Die Buße in den lutherischen Bekenntnisschriften

Roland Sckerl

    Wie schon die erste der 95 Thesen Luthers zeigt, ist die Buße, neben dem Zentralthema Rechtfertigung, ein bedeutendes Element der evangelisch-lutherischen Theologie und Frömmigkeit, was nicht zuletzt auch durch die Darlegungen im Kleinen Katechismus im Hauptstück von der Taufe verdeutlicht wird. Darum ist es sicher hilfreich zu bedenken, was dazu die lutherischen Bekenntnisschriften sagen.

    In der Buße wirkt der Heilige Geist durch das Gesetz als der Donneraxt Gottes, um die Erbsünde mit ihren Früchten zu offenbaren und den Menschen deutlich zu machen, dass sie allesamt Sünder sind und vor Gott keiner gerecht ist. So will der Heilige Geist eine rechte Reue, rechtes Herzeleid, Leiden und Fühlen des Todes hervorbringen. „Aber das vornehmste Amt und Kraft des Gesetzes ist es, dass es die Erbsünde mit den Früchten und allem offenbare und dem Menschen zeige, wie gar tief seine Natur gefallen und grundlos verderbt ist, als dem das Gesetz sagen muss, dass er keinen Gott habe noch achte, und bete fremde Götter an, welcher er zuvor und ohne das Gesetz nicht geglaubt hätte. Damit wird er erschreckt, gedemütigt, verzagt, verzweifelt, wollte gern, dass ihm geholfen würde, und weiß nicht, wo aus, fängt an, Gott feind zu werden und zu murren usw. Das heißt denn Röm. 4,15: ‚Das Gesetz erregt Zorn.‘ Und Röm. 5,20: ‚Die Sünde wird größer durchs Gesetz.‘“ (Schm.Art., III, II,4-5.) „Solch Amt behält das Neue Testament und treibt’s auch, wie S. Paulus Röm. 1,18 tut und spricht: ‚Gottes Zorn wird vom Himmel offenbart über alle Menschen.‘ Ebenso 3,12: ‚Alle Welt ist vor Gott schuldig.‘ Und: ‚Kein Mensch ist vor ihm gerecht.‘ Und Christus Joh. 16,8: ‚Der Heilige Geist wird die Welt strafen um die Sünde.‘ Das ist nun die Donneraxt Gottes, damit er beide, die offenbaren Sünder und falschen Heiligen in einen Haufen schlägt und lässt keinen Recht haben, treibt sie allesamt in das Erschrecken und Verzagen. Das ist der Hammer (wie Jeremia spricht): ‚Mein Wort ist ein Hammer, der die Felsen zerschmettert.‘ Das ist nicht activa contritio, eine gemachte Reue, sondern passiva contritio, das rechte Herzeleid, Leiden und Fühlen des Todes. Und das heißt denn die Buße anfangen, und muss der Mensch hier hören solches Urteil: Es ist nichts mit euch allen, ihr seid öffentliche Sünder oder Heilige, ihr müsst alle anders werden und anders tun, als ihr jetzt seid und tut, ihr seid, wer und wie groß, weise, mächtig und heilig, wie ihr wollt, hier ist niemand fromm.“ (Schm.Art., III, III,1-3.) Das ist also er erste und eigentliche Teil der Buße (im engeren Sinn verstanden), nämlich dass der Heilige Geist durch das Gesetz rechte, lebendige Sündenerkenntnis wirkt, die verbunden ist mit rechtem Leid, Traurigkeit, Erschrecken über die Sünde – und dem Urteil Gottes darüber. So sollst du dich recht als Sünder vor Gott erkennen. Und das betrifft jeden Menschen. Kein Mensch kann aus eigener Kraft Gott gefallen.

    Das heißt aber auch: Wer die biblische Lehre von der Sünde, und zwar auch bereits bei der Erbsünde, abschwächt, der schwächt damit auch Gottes Gesetz ab und verführt die Menschen dazu, sich auf angebliche eigene Kräfte, noch vorhandene natürliche Möglichkeiten, angeblichen teilweise vorhandenen freien Willen zu verlassen und so ihn aufzurufen, an seiner Erlösung mitzuwirken, wie das zur Reformationszeit vor allem durch Rom geschah (und bis heute so gelehrt wird), in unserer Zeit auch durch alle, die mehr oder weniger stark vom Arminianismus herkommen, seien es nun die Methodisten und andere Heiligungskirchen, sei es ein Großteil der Evangelikalen und Pietisten, die mit ihrer Lehre und Evangelisationsmethode bei Wesley anknüpften und dann durch Finney, Moody, Graham sie weiter entfalteten. „Unmöglich ist es gewesen, dass sie [die Römischen] sollten recht von der Buße lehren, weil sie die rechten Sünden nicht erkannten. Denn (wie droben gesagt) sie halten von der Erbsünde nicht recht, sondern sagen, die natürlichen Kräfte des Menschen seien ganz und unverderbt geblieben, die Vernunft könne recht lehren und der Wille könne recht danach tun, dass Gott gewiss seine Gnade gibt, wenn ein Mensch tut, so viel an ihm ist, nach seinem freien Willen.“ (Schm.Art., III, III,10.) Da wird dann eben ein Mitwirken des Menschen als möglich und notwendig erachtet. Rom setzt dahin eine menschlich gemachte Reue, eine Aufzählung aller Sünden und eine Genugtuung, die der Sünder erbringen muss – und gibt dann eine Absolution, die doch keine wirkliche Lossprechung ist, da sie ja abhängig ist von der Haltung des Sünders, seiner Reue, seiner Sündenaufzählung. (In der Entscheidungstheologie wird ein zumindest teilweise freier Wille behauptet, mit dem der Mensch sich noch vor der Wiedergeburt abwende von der Sünde, zu Christus hinwende, d.h. sich für ihn entscheide und sich so selbst bekehre – als Voraussetzung, dass Gott ihn dann wiedergebäre[1].) Damit wird tatsächlich jegliche Heilsgewissheit konterkariert, da der Sünder ja letztlich immer (auch) auf sich selbst geworfen bleibt, nicht einzig und allein auf Christus, sein Rettungshandeln, dargereicht in den Zusagen des Evangeliums. Bei Rom sind in der Bußlehre Christus und der Glaube völlig außen vor. „Hier war kein Christus und nichts vom Glauben gedacht, sondern man hoffte mit eigenen Werken die Sünde vor Gott zu überwinden und zu tilgen.“ (Schm.Art., III, III,14.) „Wenn nun einer hundert Jahre so gebüßt hätte, so hätte er doch nicht gewusst, wann er ausgebüßt hätte. Das hieß, immerdar gebüßt und nimmermehr zu Buße gekommen.“ (Schm.Art., III, III,23.)

    Die rechte Verkündigung der Buße, das ist, die rechte Anwendung des Gesetzes aber muss, wie oben schon angezeigt, so scharf und deutlich sein, dass sie nicht nur einige groben Sünden behandle, sondern auch die sogenannten „feinen“ Sünden, die böse Lust, die bösen Gedanken, Worte usw. Denn sonst meinen etliche, sie seien Heilige, es sei alles in Ordnung mit ihnen, sie bräuchten keine Buße. Das ist, weil sie auch die abgrundtiefe Verdorbenheit ihres Herzens nicht kennen. „Denn was wollten sie bereuen, weil sie in böse Gedanken nicht einwilligten? Was wollen sie beichten, weil sie böse Worte vermieden? Wofür wollten sie genugtun, weil sie der Tat unschuldig waren, also, dass sie auch anderen armen Sündern ihre übrige Gerechtigkeit verkaufen konnten? Solche Heiligen waren auch die Pharisäer und Schriftgelehrten zur Zeit Christi. Hier kommt der feurige Engel S. Johannes, der rechte Bußprediger, und schlägt mit einem Donner alle beide in einen Haufen, spricht: ‚Tut Buße.‘ So denken jene: Haben wir doch gebüßt. Diese denken: Wir bedürfen keiner Buße. Spricht Johannes: Tut alle beide Buße, denn ihr seid falsche Büßer, so sind diese falsche Heilige, und bedürft alle beide Vergebung der Sünden, weil ihr alle beide noch nicht wisst, was die rechte Sünde sei, geschweige, dass ihr sie büßen oder meiden solltet. Es ist euer keiner gut, seid voll Unglaubens, Unverstandes und Unwissenheit Gottes und seines Willens. Denn da ist vorhanden, ‚von der Fülle wir alle müssen nehmen Gnade um Gnade‘, und kein Mensch ohne ihn vor Gott kann gerecht sein. Darum, wollt ihr büßen, so büßt recht: Eure Buße tut nichts. Und ihr Heuchler, die ihr keiner Buße bedürft, ihr Schlangengeister, wer hat euch versichert, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet usw.? (Matth. 3,7; Luk. 3,7). So predigt auch S. Paulus Röm 3,12 und spricht: ‚Es ist keiner verständig, keiner gerecht, keiner achtet Gottes, keiner tut Gutes, auch nicht einer; allzumal sind sie untüchtig und abtrünnig.‘ Und Apg. 17,30: ‚Nun aber gebietet Gott allen Menschen an allen Enden, Buße zu tun.‘ Allen Menschen (spricht er), niemand ausgenommen, der ein Mensch ist. Diese Buße lehrt uns, die Sünde erkennen, nämlich dass mit uns allen verloren, Haut und haar nicht gut ist und müssen schlicht neue und andere Menschen werden. … Denn es bleibt nichts da, damit wir könnten etwas Gutes denken, die Sünde zu bezahlen, sondern ein bloßes, gewisses Verzagen an allem, das wir sind, denken, reden oder tun usw.“ (Schm.Art., III, III,29-34.36.)

    Was also ist nun rechte Reue? Nicht nur das Erkennen der Sünden, sondern eine rechte Traurigkeit über die Sünden, ein rechtes Erschrecken und Furcht vor dem heiligen Gott und seinem Zorn über die Sünden und seinem Urteil, dem der reuige Sünder Recht geben muss. „Wir sagen, dass contritio oder rechte Reue das sei, wenn ein Gewissen erschreckt wird und seine Sünde und den großen Zorn Gottes über die Sünde anhebt zu fühlen, und ist ihm leid, dass es gesündigt hat. Und dieselbe contritio geht so zu, wenn unsere Sünde durch Gottes Wort gestraft wird. Denn in diesen zwei Stücken steht die Summe des Evangeliums: Erstens sagt es: Bessert euch, und macht jedermann zu Sündern. Zum zweiten bietet’s an Vergebung der Sünde, das ewige Leben, Seligkeit, alles Heil und den Heiligen Geist durch Christus, durch welchen wir neu geboren werden. so fasst auch die Summe des Evangeliums Christus, da er bei Lukas im letzten Kapitel sagt: ‚Zu predigen in meinem Namen Buße und Vergebung der Sünde unter alle Heiden.‘ Und von dem Schrecken und der Angst des Gewissens redet die Schrift im 38. Psalm: ‚Denn meine Missetaten sind über mein Haupt gegangen, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden.‘ Und im 6. Psalm: ‚Herr, sei mir gnädig, denn ich bin schwach; heile mich, Herr, denn meine Gebeine sind erschrocken, und meine Seele ist sehr erschrocken usw. Ach du, Herr, wie lange?‘ Und Jes. 38,10.13: ‚Ich sprach, nun muss ich zur Hölle Pforten fahren, da ich länger zu leben gedachte usw. Ich dachte, könnte ich bis morgen leben; aber er zerbrach mir alle meine Gebeine wie ein Löwe.‘ Ebenso: ‚Meine Augen wollten mir brechen, Herr, ich leide Not‘ usw. In denselben Ängsten fühlt das Gewissen Gottes Zorn und Ernst gegen die Sünde. … Denn da merkt erst das Gewissen, was die Sünde für ein großer Ungehorsam gegen Gott ist, da drückt erst recht das Gewissen der schreckliche Zorn Gottes, und es ist unmöglich der menschlichen Natur, denselben zu tragen, wenn sie nicht durch Gottes Wort würde aufgerichtet. … Denn das Gesetz klagt allein die Gewissen an, gebietet, was man tun solle, und erschreckt sie.“ (Apol. XII,29-32.34.)

    Darum, dabei, bei dem Erschrecken über die Sünde und Verlorenheit, darf es nicht stehenbleiben, sonst würde der Sünder, der so aufgeweckt wurde und nun verzweifelt ist an aller eigenen Gerechtigkeit, der durch das zerschmetternde Werk des Gesetzes ein zerbrochenes Herz und Gemüt hat (Ps. 51,18), völlig in Verzweiflung stecken bleiben. Darum bringt der Heilige Geist dann dazu das Evangelium, die kostbare Verheißung von der Erlösung allein aus Gnaden, allein aus Gottes erbarmender Liebe in Christus Jesus (Buße im weiteren Sinn, die den rettenden Glauben mit einschließt). Das macht aber auch deutlich: Der rechte, wahre rechtfertigende Glaube kann nur da entstehen, wo zuvor durch den Hammer des Gesetzes rechte Buße, das ist rechtes Herzeleid, Erschrecken über die Sünde, die eigene Verdorbenheit und Verlorenheit, ein Zerbruch aller Selbstgerechtigkeit gewirkt wurde. „Aber zu solchem Amt tut das Neue Testament flugs die tröstliche Verheißung der Gnaden durchs Evangelium, der man glauben soll, wie Christus spricht Markus 1,15: ‚Tut Buße und glaubt dem Evangelium‘, das ist, werdet und macht’s anders und glaubt meiner Verheißung. Und vor ihm her Johannes wird genannt ein Prediger der Buße, doch zur Vergebung der Sünden, das ist, er sollte sie alle strafen und zu Sündern machen, auf dass sie wüssten, was sie vor Gott wären, und sich erkennten als verlorene Menschen, und so dem Herrn bereit würden, die Gnade zu empfangen und der Sünden Vergebung von ihm erwarten und annehmen. So sagt auch Christus Luk. 24,47 selbst: ‚Man muss in meinem Namen in alle Welt predigen Buße und Vergebung der Sünden.‘ Wo aber das Gesetz solches sein Amt allein treibt ohne Zutun des Evangeliums, da sind der Tod und die Hölle und muss der Mensch verzweifeln, wie Saul und Judas, wie S. Paulus sagt: ‚Das Gesetz tötet durch die Sünde.‘ Wiederum gibt das Evangelium nicht einerlei Trost und Vergebung, sondern durchs Wort, Sakrament und dergleichen, wie wir hören werden, auf dass die Erlösung ja reichlich sei bei Gott, wie der 130. Psalm sagt, gegen das große Gefängnis der Sünden.“ (Schm.Art., III, III,4-8.) Das heißt: Nachdem der Heilige Geist durch das Gesetz rechte Sünden-, Verdorbenheits- und Verlorenheitserkenntnis gewirkt, kommt er mit dem Evangelium, um durch die Zusagen des Evangeliums, der Gnade Gottes in Christus, rechten Glauben hervorzubringen, der dieser Zusage von Herzen glaubt, vertraut und damit die Vergebung in Christus, durch Christi Gerechtigkeit, empfängt, ergreift, annimmt. Damit sind die beiden Hauptteile der Buße (im weiteren Sinn) gesagt: Sündenerkenntnis mit Erschrecken, Reue, Leid, Zerbruch sowie Glauben, Vertrauen der Zusage Gottes in Jesus Christus, der die Vergebung in Christus ergreift. „Und ist wahre Buße eigentlich Reue und Leid oder Schrecken haben über die Sünde und doch daneben glauben an das Evangelium und Absolution, dass die Sünde vergeben und durch Christus Gnade erworben sei, welcher Glaube wiederum das Herz tröstet und zufrieden macht. Danach soll auch Besserung folgen und dass man von Sünden lasse, denn dies sollen die Früchte der Buße sein, wie Johannes spricht Matth. 3,8: ‚Wirkt rechtschaffene Früchte der Buße.‘“ (Augsb. Bek. XII,3-6.) „Zur Buße gehören diese zwei: ‚ein reuig zerschlagen Herz und der Glaube‘, dass ich glaube, dass ich Vergebung der Sünde durch Christus erlange.“ (Apol. XII,2.) „Wir aber setzen das andere Stück der Buße dazu, nämlich ‚den Glauben an Christus‘, und sagen, dass in solchen Schrecken den Gewissen soll vorgehalten werden das Evangelium von Christus, in welchem verheißen ist Vergebung der #Sünde aus Gnaden durch Christus. Und solche Gewissen sollen glauben, dass ihnen um Christi willen Sünden vergeben werden. Derselbe Glaube richtet wieder auf, tröstet und macht wieder lebendig und fröhlich solche zerschlagenen Herzen, wie Paulus zu den Römern 5,1 sagt: ‚So wir nun gerechtfertigt sind, so haben wir Frieden mit Gott.‘ Derselbe Glaube zeigt recht an den Unterschied zwischen der Reue des Judas und des Petrus, Sauls und Davids. Und darum ist des Judas und Sauls Reue nichts nütze gewesen. Denn da ist kein Glaube gewesen, der sich gehalten hätte an die Verheißung Gottes. Dagegen sind Davids und des Petrus Reue rechtschaffen gewesen. Denn da ist der Glaube gewesen, welcher gefasst hat die Zusage Gottes, welche anbietet Vergebung der Sünde durch Christus. Denn eigentlich ist in keinem Herzen einige Liebe Gottes, es sei denn, dass wir erst Gott versöhnt werden durch Christus. Denn Gottes Gesetz oder das erste Gebot kann ohne Christus niemand erfüllen noch halten, wie Paulus den Ephesern (2,18; 3,12) sagt: ‚Durch Christus haben wir einen Zutritt zu Gott.‘“ (Apol. XII,35-37.) „Paulus in allen Episteln, so oft er handelt, wie wir bekehrt werden, fasst er diese zwei Stücke zusammen: ‚Sterben des alten Menschen‘, das ist Reue, Erschrecken vor Gottes Zorn und Gericht, und dagegen ‚Erneuerung‘ durch den Glauben. Denn durch den Glauben werden wir getröstet und wieder zum Leben gebracht und errettet von Tod und Hölle.“ (Apol. XII,46.) „Aber in diesem Ort, Mark. 1,15, wie auch anderswo, da unterschiedlich gesetzt wird die Buße und der Glaube an Christus, Apg. 20,2, oder Buße und Vergebung der Sünden, Luk. 24,47, heißt Buße tun nichts anderes als die Sünde wahrhaftig erkennen, herzlich bereuen und davon abstehen; welche Erkenntnis aus dem Gesetz kommt, aber zu heilsamer Bekehrung zu Gott nicht genug ist, wen nicht der Glaube an Christus dazu kommt, dessen Verdienst die tröstliche Predigt des heiligen Evangeliums allen bußfertigen Sündern anbietet, so durch die Predigt des Gesetzes erschreckt sind. Denn das Evangelium predigt Vergebung der Sünden nicht den rohen, sicheren Herzen, sondern den Zerschlagenen oder Bußfertigen, Luk. 4,18. Und dass aus der Reue oder Schrecken des Gesetzes nicht möge eine Verzweiflung werden, muss die predigt des Evangelium dazu kommen, dass es möge sein eine Reue zur Seligkeit., 2. Kor. 7,10.“ (Konk.Formel, Ausf.Darl., V,7-9.)

    So finden wir in der Buße die beiden Predigten oder Redeweisen Gottes mit uns: Gesetz und Evangelium. „Dies sind nun die vornehmsten zwei Werke, dadurch Gott in den Seinen wirkt. Von den zwei Stücken redet die ganze Schrift, erstlich, dass er unser Here Herzen erschreckt und uns die Sünde zeigt, zum anderen, dass er wiederum uns tröstet, aufrichtet und lebendig macht. Darum führt auch die ganze Schrift diese zweierlei Lehren. Eine ist das ‚Gesetz‘, welche uns zeigt unseren Jammer, straft die Sünde. Die andere Lehre ist das ‚Evangelium‘; denn Gottes Verheißung, da er Gnade zusagt durch Christus, und die Verheißung der Gnaden wird von Adam her durch die ganze Schrift wiederholt. … Denn durch den Glauben an das Evangelium oder die Zusage von Christus sind alle Patriarchen, alle Heiligen von Anbeginn der Welt gerecht vor Gott geworden, und nicht um ihrer Reue oder Leid oder einigerlei Werk willen.“ (Apol. XII,53.54.) „Wir erlangen Vergebung der Sünden nicht ex opere operato oder durch das getane Werk, durch Reue oder Leid, sondern allein durch den Glauben, da ein jeder für sich selbst glaubt, dass ihm die Sünden vergeben sind. Denn dieser Artikel ist der vornehmste und nötigste, darum wir mit den Widersachern streiten, welcher auch der nötigste ist, allen Christen zu wissen.“ (Apol. XII,59.)

    Darum ist so viel an der Absolution gelegen, da in ihr das Evangelium verkündigt wird, die Zusage der Vergebung Gottes, die der Glaube empfängt, ergreift. „Die Gewalt nun der Schlüssel, die verkündigt uns durch die Absolution das Evangelium. Denn das Wort der Absolution verkündigt mir Friede und ist das Evangelium selbst. Darum, wenn wir vom Glauben reden, wollen wir die Absolution mit inbegriffen haben. Denn der Glaube ist ‚aus dem Hören‘, und wen ich die Absolution höre, das ist, die Zusage göttlicher Gnade oder das Evangelium, so wird mein herz und Gewissen getröstet. Und dieweil Gott durch das Wort wahrlich neues Leben und Trost ins herz gibt, so werden auch durch Gewalt der Schlüssel wahrhaftig hier auf Erden die Sünden los gezählt so, dass sie vor Gott im Himmel los sind, wie der Spruch lautet (Luk. 10,16): ‚Wer euch hört, der hört mich.‘ Darum sollen wir das Wort der Absolution nicht weniger achten noch glauben, als wenn wir Gottes klare Stimme vom Himmel hörten. … Also wird der Glaube gestärkt durch das Wort der Absolution, durch die Prediger des Evangeliums, durch Empfang des Sakraments [Abendmahls], damit er in solchem Schrecken und Ängsten des Gewissens nicht untergehe.“ (Apol. XII,39-40.42.)

    Denn beim Glauben geht es zuerst und vor allem um die Vergebung der Sünden. Sie ist der Kern des christlichen Glaubens. Und wenn Christus uns aufruft, mit unserer Last zu ihm zu kommen, so sagt er damit nichts anderes als dies, dass wir unsere Sünden bei ihm ablegen und von ihm Vergebung der Sünden empfangen sollen – und der Glaube vertraut von Herzen dieser Zusage. „Dieweil aber die Widersacher verdammen, dass wir die zwei Teile der Buße gesetzt haben, so müssen wir anzeigen, dass nicht wir, sondern die Schrift diese zwei Stücke der Buße oder Bekehrung so ausdrückt. Christus sagt Matthäus 11,28: ‚Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken.‘ Da sind zwei Stücke. Die Last oder die Bürde, da Christus von redet, das ist der Jammer, das große Erschrecken vor Gottes Zorn im Herzen. Zum anderen das Kommen zu Christus; denn das Kommen ist nichts anderes als glauben, dass um Christi willen uns Sünde vergeben werden und dass wir durch den Heiligen Geist neu geboren und lebendig werden. Darum müssen diese zwei die vornehmsten Stücke in der Buße sein: die Reue und der Glaube. Und in Mark. 1,15 sagt Christus: ‚Tut Buße und glaubt dem Evangelium.‘ Im ersten macht er uns zu Sündern und schreckt uns. Im zweiten tröstet er uns und verkündigt Vergebung der Sünden.“ (Apol. XI,44-45.) „Denn ein erschrockenes Gewissen, das seine Sünde fühlt, merkt bald, dass Gottes Zorn mit unseren elenden Werken nicht zu versöhnen ist, sondern so kommt ein Gewissen recht zum Frieden, wenn es sich hält an den Mittler Christus und glaubt den göttlichen Zusagen.“ (Apol. XII,64.)

    Nun aber wäre die Buße falsch verstanden, wenn man sie nur auf die grundsätzliche Umkehr, die grundsätzliche Bekehrung, Wiedergeburt bezöge. Denn der alte Mensch ist trotz allem weiter da und wird in diesem Leben auch keinen Deut besser und verschwindet erst mit unserem leiblichen Tod. Darum ist auch die Anfechtung, Verführung zur Sünde weiter da, stehen wir in täglichen geistlichen Kämpfen, und fallen wir auch immer wieder in Sünde, manche leider so, dass die Sünde wieder die Herrschaft übernimmt und sie Gnade und Heiligen Geist verloren haben und dann tatsächlich einer erneuten grundsätzlichen Buße oder Bekehrung bedürfen (vgl. Schm.Art., III, III,43-44). So aber braucht auch der Christ tägliche Buße, tägliche Sündenerkenntnis, tägliche Traurigkeit über die Sünde, Umkehr, Vergebung Christi und neues Ja zur hingebenden, gehorsamen Nachfolge Christi. Und diese Buße währt, wie Luther schon in der ersten seiner These anzeigte, unser gesamtes Leben. „Und diese Buße währt bei den Christen bis in den Tod; denn sie beißt sich mit der übrigen Sünde im Fleisch durchs ganze Leben, wie S. Paulus Röm. 7,14-25 zeugt, dass er ‚kämpfe mit dem Gesetz seiner Glieder‘ usw., und das nicht durch eigene Kräfte, sondern durch die Gabe des Heiligen Geistes, welche folgt auf die Vergebung der Sünden. Diese Gabe reinigt und fegt täglich die übrigen Sünden aus und arbeitet, den Menschen recht rein und heilig zu machen.“ (Schm.Art., III, III,40.) Denn wer da behauptet, er habe keine Sünde mehr, der betrügt sich selbst und Gott. „Und ist doch auch die Wahrheit (wie S. Johannes schreibt): ‚So wir sagen, dass wir nicht Sünde haben, so lügen wir, und Gottes Wahrheit ist nicht in uns.‘“ (Schm.Art., III, III,45.) Auch nach der Taufe fallen wir oft in Sünde und manche, wie schon erwähnt, auch ganz aus der Gnade. Aber wer immer und wie oft wieder umkehrt, der erlangt auch wieder Vergebung der Sünden. „In dem zwölften Artikel [des Augsburger Bekenntnisses] lassen sich die Widersacher den ersten Teil gefallen, da wir sagen, dass alle diejenigen, die in Sünde fallen, Vergebung der Sünden erlangen, zu welcher Zeit und wie oft sie sich bekehren.“ (Apol. XII,1.) Weil auch der Christ noch den alten Menschen an sich hat und darum nichts Vollkommenes tun kann, stehen wir auch als Christen immer unter der Anklage des Gesetzes und brauchen täglich Christi Vergebung. „Das Gesetz wird uns allezeit anklagen, denn kein Mensch erfüllt das Gesetz, wie Paulus sagt (Röm. 4,15): ‚Das Gesetz richtet Zorn an. … Es ist Gottes Beschluss, Gottes Befehl von Anbeginn der Welt her, dass uns durch den Glauben an den gebenedeiten Samen, das ist, durch den Glauben um Christi willen ohne Verdienst sollen Sünden vergeben werden.“ (Apol. XII,88.)

    Wie im Augsburger Bekenntnis (siehe oben) dargelegt, folgen aus der rechten Buße auch entsprechende Früchte, nämlich das Leben in der Nachfolge Christi, in der Liebe zum Heiland und zum Nächsten und den daraus folgenden guten Werken.