Die Erneuerung der Sakramentslehre – Von der babylonischen
Gefangenschaft der Kirche
Gott
hatte es so geordnet, dass Luther durch die Kämpfe mit der römisch-katholischen
Kirche Schritt für Schritt wuchs in der biblischen Erkenntnis. Ausgangspunkt
war der Ablass gewesen, den Luther als eine nichtswürdige Erfindung Roms
erkannt hatte. „Und wollte Gott, ich könnte von den Buchhändlern erlangen
und alle meine Leser bewegen, dass sie meine sämtlichen Schriften vom Ablass
verbrennten und statt alle des, was ich darüber geschrieben habe, diesen Satz
lernten: Ablässe sind eine nichtsnutzige Erfindung der römischen Schmeichler.“
(Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche. 1520. in: Luthers Werke.
Hrsg. von Buchwald, Kawerau u.a. 3. Aufl. Erste Folge: Reformatorische
Schriften. II. Berlin 1905. S. 379) Von diesem Ausgangspunkt war er, besonders
durch die Leipziger Disputation mit Eck, dazu geführt worden, im Papsttum Babel
selbst zu erkennen. „Darum bitte ich auch hier, damit meinen Freunden alles
aufs Beste gelinge, Buchhändler wie Leser, dass sie verbrennen wollen, was ich
darüber herausgegeben habe und dafür diesen Satz festhalten: Das Papsttum
ist das wilde Jagen des römischen Bischofs.“ (a.a.O.
S. 380).
1. Vom heiligen Abendmahl
Luther
stellte schon 1520 fest, dass die Siebenzahl der Sakramente falsch ist und
lässt nur noch Taufe, Buße und das Abendmahl zu, ja, er hebt hervor, dass es
eigentlich nur ein Sakrament gibt, nämlich das Evangelium Jesu Christi, während
die drei sakramentale Zeichen sind. „Zunächst muss ich die Siebenzahl der
Sakramente leugnen und weiß zur Zeit nur ihrer drei zu behaupten, die Taufe,
die Buße und das Brot. Ich behaupte, dass uns diese alle durch die römische
Kurie in jämmerliche Gefangenschaft geführt und die Kirche all ihrer Freiheit
beraubt sei. Freilich,wenn ich nach dem Sprachgebrauch der Schrift reden
wollte, so hätte ich nur ein einziges Sakrament und drei sakramentliche
Zeichen; doch darüber weiter zu seiner Zeit.“ (a.a.O.
S. 386 f.)
Nun
ging es um die Sakramentslehre, und dabei vorrangig um das heilige Abendmahl
(das über ein Drittel der gesamten Schrift umfasst), und zwar um die Austeilung
in beiderlei Gestalt (also Leib und Blut unter Brot und Wein).
Der römisch-katholische Theologe Alveld hatte sich darinnen verstiegen zu
behaupten, weder Christus noch die Apostel hätten gewollt, dass beiderlei
Gestalt ausgeteilt werde; wie es nun zu handhaben sei, das sei dem Urteil der
Kirche zu überlassen, und dem habe man sich zu beugen (welch eine
Vermessenheit, der Kirche mehr Autorität zu geben als Christus!). Die
Ungeheuerlichkeit dieser Aussage wird noch dadurch verstärkt, dass Alveld in
seiner gleichen Schrift an anderer Stelle behauptete, Christus habe einerlei
Gestalt geboten (wozu er aber keinerlei Beweis erbringen konnte). „Aber in
einem Punkte ist es diesem Menschenkinde besser geglückt als den anderen. Denn
da er beweisen wollte, dass der Gebrauch beider Gestalten weder geboten noch
empfohlen, sondern dem freien Ermessen der Kirche überlassen sei, führt
er Schriftstellen an, um damit zu beweisen, dass durch Christi Gebot nur
eine Gestalt für die Laien bestimmt sei; somit ist es für diesen neuen
Schriftausleger zu gleicher Zeit wahr, dass die eine Gestalt von Christus nicht
geboten und doch geboten ist!“ (a.a.O. S. 382) Dabei argumentierte Alveld
dann mit Johannes 6, obwohl dieses Kapitel überhaupt nicht vom heiligen
Abendmahl spricht (so sind dann ja auch die Reformierten vorgegangen). „Aber
auch das musst du noch lernen, dass Christus Joh. 6 vom Sakrament des
Abendmahls redet, während er selbst doch lehrt, dass er von dem Glauben an das
Fleisch gewordene Wort rede, da er spricht: ‚Das ist das Werk Gottes, dass ihr
glaubet an den, den er gesandt hat.’“ (a.a.O. S. 384) Die Schlussaussage,
die bis heute römisch-katholische (Irr-)Lehre ist, behauptet dann, dass unter
einer Gestalt beides empfangen werde. Aber anscheinend tritt dies nur für die
Laien zu – denn die Priester nehmen ja beiderlei Gestalt!
Luther
hebt sehr deutlich heraus, dass Johannes 6 gar nicht vom Abendmahl, sondern vom
Glauben redet und dass es der Glaube ist, der lebendig macht, nicht das bloße
Essen und Trinken des Sakraments (das ist heute auch im Blick auf die Praxis in
den „evangelischen“ Kirchen zu betonen, in denen die Abendmahlszucht völlig
dahingefallen ist und die Menschen meinen, durch den bloßen Genuss des
Abendmahls Vergebung zu erlangen, ohne Buße und Glauben). „Erstlich lasse
man Joh. Kap. 6 hier gänzlich beiseite, als welches auch nicht mit einer Silbe
vom Sakramente redet, nicht allein weil das Sakrament noch gar nicht eingesetzt
war, sondern vielmehr, weil der Zusammenhang der Rede und der Gedanken selbst,
wie bereits bemerkt, ganz klar zeigt, dass Christus hier von dem Glauben an das
Fleisch gewordene Wort redet. Denn er sagt ‚Meine Worte sind Geist und sind
Leben’ und zeigt damit, dass er vom geistlichen Genuss redet: Wer auf solche
Weise isset, der hat das Leben, während ihn die Juden vom fleischlichen Genusse
verstanden und daher mit ihm stritten. ... Denn das sakramentliche Essen macht
nicht lebendig, da ja viele unwürdig essen. Darum kann seine Rede an dieser
Stelle nicht vom Sakrament verstanden werden.“ (a.a.O.
S. 387)
Luther
betont dann, dass die drei synoptischen Evangelien allesamt bezeugen, dass
Christus allen Jüngern das gesamte Sakrament ausgeteilt hat, ebenso Paulus in
1. Korinther 11. Vor allem wird Matthäus 26,27 betont, dass sie alle trinken
sollen: „Trinket alle daraus!“ und Markus bezeugt 14,23: „Sie tranken alle
daraus.“ „Ist’s aber den Laien zugleich gegeben, so folgt unweigerlich daraus,
dass wir den Laien beiderlei Gestalt nicht verwehren dürfen. Wird sie denen
doch verwehrt, die darum bitten, so handelt man gottlos und wider Christi Tat,
Beispiel und Einsetzung.“ (a.a.O. S. 389) Christi Befehl: „Trinket alle
daraus!“ kann nicht nur auf die Priester bezogen werden. „Denn dass sie
sagen, es sei dem Ermessen der Kirche anheimgestellt auszuteilen, welcherlei
Gestalt sie wollen, das wird grundlos geredet und ohne Schriftbeweis
vorgebracht...“ (ebd.) „Mich wundert aber sehr, dass sie behaupten, den
Priestern ssei nimmermehr, bei einer Todsünde, erlaubt, in der Messe nur eine
Gesalt zu empfangen aus keiner andern Ursache, denn dass beiderlei Gestalt, wie
sie alle einmütig sagen, das eine, vollständige Sakrament sei, welches nicht
geteilt werden dürfe.“ (a.a.O. S. 390)
Das
Entscheidende dabei ist, dass damit das Evangelium Christi selbst zerstört
wird, wenn beiderlei Gestalt verweigert wird: „Aber was hier das
Gewichtigste ist und mich völlig gefangen nimmt, Christus spricht: ‚Das ist
mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.’
Hier siehst du ganz klar, dass das Blut allen gegeben wird, für deren Sünden es
vergossen ist. Wer wollte aber wagen zu sagen, dass es für die Laien nicht
vergossen sei? Oder siehst du nicht, wen er anredet, indem er den Kelch gibt?
Gibt er ihn nicht allen? Sag er nicht, es sei für alle vergossen? ‚Für euch’,
spricht er; wohlan, das mögen die Priester sein. ‚Und für viele’; das können
nicht wieder die Priester sein; und doch spricht er: ‚Trinket alle daraus!“
(a.a.O. S. 390 f.)
Luther
weiß sich dabei eins mit der alten Kirche. Noch Cyprianus kannte beiderlei
Gestalt. Darum konnte Luther sehr deutlich folgern: „Ich schließe also: Den
Laien beiderlei Gestalt zu verweigern, ist gottlos und tyrannisch, und steht
nicht in eines Engels, geschweige denn in eines Papstes oder Konzils Macht.“
(a.a.O. S. 395)
Die
erste Gefangenschaft also, in die das heilige Abendmahl geführt wurde, ist die,
dass es seiner Vollständigkeit beraubt wurde, denn „das Sakrament gehört
nicht den Priestern, sondern allen, und die Priester sind nicht Herren, sondern
Diener, die da beiderlei Gestalt denen geben müssen, die sie begehren, so oft
sie das tun. Haben sie das Recht den Laien entrissen und mit Gewalt versagt, so
sind sie Tyrannen; die Laien aber sind ohne Schuld, wenn sie einer oder
beiderlei Gestalt entbehren, es erhält sie inzwischen ihr Glaube und ihre
Sehnsucht nach dem ganzen Sakramente. Wie sie auch die Taufe und Absolution dem
schuldig sind, der sie begehrt, als der ein Recht dazu hat, und sie selbst die
Diener sind; geben sie dieselben aber nicht, so hat der Begehrende das volle
Verdienst seines Glaubens; sie aber werden vor Christo als Schalksknechte
verklagt werden; gleich wie vor Zeiten die heiligen Väter in der Wüste in
vielen Jahren kein Abendmahl empfangen haben unter irgendwelcher Gestalt.“ (a.a.O. S. 395 f.)
Die
zweite Gefangenschaft, in die das Sakrament bei Rom geraten ist, ist dies, dass
geleugnet wird, dass wirkliches Brot und wirklicher Wein ausgeteilt werden, in
denen dann wirklich der wahre Leib und Blut gegenwärtig sind. Die
Transsubstantiations- oder Verwandlungslehre hat keinerlei Schriftgrund. Die
Worte Gottes sind vielmehr so zu nehmen, wie sie sind. (Luther war damals noch
am Anfang, mit den römischen Irrlehren aufzuräumen; darum räumte er in dieser
Schrift noch ein, dass einerlei Gestalt und die Verwandlung als „Meinung“
stehen gelassen werden könnten. Später hat er sich davon klar als von römischen
Irrlehren getrennt.) „Meine Ansicht aber stützt sich besonders darauf, dass
den Worten Gottes keine Gewalt geschehen soll, weder durch einen Menschen noch
durch einen Engel, sondern sie sollen möglichst in der einfachsten Bedeutung
genommen werden und, wenn nicht unzweideutig ein Umstand dazu zwingt, nicht
anders als nach der Grammatik und in eigentlicher Bedeutung gefasst werden,
damit den Gegnern nicht Anlass gegeben werde, die ganze Schrift zum Gespött zu
haben. ... So auch hier: Wenn die Evangelisten klar schreiben, dass Christus
das Brot genommen und gesegnet habe, und die Apostelgeschichte und die Apostel
darauf es Brot nennen, so muss man es verstehen von wirklichem Brot und
wirklichem Wein, wie von einem wirklichen Kelch (denn auch sie behaupten nicht,
dass der Kelch verwandelt werde). Da es aber nicht nötig ist anzunehmen, dass
eine Wesensverwandlung durch göttliche Kraft hier geschehen sei, so soll man
sie für ein Fündlein menschlicher Meinung halten, da sie, wie wir sehen werden,
weder auf die Schrift noch auf einen vernünftigen Grund sich stützt. Es ist
also eine unvernünftige und neue Wortverdrehung, wenn man hier Brot für die
Gestalt oder die äußeren Eigenschaften des Brotes und den Wein für die Gestalt
und äußeren Eigenschaften des Weines nimmt.“ (a.a.O.
S. 398.399)
Luther
betont, dass die Kirche des Neuen Testamentes 1200 Jahre die
Transsubstantiationslehre nicht gehabt hat. Dann aber ist die Philosophie des
Aristoteles in die Kirche eingebrochen. Gegen diese heidnische Philosophie aber
soll die Gemeinde Christi bei seinem Wort und damit bei beiderlei Gestalt
bleiben, ohne erforschen zu wollen, wie Christus hier wirkt, dass er uns mit
Brot und Wein auch seinen Leib und Blut gibt. „Warum weisen wir solchen
Vorwitz nicht ab und bleiben schlicht bei Christi Worten und verzichten darauf,
zu wissen, ways da vor sich geht, zufrieden damit, dass der wahrhaftige Leib
Christi kraft der Einsetzungsworte dort vorhanden ist? Ist’s denn nötig, dass
wir die Art und Weise, wie Gott wirkt, völlig begreifen?“ (a.a.O. S. 401) “Ich
jedenfalls, wenn ich nicht begreifen kann, wie das Brot Christi Leib ist, nehme
doch meine Erkenntnis gefangen in den Gehorsam Christi, bleibe einfältig bei
sseinen Worten stehen und glaube festiglich nicht allein, dass Christi Leib im
Brote sei, sondern dass das Brot Christi Leib sei. Denn so werden die Worte
mich decken, da er spricht: ‚Er nahm das Brot, dankte, brach’s und sprach:
Nehmet hin, esset, dies (d.h. dies Brot, welches er genommen und gebrochen hat)
ist mein Leib.’ Und Paulus: ‚Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die
Gemeinschaft des Leibes Christi?’ Nicht sagt er ‚im Brote ist’, sondern ‚das
Brot selbst ist die Gemeinschaft des Leibes Christi.“ (a.a.O. S. 402)
Es
ist auch gar nicht nötig, dass Brot und Wein verwandelt werden, damit Christi
Leib und Blut im Abendmahl sein könnten. Wir haben ja die Tatsache, dass
göttliche und menschliche Natur in der einen Person Christi sind, ohne dass die
eine Natur in die andere verwandelt wird.
Die
dritte Gefangenschaft des Abendmahls nun ist die schlimmste und schrecklichste,
nämlich dass aus der Messe ein gutes Werk und ein Opfer gemacht wurde, woraus
noch viele andere Missbräuche gekommen sind.
Damit
hängt auch der ganze äußere Pomp zusammen – „Messgewänder, Zierrat, Gesänge,
Gebete, Orgeln, Lichter und all jene Pracht sinnfälliger Dinge“ –, der nur
die Menschen vom Eigentlichen abwendet, „dass wir vielmehr Augen und Sinnen
allein auf die lautere Einsetzung Christi selbst richten und uns nicht andres
vorhalten als das Wort Christi selbst, damit er das Sakrament gestiftet und
vollbracht und uns befohlen hat. Denn in diesem Wort und nirgend andersr beruht
die Kraft, Natur und das ganze Wesen der Messe.“ (a.a.O.
S. 404)
Das
Abendmahl aber ist Christi Testament an uns, womit Christus aussagt, was er
seinen Erben, also denen, die an ihn glauben, vermacht – nämlich Vergebung der
Sünden. „Du siehst also, dass das, was wir Messe nennen, eine Zusage der
Sündenvergebung ist, von Gott uns gegeben, und zwar eine solche Zusage, die
durch den Tod des Sohnes Gottes besiegelt ist.“ (a.a.O. S. 406) Das
Abendmahl stellt also eine Verheißung dar – und darum haben wir zu ihm nicht
durch Werke, Verdienste den Zugang, sondern allein durch den Glauben. „Denn
ist es eine Verheißung, wie gesagt, so bekommt man Zugang zu ihr durch
keinerlei Werke, eigene Kräfte oder Verdienste, sondern allein durch den
Glauben. Denn, wo ein Verheißungswort Gottes vorliegt, da ist gläubige Annahme
des Menschen notwendig; daher ist klar, dass der Anfang unseres Heils der
Glabue ist, der an dem Verheißungswort Gottes hanget, der ohne all unser
Bemühen in freier und unverdienter Barmherzigkeit uns zuvorkommt und sein
Verheißungswort anbietet. ... Auf keinem anderen Wege aber kann der Mensch mit
Gott übereinkommen und mit ihm handeln, als durch den Glauben, d.h. dass nicht der
Mensch irgendwelche eigenen Werke, sondern Gott durch seine Verheißung der
Urheber des Heils ist, also dass alles hanget, getragen und erhalten wird in
dem Worte seiner Kraft, durch welches er uns gezeugt hat, dass wir wären
Erstlinge seiner Kreatur.“ (a.a.O. S. 407) Das Abendmahl ist also zum
Zeichen und zum Gedächtnis uns gegeben der Verheißung seines Leibes und Blutes
unter Brot und Wein. Damit ist deutlich, dass zur würdigen Feier der Glaube
nötig ist. „Daraus sieht du, dass zu einer würdigen Feier der Messe nichts
anderes erforderlich ist als der Glaube, der sich zuversichtlich auf diese
Verheißung stützt, Christum in diesen seinen Worten für wahr hält und nicht
zweifelt, dass ihm diese unermesslichen Güter frei geschenkt sind. Auf diesen
Glauben folgt dann alsbald von selbst die innigste Bewegung des Herzens, durch
welche der Geist des Menschen weit und fruchtbar gemacht wird (das ist die
durch den heiligen Geist im Glauben an Christum geschenkte Liebe), so dass er
zu Christus, dem freundlichen und gütigen Testator, hingezogen wird und ein
ganz anderer und neuer Mensch wird. Denn wer wollte nicht inniglich weinen, ja
vor Freude an Christus schier vergehen, wenn er sonder Zweifel glaubt, dass
diese unschätzbare Verheißung Christi ihm zu eigen gehört? Wie sollte er einen
solchen Wohltäter nicht lieben, welcher ihm Unwürdigen, der ein ganz anderes
verdient hat, solchen Reichtum und dies ewige Erbe zuvorkommend anbietet,
verheißt und schenkt?“ (a.a.O. s. 409)
Zentral
im Heiligen Abendmahl ist die Verheißung Christi und damit das Wort. Und gerade
das wurde (und wird) in der römisch-katholischen Kirche verschwiegen, die die
Einsetzungsworte verwoben hat in ihre liturgischen Gebete und sie so zum Teil
ihrer menschlichen Opferhandlung missbraucht. Wenn aber das Wort im Zentrum im
Abendmahl steht, so ruft es uns zum Glauben. Ja, es gibt gar keine andere
Möglichkeit, es würdig zu empfangen als den Glauben. Wenn Rom heute den Glauben
zwar als „auch“ dazugehörig zugibt, so ist er es doch nicht allein, umso mehr,
als nach römischer Lehre das Sakrament auch eine Wirkung habe unabhängig vom
Glauben, ohne den Glauben. Rom hat aus dem Sakrament, aus dem Gnadenwerk
Gottes, ein Menschenwerk gemacht. Gott aber bedarf unserer Werke nicht, er will
nur den Glauben. „Denn wie ich vorhin sagte, Gott hat niemals anders mit den
Menschen gehandelt, handelt auch jetzt nicht andres mit ihnen als durch
Verheißungswort. Wir hinwiederum können mit Gott niemals anders handeln als
durch den Glauben an sein Verheißungswort. Nach Werken fragt er nicht, bedarf
ihrer auch nicht, vielmehr handeln wir durch diese gegen die Menschen und mit
den Menschen und mit uns selbst.... Siehe, das ist der rechte Gottesdienst und
Anbetung, die wir in der Messe darbringen sollen.“ (a.a.O. S. 410.411) Das
Zentrum der Messe, das muss immer wieder betont werden, sind Verheißung und
Glaube. „Ein jeder sieht ja leicht ein, dass diese beiden Dinge notwendig
zusammengehören: Verheißung und Glaube. Denn ohne Verheißung kann nichts
geglaubt werden, ohne Glauben aber ist Verheißung unnütz, da sie durch den
Glauben in uns bestätigt und erfüllt wird. Daraus sieht jeder ebenso leicht
ein, dass die Messe, da sie nichts anderes als Verheißung ist, allein durch
diesen Glauben begangen und gefeiert wird.“ (a.a.O. S. 411) In der großen
Differenz zwischen den Konfessionen gerade im Heiligen Abendmahl ist es zwar
so, dass Rom zumindest noch die Realpräsenz von Christi Leib und Blut bekennt,
aber mit viel Falschem (Transsubstantiation, Konkomitanz) vermengt, dass aber
die Reformierten, die die Realpräsenz leugnen, doch im Blick auf Verheißung und
Glauben uns wesentlich näher, ja, ganz nahe stehen im Blick auf das Abendmahl.
Allerdings, und das schwächt auch diesen Teil ihrer Lehre wieder ab, leugnen
sie, dass das Abendmahl tatsächlich Gnadenmittel ist. Die römisch-katholische
Abendmahlsfrömmigkeit, so großartig sie auch für die Emotion inszeniert wird,
ist damit aber, weil ihr das Zentrum völlig fehlt, gänzlich wertlos. „Die
einzig würdige Vorbereitung und der rechtmäßige Gebrauch ist also allein der
Glaube, durch den man der Messe, d.h. der göttlichen Verheißung, glaubt. Wer
daher zum Altar herzugehen oder das Sakrament empfangen will, der hüte sich,
dass er nicht leer erscheine vor dem Angesichte Gottes des Herrn. Leer aber ist
er, wenn er den Glauben nicht hat an die Messe oder dies neue Testament.“
(a.a.O. S. 412) Die Kraft des Abendmahls liegt im Wort. „Ich habe also recht
gesagt, dass die ganze Kraft der Messe in Christi Worten beruhe, in denen er
zusagt, Vergebung der Sünden solle allen denen geschenkt werden, die da
glauben, dass sein Leib dahingegeben und sein Blut vergossen wird für sie.
Deswegen sei nichts mehr nötig denen, die die Messe hören wollen, als dass sie
diese Worte emsig und mit vollem Glauben betrachten. Tun sie das nicht, so tun
sie alles andere umsonst. Das freilich ist wahr: Gott pflegt bei jeder seiner
Verheißungen ein Zeichen hinzuzufügen als Denkmal oder Gedächtnis seiner
Verheißung, damit sie dadurch desto treuer behalten würde und umso kräftiger
uns erinnern möchte.... So hat er auch in der Messe, dieser Krone aller seiner
Verheißungen, als Gedenkzeichen solcher Verheißung seinen eigenen Leib und sein
eigen Blut in Brot und Wein hinzufügt, wie er spricht: „Solches tut zu meinem
Gedächtnis.“ (a.a.O. S. 412.413)
Zwei
Dinge sind also beim Sakrament zusammen: Wort und Zeichen. Das Wort ist das
Testament, das Zeichen ist das Sakrament. Dabei ist das Wort mehr als das, was
geistlich gegeben wird. Denn das, was durch das Wort gegeben wird, das kann
auch ohne das Zeichen gegeben werden. Der Glaube nährt sich vom Wort der
Verheißung. Rom dagegen siedelt bis heute das Wort sehr niedrig an und leugnet,
dass durch das Wort das ganze Heil gegeben wird, verlegt es vielmehr in eine
magisch verstandene eucharistische Opferhandlung. Es hat dadurch die Messe in
ein Werk verwandelt, wodurch es bei Gott alles erlangen will, nicht nur für die
am Abendmahl Beteiligten, sondern sogar für Dritte (vgl. a.a.O. S. 416). Da
aber das Abendmahl in seinem Kern Verheißung ist, so kann es gar nicht unser
Werk sein. „Du hast ja gehört, dass die Messe nichts anderes ist als die
göttliche Verheißung oder das mit dem Sakrament seines Leibes und Blutes uns
anvertraute Testament Christi. Ist das wahr, so verstehst du, dass hierin
nichts gemacht noch von jemand durch sonst eine Anstrengung gehandelt werden
kann, als allein durch den Glauben. Der Glaube aber ist kein Werk, sondern der
Lehrmeister und das Leben der Werke; denn wer ist irgendwo so unsinnig, dass er
eine Verheißung, die er empfängt, oder ein Testament, das geschenkt wird, ein
gutes Werk nennt, das er seinem Testator ausrichte, indem er es annimmt?“
(a.a.O. S. 417) Damit aber ist die Messe, die für jemand veranstaltet wird,
erst recht ein Gräuel. „Darum ist’s ein offenbarer, gottloser Irrtum, die
Messe für Sünden, für Genugtuungen, für Verstorbene oder für allerlei eigene
oder fremde Nöte darzubringen oder zuzuwenden. Du erkennst leicht, dass dies
unzweifelhafte Wahrheit ist, wenn du steif daran festhältst, dass die Messe
göttliche Verheißung ist, die niemand nützen, niemand zugewendet, für niemanden
bei Gott eintreten, niemand mitgeteilt werden kann, denn allein dem, der mit
eigenem Glauben glaubt.“ (a.a.O. S. 417 f.) „Dieser Satz stehe also
unüberwindlich fest: Wo göttliche Verheißung ist, da steht jeder Einzelne für
sich allein, sein Glaube wird verlangt, jeder soll für sich Rechenschaft geben
und seine Last tragen, wie es heißt Markus im letzten Kapitel: ‚Wer da glaubet
und getauft wird, der wird selig werden, wer aber nicht glaubet, der wird verdammt
werden.’ So kann auch die Messe ein jeder nur durch persönlichen Glauben sich
nützlich machen und schlechterdings nicht für andere kommunizieren, gleichwie
der Priester niemandem für einen anderen das Sakrament reichen kann, sondern
dasselbe Sakrament jedem Einzelnen besonders darreicht.“ (a.a.O.
S. 418 f.)
Das
Höhepunkt und Kern des Gräuels der römischen Messe ist die Behauptung, Christus
werde dort Gott als ein genugsames Opfer dargebracht, ein gutes Werk damit
vollbracht (vgl. a.a.O. S. 420). Die Messe aber, das muss immer wiederholt
werden, ist Gottes Werk, im Glauben zu empfangen. „... und sie kann weder
Gott noch Menschen gegeben werden, sondern Gott allein gibt sie durch den
Dienst des Priestern den Menschen, die sie allein im Glauben ohne alle Werke
oder Verdienste empfangen. Denn niemand dürfte so toll sein, dass er sagen
wollte, der tue ein gutes Werk, der arm und bedürftig kommt, von der Hand des
Reichen eine Wohltat zu empfangen. Aber, wie gesaygt, die Messe ist die Wohltat
göttlicher Verheißung, die durch der Priester Hand allen Menschen dargereicht
ist. Das steht also fest, dass die Messe nicht ein andern mitteilbares
Werk ist, sondern, wie man sagt, Objekt des persönlichen Glaubens jedes
Einzelnen, der hier genährt und gestärkt werden soll.“ (a.a.O. S. 421) Eben
darum kann es nicht mitgeteilt werden. „Denn wenn wir nicht das behaupten,
dass die Messe Christi Verheißung oder Testament ist, wie die Worte klar
lauten, so verlieren wir das ganze Evangelium und all unsern Trost. Lassen wir
gegen diese Worte nichts aufkommen, und wenn auch ein Engel vom Himmel ein
anderes lehren wollte, denn in ihnen ist nichts enthalten von einem Werk oder
Opfer!“ (a.a.O. S. 421 f.)
Die
Messe ist kein Opfer, auch Christus selbst hat das Sakrament nicht geopfert,
sondern das Testament vorgehalten und uns das Zeichen dargeboten. „... das
Evangelium aber lässt Messe kein Opfer sein, wie du gehört hast.“ (a.a.O. S. 425)
Auch
der gottlose Priester kann ein gültiges Sakrament reichen, aber seine Gebete
gelten nichts vor Gott. Empfangen aber kann es allein recht werden durch den
Glauben (vgl. a.a.O. S. 427 f.)
2. Die Taufe
Als Luther seine Schrift von der babylonischen Gefangen der Kirche schrieb, wurde die Taufe, wie heute auch, von den Erwachsenen kaum noch beachtet. Die Ursachen waren allerdings anders als heute. Heute wird sie kaum noch beachtet, weil es überhaupt am rechten Taufverständnis fehlt und somit auch der Erkenntnis, was die Taufe für das alltägliche christliche Leben bedeutet. Damals aber, und bei Rom ist es bis heute so, wurde der Wert und die Aufgabe der Taufe zerstört durch die Irrlehre von der Buße, die als ein „zweites Brett nach dem Schiffbruch“ bezeichnet wurde und den Rattenschwanz von Gelübden, Ofden, Ablässen, Wallfahrten nach sich zog (vgl. a.a.O. S. 429)
Jesus
Chrsitus aber hat die Taufe uns als eine göttliche Verheißung gegeben. „Erstlich
also ist in der Taufe die göttliche Verheißung zu beachten, die da lautet: ‚Wer
da glaubet und getauft wird, der soll selig werden.’ Diese Verheißung ist unvergleichlich
viel besser als alles Blendwerk der Werke, Gelübde, Klosterregeln und wyas
immer von Menschen eingeführt worden ist. Denn in ihm hanget all unser Heil.
Sie muss aber also beachtet werden, dass wir den Glauben in ihr üben ohne allen
Zweifel, dass wir selig sind, nachdem wir getauft sind. Denn wenn dieser
Glaube nicht vorhanden ist oder gewonnen wird, nützt die Taufe nichts, schadet
vielmehr nicht allein dann, wenn man sie empfängt, sondern in der ganzen
folgenden Lebenszeit. Denn ein solcher Unglaube straft die göttliche
Verheißung Lügen, und das ist die größte Sünde von allen. Haben wir diese Übung
des Glaubens ergriffen, dann erkennen wir alsbald, wie schwer es ist, dieser
göttlichen Verheißung zu glauben. Denn der Mensch in seiner Schwachheit, seiner
Sünden sich bewusst, glaubt nichts so schwer, als dass er selig sei oder selig
werden soll. Und doch, wer das nicht glaubt, kann nicht selig werden, denn er
glaubt nicht der göttlichen Wahrheit, die ihm die Seligkeit verheißt.“
(a.a.O. S. 430; Hervorh. durch Verf.) Diese Verheißung, und das ist ganz
wichtig, gerade auch im Blick darauf, dass auch im evangelischen Bereich die
Taufe immer mehr magisch verstanden und vom rettenden Glauben abgekoppelt wird,
diese Verheißung wird nur dann erlangt, wenn sie im persönlichen Glauben
ergriffen wird, sei es beim Säugling im noch unbewussten, beim dann in seinem
Bewusstsein lebenden Menschen aber im bewussten persönlichen Glauben. Das ist
unerlässlich, sonst ist die Verheißung verloren, ist der Segen der Taufe noch
nicht erlangt. Die Wahrheit dieser Verheißung aber bleibt bestehen, von Gottes
Seite, bis zum Tod, so lange kann sie noch im Glauben (wieder) ergriffen
werden. „Denn wie die Wahrheit dieser Verheißung, wenn sie einmal über uns
ausgegangen ist, bis zum Tode beständig bleibt, so soll der Glaube an dieselbe
niemals aufhören, sondern bis zum Tode genährt und gestärkt werden, in
beständiger Erinnerung daran, dass diese Verheißung uns in der Taufe zuteil
geworden ist.“ (ebd.) Rechte Buße ist dann nichts anderes als die Umkehr
zum Glauben und zur Kraft der Taufe. „Denn die Gültigkeit der einmal
geschehenen Verheißung bleibt allezeit, bereit, uns mit offenen Armen zu
aufzunehmen, so wir nur wiederkehren.“ (ebd.) Warum? Weil Gottes
Verheißung, die er in der Taufe gegeben hat, bestehen bleibt, so lange wir
leben. Darum haben wir die Möglichkeit, in der Buße zur Taufe, zu Gottes
Verheißung, zurückzukehren.
„Darum
wird es nicht wenig nütze sein, wenn der, welcher Buße tut, vor allem seiner
Taufe wieder eingedenk wird und der göttlichen Verheißung, die er verlassen
hat, vertrauensvoll sich erinnernd, diese dem Herrn bekennt, voll Freude, dass
ihm doch noch das als Hort seines Heiles geblieben ist, dass er getauft ist,
und voll Abscheus über seine gottlose Undankbarkeit, dass er vom Glauben und
der Gewissheit des Heils abgefallen ist. Denn sein Herz wird wunderbar gestärkt
und zur Hoffnung auf Barmherzigkeit ermutigt werden, wenn er bedenkt, dass die
ihm zuteil gewordene göttliche Verheißung, die unmöglich lügen kann, noch
unversehrt und unverändert und durch keinerlei Sünde veränderlich dasteht, wie
Paulus 2. Timoth. 2, [V. 13] sagt: ‚Glauben wir nicht, so bleibt er doch treu,
er kann sich selbst nicht verleugnen.’ Diese Wahrheit Gottes, sag’ ich, wird
ihn selig machen, so dass, enn gleich alles andere bricht, doch diese
Verheißung ihn nicht im Stiche lässt, so er ihr Glauben schenkt. Denn durch sie
hat er etwas, was er den Sünden entgegenstellen kann, die sein Gewissen
beunruhigen, hat etwas, was er dem Schrecken des Todes und des Gerichtes
entgegnet, hat endlich, was ihn in allen Anfechtungen tröstet, nämlich diese
eine Wahrheit, dass er spricht: ‚Gott ist wahrhaftig in seinen Verheißungen,
des Zeichen ich in der Taufe empfangen habe. Ist Gott für mich, wer mag wider mich
sein?’“ (a.a.O. S. 430 f.)
Luther
führt dies, wie nötig es ist, im Glauben in der Erinnerung daran zu leben, was
Gott an uns getan hat, um so in rechter Dankbarkeit und daraus rechter Hingabe
aus Glauben zu bleiben, aus am Beispiel der Israeliten des Alten Testamentes,
die sich am Passahfest der Ausführung aus Ägypten erinnerten – und umso mehr
müssen wir uns erinnern an den Auszug aus unserem Ägypten der Sünde, daran,
dass der dreieinige Gott uns „durch das Wasserbad der neuen Geburt
herausgeführt hat“ (a.a.O. S. 431). Am besten dazu geeignet ist das heilige
Abendmahl. Wenn alles recht aufeinander bezogen ist, so kommen Buße, Taufe und
Abendmahl in ihrem Zusammenhang recht zusammen.
Wir
erkennen aus all diesen Worten aber auch, dass für Luther die Taufe nicht aus
ihrem bloßen Vollzug wirkt. Sondern, da in der Taufe, wie auch im Abendmahl,
das Entscheidende das Wort ist, durch das Wort als dem Wort der Verheißung,
alles gegeben wird, so hat das, was dort Gott anbietet, darreicht, schenkt nur
der Glaube, der eben dies ergreift. Dieser Glaube, der sich gerade auch
angesichts der Sünde in herzlicher Reue an die Verheißung hält, der hat, um der
in Christi Gehorsam, Leiden und Sterben fußenden Verheißung willen, die
Vergebung der Sünden. „Da siehst du, wie reich ein Christenmensch oder ein
Getaufter ist, der, selbst wenn er will, durch noch so große Sünden seine
Seligkeit nicht verlieren kann, es sei denn, dass er nicht mehr glauben wollte.
Denn keinerlei Sünde kann ihn verdammen als allein der Unglaube; alle andern
Sünden werden, wenn der Glaube wieder zurückkehrt und auf der dem Getauften
geschehenen göttlichen Verheißung besteht, im Augenblick durch diesen Glauben,
ja vielmehr durch die Wahrheit Gottes verschlungen, da er sich selbst nicht
verleugnen kann, wenn du ihn bekennst und dich an seine Verheißung gläubig
hältst. ‚Zerknirschung’ aber und ‚Beichten der Sünden’, endlich auch
‚Genugtuung’ und all dergleichen ersonnene menschliche Anstrengungen werden
dich plötzlich im Stich lassen und dich nur noch unseliger machen, wenn du
diese göttliche Wahrheit vergisst und in diese Dinge dich verlierst. Denn
Eitelkeit der Eitelkeiten und Bekümmernis des Geistes ist alles, womit wir uns
außerhalb des Glaubens an Gottes Wahrheit abquälen.“ (a.a.O. s. 432) Keine
menschlichen Anstrengungen, Vorbereitungen, Werke, Beiträge können die
Vergebung der Sünden erlangen. Sie dürfen auch nicht, wie es in pietistischen,
methodistischen und evangelikalen Kreisen der Fall ist, als Vorbedingugen für
die Vergebung, die Bekehrung hingestellt werden. All das hieße, die Gnade
Gottes, die alles durch das Wort schenkt, anzugreifen, zu verkürzen. Und der
Glaube, von dem Luther hier spricht, der ist, auch das wird deutlich, nichts
Unbewusstes (wir sprechen hier vom Menschen, der in seinem Bewusstsein ist),
ist nicht etwas, das so im Hintergrund mitläuft, so, wie bei einem Computer im
Hintergrund im Arbeitsspeicher eine Menge abläuft, was auf dem Bildschirm gar
nicht zu sehen ist. Nein, solch eine Glaube ist ein Märchen, etwas Erdachtes,
kein rettender Glaube. Der Glaube ist vielmehr etwas Bewusstes, ist durchaus
fides activa, handelnder Glaube.
Sehr
trostvoll ist gerade im Blick auf die Taufe: Unsere Sünden machen Gottes
Verheißung und damit auch die Taufe, eben weil sie Gottes Werk des Evangeliums
ist, nicht hinfällig.
Alle
Sakramente sind eingesetzt nicht als menschliche Werke, die wir Gott bringen,
sondern als Gottes Werke, den Glauben zu nähren. Sie gründen daher auch
nicht auf eigenen Anstrengungen, Zerknirschungen, Beichte, Genugtuung, Weinen.
Denn Gott ist es, der den Glauben wirkt. (vgl. a.a.O. S. 433) Darum handelt
auch der Taufende nicht aus eigener Vollmacht, sondern als Gottes Werkzeug. „Daher
dürfen wir die Taufe von Menschenhand nicht anders annehmen, als wenn uns
Christus selbst, ja Gott selbst mit seinen eigenen Händen taufte. Denn die
Taufe, die wir von Menschenhand empfangen, ist nicht eines Menschen, sondern
Christi und Gottes Taufe ...“ (a.a.O. S. 434) Ebenso hängt auch die Wirkung
der Taufe nicht vom Glauben dessen ab, der tauft, sondern dass die Kraft der
Taufe das ausübt, was sie soll, dazu ist der Glaube des Empfangenden notwendig,
sonst ist es wir mit dem Wasser, das durch eine Wasserleitung zum Hahn kommen
soll, aber zuvor durch einen Absperrschieber gehindert wird. Wo der Glaube des
Empfangenden nicht vorhanden ist, da ist so eine Sperre, die die Wirkung der
Taufe verhindert. Das Zeichen der Taufe, das Eintauchen in Wasser, ist aber
nicht nur ein Sinnbild, sondern bewirkt etwas – wenn der Glaube da ist. (vgl.
a.a.O., S. 436) Luther betont sehr deutlich, dass es falsch ist zu behaupten,
die Taufe wirke auch dann, wenn der Glaube nicht da sei, so nur kein Vorsatz
gegen die Taufe da sei. Denn die Verheißung fordert den Glauben. „...
sie behaupten, dieselben nützten auch denen, welche in Todsünden sind,
erforderten auch nicht Glauben oder Gnade, sondern es sei genug, wenn man nur
keinen Riegel vorgeschoben habe, d.h. keinen tatsächlichen Vorsatz wieder auf’s
neue zu sündigen. Aber vor dieser Lehre wolle man sich mit Fleiß hüten und sie
fliehen, denn sie ist gottlos und ungläubig, im Widerspruch mit dem Glauben und
der Natur der Sakramente. Denn es ist ein Irrtum, wenn man meint, die
Sakramente des neuen Gesetzes unterschieden sich von denen des alten Gesetzes
in Bezug darauf, dass sie nicht nur bedeuteten, sondern auch das Bedeutete
wirkten; beide stehen sich in Bezug auf das ‚Bedeuten’ ganz gleich. Denn
derselbe Gott, der uns jetzt durch Taufe und Abendmahl selig macht, hat Abel
durch sein Opfer, Noah durch den Regenbogen, Abraham durch die Beschneidung und
alle anderen durch die ihnen gegebenen Zeichen beseligt. ... Denn die Zeichen,
welche an den Patriarchen und Vätern geschehen sind, müssen wohl unterschieden
werden von den gesetzlichen Zeremonien, welche Mose in seinem Gesetz eingesetzt
hat, als da sind die priesterlichen Bräuche in Kleidern, Gefäßen, Speisen,
Häusern u. dergl.; denn von diesen sind nicht nur die Sakramente des neuen
Gesetzes weit verschieden, sondern auch eben die Zeichen, welche Gott zeitweise
den unter dem Gesetz lebenden Vätern gegeben hat, ... Darin also unterscheiden
sich die gesetzlichen Zeremonien von den neuen und alten Zeichen, dass bei
jenen nicht ein Wort der Verheißung angeknüpft ist, welches Glauben fordert;
daher sind sie nicht Zeichen der Rechtfertigung, weil nicht Sakramente des Glaubens
sind, die allein Rechtfertigung wirken, sondern sie sind nur Sakramente des
Werks. Denn ihre ganze Kraft und Natur war Werk, aber nicht Glauben. Denn
wer sie tat, erfüllte sie, auch wenn er ohne Glauben handelte. Aber unsere
Zeichen oder Sakramente, ebenso wie die der Väter, haben ein ihnen angehängtes
Wort der Verheißung, welches Glauben fordert und durch kein anderes Werk
erfüllt werden kann; daher sind sie Zeichen oder Sakramente der Rechtfertigung,
weil sie Sakramente des rechtfertigenden Glaubens und nicht eines Werkes sind; darum
ist auch all ihre Wirksamkeit eben der Glaube und nicht der äußere Vollzug.“
(a.a.O. S. 436 f. 437 f.) So war es schon bei der
Beschneidung: ohne die Beschneidung des Herzens, also den Glauben, war ihre
Wirkung nicht da. Auch die heilige Taufe ist nur wirksam, wenn der Glaube an
die Verheißung vorhanden ist. „So rechtfertigt die Taufe niemanden und
nützt auch keinem, sondern der Glaube an das Verheißungswort, zu welchem die
Taufe hinzugefügt wird, denn dieser rechtfertigt und erfüllt das, was die Taufe
bedeutet. Denn der Glaube ist das Untertauchen des alten Menschen und das
Emportauchen des neuen Menschen.“ (a.a.O. S. 438) Die Sakramente haben
keine an sich wirkende Kraft, das heißt, sie bewirken nichts aus dem bloßen
Vollzug – nur durch den Glauben an Jesus Christus haben wir vielmehr, was sie
verheißen und darreichen. „Also kann es auch nicht wahr sein, dass den
Sakramenten eine wirksame Kraft der Rechtfertigung innewohne, oder das sie
wirksame Zeichen der Gnade seien, denn solches redet man auf Kosten des
Glaubens aus Unkenntnis der göttlichen Verheißung, es wäre denn, dass man sie
in dem Sinne wirkungskräftig nennte, dass sie Gnade ganz sicher und wirksam
mitteilten, falls unzweifelhafter Glaube vorhanden ist.“ (a.a.O. S. 439)
Das heißt dann aber, und das ist sowohl gegenüber der römisch-katholischen wie
auch der hochkirchlichen Sakramentslehre wichtig: Nicht der Empfang an sich,
nicht der bloße Vollzug gibt Gnade – sondern allein der Glaube empfängt,
ergreift sie. „Denn wenn mir das Sakrament darum Gnade gibt, weil ich es
empfange, so erlange ich sie in Wahrheit aus meinem Werk, nicht aus dem
Glauben, und ich ergreife nicht die Verheißung im Sakrament, sondern nur das
von Gott gestiftete und befohlene Zeichen. So siehst du klar, wie jene
Dogmatiker die Sakramente so gar nicht verstanden haben, dass sie weder auf den
Glauben noch auf die Verheißung in den Sakramenten irgendwelche Rücksichten
genommen haben; sie hangen allein an dem Zeichen und an dem Gebrauch des
Zeichens und zerren uns vom Glauben in’s Werk und aus dem Wort in’s Zeichen;
dadurch haben sie, wie gesagt, die Sakramente nicht nur gefangen geführt,
sondern, so viel an ihnen lag, völlig abgetan.“ (ebd.)
Die
Taufe bedeutet den Tod des alten Menschen und die Auferstehung des neuen, Röm.
6, und damit die völlige Rechtfertigung, die geistliche Geburt, die
Wiedergeburt. Die Taufe ist aber nicht nur ein Sinnbild, dass etwas anzeigt,
ohne etwas zu geben, sondern sie bietet wirklich an, reicht wirklich dar,
eignet wirklich zu – und der Glaube an Jesus Christus ergreift, empfängt es,
nur der Glaube. Dabei ist die Taufe nicht nur bezogen auf den einen Tag, an dem
die Taufe vollzogen wird, sondern sie hat eine Bedeutung für unser ganzes Leben.
Denn das Sterben des alten Menschen und das Auferstehen des neuen Menschen ist
nicht mit einem Augenblick abgetan, wiewohl dies einmal grundsätzlich beginnen
muss, sondern geht unser ganzes Leben an, muss jeden Tag neu vollzogen werden
(tägliche Buße). Buße ist dabei tägliche Rückkehr zur Taufe. In der Taufe geht
es also um das Absterben des alten Lebens, um ein Leben des Glaubens in
Christus Jesus. Die Werkgerechtigkeit zerstört damit die Taufe. „Eine
Aufgabe, wie gesagt, ist uns für’s ganze Leben gestellt, nämlich, das wir uns
taufen lassen, d.h. dass wir absterben und leben durch den Glauben an Christus.
... Aber nun schweigt man vom Glauben und verstört die Kirche durch unzählige
Gesetze von Werken und Zeremonien, man hat Kraft und Verständnis der Taufe
abgetan und den Glauben an Christus gehindert.“ (a.a.O.
S. 443)
Wie
steht es nun aber mit den Kindern, die getauft werden? Die Taufe der Kinder ist
völlig berechtigt, denn auch an ihnen kann der Heilige Geist durch das Wort des
Evangeliums das Wunder vollbringen, dadurch den Glauben (der aber noch
unbewusst ist) zu wecken, umso mehr, als die Gemeinde im Glauben darum bittet
und gewiss sein kann, dass sie auch erlangt, worum sie bittet. Die Sakramente
teilen also, wie schon gesagt, sehr wohl die Gnade mit – aber allein der Glaube
ergreift, empfängt die Gnade. „Aber alsdann tun die Sakramente das, was sie
tun, nicht aus eigener Kraft, sondern aus Kraft des Glaubens, ohne den sie
überhaupt nichts tun, wie gesagt.“ (a.a.O.
S. 447)
Das
römische Papsttum hat die christliche Freiheit, zu der wir in der Taufe befreit
werden, zerstört und dagegen eine Gesetzesherrschaft errichtet. Tatsächlich
aber darf den Christen über das Wort Gottes hinaus kein Gesetz ohne ihre
Zustimmung auferlegt werden. „Kein Gesetz darf den Christen mit
irgendwelchem Recht auferlegt werden, weder von Menschen noch von Engeln, außer
soweit sie einwilligen, denn wir sind frei von allen Gesetzen.“ (a.a.O.S.
445) Rom hat sich damit – und macht es bis heute – eindeutig als Tyrannei
gezeigt, ist das in der Schrift angekündigte antichristliche Reich Babel. „...
so mache ich mich selbst hier los und mache mein Gewissen frei, indem ich den
Papst und alle Papisten anklage, dass sie, wenn sie nicht ihre Rechte und
Satzungen beseitigen und den Gemeinden Christi ihre Freiheit wiedergeben und
dieselbe lehren lassen, schuldig sind aller der Seelen, die durch diese elende
Gefangenschaft verderben, und dass das Papsttum tatsächlich nichts anderes ist
als das Reich Babels und des leibhaftigen Antichrists. Denn wer anders ist der
„Mensch der Sünde“ und das „Kind des Verderbens“, als der durch seine Lehren
und Satzungen Sünden und Seelenverderben in der Kirche vermehrt, während er in
der Kirche dasitzt als ein Gott? Aber alles dies hat die päpstliche Tyrannei schon
seit vielen Jahrhunderten im Übermaß erfüllt, sie, die den Glauben ausgelöscht,
die Sakramente verdunkelt, das Evangelium unterdrückt, ihre eigenen, nicht
allein gottlosen und gotteslästerlichen, sondern auch fremdländischen und
albernen Gesetze geboten und ohne Ende vervielfältigt hat.“ (a.a.O. S. 446)
Wir
Christen aber sollen in der Freiheit verbleiben, die wir durch die Taufe haben.
Dadurch sind wir recht frei, aus dem Glauben heraus gute Werke zu tun. Dazu
bedarf es über das Taufgelübde hinaus keiner weiteren Gelübde; das Taufgelübde
auszuleben ist schwer genug. Die anderen Gelübde dagegen nehmen den Glauben und
die christliche Freiheit weg und zwingen unter das Gesetz und führen auf den
Abweg der Werkgerechtigkeit (vgl. a.a.O. S. 448.449). Luther stellt darum auch
die Macht des Papstes in Frage, allein Gelübde aufzulösen: Entweder hat jeder
Christ diese Vollmacht, oder aber, wenn dem nicht so ist, dann hat sie auch der
Papst nicht. Noch schlimmer aber ist es, wenn der Papst eine Ehe auflöst, weil
ein Teil ins Kloster gehen will – denn das verstößt gegen die von Gott gebotene
eheliche Treue (vgl. a.a.O. S. 453-454).
3. Von der Buße
Scheinbar
hat Rom die Buße und damit verbunden die Beichte – aber beides ist dort nicht
mehr biblisch. Vielmehr ist die biblische Buße bei Rom gänzlich abhanden
gekommen, da Verheißung und Glauben umgestoßen wruden. „Das erste und
Hauptübel bei diesem Sakrament ist, dass man das Sakrament selbst gänzlich
abgetan hat, ohne auch nur eine Spur davon zurückzulassen. Denn auch dieses
hat seinen Beistand gleich den beiden andern in einem Wort göttlicher
Verheißung und unserm Glauben: Dies beides haben sie umgestürzt.“ (a.a.O.
S. 456) Das, was bei Rom daraus geworden ist, ist die Anmaßung von Herrschaft,
Macht über die Christen. „... [sie] brüsten sich, sie hätten durch diese
Worte das Recht der Herrschaft im Himmel und auf Erden empfangen und besäßen
die Macht, auch im Himmel zu binden. So vollständiges Schweigen von dem
Glauben, der des Volkes Heil ist; aber von der tyrannischen Gewalt der Päpste
lautet alles, was sie schwatzen, während doch Christus gar nichts von der
Gewalt, aber alles vom Glauben handelt.“ (a.a.O. S. 457) Christus aber hat
nicht ein Reich, eine Herrschaft in der Kirche gestiftet, sonden Dienste, 1.
Kor. 4,1, gesetzt, damit das Verheißungswort ausgeteilt wird, das im Glauben zu
ergreifen ist. Denn wer den Glauben an Jesus Christus hat, der hat damit auch
die Gewissheit der Sündenvergebung – und darum geht es in Buße und Beichte. Rom
aber leugnet den Glauben bei der Buße (denn das Bußsakrament beinhaltet nur
Reue, Beichte, Genugtuung). „Damit noch nicht zufrieden, hat unsere Babel
auch den Glauben so völlig vernichtet, dass sie mit frecher Stirne
behaupten konnte, derselbe sei bei diesen Sakrament gar nicht notwendig, ja mit
antichristlicher Gottlosigkeit es für eine Ketzerei erklärt, wenn jemand vom
Glauben sagte, dass er notwendig sei. ... Sind denn nun Verheißung und Glaube
ausgetilgt und umgestürzt, so lasst uns zusehen, was sie an deren Stelle
gesetzt haben. Drei Teile haben sie der Buße gegeben: Reue, Beichte,
Genugtuung, doch so, dass sie bei jedem Stück, was etwa gut davon ist,
hinweggetan und eben in ihnen ihr Gelüst und ihre Tyrannei aufrichteten.“ (a.a.O. S. 458)
Die
Reue nun, von der Rom spricht, ist aber nicht ein Werk des Glaubens, keine
Wirkung durch Gottes Gesetz, sondern ein Verdienst des Menschen, ebenso wie die
dabei zu bewirkende Zerknirschung des Herzens und die Demütigung. Die
tatsächliche Reue wird dabei so abgeschwächt, dass sie faktisch nichts ist.
Dagegen muss gerade auch im Blick auf die Reue der Glauben an Jesus Christus
gelehrt werden. Außerdem zerstört Rom die Reue dadurch, dass es Reue über alle
je begangenen Sünden verlangt – was tatsächlich gar nicht durchführbar ist. Wir
sollen dagegen nur über diejenigen Sünden konkrete Reue haben, die uns auch
bekannt sind, die anderen aber unter den verborgenen Fehlern Gott bekennen, Ps.
19,13. Die römische Irrlehre führt dazu, dass der Mensch auf die Reue, auf ihr
Ausmaß, ihre Stärke sein Vertrauen setzt (übrigens so auch in vielen
alt-pietistischen Richtungen, etwa bei Francke). „Hüte dich also, auf deine
Reue dein Vertrauen zu setzen, oder deiner Traurigkeit die Sündenvergebung
beizumessen. Nicht darum sieht dich Gott gnädig an, sondern um des Glaubens
willen, da du seinen Drohungen und Verheißungen geglaubt hast und dieser in dir
solche Traurigkeit gewirkt hat; darum verdanken wir alles Gute, was in der Buße
vorhanden ist, nicht der Sorgfalt, mit der wir unsre Sünden aufzählen, sondern
der Wahrheit Gottes und unserm Glauben. Alles andere sind Werke und Früchte,
die von selbst nachfolgen und nicht ihrerseits den Menschen gut machen, sondern
von dem ausgehen, der bereits durch den Glauben an Gottes Wahrheit gut geworden
ist.“ (a.a.O. S. 460 f.)
Das
Sündenbekenntnis ist notwendig, nämlich vor Gott, Matth. 3,6; 1. Joh. 1,9;
Matth. 18,15-18. Von der Ohrenbeichte selbst sagt die Bibel nichts – sie ist
aber nichtsdestoweniger eine gute Einrichtung. Die geheime Beichte aber, die
jetzt in Brauch ist, lässt sich zwar nicht aus der Schrift beweisen, gefällt
mir aber doch ausnehmend und ist nützlich, ja notwendig, und ich wollte nicht,
dass sie nicht wäre, freue mich vielmehr, dass sie in der Kirche Christi
vorhanden ist, da eben sie das alleinige Heilmittel für angefochtene Gewissen
ist. Denn wenn unser Gewissen dem Bruder sich entdeckt hat und das Böse, das
darin verborgen war, im Vertrauen offenbart worden ist, dann empfangen wir aus
des Bruders Munde das Wort des Trostes als von Gott selbst gesprochen; nehmen wir
dieses im Glauben auf, so schaffen wir uns Frieden in Gottes Barmherzigkeit,
der durch den Bruder zu uns redet.“ (a.a.O.
S. 461 f.) Rom
aber hat auch die Beichte zum Instrument seiner Tyrannei gemacht und sieht nur
die Beichte als gültig an, die dem Bischof oder Priester gegenüber geleistet
wurde. Die Bibel aber sieht auch diejenige Beichte als kräftig an, die einem
Mitchristen geleistet wurde. Das, was das römische System noch verschlimmert,
ist die Tatsache, dass Rom selbst mit seiner Irrlehre massiv gegen die Gebote
Gottes, vor allem das erste und zweite, verstößt und so, anstatt die Menschen
aus der Sünde zu reißen, sie immer tiefer in die Sünde hineinstößt. „Ja,
damit die Gottlosigkeit ihrer verkehrten Gedanken noch mehr an den Tag käme,
behalten sie das, was gegen die Anbetung Gottes, den Glauben und die Gebote der
ersten Tafel geschieht, nicht nur nicht vor, sondern sie lehren und billigen
sogar dergleichen, wie z.B. jenes Wallfahrtsgelaufe, die verkehrte Weise, die
Heiligen zu verehren, die erlogenen Heiligenlegenden, das mannigfaltige
Vertrauen auf Werke und Zeremonien und die Ausübung dieser Dinge; und doch wird
durch dieses alles der Glaube an Gott ausgelöscht und Abgötterei gehegt.“
(a.a.O. S. 462) Dazu kommt noch der ungeheure Zwang, der mit der
römisch-katholischen Beichte verbunden ist: der Zwang, alle Sünden, mitsamt den
Nebenumständen zu beichen; was nicht gebeichtet werde, könne nicht vergeben
werden. Das ist auch gege Ps. 19 gerichtet, in dem David betet: Vergib mir die
verborgenen Fehler.
Das
römische „Bußsakrament“ umfasst Reue, Bekenntnis, Genugtuung – der Glaube
findet darinnen keinen Platz. Gerade die Genugtuung, wie Rom sie beschreibt,
schlägt Christus und seinem Erlösungswerk ins Gesicht und veräußerlichen alles.
Der Sünder meint, durch äußere Werke das Reich Gottes erwerben zu können. „Die
Ungeheuerlichkeiten verdanken wir dir, du römischer Stuhl, und deinen
mörderischen Gesetzen und Bräuchen, durch welche du die ganze Welt dermaßen
verderbt hast, dass die vermeinen, sie könnten Gott durch ihre Werke für die
Sünden genugtun; und doch geschieht ihm allein durch den Glauben eines
zerknirschten Herzens Genüge. Aber diesen Glauben bringst du mit solchem
Getümmel nicht allein in Vergessenheit, sondern unterdrückst ihn sogar, nur
damit dein unersättlicher Blutigel solche habe, zu denen er spreche: ‚bring
her, bring her’ und mit Sünden Handel treibe.“ (a.a.O. S. 466) Der Sünder
leistet Werke ab, ohne sich wirklich im Herzen zu bessern. Rom hat es völlig
verdrängt, dass es darum gehen muss, dass das Fleisch, das sündige Ich ertötet
werden muss.
4. Die Firmung
Luther bezeugt deutlich, dass die Firmung
oder Konfirmation, wie er sie auch nennt, eine menschliche, kirchliche Ordnung
ist, die keine Grundlage in der Bibel hat, denn es fehlt ihr jede göttliche
Verheißung. Damit kann sie auch nicht wirklich etwas zur Seligkeit beitragen.
Sie ist damit kein Sakrament. „Wir aber suchen stattdessen die von Gott
eingesetzten Sakramente und finden keine Ursache, diesen die Firmung zuzuzählen.
Denn zur Einsetzung eines Sakraments ist vor allem ein Wort göttlicher
Verheißung erforderlich, durch welches der Glaube geübt werden kann. Aber wir
lesen kein Wort davon, dass Christus je eine Verheißung für die Firmung
gegeben, obgleich er selbst vielen die Hände aufgelegt hat. ... Darum ist es
genug, die Firmung für einen kirchlichen Brauch oder eine sakramentliche
Zeremonie zu halten. ... Jedoch, weil diese Dinge eine göttliche Verheißung
nicht haben, dürfen wir sie nicht Sakramente des Glaubens nennen. Denn sie
wirken nicht die Seligkeit, Sakramente dagegen bringen Errettung denen, die der
göttlichen Verheißung glauben.“ (a.a.O. S. 469) Interessant und wichtig ist
in diesem Zusammenhang die Definition für ein Sakrament und seine Wirkung,
die Luther gibt. Ein Sakrament hat ein Einsetzungs- und Verheißungswort, woran
der Glaube sich klammert. Ein Sakrament bietet an, reicht dar, eignet zu
Errettung – aber nur der Glaube hat eben dies. Ohne den Glauben also haben wir
nicht das, was im Sakrament angeboten wird. Und das heißt für den Menschen,
sobald er in seinem Bewusstsein lebt: Er muss im bewussten Glauben für sich
persönlich das ergreifen, was der dreieinige Gott ihm im Sakrament angeboten,
dargereicht, zugeeignet hat, sonst hat er es nicht. Damit ist jeglichem Sakramentalismus
auf das Schärfste entgegen getreten.
5. Die Ehe
Die
römisch-katholische Kirche hat auch die Ehe (deren Wert sie gleichzeitig
herabsetzt, da sie das Mönchtum als besser ansieht) zu einem Sakrament gemacht
– gegen die Bibel, die die Ehe als Sakrament nicht kennt. Denn durch die Ehe
oder den Eheschluss wird keinerlei Gnade mitgeteilt, auch ist kein Zeichen
dafür von Christus eingesetzt. „Wir haben gesagt, in jedem Sakrament habe
mein ein Wort göttlicher Verheißung, welchem der glauben müsse, der das Zeichen
empfängt, aber das Zeichen allein könne kein Sakrament sein. Nun liest man aber
nirgends, dass jeder, der ein Weib freiet, etwas von göttlicher Gnade dadurch
empfangen solle. Ja, es gibt nicht einmal ein von Gott gestiftetes Zeichen in der
Ehe. Denn nirgends liest man, dass sie von Gott gestiftet wäre, um etwas zu
bedeuten, weiwohl alle Dinge, die sichtbarlich geschehen, auch als Abbilder und
Allegorien unsichtbarer Dinge verstanden werden können. Aber Sinnbild und
Allegorie sind nicht Sakramente, so wie wir von Sakramenten reden. Ferner: Da
die Ehe von Anfang der Welt an gewesen ist, und auch bei den Ungläubigen bis
auf diesen Tag besteht, so ist kein Grund vorhanden, sie ein Sakrament des
neuen Gesetzes und der Kirche allein zu nennen. Denn die Ehen der Väter waren
nicht minder heilig als die unsrigen, und die der Ungläubigen sind nicht minder
echte Ehen als die der Gläubigen, und doch sollen jene kein Sakrament sein.
Außerdem gibt es auch unter den Gläubigen gottlose Eheleute, die ärger sind als
irgendwelche Heiden; warum soll hier die Ehe ein Sakrament heißen und bei den
Heiden nicht?“ (a.a.O., S. 470) Wenn Rom sich etwa auf Epheser 5,31
bezieht, wo von einem „Geheimnis“ die Rede ist (Mysterion), so ist auch dies
ein Fehlschluss, denn das Geheimnis geht hier nicht auf die Ehe, sondern auf
die Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde.
Wie
Rom mit der Ehe umgeht, das war schon zu Luthers Zeit deutlich anhand der
unzähligen Ehehindernisse, die die römische Hierarchie aufgebaut hatte, und die
weit über Gottes Ordnungen in seinem Wort hinausgingen und somit die von Gott
uns gegebene christliche Freiheit massiv einschränken (vgl. a.a.O. S. 474 ff.),
etwa wenn neben den tatsächlichen ehehinderlichen Verwandtschaftsgraden auch
„geistliche Verwandtschaft“ (Patenschaft) als Ehehindernis hingestellt wird.
Andererseits hat der Papst sich angemaßt, gegen Gottes Wort Ehen zu scheiden
oder für ungültig zu erklären.
Gegen
Rom betont Luther in dieser Schrift auch sein Ja zur Priesterehe. Auch für den
Zölibat hat Rom keinerlei Schriftgründe; und das Zerreißen von Priesterehen,
wie es immer wieder geschehen ist, ist ein schlimmes Verbrechen gegen Gottes
Ordnung und die betroffenen Menschen.
Als
wirkliche Ehehindernisse erkennt Luther, neben den ehehinderlichen
Verwandtschaftsgraden nach 3. Mose 18, nur das Unvermögen zur Erfüllung der
ehelichen Pflicht an (soweit dies vor der Eheschließung schon bekannt ist)1 sowie das Bestehen eines gültigen
Ehebundes an. Auch für die Scheidung lässt Luther als Grund nur den Ehebruch
gelten. „Christus selbst, der Erzhirte, spricht Matth. 5, V. 32: ‚Wer sich
von seinem Weibe scheidet, (es sei denn um Ehebruch), der macht, dass sie die
Ehe bricht; und wer eine Abgeschiedene freiet, der bricht die Ehe.’ Christus
lässt also die Scheidung nur in dem Fall des Ehebruchs zu. Darum muss der Papst
irre gehen, so oft er aus andern Gründen Ehen scheidet, und niemand darf sich
in seinem Gewissen alsbald für sicher erachten, der Dispensation erlangt hat
mehr durch päpstlichen Leichtsinn als durch ordentliche Gewalt.“ (a.a.O. S. 485 f.) Dabei erkennt Luther für den unschuldigen Teil das Recht der
Wiederverheiratung an, das Rom verwarf.
Gerade
in diesem Artikel zeigt sich, wie klar Luther die christliche Freiheit auch in
der Praxis umgesetzt hat, und dies dann in seinen weiteren Eheschriften noch
mehr ausbaute, während gerade hier auch deutlich wird, wie Rom die christliche
Freiheit eingeschränkt hat.
6. Die Priesterweihe
Auch
im Blick auf dieses römische Sakrament sagt Luther gleich zu Beginn dieses
Abschnittes: „Von diesem Sakrament weiß die Kirche Christi nichts, es ist
ein Fündlein der Papstkirche.“ (a.a.O. S. 487) Auch hier liegt ja keinerlei
Gnadenverheißung vor. Und weder die Apostel noch die Kirche haben Recht und
Vollmacht, neue Sakramente zu stiften. „Auch hat die Kirche keine Gewalt,
neue göttliche Gnadenverheißungen aufzurichten, wie denn etliche töricht davon
reden, dass alles nicht minderen Ansehens sei, was von der Kirche, als sas von
Gott verordnet wird, das sie vom heiligen Geiste geleitet werde. Denn die
Kirche entsteht aus dem Werk der Verheißung durch den Glauben; durch dasselbe
wird sie auch ernährt und erhalten, d.h. sie selbst besteht nur durch Gottes
Verheißungen, aber nicht Gottes Verheißungen durch sie. Denn Gottes Wort steht
unvergleichlich hoch über der Kirche; in diesem Worte vermag sie als Kreatur
nichts zu beschließen, anzuordnen, zu vollziehen, sondern vermag nur
beschlossen, geordnet und vollzogen zu werden.“ (a.a.O.
S. 487 f.)
Für
Rom hat die Priesterweihe eine elementare Bedeutung, dass sie eng zusammen
hängt mit seiner (Irr-)Lehre von der Hierarchie. Angeblich werde durch die
Priesterweihe dem „Geweihten“ ein „unverlierbarer Charakter“ (character
indelebilis) eingegossen, durch den er sich grundsätzlich von einem „Laien“
unterscheide. Aber auch das hat keinerlei Schriftgrund, zerstört vielmehr die
christliche Kirche als Bruderschaft. „Zusammenfassend: Das Sakrament der
Priesterweihe war und ist das herrlichste Werkzeug, um alle Ungeheuerlichkeiten
zu befestigen, die in der Kirche bislang geschehen sind und noch geschehen.
Hier ist die christliche Bruderschaft zugrunde gegangen; hier sind aus Hirten
Wölfe, aus Knechten Tyrannen, aus Geistlichen mehr als Weltliche geworden.“ (a.a.O., S. 494)
Luther
betont, dass vielmehr alle Christen durch die Taufe, als dem Bad der
Wiedergeburt, Priester sind. Da aber alle Priester sind und damit alle die
Kirchen- oder Schlüsselgewalt haben, so können sie diese nicht alle zugleich
ausüben, sondern müssen einem Mann oder etlichen Männern dieses Amt zur
öffentlichen Ausübung übertragen, der dann im Namen der Gemeinde handelt. „Würden
sie genötigt, zuzugeben, dass wir alle in gleicher Weise Priester sind, wie
viele wir getauft worden sind – wie wir es in Wahrheit sind – und dass ihnen
nur das Amt, jedoch durch unsere Verwilligung, befohlen sei, dann würden sie
zugleich auch wissen, dass sie kein Recht der Herrschaft über uns besäßen,
außer soweit wir freiwillig es zuließen. Denn so steht 1. Petr. 2, V. 9
geschrieben: ‚Ihr seid das auserwählte Volk, das königliche Priestertum und
priesterliche Königtum.’ Darum sind wir allesamt Priester, so viele wir
Christen sind. Die aber, die wir Priester heißen, sind Diener, aus uns erwählt,
die in unserm Namen alles tun, und ihr Priestertum ist nur ein Dienst. So heißt
es 1. Kor. 4, V. 1: ‚Dafür halte uns jedermann, nämlich für Christi Diener und
Haushalter über Gottes Geheimnisse.’“ (a.a.O.
S. 494 f.)
Immer
wieder hebt Luther es hervor, dass jeder, der ein Christ ist, also den Heiligen
Geist hat, auch ein Priester ist. Das öffentliche Amt kann darum nur durch
Beauftragung übertragen werden. „Drum sei ein jeder, der da weiß, dass er
ein Chrisrt ist, gewiss und wisse um sich Bescheid, nämlich dass wir alle
gleicher Weise Priester sind, d.h. gleiche Gewalt am Wort und an jedem
Sakrament haben, dass es jedoch niemand gebührt, dieser Gewalt sich zu
bedienen, außer mit Bewilligung der Gesamtheit oder aus Beruf eines Oberen –
denn was allen gemeinsam gehört, darf keiner sich sonderlich anmaßen, bis er dazu
berufen wird; ... dass ferner Priestertum eigentlich nichts anderes ist
als Dienst am Worte, am Worte, sag’ ich, nicht des Gesetzes, sondern des
Evangeliums; dass aber das Diakonenamt nicht der Dienst ist, das
Evangelium oder die Epistel zu verlesen, wie es heutigentags Brauch ist,
sondern die Güter der Kirche den Armen auszuteilen, damit die Priester der Last
mit den zeitlichen Dingen enthoben werden und an Gebet und Wort mit größerer
Freiheit anhalten können – denn in dieser Absicht sind, wie wir Apg. 6 lesen,
die Diakone eingesetzt -; dass also derjenige, welcher das Evangelium nicht
kennt oder nicht predigt, nicht nur kein Priester oder Bischof ist, sondern
eine Pest der Kirche, der da unter dem falschen Titel eines Priesters und
Bischofs wie in Schafskleidern das Evangelium unterdrückt und den Wolf in der
Kirche spielt.“ (a.a.O., S. 499)
Luther
betont also dabei, dass zentral es zum Priesteramt gehört zu predigen, sonst
ist derjenige gar kein Priester (vgl. a.a.O., S. 495). Der Unterschied zwischen
„Priester“ und „Laien“ besteht somit allein im Dienstamt, ist kein
grundlegender (vgl. a.a.O. S. 500).
7. Die letzte Ölung
Auch
die sogenannte „letzte Ölung“ ist kein Sakrament, denn ein solches einzurichten
gehört allein Christus zu. „Nirgends aber ist im Evangelium etwas von dem
Sakrament einer solchen letzten Ölung zu lesen.“ (a.a.O.
S. 502). Der
Schein, den Rom hier für sich reklamiert, dass doch Jakobus in seinem Brief
davon spricht, wendet sich tatsächlich gegen Rom, denn Jakobus spricht ja nicht
von einer „letzten“ Ölung, also einer Ölung zum Sterben, sondern von einer
allgemeinen Ölung, die vielmehr zum Besser werden, zur Hilfe dienen soll. Rom
hat also die Bedeutung dieser Stelle völlig auf den Kopf gestellt und hat für
seine „letzte Ölung“ tatsächlich überhaupt keinen Schriftgrund.
Luther
macht in diesem Zusammenhang nochmals deutlich, was wirklich als Sakrament zu
verstehen ist: „Doch hat es beliebt, im eigentlichen Sinne nur diejenigen
Verheißungen Sakramente zu nennen, mit denen Zeichen verknüpft sind. ...
Daraus folgt, dass es, wenn wir es mit dem Sprachgebrauch scharf nehmen, nur zwei
Sakramente in Gottes Kirche gibt, die Taufe und das Brot, da wir nur bei
diesen beiden ebenso das von Gott gestiftete Zeichen wie die Verheißung der
Sündenvergebung finden. Denn das Sakrament der Buße, das ich diesen beiden
zugezählt habe, entbehrt des sichtbaren und von Gott gestifteten Zeichens und
ist, wie gesagt, nichts anderes als der Weg und die Rückkehr zur Taufe.“ (a.a.O., S. 508 f.)
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Zu dieser Zeit hat Luther
noch die Möglichkeit gesehen, dass die Frau, die vor dem Eheschluss nichts von
der Impotenz ihres Mannes wusste, die Ehe wieder auflöste (vgl. a.a.O., S.
484). Später hat Luther differenzierter darüber geurteilt (Sermon von der Ehe)
und gelehrt, dass, wenn dies in der Ehe auftritt, dann beide die Not zu tragen
haben. Nur da, wo der Mann es wusste und es mutwillig verschwiegen und somit
seine zukünftige Frau hintergangen hat, wäre eine Auflösung der Ehe möglich, da
sie unter falschen Voraussetzungen geschlossen wurde, es sei denn, die Frau
hätte, nachdem sie es erfahren, die Ehe doch weiter fortgesetzt. Die von Luther
zugestandene Möglichkeit, dass die Frau neben der offiziellen Ehe in einem
solchen Fall noch eine inoffizielle Ehe führe, hat er schon 1522 fallen
gelassen und für die öffentlich-rechtliche Auflösung der Scheinehe plädiert (vgl. a.a.O., S. 483, Anm.).