Biblische

 

Jüngerschaft

 

 

 

 

 

Von

 

Roland Sckerl

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Ein Jünger Jesu zu werden. 5

Entfaltung der Jüngerschaft: Ganzhingabe. 8

Entfaltung der Jüngerschaft: Selbstverleugnung – Sterben, um zu leben: Leben unter dem Kreuz  10

Entfaltung der Jüngerschaft: Christus dienen. 13

Entfaltung der Jüngerschaft: Christus gehorchen. 15

Grundstruktur der Jüngerschaft: Gerechter und Sünder zugleich (Simul iustus et peccator) 17

Der tägliche geistliche Kampf 19

Die tägliche Reinigung und tägliche Erneuerung der Hingabe. 24

Leben aus der Gnade. 26

Stärkung durch das heilige Abendmahl – Leben in der Gemeinde Christi 27

Leben im Gebet 29

Leben im Wort und aus dem Wort 32

Jüngerschaft – Dein Reich komme. 34

Jüngerschaft – Leben in völliger Abhängigkeit vom Herrn. 37

Jüngerschaft – in der Bereitschaft zum Martyrium.. 39

In der Erwartung der Wiederkunft Jesu Christi 41

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Jünger Jesu zu werden

 

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er kann denn ein Jünger, ein Schüler, ein Nachfolger Jesu sein? Im Vollsinn des Wortes kann nur der wirklich ein Nachfolger Jesu Christi sein, der von ihm von neuem geboren wurde. In einem weiteren Sinne wird der Begriff des „Jüngers“, der ja einfach auch mit Schüler übersetzt werden kann, zuweilen so verwendet, dass er auch die einbezieht, die religiös interessiert sind, die angefangen haben, sich mit Jesus, seinem Wort, zu beschäftigen, vielleicht sogar „entschieden“ haben, ihm nachzufolgen. Solche sind aber darum zumeist noch nicht als Wiedergeborene anzusehen, es sei denn, sie wären durch die Erleuchtung des Gesetzes auch schon zu einer tiefgreifenden Sündenerkenntnis und durch die Erleuchtung des Evangeliums zu einer rechten, wenn auch nur anfangsweisen, Erkenntnis Jesu Christi als ihres Heilandes gekommen. Die Bibel bietet uns für diesen Gebrauch des Begriffes keinen Anhaltspunkt. Ob wir nun Andreas nehmen oder Philippus (Joh. 1) oder auch Simon Petrus (Luk. 5), sie hatten alle, als sie von Jesus Christus in die Nachfolge berufen wurden, zumindest den Anfang einer rechten Erkenntnis Jesu Christi. Und in der Apostelgeschichte, z. B. 11,26, wird der Begriff eindeutig für diejenigen gemeint, die ein Bekenntnis zu Jesus Christus abgelegt haben (wobei er, wie der Begriff der „Christen“ zwar allen zukommt, die der äußeren Versammlung um Wort und Sakrament angehören, der aber auch Heuchler und Scheinchristen beigemischt sind, tatsächlich aber nur übertragenerweise, also um der wahren Christen willen, die tatsächlich zur verborgenen Gemeinschaft des Glaubens an Jesus Christus gehören). Wenn wir zudem weiter betrachten, was Jünger Jesu ausmachen soll, wie ja in den weiteren Abschnitten geschieht, so wird deutlich, dass dies nur auf die zutreffen kann, die im lebendigen Glauben an Jesus Christus stehen.

Wer also kann überhaupt ein Jünger Jesu sein? Nochmals: Nur derjenige, der durch das Evangelium von Jesus Christus in Taufe und Wort zum lebendigen Glauben an ihn als seinem Heiland wiedergeboren wurde. Was heißt das? Das heißt für den zum Bewusstsein gekommenen Menschen, dass er durch das Gesetz zu einer eindeutigen Sündenerkenntnis gekommen ist, wie wir es Psalm 51 von David lesen oder von dem Zollbeamten Luk 18,9 ff. oder dem Schächer am Kreuz, Luk. 23,39 ff. Zunächst mag es sich dabei um das Erkennen der einen oder anderen Sünde handeln, aber dann wird diese Erkenntnis immer breiter und vor allem auch tiefer, bis dahin, dass die Person erkennt, dass die Wurzel der Sünde in ihr selbst, in ihrem Herzen liegt, und sie lebendig begreift, dass sie abgrundtief verdorben ist, unfähig, Gott irgendetwas zu bringen, geistlich tot, unmöglich, dass sie aus eigener Kraft an Jesus Christus glauben oder zu ihm kommen könnte, Gott lieben und ihm dienen. Da, wo dies lebendig geschieht, da kommt es zu einem tiefgehenden Zerbruch, zu einem geängsteten und zerschlagenen Herz und Gemüt, Ps. 34,19; 51,19, da wird die Person geistlich wirklich völlig arm, nur noch empfangend, Matth. 5,3. Dieser Zerbruch ist gepaart mit einer tiefen Reue über die angerichtete Sünde, die man gerne wieder rückgängig machen würde, ja, einem Hass gegen die Sünde. All das sind Wirkungen des Gesetzes Gottes am Menschen (Erleuchtung durch das Gesetz; Durchbruch der Sündenerkenntnis), ist ein Handeln des Heiligen Geistes durch das Gesetz, vorbereitend, so, wie der Bauer den Acker pflügt, um dann den Samen hineinzulegen. Es wäre falsch, diese Wirkungen des Gesetzes als „Vorbedingungen“ darzustellen, die der Mensch bringen müsste, um dann glauben zu können. Wer so lehrt, verkennt, dass der Mensch immer noch geistlich tot ist, noch nicht wiedergeboren, und alles nur Geschenk des Heiligen Geistes ist (siehe auch Joh. 16,8-11). Reue und Buße im engeren oder eigentlichen Sinne sind kein Werk, dass wir Menschen als Vorauszahlung zu bringen hätten, sondern Wirkungen des Heiligen Geistes durch das Gesetz, womit er uns zubereitet auf den Glauben an Jesus Christus, den Heiland.

Dann ist es wichtig, dass der Mensch auch lebendig Jesus Christus als seinen Heiland erkennt, dass er lebendig erfasst, dass Jesus Christus in die Welt gekommen ist, die Sünder zu retten (Luk. 19,10) und dass er als das Lamm Gottes die Sünden aller Menschen aller Zeiten am Kreuz getragen hat (Joh. 1,29) und so Gott mit der Welt versöhnt hat, so dass in Christus die Sünden nicht angerechnet werden, sondern vielmehr vergeben sind. Wenn nun ein über seine Sünde verzweifelter Mensch dies hört und vom Heiligen Geist durch das Evangelium erleuchtet wird, dann kommt er als ein Bettler, ein elender, armer Sünder zu Jesus Christus, um sich von ganzen Herzen an ihn als seinen Heiland zu klammern, ergreift es für sich, dass Jesus Christus nun auch sein Heiland ist, der auch für ihn alle Sünden getragen, der Gott auch mit ihm versöhnt hat, der auch für seine Sünden durch sein Blut, durch seinen Gehorsam, Leiden und Sterben genug bezahlt hat. Das ist der rettende Glaube. Es ist wichtig, dass auch derjenige, der als Säugling getauft und damit Christus übereignet wurde, dem dort der Tod des alten Menschen und die Vergebung der Sünden und das neue Leben geschenkt wurden, dass also derjenige auch, wenn er zum Bewusstsein kommt, seine Sündenverdorbenheit und Verlorenheit ohne Jesus Christus und Jesus Christus als seinen Heiland in einen bewussten persönlichen Glauben erkennt, so, wie auch im Alten Testament die als Säuglinge Beschnittenen zu einer Herzensbeschneidung kommen mussten (5. Mose 10,16; 30,6; Jer. 4,4), und so das, was ihm in der heiligen Taufe geschenkt wurde, im bewussten Glauben für sich persönlich ergreift.

Wenn der Heilige Geist durch Paulus 2, Kor. 5,17 schreibt: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen; siehe, es ist alles neu geworden. so zeigt dies genau auch das an, was Jesus Christus Mark. 8,35 beschreibt: Wer sein Leben will behalten, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinet- und des Evangeliums willen, der wird’s behalten. Es geht um den Tod des alten Menschen, darum, dass er grundsätzlich mit Christus gekreuzigt ist, was in der Taufe und Bekehrung geschieht, Röm. 6,3, um dann im täglichen Christenleben entfaltet zu werden im tägliches Sterben, Röm. 8,36; 2. Kor. 4,11; Eph. 4,22.

Was ist nun die Grundlage dieses neuen Lebens? Es ist nicht das Gesetz, nicht Forderungen Gottes, sondern einzig und allein das Evangelium, wie es 2. Kor. 5,17-21 dargelegt ist und Röm. 8,28 ff. Das rechte christliche Leben kennt keinen anderen Grund als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten, 1. Kor. 2,2, der uns gemacht ist von Gott zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, 1. Kor. 1,30. Das neue Leben ist geprägt von der Liebe Gottes, die sich in Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, geoffenbart hat, Joh. 3,16; 1. Joh. 4,9.10; Röm. 5,8, persönlich geschenkt und zugeeignet in der Taufe. Darum ist der Christ seines Freispruchs im Jüngsten Gericht gewiss, seiner Vergebung der Sünden, der Auferstehung zur ewigen Herrlichkeit, des ewigen Lebens mit Christus. Er weiß, dass Gott in Christus für ihn, den Sünder, ist, Röm. 8,31, und dass ihn nichts, was immer in diesem Leben passieren mag, von dieser Liebe Gottes in Jesus Christus scheiden kann, Röm. 8,35-39, es sei denn, er scheidet sich selbst von Christus, indem er der Sünde wieder die Herrschaft gibt.

Darum weiß der Christ auch, dass Gott sein Leben völlig in seiner Hand hat und dass nichts, was auch immer geschehen mag, durch „Zufall“ geschieht, ohne Gottes Wissen, Zulassen. Ja, noch mehr: Er weiß, dass ihm alle Dinge zum Besten dienen müssen, Röm. 8,28. Und das gilt gerade auch in den Lagen, in denen Schweres, Schmerzvolles, Leidvolles, Bedrückendes sein Leben ausmacht und dieser Satz nur sehr schwer anzunehmen ist.

Wenn aber der Jünger aus dem Evangelium Christi lebt – welche Stellung, welche Aufgabe hat dann in seinem Leben das Gesetz? Diese Frage ist sehr wichtig, da es leider nicht wenige Kreise gibt, die dem Gesetz immer noch eine überragende Rolle zuerkennen und die christliche Freiheit sehr einschränken. Paulus gibt die Grundlinie in Röm. 7,4 vor: Also auch, meine Brüder, ihr seid getötet dem Gesetz durch den Leib Christi, dass ihr bei einem andern seid, nämlich bei dem, der von den Toten auferweckt ist, auf dass wir Gott Frucht bringen. Zuvor, bevor ein Mensch wiedergeboren ist durch das Evangelium in Taufe und Wort, lebte der Mensch unter dem Gesetz, war wie „verheiratet“ mit dem Gesetz, unter seiner Herrschaft, seinem Fluch – verurteilt zum Tode. Christus aber hat sich für einen jeden Menschen auf Golgatha in den Tod dahin gegeben, hat somit für jeden Menschen die Schuld bezahlt, den Forderungen und dem Fluch des Gesetzes genug getan, da er ward ein Fluch für uns, Gal. 3,13. Durch Christi Tod ist die Macht, die das Gesetz über uns hat, gebrochen worden. Und wenn ein Mensch wiedergeboren wird, sich also im lebendigen Glauben an Jesus Christus als seinen Heiland klammert, da ist er, dieser Mensch, dem Gesetz getötet, weil er mit Christus gestorben ist, getötet auch dem Gesetz. Der Fluch, die Herrschaft und Gewalt des Gesetzes ist über ihn, nach dem neuen Menschen, zu Ende. Dieses neue Leben ist allerdings kein Leben in Selbstherrlichkeit, sondern durch den Glauben sind wir nun Christus vermählt, sind sein Eigentum, unter seiner Leitung und leben dafür, Gott Frucht zu bringen. Unsere Freiheit ist eine Freiheit dafür, Gott in Christus zu dienen, denn Christus lebt jetzt in uns, Gal. 2,20.

Hat das Gesetz uns nun gar nichts mehr zu sagen? Nach dem neuen Menschen nicht, denn der neue Mensch wird durch den Heiligen Geist geleitet, der in ihm wohnt und ihn durch Gottes Wort führt, auch das Gesetz Gottes in sein Herz geschrieben hat, Jer. 31,33; Hes. 36,26.27. Aber: Dieser neue Mensch wird in diesem Leben nie vollkommen sein. Der alte Mensch ist vielmehr immer noch lebendig, wie Paulus sehr anschaulich Röm. 7,13-25 darlegt und Johannes im ersten Kapitel seines ersten Briefes deutlich macht. Darum fällt auch der Christ immer wieder in Sünde, bedarf darum auch immer wieder, dass er auf Schuld und Sünde in seinem Leben aufmerksam gemacht wird – eben durch das Gesetz, Röm. 7,7 (zweiter Gebrauch des Gesetzes), wie er es um seines alten Menschen willen, der gerne auf eigene Werke verfällt, nötig hat, dass er durch das Gesetz unterwiesen wird, was der Wille Gottes für ihn ist (dritter Gebrauch des Gesetzes). Und doch – wenn er dann diese Werke vollbringt, dann eben nicht aus dem Zwang und der Forderung des Gesetzes heraus, denn dann würden sie nur lauter Sünde vor Gott sein, sondern wir dienen im neuen Wesen des Geistes und nicht im alten Wesen des Buchstabens, Röm. 7,6, aus Liebe zu Christus, aus Dankbarkeit zu Gott, zur Ehre Gottes, zu seinem Wohlgefallen.

 

 

Entfaltung der Jüngerschaft: Ganzhingabe

 

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er natürliche, von Christus nicht wiedergeborne, Mensch lebt sich selbst, nach seinen Wünschen, Ideen, Vorstellungen, Zielen, ist beherrscht von eigenen Ideen, Maßstäben, Vorhaben, unter Umständen bereit, diese seine Vorstellungen und Ziele rücksichtslos zu verfolgen. Er will, wie der Teufel es Eva im Paradies vorgegaukelt hat, sein eigener Herr sein (und bemerkt gar nicht, wie er vom Teufel und der Sünde beherrscht wird). Wenn der alte Mensch auch in Taufe und Bekehrung grundsätzlich in den Tod gegeben wurde, Röm. 6,3.4, so ist er doch immer noch wieder lebendig und versucht, die Herrschaft in unserem Leben zurück zu erlangen. Darum ist dieses Leben durch geistlichen Kampf gekennzeichnet, wie wir später noch sehen werden, Gal. 5,16.17. Vor allem aber ist es darum wichtig, dass wir nicht nur einmal grundsätzlich, sondern dann auch immer wieder neu, als Erlöste, Wiedergeborene, unser Leben unserem Heiland Jesus Christus weihen, dass er wirklich Herr in unserem Leben ist, uns in allem regiert und führt, wir völlig und ganz allein sein eigen sind, er in uns und durch uns leben kann. Dies ist das tägliche Leben aus der Taufe, Röm. 6,3 ff.

In Röm. 12,1 ruft er uns deshalb dazu auf: Ich ermahne euch, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euere Leiber begebet zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei, welches sei euer vernünftiger Gottesdienst. Worum geht es? Dieser Vers leitet die Kapitel ein, in denen es sehr konkret um die christliche Lebensweise in vielen Bereichen geht. Er macht damit deutlich, wie es überhaupt möglich ist, als Christ zu leben – nämlich nur dann, wenn wir nicht mehr uns selbst gehören, nicht mehr uns selbst leben, sondern allein dem, der für uns gestorben und auferstanden ist, Jesus Christus. Er ruft uns dazu auf, unsere Leiber Gott zu einem Opfer zu bringen. Es mag auf den ersten Blick verwundern, warum hier von den Leibern die Rede ist. Wir finden diesen Ausdruck im Römerbrief häufiger: Denn der Leib ist der Wohnraum der Seele und deren Werkzeug. Wenn die Seele, als der Wesenskern des Menschen, sich wirklich Gott hingibt, dann eben dadurch, dass sie all ihre Werkzeuge, alles, wodurch sie lebt, eben den Leib, Gott hingibt. Das Opfer, von dem hier die Rede ist, ist der Ausdruck, der in der Septuaginta, dem griechischen Alten Testament, für das Ganzopfer oder Brandopfer verwendet wird. Das ist ganz wichtig. Denn damit wird deutlich, worum es für uns geht: Gott will nicht nur ein bißchen von unserem Leben, er will auch nicht nur 90 % von unserem Leben, auch nicht 99 %, nein, er will uns 100-prozentig. Unser altes Ich muss ganz auf dem Altar verbrannt werden, unser Leib, unser Herz, unser Leben muss ihm völlig und ganz gehören, bis hinein in den letzten Winkel. Dieses Opfer soll lebendig, heilig, Gott wohlgefällig sein. Nur das Opfer ist Gott wohlgefällig, das von Herzen, freiwillig kommt, ungezwungen, eben aus dem vom Evangelium Christi, von der Liebe Christi erfüllten Herzen. Darum heißt es im zweiten Korintherbrief: Die Liebe Christi dringet uns also, da wir halten, dass, wenn einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben. Und er ist darum für alle gestorben, damit die, so da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. (2. Kor. 5,14.15) Die Triebfeder, die Motivation der Hingabe, der Lebensweihe, ist also in keiner Weise das Gesetz (das uns allerdings anklagt, wenn wir sie nicht vollziehen, und uns sagt, dass wir sie tun sollen), sondern einzig das Evangelium, die Liebe Christi, die Barmherzigkeit Gottes, die sich am hellsten, klarsten am Kreuz auf Golgatha gezeigt hat, in dem blutigen Opfertod unseres Heilandes Jesus Christus für uns und alle Menschen. Und weil wir da alle mit ihm gestorben sind, grundsätzlich, uns zugeeignet in der Taufe und Bekehrung, darum sollen wir nun, als neue Menschen, nicht mehr uns selbst leben, sondern Christus. Und zwar wirklich: leben. Es soll ein lebendiges Opfer sein. Unser ganzes Leben soll dahinter stehen, unser ganzes Leben soll jetzt, freudig, freiwillig, für Christus geführt sein, in allem, was wir tun, völlig, ganz, gern. All die Lebensenergie, die wir haben, unseren Willen, unser Wollen, unseren Eifer, alles unterwerfen wir völlig unserem Herrn, Jesus Christus, dass er alles für sich in Besitz nehme, alles, was irgend zu uns gehört, gebrauche, einsetze. Und dieses Opfer soll ein heiliges Opfer sein, rein, ohne Hintergedanken, ohne Verdienstdenken, ohne Ruhmsucht, wirklich ganz auf Christus ausgerichtet. Das kann weh tun, wenn wir etwas hingeben müssen, was uns vielleicht sehr lieb ist – aber es ist ein Opfer, und das kostet etwas. Das ist unser vernünftiger Gottesdienst. So, nur so, können wir Gott wirklich dienen. Das ist der absolut notwendige Anfang. Ohne diese Ganzhingabe ist alles andere nur Stückwerk, während wir Gott vieles andere vorenthalten. Wenn du also fragst: Wie kann ich Gott dienen? So weihe dich ihm, dein Leben, deine Kräfte, deinen Willen, kurz: dich selbst, ganz, ohne Einschränkungen, und bitte ihn, dich zu gebrauchen. So fängst du an, das zu leben, was in der Zusammenfassung der ersten Tafel der zehn Gebote gefordert wird: Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele,von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften. (Mark. 12,30) Da ist nichts mehr, was Gott nicht gehören soll. Das gilt besonders auch für den Willen. Jesus Christus konnte in Gethesemane bete: Nicht was ich will, sondern was du willst. Wie steht das bei uns? Es muss nicht nur allgemein, grundsätzlich so sein, dass wir den Willen Gottes tun wollen – es muss sich das vielmehr vollziehen in jeder konkreten Sache, auch da, wo uns unsere Vorstellungen, unser Wille so schön, so anmutig, so unschuldig vorkommt. Aber er muss sterben, wie wir auch im Vaterunser beten, damit Gottes Wille sich durchsetzt. Nur so kann verwirklicht, entfaltet werden, was Paulus auch von sich schrieb: Christus ist mein Leben. Dann gehört mein Leben ihm – und er kann in mir leben, mich gebrauchen. Ich lebe für ihn, meinem Heiland, nicht mehr für mich.

    Weil der alte Mensch noch lebendig ist, darum ist dieser Weg der Hingabe immer wieder umkämpft. Dieser Akt der Hingabe, der Lebensweihe, ist nicht etwas einmaliges, sondern vielmehr etwas, was immer wieder in unserem Leben nötig ist. Römer 12,1 ist an Christen geschrieben, ebenso Eph. 4,22-24: So leget nun von euch ab nach dem vorigen Wandel den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verderbet. Erneuert euch aber im Geist eures Gemüts und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. Hier wird deutlich: Dies ist etwas, was immer wiederholt werden muss. Die Abwendung vom alten Menschen, vom alten Leben, von der Sünde muss immer wieder geschehen, ebenso die völlige Hingabe an Christus. Das gehört zur täglichen Heiligung, zur täglichen Buße, Umkehr, ist täglicher Vollzug dessen, was uns in der Taufe geschenkt wurde.

 

 

Entfaltung der Jüngerschaft: Selbstverleugnung – Sterben, um zu leben: Leben unter dem Kreuz

 

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ieser Anspruch des lebendigen dreieinigen Gottes an unser Leben ist absolut, vollständig. Mit niemand anderem ist er bereit, ihn zu teilen. Darum beschreibt unser Heiland und Herr Jesus Christus die Grundlagen für die Jüngerschaft so: So jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigenes Leben, der kann nicht mein Jünger sein. (Luk. 14,26) All das in diesem Leben, was uns wichtig, teuer ist, all das muss zurückstehen hinter dem Anspruch Jesu Christi. Selbst die engsten und liebsten Verwandten dürfen keinen Platz neben oder vor Christus einnehmen. Ja: auch unser eigenes Leben nicht. Hier wird es ganz deutlich und ernst: Der Christ, der wirklich Christ, Jünger Jesu, sein will, gehört nicht mehr sich selbst. Christsein hat es zu tun mit der bis zum Äußersten gehenden Selbstverleugnung, mit einem Leben, in dem es nicht mehr um die eigenen Wünsche geht, die eigenen Ziele, das eigene Wollen, Planen, Hoffen, die eigenen Interessen, sondern um Jesus Christus, seinen Willen, sein Planen, seine Ziele, seine Führung. Da wird die Hingabe ganz konkret. Da geht es um Wege, die physisch auch den Tod bedeuten können, wie wir an der großen Schar der Märtyrer der Gemeinde Jesu Christi, angefangen mit Stephanus, erkennen. Da aber, wo wir immer mehr dies leben, wird auch unser Alltag einfacher werden, weil wir uns im Ablauf unseres Alltages, im Zusammenleben mit anderen Menschen, in der Ehe, Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, nicht versteifen werden auf unsere Vorstellungen, Planungen, Ziele (ausgenommen natürlich, es geht um die biblische Lehre). Dies hängt eng zusammen mit unserer Glaubenshaltung, nämlich der Frage: Glaube ich wirklich, dass Gott alles in der Hand hat? Glaube ich wirklich, dass er darum auch mein Leben gänzlich in seiner Hand hat? Glaube ich wirklich, dass er mich liebt? Glaube ich wirklich, dass er alle Dinge zu meinem Besten ordnet? (Röm. 8,28: Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.) Dann, dann kann ich auch, was nicht ohne Schmerz, Kampf, Sterben abgeht, dann kann ich auch die schweren Lagen, Lebenssituationen aus seiner Hand nehmen, ein Ja dazu finden, gerade auch diese Situationen und meine Wünsche Gott hinlegen. Das bewahrt vor Selbstmitleid, bewahrt vor Rebellion, vor eigenen Wegen. Und: Es hilft dazu, es zu lernen, Gott mehr und mehr in allen Dingen dankbar zu werden. Dadurch werde ich frei, jeden Augenblick, jeden Tag aus Gottes Hand zu nehmen und zugleich, mich ihm ganz zur Verfügung zu stellen, jeden Tag neu, auch in den Situationen ganz neu, bewusst, dass er mich, in welcher Lage ich immer bin, gebrauchen kann. Nur so ist Demut möglich, diese Haltung, die nicht von sich selbst so groß hält, die nicht meint, sich immer in den Vordergrund schieben zu müssen, sondern die zurückstehen kann, dienen will – und darum auch fähig ist, den anderen höher zu achten als sich selbst, nicht auf das zu sehen, was einem selbst gehört oder werden könnte, sondern darauf, dass der andere das Seine behält oder mehrt (Phil. 2,3.4). Das ist aber nicht ein eigenes Werk, sondern ist das Werk des Heiligen Geistes, der im Christen wohnt und ihn durch Wort und Sakrament leitet, alles Gott als seinem liebenden Vater hinzulegen (Röm. 8,12-17).

Dieser Weg ist nicht einfach, denn er schneidet tief hinein in unser altes Fleisch, in die Denkweise, Lebensweise, die Haltung des alten Menschen. Da wird unsere Vorstellung von Persönlichkeit angegriffen, die in der Welt definiert wird über Leistung, Erfolg, Durchsetzen, Beherrschen, Besitz, Anerkennung bei den Menschen, Selbstverwirklichung. All das wird aber hier von Christus einfach durchgestrichen. Unsere Persönlichkeit definiert sich völlig anders. Sie definiert sich daher, dass ich Gottes Geschöpf bin, von Gott gewollt und geliebt, so sehr geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn Jesus Christus auch für  mich in den Tod gegeben hat, und dass er mir nachgeht, dass er mich ruft, leitet und prägt durch sein Wort, dass ich sein eigen bin, dass ich sein Kind sein darf und er mein Vater ist.

Darum, weil ich als Christ in meinem Heiland ruhe als sein Kind, darum kann ich auch ein Ja haben zu diesen tief in das alte Fleisch, den alten Menschen einschneidenden Maßstäben Christi. Denn die Selbstverleugnung geht noch weiter: Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein. (Luk. 14,27) Das Kreuz ist eines der grausamsten Hinrichtungswerkzeuge der damaligen Zeit gewesen. Und Christus fordert hier, dass wir es auf uns nehmen. Christus ruft uns hier nicht alle zu einem schnellen physischen Tod – obwohl auch der unter Umständen kommen kann (Martyrium), sondern das Kreuz steht für das tägliche Sterben des alten Menschen, steht für all das, was schwer ist in unserem Leben, vom Leiden unter der immer noch vorhandenen Sünde über Krankheiten, Schmerzen, persönlichen, familiären, gemeindlichen Nöten, über Anfechtungen, Versuchungen bis hin zu all dem, wo Kreuz Verzicht meint, unsere Fremdlingschaft in dieser Welt beschreibt. Jesus Christus hat es einige Verse weiter so ausgedrückt: Also auch ein jeglicher unter euch, der nicht absagt allem, was er hat, kann nicht mein Jünger sein. (Luk. 14,33) Selbstverleugnung als Ausdruck gelebter Jüngerschaft kann also zum völligen Verzicht auf alles führen, was wir haben. Denken wir etwa an die, die im 19. Jahrhundert als Missionare unter die Deutschen in Nordamerika gegangen sind. In den deutschen Staaten, aus denen sie kamen, hätten sie ein ruhiges, bequemes Leben haben können, materiell abgesichert, mit einer gesellschaftlich geachteten Stellung. Was aber erwartete sie in Amerika? Bitterste Armut, vor allem in der ersten Zeit, kaum einen festen Wohnsitz, wenn, dann vielleicht eine einstubige Blockhütte von 15 qm ohne Fenster mit einer grob zusammengezimmerten Holzpritsche, einem Holzblock als Tisch, einem anderen als Stuhl. Und tage- und wochenlanges Wandern, Reiten auf größtenteils noch ungebahnten Pfaden zu den verstreut lebenden Menschen, die nicht selten untätig bis abweisend wurden, wenn es nur darum ging, dass sie helfen, die anderen mit einzuladen. Oder denken wir an die Pioniermissionare, die in den Dschungel gehen, zu den Indios. All das, was unsere Vorstellungen von einem „normalen Leben“ ausmacht, müssen sie aufgeben, um dort mit den Indios leben und ihnen das Evangelium von Christus bringen zu können. Aber auch für jeden Christen, der nicht als Sendbote in die Mission gesandt wird, gilt dieses Wort unseres Herrn: absagen allem, was ich habe. Unser Herz hängt an so vielem, was wir im Laufe des Lebens angesammelt haben. Christus will aber, dass wir die Dinge haben, als hätten wir sie nicht (1. Kor. 7,29-31). Umso leichter wird es uns werden, sie ganz aufzugeben, wenn es die Lage erfordert, etwa in Verfolgungszeiten. Das heißt vor allem auch: All unsere Sicherheiten aufgeben, die wir haben. Sie sind uns nicht verboten, aber wir müssen bereit sein, wenn es die Situation erfordert, sie auch völlig aufzugeben und ganz auf den Herrn zu vertrauen, dass er uns durchbringt. Damit, dass wir alles aufgeben, überlassen wir uns völlig unserem Heiland und Herrn, der uns leitet und versorgt.

Was das für uns heißt, das macht Jesus Christus sehr deutlich, wenn er das Wort von der Kreuzesnachfolge verknüpft mit dem vom Verlieren des Lebens: Denn wer sein Leben will behalten, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verlieret um meinet- und des Evangeliums willen, der wird’s behalten. Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? (Mark. 8,35.36) Es ist also unmöglich, das unterstreicht unser Heiland und Herr hier, es ist unmöglich, dass wir zugleich Christ sein wollen und unser altes Leben mit seinen Vorstellungen, Lüsten, Begierden, Sehnsüchten, Wünschen, Zielen, Maßstäben weiter behalten, so, als müsse da nur ein bißchen neue Farbe drüber. Nein, es geht wirklich um das Sterben des alten Menschen, darum, dass wir täglich neu den alten Menschen mit all seinen Lüsten, Begierden, all dem, was ihn ausmacht, in den Tod geben, durchstreichen, nein dazu sagen, dagegen kämpfen, damit der alte Mensch nicht immer neu Raum bekommt. Nur dann, wenn wirklich der alte Mensch immer neu und immer mehr stirbt, nur dann kann ja auch der neue Mensch durch Christi Gnade hervorkommen, kann Christus in uns leben. Christenleben, Jüngerschaft ist immer ein Leben unter dem Kreuz, nicht ein Leben in Herrlichkeit, das kommt erst im Himmel.

Dies Sterben geht aber über die sündigen Begierden hinaus. Das Opfer der Ganzhingabe und Selbstverleugnung bezieht sich auf alles, was unser Leben betrifft, auch auf solche scheinbar frommen Dinge, die unsere Pläne, Vorstellungen, Ziele, Wünsche ausmachen, seien es berufliche, persönliche, familiäre oder andere Sachen. Auch hier gilt es immer wieder, sie Gott zu übergeben, ihm hinzugeben, damit er damit mache, was er will. Dies ist ein äußerst wichtiger geistlicher Grundsatz, den unser Heiland Jesus Christus uns vorgelebt hat: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde falle und ersterbe, so bleibt’s alleine; wenn es aber erstirbt, so bringt’s viel Früchte. Wer sein Leben lieb hat, der wird’s verlieren, und wer sein Leben auf dieser Welt hasset, der wird’s erhalten zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen will, den wird mein Vater ehren. (Joh. 12,24-26) Sterben um zu leben – das ist der fruchtbare Weg christlicher Jüngerschaft.

 

 

Entfaltung der Jüngerschaft: Christus dienen

 

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ie dieses neue Leben geprägt ist, beschreibt der Heilige Geist durch Paulus im 6. Kapitel des Römerbriefes, Verse 3-13: Wisset ihr nicht, dass alle, die wir in Jesus Christus getauft sind, die  sind in seinen Tod getauft? So sind wir je mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit  des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln. So wir aber samt ihm gepflanzet werden zu gleichem Tode, so werden wir auch der Auferstehung gleich sein, dieweil wir wissen, dass unser alter Mensch samt ihm gekreuziget ist, auf dass der sündliche Leib aufhöre, dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist gerechtfertiget von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden und wissen, dass Christus, von den Toten erwecket, hinfort nicht stirbt; der Tod wird hinfort über ihn nicht herrschen. Denn das er gestorben ist; das ist er der Sünde gestorben zu einem Mal; das er aber lebet, das lebet er Gott. Also auch ihr, haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebet Gott in Christus Jesus, unserm Herrn. So lasset nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, ihm Gehorsam zu leisten in seinen Lüsten. Auch begebet nicht der Sünde eure Glieder zu Waffen der Ungerechtigkeit, sondern begebet euch selbst Gott, als die da aus den Toten lebendig  sind, und eure Glieder Gott zu Waffen der Gerechtigkeit. Der Ausgangspunkt ist ganz deutlich: getauft in Jesus Christus. Die heilige Taufe geschieht ja im Namen und auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und stellt in die Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott, überantwortet den Täufling auch in den Herrschaftsbereich des Heilandes. Was aber geschieht in der Taufe? Wir werden mit Christus, und zwar gerade mit seinem Tod, verbunden, in seinen Tod getauft. Der alte Mensch wird also in der Taufe mit Christus gekreuzigt, mit ihm begraben – mit dem Ziel, dass die Sünde nicht mehr herrschend in unserem Leben sei, sondern wir nun in einem neuen Leben wandeln, in einem Leben, in dem wir nicht mehr der Sünde dienen, sondern vielmehr mit Geist, Seele und Leib Christus und dem Vater im Himmel gehören. Dieses neue Leben ist ein Leben mit Christus – ein Leben für Gott. Es geht darum, unser ganzes Leben, mit allem, was dazu gehört, dem lebendigen, dreieinigen Gott zu weihen, damit alles, was wir denken, reden, tun wirklich für ihn geschehen möge. Gott selbst sollen wir uns übergeben, und darum auch unsere Leiber, unsere Glieder, damit wir sie nicht mehr zur Sünde verwenden, sondern vielmehr sie Gott als Werkzeuge für seinen Willen, seine Werke zur Verfügung stellen, ihm allein von ganzem Herzen angehören. Denn mit unserem neuen Leben gehören wir nicht uns selbst, sondern Christus, der uns frei gemacht hat für sich: Denn unser keiner lebt sich selber und unser keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir demHerrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, wir leben oder wir sterben, so sind wir des Herrn. Denn dazu ist Christus auch gestorben und auferstanden und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebendige Herr sei. (Röm. 14,7-9) Als Christen haben wir seinen Geist, der in uns wohnt, uns damit leitet, treibt, unser Leben regiert durch Wort und Sakrament, Röm. 8,9-11; Gal. 5,25. Das heißt Leben aus der Fülle, die Christus uns durch das Gnadenmittel der Taufe geschenkt hat.

Jesus Christus hat uns frei gemacht, nämlich frei gemacht von dem Zwang des Gesetzes, der den Alten Bund kennzeichnete, frei gemacht von der Knechtschaft damit unter dem Gesetz. Er hat uns frei gemacht von der Furcht vor dem Tod und der Verdammnis und hat uns errettet aus der Sündenherrschaft und der Sklaverei unter Satan und Sünde. In Christus sind wir damit wirklich frei – in Christus! Diese Freiheit aber entfaltet sich, wie Röm. 6 sehr deutlich zeigt, darinnen, dass wir nun Christus gehören, dass wir so zu der Bestimmung zurück finden, wozu Gott uns einst geschaffen hat. Und so wird unsere Freiheit da recht entfaltet, wo wir Christus dienen – und das heißt dann: wo wir dem Nächsten dienen, den er in unser Leben hinein stellt, in unseren Alltag, an den Orten, an denen sich unser Leben vollzieht. Das ist das Leben in der Nächstenliebe, wie es Luther in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ als einer grundlegenden Schrift christlichen Lebens oder christlicher Ethik entfaltet hat: nämlich dass der Christenmensch in Christus, unter dem Evangelium, ein freier Mensch ist und niemand untertan; dass er aber zugleich, aus dem Evangelium, in der Nächstenliebe, ein Knecht ist und dabei jedermann untertan.

Was dieses Leben ausmacht, das zeigt Paulus an in den Worten: Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dargegeben. (Gal. 2,20) Durch den Glauben werde ich auf das innigste mit Christus verbunden, ja, eins mit ihm wie in der Ehe (s. Eph. 5,32), dass ich ganz Anteil an allem bekomme, was er mit erworben hat, während er alles auf sich nimmt, was ich gesündigt habe. Aber diese Verbindung geht noch weiter. Das neue Leben ist kein autonomes Leben, kein Leben der „Selbstbestimmung“, „Selbstverwirklichung“, „Selbstliebe“, sondern vielmehr ein Leben, in dem Christus immer mehr Gestalt gewinnt, in dem Christus sein Werk, seinen Willen ausüben kann, eben durch mich als sein Werkzeug, das er mit Geist, Seele und Leib völlig in seinen Dienst nimmt – und dabei doch auch die persönliche Eigenheit achtet und ausformt. Denn das ist doch Gottes Ziel, dass wir gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes, auf dass derselbe der Erstgeborne sei unter vielen Brüdern, Röm. 8,29, Christus soll in uns Gestalt gewinnen, Gal. 4,19. Dies ist nicht ein einmaliges Geschehen, sondern nach der Bekehrung ein langer Prozess, der in diesem Leben nie abgeschlossen sein wird und durch tägliches Sterben unsere alte Art immer mehr abschwächen, Christi Art und Wesen immer tiefer uns einprägen will. Das ist, weil es ein Sterben ist, mit viel Schmerzen, Leid, Kampf verbunden, aber notwendig, wenn wir wirklich immer mehr für Christus leben wollen, ja, Christus in uns lebt.

 

 

Entfaltung der Jüngerschaft: Christus gehorchen

 

G

ehorsam ist ein Wort, das in unserer Zeit nicht gerne verwendet wird, weil es eine Haltung beschreibt, die dem „Trend der Zeit“ nicht entspricht, der ja vielmehr auf Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung aus ist. Aber Christsein ist ohne Gehorsam unmöglich. Jüngerschaft, Nachfolge Jesu Christi beschreibt ja gerade ein Leben, das Gott gehört. Denn als Jünger Jesu folgen wir dem nach, der von sich selbst sagt: Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk. (Joh. 4,34) Gehorsam gehört also zu den Grundprinzipien des Lebens unseres Heilandes. Nach seiner menschlichen Natur hat er sich auf Erden ganz seinem Vater unterworfen und wollte nichts anderes tun als eben das, was der Vater will. Wie kann es da eine andere Haltung, eine andere Lebenseinstellung bei seinen Nachfolgern geben?

Darum gibt der Heilige Geist uns als Wegweisung durch Paulus in Röm. 6,15-23: Wie nun? sollen wir sündigen, dieweil wir nicht unter dem Gesetz, sondern  unter der Gnade sind? Das sei ferne! Wisset ihr nicht, welchem ihr euch begebet zu Knechten in Gehorsam, des Knechte seid ihr, dem ihr gehorsam seid, es sei der Sünde zum Tode oder dem Gehorsam zur Gerechtigkeit? Gott sei aber gedanket, dass ihr Knechte der Sünde gewesen seid, aber nun  gehorsam geworden von Herzen dem Vorbilde der Lehre, welchem ihr ergeben seid. Denn nun ihr frei geworden seid von der Sünde, seid ihr Knechte geworden der Gerechtigkeit. Ich muss menschlich davon reden um der Schwachheit willen eures Fleisches. Gleichwie ihr eure Glieder begeben habt zu Dienste der Unreinigkeit und von einer Ungerechtigkeit zu der andern, also begebet nun auch eure Glieder zu Dienste der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden. Denn da ihr der Sünde Knechte waret, da waret ihr frei von der Gerechtigkeit. Was hattet ihr nun zu der Zeit für Frucht? Welcher ihr euch jetzt schämet; denn das Ende derselbigen ist der Tod. Nun ihr aber seid von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden, habt ihr eure Frucht, dass ihr heilig werdet, das Ende aber das ewige Leben. Denn der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn. Als Christ sind wir wiedergeboren dazu, Knechte, Sklaven Christi zu sein, der Gerechtigkeit Gottes zu gehorchen. Wer Christus nicht angehört, der ist ein Sklave Satans, der Sünde, auf dem Weg zur ewigen Verdammnis. Es ist ein großer Irrtum zu glauben, es gäbe noch einen dritten Weg, sozusagen neutral, „frei“ zu sein. Nein, es gibt nur Glied des Reiches Christi oder des Reiches des Teufels zu sein.

Das neue Leben ist ein Leben, in dem wir von Herzen der göttlichen Lehre gehorsam sind, in dem der Gehorsam gegenüber dem dreieinigen Gott uns innerstes Anliegen ist, unser Leben prägt, ausmacht, größter Wunsch ist, denn Gott hat uns seinen Geist gegeben und anstatt eines steinernen ein fleischernes Herz, hat sein Gesetz in unser Herz gegeben und in unseren Sinn geschrieben (Hes. 36,26.27; Jer. 31,31-33). Das hängt eng zusammen mit der grundsätzlichen und täglich erneuerten Hingabe, die eine Hingabe des ganzen Lebens, mit allen seinen Bereichen, ist, eine Hingabe darum auch des Leibes mit seinen Gliedern, seinen Fähigkeiten. Das heißt doch nichts anderes als dies: Ich will mit allem, was ich habe und bin, nur Christus dienen, in keiner Weise der Sünde, will Gottes, nicht der Sünde Knecht sein, und das nicht nur grundsätzlich, sondern in den vielen Einzelheiten des Lebens, des Alltages.

Wie zeigt sich dieser Gehorsam? Er zeigt sich besonders im Umgang mit dem heiligen Gotteswort. Dieses Wort lese ich täglich, betend, suchend, gerade auch um Anleitung bittend darum, was Christus für mich will, welche Wegweisung er mir gibt. Ich möchte Weisung von ihm erhalten für mein Leben – und das, was Gottes Wort mir sagt, mir als Gottes Ordnung, Gottes Willen, Gottes Führung deutlich macht, das tue ich auch; darüber kann und darf es dann auch keine Diskussion geben. Unbedingter Gehorsam – das ist ein grundlegender Charakterzug des Jüngers Jesu.

Dieser Gehorsam will dabei gerade im Alltag gelebt werden. Es ist ein großer Fehler, der in Schwärmerei und Unnüchternheit führt, wenn der Eindruck erweckt wird, Jüngerschaft, Christsein zeige sich in außergewöhnlichen Taten, außerordentlichen Ereignissen. Natürlich führt Gott einzelne Menschen auch außergewöhnliche Wege, wie wir das bei Abraham sehen, bei Mose, bei Jeremia, Hosea, dann auch bei den Aposteln, einschließlich des Paulus. Aber die Ordnungen, die Gott etwa für den Alten Bund gegeben hat, waren Ordnungen für das alltägliche Leben. Und die Bergpredigt ist kein Grundgesetz für eine besondere Gruppe von Christen (wie Rom es mit seinen „evangelischen Räten“ behauptet), sondern ist eine Auslegung der heiligen Zehn Gebote für unser Leben. Ein jeglicher, wie ihn der Herr berufen hat, also wandle er. Und also schaffe ich’s in allen Gemeinden. Ist jemand beschnitten berufen, der zeuge keine Vorhaut. Ist jemand berufen in der Vorhaut, der lasse sich nicht beschneiden. ... Ein jeglicher bleibe in dem Beruf, darinnen er berufen ist. (1. Kor. 7,17.18.20) Christsein, Jüngerschaft vollzieht sich im Alltag, in unserem alltäglichen Leben als Schüler oder Schülerin, als Kinder oder Eltern, in der Ehe, Familie, in der Nachbarschaft, im Beruf, als Staatsbürger. In den zehn Geboten sind uns die Normen für unser Christenleben vorgegeben – und daran haben wir ein ganzes Leben lang zu arbeiten und werden doch nicht fertig, wie Luther in seiner Auslegung im Großen Katechismus sehr treffend sagt. Gott dienen wir nicht erst in besonderen Aufgaben als Prediger, Evangelist, Missionar oder bei missionarischen Einsätzen, sondern Gott dienen wir in unserem Alltag, wenn wir das, was wir tun, in dem Namen des Herrn Jesu tun und danken Gott und dem Vater durch ihn (Kol. 3,17). Denn das ist unser Auftrag: Alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen. (Kol. 3,23) Daraus ist das deutsche Wort „Beruf“ entstanden, nämlich dass jeder Dienst, an dem wir stehen, es sei die Hausfrau am Herd oder dem Bügelbrett, die Mutter beim Waschen oder Säugen des Kindes, der Arbeiter an der Werkbank oder der Maschine, der Ingenieur an seinen Plänen, der Fahrer in seinem Fahrzeug und was es alles für Arbeiten gibt, dass jeder Dienst recht eigentlich ein Gottesdienst sein soll – eben dass wir Gott darinnen dienen. Und wenn wir das tun, so dienen wir darinnen dann auch dem Nächsten.

 

 

Grundstruktur der Jüngerschaft: Gerechter und Sünder zugleich (Simul iustus et peccator)

 

D

adurch, dass ein Mensch zum lebendigen Glauben an Jesus Christus als seinem Heiland und Erlöser kommt, ein Gotteskind geworden ist, aus Gott geboren, und in der Taufe der alte Mensch mit Christus gekreuzigt und der neue Mensch erweckt wurde, ist es doch nicht so, dass der Christ ohne Sünde sei. Nach dem neuen Menschen, der regiert wird vom Heiligen Geist und in Christus bleibt und in dem Christus lebt, sündigt er nicht, 1. Joh. 3,6, will er auch gar nicht sündigen, kann nicht sündigen, denn er ist aus Gott geboren, 1. Joh. 3,9. Aber wie vertragen sich mit diesen Aussagen diejenigen Aussagen im gleichen Brief, in denen der Apostel Johannes schreibt: So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns... So wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns. (1. Joh. 1,8.10) Die Spannung, die in diesen scheinbar gegensätzlichen Aussagen steckt, zeigt uns die Spannung, die das gesamte Christenleben durchzieht, nämlich den geistlichen Kampf zwischen dem neuen, vom Heiligen Geist regierten, Menschen und dem alten, der zwar grundsätzlich in Taufe und Wiedergeburt gekreuzigt wurde, aber doch immer noch lebendig ist und täglich bekämpft, in den Tod gegeben werden muss.

Diese Grundstruktur des Christseins beschreibt Paulus im Römerbrief im 7. Kapitel, Vers 13-25: Ist denn, was da gut ist, mir ein Tod worden? Das sei ferne! Aber die Sünde, auf dass sie erscheine, wie sie Sünde ist, hat sie mir durch das Gute den Tod gewirket, auf dass die Sünde würde überaus sündig durchs Gebot. Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft. Denn ich weiß nicht, was, ich tue; denn ich tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das tue ich. So ich aber das tue, was ich nicht will, so willige ich, dass das Gesetz gut sei. So tue nun ich dasselbe nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnet. Denn ich weiß, dass in mir, das ist, in meinem Fleische, wohnet nichts Gutes. Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht, Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. So ich aber tue, was ich nicht will, so tue ich dasselbige nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnet. So finde ich mir nun ein Gesetz, der ich will das Gute tun, dass mir das Böse anhanget. Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern. Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Ich danke Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn. So diene ich nun mit  dem Gemüte dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetze der Sünde.

Was sagt der Heilige Geist uns durch den Apostel hier? Er beschreibt den Christen so, dass auch nach der Wiedergeburt das Fleischliche, also Sündige, noch da ist. Die Erbschuld ist zwar getilgt, ebenso auch die Schuld und Sünde, die begangen wurde – aber die Erbsünde und Erblust, sie sind noch da und gehen erst mit dem leiblichen Tod des Menschen zugrunde. Darum taucht die Sünde auch im Christenleben immer wieder auf. Denn wie sieht dieses Christenleben aus? Nach dem neuen Mensch will der Christ nur das Gute, Gott Wohlgefällige, will mit Christus leben, ihm konsequent und in unbedingtem Gehorsam nachleben – und doch: In seinem Fleisch wohnt nichts Gutes. Nach dem neuen Menschen will er das Gute – aber er vollbringt es dennoch oft nicht, sondern er macht das, was er nach dem neuen Menschen eigentlich nicht will, tut das Böse. Und das ist der alte Mensch, der da immer wieder durchbricht. Nach dem inwendigen Menschen ist Lust da an Gottes Geboten – aber in seinen Gliedern ist auch noch das Gesetz der Sünde da, das gegen das Gesetz in seinem Gemüt streitet und ihn so gefangen nimmt in die Sünde. Wenn wir dieses Ringen konsequent durchführen, so kann es uns auch als Christen immer wieder zur Verzweiflung führen, weil wir erkennen müssen, wie mächtig die Sünde immer noch ist – zugleich aber treibt gerade das uns immer wieder hin zu unserem Heiland Jesus Christus.

Es ist völlig falsch zu sagen, diese Verse handelten von einem Menschen vor der Wiedergeburt. Ein Mensch, bevor er bekehrt ist, dient nicht nach dem Gemüt dem Gesetz Gottes, er hat es gar nicht in sich, kann Gott gar nicht dienen. Ein nicht an Jesus Christus Glaubender will auch gar nicht das Gute um Gottes willen, er hat diesen Kampf gar nicht in sich, denn er gehört noch ganz und gar in das Reich des Teufels.

Was aber heißt das für unser Christenleben? Es heißt, dass wir nie über den Stand hinaus kommen, dass wir wohl durch den Glauben an Jesus Christus Gerechtfertigte sind, die gewiss sein dürfen, im Jüngsten Gericht freigesprochen zu werden – aber eben zugleich auch noch Sünder, die täglich viel sündigen und daher eigentlich die Strafe Gottes verdienen und darum täglich aus der Vergebung Christi leben müssen. Wir kommen nie über den Stand hinaus, dass die Rechtfertigung, die Vergebung der Sünden allein aus Gnaden, allein um Christi Verdienst willen, empfangen allein durch den Glauben, unser eigentliches Lebenselement ist, worinnen wir täglich leben müssen. Wir kommen nie über den Stand hinaus, begnadigte Sünder zu sein. Es gibt kein Stufenleben, das von der Taufe und Bekehrung, Rechtfertigung zur Heiligung als einem höheren Stand führt und dann vielleicht noch zu einer Vollkommenheit gemäß der Lebensgerechtigkeit. Solch ein Stufenchristentum, wie es einige Kreise in der Kirchengeschichte vertreten haben (und wie es auch, vermischt mit dem Element der „Geistestaufe“ bei den Pfingstlern vorkommt), widerspricht eindeutig den oben angeführten Bibelworten. Nicht von ungefähr hat unser Heiland und Herr Jesus Christus die Bergpredigt mit der Seligpreisung begonnen: Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihrer. (Matth. 5,3) Wir kommen nie in diesem Leben in einen Stand, in dem wir Gott irgendetwas bringen könnten. Wir leben immer aus seiner Gnade, aus seiner Fülle, aus dem, was Christus uns erworben hat und uns schenkt. Die fünfte Bitte des Vaterunsers: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. bleibt daher für uns täglich hochaktuell und unser Gebet.

 

 

Der tägliche geistliche Kampf

 

Weil der Teufel zwar besiegt, aber noch nicht im feurigen Pfuhl ist, weil auch die Welt um uns her nicht christlich ist und schließlich, weil unser eigenes Fleisch immer noch da ist, so sind wir ständig Anfechtungen, Versuchungen ausgesetzt, die uns zur Sünde verlocken, und von Christus abziehen, unsere Nachfolge abschwächen, wenn möglich völlig zerstören wollen. Darum ist unser Christenleben ein täglicher geistlicher Kampf, oder sollte es sein. Denn dann, wenn wir der Sünde gegenüber nachgeben, wenn sie wieder Raum bekommt, schließlich herrschend wird, dann hört zwar irgendwann dieser Kampf auf – aber dann sind wir aus der Gnade gefallen, zurück in das alte Leben ohne Christus.

Wer also Christ wird, wer eingereiht wird in die Jüngerschar des Herrn und Heilandes Jesu Christi, der wird damit auch eingereiht in die Streiterschar Christi, nämlich in die Schar derer, die ständig im bewussten und konsequenten Kampf gegen die Teufel, die Welt und ihr eigenes Fleisch stehen und zugleich ausziehen, das Reich ihres Herrn und Heilandes durch Wort und Sakrament auszuweiten. Darum wird der Täufling auch mit dem Kreuz bezeichnet, das anzeigt, dass das christliche Leben ein Leben unter dem Kreuz ist, Nachfolge Jesu Christi eben gerade auch heißt, das Kreuz auf sich zu nehmen, und wird er ja gesandt mit den Worten: Lasset eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. (Luk. 12,35). Christsein ist ein Leben in ständiger Bereitschaft für den Herrn.

Wie unsere tägliche Lage ist, beschreibt der Heilige Geist durch Paulus im Brief an die Galater: Ich sage aber: Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen. Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch. Dieselben sind gegeneinander, dass ihr nicht tut, was ihr wollt. Regiert euch aber der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetz. (5,16-18) Die Lüste des Fleisches sind da und wollen immer wieder durchbrechen. Sie zeigen sich in allerlei Gedanken, Neigungen, Charakterschwächen, die immer wieder hervorkommen, die immer wieder sich festsetzen und uns bestimmen wollen. Darum ist es so wichtig, dass wir zum einen gerade auch unsere schwachen Bereiche kennen, dass wir zum anderen auch Gottes Wort genau kennen, damit wir nicht nur im groben, sondern auch im verfeinerten Bereich die Sünde als Sünde erkennen. Auch ist es sehr hilfreich, wenn Menschen uns auf unsere Fehler, unsere Sünden aufmerksam machen, damit wir der Tatsache der Verfehlung nicht ausweichen, sondern Gott dadurch an uns arbeiten kann. Der Ruf, der für jeden Tag, für jede Stunde, für jeden Augenblick neu an uns ergeht ist: Wandelt im Geist! Nur dann, wenn wir bleiben an Christus, Joh. 15, nur dann können wir auch im geistlichen Kampf siegreich sein, weil dann Christus mit seinem Geist in uns wohnt und das Wollen und Vollbringen schenkt. Es gilt ja, den Kampf geistlich und nicht fleischlich zu führen, denn nur mit diesen Waffen der geistlichen Ritterschaft können wir die Befestigungen des Feindes überwinden und seine Anschläge zerstören (2. Kor. 10,4.5). Darum ist es auch notwendig, gefangen zu nehmen alle Vernunft unter den Gehorsam Christi (2. Kor. 10,5), denn der Teufel wird immer wieder versuchen, durch scheinbare Vernunftargumente uns in der Konsequenz des Kampfes gegen die Sünde abzuschwächen oder uns Gottes Wort durch Vernunftgründe zweifelhaft zu machen. Der geistliche Kampf kann aber nur mit der geistlichen Waffe siegreich bestanden werden, die Christus selbst immer wieder angewandt hat, nämlich dem Schwert des Geistes, dem Wort Gottes. Es stehet geschrieben! das war das Argument Jesu Christi gegen den Teufel, als dieser ihn versuchte. Auch darum ist es so wichtig, das Wort Gottes recht zu kennen, damit wir es recht anwenden können – und wirklich die ganze Bibel als Gottes Wort, vom Heiligen Geist den heiligen Schreibern Wort für Wort eingegeben (Verbal- oder Wörter- oder Plenarinspiration), und damit als widerspruchslos und absolut irrtumslos festzuhalten (siehe: 2. Tim. 3,14-17; 2. Petr. 1,19-21; Joh. 10,35; 1. Kor. 2,13).

Im Geist wandeln heißt also vor allem und zuerst: in der Gemeinschaft mit unserem Herrn und Heiland Jesus Christus stehen und bleiben durch sein Wort und Sakrament, heißt dann aber auch, dieses sein Wort nicht nur täglich zu betrachten, sondern auch die nötigen Folgerungen für das persönliche Leben daraus zu ziehen, heißt also: Christus und seinem Wort gehorsam zu sein, nicht nur Hörer, sondern auch Täter des Wortes zu sein. Im Geist wandeln heißt dann aber auch: völlig und gänzlich geprägt zu werden durch Christus, sein Wort. Im Geist wandeln ist unmöglich, wo noch Sünde festgehalten wird, wo wir auf beiden Seiten versuchen zu hinken, ein bißchen mit Christus, aber auch ein bißchen mit der Welt. Vielmehr gilt es, dass unser gesamtes Leben, unsere Gedankenwelt, unsere Sinne, unser Wünschen, Wollen, unser Wille, unsere Ziele, Vorstellungen, Ideen, Sehnsüchte immer mehr gereinigt, umgestaltet, erneuert werden. Stellet euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr püfen möget, welches da sei der gute, der wohlgefällige und der vollkommene Gotteswille. (Röm. 12,2) Der ganze Mensch muss Christus gehören, auch mit allen Gefühlen, Sehnsüchten, Wünschen, sonst gehört er bald wieder ganz dem Teufel oder bleibt unfruchtbar für den Heiland und kann in diesem geistlichen Kampf nicht bestehen.

Paulus beschreibt uns, wie wir in diesem geistlichen Kampf stehen müssen, was die Grundhaltung ist, damit wir recht als Streiter Christi kämpfen: Wisset ihr nicht, dass die, so in den Schranken laufen, die laufen alle, aber einer erlanget das Kleinod? Laufet nun also, dass ihr es ergreifet! Ein jeglicher aber, der da kämpfet, enthält sich alles Dinges: Jene also, dass sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche. Ich laufe aber also, nicht, als aufs Ungewisse; ich fechte also, nicht als der in die Luft streicht, sondern ich betäube meinen Leib und zähme ihn, dass ich nicht den andern predige und selbst verwerflich werde. (1. Kor. 9,24-27) Leide dich als ein guter Streiter Jesu Christi! Kein Kriegsmann flicht sich in Händel der Nahrung, auf dass er gefalle dem, der ihn angenommen hat. Und so jemand auch kämpfet, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht. (2. Tim. 2,3-5) Paulus vergleicht uns Christen in diesen beiden Abschnitten mit einem Wettkämpfer, Athleten, bzw. mit einem Soldaten. Was zeigen uns diese Vergleiche? Ein Sportler arbeitet auf ein bestimmtes Ziel hin. Er will einen Wettkampf, eine Weltmeisterschaft, bei olympischen Spielen gewinnen. Damit er dies erreicht, stellt er seinen ganzes Leben darauf ein, der Tagesablauf, die Ernährung, alles wird diesem einen Ziel untergeordnet. Und doch: wofür? Für eine vergängliche Krone! Wir Christen aber haben keine vergängliche, sondern eine ewige Krone vor Augen, die ewige himmlische Herrlichkeit in innigster Gemeinschaft mit unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Und unser Glaube gründet auf Golgatha, wo dieser unser Heiland und Herr sich für uns dahingegeben hat. Wie sollte dann nicht noch umso mehr unser ganzes Leben davon bestimmt sein, dass wir Christ sein, bestimmt sein davon, nun freiwillig, von ganzem Herzen, mit allen unseren Kräften, mit unserem ganzen Leben in allen Einzelheiten Christus zu dienen, ihn zu verherrlichen! Alles das, was uns auf diesem Weg aufhalten, was uns gefährden, was uns hindern kann, all dies sollen wir ablegen, meiden. Das heißt auch: Wir beschränken auch über Gottes Gebot hinaus für uns die christliche Freiheit in den Bereichen, in denen sie uns zur Sünde verführen kann. Es gibt Bereiche, die allgemein ein starkes Gefälle zur Sünde haben, wie der Tanz, oder auch aus einem völlig antichristlichen Hintergrund kommen und dem Wesen Gottes widersprechen, wie die Rockmusik. Solches wird der Christ auf jeden Fall meiden. Aber jeder einzelne Christ weiß außerdem, welche Bereiche der christlichen Freiheit für ihn persönlich gefährlich werden könnten – und da wird er seine Freiheit gerne einschränken, um sich alles dessen zu enthalten, was ihn gefährden könnte auf dem Weg der Nachfolge. Für den einen wird dies der Alkohol sein, für den anderen der Fernseher; ein anderer mag Computer- oder spielsüchtig werden, wenn er nicht das völlig abschneidet. Es kommt ja darauf an, dass wir den Kampf recht kämpfen, mit äußerster Konsequenz und Konzentration auf das Ziel. Wer nicht recht kämpft, wer nicht wirklich bricht mit der Sünde, rein ab macht, sondern letztlich mit ihr spielt, sich daher immer wieder betören lässt, der kämpft nicht recht und läuft Gefahr, die Krone des Lebens zu verlieren.

Welche aber Christus angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden. (Gal. 5,24) Das ist unumgänglich, das ist der rechte Kampf. Hier gilt es auch, das tägliche Sterben des alten Menschen zu leben, der den Lüsten, den Begierden, der Sünde nachhängt, sie schön findet. Jeder Christ hat da auch seine Bereiche, in denen er besonders gefährdet ist, wo es besonders weh tut – wo er aber umso konsequenter sein muss. Der Heilige Geist sagt hier bewusst: Fleisch, Lüste, Begierden kreuzigen, sie also in den Tod geben, nicht sie hofieren, mit ihnen zu spielen. Schmerzen sind eingeschlossen. Das hängt engstens mit dem Zerbruch zusammen. Zerbruch geschieht schon dann, wenn Gottes Gesetz an uns arbeitet, um uns die Sündenverdorbenheit aufzuzeigen. Wenn es wirklich zum Ziel kommt, so bewirkt es ein zerbrochenes, zerschlagenes Herz und Gemüt, Ps. 51,19; 34,19. Dieser grundsätzliche Zerbruch aber setzt sich fort, muss sich fortsetzen, in dem täglichen Zerbruch, dem täglichen Sterben, im täglichen Brechen des eigenen, ich-zentrierten Willens. Darum beten wir auch in der dritten Bitte des Vaterunsers: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden. Und Luther erklärt sehr klar dazu, wie Gottes guter, gnädiger Wille bei uns geschieht: „Wenn Gott allen bösen Rat und Willen bricht und hindert, die uns den Namen Gottes nicht heiligen und sein Reich nicht kommen lassen wollen, wie es ist es Teufels, der Welt und unsers Fleisches Wille, sondern stärkt und behält uns fest in seinem Wort und Glauben bis an unser Ende. Das ist sein gnädiger und guter Wille.“ (Kleiner Katechismus, Erklärung zur 3. Bitte des Vaterunsers) Nur da, wo dies geschieht, immer wieder neu, kann Christus in uns verherrlicht werden und in uns leben. Wir, die wir leben, werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen, auf dass auch das Leben Jesu offenbar werde an unserm sterblichen Fleische. (2. Kor. 4,11)

Dieser geistliche Kampf, das Überwinden und Niederhalten der Sünde, das tägliche Sterben, der tägliche Zerbruch, damit Gottes Wille durchgesetzt werde und wir nicht mehr für uns, sondern für Christus leben, immer mehr, immer besser, ist auch Teil der Pädagogik Gottes in unserem Leben, wodurch er uns immer mehr hineinprägen will in das Ebenbild seines Sohnes. Denn wer am Fleisch leidet, der höret auf von Sünden, dass er hinfort, was noch hinterstelliger Zeit im Fleisch ist, nicht der Menschen Lüsten, sondern dem Willen Gottes lebe. (1. Petr. 4,1.2) Das meint nicht nur den direkten Kampf mit der Sünde, sondern es geht das noch weiter, meint das Kreuz insgesamt, das uns aufgelegt ist, bis hin zur Verfolgung und dem Martyrium, das kommen kann. Denn welchen der Herr liebt, den züchtigt er; er stäupt aber einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt. (Hebr. 12,6) Dazu gilt es immer wieder ein Ja zu finden, und das heißt: sich immer neu dem Herrn ganz hingeben, damit er mit dir tun kann, was er will.

    Dieser geistliche Kampf ist aber nicht eine Anstrengung, die wir aus uns, aus eigener Kraft, vollbringen müssen. Nein, vielmehr ruft der Heilige Geist uns auf: Zuletzt, meine Brüder, seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Ziehet an den Harnisch Gottes, dass ihr bestehen könnet gegen die listigen  Anläufe des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis  dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Um deswillen so ergreifet den Harnisch Gottes, auf dass ihr an dem bösen Tage Widerstand tun und alles wohl ausrichten und das Feld behalten möget. So stehet nun, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit und an den Beinen gestiefelt, als fertig, zu treiben das Evangelium des Friedens, damit ihr bereitet seid. Vor allen Dingen aber ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts. Und nehmet den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes. Und betet stets in allem Anliegen mit Bitten und Flehen im Geist und  wachet dazu mit allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen. (Eph. 6,10-18) Nicht auf unsere Stärke kommt es an – mit unserer Macht ist allerdings in diesen Kämpfen gar nichts getan, wir wären, wie Luther singt, gar bald verloren. Ein anderer muss für uns eintreten, für uns streiten: Jesus Christus. Darum gilt es, dass wir uns im bewussten Glauben ganz auf ihn werfen, unter seinem Schutz stehen und unter seiner Leitung. Und dann beschreibt er uns die geistliche Waffenrüstung, die wir in dieser Glaubensgemeinschaft mit unserem Heiland haben: Umgürtet an den Lenden mit Wahrheit. Der Harnisch wird zusammengehalten durch die Wahrheit, die aller Lüge, allem Unwahren feind ist. Unser Herz soll von Wahrhaftigkeit, rechter Offenheit, Klarheit, Einfältigkeit geprägt sein. Der Panzer aber, der uns schützt, das ist die Gerechtigkeit, das weiße Kleid Christi, das wir in Taufe und Bekehrung übergezogen bekommen, die fremde Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit Christi, durch die allein wir beschützt sind vor dem Teufel. Weil wir durch den Glauben diese Gerechtigkeit zugesprochen bekommen haben, darum sind wir dann auch gestiefelt an den Beinen, als fertig, zu treiben das Evangelium des Friedens. Das, was wir durch Jesus Christus empfangen haben, das müssen wir auch anderen bezeugen. Das ist unsere Herzenshaltung und auch Christi Auftrag an jeden Christen. Das ist die Offensive, die wir in Mission und Evangelisation gegen Satans Reich unternehmen. Was aber brauchen wir besonders? Womit können wir uns am besten schützen gegen die bösen Anläufe, Angriffe des Feindes? Durch den Langschild des Glaubens. Der bedeckt unseren ganzen Körper, der ist ein umfassender Schutz. Nur dann, wenn wir uns in allem im herzlichen Glauben an Jesus Christus halten, nur dann kann der Satan uns nichts anhaben. In dem Moment, wo wir diesen sicheren Schutzort verlassen, den Schild des Glaubens ablegen, in dem Moment sind wir verwundbar durch die Pfeile des Teufels, durch Anfechtungen, Versuchungen, Reize der Welt oder des Fleisches. Was aber gehört unbedingt zum Panzer (der Gerechtigkeit) und dem Schild (des Glaubens)? Der Schutz des Kopfes: der Helm – und zwar der Helm des Heils. Christi Gerechtigkeit, die wir im Glauben ergriffen haben, hat uns das Heil erworben, die Erlösung, das ewige Leben. Wenn wir im Glauben bleiben, wenn wir nicht nach einer eigenen Gerechtigkeit trachten, sondern unsere Errettung einzig gründen auf die fremde Gerechtigkeit, Christi Gerechtigkeit, die dem Glauben zugesprochen wird, dann haben wir auch das Heil, allen Anklagen des Teufels zum Trotz. Wodurch aber werden wir darin erhalten und gefestigt? Durch das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes. Das ist die entscheidende Waffe. Mit der ist auch unser Heiland Jesus Christus dem Feind entgegen getreten (Matth. 4,1-11), nur mit der können wir wirklich bestehen. Darum ist es unerlässlich, dass jeder Christ intensiv Gottes heiliges Wort liest, lernt und täglich damit umgeht.

 

 

Die tägliche Reinigung und tägliche Erneuerung der Hingabe

 

Paulus hat es in Römer 7 eindeutig noch einmal festgestellt: Auch der wiedergeborene Christ ist noch Sünder und fällt täglich vielfach in Sünde. Das unterstreicht auch Johannes, wenn er im ersten Kapitel seines ersten Briefes darauf hinweist, dass derjenige, der sagt, dass er keine Sünde habe, ein Lügner sei und daher vor Gott nicht bestehen könne. Darum ist es so notwendig, dass wir täglich uns auch wieder reinigen lassen durch unseren Heiland Jesus Christus. Johannes lädt uns dazu ein, wenn er sagt: So wir aber unsere Sünde bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünde vergibt und reiniget uns von aller Untugend.... Meine Kindlein, solches schreibe ich euch, auf dass ihr nicht sündiget. Und ob jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. Und derselbe ist die Versöhnung für unsere Sünde, nicht allein aber für die unsere, sondern auch für die der ganzen Welt. (1. Joh. 1,9; 2.1.2) Der Apostel ermutigt uns, nicht in der Sünde liegen zu bleiben, nicht die Sünde fest zu halten, sondern ins Licht Gottes zu kommen, damit Jesu Blut, das er für uns auf Golgatha zu unserem Heil vergossen hat, uns wieder reinigt. Der Teufel macht uns die Sünde groß, wenn wir sie nur erst einmal getan haben, um uns so zu verzagen. Wir sollen die Sünde allerdings ernst nehmen, denn es ist traurig, wenn wir immer wieder gegen Gott Wort und Willen verstoßen. Aber wenn es uns wahrhaft von Herzen leid ist, so sollen wir zu unserem Heiland Jesus Christus eilen, ihm alles bekennen und gewiss sein, dass er die Sünden vergeben hat, wie er es zugesagt hat. Immer wieder sollen und dürfen wir uns vor Augen halten, dass er unser Fürsprecher bleibt, gerade dann, wenn wir in Sünde gefallen sind und ihn so nötig brauchen. Und gerade dann dürfen wir es neu in Anspruch nehmen, dass er auch um dieser Sünden willen unsere Versöhnung geworden ist.

Darum lehrt unser Heiland Jesus Christus ja auch im Vaterunser die fünfte Bitte: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Schon da macht er deutlich, wie sehr wir das täglich brauchen. Ebenso bei der Fußwaschung seiner Jünger am Abend vor seiner Gefangennahme. Wir müssen einmal grundsätzlich gereinigt werden, sonst haben wir gar keinen Anteil an ihm, Joh. 13,8, was geschieht in der Taufe und Wiedergeburt. Aber damit ist nicht einfach alles getan. So, wie derjenige, der sich einmal gründlich gewaschen hat, sich doch immer wieder waschen muss, zumindest Hände und Füße, so bedürfen auch wir Christen, dass wir täglich den Schmutz der Sünde, der sich angesammelt hat, wieder durch Jesus Christus abwaschen lassen, wie er es in der Fußwaschung so klar hervorhebt.

Buße und Umkehr ist täglich nötig. Täglich, spätestens bevor wir zu Bett gehen, sollen wir den Tag vor unserem dreieinigen Gott bereinigen und ihm unsere Schuld bringen, um Vergebung bitten und die Vergebung ergreifen. Vor Gott und mit Gott müssen wir ins Reine kommen – und soweit wir Menschen gegenüber gesündigt haben, sollen wir es, soweit es möglich ist, auch ihnen gegenüber in Ordnung bringen, ihnen gegenüber bekennen, wo nötig, sie auch entschädigen. Und wo die Sünde öffentlich geworden ist und somit ein Ärgernis auch für die christliche Gemeinde darstellt, muss das Bekenntnis auch vor der Gemeinde stattfinden.

Da, wo Sünden jemanden besonders drücken, belasten, da hat die Gemeinde Jesu als eine kirchliche Einrichtung die Möglichkeit der Privatbeichte geschaffen. Sie ist keine Einsetzung Jesu Christi, beruht aber darauf, dass Jesus Christus seiner Gemeinde die Schlüsselgewalt, zu binden und zu lösen, anvertraut hat.: Nehmet hin den Heiligen Geist. Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. (Joh. 20,22.23) Diese Schlüssel gebraucht die Gemeinde auf vielfältige Weise. Sie wendet sie an in der Predigt von Gesetz und Evangelium, das ist die allgemeinste Form; sie übt sie in der allgemeinen Beichte im Gottesdienst, wo auch ein direkter Zuspruch der Vergebung geschieht. Und sie dient damit in besonderer Weise in der Privatbeichte, in der der Sünder vor Gott in Gegenwart des Pastors seine Schuld bekennt und dann aus dem Munde des Pastors Gottes Vergebung, die Jesus Christus auf Golgatha erworben hat, dargereicht bekommt, um sie im Glauben zu ergreifen (denn nur im Glauben hat er wirklich auch die Lossprechung). Niemand kann Sünden vergeben als allein Gott! empörten sich schon die Pharisäer über Jesus. Kann denn ein Pastor – oder ein anderer Christ, in dessen Gegenwart gebeichtet wird – die Sünden vergeben? Die Frage ist so falsch gestellt. Der Pastor steht gerade in der Beichte da als Gesandter, als Bote Jesu Christi, der im Auftrag der Gemeinde die Schlüsselgewalt gebraucht, die Jesus Christus seiner Gemeinde verliehen hat. Darum kann und soll ein reuiger Sünder, der seine Sünden bekannt hat, auch die ihm zugesprochene Vergebung wahrhaft in dem gewissen Glauben annehmen, dass sie so recht und gewiss sei, als hätte Jesus Christus sie ihm persönlich zugesprochen.

Buße, Umkehr, Ergreifen der Vergebung im Glauben muss dann aber auch in darin münden, die Nachfolge, die Hingabe zu erneuern, das Leben, sich selbst Christus neu zu weihen. Nur so wird unser Leben völlig ausgerichtet auf die Bahn, die Jesus Christus für uns vorgesehen hat. Das heißt auch, in die Taufe zurückkriechen, wieder aus der Taufgnade leben, den Taufbund erneuern.

Ja, da wir ständig angefochten werden und im geistlichen Kampf stehen, ist es sogar gut, wenn wir jeden Tag damit beginnen, dass wir den Bund unserer Taufe erneuern und uns für den Tag neu unserem Heiland weihen, ihm hingeben. Darum weist auch Paulus etwa in Römer 12,1 so deutlich darauf hin, einem Schreiben, das ja an Christen gerichtet ist. Darum auch der Aufruf in Eph. 4,22-24, die Sünde, den alten Menschen abzulegen und den neuen Menschen anzuziehen. Das ist nicht mit dem einmaligen Akt der grundlegenden Bekehrung geschehen, sondern muss sich in täglicher Buße und Umkehr fortsetzen – und darin, dass wir täglich uns grundsätzlich dem Herrn weihen, jeden Tag aus seiner Hand nehmen, um ihn für ihn zu leben.

 

 

Leben aus der Gnade

 

Was aber ist die Triebkraft dieses neuen Lebens, der Jüngerschaft? Was ist sozusagen das Lebenselixier des Christen? Nicht das Gesetz, sondern allein das Evangelium, die Liebe Christi, die sich am Kreuz auf Golgatha bewiesen hat, die Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden, allein um Christi willen, allein durch den Glauben. Weil wir Sünder sind, so kommen wir nie darüber hinaus, aus der Gnade zu leben. Und die Barmherzigkeit Gottes, Röm. 12,1, die Liebe Christi, 2. Kor. 5,14.15, ermahnt uns, dringt uns, ganz für Christus zu leben. Das, was unser Leben ausmacht, weshalb wir auch umkehren können jeden Tag, ist die Tatsache, dass wir in der Taufe und Wiedergeburt mit Christus auferstanden sind, unser altes Leben gestorben ist – und wir nun nach dem trachten sollen, was droben ist (Kol. 3,1-4). Aus Gnaden sind wir gerettet worden durch den Glauben – und darum können wir auch anfangen, die Werke zu tun, zu denen Gott uns vorbereitet hat, Eph. 2,8-10. Das neue Leben, das ist die auf der Gnade in Jesus Christus gegründete Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn, 1. Joh. 1,3, als Gereinigte durch das Blut Christi, 1. Joh. 1,7. Nur das Evangelium Christi ist das Lebenselixier und die Kraft des neuen Lebens. Nur wenn unser Glaube immer auf den Christus für uns, den Gekreuzigten und Auferstandenen, blickt, kann der Christus in uns leben. Und wie der Heilige Geist uns durch Wort und Sakrament dieses neue Leben geschenkt hat, so erhält er uns und führt er uns darin auch durch Wort und Sakrament – nur, dass er uns jetzt, in der Heiligung, mit hinein nimmt. Der Christ ist in der Heiligung nicht passiv, sondern aktiv, soll schaffen, dass er selig wird, mit Furcht und Zittern (Phil. 2,12). Hingabe, Selbstverleugnung, Sterben, Dienen, Gehorchen, das sind Aktivitäten des Glaubens, die der Heilige Geist durch Wort und Sakrament in uns weckt, der Glaubende aber wirklich vollzieht. Denn auch hier gilt: Er ist es, der da wirket Beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. (Phil. 2,13)

 

 

Stärkung durch das heilige Abendmahl – Leben in der Gemeinde Christi

 

Weil Jesus Christus weiß, wie sehr wir hier auf Erden angefochten sind, wie wir gerade durch unser Fleisch, also die Sünde in uns, immer wieder viel Not haben, darum hat er uns sein Evangelium in vielerlei Weise geschenkt, durch das pure Wort, siehe Röm. 1,16.17, durch das Wort als konkrete Absolution, Lossprechung, Matth. 18; Joh. 20,21-23, in der Taufe, Röm. 6,3.4; Apg. 2,38.39; 22,16, und dann gerade auch im heiligen Abendmahl. Da gibt er uns in, mit und unter Brot und Wein seinen Leib, den er für uns dahingegeben hat, und sein Blut, das er für uns vergossen hat, zum übernatürlichen mündlichen Genuss, um uns damit der Vergebung der Sünden, die er uns durch seinen Gehorsam, Leiden und Sterben erworben hat, zu vergewissern, immer neu darinnen fest zu machen und uns zu stärken zu einem Leben in der Nachfolge.

Die frühe Gemeinde hat, wie wir dies aus den Berichten in der Heiligen Schrift entnehmen können, siehe Apg. 2,42, daher das heilige Abendmahl oft gefeiert, zumeist wohl bei den (sonntäglichen) Versammlungen; in Jerusalem, zumindest in der ersten Zeit, sogar täglich.

Gerade dann, wenn wir bewusst, konsequent den Weg der Nachfolge gehen wollen, gerade dann kommen wir immer wieder an den Punkt, den Paulus in Römer 7,24 beschreibt, eine schiere Verzweiflung über unsere Situation als Gerechter und Sünder zugleich. Aber gerade deshalb brauchen wir die Ermutigung, Stärkung, Zurüstung durch das Evangelium Christi in der vielfältigsten Weise. Und das heilige Abendmahl ist eine besondere, persönliche Weise Jesu Christi, in der er uns begegnet, weil er dir da ganz persönlich seinen Leib und sein Blut darreicht, um dir damit das zu vergewissern, was er auch für dich erworben hat. Denn das ist das rechte Gedächtnis, wenn es dir vor Augen steht, was er auf Golgatha getan – und dass er es für dich getan hat, und dass du das in Buße und Glauben ergreifst. Darum empfangen wir Christi Leib und Blut unter Brot und Wein ja nur dann recht, wenn wir es empfangen als bußfertige Sünder, die Christi Gnade und Vergebung begehren. Darum ist es auch unerlässlich, dass wir uns immer wieder recht vorbereiten auf diese innige Gemeinschaft mit unserem Heiland und Herrn, indem wir in rechter Selbstprüfung bedenken, wie es mit uns steht, warum wir das heilige Abendmahl begehren, damit wir nicht als Unwürdige kommen, also als solche, denen ihre Sünden gleichgültig sind, die sie gar nicht erkennen, oder die gar nicht wissen, was sie im heiligen Abendmahl empfangen oder die auch gar nicht wissen, mit wem sie Gemeinschaft im heiligen Abendmahl pflegen.

Denn das heilige Abendmahl ist zugleich ein Bekenntnismahl, nämlich dass wir nach außen bekennen: Wir, die wir gemeinsam Christi Leib und Blut unter Brot und Wein empfangen, wir sind ein Leib, nämlich eins im Bekenntnis und Glauben. Abendmahlsgemeinschaft ist intensiver Ausdruck der Kirchengemeinschaft. Wer daher wahrhaft als Jünger Jesu an Jesu Rede bleiben will, kann nicht mit denen das heilige Abendmahl empfangen, die nicht in allem an Christi Rede bleiben, Röm. 16,17.18; 2. Kor. 6,14-18.

 

Gerade das heilige Abendmahl weist uns auch darauf hin, wie Apg. 2,42 und 1. Kor. 10,16.17 zeigen, dass der Jünger Jesu, soweit es möglich ist, nicht nur Glied der verborgenen Gemeinschaft des Glaubens oder der Heiligen sein sollte, das unbedingt, sondern auch einer äußeren Versammlung um Wort und Sakrament (örtlichen Gemeinde), sofern sie unverkürzt und unverfälscht an der reinen biblischen Lehre festhält. Das zu prüfen ist Aufgabe eines jeden Jüngers Jesu, als Einzelner wie als Glied einer Gemeinde, Matth. 7,15; Joh. 10,5; Röm. 16,17.18; 2. Kor. 6,14-18; 1. Joh. 4,1-3; 2. Joh. 8-11. Denn Gott setzt den Gläubigen hinein in die örtliche Gemeinde, Apg. 2,47, dass er dort durch der Apostel Lehre, also die biblische Lehre des Alten und Neuen Testamentes, wachse in aller Erkenntnis, gefestigt werde im Glauben, zubereitet für das christliche Leben, gestärkt für den Alltag, für das christliche Zeugnis – aber ebenso auch immer wieder zurechtgebracht durch die Glaubensgeschwister in aller Sünde. Siehe: Apg. 2,42; Eph. 2,18-21; 4,11-16. In der Gemeinde wird vornehmlich der von Christus eingesetzte Dienst des Wortes und der Lehre (heiliges Predigtamt) ausgeübt, damit die Jünger gestärkt und zubereitet werden; in der Gemeinde sollen wir als Christen als Glieder an einem Leib unsere unterschiedlichen Gaben zu allgemeinen Nutzen einsetzen, 1. Kor. 12,1-7.

Der Jünger Jesu lebt, wenn es möglich ist, dass er Glied einer örtlichen Gemeinde ist, ja nicht nur aus dem persönlichen Bibellesen (Stille Zeit) und der persönlichen Gebetsgemeinschaft mit seinem Herrn, sondern gerade auch aus dem Gottesdienst der Gemeinde, dem gemeinsamen Demütigen vor dem dreieinigen Gott, dem gemeinsamen Loben und Anbeten, dem gemeinsamen Hören auf Gottes Wort, dem gemeinsamen Bekennen der Sünde wie des Glaubens, und der gemeinsamen Fürbitte – wie auch der Gemeinschaft im heiligen Abendmahl und im Dienst aneinander und nach außen durch Evangelisation und Mission, als sendende Gemeinde wie als zeugende Gemeinde, Apg. 13,1-3; 1. Petr. 2,9.

Gottesdienst der Gemeinde ist Kampf, ist geistlicher Kampf gegen die Mächte der Finsternis durch Wort und Sakrament – und zugleich Stärkung, Zurüstung der Jünger für den geistlichen Kampf und das geistliche Leben als Christ im Alltag. Darum will Christus seinen Jüngern im Gottesdienst eben durch Wort und Sakrament dienen, ihnen darin begegnen, sie stärken, zurüsten, erneuern, senden, Apg. 2,42; 1. Kor. 12,26-35.

 

 

Leben im Gebet

 

Betet ohne Unterlass! ruft uns der Heilige Geist durch Paulus zu (1. Thess. 5,17). Was meint er damit? Damit ist, wie wir aus dem Leben des Apostels selbst wissen, nicht gemeint, dass wir den ganzen Tag nur noch auf den Knien liegen und beten sollen, sondern das ist gemeint, dass unser Leben als Christen, als Jünger Jesu, in der innigsten Gemeinschaft mit unserem Herrn sich gestaltet, so dass wir alles, was uns begegnet, an Schönem und Traurigem, an Not, Trübsal wie an Freude und Glück ihm im Gebet bringen, dass wir aus allem auch ein Gebet machen, wie es Phil. 4,6 heißt: Sorget nichts, sondern in allen Dingen lasset eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. Dies ist dann recht ein Leben, wie Gott es auch von Abram wollte: Wandle vor mir und sei fromm! (1. Mose 17,1), ein Leben also, dass wir bewusst vor dem Angesicht Gottes führen, in rechter Gottesfurcht, Scheu davor, ihn durch irgendeine Sünde zu beleidigen und zu betrüben, in heiligem Eifer, seinen Willen gern, von Herzen, vollständig zu erfüllen, ganz und in allen Dingen für ihn zu leben, in allen Tätigkeiten des Alltages. Das stimmt ja ganz damit überein, wenn der Heilige Geist uns ermahnt: Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des Herrn Jesus und danket Gott und dem Vater durch ihn... Alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen. (Kol. 3,17.23)

Es ist ein ungeheures Vorrecht, dass wir als Jesu Jünger zu unserem Vater im Himmel kommen dürfen und ihm wirklich alles sagen, was uns bewegt. Und wie herzlich ruft unser Heiland uns immer wieder dazu auf und verknüpft diese Aufforderungen mit kostbaren Verheißungen, dass er uns erhört. Dazu aber gehört auch die rechte Demut, die wir nur dann lernen, wenn unser alter, selbstgefälliger, selbstgerechter, auf eigene Kraft und Weisheit pochender Mensch zerbrochen wird unter der Selbsterkenntnis, der Erkenntnis der abgrundtiefen Verdorbenheit und Schwachheit und dem völligen Unvermögen, irgendetwas Gutes aus eigener Kraft tun zu können. Dann werden wir gerne alles von Gott erwarten, alles von ihm erbitten – aber auch gerne ihm für alles danken, ihn loben und preisen. Es ist so wichtig, dass wir beten lernen und praktizieren. Dazu ist es nötig, dass wir recht erkennen, dass Gott es ist, der uns alles gibt, Leib und Seele, Augen, Ohren, Vernunft und alle Sinne, auch alles, was wir an Nahrung, Arbeit, Wohnung brauchen, auch gute Nachbarn, Freunde, gute Regierung und was sonst zu einem friedsamen Leben nötig ist. Andererseits aber lernen wir daraus auch, uns mit dem zu begnügen, was Gott uns gibt – vor allem aber die Gottseligkeit als das höchste Gut zu schätzen. Es ist aber ein großer Gewinn, wer gottselig ist und lässet sich genügen. Denn wir haben nichts in die Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts hinausbringen. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so lasset uns begnügen. Denn die da reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Stricke und viel törichte und schädliche Lüste, welche versenken die Menschen ins Verderben und Verdammnis. (1. Tim. 6,6-9)

Wie aber sollen wir beten? Die Bibel macht uns darüber keine Vorschriften, weder was die Worte angeht, noch die Gebetshaltung, von der uns verschiedene überliefert sind. Wir sollen und dürfen darum ganz natürlich reden mit unserem Vater im Himmel – aber doch nie vergessen, dass wir nicht zu irgendeinem Kumpel sprechen, sondern zu dem lebendigen, heiligen Gott, unserem Schöpfer, Erlöser und Herrn. Im Vaterunser hat unser Heiland uns dabei das rechte Muster aller Gebete gegeben, das wir selbst beten sollen und dürfen, so wir es nur in rechter Andacht, mit rechtem Bedenken, was wir da beten, sprechen. Hier wird deutlich, dass Gott will, dass wir zunächst und vor allem nicht für uns, sondern für Gottes Wirken beten sollen: dass Gottes Name geheiligt werde, was durch bibeltreue Lehre und ein dem Worte Gottes entsprechendes heiliges Leben geschieht. Dann: dass sein Reich komme, zu uns selbst und zu den Menschen in aller Welt, was geschieht durch das Wirken des Heiligen Geistes durch Wort und Sakrament, wodurch er den Glauben weckt und erhält. Und: dass der Wille Gottes geschehe, nämlich in unserem eigenen Leben und überhaupt in dieser Welt. Das ist sicher die schwerste Bitte, weil sie zugleich recht mit unserem täglichen Sterben zusammen hängt, denn hier geht es doch darum, dass unser eigener Wille immer wieder gebrochen wird, dass nicht unsere Wünsche, Wollen, Vorstellungen, Vorhaben, Pläne zum Zuge kommen, sondern Gottes Willen, Gottes Vorstellungen, Gottes Ziele. Ja, es geht hier recht um den geistlichen Kampf, weil ja der Teufel, die (gottfeindliche) Welt und unser (ebenso gottfeindliches) Fleisch eben in eine ganz andere Richtung wollen als der dreieinige Gott – und es gegen diese drei Kräfte gilt, dass Gottes Willen zum Zuge kommt. Hier wird ganz deutlich die Grenze gesetzt für alle Gebete um Dinge, für die wir keine direkte Verheißungen im Wort Gottes haben, also für alle Dinge des irdischen Leben: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe. (Luk. 22,42) Gott erhört Gebet – aber er erhört es damit nicht unbedingt nach unseren Wünschen, unseren Zeitvorstellungen, selbst in den geistlichen Dingen, in denen wir seine Verheißungen haben. Und warum? Weil er den Gesamtüberblick über alles hat, den wir gar nicht haben, weil er darum weiß, was für uns gut, nützlich ist, was schädlich. Darum gibt er uns nicht einfach, was wir wollen, sondern, wie ein rechter Vater bei seinem Kind, bedenkt, was wann richtig ist. Oft bitten wir ja auch unsinnig, wirklich schädliche Dinge, auch wenn wir sie für gut halten, sind vielleicht auch noch sehr irdisch gesinnt und wollen Gott nur einspannen für unsere Wünsche. In diesem Gebet geht es darum ebenfalls um die Praxis des täglichen Sterbens, des Opferns unserer Vorstellungen.

Erst jetzt, an der vierten Stelle, kommt im Vaterunser eine Bitte, die unser alltägliches Leben umschließt: Unser täglich Brot gib uns heute. Auch hier lernen wir etwas von der Gnade und Weisheit Gottes, wie er möchte, dass wir nicht um großen Vorrat beten – wiewohl Gott uns den auch geben kann –, sondern dass wir uns mit dem begnügen, was für heute nötig ist, vertrauend, Gott kann morgen auch wieder geben. Und wir sollen nicht an uns allein denken, wie ja das ganze Vaterunser uns immer wieder hinein stellt in die Gemeinde Jesu Christi; auch für die anderen sollen wir beten, die Verwandten, die Nachbarn, die Kranken, Notleidenden, die Prediger, Pastoren, Missionare, Evangelisten, die Regierung, Vorgesetzten, Lehrer. Hier erkennen wir, welch ein gewaltiger, umfassender Dienst das Gebet ist, wodurch wir auch Teil haben an Gottes Weltregierung.

Dann sollen wir unser eigenes geistliches Leben bedenken: und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Über diese Bitte kommen wir nie hinaus. Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht; denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht. (Ps. 143,2) So betete schon David und bekannte dies auch, dass wir Sünder bleiben, bis wir sterben. Täglich sündigen wir vielfältig, wissentlich und unwissentlich, und brauchen daher täglich dieses Gebet – und dass auch wir unsererseits, als solche, die doch aus der Vergebung Gottes leben, denen, die an uns schuldig geworden sind, von Herzen die Vergebung gewähren und nicht handeln wie der Knecht, der seinen Mitknecht um einer geringen Schuld willen fast umgebracht hätte, während ihm selbst eine Riesenschuld gnädig erlassen war (Matth. 18,23-35).

Im Gebet sollen wir gerade auch die Tatsache bedenken, dass wir täglich angefochten sind, versucht werden: und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. Gott versucht uns nicht, er prüft nur, um unseren Glauben zu bewähren, unsere Schuld und Schwachheit uns vor Augen zu führen und uns wachsen zu lassen. Der Teufel aber will uns wirklich verführen, stürzen aus dem Glauben. Darum stehen wir täglich im Kampf – und können ihn niemals aus eigener Kraft gewinnen. Darum gilt es, täglich Christi Beistand zu erflehen und seine Durchhilfe in diesen geistlichen Kämpfen.

Vor allem aber sollen wir das Ziel nie aus den Augen verlieren: sondern erlöse uns von dem Übel, also dem Bösen, dem Teufel, und all dem Üblen, was durch ihn in dieser Welt ist. Das geschieht ja vollständig erst dann, wenn wir sterben. Darum gilt es, um ein seliges Sterben zu bitten, also darum, dass wir bewahrt werden im Glauben zur ewigen Herrlichkeit, dass wir in Frieden einst für immer zu unserem Heiland Jesus Christus in den Himmel gehen. Das ist das Ziel, das er uns vor die Augen gestellt hat – das sollen wir auch immer vor Augen haben und nicht zu sehr an dieser Welt kleben, die uns gefangen nehmen will.

Das Vaterunser zeigt uns damit eine Gewichtung für unsere Gebete, die wir wohl bedenken sollten, denn wir neigen sehr dazu, vor allem für uns selbst zu beten, und dabei vor allem zu bitten. Wir sollen aber zum einen das Reich Gottes im Auge haben, dann auch die anderen Menschen, auch dankbar werden – und die Anbetung nicht vergessen, wie der Lobpreis am Ende zu zeigt: Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Dabei sollen wir nicht zweifeln, dass Gott uns erhört, denn sonst erlangen wir nichts, Jak. 1,6-7, sondern uns wirklich getrost auf Christi Verheißung Matth. 7,7 stützen, wie wir es auch mit dem Amen bekräftigen. Christus ruft uns auf, in seinem Namen zu bitten (Joh. 16,23 b). Damit ist keine bloße Formel gemeint, die an den Schluss oder Anfang des Gebetes gesetzt wird, sondern es geht darum, dass wir wirklich auch ringen darum, den Willen Christi zu erkennen, uns ihm ganz unterwerfen, ihn Herr über das sein lassen, was wir erbeten haben – und so auch bedenken, ob das, was wir erbitten, beten, wohl wirklich in Christi Augen recht ist. Dabei können wir frei beten wie auch vorgegebene Gebete, wie ja auch die Psalmen das Gebet- und Gesangbuch der alttestamentlichen und frühen neutestamentlichen Gemeinde war. Das alles will uns ermutigen, immer inniger in diese Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott zu treten – denn zu allen drei Personen dürfen wir beten – und nichts ihm vorzuenthalten.

Wir sollen in unser Kämmerlein gehen und da beten, an einem ruhigen, stillen Ort, wo wir für uns sind. Das ist das eine, das persönliche Gebet. Daneben aber sollen wir auch das gemeinsame Gebet, vor allem das Gebet in der Ehe, der Familie und in der Gemeinde, nicht vergessen. Es ist für die Gemeinschaft sehr wichtig, dass wir wirklich darinnen eins sind in Christus und dieses Einssein sich auch darinnen verwirklicht. Von der frühen Jerusalemer Gemeinde lesen wir ja, dass sie auch beständig waren im Gebet. Und wenn die Anfechtungen von außen kamen, so eilten sie zusammen, um gemeinsam zum Herrn zu rufen. Wir haben eine herrliche Verheißung Jesu Christi für das gemeinsame Gebet: Wo zwei unter euch eins werden auf Erden, warum ist es, das sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in seinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. (Matth. 18,19.20)

 

 

Leben im Wort und aus dem Wort

 

C

hristliches Leben ist Leben aus dem Wort Gottes, aus dem Evangelium. Darauf verweist uns allein schon Jesu Aufruf: So ihr an meiner Rede bleibet, so seid ihr meine rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen; und die Wahrheit wird euch frei machen. (Joh. 8,31.32) Bleiben an Jesu Rede – das heißt ja nichts anderes als: Gottes Wort immer wieder lesen, im Herzen bewegen und im Leben umsetzen. Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren! (Luk. 11,28) Es muss tief in unser Herz hinein, damit es unser Leben prägt, damit wir nicht nur Hörer, sondern auch Täter des Wortes sind.

Im Wort Gottes haben wir alles, was wir brauchen. Darum schreibt Paulus an Timotheus: Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und dir vertraut ist, da du weißt, von wem du gelernt hast. Und weil du von Kind auf die Heilige Schrift weißt, kann dich dieselbe unterweisen zur Seligkeit durch den Glauben an Christus Jesus. Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, dass ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt. (2. Tim. 3,14-17) Die Heilige Schrift unterweist zur Seligkeit, zur Rettung. Das ist ihre wichtigste Aufgabe, wozu sie der Heilige Geist verwendet. Denn in Gottes Wort haben wir Gesetz und Evangelium, Forderung und Verheißung, Verurteilung und Freispruch, Verdammnis und Erlösung. Und durch das Evangelium weckt der Heilige Geist den Glauben.

Aber dann will er durch das Wort noch weiter an uns arbeiten. Die Schrift ist uns gegeben zur Lehre. Gott unterweist uns durch sein Wort, Gott lehrt uns. Dogmatik ist keine Erfindung der Kirche, sondern ist nichts anderes als die systematische Zusammenfassung der Aussagen der Bibel. Biblische Lehre ist daher hoch notwendig, denn damit bekennen und bezeugen wir das, was Gott selbst in seinem Wort uns lehrt. Nur wenn wir in der Lehre fest werden, können wir die Ehre und Majestät Gottes recht achten und denen entgegen treten, die anderes lehren als die Lehre Gottes. Gott will ja, dass wir fest werden in der Lehre, damit wir nicht mehr Kinder seien und uns wägen und wiegen lassen von allerlei Wind der Lehre und Schalkheit der Menschen und Täuscherei, damit sie uns erschleichen und verführen. (Eph. 4,14) Nur dann, wenn wir die doctrina divina, die göttliche Lehre, auch kennen, können wir gemäß Joh. 10,5 unterscheiden, ob die Stimme des guten Hirten zu uns redet oder eine fremde Stimme; nur dann können wir uns vorsehen vor den falschen Propheten, weil wir dann wissen, was die wahren Propheten oder Lehrer verkündigen müssten – und können nur dann auch den von Gott geforderten Schritt tun, die falsche Lehre und ihre Lehrer zu meiden, Röm. 16,17.18; 2. Kor. 6,14-18; 2. Joh. 8-11.

Die biblische Lehre ist auch die Grundlage aller missionarischen Arbeit – denn was sollte den Menschen erzählt, bezeugt, verkündigt werden, wenn nicht die biblische Wahrheit? Darum müssen wir sie kennen, auch in ihrer Zusammenfassung in den Bekenntnissen, wie dem Apostolischen und Nizänischen Bekenntnis, auch dem Athanasianischen, dem Augsburgischen Bekenntnis und dem Kleinen Katechismus.

Gott arbeitet aber auch durch sein Wort an uns, denn er hat es uns unter anderem gegeben zur Strafe, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, zur Besserung. Denn wo können wir Gott begegnen? Es gibt keine Möglichkeit als Wort und Sakrament (wobei auch im Sakrament das Wort das Entscheidende ist). Darum ist es so lebens- und überlebenswichtig für den Jünger Jesu, dass er täglich intensiv mit Gottes Wort lebt, täglich darinnen liest, forscht. Nicht nur aus Pflicht oder Gewohnheit einen Abschnitt lesen, sondern, wie Paulus an die Kolosser schreibt, das Wort Christi unter euch reichlich wohnen lassen in aller Weisheit. Es geht darum, wirklich betend zu lesen, damit wir frei und bereit werden für das Reden und Wirken des Heiligen Geist durch das Wort. Nur dann, wenn wir offen sind, dass Gott zu uns reden und an uns arbeiten kann, nämlich uns Sünde aufzeigen, Verheißungen schenken, uns unterweisen, uns Wegweisungen geben, Ermahnungen, Stärkungen, Trost, Hilfe, Ermutigung, nur dann können wir wirklich schöpfen aus der Fülle des Wortes Gottes, wie wir es im 1., 19. und 119. Psalm lesen. Dazu gehört auch, dass wir mit allem, was uns bewegt, auch all unseren Fragen, selbst Zweifeln, an unsere tägliche Bibellese heran gehen, damit Gott uns antworten kann. Immer aber muss es dahin führen, dass wir uns beugen unter das Wort, dass nicht wir uns die Dinge zurecht biegen, sondern dass Gott durch sein Wort regiert, führt, leitet.

Gottes Wort soll unser Leben ausmachen, also unser Herz, unser Denken, Reden, unsere Haltung erfüllen, prägen – denn durch das Wort kommt der dreieinige Gott selbst zu uns. Das, was Gott durch Mose in 5. Mose 6 gesagt hat, das gilt ja auch uns, dass wir sein Wort uns zu Herzen nehmen sollen, davon reden, wo immer wir sitzen, gehen, stehen. Psalm 1 redet davon, dass wir haben Lust zum Gesetz des Herrn und reden von seinem Gesetz Tag und Nacht. Nur dann, wenn wir uns ganz dem Herrn zur Verfügung gestellt haben, rückhaltlos, ohne Einschränkung, nur dann, wenn es uns wirklich darum geht, nichts anderes als seinen Willen zu tun, nur dann werden wir diese Lust an seinem Wort recht haben und wirklich begehren, ganz von seinem Wort durch seinen Geist erfüllt zu sein.

Dann ist es uns so kostbar, so teuer, wie wir es bei Paulus finden, der von sich sagen konnte, als er die kleinasiatischen Gemeinden verließ, dass er euch nichts vorenthalten habe, dass ich nicht verkündigt hätte allen den Rat Gottes (Apg. 20,27). Alles war ihm wichtig, bedeutsam, so, wie Christus uns befohlen hat, zu verkündigen alles, was ich euch befohlen habe (Matth. 28,19).

Leben im Wort Gottes, das heißt dann aber auch, wie die frühe Gemeinde, bleiben in der Apostel Lehre, auch als Gemeinde. Da, wo die Möglichkeit gegeben ist, Glied einer rechtgläubigen Gemeinde zu sein, soll der Jünger sich anschließen, so ist es Gottes Ordnung und Mandat. Und da wird er Lehre, Unterweisung, Sündenerkenntnis, Lossprechung von Sünden, Trost, Ermahnung, Ermunterung empfangen durch das verkündigte Wort im Gottesdienst, in der Bibelstunde und den anderen Kreisen der Gemeinde – und er wird mit den anderen Gemeindegliedern darauf achten, dass Gottes Wort rein, lauter, unverkürzt und unverfälscht in Gesetz und Evangelium verkündigt wird und wird keine falsche Lehre und falschen Lehrer dulden.

 

 

Jüngerschaft – Dein Reich komme

 

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üngerschaft lebt aus dem Wort – und steht daher auch unter dem Auftrag Jesu Christi: Gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. (Matth. 28,19) Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. (1. Petr. 2,9) Jesus Christus hat uns nicht nur wiedergeboren, dass wir selbst einst bei ihm sein sollen in der Ewigkeit, das allerdings auch, sondern ebenso, dass wir als seine Jünger Boten sind, die sein Rettungswerk, für alle Menschen geschehen, auch anderen bezeugen. Wenn wir im Vaterunser beten: Dein Reich komme! so bezieht sich das nicht nur darauf, dass es allerdings zu uns kommen soll, indem der Heilige Geist uns durch das Evangelium in Wort und Sakrament zum Glauben ruft und den Glauben an Jesus Christus als unseren Heiland in uns weckt und erhält – sondern er will uns den Blick immer mehr weiten für die Menschen um uns her: in unserer Verwandtschaft, in unserem Freundeskreis, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in unserem Ort, unserer Region, unserem Volk, in den anderen Völkern, damit wir einen Blick bekommen für die ungeheure geistliche Not, dafür, wie so ungeheuer viele Menschen in der geistlichen Finsternis sind, auf dem Weg in die ewige Verdammnis.

Jüngerschaft heißt daher auch: andere zu Jesus Christus führen als ihrem Heiland. Das lernen wir schon bei Andreas und Philippus. Andreas brachte seinen Bruder Simon zu Jesus, Philippus seinen Freund Nathanael (siehe Johannes 1). So sollen auch wir, nachdem wir durch Gottes Gnade wiedergeboren sind zum ewigen Leben, fragen, mit wem wir bekannt sind, wie diese Menschen zu Jesus Christus stehen – und wenn sie noch fern sind von ihrem Heiland, wie wir sie erreichen können. Gott will sie uns aufs Herz legen, dass wir für ihre Errettung beten, auch darum, wie wir dabei Sendboten Gottes sein können. Wir sollen und dürfen um Gelegenheiten zum Zeugnis bitten, Gelegenheiten, im Gespräch auf das einzugehen, was wir selbst geschenkt bekommen haben – und wie sie selbst es doch auch brauchen und bekommen können. Das Zeugnis für unseren Heiland und Herrn fällt uns dabei oft schwer. Auch das sollte uns ein Gebet werden, dass wir viel offener, viel natürlicher im Alltag von unserem Heiland zeugen, die wir doch über so viele andere, oft auch unnütze, Dinge mit unseren Mitmenschen reden können. Dabei haben wir doch diese wunderbare Zusage unseres Heilandes: Ihr seid das Salz der Erde. Wo nun das Salz dumm wird, womit soll man salzen? Es ist zu nichts hinfort nütze, als dass man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es mag die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. (Matth. 5,13.14) Christus sagt hier nicht, dass wir Salz und Licht nach viel Anstrengung werden, er sagt nicht, dass wir das selbst bewerkstelligen müssten. Nein, er redet hier in der Gegenwartsform: Wer durch das Evangelium, durch den Glauben an ihn, sein Jünger geworden ist, der ist Salz der Erde und Licht der Welt. Nun gilt es, das, was wir von Gott geschenkt bekommen haben, auch wirklich einzusetzen, denn sonst droht das Salz dumm zu werden, das Licht zu verlöschen. Salz sein heißt auch, dass wir die Sünden nicht verschweigen dürfen, sondern Gottes Gesetz unverkürzt bezeugen – dann aber ebenso das kostbare Evangelium der Rettung durch Jesus Christus. Zum Licht sein gehören auch die guten Werke. Daher ist es wichtig, dass unser Leben nicht das genaue Gegenteil von dem bezeugt, was wir mit den Worten weitergeben wollen. Das wird uns immer wieder in die Buße führen.

Zeugendienst ist aber nicht nur Einzelkämpferchristentum. Auch hier gilt, dass wir, neben dem persönlichen alltäglichen Christuszeugnis, in unserem missionarischen Dienst eingebunden sein sollen in unsere Gemeinde. Bibel- und bekenntnistreue christliche Gemeinde ist missionarische Gemeinde oder es ist etwas verkehrt mit ihr und sie steht in der Gefahr, geistlich zu sterben. Es ist eine große Not, dass so viele Gemeinden und Christen sich nur um sich selbst drehen, darum, dass es ihnen gut geht – und so wenig offen und bereit sind für das Rettungswerk des Heiligen Geistes durch Wort und Sakrament. Die Gemeinde in Antiochien war eine missionarische Gemeinde. Der Heilige Geist konnte sie verwenden, dass sie Paulus und Barnabas ausgesandt hat zur Heidenmission (Apog. 13,1-3), diese Arbeit gewiss auch im Gebet getragen hat, denn die Sendboten sind dann auch wieder nach Antiochien zurückgekehrt und haben der Gemeinde ausführlich über ihren Dienst gerichtet. Von den Gliedern der Jerusalemer Gemeinde lesen wir, dass sie, als sie durch die Verfolgung zerstreut wurden, überall, wo sie hingekommen sind, von ihrem Heiland gezeugt haben, Apg. 8,4. Auch die Gemeinde in Antiochien ist eine Frucht dieser „Laienmission“, Apg. 11,19-21. Darum sollte es uns ein wichtiges Anliegen sein, dass unsere Gemeinden missionarische Gemeinden werden, dass wir weitere Menschen in den Gemeinden finden, mit denen zusammen Gemeindemission betrieben werden kann, wenn irgend möglich in Zusammenarbeit mit dem Pastor. Die Möglichkeiten sind vielfältig, es sei hingewiesen auf Hauskreise, auf missionarische Kinderkreise, freie christliche Bekenntnisschulen, auf Bibelkreise, Bibelseminare, thematische Vorträge, Evangelisationen, Straßenpredigten, Hausbesuche, christliche Konzerte; auch auf missionarisch-diakonische Arbeit, etwa unter Ausländern, Obdachlosen, Jugendlichen, Krankenhausmission, Gefängnismission.

Über dieser „Heimatmission“ darf aber die äußere Mission nicht vergessen werden, also die Mission unter anderen Kulturen, die heute oft nicht erst in weit entfernte Länder führen muss, sondern durch die vielen Völker, die hierher gekommen sind, schon im eigenen Land beginnen kann – aber natürlich auch die klassische äußere Mission soll nicht vergessen werden. Es ist für das geistliche Leben einer Gemeinde sehr belebend, wenn sie auch dafür einen Missionskreis hat, von Gemeindegliedern getragen, der Missionsvorträge veranstaltet, Kontakte zu Missionaren ermöglicht, Missionsgebetsstunden anbietet und auch, eventuell in Verbindung mit anderen Gemeinden, es in die Wege leitet, Missionare und Evangelisten auszusenden und zu unterstützen.

Und was ist das Ziel aller missionarischen und evangelistischen Arbeit? Zuerst und vor allem nicht, dass nur äußerlich neue Kreise entstehen – sondern das erste und vornehmste Ziel ist immer, dass Menschen durch das Evangelium im Wort zum bewussten Glauben an Jesus Christus als ihrem Heiland geführt werden und dann zur Taufe (und wenn sie schon getauft wurden: zurück zu ihrer einst empfangenen Taufgnade) und damit auch in die äußere Versammlung um Wort und Sakrament, in die gottesdienstliche Versammlung mit Sündenbekenntnis, Glaubensbekenntnis, Gottes Wort, Anbetung, Lob Gottes, Fürbitte und der Stärkung der Heilsgewissheit durch Christi Leib und Blut unter Brot und Wein im heiligen Abendmahl sowie der christlichen Unterweisung in der Christenlehre und der Bibelstunde. Das erste Ziel ist also immer, dass Menschen Glieder der verborgenen Gemeinschaft des Glaubens werden – dann aber auch, dass sie gesammelt werden in Gemeinden um Wort und Sakrament.

 

 

Jüngerschaft – Leben in völliger Abhängigkeit vom Herrn

 

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m vierten Kapitel des Philipperbriefes gibt Paulus ein gewaltiges Zeugnis von seiner freien inneren Haltung, die er im Glauben an den Heiland gewonnen hat: Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; ich bin in allen Dingen und bei allen geschickt, beide, satt sein und hungern, beide, übrig haben und Mangel leiden. Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus. (Phil. 4,12.13) Hier lernen wir einen Menschen kennen, für den diese äußeren Dinge ihren hohen Wert, den sie für uns oft haben, verloren haben. Aber nicht dadurch, dass er apathisch geworden wäre oder ein Asket, nein. Paulus konnte dies alles durch Christus. Sein ganzes Leben hing an diesem Mann von Golgatha, an dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Er lebte völlig aus der Kraft unseres Heilandes, lebte in gänzlichem Vertrauen auf ihn, der sich für uns am Kreuz auf Golgatha hingegeben hatte und darinnen seine abgrundtiefe Liebe zu uns bewies. Mangel, Probleme, Nöte werden darum nicht unbedingt weggewischt, aber sie werden dadurch möglicherweise schon wesentlich geringer, weil sich ihr Wert und ihre Härte schon reduziert hat. Und manche Nöte und Ängste lösen sich einfach auf, weil ihre Ursache herrührte von fehlendem Vertrauen zu dem dreieinigen Gott und einer Haltung, die nur die eigene Sicht der Dinge durchsetzen will und alles andere als böse ansieht und Gottes Liebe dann nicht mehr erkennen will.

Auch Paulus hat diese Glaubenshaltung erst lernen müssen. Wir lesen davon in 2. Kor. 12: Und auf dass ich mich nicht der hohen Offenbarung überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satanas Engel, der mich mit Fäusten schlage, auf dass ich mich nicht überhebe. Dafür ich dreimal zum Herrn geflehet habe, dass er von mir wiche; und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich gutes Muts in Schwachheiten, in Schmachen, in Nöten, in Verfolgungen, in Ängsten um Christi willen. Denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark. (V. 7-10) Wie gerne hätte er diesen Pfahl im Fleisch weg gehabt. Aber Gott hat ihn bewusst in sein Leben verordnet. Und was hat er daraus lernen dürfen? Aus der Gnade zu leben, allein aus der Gnade, nicht aus eigenem Vermögen, eigener Kraft, eigenen Möglichkeiten, sondern allein aus der Gnade. In der Welt, in der Leistung, Vorwärtskommen, Kraft, Stärke dominieren, da ist Schwachheit eine große Not – aber Paulus kann sich seiner Schwachheit rühmen, kann auch all das andere Schwere auf sich nehmen. Warum? Weil gerade dann die Stärke und Macht Christi in ihm zum Zuge kommt.

Die Grundlage aber ist auch hier immer wieder das Evangelium, das uns die Liebe Gottes vor Augen stellt, die er in Jesus Christus bewiesen hat, als er seinen eingebornen Sohn für uns Sünder dahingegeben hat. Das zeigt uns, dass er es wahrhaft, und in allen Dingen, gut mit uns meint, dass wir es wirklich annehmen können: Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen. (Röm. 8,28) Aber das ist ein schwerer Satz, oft sehr schwer in der konkreten Situation anzuwenden. Da aber, wo wir an dieser Tatsache festhalten, verbunden auch damit, dass er wahrhaft der Herr ist, der alles in seiner Hand hat, weshalb es auch keinen Zufall gibt, da können wir, wenn auch zuweilen erst nach manchem inneren Kampf, die Dinge aus Gottes Hand nehmen – und dann auch lernen, was er uns damit sagen will. Dann können wir konkret mit Paulus bekennen: Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Niedriges noch irgendeine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn. (Röm. 8,38.39)

Es ist dadurch, dass der Heilige Geist in uns dann rechte Demut, rechte Selbstverleugnung erwecken kann, wie sie Phil. 2,1-5 beschrieben wird, in der uns wiederum unser Heiland Jesus Christus Vorbild ist, der, obwohl in göttlicher Herrlichkeit seit seiner Zeugung, diese äußere Herrlichkeit all die Jahre seines Erdenlebens zumeist verborgen gehalten hat und als ein schwacher Mensch über diese Erde gegangen ist. Die Demut sucht nicht das Eigene, sucht nicht sich selbst, sondern Gott und den anderen, ihm zu dienen.

Die Demut ist auch die rechte Haltung, durch die wir uns beschenken lassen von Gott und nicht meinen, ihm etwas bringen zu müssen. Es ist die Haltung, die auch in der ersten Seligpreisung beschrieben wird: Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihrer. (Matth. 5,3) Sie wollen Gott nichts mehr bringen, nicht aus eigenem Verdienst, eigener Kraft gerettet werden oder irgendwie daran mitarbeiten, sondern stehen als Bettler, elende Sünder da vor dem allmächtigen, lebendigen Gott – um sich von seiner Gnade, seiner Gerechtigkeit, seiner Liebe beschenken zu lassen, völlig, mit allem, was sie brauchen.

Leben in der völligen Abhängigkeit von Gott – das lehrt uns auch die vierte Bitte des Vaterunsers: Unser täglich Brot gib uns heute! Hier wird uns deutlich, wie wir auch in den vielen Dingen des Alltages abhängig sind, vollkommen abhängig sind von dem dreieinigen Gott: ob es sich um Nahrung oder Kleidung, Wohnung oder Arbeitsplatz, Wetter, guten Ruf, gute Nachbarn, Regierung, Gesundheit handelt. Es fällt uns oft nicht so ins Auge, zumindest dann nicht, wenn alles scheinbar so „glatt läuft“. Da meinen wir, ganz andere Faktoren seien für diese Dinge verantwortlich, Willen, Vernunft, Kraft der Menschen. Aber das ist ein Irrtum, so sehr auch Gott diese Elemente mit benutzt. Aber er ist es, der alles regiert und nur in der normalen, natürlichen Ordnung Arbeit und Denken und Handeln mit einbezieht, um zu seinem Ziel zu kommen. Und doch – ohne Gottes Segen läuft nichts, da arbeiten umsonst, die da arbeiten, Ps. 127,1.

Leben in der völligen Abhängigkeit vom Herrn – das kann in besonderen Situationen auch bedeuten, völlig den Glaubensweg für alle Bedürfnisse zu gehen. Wir kennen dies aus verschiedenen Missionsarbeiten, etwa von Georg Müller in Bristol, von Hudson Taylor in China, auch von den sogenannten Glaubensmissionen. Wir kennen es aber auch aus besonderen Lagen der Gemeinde, gerade in der Verfolgung, sei es während der Reformationszeit, sei es auch in den letzten hundert Jahren. Immer wieder haben Christen es erfahren, wie Gott sie mit dem, was sie brauchten, versorgt hat.

Leben in dieser Abhängigkeit vom Herrn heißt zugleich auch, ihm wirklich die ganze Führung im Leben zu überlassen, sich völlig seiner Leitung anzuvertrauen. Das kann sich in der Berufs- wie der Arbeitsplatzwahl zeigen, in der Frage ob Ehe oder Ehelosigkeit und der Wahl des Ehepartners, auch bei größeren Anschaffungen, die viele finanzielle Mittel notwendig machen. Dies zeigt sich aber gerade auch für Gemeinden und Kirchen in ihrer Arbeit, dass sie die Wege, die Ausbreitung, auch das Tempo des Vorwärtsgehens ganz Gott überlassen, wie er führt, wie er die Mittel gibt – dann aber andererseits auch vertrauen, wenn sie seine Wege gehen, dass er die Mittel geben wird, selbst dann, wenn es scheinbar zuweilen ganz anders aussehen will. All dies macht immer wieder deutlich, wie sehr solch ein Leben ein Leben aus dem Wort und im Gebet ist.

 

 

Jüngerschaft – in der Bereitschaft zum Martyrium

 

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lle, die da selig leben wollen in Christus Jesus, müssen Verfolgung leiden. (2. Tim. 3,12) So schreibt der Apostel Paulus an seinen Schüler und Mitstreiter Timotheus. Und mit dieser Aussage greift er nur Worte unseres Heilandes wieder auf, der ganz unmissverständlich vor seinem Leiden und Sterben uns verkündigt hat: So euch die Welt hasset, so wisset, dass sie mich vor euch gehasset hat. Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb; dieweil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich habe euch von der Welt erwählt, darum hasset euch die Welt. Gedenket an mein Wort, das ich euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, sie werden euch auch verfolgen. (Joh. 15,18-20) Dass dem Evangelium und damit auch uns, die wir bewusst als Christen leben wollen, Feindschaft entgegen schlägt, das sollte uns daher nicht verwundern (auch wenn wir Acht geben müssen, dass wir sie nicht unnötig provozieren). Es gehört zum Christsein dazu. Darum sagte Jesus Christus bereits in den Seligpreisungen: Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn das Himmelreich ist ihrer. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übels wider euch, so sie darin lügen. Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnt werden! Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind. (Matth. 5,10-12)

Die Neigung ist sehr groß bei uns, diese Tatsachen auszublenden, beiseite zu schieben. Das ist aber ein fataler Irrweg. Jesus Christus hat nicht von ungefähr diese Dinge gesagt. Er will uns damit zubereiten auf etwas, das auch uns selbst treffen kann, in sehr unterschiedlicher Weise – aber unter Umständen auch in der Form der systematischen Verfolgung und Ermordung um des Glaubens willen. Und er will, dass wir dazu bereit sind. Nicht Angst soll dabei unsere Haltung bestimmen, sondern die vielmehr, wie unser Heiland in der Bergpredigt sagt: Glückseligkeit. Das erscheint uns vielleicht fremd, eigenartig. Aber er will, dass wir den Blick auf das Ziel lenken: das Himmelreich, das wir erreichen werden. Und die Wolke der Märtyrer, die uns umgibt, angefangen mit Abel, bis hin zu Sacharja (Zacharias) im Alten Testament, dann weiter mit Stephanus und Jakobus als Nachfolgern unseres Heilandes im Neuen Testament – und bis in unsere Tage.

Von den Aposteln und Jüngern der frühen Gemeinde können wir auch lernen, wie wir in diesen Kampf gehen sollen. So heißt es von Petrus und Johannes, nachdem sie ins Gefängnis geworfen, gestäupt und bedroht worden waren: Sie gingen aber fröhlich von des Rats Angesicht, dass sie würdig gewesen waren, um seines Namens willen Schmach zu leiden. (Apg. 5,41) Sie haben sich nicht einschüchtern lassen, obwohl sie wussten, dass der Tod auch an sie herantreten könnte. Nein, sie haben weiterhin gepredigt. Und sie haben es als eine Ehre angesehen, dass sie für Jesus Christus leiden durften. Petrus mahnt uns deshalb in seinem ersten Brief: Ihr Lieben, lasset euch die Hitze, so euch begegnet, nicht befremden, die euch widerfährt, dass ihr versucht werdet, als widerführe euch etwas Seltsames, sondern freuet euch, dass ihr mit Christus leidet, auf dass ihr auch zu der Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und Wonne haben möget. (1. Petr. 4,12.13) Auch hier gilt es, Nachfolger zu sein, denn unser Heiland Jesus Christus ist uns den Weg voran gegangen. Das Leiden, die Trübsal will oft dann ganz unser Gemüt verschlingen – aber gerade dann sollen wir auf die zukünftige Herrlichkeit sehen: Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig. (2. Kor. 4,17.18) Wenn wir mitten in der Verfolgung stecken, so wird uns die Zeit schier unendlich vorkommen – und doch, immer wieder bei Daniel und auch in der Offenbarung Jesu Christi an Johannes wird es deutlich, dass Gott diese Zeit begrenzt hat. Und wenn sich dann alles zum Letzten zugespitzt hat, dann wird Christus wiederkommen und alle Feinde überwinden. Das ist dann der Jüngste Tag.

Solch eine Haltung können wir nicht aus uns produzieren – so wenig, wie die Heiligung, die Nachfolge, die Jüngerschaft unser Produkt ist. Nein, auch sie ist etwas, das der Heilige Geist durch Wort und Sakrament in uns wirken will. Darum sollen wir ihn darum bitten. Auch wäre es falsch, wenn wir uns selbst ansähen und dann fragten, ob wir wohl in der Verfolgung standhalten könnten? Aus uns – gewiss nicht! Auch hier lasst uns aber mit Paulus auf den Herrn sehen, dass wir gerade in unserer Schwachheit uns von ihm, dann, wenn es nötig ist, die Kraft geben lassen. Die Kirchengeschichte berichtet uns immer wieder auch über sehr junge Christen, halbe Kinder noch, junge Mädchen, die, als es an sie kam, freudig und getrost den Weg gehen konnten, weil sie allein auf Christus vertraut haben (z.B. Blandina).

Wir sollten uns nichts vormachen: Wir leben in der letzten Zeit – und die Wagenburg, die der Teufel um die Gemeinde Jesu Christi baut (Offenb. 20,8.9), wird dichter und enger. Die letzten Jahrzehnte sind Zeiten der bisher schlimmsten Christenverfolgungen in der Geschichte der Menschheit gewesen. Und das wird noch zunehmen, auch in unseren Breiten. Das, was sich früher regional abspielte, das geschieht jetzt im globalen Maßstab. Diese Globalisierung aller Dinge ist auch ein wichtiges Zeichen der immer näher kommenden Wiederkunft Christi und des Jüngsten Tages. Darum gilt es, bereit zu sein – zugerüstet durch ihn und seinen Geist!

 

 

In der Erwartung der Wiederkunft Jesu Christi

 

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nser Leben als Christen ist auf ein Ziel ausgerichtet – oder sollte es zumindest sein: die Wiederkunft Jesu Christi und die Gemeinschaft mit ihm in der ewigen Herrlichkeit. Dieses Ziel sollte auch unser Leben prägen, weil es die Dinge dieser Zeit und Welt in ihrem Wert relativiert, denn alles, was mit dieser Zeit etwas zu tun hat, ist zeitlich begrenzt, wird einst vergehen. Dies ist, wie schon erwähnt, besonders wichtig im Blick auf die Verfolgungen und die damit verbundenen Leiden und Trübsale: Sie wollen uns zum einen nur umso mehr abziehen von dieser Zeit und Welt, zum anderen aber sollen wir gerade auch in diesem Zusammenhang immer bedenken, dass sie in ihrer Wirkung und Auswirkung kurz sind, verglichen mit dem, was uns erwartet: Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig. (2. Kor. 4,17.18) Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, so wir anders mit leiden, auf dass wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden. Denn ich halte dafür, dass dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns soll offenbaret werden. (Röm. 8,17.18)

Unser Leben als Christen, wenn Christus in uns lebt, ist ausgerichtet auf den Himmel, auf die Herrlichkeit, schon in diesem Leben, denn der Himmel ist unsere Heimat, unser wahres Vaterland, von dem wir auch die Wiederkunft Christi erwarten. Unser Wandel aber ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilandes Jesus Christus, des Herrn, welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leib, nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge ihm untertänig machen. (Phil. 3,20.21) Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, und nicht nach dem, was auf Erden ist! Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in der Herrlichkeit. (Kol. 3,1-4) Unser neues Leben hat seinen Grund im Himmel; unser ganzes Sinnen und Trachten soll dahin ausgerichtet sein, denn unser Heiland ist dort, sitzend zur Rechten des Vaters, und lebt in uns. Darum soll unser Leben auch in seiner Grundhaltung auf den Himmel, auf Christi Willen, Wollen ausgerichtet sein.

An Paulus können wir diese Ausrichtung auf die Ewigkeit, auf die Wiederkunft Christi, auch die wachsende Bereitschaft zum Sterben lernen. Er konnte bezeugen: Ich warte und hoffe, dass ich in keinerlei Stück zuschanden werde, sondern dass mit aller Freudigkeit, gleichwie sonst allezeit, also auch jetzt, Christus hoch gepriesen werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod. Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.... Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein, welches auch viel besser wäre. (Phil. 1,20.21.23)

Wie aber sind wir denn recht bereit auf die Wiederkunft Christi? Zum einen, wenn wir uns bewusst sind, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht (1. Thess. 5,2), also unerwartet, ohne große Ankündigungen. Wir sollen allerdings auf die Zeichen der Zeit achten, von denen unser Heiland Matth. 24 spricht. Aber wir können immer eindeutiger sagen, dass sie erfüllt sind oder dabei sind, immer globaler sich zu erfüllen. Darum: So lasset uns nun nicht schlafen, wie die andern, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein. (1. Thess. 5,6) Bereitschaft für Christi Wiederkunft heißt also, wachsam sein, nüchtern sein, sich nicht durch ungeistliche Schwärmerei einfangen lassen, sondern genau achten auf das, was der Herr uns durch die alt- und neutestamentliche Prophetie, auch in seinen eigenen Worten, für die letzte Zeit vorausgesagt hat. Und deren Kennzeichen sind in Matth. 24 sehr deutlich: Krieg, Aufruhr, Revolution, Wirtschaftskrisen, geistig-moralischer Verfall, Verfall der Familie, Erkalten der Liebe in den Menschen, Naturkatastrophen; vor allem aber: immer mehr um sich greifende Irrlehren, Verführungen, auch durch falsche Zeichen und Wunder, sowie massive Verfolgungen, mit dem Ziel, die bibel- und bekenntnistreue Gemeinde Jesu Christi auszulöschen, kurz: das letzte Aufbäumen der antichristlichen Macht, des Papsttums, und ihrer Verbündeten. Wozu ruft uns dabei unser Heiland auf? Wenn wir genau seine Aussagen in Matth. 24 und 25 ansehen, so erkennen wir: Christus will, dass wir wachen, dass wir treu, eifrig sind in unseren Aufgaben, die er uns übertragen hat, in unserem Beruf, unserer Familie, in der Gemeinde, an dem Platz, an den er uns gestellt hat, Matth. 24,43-51. Es gilt, standhaft an seinem Wort und Glauben festzuhalten, von der biblischen Lehre nicht abzulassen, keine Kompromisse mit anderen Kirchen oder der Welt einzugehen, auch wenn die Wege als bibeltreue Gemeinde sehr einsam werden. Es gilt daher auch, immer fester in der biblischen Lehre zu werden, recht unterwiesen zu werden durch die Schrift und bibel- und bekenntnistreue Lehrbücher (Dogmatiken). Es gilt vor allem aber, dass der Heilige Geist durch das Wort in Gesetz und Evangelium immer an uns arbeitet, Sünde aufzeigt, uns beugt unter die Sünde, dass wir sie bekennen, uns von Jesus Christus reinigen lassen, die Vergebung empfangen, den Glauben erneuern lassen, damit wir das Öl des Glaubens haben und nicht wie die törichten Jungfrauen nur äußerlich zur Gemeinde gehören, aber nicht zur rechten Gemeinschaft des Glaubens (Matth. 25,1-13).

Gerade diese letzte Zeit wird mit viel Kampf, Trübsal, Not angefüllt sein, weil auch im Bereich der Christenheit der Abfall so groß wird: Denn es wird eine Zeit sein, da sie die heilsame Lehre nicht leiden werden, sondern nach ihren eigenen Lüsten werden sie sich selbst Lehrer aufladen, nach dem ihnen die Ohren jucken; und werden die Ohren von der Wahrheit wenden und sich zu den Fabeln kehren. (2. Tim. 4,3.4) Auch das geschieht jetzt schon und greift immer mehr um sich, denken wir nur an die Gemeindewachstumsbewegung, an Willow Creek und Saddleback, die allesamt einerseits mit weltlichen Methoden und „Wissenschaften“ arbeiten und so Gottes Reich bauen wollen, andererseits aber sich in der Weise der Verkündigung und ihrem Inhalt völlig der Welt anpassen. Dies wird auch sichtbar daran, wie ehemals konservativere christliche Kreise sich von der Ökumene und der Pfingstbewegung einfangen lassen, wie sie Politik und Sozialarbeit gleichwertig neben die Verkündigung des Evangeliums stellen. Bequemlichkeit, Vergnügungssucht, Wohlfühlchristentum, Spaßchristentum mit oberflächlicher Verkündigung, die kaum noch echte Gesetzespredigt, echte Buße und Zerbruch, tiefgreifende Umkehr und Erneuerung kennt, auch kaum noch biblische Unterweisung, sind Zeichen dieses endzeitlichen Niedergangs. Vom Antichristen heißt es ja, dass seine Zukunft geschieht nach der Wirkung Satans mit allerlei lügenhaftigen Kräften und Zeichen und Wundern und mit allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit unter denen, die verloren werden, dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, dass sie selig würden. Darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, dass sie glauben der Lüge, auf dass gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit (2. Thess. 2,10-12).

Darum gilt uns gerade für die letzte Zeit besonders die Mahnung des Apostels Paulus: Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark! (1. Kor. 16,13)

Zugleich aber soll unser Herz brennen für unseren Heiland Jesus Christus und seine Wiederkunft, wie Johannes am Ende der Offenbarung schreibt: Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es höret, der spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst... Ja, komm, Herr Jesu! (Offenb. 22,17.20b)