Weise Trost und Vergebung, sondern durchs Wort, Sakramente und dergleichen, wie wir hören werden, auf daß die Erlösung ja reichlich sei bei Gott, wie der 130. Psalm sagt, wider das grosse Gefängnis der Sünden.

9] Aber jetzt müssen wir die falsche Busse der Sophisten gegen die rechte Busse halten, damit sie beide desto bass [besser] verstanden werden.

Von der falschen Busse der Papisten

10] Unmöglich ist’s gewesen, daß sie sollten recht von der Busse lehren, weil sie die rechten Sünden nicht erkannten. Denn (wie droben gesagt) sie halten von der Erbsünde nicht recht, sondern sagen, die natürlichen Kräfte des Menschen seien ganz und unverderbt [ge]blieben, die Vernunft könne recht lehren, und der Wille könne recht danach tun, daß Gott gewisslich seine Gnade gibt, wenn ein Mensch tut, soviel an ihm ist, nach seinem freien Willen.

11] Hieraus musste nun folgen, daß sie allein die wirklichen Sünden büssten, als: böse bewilligte Gedanken (denn böse Bewegung, Lust, Reizung war nicht Sünde), böse Worte, böse Werke, die der freie Wille wohl hätte können lassen.

12] Und zu solcher Busse setzen sie drei Teile: Reü, Beichte, Genugtun, mit solcher Vertröstung und Zusage, wo der Mensch recht reute, beichtete, genugtäte, so hätte er damit Vergebung verdient und die Sünde vor Gott bezahlt. Weiseten [wiesen] also die Leute in der Busse auf Zuversicht eignener Werke. 13] Daher kam das Wort auf der Kanzel, wenn man die gemeine Beichte dem Volke vorsprach: "Friste mir, Her Gott, mein Leben, bis ich meine Sünde büsse und mein Leben bessere!"

14] Hier war kein Christus und nichts vom Glauben gedacht, sondern man hoffte mit eigenen Werken die Sünde vor Gott zu überwinden und zu tilgen; der Meinung [mit dieser Absicht] wurden wir auch Pfaffen und Mönche, daß wir uns selbst wider die Sünde legen wollten.

15] Mit der Reü war es also getan: Weil niemand alle seine Sünden konnte bedenken (sonderlich das ganze Jahr begangen), flickten sie den Pelz also: wenn die verborgenen Sünden hernach ins Gedächtnis kämen, müsste man sie auch bereün und beichten usw. Indes [bis dahin] waren sie Gottes Gnade befohlen.

16] Zudem, weil auch niemand wusste, wie gross die Reü sein sollte, damit sie ja genugsam wäre vor Gott, gaben sie solchen Trost: wer nicht könnte contritionem, das ist, Reü, haben der sollte attritionem haben, welches ich mag eine halbe oder Anfang der Reü nennen; denn sie haben selbst alles beides nicht verstanden, wissen auch noch nicht, was es gesagt sei, so wenig als ich. Solche attritio ward denn contritio gerechnet, wenn man zur Beichte ging.

17] Und wenn sich’s begab, daß etwa einer sprach, er könnte nicht reün noch Leid haben für seine Sünden, als möchte geschehen sein in der Hurenliebe oder Rachgier usw., fragten sie, ob er denn nicht wünschte oder gern wollte, daß er Reü möchte haben. Sprach er dann: Ja (denn wer wollte hier nein sagen, ohne der Teufel selbst?), so nahmen sie es für die Reü an und vergaben ihm seine Sünden auf solch sein gut Werk. Hier zogen sie St. Bernhard zum Exempel an usw.

18] Hier steht man, wie die blinde Vernunft tappt [unsicher tastet] in Gottes Sachen und Trost sucht in eigenen Werken nach ihrem Dünkel und an Christum oder den Glauben nicht denken kann. Wenn man’s nun beim Licht besieht, ist solche Reü ein gemachter und gedichteter Gedanke aus eigenen Kräften ohne Glauben ohne Erkenntnis Christi, darin zuweilen der arme Sünder, wenn er an die Lust oder Rache gedacht, lieber gelacht denn geweint hätte, ausgenomen, die entweder mit dem Gesetze recht [ge]troffen oder von dem Teufel vergeblich sind mit traurigem Geist geplagt gewesen; sonst ist gewiss solche Reü lauter Heuchelei gewesen und hat der Sünden Lust nicht getötet. Den sie mussten reün, hätten lieber mehr gesündigt, wenn es frei gewesen wäre.

19] Mit der Beichte stand es also: Ein jeglicher musste alle seine Sünden erzählen (welches ein unmöglich Ding ist); das war eine grosse Marter. Welche er aber vergessen hatte, wurden ihm so fern vergeben, wenn sie ihm würden einfallen daß er sie noch müsste beichten. Damit [infolgedessen] konnte er nimmer wissen, wann er rein genug gebeichtet oder wann das Beichten einmal ein Ende haben sollte. Ward gleichwohl auf seine Werke gewiesen und so getröstet: je reiner er beichtete und je mehr er sich schämte [zuschanden machte] und sich selbst also vor dem Preister schändete, je eher und besser er genugtäte für die Sünde; denn solche Demut erwürbe gewisslich Gnade bei Gott.

20] Hier war auch kein Glaube noch Christus, und die Kraft der Absolution ward ihm nicht gesagt, sondern auf Sündenzählen und Schämen stand sein Trost. Es ist aber nicht zu erzählen, was Marter, Büberei und Abgötterei solch Beichten angerichtet hat.

21] Die Genugtuung ist noch das Allerweitläuftigste. Den kein Mensch konnte wissen, wieviel er tun sollte für eine einige Sünde, [ge]schweige denn für alle. Hier fanden sie nun einen Rat, nämlich daß sie wenig Genugtuns aufsetzten [auflegten], die man wohl halten konnte, als fünf Paternoster, einen Tag fasten usw.; mit der übrigen Busse weisete [wies] man sie ins Fegfeür.

22] Hier war nun auch ein eitel Jammer und Not. Etliche meinten, sie würden nimmer aus dem Fegfeür kommen, dieweil nach den alten Kanonen sieben Jahre Busse auf eine Todsünde gehörte. 23] Noch [dennoch] stand die Zuversicht auch auf unserm Werk der Genugtuung, und wo die Genugtuung hätte mögen vollkommen sein, so hätte die Zuversicht gar drauf gestanden, und wäre weder Glaube noch Christus nütze gewesen; aber sie war unmöglich. Wenn nun einer hundert Jahre also gebüsst hätte, so hätte er doch nicht gewusst. wann er ausgebüsst hätte. Das heiss immerdar gebüsst und nimmermehr zur Busse kommen.

24] Heir kam nun der heilige Stuhl zu Rom der armen Kirche zu Hilfe und erfand den Ablass; damit vergab und hob er auf die Genugtuung, erstlich einzeln, sieben Jahre, hundert Jahre usw., und teilte es aus unter die Kardinäle und Bischöfe, daß einer konnte hundert Jahre, einer hundert Tage Ablass geben; aber die ganze Genugtuung aufzuheben, behielt er ihm [sich] allein zuvor.

25] Da nun solches begann Geld zu tragen und der Bullenmarkt gut ward, erdachte er das Güldenjahr und legte es gen Rom; das heiss er Vergebung aller Pein und Schuld. Da liefen die Leute zu; denn es wäre jedermann gern der schweren, un[er]träglichten Last losgemacht [*los gewesen]. Das heiss die Schätze der Erde finden und erheben. Flugs eilte der Papst weiter und machte viel Güldenjahr aufeinander; aber je mehr er Geld verschlang, je weiter ihm der Schlund ward.

Darum schickte er’s danach durch Legaten heraus in die Länder, bis alle Kirchen und Häuser voll Güldenjahre wurden. 26] Zuletzt rumpelte er auch ins Fegfeür unter die Toten, erstlich mit Messen und Vigilien stiften, danach mit dem Ablass und dem Güldenjahr, und wurden endlich die Seelen so wohlfeil, daß er eine um einen Schwertgroschen [kursächsische kleine Münze] losgab.

27] Noch half das auch alles nicht. Denn der Papst, wiewohl er die Leute auf solchen Ablass lehrte sich verlassen und vertraün, so machte er’s doch selbst wiederum auch ungewiss; denn er setzte in seine Bullen: wer des Ablasses oder Güldenjahrs wollte teilhaftig sein, der sollte bereut und gebeichtet sein [bereut und gebeichtet haben] und Geld geben. Nun haben wir droben gehört, daß solche Reü und Beichte bei ihnen ungewiss und Heuchelei ist. Desgleichen wusste auch niemand, welche Seele im Fegfeür wäre, und so etliche drinnen wären wusste niemand, welche recht gereut und gebeichtet hätten. Also nahm er das liebe Geld und vertröstete sie dieweil auf seine Gewalt und Ablass und weisete sie doch wiederum auf ihr ungewiss Werk.

28] Wo nun etliche waren, die nicht solcher wirklichen Sünden mit Gedanken, Worten und Werken sich schuldig dauchten [dünkten], wie ich und meinesgleichen in Klöstern und Stiften, Mönche und Pfaffen sein wollten, die wir mit Fasten, Wachen, Beten, Messehalten, harten Kleidern und Lager usw. uns wehrten wider böse Gedanken und mit Ernst und Gewalt wollten heilig sein und doch das erbliche, angeborne übel etwa [zuweilen] im Schlaf tat (wie auch St. Augustinus und Hieronymus mit andern bekennen), was seine Art ist, so hielt doch ein jeglicher vom andern, daß etliche so heilig wären, wie wir lehrten, die ohne Sünde, voll guter Werke wären, also, daß wir darauf unsere guten Werke andern, als uns überflüssig zum Himmel, mitteilten und verkauften. Das ist ja wahr, und sind Siegel, Briefe und Exempel vorhanden.

29] Diese [be]durften der Busse nicht. Denn was wollten sie bereün, weil sie in böse Gedanken nicht bewilligten? Was wollten sie beichten, weil sie [*böse] Worte vermieden? Wofür wollten sie genugtun, weil sie der Tat unschuldig waren, also daß sie auch andern armen Sündern ihre übrige Gerechtigkeit verkaufen konnten? Solche Heilige waren auch die Pharisäer und Schriftgelehrten zur Zeit Christi.

30] Heir kommt der feurige Engel St. Johannes, der rechte Bussprediger, und schlächt mit einem Donner alle beide in einen Haufen, spricht: "Tut Busse!" 31] So denken jene: Haben wir doch gebüsst. Diese denken: Wir [be]dürfen keiner Busse. Spricht Johannes: 32] Tut alle beide Busse, denn ihr seid falsche Büsser, so sind diese falsche Heilige und [be]dürft alle beide Vergebung der Sünden, weil ihr alle beide noch nicht wisst, was die rechte Sünde sei, schweige [geschweige denn], daß ihr sie büssen oder meiden solltet. Es ist eür keiner gut seid voller Unglaubens, Unverstands und Unwissenheit Gottes und seines Willens. Denn da ist er vorhanden, "von des Fülle wir alle müssen nehmen Gnade um Gnade"; und kein Mensch ohne ihn vor Gott kann gerecht sein. Darum, wollt ihr büssen, so büsst recht; eure Busse tut’s nicht. Und ihr Heuchler, die ihr keiner Busse bedürft, ihr Schlangen[ge]ziefer, wer hat euch versichert, daß ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet usw.?

33] Also predigt auch St. Paulus Röm. 3 und spricht: "Es ist keiner verständig, keiner gerecht, keiner achtet Gottes, keiner tut Gutes, auch nicht einer; allzumal sind sie untüchtig und abtrünnig." 34] Und Act 17: "Nun aber gebeut [gebietet] Gott allen Menschen an allen Enden, Busse zu tun." Allen Menschen, spricht er, niemand ausgenommen, der ein Mensch ist. 35] Diese Busse lehrt uns die Sünde erkennen, nämlich daß [es] mit uns allen verloren, Haut und Haar nicht gut ist und müssen schlechts neü und andere Menschen werden.

36] Diese Busse ist nicht stücklich und bettelisch wie jene, so die wirklichen Sünden büsst, und ist auch nicht ungewiss wie jene. Denn sie disputiert nicht welches [Werk] Sünde oder nicht Sünde sei, sondern stösst alles in Haufen, spricht: es sei alles und eitel Sünde mit uns. Was wollen wir lange suchen, teilen und unterscheiden? Darum so ist auch hier die Reü nicht ungewiss. Denn es bleibt nichts da, damit wir möchten etwas Gutes gedenken, die Sünde zu bezahlen, sondern ein bloss, gewiss Verzagen an allem, das wir sind, gedenken, reden oder tun usw.

37] Desgleichen kann die Beichte auch nicht falsch, ungewiss oder stücklich sein. Denn wer bekennt, daß alles mit ihm eitel Sünde sie, der begreift alle Sünden, lässt keine aussen und vergisst auch keine. 38] Also kann die Genugtuung auch nicht ungewiss sein, denn sie ist nicht unsere ungewissen, sündlichen Werke, sondern das Leiden und Blut des unschuldigen Lämmleins Gottes, das der Welt Sünde trägt.

39] Von dieser Busse predigt Johannes und hernach Christus in Evangelio und wir auch. Mit dieser Busse stossen wir Papst und alles, was auf unsere guten Werke gebaut ist, zu Boden. Denn es ist alles auf einen faulen, nichtigen Grund gebaut, welcher heisst gute Werke oder Gesetze, so doch kein gut Werk da ist, sondern eitel böse Werke und niemand das Gesetz tut (wie Christus Joh. 7 sagt), sondern allzumal [es] übertreten. Darum ist das Gebäu eitel Lüge und Heuchelei, wo es am allerheiligsten und allerschönsten ist.

40] Und diese Busse währt bei den Christen bis in den Tod; denn sie beisst sich [sie streitet] mit der übrigen Sünde im Fleisch durchs ganze Leben, wie St. Paulus Röm. 7 zeugt, daß er kämpfe mit dem Gesetze seiner Glieder usw., und das nicht durch eigene Kräfte, sondern durch die Gabe des Heiligen Geistes, welche folgt auf die Vergebung der Sünden. Dieselbe Gabe reinigt und fegt täglich die übrigen Sünden aus und arbeitet, den Menschen recht rein und heilig zu machen.

41] Hiervon weiss Papst, Theologen, Juristen noch kein Mensch nichts, sondern ist eine Lehre vom Himmel, durchs Evangelium offenbart, und muss Ketzerei heissen bei den gottlosen Heiligen.

42] Wiederum, ob etliche Rottengeister kommen würden, wie vielleicht etliche bereits da vorhanden sind und zur Zeit des Aufruhrs mir selbst vor Augen kamen, die da halten, daß alle die, so einmal den Geist der Vergebung der Sünden empfangen hätten oder gläubig [ge]worden wären, wenn dieselben hernach sündigten, so blieben sie gleichwohl im Glauben und schadete ihnen solche Sünde nicht, und schrien also: Tu, was du willst, glaubst du, so ist’s alles nichts, der Glaube vertilgt alle Sünden usw. Sagen dazu: wo jemand nach dem Glauben und Geist sündigte, so habe er den Geist und Glauben nie recht gehabt. Solcher unsinnigen Menschen habe ich viel vor mir gehabt und [ich] sorge, daß noch in etlichen solcher Teufel stecke.

43] Darum so ist vonnöten zu wissen und zu lehren, daß, wo die heiligen Leute über das, so sie die Erbsünde noch haben und fühlen, dawider auch täglich büssen und streiten, etwa in öffentliche Sünde fallen, als David in Ehebruch, Mord und Gotteslästerung, daß alsdann der Glaube und Geist ist weg gewesen. 44] Denn der Heilige Geist lässt die Sünde nicht walten und überhand gewinnen, daß sie vollbracht werde, sondern steürt und wehrt, daß sie nicht muss [darf] tun, was sie will. Tut sie aber, was sie will, so ist der Heilige Geist und Glaube nicht dabei; denn es heisst, wie St. Johannes sagt: "Wer aus Gott geboren ist, der sündigt nicht und kann nicht sündigen." Und ist doch auch die Wahrheit (wie derselbe St. Johannes schreibt): "So wir sagen, daß wir nicht Sünde haben, so lügen wir, und Gottes Wahrheit ist nicht in uns."

IV. Vom Evangelium.

Wir wollen nun wider zum Evangelio kommen, welches gibt nicht einerlei Weise Rat und Hilfe wider die Sünde; denn Gott ist überschwenglich reich in seiner Gnade: erstlich durchs mündliche Wort, darin gepredigt wird Vergebung der Sünden in aller Welt, welches ist das eigentliche Amt des Evangelii; zum andern durch die Taufe; zum dritten durchs heilige Sakrament des Altars; zum vierten durch die Kraft der Schlüssel und auchper mutuum colloquium et consolationem fratrum, Matth. 18: Ubi duo fuerint congregati etc.

V. Von der Taufe.

1] Die Taufe ist nichts anderes denn Gottes Wort im Wasser, durch seine Einsetzung befohlen, oder wie St. Paulus sagt Eph. 5: lavacrum in verbo; wie auch Augustinus sagt: Accedat verbum ad elementum, et fit sacramentum. 2] Und darum halten wir’s nicht mit Thomas [Aquinas] und den Predigermönchen, die des Wortes (Gottes Einsetzung) vergessen und sagen, Gott habe eine geistliche Kraft ins Wasser gelegt, welche die Sünde durchs Wasser abwasche; 3] auch nicht mit Scotus und den Barfüssermönchen, die da lehren, daß die Taufe die Sünde abwasche aus Beistehen göttliches Willens, also daß diese Abwaschung geschieht allein durch Gottes Willen, gar nicht durchs Wort oder Wasser.

4] Von der Kindertaufe halten wir, daß man die Kinder taufen solle; denn sie gehören auch zu der verheissenen Erlösung, durch Christum geschehen, und die Kirche soll sie [die Taufe] ihnen.

VI. Von Sakrament des Altars.

1] Vom Sakrament des Altars halten wir, daß Brot und Wein im Abendmahl sei der wahrhaftige Leib und Blut Christi und werde nicht allein gereicht und empfangen von frommen, sondern auch von bösen Christen.

2] Und daß man nicht soll einerlei Gestalt allein geben. Und wir bedürfen der hohen Kunst nicht, die uns lehre, daß unter einer Gestalt so viel sei als unter beiden, wie uns die Sophisten und das Konzilium zu Konstanz lehren. 3] Denn ob’s gleich wahr wäre, daß unter einer so viel sei als unter beiden, so ist doch die einige Gestalt nicht die ganze Ordnung und Einsetzung, durch Christum gestiftet und befohlen. 4] Und sonderlich verdammen und verfluchen wir in Gottes Namen diejenigen, so nicht allein beide[rlei] Gestalt lassen anstehen, sondern auch gar herrlich [selbstherrlich] daher verbieten, verdammen, lästern als Ketzerei und setzen sich damit wider und über Christum, unsern Heren und Gott usw.

5] Von der Transsubstantiation achten wir der spitzigen Sophisterei gar nichts, da sie lehren, daß Brot und Wein verlassen oder verlieren ihr natürlich Wesen, und bleibe allein Gestalt und Farbe des Brots und nicht rechtes Brot. Denn es reimt sich mit der Schrift aufs beste, daß Brot da sei und bleibe, wie es St. Paulus selbst nennt: "Das Brot, das wir brechen", und: "Also, esse er von dem Brot."

VII. Von [den] Schlüsseln.

1] Die Schlüssel sind ein Amt und Gewalt, der Kirche von Christo gegeben, zu binden und zu lösen die Sünden, nicht allein die groben und wohlbekannten Sünden, sondern auch die subtilen, heimlichen, die Gott allein erkennt,. Wie geschrieben steht im 19. Psalm: "Wer kennet wieviel er fehlet?" Und St. Paulus Röm. 7 klagt selbst "Daß er mit dem Fleisch diene dem Gesetze der Sünde". 2] Denn es steht nicht bei uns, sondern bei Gott allein, zu urteilen, welche, wie gross und wieviel Sünden sind, wie geschrieben steht im 143. Psalm: "Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht; denn vor dir ist kein lebendiger Mensch gerecht." 3] Und Paulus 1 Kor. 4 auch sagt: "Ich bin mir wohl nichts bewusst, aber darum bin ich nicht gerecht."

VIII. Von der Beichte.

1] Weil die Absolution oder Kraft der Schlüssel [*des Schlüssels] auch eine Hilfe und Trost ist, wider die Sünde und böses Gewissen im Evangelio durch Christum gestiftet, so soll man die Beichte oder Absolution beileibe nicht lassen abkommen in der Kirche, sonderlich um der blöden [verzagten] Gewissen willen, auch um des jungen rohen Volks willen, damit es verhört und unterrichtet werde in der christlichen Lehre.

2] Die Erzählung aber der Sünden soll frei sein einem jeden, was er erzählen oder nicht erzählen will; denn solange wir im Fleisch sind, werden wir nicht lügen, wenn wir sagen: Ich bin ein armer Mensch voller Sünden; Röm. 7: "Ich fühle ein ander Gesetz in meinen Gliedern" usw. Denn dieweil die absolution privata von dem Amt herkommt der Schlüssel, soll man sie nicht verachten, sondern hoch und wert halten wie alle andern Ëmter der christlichen Kirche.

3] Und in diesen Stücken, so das mündliche, äusserliche Wort betreffen, ist fest darauf zu bleiben, daß Gott niemand seinen Geist oder Gnade gibt ohne durch oder mit dem vor[her] gehenden äusserlichen Wort, damit wir uns bewahren vor den Enthusiasten, das ist, Geistern so sich rühmen, ohne und vor dem Wort den Geist zu haben, und danach die Schrift oder mündlich Wort richten, deuten und dehnen ihres Gefallens; wie der Münzer tat und noch viel tun heutigestages, die zwischen dem Geist und Buchstaben scharfe Richter sein wollen und wissen nicht, was sie sagen oder setzen. 4] Denn das Papsttum auch ein eitel Enthusiasmus ist, darin der Papst rühmt, alle Rechte sind im Schrein seines Herzens, und was er mit seiner Kirche urteilt und heisst, das soll Geist und Recht sein, wenn’s gleich über und wider die Schrift oder das mündliche Wort ist.

5] Das ist alles der alte Teufel und alte Schlange, der Adam und Eva auch zu Enthusiasten machte, vom äusserlichen Wort Gottes auf [Schwarm=] Geisterei und Eigendünkel führte und tat’s doch auch durch andere äusserliche Worte. 6] Gleichwie auch unsere Enthusiasten das äusserliche Wort verdammen, und doch sie selbst nicht schweigen, sondern die Welt voll plaudern und schreiben, gerade als könnte der Geist durch die Schrift oder mündlich Wort der Apostel nicht kommen, aber durch ihre Schrift und Wort müsste er kommen. Warum lassen sie auch ihre Predigt und Schrift nicht anstehen, bis der Geist selber in die Leute ohne und vor ihrer Schrift kommt, wie sie rühmen, daß er in sie [ge] kommen sei ohne Predigt der [Heiligen] Schrift? Davon hier weiter nicht Zeit ist zu disputieren; wir haben’s sonst genugsam getrieben.

7] Denn auch die, so vor der Taufe glauben oder in der Taufe gläubig werden, haben’s durchs äusserliche, vor[her]gehende Wort; als, die Alten, so zur Vernunft [ge]kommen sind, müssen zuvor gehört haben, daß, "wer da glaubt und getauft wird, der ist selig", ob sie gleich, erst ungläubig, nach zehn Jahren den Geist und Taufe kreigen. Und Cornelius Act. am 10. hatte lange zuvor gehört bei den Juden vom künftigen Messias, dadurch er gerecht vor Gott und sein Gebet und Almosen angenehm waren in solchem Glauben (wie Lukas ihn gerecht und gottesfürchtig nennt), und nicht ohne solch vor[her]gehendes Wort oder Gehör konnte glauben noch gerecht sein. Aber St. Petrus musste ihm offenbaren, daß der Messias (an welchen zukünftigen er bis daher geglaubt hatte) nun [ge]kommen wäre, und sein Glaube vom zukünftigen Messias ihn nicht bei den verstockten, ungläubigen Juden gefangen hielte, sondern wüsste, daß er nun müsste selig werden durch den gegenwärtigen Messiam und denselben nicht mit den Juden verleugnen noch verfolgen usw.

9] Summa, der Enthusiasmus steckt in Adam und seinen Kindern von Anfang bis zum Ende der Welt, von dem alten Drachen in sie gestiftet und gegiftet, und ist aller Ketzerei, auch des Papsttums und Mahomets, Ursprung, Kraft und Macht. 10] Darum sollen und müssen wir darauf beharren, daß Gott nicht will mit uns Menschen handeln denn durch sein äusserlich Wort und Sakrament. 11] Alles aber, was ohne solch Wort und Sakrament vom Geist gerühmt wird, das ist der Teufel. Denn Gott wollte auch Mosi erstlich durch den feurigen Busch und mündlich Wort erscheinen; und kein Prophet, weder Elias noch Elisäus, ausser oder ohne die zehn Gebote den Geist [ge]kriegt haben. 12] Und Johannes der Täufer nicht ohne Gabriels vorgehendes Wort empfangen noch ohne Mariä Stimme in seiner Mutter Leibe sprang. 13] Und St. Petrus spricht: "Die Propheten haben nicht aus menschlichem Willen, sondern aus dem Heiligen Geist geweissagt, doch als die heiligen Menschen Gottes." Aber ohne äusserlich Wort waren sie nicht heilig, viel weniger hätte sie als noch Unheilige der Heilige Geist zu reden getrieben; denn sie waren heilig, spricht er, da der Heilige Geist durch sie redete.

IX. Vom Bann.

Den grossen Bann, wie es der Papst nennt, halten wir für eine lauter weltliche Strafe, und [derselbe] geht uns Kirchendiener nichts an. Aber der kleine, das ist, der rechte christliche Bann, ist, daß man offenbarliche, halsstarrige Sünder nicht soll lassen zum Sakrament oder anderer Gemeinschaft der Kirche kommen, bis sie sich bessern und die Sünde meiden. Und die Prediger sollen in diese geistliche Strafe oder Bann nicht mengen die weltliche Strafe.

X. Von der Weihe und Vokation.

1] Wenn die Bischöfe wollten rechte Bischöfe sein und sich der Kirche und des Evangelii annehmen, so möchte man ihnen das um der Liebe und Einigkeit willen, doch nicht aus Not lassen gegeben sein, daß sie uns und unsere Prediger ordinierten und konfirmierten; doch hintangesetzt alle Larven und Gespenste [Blendwerke] unchristliches Wesens und Gepränges. 2] Nun sie aber nicht rechte Bischöfe sind oder auch nicht sein wollen, sondern weltliche Herren und Fürsten, die weder predigen noch lehren noch taufen noch kommunizieren, noch einiges Werk oder Amt der Kirche treiben wollen, dazu diejenigen, die solch Amt berufen treiben, verfolgen und verdammen, so muss [darf] dennoch um ihretwillen die Kirche nicht ohne Diener bleiben.

3] Darum, wie die alten Exempel der Kirche und der Väter uns lehren, wollen und sollen wir selbst ordinieren tüchtige Personen zu solchem Amt. Und das haben sie uns nicht zu verbieten noch zu wehren, auch [nicht] nach ihrem eigenen Rechte. Denn ihre Rechte sagen, daß diejenigen, so auch von Ketzern ordiniert sind, sollen geordiniert heissen und bleiben, gleichwie St. Hieronynmus schreibt von der Kirche zu Alexandria, daß sie erstlich von Bischöfen [*ohne Bischöfe], durch die Priester und Prediger ingemein regiert sind worden.

XI. Von der Priesterehe.

1] Daß sie die Ehe verboten und göttlichen Stand der Priester mit ewiger Keuschheit beschwert haben, das [des] haben sie weder Fug noch Recht gehabt, sondern haben gehandelt als die endechristischen, tyrannischen, verzweifelten Buben und damit Ursache gegeben allerlei erschrecklicher, greulicher, unzähliger Sünden der Unkeuschheit, darin sie denn noch stecken. 2] Als wenig nun uns oder ihnen Macht gegeben ist, aus einem Männlein ein Fräulein oder aus einem Fräulein ein Männlein zu machen oder beides nichts zu machen, so wenig haben sie auch Macht gehabt, solche Kreaturen Gottes zu scheiden oder [zu] verbieten, daß sie nicht ehrlich und ehelich beieinander sollten wohnen. 3] Darum wollen wir in ihren leidigen Zölibat nicht willigen, auch nicht leiden, sondern [wir wollen] die Ehe frei haben, wie sie Gott geordnet und gestiftet hat, und wollen sein Werk nicht zerreissen noch hindern; denn St. Paulus sagt 1 Tim. 4, es sei eine "teuflische Lehre".

XII. Von der Kirche.

1] Wir gestehen ihnen nicht, daß sie die Kirche seien, und [sie] sind’s auch nicht, und [wir] wollen’s auch nicht hören, was sie unter dem Namen der Kirche gebieten oder verbieten. 2] Denn es weiss, Gott Lob, ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei, nämlich die heiligen Gläubigen und die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören. Denn also beten die Kinder: "Ich glaube eine heilige christliche Kirche." 3] Diese Heiligkeit steht nicht in Chorhemden, Platten, langen Röcken und andern ihren Zeremonien, durch sie über [hinausgehend über] die Heilige Schrift erdichtet, sondern im Wort Gottes und rechtem Glauben.

XIII. Wie man vor Gott gerecht wird, und von guten Werken.

1] Was ich davon bisher und stetiglich gelehrt habe, das weiss ich gar nicht zu ändern, nämlich daß wir durch den Glauben (wie St. Petrus sagt) ein ander, neu, rein Herz kriegen, und Gott um Christus’ willen, unsers Mittlers, uns für ganz gerecht und heilig halten will und hält. Obwohl die Sünde im Fleisch noch nicht gar weg oder tot ist, so will er sie doch nicht rächen [*rechnen (zurechnen)] noch wissen.

2] Und auf solchen Glauben, Verneürung und Vergebung der Sünden folgen dann gute Werke. Und was an demselben [denselben] auch noch sündlich oder Mangel ist, soll nicht für Sünde oder Mangel gerechnet werden eben um desselben Christi willen, sondern der Mensch soll ganz, beide nach der Person und seinen Werken, gerecht und heilig heissen und seinen Werken, gerecht und heilig heissen und sein aus lauter Gnade und Barmherzigkeit in Christo, über uns ausgeschüttet und ausgebreitet. 3] Darum können wir nicht rühmen viel Verdienst und Werke, wo sie ohne Gnade und Barmherzigkeit angesehen werden, sondern wie geschrieben steht 1 Kor. 1: "Wer sich rühmet, der rühme sich des Herrn", das ist, daß er einen gnädigen Gott hat. So ist’s alles gut. 4] Sagen auch weiter, daß, wo gute Werke nicht folgen, so ist der Glaube falsch und nicht recht.

XIV. Von Klostergelübden.

1] Weil die Klostergelübden stracks wider den ersten Hauptartikel streiten, so sollen sie schlecht abe [abgetan] sein. Denn sie sind’s, da Christus von sagt Matth. 24: Ego sum Christus etc. 2] Denn wer da gelobt ein Klosterleben, der glaubt, daß er ein besser Leben führe denn der gemeine Christenmann und will durch seine Werke nicht allein ihm selber, sondern auch andern zum Himmel helfen; das heisst Christum verleugnen. 3] Und sie rühmen aus ihrem St. Thomas [Aquinas], daß [das] Klostergelübde der Teufel gleich sei. Das ist eine Gotteslästerung.

XV. Von Menschensatzungen

1] Daß die Papisten sagen, Menschensatzungen dienen zur Vergebung der Sünden oder verdienen die Seligkeit, das ist unchristlich und verdammt, wie Christus spricht: "Vergeblich dienen sie mir, weil sie lehren solche Lehren, die nichts sind denn Menschengebote." 2] Item ad Titum 1: Aversantium veritatem. Item, daß sie sagen, es sie Todsünde, solche Satzungen brechen, ist auch nicht recht.

3] Dies sind die Artikel, darauf ich stehen muss und stehen will bis in meinem Tod, ob Gott will, und weiss darin nichts zu ändern noch nachzugeben. Will aber jemand etwas nachgeben, das tü er auf sein Gewissen.

4] Zuletzt ist noch der Gaukelsack [die Zaubertasche] des Papistes dahinten von närrischen und kindischen Artikeln, als von Kirchenweihe, von Glockentaufen, Altarsteintaufen und Gevattern dazu bitten, die dazu gaben usw. Welches Taufen ein Spott und Hohn der heiligen Taufe ist, daß man’s nicht leiden soll. Danach von Lichtweihen, Palmen, Fladen, Hafer, Würzweihen usw., welches doch nicht kann geweiht heissen noch sein, sondern eitel Spott und Betrug ist. Und des Gaukelwerks unzählig veil, welche wir befehlen ihrem Gott und ihnen selbst anzubeten, bis sie es müde werden; wir wollen damit unverworren sein.

(Signatures of Luther and others included in the Latin)

7] Ich, Philippus Melanchthon, halte diese obgestralte [oben gestellten] Artikel auch für recht und christlich. Vom Papst aber halte ich, so er das Evangelium wollte zulassen, daß ihm um Friedens und gemeiner Einigkeit willen derjenigen Christen, so auch unter ihm sind und künftig sein möchten, seine Superiorität über die Bischöfe, die er sonst hat, iure humano auch von uns zugelassen sei.

(More signatures follow in Latin.)

Von der Gewalt und Oberkeit des Papsts,

durch die Gelehrten zusammengezogen zu Schmalkalden.

Anno MXXXVII.

1] Der Papst rühmt sich zum ersten, daß er aus göttlichen Rechten der Oberste sei über alle andern Bischöfe und Pfarrherren in der ganzen Christenheit.

2] Zum andern, daß er aus göttlichen Rechten habe beide Schwerter, das ist, daß er möge [könne] Könige setzen und entsetzen, weltliche Reiche ordnen usw.

3] Zum dritten sagt er, daß man solches bei Verlust der ewigen Seligkeit zu glauben schuldig sei. Und dies sind die Ursachen, daß der Papst sich nennt und rühmt, er sei der Statthalter Christi auf Erden.

4] Diese drei Artikel halten und erkennen wir, daß sie falsch, ungöttlich, tyrannisch und der christlichen Kirche ganz schädlich sind.

5] Auf daß nun unser Grund und Meinung desto baß [besser] möge verstanden werden, wollen wir zum ersten anzeigen, was es heiße, daß er rühmt, er sei aus göttlichen Rechten der Oberste. Denn also meinen sie es, daß der Papst über die ganze christliche Kirche gemeiner Bischof und, wie sie es nennen, oecumenicus episcopus sei, das ist, von welchen alle Bischöfe und Pfarrherren durch die ganze Welt sollen ordiniert und bestätigt werden, daß er allein Recht und Macht habe, alle Bischöfe und Pfarrherren zu wählen, ordnen, bestätigen und einzusetzen [*zu entsetzen]. 6] Neben dem maßt er sich auch dies an, daß er Macht habe, allerlei Gesetze zu machen von Gottesdiensten, Ënderung der Sakramente und der Lehre, und will, daß man seine Statuta und Satzungen andern Artikeln des christlichen Glaubens und der Heiligen Schrift soll gleich halten, als die ohne Sünde nicht mögen [können] nachgelassen werden. Denn er will solche Gewalt auf das göttliche Recht und Heilige Schrift gründen; ja er will, daß man es der Heiligen Schrift und den Geboten Gottes soll vorziehen, und das noch ärger ist, setzt er noch das hinzu: Solches alles soll und muß man glauben bei Verlust der ewigen Seligkeit.

7] Darum wollen wir zum ersten aus dem heiligen Evangelio anzeigen, daß der Papst gar keiner Oberkeit [Obrigkeit, Obergewalt] über andere Bischöfe und Seelsorger aus göttlichem Recht sich möge anmaßen.

8] l. Luk. 22 verbietet Christus mit klaren, hellen Worten, daß kein Apostel einige Oberkeit über die andern haben soll. Denn eben dies war die Frage unter den Jüngern, als Christus von seinem Leiden schon gesagt hatte, daß sie disputierten untereinander, wer unter ihnen Herr sein und Christum nach seinem Absterben verwesen sollte. Aber Christus straft solchen Irrtum der Apostel und lehrt sie, es werde die Weise nicht haben, daß sie wollten Herren sein und Oberkeit haben, Sondern sie sollten zugleich Apostel sein und in gleichem Amt das Evangelium predigen. Darum sagt er auch: "Die weltlichen Könige herrschen, und die Gewaltigen heißt man gnädige Herren. Ihr aber nicht also; sondern der Größte unter euch soll sein wie der Geringste Und der Vornehmste wie ein Diener." Hier sieht man, wenn man’s gegeneinander hält, daß er keine Herrschaft unter den Aposteln haben will.

ll. Wie solches auch wohl scheint [deutlich hervorgeht] aus dem andern Gleichnis, da Christus in gleicher Disputation von der Herrschaft ein junges Kind mitten unter die Apostel stellt, auf daß er anzeige, daß, gleich wie ein Kind keiner Herrschaft begehrt noch sich unterfängt, also auch die Apostel und alle, so das Wort führen sollen, nicht Oberkeit sollen suchen noch brauchen.

9] lll. Joh. 20 sendet Christus seine Junger zugleich zum Predigtamt, ohne allen Unterschied, daß einer weder mehr noch weniger Gewalt soll haben denn der andere. Denn so sagt er: "Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch." Die Worte sind hell und klar, daß er einen jeden also sende, wie er ist gesendet worden. Da kann je keiner keine [be]sondere Oberkeit oder Gewalt vor und über die andern rühmen.

10] lV. Gal. 2 zeigt der heilige Paulus klar an, daß er von Petro weder ordiniert noch konfirmiert und bestätigt sei, erkennt auch Petrum in keinem Wege dafür, als hätte er von ihm müssen bestätigt werden, und insonderheit streitet [verficht] er dieses, daß sein Beruf aus St. Peters Gewalt gar nicht stehe noch gegründet sei. Nun sollte er je Petrum als einen Obersten [an]erkannt haben, wo Petrus anders solche Oberkeit von Christo hätte empfangen, wie der Papst ohne allen Grund rühmt. Darum spricht auch Paulus, er habe das Evangelium eine lange Zeit frei gepredigt, ehe er sich mit Petro und den andern darüber besprochen habe. ltem, er spricht: "es liege ihm nichts an denen, die das Ansehen haben, welcherlei sie gewesen sind. Denn Gott achtet das Ansehen der Person und Menschen nicht; mir aber haben die, so das Ansehen hatten, keinen Befehl getan". Weil nun Paulus klar zeugt, er habe bei Petro nicht wollen ansuchen, daß er ihm zu predigen erlaubte, auch dazumal, da er am letzten sei zu ihm [ge]kommen, [so] haben wir eine gewisse Lehre, daß das Predigtamt vom gemeinen Beruf der Apostel herkommt, und ist nicht not, daß alle dieser einigen Person Petri Beruf oder Bestätigung haben.

11] V. 1Kor. 3 macht Paulus alle Kirchendiener gleich und lehrt, daß die Kirche mehr sei denn die Diener. Darum kann man mit reiner Wahrheit sagen, daß Petrus einige Oberkeit oder Gewalt vor andern Aposteln über die Kirche und alle andern Kirchendiener gehabt habe. Denn so spricht er: "Es ist alles eür, es sei Paulus oder Apollo oder Kephas"; das ist: Es darf weder Peter noch andere Diener des Worts ihnen [sich] zumessen einige Gewalt oder Oberkeit über die Kirche. Niemand soll die Kirche beschweren mit eigenen Satzungen, sondern hier soll es so heißen, daß keines Gewalt noch Ansehen mehr gelte denn das Wort Gottes. Man darf nicht Kephas’ Gewalt höher machen denn der andern Apostel; wie sie denn zu der Zeit pflegten zu sagen: Kephas hält dies also, der doch der vornehmste Apostel ist, darum soll es Paulus und andere auch so halten. Nein, spricht Paulus, und zieht Petro dies Hütlein ab, daß sein Ansehen und Gewalt sollte höher sein denn der andern Apostel oder [der] Kirche.

Aus den Historien.

12] VI. Das Konzilium zu Nizäa hat beschlossen, daß der Bischof zu Alexandrien sollte bestellen die Kirchen im Orient und der Bischof zu Rom die surburbanas, das ist, die, so zu Rom gehörten in Okzident. Hier ist des römischen Bischofs Macht zum ersten gewachsen, nicht aus göttlichen, sondern menschlichen Rechten, wie es im Concilio Nicaeno ist beschlossen worden. So nun der römische Bischof nach göttlichem Rechte wäre der Oberste gewesen, hätte das Konzilium zu Nizäa nicht Macht gehabt, ihm solche Gewalt zu nehmen und auf den Bischof zu Alexandria zu wenden [zu übertragen]; ja, alle Bischöfe im Orient sollten je und je vom Bischof zu Rom begehrt haben, daß er sie ordiniert und bestätigt hätte.

13] Vll. ltem, im Concilio Nicaeno ist beschlossen worden, daß eine jegliche Kirche einen Bischof für sich selbst im Beiwesen eines oder mehrerer Bischöfe, so in der Nähe wohnten, wählen sollte. 14] Solches ist nicht allein im Orient eine lange Zeit, sondern auch in andern und lateinischen Kirchengehalten worden, wie solches klar im Cypriano und Augustino ist ausgedrückt. Denn so spricht Cyprianus Epist. 4. ad Cornelium: "Darum soll man es fleißig nach dem Befehl Gottes und der Apostel Gebrauch halten, wie es denn bei uns und fast in allen Landen gehalten wird, daß zu der Gemeinde, da ein Bischof zu wählen ist, andere des Orts nahe gelegene Bischöfe zusammen sollen kommen, und in Gegenwart der ganzen Gemeinde, die eines jeden Wandel und Leben weiß, der Bischof soll gewählt werden, wie wir denn sehen, daß es in der Wahl Sabini, unsers Mitgesellen, auch geschehen ist, daß er nach Wahl der ganzen Gemeinde und Rat etlicher Bischöfe, so vorhanden gewesen, zum Bischof erwählt und die Hände ihm aufgelegt sind" usw.

15] Diese Weise heißt Cyprianus eine göttlich Weise und apostolischen Gebrauch und zeugt, daß es fast in allen Landen dazumal so gehalten sei.

Weil nun weder die ordinatio noch confirmatio dazumal durch das große Teil der Welt, in allen Kirchen der Griechen und lateinischen, beim Bischofe zu Rom ist gesucht worden, [so] ist es klar, daß die Kirche dazumal solche Oberkeit und Herrschaft dem Bischofe zu Rom nicht gegeben hat.

16] Solche Oberkeit und Herrschaft ist auch ganz und gar unmöglich: Denn wie könnte es möglich sein, daß ein Bischof sollte alle Kirchen der ganzen Christenheit versorgen, oder daß die Kirchen, so fern von Rom gelegen, allein von einem alle ihre Kirchendiener könnten ordinieren lassen? Denn das ist je gewiß, daß das Reich Christi durch die ganze Welt ist ausgeteilt. So sind auch noch heutigestags viele christliche Versammlungen der Kirche im Orient, welche Kirchendiener haben, so weder vom Papst noch den Seinen ordiniert noch konfirmiert sind. Weil nun solche Oberkeit, der sich der Papst wider alle Schrift anmaßt, auch ganz und gar unmöglich ist, und die Kirchen in der Welt hin und wieder den Papst für einen solchen Herrn weder [an]erkannt noch gebraucht haben, [so] sieht man wohl, daß solche Oberkeit nicht von Christo eingesetzt [ist] und nicht aus göttlichen kommt.

17] Vlll. Es sind vor alters viele Konzilia ausgeschrieben und gehalten worden, in welchen der Bischof zu Rom nicht als der Oberste gesessen ist, als zu Nizäa und an andern Orten mehr. Dasselbe ist je auch eine Anzeigung, daß die Kirche dazumal den Papst für einen Oberherrn über alle Kirchen und Bischöfe nicht [an]erkannt habe.

18] lX. St. Hieronymus spricht: "Wenn man will von Gewalt und Herrschaft reden, so ist je orbis mehr denn urbs, das ist, Welt ist mehr denn die Stadt Rom. Darum, es sei der Bischof zu Rom oder Eugubien, zu Konstantinopel oder Rhegio oder Alexandrien, so ist Würde und Amt gleich" usw.

19] X. ltem, Gregorius schreibt zum Patriarchen zu Alexandria und verbeut [verbietet] ihm, er soll ihn nicht heißen den höchsten Bischof, und in den Regesten sagt er, es sei im Konzilio zu Chalcedon dem Bischof zu Rom angeboten worden, er solle der oberste Bischof sein, aber er habe es nicht angenommen. [Gregorius, Epist., lib 8, Ep. 30 ad Euloglum: "Nam dixi, nec mihi vos nec cuiquam alteri tale aliquid" (Eulogius hatte mit Bezug auf Gregor den Ausdruck: "Sicut iussistis" gebraucht) "scribere debere; et ecce in praefatione epistolae, quam ad me ipsum, qui prohibui, direxistis, superbae appellationis verbum universalem me Papam dicentes imprimere curastis. Quod peto dulcissima mihi sanctitas vestra ultra non faciat."]

20] XI. Zum letzten, wie kann der Papst nach göttlichen Rechten über die Kirche sein, weil doch die Wahl bei der Kirche steht, und dies gar mit der Zeit in die Gewohnheit gekommen ist, daß die römischen Bischöfe von den Kaisern sind bestätigt worden?

22] Hier werden etliche Sprüche wider uns geführt, als Matth. 16: "Du bist Petrus, und auf diesen Fels will ich baün meine Gemeinde oder Kirche"; item: "Dir will ich die Schlüssel geben"; item: "Weide meine Schafe", und dergleichen mehr. Weil aber dieser ganze Handel fleißig und genugsam von den Unsern zuvor ist traktiert, wollen wir dieselben Schriften hier erholt [wiederholt] haben und auf diesmal kurz antworten, wie bemeldete Sprüche im Grund zu verstehen sind.

23] ln allen diesen Sprüchen ist Petrus eine gemeine Person und redet nicht für sich allein, sondern für alle Apostel. Dieses beweisen die Texte klar. Denn Christus fragt je Petrum allein nicht, sondern spricht: "Wer saget ihr, daß ich sei?" und daß Christus hier zu Petro allein redet, als: "Dir will ich die Schlüssel geben"; item: "Was du binden wirst" usw., dasselbe redet er an andern Orten zu dem ganzen Haufen: "Alles, was ihr binden werdet auf Erden" usw., item im Johanne: "Welchen ihr die Sünden vergebet" usw. Diese Worte zeugen, daß die Schlüssel allen insgemein gegeben und sie alle zugleich zu predigen gesandt worden sind.

24] Über das muß man je bekennen, daß die Schlüssel nicht einem Menschen allein, sondern der ganzen Kirche gehören und gegeben sind, wie denn solches mit hellen und gewissen Ursachen genugsam kann erwiesen werden. Denn gleichwie die Verheißung des Evangelii gewiß und ohne Mittel der ganzen Kirche zugehört, also gehören die Schlüssel ohne Mittel der ganzen Kirche, dieweil die Schlüssel nichts anderes sind denn das Amt, dadurch solche Verheißung jedermann, wer es begehrt, wird mitgeteilt; wie es denn im Werk vor Augen ist, daß die Kirche Macht hat, Kirchendiener zu ordinieren. Und Christus spricht bei diesen Worten: "Was ihr binden werdet" usw, und deutet, wem er die Schlüssel gegeben, nämlich der Kirche: "Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen" usw. Item Christus gibt das höchste und letzte Gericht der Kirche, da er spricht: "Sag’s der Kirche!"

Daraus folgt nun, daß in solchen Sprüchen nicht allein Petrus, sondern der ganze Haufe der Apostel gemeint wird. Darum kann man in keinem Wege aus solchen Sprüchen eine [be]sondere Gewalt der Oberkeit [be]gründen, die Petrus vor andern Aposteln gehabt habe oder haben hat sollen.

25] Daß aber [da] steht: "Und auf diesen Fels will ich meine Kirche baün", da muß man je bekennen, daß die Kirche nicht auf einiges Menschen Gewalt gebaut sei, sondern sie ist gebaut auf das Amt, welches das Bekenntnis führt, das Petrus tut, nämlich, daß "JEsus sei der Christ und Sohn Gottes". Darum redet er ihn auch an als einen Diener solches Amts, da dies Bekenntnis und Lehre innen gehen soll, und spricht: "Auf diesen Felsen", das ist, auf diese Predigt und Predigtamt.

26] Nun ist je das Predigtamt an keinen gewissen Ort noch Person gebunden, wie der Leviten Amt im Gesetz gebunden war, Sondern es ist durch die ganze Welt ausgestreut und ist an dem Ort, da Gott seine Gaben gibt: Apostel, Propheten, Hirten, Lehrer usw. 27] Und tut die Person gar nichts zu solchem Wort und Amt, von Christo befohlen; es predige und lehre es, wer da wolle, wo Herzen sind, die es glauben und sich daran halten, denen widerfährt, wie sie es hören und glauben. Auf diese Weise legen solchem Spruch viel alte Lehrer aus, nicht von der Person Petri, sondern vom 28] Amt und Bekenntnis, als: Origenes, Ambrosius, Cyprianus, Hilarius, Beda.

30] Daß nun an andern Orten steht: "Weide meine Schafe", item: "Petre, hast du mich auch lieber denn diese?" [daraus] folgt noch nicht, daß Petrus mehr Gewalt sollte haben denn andere Apostel, sondern er heißt ihn weiden, das ist, das Evangelium predigen oder die Kirche durchs Evangelium regieren; das geht je ebensowohl auf andere Apostel als auf Petrum.

31] Der andere Artikel ist noch klarer denn der erste. Denn Christus hat seinen Jüngern allein geistliche Gewalt gegeben, das ist, er hat ihnen befohlen, das Evangelium zu predigen, Vergebung der Sünden zu verkündigen, die Sakramente zu reichen und die Gottlosen zu bannen, ohne leibliche Gewalt durchs Wort, und hat ihnen gar nicht befohlen, das Schwert zu führen, noch weltliche Regimente zu bestellen, einzunehmen, Könige zu setzen oder zu entsetzen. Denn so spricht Christus: "Gehet hin und lehret, daß man das halte, was ich euch geboten habe"; item: "Wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch."Nun ist es je am Tag, daß Christus nicht dazu gesandt ist, daß er das Schwert sollte führen oder auf weltliche Weise regieren, wie er denn selbst sagt: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt." Und Paulus spricht: "Wir herrschen nicht über euren Glauben"; item: "Unsere Kriegsrüstung und Waffen sind nicht fleischlich" usw.

32] Daß nun Christus in seinem Leiden mit Dornen gekrönt und im Purpurkleid hervorgeführt und so verspottet ist worden, ist alles eine [Be]deutung gewesen, daß mit der Zeit das rechte geistliche Reich Christi sollte verachtet und sein Evangelium unterdrückt und ein ander äußerlich Reich anstatt desselben unter dem Schein geistlicher Gewalt ausgerichtet werden. 33] Darum ist die Constitutio Bonifacii Vlll. und das cap. Omnes, dist. 21, und dergleichen andere Sprüche mehr ganz und gar falsch und gottlos, damit sie erhalten wollen, daß der Papst vermöge göttliches Rechts ein Herr sei über die Königreiche der Welt; wie denn aus solchem falschen Wahn zum ersten schreckliche Finsternis in der Kirche, und danach greuliche Zerrüttung und Rumor in Europa erfolgt sind. Denn da hat man das Predigtamt lassen fallen, und ist die Lehre vom Glauben und geistlichen Reich Christi gar verloschen, und man hat des Papstes äußerliches Wesen und Satzungen für christliche Gerechtigkeit gehalten.

35] Danach sind die Päpste auch zugefahren, haben Fürstentümer und Königreiche zu [an] sich gerissen, Könige gesetzt und entsetzt und mit unbilligem Bann und Kriegen fast alle Könige in Europa geplagt, sonderlich aber die deutschen Kaiser, bisweilen darum, daß sie die Städte in Welschland [Italien] an sich brächten, bisweilen, daß sie die Bischöfe in Deutschland ihnen [sich] untertan machten und die Bistümer selbst verleihen möchten, die der Kaiser allein zu verleihen hat. Ja, das mehr ist, in der Clementina steht also: "wenn das Kaisertum ledig stehe, so sei der Papst der rechte Erbe dazu".

36] Also hat sich der Papst nicht allein weltlicher Herrschaft wider Gottes klaren Befehl unbillig unterfangen, sondern hat wie ein Tyrann über alle Könige sein wollen. Wiewohl nun solches Tun der Päpste an ihm selbst ganz und gar sträflich, so ist doch dies das Ërgste daran, daß er solchen Mutwillen und Frevel mit dem Befehl Christi deckt und die Schlüssel deutet aus weltliche Herrschaft und hängt an solche ungöttliche und schändliche Opinion der Seelen Seligkeit, da er sagt, es sollen es die Leute bei ihrer Seelen Seligkeit also glauben, daß der Papst solche Macht habe aus göttlichen Rechten.

37] Weil nun solche greuliche Irrtümer die Lehre vom Glauben und Reich Christi ganz verfinstert haben, will es sich in keinem Weg leiden, daß man dazu sollte stillschweigen; denn man sieht’s im Werk vor Augen, was großer Schade der Kirche daraus erwachsen ist.

38] Zum dritten muß man auch dies willen: obschon der Papst den Primat und Oberkeit aus göttlichem Recht hätte, daß man denjenigen Päpsten, so falsche Gottesdienste, Abgötterei und falsche Lehre wider das Evangelium vorgeben, keinen Gehorsam schuldig ist. Ja, das mehr ist, man solle auch solche Päpste und solch Reich für ein anathema und verfluchtes Wesen halten, wie Paulus klar sagt: "Wenn ein Engel vom Himmel käme und ein ander Evangelium predigte, anders, denn wir euch gepredigt haben, der sei verflucht:" Und in Actis steht: "Man soll Gott mehr gehorchen denn den Menschen." Wie die geistlichen Rechte selbst sagen: "Einem Papst, der ein Ketzer ist, soll man nicht gehorsam sein."

Der Hohepriester im Gesetze Mosis hatte das Amt aus den göttlichen Rechten, gleichwohl war niemand verpflichtet zum Gehorsam, wenn sie wider Gottes Wort handelten, wie man sieht, daß Jeremias und andere Propheten sich von den Priestern sonderten. Also sonderten sich die Apostel von Kaiphas und waren ihm keinen Gehorsam schuldig.

39] Nun ist es je am Tage, daß die Päpste samt ihrem Anhang gottlose Lehre und falsche Gottesdienste erhalten wollen und handhaben. So reimen sich auch alle Untugenden, so in der Heiligen Schrift vom Antichrist sind weisgesagt [geweissagt], mit des Papstes Reich und seinen Gliedern. Denn Paulus, da er den Antichrist malt 2 Thess. 2, nennt er ihn einen "Widersacher Christi, der sich über alles erhebe, das Gott oder Gottesdienst heißt, also daß er sich setzt in den Tempel Gottes als ein Gott und gibt vor, er sei ein Gott" usw. Hier redet Paulus von einem, der in der Kirche regiert, und nicht von weltlichen Königen, und nennt ihn einen Widerwärtigen Christi, weil er eine andere Lehre werde erdenken, und daß er sich solches alles werde anmaßen, als täte er’s aus göttlichen Rechten.

40] Nun ist am ersten dies wahr, daß der Papst in der Kirche regiert und unter dem Schein geistlicher Gewalt solche Herrschaft hat an sich [ge]bracht; denn er gründet sich auf diese Worte: "lch will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben." Zum andern ist je des Papstes Lehre in alle Wege wider das Evangelium. Zum dritten, daß er vorgibt, er sei Gott, ist in dreien Stücken zu merken: Zum ersten, daß er sich des anmaßt, er möge die Lehre Christi und rechte Gottesdienste, von Gott selbst eingesetzt, ändern; und will seine Lehre und eigenen erdichteten Gottesdienste gehalten haben, als hätte sie Gott selbst geboten. Zum andern, daß er sich der Gewalt anmaßt zu binden und [zu] entbinden nicht allein in diesem zeitlichen Leben hier, sondern auch in jenem Leben. Zum dritten, daß der Papst nicht will leiden, daß die Kirche oder sonst jemand ihn richte, sondern seine Gewalt soll über alle Konzilia und die ganze Kirche gehen; das heißt aber sich selbst zum Gott machen, wenn man weder [der] Kirche noch jemandes Urteil leiden will. Zum letzten hat der Papst solche Irrtümer und gottlos Wesen auch mit unrechter Gewalt und Morden verteidigt, daß er alle, so es nicht allermaßen mit ihm gehalten, hat umbringen lassen.

41] Weil nun dem also ist, sollen alle Christen auf das fleißigste sich hüten, daß sie solcher gottlosen Lehre, Gotteslästerung und unbilligen Wüterei sich nicht teilhaftig machen, sondern sollen vom Papst und seinen Gliedern oder Anhang als von des Antichrists Reich weichen und es verfluchen, wie Christus befohlen hat: "Hütet euch vor den falschen Propheten!" Und Paulus gebietet, daß man falsche Prediger meiden und als einen Greül verfluchen soll. Und 2 Kor. 6 spricht er: "Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen; denn was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?" usw.

42] Schwer ist es, daß man von so viel Landen und Leuten sich trennen und eine [be]sondere Lehre führen will. Aber hier steht Gottes Befehl, daß jedermann sich soll hüten und nicht mit denen einhellig sein, so unrechte Lehre führen oder mit Wüterei zu erhalten gedenken.Darum sind unsere Gewissen deshalben wohl entschuldigt und versichert. Denn man sieht je vor Augen die großen Irrtümer, so in des Papstes Reich gehen, und die Schrift schreit mit aller Macht, daß solche Irrtümer des Teufels und Antichrists Lehre seien. 43] Die Abgötterei im Mißbrauch der Messen ist offenbar, welche neben dem, daß sie sonst nichts tügen [taugen], zum schändlichen Genieß und Krämerei mißbraucht sind. 44] Die Lehre von der Buße ist vom Papst und den Seinen ganz gefälscht und verderbt worden. Denn so lehren sie: Sünde werde vergeben um unserer eigenen Werke willen; und hängen dies dran, man solle dennoch zweifeln, ob die Sünden vergeben sind. Dazu lehren sie nicht, daß um Christus’ willen die Sünde ohne Verdienst vergeben, und solche Vergebung der Sünden durch den Glauben an Christum erlangt werde.Mit solcher Lehre nehmen sie Christo seine Ehre und berauben die Gewissen des rechten und gewissen Trostes und tun ab die rechten Gottesdienste, nämlich die Übung des Glaubens, welcher mit dem Unglauben und Verzweiflung über der Verheißung des Evangelii kämpft.

45] Dergleichen haben sie auch die Lehre verdunkelt von der Sünde und eigene Satzungen erdichtet, wie man alle Sünden erzählen und beichten müsse, daraus mancherlei Irrtum, auch endlich Verzweiflung gefolgt ist.Danach haben sie eigene Genugtuung erdacht, dadurch die Wohltat und das Verdienst Christi auch verfinstert ist.

46] Aus diesem ist der Ablaß gefolgt, welcher lauter Lügen und allein um des Geldes willen erdacht ist.

47] Was ist denn danach für Mißbrauch und greuliche Abgötterei aus dem Anrufen der Heiligen gefolgt!

48] Was für Schande und Laster sind gekommen aus dem Verbot der Ehe:Wie ist nur das Evangelium durch die Lehre von [den] Gelübden so verdunkelt worden! Da hat man gelehrt, daß solche Gelübde sind vor Gott eine Gerechtigkeit und verdienen Vergebung der Sünden, daß also das Verdienst Christi auf Menschensatzungen gezogen und die Lehre vom Glauben ganz vertilgt ist. Und haben ihre närrischen und leichtfertigen Satzungen für den rechten Gottesdienst und Vollkommenheit gerühmt und den Werken, welche Gott von einem jedem in seinem Beruf fordert und geordnet hat, vorgezogen. Nun darf man’s nicht dafür achten, daß solches geringe Irrtümer sind, denn sie nehmen Christo seine Ehre und verdammen die Seelen; darum soll man sie nicht ungestraft lassen hingehen.

49] Zu diesen Irrtümern kommen nun zwei große, greuliche Sünden: die eine, daß der Papst solche Irrtümer mit unbilliger Wüterei und grausamer Tyrannei, mit Gewalt verteidigen und erhalten will; die andere, daß er der Kirche das Urteil nimmt und will solche Religionssachen ordentlicherweise nicht richten lassen; ja, er will mehr denn alle Konzilia sein und die Macht haben, daß er alles, so in Konzilien beschlossen, möge zerreißen und aufheben; wie zuweilen die Kanones solches unverschämt heraussagen, und haben solches die Päpste noch Unverschämter getrieben, wie viele Exempel bezeugen.

50] 9. Quaest. 3. spricht der Kanon: "Niemand soll den höchsten Stuhl richten; denn den Richter richtet weder Kaiser noch die Priester, weder König noch das Volk."

51] Also handelt der Papst auf beiden Seiten wie ein Tyrann, daß er solche Irrtümer mit Gewalt und Wüterei verteidigt und will keine Richter leiden. Und dies andere Stück tut mehr Schaden denn alle Wüterei. Denn alsbald der Kirche das rechte Urteil und Erkenntnis genommen ist, kann nicht möglich sein, daß man falscher Lehre oder unrechtem Gottesdienst könnte steürn, und müssen derhalben viele Seelen verloren werden.

52] Darum sollen gottesfürchtige Leute solche greuliche Irrtümer des Papstes und seine Tyrannei wohl bedenken und zum ersten wissen, daß solche Irrtümer zu stehen und die rechte Lehre der Ehre Gottes und der Seelen Seligkeit halben anzunehmen sei. 53] Danach, daß man doch bedenke, wie eine greuliche, große Sünde es sei, solche unbillige Wüterei des Papstes helfen fördern, da so viel fromme Christen so jämmerlich ermordet werden, welcher Blut ohne Zweifel Gott nicht wird ungerochen [ungerächt] lassen.

54] Vornehmlich aber sollen Könige und Fürsten als vornehmste Glieder der Kirche helfen und schaün, daß allerlei Irrtümer weggetan und die Gewissen recht unterrichtet werden, wie denn Gott zu solchem Amt die Könige und Fürsten sonderlich vermahnt im 2. psalm: "Ihr Könige, laßt euch weisen, und ihr Richter auf Erden, laßt euch züchtigen:" Denn dies soll bei den Königen und großen Herren die vornehmste Sorge sein, daß sie Gottes Ehre fleißig fördern. Darum wäre es je unbillig, wenn sie ihre Macht und Gewalt dahin wollten wenden, daß solche: greuliche Abgötterei und andere unzählige Laster erhalten und die frommen Christen so jämmerlich ermordet würden.

55] Und im Fall, daß der Papst gleich ein Konzilium halten wollte, wie kann der Kirche wider solche Stücke geholfen werden, so der Papst nicht leiden will, daß man etwas wider ihn [be]schließe, oder andere, denn so ihm zuvor durch schreckliche Eidespflichten, auch Gottes Wort unausgenommen, zugetan, in Kirchensachen richten sollen?

56] Weil aber die Urteile in Konzilien der Kirche und nicht des Papstes Urteile sind, will es je den Königen und Fürsten gebühren, daß sie dem Papst solchen Mutwillen nicht einräumen, sondern schaffen, daß der Kirche die Macht zu richten nicht genommen und alles nach der Heiligen Schrift und Wort Gottes geurteilt werde. Und gleichwie die Christen alle andern Irrtümer des Papstes zu strafen schuldig sind, also sind sie auch schuldig, den Papst selbst zu strafen, wenn er fliehen oder wehren will das rechte Urteil und wahre Erkenntnis der Kirche.

57] Darum, obschon der Papst aus göttlichen Rechten den Primat oder Oberkeit hätte, soll man ihm dennoch keinen Gehorsam leisten, weil er falsche Gottesdienste und eine andere Lehre wider das Evangelium erhalten will. Ja, man soll sich aus Not wider ihn als den rechten Antichrist setzen. Man sieht’s je am Tage, was des Papstes Irrtümer und wie groß sie sind.

58] So sieht man auch die Wüterei, welche er wider die frommen Christen vornimmt. So steht Gottes Befehl und Wort da, daß wir Abgötterei, falsche Lehre und unbillige Wüterei fliehen sollen, Darum hat ein jeder frommer Christ wichtige, nötige und helle Ursachen genug, daß er dem Papst nicht Gehorsam leiste, und sind solche nötige Ursachen allen Christen ein großer Trost wider allerlei Schmach und Schande, die sie uns auslegen, daß wir Ërgernis geben, Zertrennung und Uneinigkeit anrichten.

59] Die es aber mit dem Papst halten und seine Lehre und falschen Gottesdienste verteidigen, die beflecken sich mit Abgötterei und gotteslästerlicher Lehre und laden auf sich alles Blut der frommen Christen, die der Papst und die Seinen verfolgen; die verhindern auch Gottes Ehre und der Kirche Seligkeit, weil sie solche Irrtümer und Laster vor aller Welt und allen Nachkommen zu Schaden verteidigen.

Von der Bischöfe Gewalt und Jurisdiktion.

60] ln unserer Konfession und Apologia haben wir ingemein erzählt, was von Kirchengewalt zu sagen gewesen ist. Denn das Evangelium gebeut [gebietet] denen, so den Kirchen sollen vorstehen, daß sie das Evangelium predigen, Sünden vergeben und Sakramente reichen sollen. Und über das gibt es ihnen die Jurisdiktion, daß man die, so in öffentlichen Lastern liegen, bannen, und die sich bessern wollen, entbinden und absolvieren soll.

61] Nun muß es jedermann, auch unsere Widersacher, bekennen, daß diesen Befehl zugleich alle haben, die den Kirchen vorstehen, sie heißen, gleich pastores ober presbyteri oder Bischöfe. 62] Darum spricht auch Hieronymus mit hellen Worten, daß episcopi und presbyteri nicht unterschieden, sind; sondern daß alle Pfarrherren zugleich Bischöfe und Priester sind, und allegiert den Text Pauli ad Tit. 1, da er zu Tito schreibt: "Ich ließ dich derhalben zu Kreta, daß du bestelletest die Städte hin und her mit Priestern", und nennt solche hernach Bischöfe: "Es soll ein Bischof eines Weibes Mann sein." So nennen sich selbst Petrus und Johannes presbyteros oder Priester. Danach sagt Hieronymus weiter: "Daß aber einer allein erwählt wird, der andere unter ihm habe, ist geschehen, daß man damit die [der] Zertrennung wehrte, daß nicht einer hier, der andere dort eine Kirche an sich zöge, und die Gemeinde also zerrissen würde. Denn zu Alexandria", sagt er, "von Marko dem Evangelisten an bis auf Esdram [Heraclam] und Dionysium, haben allezeit die Presbyteri einen aus ihnen [sich] erwählt und höher gehalten und episcopum (einen Bischof) genannt, gleichwie ein Kriegsvolk einen zum Hauptmann erwählt; wie auch die Diaconi einen aus ihnen [sich], der geschickt dazu ist, wählen und Archidiakon nennen. Denn, sage mir, was tut ein Bischof mehr denn ein jeglicher Presbyter, ohne daß er andere zum Kirchenamt ordnet" usw. ?

63] Hier lehrt Hieronymus, daß solcher Unterschied der Bischöfe und Pfarrherren allein aus menschlicher Ordnung gekommen sei, wie man denn auch im Werk steht. 64] Denn das Amt und Befehl ist gar einerlei, und hat hernach allein die ordinatio den Unterschied zwischen Bischöfen und Pfarrherren gemacht. Denn so hat man’s danach geordnet, daß ein Bischof auch in andern Kirchen Leute zum Predigtamt ordnete.

65] Weil aber nach göttlichem Recht kein Unterschied ist zwischen Bischöfen und Pastoren oder Pfarrherren, [so] ist’s ohne Zweifel, wenn ein Pfarrherr in seiner Kirche etliche tüchtige Personen zu den Kirchenämtern ordnet, daß solche ordinatio nach göttlichen Rechten kräftig und recht ist.

66] Darum, weil doch die verordneten Bischöfe das Evangelium verfolgen und tüchtige Personen zu Ordinieren sich weigern, hat eine jegliche Kirche in diesem Fall gut Fug und Recht, ihr selbst Kirchendiener zu ordinieren.

67] Denn wo die Kirche ist, da ist je der Befehl, das Evangelium zu predigen. Darum müssen die Kirchen die Gewalt behalten, daß sie Kirchendiener fordern, wählen und ordinieren. Und solche Gewalt ist ein Geschenk, welches der Kirche eigentlich von Gott gegeben und von keiner menschlichen Gewalt der Kirche kann genommen werden, Wie St. Paulus zeugt Eph. 4, da er sagt: "Er ist in die Höhe gefahren und hat Gaben gegeben den Menschen." Und unter solchen Gaben, die der Kirche eigen sind, zählt er "Pfarrherren und Lehrer" und hängt daran, daß solche gegeben werden "zur Erbauung des Leibes Christi". Darum folgt, wo eine rechte Kirche ist, daß da auch die Macht sei, Kirchendiener zu wählen und [zu] ordinieren. Wie denn in der Not auch ein schlechter [gewöhnlicher] Laie einen andern absolvieren und sein Pfarrherr werden kann, wie St. Augustin eine Historie schreibt, daß zwei Christen in einem Schiffe beisammen gewesen, deren einer den andern getauft und danach von ihm absolviert sei.

68] Hierher gehören die Sprüche Christi, welche zeugen, daß die Schlüssel der ganzen Kirche und nicht etlichen [be]sonderen Personen gegeben sind, wie der Text sagt: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen" usw,

69] Zum letzten wird solches auch durch den Spruch Petri bekräftigt, da er spricht: "Ihr seid das königliche Priestertum." Diese Worte betreffen eigentlich die rechte Kirche, welche, weil sie allein das Priestertum hat, muß sie auch die Macht haben, Kirchendiener zu wählen und [zu] ordinieren.

70] Solches zeugt auch der gemeine Brauch der Kirche. Denn vorzeiten wählte das Volk Pfarrherren und Bischöfe; dazu kam der Bischof, am selben Ort oder in der Nähe gesessen, und bestätigte den gewählten Bischof durch Auflegen der Hände, und ist dazumal die ordinatio nichts anderes gewesen denn solche Bestätigung. 71] Danach sind andere Zeremonien mehr dazugekommen, wie Dionysius deren etliche erzählt. Aber dasselbe Buch Dionysii ist ein neu Gedicht unter falschem Titel, wie auch das Buch Clementis einen falschen Titel hat und lange nach Clemente von einem bösen Buben gemacht ist. Danach ist auf die letzt [ist zuletzt] auch dies hinangehängt worden, daß der Bischof gesagt hat zu denen, die er weihte: "lch gebe dir Macht, zu opfern für die Lebendigen und die Toten"; aber das steht auch im Dionysio nicht.

72] Hieraus sieht man, daß die Kirche Macht hat, Kirchendiener zu wählen und [zu] ordinieren. Darum wenn die Bischöfe entweder Ketzer sind oder tüchtige Personen nicht wollen ordinieren, sind die Kirchen vor Gott nach göttlichem Recht schuldig, ihnen selbst Pfarrherren und Kirchendiener zu ordinieren. Ob man nun dies wollte eine Unordnung oder Zertrennung heißen, [so] soll man wissen, daß die gottlose Lehre und Tyrannei der Bischöfe daran schuldig ist. Denn so gebietet Paulus das alle Bioschöfe, so entweder selbst unrecht lehren oder unrechte Lehre und falschen Gottesdienst verteidigen, für sträfliche Leute sollen gehalten werden.

73] Bisanher haben wir von der Ordination gesagt, welche allein etwa [ehemals] Unterschied gemacht hat zwischen Bischöfen und den Priestern, wie Hieronymus spricht. Darum ist nicht not, von ubrigen bischöflichen Ëmtern viel zu disputieren, man wollte denn von der Firmelung, Glockentaufen und anderm solchen Gaukelspiel reden, welches fast allein die Bischöfe sonderlich gebraucht; aber von der Jurisdiktion ist noch zu handeln.

74] Dies ist gewiß, daß die gemeine iurisdictio, die, so in öffentlichen Lastern liegen, zu bannen, alle Pfarrherren haben sollen, und daß die Bischöfe als Tyrannen sie zu sich gezogen und zu ihrem Genieß schändlich mißbraucht haben. Denn die Offiziale haben unleidlichen Mutwillen damit getrieben und die Leute entweder aus Geiz oder anderm Mutwillen wohl geplagt und ohne alles vor[her]gehendes rechtliches Erkenntnis gebannt. Was ist aber dies für eine Tyrannei, daß ein Offizial in einer Stadt die Macht soll haben, allein seinem Mutwillen nach ohne rechtliches Erkenntnis die Leute mit dem Bann so zu plagen und zu zwingen usw.? 75] Nun haben sie solchen Zwang in allerlei Sachen gebraucht und nicht allein die rechten Laster damit nicht gestraft, da der Bann auf folgen sollte, sondern auch in andern, geringen Stücken, wo man nicht recht gefastet oder gefeiert hat, ohne daß sie zuweilen den Ehebruch gestraft und dann auch ist unschuldige Leute geschmäht und infamiert haben. Denn weil solche Beschuldigung sehr wichtig und schwer ist, soll je ohne rechtliches und ordentliches Erkenntnis in dem Fall niemand verdammt werden.

76] Weil nun die Bischöfe solche Jurisdiktion als Tyrannen an sich gebracht und schändlich mißbraucht haben, dazu sonst gute Ursachen sind, ihnen nicht zu gehorchen, so ist’s recht, daß man diese geraubte Jurisdiktion auch wieder von ihnen nehme und sie den Pfarrherren, welchen sie aus Christi Befehl gehört, zustelle und krachte, daß sie ordentlicherweise den Leuten zur Besserung des Lebens und zur Mehrung der Ehre Gottes gebraucht werde.

77] Danach ist eine iurisdictio in den Sachen, welche nach päpstlichem Recht in das forum ecclesiasticum oder Kirchengericht gehören, wie sonderlich die Ehesachen sind. Solche Jurisdiktion haben die Bischöfe auch nur aus menschlicher Ordnung an sich gebracht, die dennoch nicht sehr alt ist, wie man ex codice und novellis Justiniani sieht, daß die Ehesachen dazumal gar von weltlicher Obrigkeit gehandelt sind, und ist weltliche Obrigkeit schuldig, die Ehesachen zu richten, besonders, wo die Bischöfe unrecht richten oder nachlässig sind, wie auch die Canones zeugen. Darum ist man auch solcher Jurisdiktion halben den Bischöfen keinen Gehorsam schuldig. 78] Und dieweil sie etliche unbillige Satzungen von Ehesachen gemacht und in Gerichten, die sie besitzen, brauchen, ist weltliche Obrigkeit auch dieser Ursache halben schuldig, solche Gerichte anders zu bestellen. Denn je das Verbot von der Ehe zwischen Gevattern unrecht ist; so ist dies auch Unrecht, daß, wo zwei geschieden werden, der unschuldige Teil nicht wiederum heiraten soll; item, daß ingemein alle Heiraten, so heimlich und mit Betrug, ohne der Eltern Vorwissen und Bewilligung geschehen, gelten und kräftig sein sollen. ltem, so ist das Verbot von der Priesterehe auch Unrecht. Dergleichen sind in ihren Satzungen andere Stücke mehr, damit die Gewissen verwirrt und beschwert sind worden, die ohne Not ist, hier alle zu erzählen, und ist an dem genug, daß man weiß, daß in Ehesachen viel unrechtes und unbilliges Dings vom Papst ist geboten worden, daraus weltliche Obrigkeit Ursache genug hat, solche Gerichte für sich selbst anders zu bestellen.

79] Weil denn nun die Bischöfe, so dem Papst sind zugetan, gottlose Lehre und falsche Gottesdienste mit Gewalt verteidigen und fromme Prediger nicht ordinieren wollen, sondern helfen dem Papst dieselben ermorden und darüber den Pfarrherren die Jurisdiktion entzogen und allein wie Tyrannen zu ihrem Nutz sie gebraucht haben, zum letzten weil sie auch in Ehesachen so unbillig und unrecht handeln, [so] haben die Kirchen großer und notwendiger Ursachen genug, daß sie solche nicht als Bischöfe [an]erkennen sollen.

80] Sie aber, die Bischöfe, sollen bedenken, daß ihre Güter und Einkommen gestiftet sind als Almosen, daß sie der Kirche dienen und ihr Amt desto stattlicher ausrichten mögen, wie die regula heißt: Beneficium datur propter officium. Darum können sie solche Almosen mit gutem Gewissen nicht gebrauchen und berauben damit die Kirche, welche solche Güter bedarf zur Unterhaltung der Kirchendiener und gelehrte Leute aufzuziehen und etliche Arme zu versorgen, und sonderlich zur Bestellung der Ehegerichte. 81] Denn da tragen sich so mancherlei und seltsame Fälle zu, daß es wohl eines eigenen Gerichts bedürfte; solches aber kann ohne Hilfe derselben Güter nicht bestellt werden. 82] St. Peter spricht: "Es werden die falschen Bischöfe der Kirche Guter und Almosen zu ihrer Wollust brauchen und das Amt verlassen." Dieweil nun der Heilige Geist denselben dabei schrecklich dräüt, sollen die Bischöfe wissen, daß sie auch für diesen Raub Gott müssen Rechenschaft geben.

Verzeichnis der Doktoren und Prediger,

so sich zur Konfession und Apologia unterschrieben haben.

Anno MDXXXVII.

(Signatures follow and are included in the Latin text.)