Von
Roland Sckerl
Inhaltsverzeichnis
Entfaltung der Jüngerschaft: Ganzhingabe
Entfaltung der Jüngerschaft: Selbstverleugnung – Sterben, um zu leben:
Leben unter dem Kreuz
Entfaltung der Jüngerschaft: Christus dienen
Entfaltung der Jüngerschaft: Christus gehorchen
Grundstruktur der Jüngerschaft: Gerechter und Sünder zugleich (Simul
iustus et peccator)
Die tägliche Reinigung und tägliche Erneuerung der
Hingabe
Stärkung durch das heilige Abendmahl – Leben in der
Gemeinde Christi
Leben im Wort und aus dem Wort
Jüngerschaft – Dein Reich komme
Jüngerschaft – Leben in völliger Abhängigkeit vom Herrn
Jüngerschaft – in der Bereitschaft zum Martyrium
In der Erwartung der Wiederkunft Jesu Christi
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er kann denn ein Jünger, ein Schüler, ein Nachfolger Jesu sein? Im Vollsinn des Wortes kann nur der wirklich ein Nachfolger Jesu Christi sein, der von ihm von neuem geboren wurde. In einem weiteren Sinne wird der Begriff des „Jüngers“, der ja einfach auch mit Schüler übersetzt werden kann, zuweilen so verwendet, dass er auch die einbezieht, die religiös interessiert sind, die angefangen haben, sich mit Jesus, seinem Wort, zu beschäftigen, vielleicht sogar „entschieden“ haben, ihm nachzufolgen. Solche sind aber darum zumeist noch nicht als Wiedergeborene anzusehen, es sei denn, sie wären durch die Erleuchtung des Gesetzes auch schon zu einer tiefgreifenden Sündenerkenntnis und durch die Erleuchtung des Evangeliums zu einer rechten, wenn auch nur anfangsweisen, Erkenntnis Jesu Christi als ihres Heilandes gekommen. Die Bibel bietet uns für diesen Gebrauch des Begriffes keinen Anhaltspunkt. Ob wir nun Andreas nehmen oder Philippus (Joh. 1) oder auch Simon Petrus (Luk. 5), sie hatten alle, als sie von Jesus Christus in die Nachfolge berufen wurden, zumindest den Anfang einer rechten Erkenntnis Jesu Christi. Und in der Apostelgeschichte, z. B. 11,26, wird der Begriff eindeutig für diejenigen gemeint, die ein Bekenntnis zu Jesus Christus abgelegt haben (wobei er, wie der Begriff der „Christen“ zwar allen zukommt, die der äußeren Versammlung um Wort und Sakrament angehören, der aber auch Heuchler und Scheinchristen beigemischt sind, tatsächlich aber nur übertragenerweise, also um der wahren Christen willen, die tatsächlich zur verborgenen Gemeinschaft des Glaubens an Jesus Christus gehören). Wenn wir zudem weiter betrachten, was Jünger Jesu ausmachen soll, wie ja in den weiteren Abschnitten geschieht, so wird deutlich, dass dies nur auf die zutreffen kann, die im lebendigen Glauben an Jesus Christus stehen.
Wer
also kann überhaupt ein Jünger Jesu sein? Nochmals: Nur derjenige, der durch
das Evangelium von Jesus Christus in Taufe und Wort zum lebendigen Glauben an
ihn als seinem Heiland wiedergeboren wurde. Was heißt das? Das heißt für den
zum Bewusstsein gekommenen Menschen, dass er durch das Gesetz zu einer
eindeutigen Sündenerkenntnis gekommen ist, wie wir es Psalm 51 von David lesen
oder von dem Zollbeamten Luk 18,9 ff. oder dem Schächer am Kreuz, Luk. 23,39
ff. Zunächst mag es sich dabei um das Erkennen der einen oder anderen Sünde
handeln, aber dann wird diese Erkenntnis immer breiter und vor allem auch
tiefer, bis dahin, dass die Person erkennt, dass die Wurzel der Sünde in ihr
selbst, in ihrem Herzen liegt, und sie lebendig begreift, dass sie abgrundtief
verdorben ist, unfähig, Gott irgendetwas zu bringen, geistlich tot, unmöglich,
dass sie aus eigener Kraft an Jesus Christus glauben oder zu ihm kommen könnte,
Gott lieben und ihm dienen. Da, wo dies lebendig geschieht, da kommt es zu
einem tiefgehenden Zerbruch, zu einem geängsteten und zerschlagenen Herz und
Gemüt, Ps. 34,19; 51,19, da wird die Person geistlich wirklich völlig arm, nur
noch empfangend, Matth. 5,3. Dieser Zerbruch ist gepaart mit einer tiefen Reue
über die angerichtete Sünde, die man gerne wieder rückgängig machen würde, ja,
einem Hass gegen die Sünde. All das sind Wirkungen des Gesetzes Gottes am
Menschen (Erleuchtung durch das Gesetz; Durchbruch der Sündenerkenntnis), ist
ein Handeln des Heiligen Geistes durch das Gesetz, vorbereitend, so, wie der
Bauer den Acker pflügt, um dann den Samen hineinzulegen. Es wäre falsch, diese
Wirkungen des Gesetzes als „Vorbedingungen“ darzustellen, die der Mensch
bringen müsste, um dann glauben zu können. Wer so lehrt, verkennt, dass der
Mensch immer noch geistlich tot ist, noch nicht wiedergeboren, und alles nur
Geschenk des Heiligen Geistes ist (siehe auch Joh. 16,8-11). Reue und Buße im
engeren oder eigentlichen Sinne sind kein Werk, dass wir Menschen als
Vorauszahlung zu bringen hätten, sondern Wirkungen des Heiligen Geistes durch
das Gesetz, womit er uns zubereitet auf den Glauben an Jesus Christus, den
Heiland.
Dann
ist es wichtig, dass der Mensch auch lebendig Jesus Christus als seinen Heiland
erkennt, dass er lebendig erfasst, dass Jesus Christus in die Welt gekommen
ist, die Sünder zu retten (Luk. 19,10) und dass er als das Lamm Gottes die
Sünden aller Menschen aller Zeiten am Kreuz getragen hat (Joh. 1,29) und so
Gott mit der Welt versöhnt hat, so dass in Christus die Sünden nicht
angerechnet werden, sondern vielmehr vergeben sind. Wenn nun ein über seine
Sünde verzweifelter Mensch dies hört und vom Heiligen Geist durch das
Evangelium erleuchtet wird, dann kommt er als ein Bettler, ein elender, armer
Sünder zu Jesus Christus, um sich von ganzen Herzen an ihn als seinen Heiland
zu klammern, ergreift es für sich, dass Jesus Christus nun auch sein Heiland
ist, der auch für ihn alle Sünden getragen, der Gott auch mit ihm versöhnt hat,
der auch für seine Sünden durch sein Blut, durch seinen Gehorsam, Leiden und
Sterben genug bezahlt hat. Das ist der rettende Glaube. Es ist wichtig, dass
auch derjenige, der als Säugling getauft und damit Christus übereignet wurde,
dem dort der Tod des alten Menschen und die Vergebung der Sünden und das neue
Leben geschenkt wurden, dass also derjenige auch, wenn er zum Bewusstsein
kommt, seine Sündenverdorbenheit und Verlorenheit ohne Jesus Christus und Jesus
Christus als seinen Heiland in einen bewussten persönlichen Glauben erkennt,
so, wie auch im Alten Testament die als Säuglinge Beschnittenen zu einer
Herzensbeschneidung kommen mussten (5. Mose 10,16; 30,6; Jer. 4,4), und so das,
was ihm in der heiligen Taufe geschenkt wurde, im bewussten Glauben für sich
persönlich ergreift.
Wenn
der Heilige Geist durch Paulus 2, Kor. 5,17 schreibt: Ist jemand in
Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen; siehe, es ist
alles neu geworden. so zeigt dies genau auch das an, was Jesus Christus
Mark. 8,35 beschreibt: Wer sein Leben will behalten, der wird’s verlieren;
und wer sein Leben verliert um meinet- und des Evangeliums willen, der wird’s
behalten. Es geht um den Tod des alten Menschen, darum, dass er
grundsätzlich mit Christus gekreuzigt ist, was in der Taufe und Bekehrung
geschieht, Röm. 6,3, um dann im täglichen Christenleben entfaltet zu werden im
tägliches Sterben, Röm. 8,36; 2. Kor. 4,11; Eph. 4,22.
Was
ist nun die Grundlage dieses neuen Lebens? Es ist nicht das Gesetz, nicht
Forderungen Gottes, sondern einzig und allein das Evangelium, wie es 2. Kor.
5,17-21 dargelegt ist und Röm. 8,28 ff. Das rechte christliche Leben kennt
keinen anderen Grund als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten, 1.
Kor. 2,2, der uns gemacht ist von Gott zur Weisheit und zur Gerechtigkeit
und zur Heiligung und zur Erlösung, 1. Kor. 1,30. Das neue Leben ist
geprägt von der Liebe Gottes, die sich in Jesus Christus, dem Gekreuzigten und
Auferstandenen, geoffenbart hat, Joh. 3,16; 1. Joh. 4,9.10; Röm. 5,8,
persönlich geschenkt und zugeeignet in der Taufe. Darum ist der Christ seines
Freispruchs im Jüngsten Gericht gewiss, seiner Vergebung der Sünden, der
Auferstehung zur ewigen Herrlichkeit, des ewigen Lebens mit Christus. Er weiß,
dass Gott in Christus für ihn, den Sünder, ist, Röm. 8,31, und dass ihn nichts,
was immer in diesem Leben passieren mag, von dieser Liebe Gottes in Jesus
Christus scheiden kann, Röm. 8,35-39, es sei denn, er scheidet sich selbst von
Christus, indem er der Sünde wieder die Herrschaft gibt.
Darum
weiß der Christ auch, dass Gott sein Leben völlig in seiner Hand hat und dass
nichts, was auch immer geschehen mag, durch „Zufall“ geschieht, ohne Gottes
Wissen, Zulassen. Ja, noch mehr: Er weiß, dass ihm alle Dinge zum Besten dienen
müssen, Röm. 8,28. Und das gilt gerade auch in den Lagen, in denen Schweres,
Schmerzvolles, Leidvolles, Bedrückendes sein Leben ausmacht und dieser Satz nur
sehr schwer anzunehmen ist.
Wenn
aber der Jünger aus dem Evangelium Christi lebt – welche Stellung, welche
Aufgabe hat dann in seinem Leben das Gesetz? Diese Frage ist sehr wichtig, da
es leider nicht wenige Kreise gibt, die dem Gesetz immer noch eine überragende
Rolle zuerkennen und die christliche Freiheit sehr einschränken. Paulus gibt
die Grundlinie in Röm. 7,4 vor: Also auch, meine Brüder, ihr seid getötet
dem Gesetz durch den Leib Christi, dass ihr bei einem andern seid, nämlich bei
dem, der von den Toten auferweckt ist, auf dass wir Gott Frucht bringen.
Zuvor, bevor ein Mensch wiedergeboren ist durch das Evangelium in Taufe und
Wort, lebte der Mensch unter dem Gesetz, war wie „verheiratet“ mit dem Gesetz,
unter seiner Herrschaft, seinem Fluch – verurteilt zum Tode. Christus aber hat
sich für einen jeden Menschen auf Golgatha in den Tod dahin gegeben, hat somit
für jeden Menschen die Schuld bezahlt, den Forderungen und dem Fluch des
Gesetzes genug getan, da er ward ein Fluch für uns, Gal. 3,13. Durch Christi
Tod ist die Macht, die das Gesetz über uns hat, gebrochen worden. Und wenn ein
Mensch wiedergeboren wird, sich also im lebendigen Glauben an Jesus Christus
als seinen Heiland klammert, da ist er, dieser Mensch, dem Gesetz getötet, weil
er mit Christus gestorben ist, getötet auch dem Gesetz. Der Fluch, die
Herrschaft und Gewalt des Gesetzes ist über ihn, nach dem neuen Menschen, zu Ende.
Dieses neue Leben ist allerdings kein Leben in Selbstherrlichkeit, sondern
durch den Glauben sind wir nun Christus vermählt, sind sein Eigentum, unter
seiner Leitung und leben dafür, Gott Frucht zu bringen. Unsere Freiheit ist
eine Freiheit dafür, Gott in Christus zu dienen, denn Christus lebt jetzt in
uns, Gal. 2,20.
Hat
das Gesetz uns nun gar nichts mehr zu sagen? Nach dem neuen Menschen nicht,
denn der neue Mensch wird durch den Heiligen Geist geleitet, der in ihm wohnt
und ihn durch Gottes Wort führt, auch das Gesetz Gottes in sein Herz
geschrieben hat, Jer. 31,33; Hes. 36,26.27. Aber: Dieser neue Mensch wird in
diesem Leben nie vollkommen sein. Der alte Mensch ist vielmehr immer noch
lebendig, wie Paulus sehr anschaulich Röm. 7,13-25 darlegt und Johannes im
ersten Kapitel seines ersten Briefes deutlich macht. Darum fällt auch der
Christ immer wieder in Sünde, bedarf darum auch immer wieder, dass er auf
Schuld und Sünde in seinem Leben aufmerksam gemacht wird – eben durch das
Gesetz, Röm. 7,7 (zweiter Gebrauch des Gesetzes), wie er es um seines alten
Menschen willen, der gerne auf eigene Werke verfällt, nötig hat, dass er durch
das Gesetz unterwiesen wird, was der Wille Gottes für ihn ist (dritter Gebrauch
des Gesetzes). Und doch – wenn er dann diese Werke vollbringt, dann eben nicht
aus dem Zwang und der Forderung des Gesetzes heraus, denn dann würden sie nur
lauter Sünde vor Gott sein, sondern wir dienen im neuen Wesen des Geistes
und nicht im alten Wesen des Buchstabens, Röm. 7,6, aus Liebe zu Christus,
aus Dankbarkeit zu Gott, zur Ehre Gottes, zu seinem Wohlgefallen.
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er natürliche, von Christus
nicht wiedergeborne, Mensch lebt sich selbst, nach seinen Wünschen, Ideen,
Vorstellungen, Zielen, ist beherrscht von eigenen Ideen, Maßstäben, Vorhaben,
unter Umständen bereit, diese seine Vorstellungen und Ziele rücksichtslos zu
verfolgen. Er will, wie der Teufel es Eva im Paradies vorgegaukelt hat, sein
eigener Herr sein (und bemerkt gar nicht, wie er vom Teufel und der Sünde
beherrscht wird). Wenn der alte Mensch auch in Taufe und Bekehrung
grundsätzlich in den Tod gegeben wurde, Röm. 6,3.4, so ist er doch immer noch
wieder lebendig und versucht, die Herrschaft in unserem Leben zurück zu
erlangen. Darum ist dieses Leben durch geistlichen Kampf gekennzeichnet, wie
wir später noch sehen werden, Gal. 5,16.17. Vor allem aber ist es darum
wichtig, dass wir nicht nur einmal grundsätzlich, sondern dann auch immer
wieder neu, als Erlöste, Wiedergeborene, unser Leben unserem Heiland Jesus
Christus weihen, dass er wirklich Herr in unserem Leben ist, uns in allem
regiert und führt, wir völlig und ganz allein sein eigen sind, er in uns und
durch uns leben kann. Dies ist das tägliche Leben aus der Taufe, Röm. 6,3 ff.
In
Röm. 12,1 ruft er uns deshalb dazu auf: Ich ermahne euch, liebe Brüder,
durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euere Leiber begebet zum Opfer, das
da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei, welches sei euer vernünftiger
Gottesdienst. Worum geht es? Dieser Vers leitet die Kapitel ein, in denen
es sehr konkret um die christliche Lebensweise in vielen Bereichen geht. Er
macht damit deutlich, wie es überhaupt möglich ist, als Christ zu leben –
nämlich nur dann, wenn wir nicht mehr uns selbst gehören, nicht mehr uns selbst
leben, sondern allein dem, der für uns gestorben und auferstanden ist, Jesus
Christus. Er ruft uns dazu auf, unsere Leiber Gott zu einem Opfer zu bringen.
Es mag auf den ersten Blick verwundern, warum hier von den Leibern die Rede
ist. Wir finden diesen Ausdruck im Römerbrief häufiger: Denn der Leib ist der
Wohnraum der Seele und deren Werkzeug. Wenn die Seele, als der
Wesenskern des Menschen, sich wirklich Gott hingibt, dann eben dadurch, dass
sie all ihre Werkzeuge, alles, wodurch sie lebt, eben den Leib, Gott hingibt.
Das Opfer, von dem hier die Rede ist, ist der Ausdruck, der in der Septuaginta,
dem griechischen Alten Testament, für das Ganzopfer oder Brandopfer verwendet
wird. Das ist ganz wichtig. Denn damit wird deutlich, worum es für uns geht:
Gott will nicht nur ein bißchen von unserem Leben, er will auch nicht nur 90 %
von unserem Leben, auch nicht 99 %, nein, er will uns 100-prozentig. Unser
altes Ich muss ganz auf dem Altar verbrannt werden, unser Leib, unser Herz,
unser Leben muss ihm völlig und ganz gehören, bis hinein in den letzten Winkel.
Dieses Opfer soll lebendig, heilig, Gott wohlgefällig sein. Nur das Opfer ist
Gott wohlgefällig, das von Herzen, freiwillig kommt, ungezwungen, eben aus dem
vom Evangelium Christi, von der Liebe Christi erfüllten Herzen. Darum heißt es
im zweiten Korintherbrief: Die Liebe Christi dringet uns also, da wir
halten, dass, wenn einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben.
Und er ist darum für alle gestorben, damit die, so da leben, hinfort nicht sich
selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist. (2.
Kor. 5,14.15) Die Triebfeder, die Motivation der Hingabe, der Lebensweihe, ist
also in keiner Weise das Gesetz (das uns allerdings anklagt, wenn wir sie nicht
vollziehen, und uns sagt, dass wir sie tun sollen), sondern einzig das
Evangelium, die Liebe Christi, die Barmherzigkeit Gottes, die sich am hellsten,
klarsten am Kreuz auf Golgatha gezeigt hat, in dem blutigen Opfertod unseres
Heilandes Jesus Christus für uns und alle Menschen. Und weil wir da alle mit
ihm gestorben sind, grundsätzlich, uns zugeeignet in der Taufe und Bekehrung,
darum sollen wir nun, als neue Menschen, nicht mehr uns selbst leben, sondern
Christus. Und zwar wirklich: leben. Es soll ein lebendiges Opfer sein. Unser
ganzes Leben soll dahinter stehen, unser ganzes Leben soll jetzt, freudig,
freiwillig, für Christus geführt sein, in allem, was wir tun, völlig, ganz,
gern. All die Lebensenergie, die wir haben, unseren Willen, unser Wollen,
unseren Eifer, alles unterwerfen wir völlig unserem Herrn, Jesus Christus, dass
er alles für sich in Besitz nehme, alles, was irgend zu uns gehört, gebrauche,
einsetze. Und dieses Opfer soll ein heiliges Opfer sein, rein, ohne
Hintergedanken, ohne Verdienstdenken, ohne Ruhmsucht, wirklich ganz auf
Christus ausgerichtet. Das kann weh tun, wenn wir etwas hingeben müssen, was
uns vielleicht sehr lieb ist – aber es ist ein Opfer, und das kostet etwas. Das
ist unser vernünftiger Gottesdienst. So, nur so, können wir Gott wirklich
dienen. Das ist der absolut notwendige Anfang. Ohne diese Ganzhingabe ist alles
andere nur Stückwerk, während wir Gott vieles andere vorenthalten. Wenn du also
fragst: Wie kann ich Gott dienen? So weihe dich ihm, dein Leben, deine Kräfte,
deinen Willen, kurz: dich selbst, ganz, ohne Einschränkungen, und bitte ihn,
dich zu gebrauchen. So fängst du an, das zu leben, was in der Zusammenfassung
der ersten Tafel der zehn Gebote gefordert wird: Du sollst lieben Gott,
deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele,von ganzem Gemüt und von
allen deinen Kräften. (Mark. 12,30) Da ist nichts mehr, was Gott nicht
gehören soll. Das gilt besonders auch für den Willen. Jesus Christus konnte in
Gethesemane bete: Nicht was ich will, sondern was du willst. Wie steht
das bei uns? Es muss nicht nur allgemein, grundsätzlich so sein, dass wir den
Willen Gottes tun wollen – es muss sich das vielmehr vollziehen in jeder
konkreten Sache, auch da, wo uns unsere Vorstellungen, unser Wille so schön, so
anmutig, so unschuldig vorkommt. Aber er muss sterben, wie wir auch im
Vaterunser beten, damit Gottes Wille sich durchsetzt. Nur so kann verwirklicht,
entfaltet werden, was Paulus auch von sich schrieb: Christus ist mein Leben.
Dann gehört mein Leben ihm – und er kann in mir leben, mich gebrauchen. Ich
lebe für ihn, meinem Heiland, nicht mehr für mich.
Weil der alte Mensch noch lebendig ist, darum ist dieser Weg
der Hingabe immer wieder umkämpft. Dieser Akt der Hingabe, der Lebensweihe, ist
nicht etwas einmaliges, sondern vielmehr etwas, was immer wieder in unserem
Leben nötig ist. Römer 12,1 ist an Christen geschrieben, ebenso Eph. 4,22-24: So
leget nun von euch ab nach dem vorigen Wandel den alten Menschen, der durch
Lüste in Irrtum sich verderbet. Erneuert euch aber im Geist eures Gemüts und
ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener
Gerechtigkeit und Heiligkeit. Hier wird deutlich: Dies ist etwas, was immer
wiederholt werden muss. Die Abwendung vom alten Menschen, vom alten Leben, von
der Sünde muss immer wieder geschehen, ebenso die völlige Hingabe an Christus.
Das gehört zur täglichen Heiligung, zur täglichen Buße, Umkehr, ist täglicher
Vollzug dessen, was uns in der Taufe geschenkt wurde.
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ieser Anspruch des
lebendigen dreieinigen Gottes an unser Leben ist absolut, vollständig. Mit
niemand anderem ist er bereit, ihn zu teilen. Darum beschreibt unser Heiland
und Herr Jesus Christus die Grundlagen für die Jüngerschaft so: So jemand zu
mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder,
Schwestern, auch dazu sein eigenes Leben, der kann nicht mein Jünger sein.
(Luk. 14,26) All das in diesem Leben, was uns wichtig, teuer ist, all das muss
zurückstehen hinter dem Anspruch Jesu Christi. Selbst die engsten und liebsten
Verwandten dürfen keinen Platz neben oder vor Christus einnehmen. Ja: auch
unser eigenes Leben nicht. Hier wird es ganz deutlich und ernst: Der Christ,
der wirklich Christ, Jünger Jesu, sein will, gehört nicht mehr sich selbst.
Christsein hat es zu tun mit der bis zum Äußersten gehenden Selbstverleugnung,
mit einem Leben, in dem es nicht mehr um die eigenen Wünsche geht, die eigenen
Ziele, das eigene Wollen, Planen, Hoffen, die eigenen Interessen, sondern um
Jesus Christus, seinen Willen, sein Planen, seine Ziele, seine Führung. Da wird
die Hingabe ganz konkret. Da geht es um Wege, die physisch auch den Tod
bedeuten können, wie wir an der großen Schar der Märtyrer der Gemeinde Jesu
Christi, angefangen mit Stephanus, erkennen. Da aber, wo wir immer mehr dies
leben, wird auch unser Alltag einfacher werden, weil wir uns im Ablauf unseres
Alltages, im Zusammenleben mit anderen Menschen, in der Ehe, Nachbarschaft, am
Arbeitsplatz, nicht versteifen werden auf unsere Vorstellungen, Planungen,
Ziele (ausgenommen natürlich, es geht um die biblische Lehre). Dies hängt eng
zusammen mit unserer Glaubenshaltung, nämlich der Frage: Glaube ich wirklich,
dass Gott alles in der Hand hat? Glaube ich wirklich, dass er darum auch mein
Leben gänzlich in seiner Hand hat? Glaube ich wirklich, dass er mich liebt?
Glaube ich wirklich, dass er alle Dinge zu meinem Besten ordnet? (Röm. 8,28:
Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.) Dann, dann
kann ich auch, was nicht ohne Schmerz, Kampf, Sterben abgeht, dann kann ich
auch die schweren Lagen, Lebenssituationen aus seiner Hand nehmen, ein Ja dazu
finden, gerade auch diese Situationen und meine Wünsche Gott hinlegen. Das
bewahrt vor Selbstmitleid, bewahrt vor Rebellion, vor eigenen Wegen. Und: Es
hilft dazu, es zu lernen, Gott mehr und mehr in allen Dingen dankbar zu werden.
Dadurch werde ich frei, jeden Augenblick, jeden Tag aus Gottes Hand zu nehmen
und zugleich, mich ihm ganz zur Verfügung zu stellen, jeden Tag neu, auch in
den Situationen ganz neu, bewusst, dass er mich, in welcher Lage ich immer bin,
gebrauchen kann. Nur so ist Demut möglich, diese Haltung, die nicht von sich
selbst so groß hält, die nicht meint, sich immer in den Vordergrund schieben zu
müssen, sondern die zurückstehen kann, dienen will – und darum auch fähig ist,
den anderen höher zu achten als sich selbst, nicht auf das zu sehen, was einem
selbst gehört oder werden könnte, sondern darauf, dass der andere das Seine behält
oder mehrt (Phil. 2,3.4). Das ist aber nicht ein eigenes Werk, sondern ist das
Werk des Heiligen Geistes, der im Christen wohnt und ihn durch Wort und
Sakrament leitet, alles Gott als seinem liebenden Vater hinzulegen (Röm.
8,12-17).
Dieser
Weg ist nicht einfach, denn er schneidet tief hinein in unser altes Fleisch, in
die Denkweise, Lebensweise, die Haltung des alten Menschen. Da wird unsere
Vorstellung von Persönlichkeit angegriffen, die in der Welt definiert wird über
Leistung, Erfolg, Durchsetzen, Beherrschen, Besitz, Anerkennung bei den
Menschen, Selbstverwirklichung. All das wird aber hier von Christus einfach
durchgestrichen. Unsere Persönlichkeit definiert sich völlig anders. Sie
definiert sich daher, dass ich Gottes Geschöpf bin, von Gott gewollt und
geliebt, so sehr geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn Jesus Christus auch
für mich in den Tod gegeben hat, und
dass er mir nachgeht, dass er mich ruft, leitet und prägt durch sein Wort, dass
ich sein eigen bin, dass ich sein Kind sein darf und er mein Vater ist.
Darum,
weil ich als Christ in meinem Heiland ruhe als sein Kind, darum kann ich auch
ein Ja haben zu diesen tief in das alte Fleisch, den alten Menschen
einschneidenden Maßstäben Christi. Denn die Selbstverleugnung geht noch weiter:
Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger
sein. (Luk. 14,27) Das Kreuz ist eines der grausamsten
Hinrichtungswerkzeuge der damaligen Zeit gewesen. Und Christus fordert hier,
dass wir es auf uns nehmen. Christus ruft uns hier nicht alle zu einem
schnellen physischen Tod – obwohl auch der unter Umständen kommen kann
(Martyrium), sondern das Kreuz steht für das tägliche Sterben des alten
Menschen, steht für all das, was schwer ist in unserem Leben, vom Leiden unter
der immer noch vorhandenen Sünde über Krankheiten, Schmerzen, persönlichen,
familiären, gemeindlichen Nöten, über Anfechtungen, Versuchungen bis hin zu all
dem, wo Kreuz Verzicht meint, unsere Fremdlingschaft in dieser Welt beschreibt.
Jesus Christus hat es einige Verse weiter so ausgedrückt: Also auch ein
jeglicher unter euch, der nicht absagt allem, was er hat, kann nicht mein
Jünger sein. (Luk. 14,33) Selbstverleugnung als Ausdruck gelebter
Jüngerschaft kann also zum völligen Verzicht auf alles führen, was wir haben.
Denken wir etwa an die, die im 19. Jahrhundert als Missionare unter die
Deutschen in Nordamerika gegangen sind. In den deutschen Staaten, aus denen sie
kamen, hätten sie ein ruhiges, bequemes Leben haben können, materiell
abgesichert, mit einer gesellschaftlich geachteten Stellung. Was aber erwartete
sie in Amerika? Bitterste Armut, vor allem in der ersten Zeit, kaum einen
festen Wohnsitz, wenn, dann vielleicht eine einstubige Blockhütte von 15 qm
ohne Fenster mit einer grob zusammengezimmerten Holzpritsche, einem Holzblock
als Tisch, einem anderen als Stuhl. Und tage- und wochenlanges Wandern, Reiten
auf größtenteils noch ungebahnten Pfaden zu den verstreut lebenden Menschen,
die nicht selten untätig bis abweisend wurden, wenn es nur darum ging, dass sie
helfen, die anderen mit einzuladen. Oder denken wir an die Pioniermissionare,
die in den Dschungel gehen, zu den Indios. All das, was unsere Vorstellungen
von einem „normalen Leben“ ausmacht, müssen sie aufgeben, um dort mit den
Indios leben und ihnen das Evangelium von Christus bringen zu können. Aber auch
für jeden Christen, der nicht als Sendbote in die Mission gesandt wird, gilt
dieses Wort unseres Herrn: absagen allem, was ich habe. Unser Herz hängt an so
vielem, was wir im Laufe des Lebens angesammelt haben. Christus will aber, dass
wir die Dinge haben, als hätten wir sie nicht (1. Kor. 7,29-31). Umso leichter
wird es uns werden, sie ganz aufzugeben, wenn es die Lage erfordert, etwa in
Verfolgungszeiten. Das heißt vor allem auch: All unsere Sicherheiten aufgeben,
die wir haben. Sie sind uns nicht verboten, aber wir müssen bereit sein, wenn
es die Situation erfordert, sie auch völlig aufzugeben und ganz auf den Herrn
zu vertrauen, dass er uns durchbringt. Damit, dass wir alles aufgeben,
überlassen wir uns völlig unserem Heiland und Herrn, der uns leitet und
versorgt.
Was
das für uns heißt, das macht Jesus Christus sehr deutlich, wenn er das Wort von
der Kreuzesnachfolge verknüpft mit dem vom Verlieren des Lebens: Denn wer
sein Leben will behalten, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verlieret um
meinet- und des Evangeliums willen, der wird’s behalten. Was hülfe es dem
Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden?
(Mark. 8,35.36) Es ist also unmöglich, das unterstreicht unser Heiland und Herr
hier, es ist unmöglich, dass wir zugleich Christ sein wollen und unser altes
Leben mit seinen Vorstellungen, Lüsten, Begierden, Sehnsüchten, Wünschen,
Zielen, Maßstäben weiter behalten, so, als müsse da nur ein bißchen neue Farbe
drüber. Nein, es geht wirklich um das Sterben des alten Menschen, darum, dass
wir täglich neu den alten Menschen mit all seinen Lüsten, Begierden, all dem,
was ihn ausmacht, in den Tod geben, durchstreichen, nein dazu sagen, dagegen
kämpfen, damit der alte Mensch nicht immer neu Raum bekommt. Nur dann, wenn
wirklich der alte Mensch immer neu und immer mehr stirbt, nur dann kann ja auch
der neue Mensch durch Christi Gnade hervorkommen, kann Christus in uns leben.
Christenleben, Jüngerschaft ist immer ein Leben unter dem Kreuz, nicht ein
Leben in Herrlichkeit, das kommt erst im Himmel.
Dies
Sterben geht aber über die sündigen Begierden hinaus. Das Opfer der Ganzhingabe
und Selbstverleugnung bezieht sich auf alles, was unser Leben betrifft, auch
auf solche scheinbar frommen Dinge, die unsere Pläne, Vorstellungen, Ziele,
Wünsche ausmachen, seien es berufliche, persönliche, familiäre oder andere
Sachen. Auch hier gilt es immer wieder, sie Gott zu übergeben, ihm hinzugeben,
damit er damit mache, was er will. Dies ist ein äußerst wichtiger geistlicher
Grundsatz, den unser Heiland Jesus Christus uns vorgelebt hat: Wenn das
Weizenkorn nicht in die Erde falle und ersterbe, so bleibt’s alleine; wenn es
aber erstirbt, so bringt’s viel Früchte. Wer sein Leben lieb hat, der wird’s verlieren,
und wer sein Leben auf dieser Welt hasset, der wird’s erhalten zum ewigen
Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein
Diener auch sein. Und wer mir dienen will, den wird mein Vater ehren. (Joh.
12,24-26) Sterben um zu leben – das ist der fruchtbare Weg christlicher
Jüngerschaft.
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ie dieses neue Leben geprägt ist, beschreibt der
Heilige Geist durch Paulus im 6. Kapitel des Römerbriefes, Verse 3-13: Wisset ihr nicht, dass alle, die wir in
Jesus Christus getauft sind, die sind
in seinen Tod getauft? So sind wir je mit ihm begraben durch die Taufe in den
Tod, auf dass, gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem
neuen Leben wandeln. So wir aber samt ihm gepflanzet werden zu gleichem Tode,
so werden wir auch der Auferstehung gleich sein, dieweil wir wissen, dass unser
alter Mensch samt ihm gekreuziget ist, auf dass der sündliche Leib aufhöre,
dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist
gerechtfertiget von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben
wir, dass wir auch mit ihm leben werden und wissen, dass Christus, von den
Toten erwecket, hinfort nicht stirbt; der Tod wird hinfort über ihn nicht
herrschen. Denn das er gestorben ist; das ist er der Sünde gestorben zu einem
Mal; das er aber lebet, das lebet er Gott. Also auch ihr, haltet euch dafür,
dass ihr der Sünde gestorben seid und lebet Gott in Christus Jesus, unserm
Herrn. So lasset nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, ihm
Gehorsam zu leisten in seinen Lüsten. Auch begebet nicht der Sünde eure Glieder
zu Waffen der Ungerechtigkeit, sondern begebet euch selbst Gott, als die da aus
den Toten lebendig sind, und eure
Glieder Gott zu Waffen der Gerechtigkeit. Der Ausgangspunkt ist ganz deutlich:
getauft in Jesus Christus. Die heilige Taufe geschieht ja im Namen und auf den
Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und stellt in die
Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott, überantwortet den Täufling auch in den
Herrschaftsbereich des Heilandes. Was aber geschieht in der Taufe? Wir werden
mit Christus, und zwar gerade mit seinem Tod, verbunden, in seinen Tod getauft.
Der alte Mensch wird also in der Taufe mit Christus gekreuzigt, mit ihm
begraben – mit dem Ziel, dass die Sünde nicht mehr herrschend in unserem Leben
sei, sondern wir nun in einem neuen Leben wandeln, in einem Leben, in dem wir
nicht mehr der Sünde dienen, sondern vielmehr mit Geist, Seele und Leib
Christus und dem Vater im Himmel gehören. Dieses neue Leben ist ein Leben mit
Christus – ein Leben für Gott. Es geht darum, unser ganzes Leben, mit allem,
was dazu gehört, dem lebendigen, dreieinigen Gott zu weihen, damit alles, was
wir denken, reden, tun wirklich für ihn geschehen möge. Gott selbst sollen wir
uns übergeben, und darum auch unsere Leiber, unsere Glieder, damit wir sie
nicht mehr zur Sünde verwenden, sondern vielmehr sie Gott als Werkzeuge für
seinen Willen, seine Werke zur Verfügung stellen, ihm allein von ganzem Herzen
angehören. Denn mit unserem neuen Leben gehören wir nicht uns selbst, sondern
Christus, der uns frei gemacht hat für sich: Denn unser keiner lebt sich
selber und unser keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir demHerrn;
sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, wir leben oder wir sterben, so
sind wir des Herrn. Denn dazu ist Christus auch gestorben und auferstanden und
wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebendige Herr sei. (Röm.
14,7-9) Als Christen haben wir seinen Geist, der in uns wohnt, uns damit
leitet, treibt, unser Leben regiert durch Wort und Sakrament, Röm. 8,9-11; Gal.
5,25. Das heißt Leben aus der Fülle, die Christus uns durch das Gnadenmittel
der Taufe geschenkt hat.
Jesus Christus hat uns frei gemacht,
nämlich frei gemacht von dem Zwang des Gesetzes, der den Alten Bund
kennzeichnete, frei gemacht von der Knechtschaft damit unter dem Gesetz. Er hat
uns frei gemacht von der Furcht vor dem Tod und der Verdammnis und hat uns
errettet aus der Sündenherrschaft und der Sklaverei unter Satan und Sünde. In
Christus sind wir damit wirklich frei – in Christus! Diese Freiheit aber
entfaltet sich, wie Röm. 6 sehr deutlich zeigt, darinnen, dass wir nun Christus
gehören, dass wir so zu der Bestimmung zurück finden, wozu Gott uns einst
geschaffen hat. Und so wird unsere Freiheit da recht entfaltet, wo wir Christus
dienen – und das heißt dann: wo wir dem Nächsten dienen, den er in unser Leben
hinein stellt, in unseren Alltag, an den Orten, an denen sich unser Leben
vollzieht. Das ist das Leben in der Nächstenliebe, wie es Luther in seiner
Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ als einer grundlegenden
Schrift christlichen Lebens oder christlicher Ethik entfaltet hat: nämlich dass
der Christenmensch in Christus, unter dem Evangelium, ein freier Mensch ist und
niemand untertan; dass er aber zugleich, aus dem Evangelium, in der
Nächstenliebe, ein Knecht ist und dabei jedermann untertan.
Was dieses Leben ausmacht, das zeigt Paulus
an in den Worten: Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in
mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes
Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dargegeben. (Gal. 2,20)
Durch den Glauben werde ich auf das innigste mit Christus verbunden, ja, eins
mit ihm wie in der Ehe (s. Eph. 5,32), dass ich ganz Anteil an allem bekomme,
was er mit erworben hat, während er alles auf sich nimmt, was ich gesündigt
habe. Aber diese Verbindung geht noch weiter. Das neue Leben ist kein autonomes
Leben, kein Leben der „Selbstbestimmung“, „Selbstverwirklichung“,
„Selbstliebe“, sondern vielmehr ein Leben, in dem Christus immer mehr Gestalt
gewinnt, in dem Christus sein Werk, seinen Willen ausüben kann, eben durch mich
als sein Werkzeug, das er mit Geist, Seele und Leib völlig in seinen Dienst
nimmt – und dabei doch auch die persönliche Eigenheit achtet und ausformt. Denn
das ist doch Gottes Ziel, dass wir gleich sein sollten dem Ebenbilde seines
Sohnes, auf dass derselbe der Erstgeborne sei unter vielen Brüdern, Röm.
8,29, Christus soll in uns Gestalt gewinnen, Gal. 4,19. Dies ist nicht ein
einmaliges Geschehen, sondern nach der Bekehrung ein langer Prozess, der in
diesem Leben nie abgeschlossen sein wird und durch tägliches Sterben unsere
alte Art immer mehr abschwächen, Christi Art und Wesen immer tiefer uns
einprägen will. Das ist, weil es ein Sterben ist, mit viel Schmerzen, Leid,
Kampf verbunden, aber notwendig, wenn wir wirklich immer mehr für Christus
leben wollen, ja, Christus in uns lebt.
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ehorsam ist ein Wort, das in
unserer Zeit nicht gerne verwendet wird, weil es eine Haltung beschreibt, die
dem „Trend der Zeit“ nicht entspricht, der ja vielmehr auf Selbstbestimmung und
Selbstverwirklichung aus ist. Aber Christsein ist ohne Gehorsam unmöglich.
Jüngerschaft, Nachfolge Jesu Christi beschreibt ja gerade ein Leben, das Gott
gehört. Denn als Jünger Jesu folgen wir dem nach, der von sich selbst sagt: Meine
Speise ist die, dass ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende
sein Werk. (Joh. 4,34) Gehorsam gehört also zu den Grundprinzipien des
Lebens unseres Heilandes. Nach seiner menschlichen Natur hat er sich auf Erden
ganz seinem Vater unterworfen und wollte nichts anderes tun als eben das, was
der Vater will. Wie kann es da eine andere Haltung, eine andere
Lebenseinstellung bei seinen Nachfolgern geben?
Darum gibt der Heilige Geist
uns als Wegweisung durch Paulus in Röm. 6,15-23: Wie nun? sollen wir sündigen, dieweil wir
nicht unter dem Gesetz, sondern unter
der Gnade sind? Das sei ferne! Wisset ihr nicht, welchem ihr euch begebet zu
Knechten in Gehorsam, des Knechte seid ihr, dem ihr gehorsam seid, es sei der
Sünde zum Tode oder dem Gehorsam zur Gerechtigkeit? Gott sei aber gedanket,
dass ihr Knechte der Sünde gewesen seid, aber nun gehorsam geworden von Herzen dem Vorbilde der Lehre, welchem ihr
ergeben seid. Denn nun ihr frei geworden seid von der Sünde, seid ihr Knechte
geworden der Gerechtigkeit. Ich muss menschlich davon reden um der Schwachheit
willen eures Fleisches. Gleichwie ihr eure Glieder begeben habt zu Dienste der
Unreinigkeit und von einer Ungerechtigkeit zu der andern, also begebet nun auch
eure Glieder zu Dienste der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden. Denn da ihr
der Sünde Knechte waret, da waret ihr frei von der Gerechtigkeit. Was hattet
ihr nun zu der Zeit für Frucht? Welcher ihr euch jetzt schämet; denn das Ende
derselbigen ist der Tod. Nun ihr aber seid von der Sünde frei und Gottes
Knechte geworden, habt ihr eure Frucht, dass ihr heilig werdet, das Ende aber
das ewige Leben. Denn der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das
ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn. Als Christ sind wir wiedergeboren dazu,
Knechte, Sklaven Christi zu sein, der Gerechtigkeit Gottes zu gehorchen. Wer
Christus nicht angehört, der ist ein Sklave Satans, der Sünde, auf dem Weg zur
ewigen Verdammnis. Es ist ein großer Irrtum zu glauben, es gäbe noch einen
dritten Weg, sozusagen neutral, „frei“ zu sein. Nein, es gibt nur Glied des
Reiches Christi oder des Reiches des Teufels zu sein.
Das neue Leben ist ein Leben, in dem wir von
Herzen der göttlichen Lehre gehorsam sind, in dem der Gehorsam gegenüber
dem dreieinigen Gott uns innerstes Anliegen ist, unser Leben prägt, ausmacht,
größter Wunsch ist, denn Gott hat uns seinen Geist gegeben und anstatt eines
steinernen ein fleischernes Herz, hat sein Gesetz in unser Herz gegeben und in
unseren Sinn geschrieben (Hes. 36,26.27; Jer. 31,31-33). Das hängt eng zusammen
mit der grundsätzlichen und täglich erneuerten Hingabe, die eine Hingabe des
ganzen Lebens, mit allen seinen Bereichen, ist, eine Hingabe darum auch des
Leibes mit seinen Gliedern, seinen Fähigkeiten. Das heißt doch nichts anderes
als dies: Ich will mit allem, was ich habe und bin, nur Christus dienen, in
keiner Weise der Sünde, will Gottes, nicht der Sünde Knecht sein, und das nicht
nur grundsätzlich, sondern in den vielen Einzelheiten des Lebens, des Alltages.
Wie zeigt sich dieser Gehorsam? Er zeigt
sich besonders im Umgang mit dem heiligen Gotteswort. Dieses Wort lese ich
täglich, betend, suchend, gerade auch um Anleitung bittend darum, was Christus
für mich will, welche Wegweisung er mir gibt. Ich möchte Weisung von ihm
erhalten für mein Leben – und das, was Gottes Wort mir sagt, mir als Gottes
Ordnung, Gottes Willen, Gottes Führung deutlich macht, das tue ich auch;
darüber kann und darf es dann auch keine Diskussion geben. Unbedingter Gehorsam
– das ist ein grundlegender Charakterzug des Jüngers Jesu.
Dieser Gehorsam will dabei gerade im
Alltag gelebt werden. Es ist ein großer Fehler, der in Schwärmerei und
Unnüchternheit führt, wenn der Eindruck erweckt wird, Jüngerschaft, Christsein
zeige sich in außergewöhnlichen Taten, außerordentlichen Ereignissen. Natürlich
führt Gott einzelne Menschen auch außergewöhnliche Wege, wie wir das bei
Abraham sehen, bei Mose, bei Jeremia, Hosea, dann auch bei den Aposteln,
einschließlich des Paulus. Aber die Ordnungen, die Gott etwa für den Alten Bund
gegeben hat, waren Ordnungen für das alltägliche Leben. Und die Bergpredigt ist
kein Grundgesetz für eine besondere Gruppe von Christen (wie Rom es mit seinen
„evangelischen Räten“ behauptet), sondern ist eine Auslegung der heiligen Zehn
Gebote für unser Leben. Ein jeglicher, wie ihn der Herr berufen hat, also
wandle er. Und also schaffe ich’s in allen Gemeinden. Ist jemand beschnitten
berufen, der zeuge keine Vorhaut. Ist jemand berufen in der Vorhaut, der lasse
sich nicht beschneiden. ... Ein jeglicher bleibe in dem Beruf, darinnen er
berufen ist. (1. Kor. 7,17.18.20) Christsein, Jüngerschaft vollzieht sich
im Alltag, in unserem alltäglichen Leben als Schüler oder Schülerin, als Kinder
oder Eltern, in der Ehe, Familie, in der Nachbarschaft, im Beruf, als Staatsbürger.
In den zehn Geboten sind uns die Normen für unser Christenleben vorgegeben –
und daran haben wir ein ganzes Leben lang zu arbeiten und werden doch nicht
fertig, wie Luther in seiner Auslegung im Großen Katechismus sehr treffend
sagt. Gott dienen wir nicht erst in besonderen Aufgaben als Prediger,
Evangelist, Missionar oder bei missionarischen Einsätzen, sondern Gott dienen
wir in unserem Alltag, wenn wir das, was wir tun, in dem Namen des Herrn
Jesu tun und danken Gott und dem Vater durch ihn (Kol. 3,17). Denn das ist
unser Auftrag: Alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als dem Herrn und
nicht den Menschen. (Kol. 3,23) Daraus ist das deutsche Wort „Beruf“
entstanden, nämlich dass jeder Dienst, an dem wir stehen, es sei die Hausfrau
am Herd oder dem Bügelbrett, die Mutter beim Waschen oder Säugen des Kindes,
der Arbeiter an der Werkbank oder der Maschine, der Ingenieur an seinen Plänen,
der Fahrer in seinem Fahrzeug und was es alles für Arbeiten gibt, dass jeder
Dienst recht eigentlich ein Gottesdienst sein soll – eben dass wir Gott
darinnen dienen. Und wenn wir das tun, so dienen wir darinnen dann auch dem
Nächsten.
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adurch, dass ein Mensch zum lebendigen Glauben an
Jesus Christus als seinem Heiland und Erlöser kommt, ein Gotteskind geworden
ist, aus Gott geboren, und in der Taufe der alte Mensch mit Christus gekreuzigt
und der neue Mensch erweckt wurde, ist es doch nicht so, dass der Christ ohne
Sünde sei. Nach dem neuen Menschen, der regiert wird vom Heiligen Geist und in
Christus bleibt und in dem Christus lebt, sündigt er nicht, 1. Joh. 3,6, will
er auch gar nicht sündigen, kann nicht sündigen, denn er ist aus Gott geboren,
1. Joh. 3,9. Aber wie vertragen sich mit diesen Aussagen diejenigen Aussagen im
gleichen Brief, in denen der Apostel Johannes schreibt: So wir sagen, wir
haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in
uns... So wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner,
und sein Wort ist nicht in uns. (1. Joh. 1,8.10) Die Spannung, die in
diesen scheinbar gegensätzlichen Aussagen steckt, zeigt uns die Spannung, die
das gesamte Christenleben durchzieht, nämlich den geistlichen Kampf zwischen
dem neuen, vom Heiligen Geist regierten, Menschen und dem alten, der zwar
grundsätzlich in Taufe und Wiedergeburt gekreuzigt wurde, aber doch immer noch
lebendig ist und täglich bekämpft, in den Tod gegeben werden muss.
Diese Grundstruktur des
Christseins beschreibt Paulus im Römerbrief im 7. Kapitel, Vers 13-25: Ist denn, was da gut ist, mir ein Tod
worden? Das sei ferne! Aber die Sünde, auf dass sie erscheine, wie sie Sünde
ist, hat sie mir durch das Gute den Tod gewirket, auf dass die Sünde würde
überaus sündig durchs Gebot. Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist;
ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft. Denn ich weiß nicht, was,
ich tue; denn ich tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das tue ich.
So ich aber das tue, was ich nicht will, so willige ich, dass das Gesetz gut
sei. So tue nun ich dasselbe nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnet. Denn
ich weiß, dass in mir, das ist, in meinem Fleische, wohnet nichts Gutes. Wollen
habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht, Denn das Gute, das
ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.
So ich aber tue, was ich nicht will, so tue ich dasselbige nicht, sondern die
Sünde, die in mir wohnet. So finde ich mir nun ein Gesetz, der ich will das
Gute tun, dass mir das Böse anhanget. Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach
dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das
da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte und nimmt mich gefangen in der
Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern. Ich elender Mensch, wer wird mich
erlösen von dem Leibe dieses Todes? Ich danke Gott durch Jesus Christus, unsern
Herrn. So diene ich nun mit dem Gemüte
dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetze der Sünde.
Was sagt der Heilige Geist uns durch den Apostel hier? Er beschreibt den Christen so, dass auch nach der Wiedergeburt das Fleischliche, also Sündige, noch da ist. Die Erbschuld ist zwar getilgt, ebenso auch die Schuld und Sünde, die begangen wurde – aber die Erbsünde und Erblust, sie sind noch da und gehen erst mit dem leiblichen Tod des Menschen zugrunde. Darum taucht die Sünde auch im Christenleben immer wieder auf. Denn wie sieht dieses Christenleben aus? Nach dem neuen Mensch will der Christ nur das Gute, Gott Wohlgefällige, will mit Christus leben, ihm konsequent und in unbedingtem Gehorsam nachleben – und doch: In seinem Fleisch wohnt nichts Gutes. Nach dem neuen Menschen will er das Gute – aber er vollbringt es dennoch oft nicht, sondern er macht das, was er nach dem neuen Menschen eigentlich nicht will, tut das Böse. Und das ist der alte Mensch, der da immer wieder durchbricht. Nach dem inwendigen Menschen ist Lust da an Gottes Geboten – aber in seinen Gliedern ist auch noch das Gesetz der Sünde da, das gegen das Gesetz in seinem Gemüt streitet und ihn so gefangen nimmt in die Sünde. Wenn wir dieses Ringen konsequent durchführen, so kann es uns auch als Christen immer wieder zur Verzweiflung führen, weil wir erkennen müssen, wie mächtig die Sünde immer noch ist – zugleich aber treibt gerade das uns immer wieder hin zu unserem Heiland Jesus Christus.
Es ist völlig falsch zu sagen, diese Verse
handelten von einem Menschen vor der Wiedergeburt. Ein Mensch, bevor er bekehrt
ist, dient nicht nach dem Gemüt dem Gesetz Gottes, er hat es gar nicht in sich,
kann Gott gar nicht dienen. Ein nicht an Jesus Christus Glaubender will auch
gar nicht das Gute um Gottes willen, er hat diesen Kampf gar nicht in sich,
denn er gehört noch ganz und gar in das Reich des Teufels.
Was aber heißt das für unser
Christenleben? Es heißt, dass wir nie über den Stand hinaus kommen, dass wir
wohl durch den Glauben an Jesus Christus Gerechtfertigte sind, die gewiss sein
dürfen, im Jüngsten Gericht freigesprochen zu werden – aber eben zugleich auch
noch Sünder, die täglich viel sündigen und daher eigentlich die Strafe Gottes
verdienen und darum täglich aus der Vergebung Christi leben müssen. Wir kommen
nie über den Stand hinaus, dass die Rechtfertigung, die Vergebung der Sünden
allein aus Gnaden, allein um Christi Verdienst willen, empfangen allein durch
den Glauben, unser eigentliches Lebenselement ist, worinnen wir täglich leben
müssen. Wir kommen nie über den Stand hinaus, begnadigte Sünder zu sein. Es
gibt kein Stufenleben, das von der Taufe und Bekehrung, Rechtfertigung zur
Heiligung als einem höheren Stand führt und dann vielleicht noch zu einer
Vollkommenheit gemäß der Lebensgerechtigkeit. Solch ein Stufenchristentum, wie
es einige Kreise in der Kirchengeschichte vertreten haben (und wie es auch,
vermischt mit dem Element der „Geistestaufe“ bei den Pfingstlern vorkommt),
widerspricht eindeutig den oben angeführten Bibelworten. Nicht von ungefähr hat
unser Heiland und Herr Jesus Christus die Bergpredigt mit der Seligpreisung
begonnen: Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist
ihrer. (Matth. 5,3) Wir kommen nie in diesem Leben in einen Stand, in dem
wir Gott irgendetwas bringen könnten. Wir leben immer aus seiner Gnade, aus
seiner Fülle, aus dem, was Christus uns erworben hat und uns schenkt. Die
fünfte Bitte des Vaterunsers: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir
vergeben unsern Schuldigern. bleibt daher für uns täglich hochaktuell und
unser Gebet.
Weil
der Teufel zwar besiegt, aber noch nicht im feurigen Pfuhl ist, weil auch die
Welt um uns her nicht christlich ist und schließlich, weil unser eigenes
Fleisch immer noch da ist, so sind wir ständig Anfechtungen, Versuchungen
ausgesetzt, die uns zur Sünde verlocken, und von Christus abziehen, unsere Nachfolge
abschwächen, wenn möglich völlig zerstören wollen. Darum ist unser
Christenleben ein täglicher geistlicher Kampf, oder sollte es sein. Denn dann,
wenn wir der Sünde gegenüber nachgeben, wenn sie wieder Raum bekommt,
schließlich herrschend wird, dann hört zwar irgendwann dieser Kampf auf – aber
dann sind wir aus der Gnade gefallen, zurück in das alte Leben ohne Christus.
Wer
also Christ wird, wer eingereiht wird in die Jüngerschar des Herrn und
Heilandes Jesu Christi, der wird damit auch eingereiht in die Streiterschar
Christi, nämlich in die Schar derer, die ständig im bewussten und konsequenten
Kampf gegen die Teufel, die Welt und ihr eigenes Fleisch stehen und zugleich
ausziehen, das Reich ihres Herrn und Heilandes durch Wort und Sakrament auszuweiten.
Darum wird der Täufling auch mit dem Kreuz bezeichnet, das anzeigt, dass das
christliche Leben ein Leben unter dem Kreuz ist, Nachfolge Jesu Christi eben
gerade auch heißt, das Kreuz auf sich zu nehmen, und wird er ja gesandt mit den
Worten: Lasset eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. (Luk.
12,35). Christsein ist ein Leben in ständiger Bereitschaft für den Herrn.
Wie
unsere tägliche Lage ist, beschreibt der Heilige Geist durch Paulus im Brief an
die Galater: Ich sage aber: Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des
Fleisches nicht vollbringen. Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist und den
Geist wider das Fleisch. Dieselben sind gegeneinander, dass ihr nicht tut, was
ihr wollt. Regiert euch aber der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetz.
(5,16-18) Die Lüste des Fleisches sind da und wollen immer wieder durchbrechen.
Sie zeigen sich in allerlei Gedanken, Neigungen, Charakterschwächen, die immer
wieder hervorkommen, die immer wieder sich festsetzen und uns bestimmen wollen.
Darum ist es so wichtig, dass wir zum einen gerade auch unsere schwachen
Bereiche kennen, dass wir zum anderen auch Gottes Wort genau kennen, damit wir
nicht nur im groben, sondern auch im verfeinerten Bereich die Sünde als Sünde
erkennen. Auch ist es sehr hilfreich, wenn Menschen uns auf unsere Fehler,
unsere Sünden aufmerksam machen, damit wir der Tatsache der Verfehlung nicht
ausweichen, sondern Gott dadurch an uns arbeiten kann. Der Ruf, der für jeden
Tag, für jede Stunde, für jeden Augenblick neu an uns ergeht ist: Wandelt im
Geist! Nur dann, wenn wir bleiben an Christus, Joh. 15, nur dann können wir
auch im geistlichen Kampf siegreich sein, weil dann Christus mit seinem Geist
in uns wohnt und das Wollen und Vollbringen schenkt. Es gilt ja, den Kampf
geistlich und nicht fleischlich zu führen, denn nur mit diesen Waffen der
geistlichen Ritterschaft können wir die Befestigungen des Feindes überwinden
und seine Anschläge zerstören (2. Kor. 10,4.5). Darum ist es auch notwendig, gefangen
zu nehmen alle Vernunft unter den Gehorsam Christi (2. Kor. 10,5), denn der
Teufel wird immer wieder versuchen, durch scheinbare Vernunftargumente uns in
der Konsequenz des Kampfes gegen die Sünde abzuschwächen oder uns Gottes Wort
durch Vernunftgründe zweifelhaft zu machen. Der geistliche Kampf kann aber nur
mit der geistlichen Waffe siegreich bestanden werden, die Christus
selbst immer wieder angewandt hat, nämlich dem Schwert des Geistes, dem Wort
Gottes. Es stehet geschrieben! das war das Argument Jesu Christi gegen
den Teufel, als dieser ihn versuchte. Auch darum ist es so wichtig, das Wort
Gottes recht zu kennen, damit wir es recht anwenden können – und wirklich die
ganze Bibel als Gottes Wort, vom Heiligen Geist den heiligen Schreibern Wort
für Wort eingegeben (Verbal- oder Wörter- oder Plenarinspiration), und damit
als widerspruchslos und absolut irrtumslos festzuhalten (siehe: 2. Tim. 3,14-17; 2. Petr. 1,19-21; Joh. 10,35; 1. Kor. 2,13).
Im
Geist wandeln heißt also vor allem und zuerst: in der Gemeinschaft mit unserem
Herrn und Heiland Jesus Christus stehen und bleiben durch sein Wort und
Sakrament, heißt dann aber auch, dieses sein Wort nicht nur täglich zu
betrachten, sondern auch die nötigen Folgerungen für das persönliche Leben
daraus zu ziehen, heißt also: Christus und seinem Wort gehorsam zu sein, nicht
nur Hörer, sondern auch Täter des Wortes zu sein. Im Geist wandeln heißt dann
aber auch: völlig und gänzlich geprägt zu werden durch Christus, sein Wort. Im
Geist wandeln ist unmöglich, wo noch Sünde festgehalten wird, wo wir auf beiden
Seiten versuchen zu hinken, ein bißchen mit Christus, aber auch ein bißchen mit
der Welt. Vielmehr gilt es, dass unser gesamtes Leben, unsere Gedankenwelt,
unsere Sinne, unser Wünschen, Wollen, unser Wille, unsere Ziele, Vorstellungen,
Ideen, Sehnsüchte immer mehr gereinigt, umgestaltet, erneuert werden. Stellet
euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch Erneuerung eures
Sinnes, auf dass ihr püfen möget, welches da sei der gute, der wohlgefällige
und der vollkommene Gotteswille. (Röm. 12,2) Der ganze Mensch muss Christus
gehören, auch mit allen Gefühlen, Sehnsüchten, Wünschen, sonst gehört er bald
wieder ganz dem Teufel oder bleibt unfruchtbar für den Heiland und kann in
diesem geistlichen Kampf nicht bestehen.
Paulus
beschreibt uns, wie wir in diesem geistlichen Kampf stehen müssen, was die
Grundhaltung ist, damit wir recht als Streiter Christi kämpfen: Wisset ihr
nicht, dass die, so in den Schranken laufen, die laufen alle, aber einer
erlanget das Kleinod? Laufet nun also, dass ihr es ergreifet! Ein jeglicher
aber, der da kämpfet, enthält sich alles Dinges: Jene also, dass sie eine
vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche. Ich laufe aber
also, nicht, als aufs Ungewisse; ich fechte also, nicht als der in die Luft
streicht, sondern ich betäube meinen Leib und zähme ihn, dass ich nicht den
andern predige und selbst verwerflich werde. (1. Kor. 9,24-27) Leide
dich als ein guter Streiter Jesu Christi! Kein Kriegsmann flicht sich in Händel
der Nahrung, auf dass er gefalle dem, der ihn angenommen hat. Und so jemand
auch kämpfet, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht. (2. Tim.
2,3-5) Paulus vergleicht uns Christen in diesen beiden Abschnitten mit einem
Wettkämpfer, Athleten, bzw. mit einem Soldaten. Was zeigen uns diese
Vergleiche? Ein Sportler arbeitet auf ein bestimmtes Ziel hin. Er will einen
Wettkampf, eine Weltmeisterschaft, bei olympischen Spielen gewinnen. Damit er
dies erreicht, stellt er seinen ganzes Leben darauf ein, der Tagesablauf, die
Ernährung, alles wird diesem einen Ziel untergeordnet. Und doch: wofür? Für
eine vergängliche Krone! Wir Christen aber haben keine vergängliche, sondern
eine ewige Krone vor Augen, die ewige himmlische Herrlichkeit in innigster
Gemeinschaft mit unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Und unser Glaube
gründet auf Golgatha, wo dieser unser Heiland und Herr sich für uns
dahingegeben hat. Wie sollte dann nicht noch umso mehr unser ganzes Leben davon
bestimmt sein, dass wir Christ sein, bestimmt sein davon, nun freiwillig, von
ganzem Herzen, mit allen unseren Kräften, mit unserem ganzen Leben in allen
Einzelheiten Christus zu dienen, ihn zu verherrlichen! Alles das, was uns auf
diesem Weg aufhalten, was uns gefährden, was uns hindern kann, all dies sollen
wir ablegen, meiden. Das heißt auch: Wir beschränken auch über Gottes Gebot
hinaus für uns die christliche Freiheit in den Bereichen, in denen sie uns zur
Sünde verführen kann. Es gibt Bereiche, die allgemein ein starkes Gefälle zur
Sünde haben, wie der Tanz, oder auch aus einem völlig antichristlichen
Hintergrund kommen und dem Wesen Gottes widersprechen, wie die Rockmusik.
Solches wird der Christ auf jeden Fall meiden. Aber jeder einzelne Christ weiß
außerdem, welche Bereiche der christlichen Freiheit für ihn persönlich gefährlich
werden könnten – und da wird er seine Freiheit gerne einschränken, um sich
alles dessen zu enthalten, was ihn gefährden könnte auf dem Weg der Nachfolge.
Für den einen wird dies der Alkohol sein, für den anderen der Fernseher; ein
anderer mag Computer- oder spielsüchtig werden, wenn er nicht das völlig
abschneidet. Es kommt ja darauf an, dass wir den Kampf recht kämpfen, mit
äußerster Konsequenz und Konzentration auf das Ziel. Wer nicht recht kämpft,
wer nicht wirklich bricht mit der Sünde, rein ab macht, sondern letztlich mit
ihr spielt, sich daher immer wieder betören lässt, der kämpft nicht recht und
läuft Gefahr, die Krone des Lebens zu verlieren.
Welche
aber Christus angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und
Begierden.
(Gal. 5,24) Das ist unumgänglich, das ist der rechte Kampf. Hier gilt es auch,
das tägliche Sterben des alten Menschen zu leben, der den Lüsten, den
Begierden, der Sünde nachhängt, sie schön findet. Jeder Christ hat da auch
seine Bereiche, in denen er besonders gefährdet ist, wo es besonders weh tut –
wo er aber umso konsequenter sein muss. Der Heilige Geist sagt hier bewusst:
Fleisch, Lüste, Begierden kreuzigen, sie also in den Tod geben, nicht
sie hofieren, mit ihnen zu spielen. Schmerzen sind eingeschlossen. Das hängt
engstens mit dem Zerbruch zusammen. Zerbruch geschieht schon dann, wenn Gottes
Gesetz an uns arbeitet, um uns die Sündenverdorbenheit aufzuzeigen. Wenn es
wirklich zum Ziel kommt, so bewirkt es ein zerbrochenes, zerschlagenes Herz und
Gemüt, Ps. 51,19; 34,19. Dieser grundsätzliche Zerbruch aber setzt sich fort,
muss sich fortsetzen, in dem täglichen Zerbruch, dem täglichen Sterben, im
täglichen Brechen des eigenen, ich-zentrierten Willens. Darum beten wir auch in
der dritten Bitte des Vaterunsers: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also
auch auf Erden. Und Luther erklärt sehr klar dazu, wie Gottes guter,
gnädiger Wille bei uns geschieht: „Wenn Gott allen bösen Rat und Willen bricht
und hindert, die uns den Namen Gottes nicht heiligen und sein Reich nicht
kommen lassen wollen, wie es ist es Teufels, der Welt und unsers Fleisches
Wille, sondern stärkt und behält uns fest in seinem Wort und Glauben bis an
unser Ende. Das ist sein gnädiger und guter Wille.“ (Kleiner Katechismus,
Erklärung zur 3. Bitte des Vaterunsers) Nur da, wo dies geschieht, immer wieder
neu, kann Christus in uns verherrlicht werden und in uns leben. Wir, die wir
leben, werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen, auf dass auch das
Leben Jesu offenbar werde an unserm sterblichen Fleische. (2. Kor. 4,11)
Dieser
geistliche Kampf, das Überwinden und Niederhalten der Sünde, das tägliche
Sterben, der tägliche Zerbruch, damit Gottes Wille durchgesetzt werde und wir
nicht mehr für uns, sondern für Christus leben, immer mehr, immer besser, ist
auch Teil der Pädagogik Gottes in unserem Leben, wodurch er uns immer mehr
hineinprägen will in das Ebenbild seines Sohnes. Denn wer am Fleisch leidet,
der höret auf von Sünden, dass er hinfort, was noch hinterstelliger Zeit im
Fleisch ist, nicht der Menschen Lüsten, sondern dem Willen Gottes lebe. (1.
Petr. 4,1.2) Das meint nicht nur den direkten Kampf mit der Sünde, sondern es
geht das noch weiter, meint das Kreuz insgesamt, das uns aufgelegt ist, bis hin
zur Verfolgung und dem Martyrium, das kommen kann. Denn welchen der Herr
liebt, den züchtigt er; er stäupt aber einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt.
(Hebr. 12,6) Dazu gilt es immer wieder ein Ja zu finden, und das heißt: sich
immer neu dem Herrn ganz hingeben, damit er mit dir tun kann, was er will.
Dieser geistliche Kampf ist aber nicht eine
Anstrengung, die wir aus uns, aus eigener Kraft, vollbringen müssen. Nein,
vielmehr ruft der Heilige Geist uns auf: Zuletzt, meine Brüder, seid stark
in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Ziehet an den Harnisch Gottes, dass ihr
bestehen könnet gegen die listigen
Anläufe des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu
kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt,
die in der Finsternis dieser Welt
herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Um deswillen so ergreifet
den Harnisch Gottes, auf dass ihr an dem bösen Tage Widerstand tun und alles
wohl ausrichten und das Feld behalten möget. So stehet nun, umgürtet an euren
Lenden mit Wahrheit und angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit und an den
Beinen gestiefelt, als fertig, zu treiben das Evangelium des Friedens, damit
ihr bereitet seid. Vor allen Dingen aber ergreifet den Schild des Glaubens, mit
welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts. Und nehmet
den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.
Und betet stets in allem Anliegen mit Bitten und Flehen im Geist und wachet dazu mit allem Anhalten und Flehen
für alle Heiligen. (Eph. 6,10-18) Nicht auf unsere Stärke kommt es an – mit unserer Macht ist
allerdings in diesen Kämpfen gar nichts getan, wir wären, wie Luther singt, gar
bald verloren. Ein anderer muss für uns eintreten, für uns streiten: Jesus
Christus. Darum gilt es, dass wir uns im bewussten Glauben ganz auf ihn werfen,
unter seinem Schutz stehen und unter seiner Leitung. Und dann beschreibt er uns
die geistliche Waffenrüstung, die wir in dieser Glaubensgemeinschaft mit
unserem Heiland haben: Umgürtet an den Lenden mit Wahrheit. Der Harnisch
wird zusammengehalten durch die Wahrheit, die aller Lüge, allem Unwahren feind
ist. Unser Herz soll von Wahrhaftigkeit, rechter Offenheit, Klarheit,
Einfältigkeit geprägt sein. Der Panzer aber, der uns schützt, das ist die
Gerechtigkeit, das weiße Kleid Christi, das wir in Taufe und Bekehrung
übergezogen bekommen, die fremde Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit Christi,
durch die allein wir beschützt sind vor dem Teufel. Weil wir durch den Glauben
diese Gerechtigkeit zugesprochen bekommen haben, darum sind wir dann auch gestiefelt
an den Beinen, als fertig, zu treiben das Evangelium des Friedens. Das, was
wir durch Jesus Christus empfangen haben, das müssen wir auch anderen bezeugen.
Das ist unsere Herzenshaltung und auch Christi Auftrag an jeden Christen. Das
ist die Offensive, die wir in Mission und Evangelisation gegen Satans Reich
unternehmen. Was aber brauchen wir besonders? Womit können wir uns am besten
schützen gegen die bösen Anläufe, Angriffe des Feindes? Durch den Langschild
des Glaubens. Der bedeckt unseren ganzen Körper, der ist ein umfassender
Schutz. Nur dann, wenn wir uns in allem im herzlichen Glauben an Jesus Christus
halten, nur dann kann der Satan uns nichts anhaben. In dem Moment, wo wir
diesen sicheren Schutzort verlassen, den Schild des Glaubens ablegen, in dem
Moment sind wir verwundbar durch die Pfeile des Teufels, durch Anfechtungen,
Versuchungen, Reize der Welt oder des Fleisches. Was aber gehört unbedingt zum
Panzer (der Gerechtigkeit) und dem Schild (des Glaubens)? Der Schutz des
Kopfes: der Helm – und zwar der Helm des Heils. Christi Gerechtigkeit,
die wir im Glauben ergriffen haben, hat uns das Heil erworben, die Erlösung,
das ewige Leben. Wenn wir im Glauben bleiben, wenn wir nicht nach einer eigenen
Gerechtigkeit trachten, sondern unsere Errettung einzig gründen auf die fremde
Gerechtigkeit, Christi Gerechtigkeit, die dem Glauben zugesprochen wird, dann
haben wir auch das Heil, allen Anklagen des Teufels zum Trotz. Wodurch aber
werden wir darin erhalten und gefestigt? Durch das Schwert des Geistes,
welches ist das Wort Gottes. Das ist die entscheidende Waffe. Mit der ist
auch unser Heiland Jesus Christus dem Feind entgegen getreten (Matth. 4,1-11),
nur mit der können wir wirklich bestehen. Darum ist es unerlässlich, dass jeder
Christ intensiv Gottes heiliges Wort liest, lernt und täglich damit umgeht.
Paulus
hat es in Römer 7 eindeutig noch einmal festgestellt: Auch der wiedergeborene
Christ ist noch Sünder und fällt täglich vielfach in Sünde. Das unterstreicht
auch Johannes, wenn er im ersten Kapitel seines ersten Briefes darauf hinweist,
dass derjenige, der sagt, dass er keine Sünde habe, ein Lügner sei und daher
vor Gott nicht bestehen könne. Darum ist es so notwendig, dass wir täglich uns
auch wieder reinigen lassen durch unseren Heiland Jesus Christus. Johannes lädt
uns dazu ein, wenn er sagt: So wir aber unsere Sünde bekennen, so ist er
treu und gerecht, dass er uns die Sünde vergibt und reiniget uns von aller
Untugend.... Meine Kindlein, solches schreibe ich euch, auf dass ihr nicht
sündiget. Und ob jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater,
Jesus Christus, der gerecht ist. Und derselbe ist die Versöhnung für unsere
Sünde, nicht allein aber für die unsere, sondern auch für die der ganzen Welt.
(1. Joh. 1,9; 2.1.2) Der Apostel ermutigt uns, nicht in der Sünde liegen zu
bleiben, nicht die Sünde fest zu halten, sondern ins Licht Gottes zu kommen,
damit Jesu Blut, das er für uns auf Golgatha zu unserem Heil vergossen hat, uns
wieder reinigt. Der Teufel macht uns die Sünde groß, wenn wir sie nur erst
einmal getan haben, um uns so zu verzagen. Wir sollen die Sünde allerdings
ernst nehmen, denn es ist traurig, wenn wir immer wieder gegen Gott Wort und
Willen verstoßen. Aber wenn es uns wahrhaft von Herzen leid ist, so sollen wir
zu unserem Heiland Jesus Christus eilen, ihm alles bekennen und gewiss sein,
dass er die Sünden vergeben hat, wie er es zugesagt hat. Immer wieder sollen
und dürfen wir uns vor Augen halten, dass er unser Fürsprecher bleibt, gerade
dann, wenn wir in Sünde gefallen sind und ihn so nötig brauchen. Und gerade
dann dürfen wir es neu in Anspruch nehmen, dass er auch um dieser Sünden willen
unsere Versöhnung geworden ist.
Darum
lehrt unser Heiland Jesus Christus ja auch im Vaterunser die fünfte Bitte: Und
vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Schon
da macht er deutlich, wie sehr wir das täglich brauchen. Ebenso bei der
Fußwaschung seiner Jünger am Abend vor seiner Gefangennahme. Wir müssen einmal
grundsätzlich gereinigt werden, sonst haben wir gar keinen Anteil an ihm, Joh.
13,8, was geschieht in der Taufe und Wiedergeburt. Aber damit ist nicht einfach
alles getan. So, wie derjenige, der sich einmal gründlich gewaschen hat, sich
doch immer wieder waschen muss, zumindest Hände und Füße, so bedürfen auch wir
Christen, dass wir täglich den Schmutz der Sünde, der sich angesammelt hat,
wieder durch Jesus Christus abwaschen lassen, wie er es in der Fußwaschung so
klar hervorhebt.
Buße
und Umkehr ist täglich nötig. Täglich, spätestens bevor wir zu Bett gehen,
sollen wir den Tag vor unserem dreieinigen Gott bereinigen und ihm unsere
Schuld bringen, um Vergebung bitten und die Vergebung ergreifen. Vor Gott und
mit Gott müssen wir ins Reine kommen – und soweit wir Menschen gegenüber
gesündigt haben, sollen wir es, soweit es möglich ist, auch ihnen gegenüber in
Ordnung bringen, ihnen gegenüber bekennen, wo nötig, sie auch entschädigen. Und
wo die Sünde öffentlich geworden ist und somit ein Ärgernis auch für die
christliche Gemeinde darstellt, muss das Bekenntnis auch vor der Gemeinde
stattfinden.
Da,
wo Sünden jemanden besonders drücken, belasten, da hat die Gemeinde Jesu als
eine kirchliche Einrichtung die Möglichkeit der Privatbeichte geschaffen. Sie
ist keine Einsetzung Jesu Christi, beruht aber darauf, dass Jesus Christus
seiner Gemeinde die Schlüsselgewalt, zu binden und zu lösen, anvertraut hat.: Nehmet
hin den Heiligen Geist. Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie
erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. (Joh.
20,22.23) Diese Schlüssel gebraucht die Gemeinde auf vielfältige Weise. Sie
wendet sie an in der Predigt von Gesetz und Evangelium, das ist die
allgemeinste Form; sie übt sie in der allgemeinen Beichte im Gottesdienst, wo
auch ein direkter Zuspruch der Vergebung geschieht. Und sie dient damit in
besonderer Weise in der Privatbeichte, in der der Sünder vor Gott in Gegenwart
des Pastors seine Schuld bekennt und dann aus dem Munde des Pastors Gottes
Vergebung, die Jesus Christus auf Golgatha erworben hat, dargereicht bekommt,
um sie im Glauben zu ergreifen (denn nur im Glauben hat er wirklich auch die
Lossprechung). Niemand kann Sünden vergeben als allein Gott! empörten
sich schon die Pharisäer über Jesus. Kann denn ein Pastor – oder ein anderer
Christ, in dessen Gegenwart gebeichtet wird – die Sünden vergeben? Die Frage
ist so falsch gestellt. Der Pastor steht gerade in der Beichte da als
Gesandter, als Bote Jesu Christi, der im Auftrag der Gemeinde die
Schlüsselgewalt gebraucht, die Jesus Christus seiner Gemeinde verliehen hat.
Darum kann und soll ein reuiger Sünder, der seine Sünden bekannt hat, auch die
ihm zugesprochene Vergebung wahrhaft in dem gewissen Glauben annehmen, dass sie
so recht und gewiss sei, als hätte Jesus Christus sie ihm persönlich
zugesprochen.
Buße,
Umkehr, Ergreifen der Vergebung im Glauben muss dann aber auch in darin münden,
die Nachfolge, die Hingabe zu erneuern, das Leben, sich selbst Christus neu zu
weihen. Nur so wird unser Leben völlig ausgerichtet auf die Bahn, die Jesus
Christus für uns vorgesehen hat. Das heißt auch, in die Taufe zurückkriechen,
wieder aus der Taufgnade leben, den Taufbund erneuern.
Ja,
da wir ständig angefochten werden und im geistlichen Kampf stehen, ist es sogar
gut, wenn wir jeden Tag damit beginnen, dass wir den Bund unserer Taufe
erneuern und uns für den Tag neu unserem Heiland weihen, ihm hingeben. Darum
weist auch Paulus etwa in Römer 12,1 so deutlich darauf hin, einem Schreiben,
das ja an Christen gerichtet ist. Darum auch der Aufruf in Eph. 4,22-24, die
Sünde, den alten Menschen abzulegen und den neuen Menschen anzuziehen. Das ist
nicht mit dem einmaligen Akt der grundlegenden Bekehrung geschehen, sondern
muss sich in täglicher Buße und Umkehr fortsetzen – und darin, dass wir täglich
uns grundsätzlich dem Herrn weihen, jeden Tag aus seiner Hand nehmen, um ihn
für ihn zu leben.
Was
aber ist die Triebkraft dieses neuen Lebens, der Jüngerschaft? Was ist
sozusagen das Lebenselixier des Christen? Nicht das Gesetz, sondern allein das
Evangelium, die Liebe Christi, die sich am Kreuz auf Golgatha bewiesen hat, die
Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden, allein um Christi willen, allein
durch den Glauben. Weil wir Sünder sind, so kommen wir nie darüber hinaus, aus
der Gnade zu leben. Und die Barmherzigkeit Gottes, Röm. 12,1, die Liebe
Christi, 2. Kor. 5,14.15, ermahnt uns, dringt uns, ganz für Christus zu leben.
Das, was unser Leben ausmacht, weshalb wir auch umkehren können jeden Tag, ist
die Tatsache, dass wir in der Taufe und Wiedergeburt mit Christus auferstanden
sind, unser altes Leben gestorben ist – und wir nun nach dem trachten sollen,
was droben ist (Kol. 3,1-4). Aus Gnaden sind wir gerettet worden durch den
Glauben – und darum können wir auch anfangen, die Werke zu tun, zu denen Gott
uns vorbereitet hat, Eph. 2,8-10. Das neue Leben, das ist die auf der Gnade in
Jesus Christus gegründete Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn, 1. Joh.
1,3, als Gereinigte durch das Blut Christi, 1. Joh. 1,7. Nur das Evangelium
Christi ist das Lebenselixier und die Kraft des neuen Lebens. Nur wenn unser
Glaube immer auf den Christus für uns, den Gekreuzigten und Auferstandenen,
blickt, kann der Christus in uns leben. Und wie der Heilige Geist uns durch
Wort und Sakrament dieses neue Leben geschenkt hat, so erhält er uns und führt
er uns darin auch durch Wort und Sakrament – nur, dass er uns jetzt, in der
Heiligung, mit hinein nimmt. Der Christ ist in der Heiligung nicht passiv,
sondern aktiv, soll schaffen, dass er selig wird, mit Furcht und Zittern (Phil.
2,12). Hingabe, Selbstverleugnung, Sterben, Dienen, Gehorchen, das sind
Aktivitäten des Glaubens, die der Heilige Geist durch Wort und Sakrament in uns
weckt, der Glaubende aber wirklich vollzieht. Denn auch hier gilt: Er ist
es, der da wirket Beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem
Wohlgefallen. (Phil. 2,13)
Weil Jesus Christus weiß, wie sehr wir hier auf Erden angefochten sind, wie wir gerade durch unser Fleisch, also die Sünde in uns, immer wieder viel Not haben, darum hat er uns sein Evangelium in vielerlei Weise geschenkt, durch das pure Wort, siehe Röm. 1,16.17, durch das Wort als konkrete Absolution, Lossprechung, Matth. 18; Joh. 20,21-23, in der Taufe, Röm. 6,3.4; Apg. 2,38.39; 22,16, und dann gerade auch im heiligen Abendmahl. Da gibt er uns in, mit und unter Brot und Wein seinen Leib, den er für uns dahingegeben hat, und sein Blut, das er für uns vergossen hat, zum übernatürlichen mündlichen Genuss, um uns damit der Vergebung der Sünden, die er uns durch seinen Gehorsam, Leiden und Sterben erworben hat, zu vergewissern, immer neu darinnen fest zu machen und uns zu stärken zu einem Leben in der Nachfolge.
Die
frühe Gemeinde hat, wie wir dies aus den Berichten in der Heiligen Schrift
entnehmen können, siehe Apg. 2,42, daher das heilige Abendmahl oft gefeiert,
zumeist wohl bei den (sonntäglichen) Versammlungen; in Jerusalem, zumindest in
der ersten Zeit, sogar täglich.
Gerade
dann, wenn wir bewusst, konsequent den Weg der Nachfolge gehen wollen, gerade
dann kommen wir immer wieder an den Punkt, den Paulus in Römer 7,24 beschreibt,
eine schiere Verzweiflung über unsere Situation als Gerechter und Sünder zugleich.
Aber gerade deshalb brauchen wir die Ermutigung, Stärkung, Zurüstung durch das
Evangelium Christi in der vielfältigsten Weise. Und das heilige Abendmahl ist
eine besondere, persönliche Weise Jesu Christi, in der er uns begegnet, weil er
dir da ganz persönlich seinen Leib und sein Blut darreicht, um dir damit das zu
vergewissern, was er auch für dich erworben hat. Denn das ist das rechte
Gedächtnis, wenn es dir vor Augen steht, was er auf Golgatha getan – und dass
er es für dich getan hat, und dass du das in Buße und Glauben ergreifst. Darum
empfangen wir Christi Leib und Blut unter Brot und Wein ja nur dann recht, wenn
wir es empfangen als bußfertige Sünder, die Christi Gnade und Vergebung
begehren. Darum ist es auch unerlässlich, dass wir uns immer wieder recht
vorbereiten auf diese innige Gemeinschaft mit unserem Heiland und Herrn, indem
wir in rechter Selbstprüfung bedenken, wie es mit uns steht, warum wir das
heilige Abendmahl begehren, damit wir nicht als Unwürdige kommen, also als
solche, denen ihre Sünden gleichgültig sind, die sie gar nicht erkennen, oder
die gar nicht wissen, was sie im heiligen Abendmahl empfangen oder die auch gar
nicht wissen, mit wem sie Gemeinschaft im heiligen Abendmahl pflegen.
Denn
das heilige Abendmahl ist zugleich ein Bekenntnismahl, nämlich dass wir nach
außen bekennen: Wir, die wir gemeinsam Christi Leib und Blut unter Brot und
Wein empfangen, wir sind ein Leib, nämlich eins im Bekenntnis und Glauben.
Abendmahlsgemeinschaft ist intensiver Ausdruck der Kirchengemeinschaft. Wer
daher wahrhaft als Jünger Jesu an Jesu Rede bleiben will, kann nicht mit denen
das heilige Abendmahl empfangen, die nicht in allem an Christi Rede bleiben,
Röm. 16,17.18; 2. Kor. 6,14-18.
Gerade
das heilige Abendmahl weist uns auch darauf hin, wie Apg. 2,42 und 1. Kor.
10,16.17 zeigen, dass der Jünger Jesu, soweit es möglich ist, nicht nur Glied
der verborgenen Gemeinschaft des Glaubens oder der Heiligen sein sollte, das
unbedingt, sondern auch einer äußeren Versammlung um Wort und Sakrament (örtlichen
Gemeinde), sofern sie unverkürzt und unverfälscht an der reinen biblischen
Lehre festhält. Das zu prüfen ist Aufgabe eines jeden Jüngers Jesu, als
Einzelner wie als Glied einer Gemeinde, Matth. 7,15;
Joh. 10,5; Röm. 16,17.18; 2. Kor. 6,14-18; 1. Joh. 4,1-3; 2. Joh. 8-11. Denn Gott setzt
den Gläubigen hinein in die örtliche Gemeinde, Apg. 2,47, dass er dort durch
der Apostel Lehre, also die biblische Lehre des Alten und Neuen Testamentes,
wachse in aller Erkenntnis, gefestigt werde im Glauben, zubereitet für das
christliche Leben, gestärkt für den Alltag, für das christliche Zeugnis – aber
ebenso auch immer wieder zurechtgebracht durch die Glaubensgeschwister in aller
Sünde. Siehe: Apg. 2,42; Eph. 2,18-21; 4,11-16. In der Gemeinde wird
vornehmlich der von Christus eingesetzte Dienst des Wortes und der Lehre
(heiliges Predigtamt) ausgeübt, damit die Jünger gestärkt und zubereitet
werden; in der Gemeinde sollen wir als Christen als Glieder an einem Leib
unsere unterschiedlichen Gaben zu allgemeinen Nutzen einsetzen, 1. Kor. 12,1-7.
Der
Jünger Jesu lebt, wenn es möglich ist, dass er Glied einer örtlichen Gemeinde
ist, ja nicht nur aus dem persönlichen Bibellesen (Stille Zeit) und der
persönlichen Gebetsgemeinschaft mit seinem Herrn, sondern gerade auch aus dem
Gottesdienst der Gemeinde, dem gemeinsamen Demütigen vor dem dreieinigen Gott,
dem gemeinsamen Loben und Anbeten, dem gemeinsamen Hören auf Gottes Wort, dem
gemeinsamen Bekennen der Sünde wie des Glaubens, und der gemeinsamen Fürbitte –
wie auch der Gemeinschaft im heiligen Abendmahl und im Dienst aneinander und
nach außen durch Evangelisation und Mission, als sendende Gemeinde wie als
zeugende Gemeinde, Apg. 13,1-3; 1. Petr. 2,9.
Gottesdienst
der Gemeinde ist Kampf, ist geistlicher Kampf gegen die Mächte der Finsternis
durch Wort und Sakrament – und zugleich Stärkung, Zurüstung der Jünger für den
geistlichen Kampf und das geistliche Leben als Christ im Alltag. Darum will
Christus seinen Jüngern im Gottesdienst eben durch Wort und Sakrament dienen, ihnen
darin begegnen, sie stärken, zurüsten, erneuern, senden, Apg. 2,42; 1. Kor.
12,26-35.
Betet
ohne Unterlass! ruft uns der Heilige Geist durch Paulus zu (1. Thess. 5,17). Was meint
er damit? Damit ist, wie wir aus dem Leben des Apostels selbst wissen, nicht
gemeint, dass wir den ganzen Tag nur noch auf den Knien liegen und beten
sollen, sondern das ist gemeint, dass unser Leben als Christen, als Jünger
Jesu, in der innigsten Gemeinschaft mit unserem Herrn sich gestaltet, so dass
wir alles, was uns begegnet, an Schönem und Traurigem, an Not, Trübsal wie an
Freude und Glück ihm im Gebet bringen, dass wir aus allem auch ein Gebet
machen, wie es Phil. 4,6 heißt: Sorget nichts, sondern in allen
Dingen lasset eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund
werden. Dies ist dann recht ein Leben, wie Gott es auch von Abram wollte: Wandle
vor mir und sei fromm! (1. Mose 17,1), ein Leben also, dass wir bewusst vor
dem Angesicht Gottes führen, in rechter Gottesfurcht, Scheu davor, ihn durch
irgendeine Sünde zu beleidigen und zu betrüben, in heiligem Eifer, seinen
Willen gern, von Herzen, vollständig zu erfüllen, ganz und in allen Dingen für
ihn zu leben, in allen Tätigkeiten des Alltages. Das stimmt ja ganz damit
überein, wenn der Heilige Geist uns ermahnt: Alles, was ihr tut mit Worten
oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des Herrn Jesus und danket Gott und
dem Vater durch ihn... Alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als dem Herrn
und nicht den Menschen. (Kol. 3,17.23)
Es
ist ein ungeheures Vorrecht, dass wir als Jesu Jünger zu unserem Vater im
Himmel kommen dürfen und ihm wirklich alles sagen, was uns bewegt. Und wie
herzlich ruft unser Heiland uns immer wieder dazu auf und verknüpft diese
Aufforderungen mit kostbaren Verheißungen, dass er uns erhört. Dazu aber gehört
auch die rechte Demut, die wir nur dann lernen, wenn unser alter,
selbstgefälliger, selbstgerechter, auf eigene Kraft und Weisheit pochender
Mensch zerbrochen wird unter der Selbsterkenntnis, der Erkenntnis der abgrundtiefen
Verdorbenheit und Schwachheit und dem völligen Unvermögen, irgendetwas Gutes
aus eigener Kraft tun zu können. Dann werden wir gerne alles von Gott erwarten,
alles von ihm erbitten – aber auch gerne ihm für alles danken, ihn loben und
preisen. Es ist so wichtig, dass wir beten lernen und praktizieren. Dazu ist es
nötig, dass wir recht erkennen, dass Gott es ist, der uns alles gibt, Leib und
Seele, Augen, Ohren, Vernunft und alle Sinne, auch alles, was wir an Nahrung,
Arbeit, Wohnung brauchen, auch gute Nachbarn, Freunde, gute Regierung und was
sonst zu einem friedsamen Leben nötig ist. Andererseits aber lernen wir daraus
auch, uns mit dem zu begnügen, was Gott uns gibt – vor allem aber die
Gottseligkeit als das höchste Gut zu schätzen. Es ist aber ein großer
Gewinn, wer gottselig ist und lässet sich genügen. Denn wir haben nichts in die
Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts hinausbringen. Wenn
wir aber Nahrung und Kleider haben, so lasset uns begnügen. Denn die da reich
werden wollen, die fallen in Versuchung und Stricke und viel törichte und
schädliche Lüste, welche versenken die Menschen ins Verderben und Verdammnis.
(1. Tim. 6,6-9)
Wie
aber sollen wir beten? Die Bibel macht uns darüber keine Vorschriften, weder
was die Worte angeht, noch die Gebetshaltung, von der uns verschiedene
überliefert sind. Wir sollen und dürfen darum ganz natürlich reden mit unserem
Vater im Himmel – aber doch nie vergessen, dass wir nicht zu irgendeinem Kumpel
sprechen, sondern zu dem lebendigen, heiligen Gott, unserem Schöpfer, Erlöser
und Herrn. Im Vaterunser hat unser Heiland uns dabei das rechte Muster aller
Gebete gegeben, das wir selbst beten sollen und dürfen, so wir es nur in
rechter Andacht, mit rechtem Bedenken, was wir da beten, sprechen. Hier wird
deutlich, dass Gott will, dass wir zunächst und vor allem nicht für uns,
sondern für Gottes Wirken beten sollen: dass Gottes Name geheiligt werde, was
durch bibeltreue Lehre und ein dem Worte Gottes entsprechendes heiliges Leben
geschieht. Dann: dass sein Reich komme, zu uns selbst und zu den Menschen in
aller Welt, was geschieht durch das Wirken des Heiligen Geistes durch Wort und
Sakrament, wodurch er den Glauben weckt und erhält. Und: dass der Wille Gottes
geschehe, nämlich in unserem eigenen Leben und überhaupt in dieser Welt. Das
ist sicher die schwerste Bitte, weil sie zugleich recht mit unserem täglichen
Sterben zusammen hängt, denn hier geht es doch darum, dass unser eigener Wille
immer wieder gebrochen wird, dass nicht unsere Wünsche, Wollen, Vorstellungen,
Vorhaben, Pläne zum Zuge kommen, sondern Gottes Willen, Gottes Vorstellungen,
Gottes Ziele. Ja, es geht hier recht um den geistlichen Kampf, weil ja der
Teufel, die (gottfeindliche) Welt und unser (ebenso gottfeindliches) Fleisch
eben in eine ganz andere Richtung wollen als der dreieinige Gott – und es gegen
diese drei Kräfte gilt, dass Gottes Willen zum Zuge kommt. Hier wird ganz
deutlich die Grenze gesetzt für alle Gebete um Dinge, für die wir keine direkte
Verheißungen im Wort Gottes haben, also für alle Dinge des irdischen Leben: Nicht
mein, sondern dein Wille geschehe. (Luk. 22,42) Gott erhört Gebet – aber er
erhört es damit nicht unbedingt nach unseren Wünschen, unseren
Zeitvorstellungen, selbst in den geistlichen Dingen, in denen wir seine
Verheißungen haben. Und warum? Weil er den Gesamtüberblick über alles hat, den
wir gar nicht haben, weil er darum weiß, was für uns gut, nützlich ist, was
schädlich. Darum gibt er uns nicht einfach, was wir wollen, sondern, wie ein
rechter Vater bei seinem Kind, bedenkt, was wann richtig ist. Oft bitten wir ja
auch unsinnig, wirklich schädliche Dinge, auch wenn wir sie für gut halten,
sind vielleicht auch noch sehr irdisch gesinnt und wollen Gott nur einspannen
für unsere Wünsche. In diesem Gebet geht es darum ebenfalls um die Praxis des
täglichen Sterbens, des Opferns unserer Vorstellungen.
Erst
jetzt, an der vierten Stelle, kommt im Vaterunser eine Bitte, die unser
alltägliches Leben umschließt: Unser täglich Brot gib uns heute. Auch hier
lernen wir etwas von der Gnade und Weisheit Gottes, wie er möchte, dass wir
nicht um großen Vorrat beten – wiewohl Gott uns den auch geben kann –, sondern
dass wir uns mit dem begnügen, was für heute nötig ist, vertrauend, Gott kann
morgen auch wieder geben. Und wir sollen nicht an uns allein denken, wie ja das
ganze Vaterunser uns immer wieder hinein stellt in die Gemeinde Jesu Christi;
auch für die anderen sollen wir beten, die Verwandten, die Nachbarn, die
Kranken, Notleidenden, die Prediger, Pastoren, Missionare, Evangelisten, die
Regierung, Vorgesetzten, Lehrer. Hier erkennen wir, welch ein gewaltiger,
umfassender Dienst das Gebet ist, wodurch wir auch Teil haben an Gottes
Weltregierung.
Dann
sollen wir unser eigenes geistliches Leben bedenken: und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Über diese Bitte kommen wir nie
hinaus. Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht; denn vor dir ist kein
Lebendiger gerecht. (Ps. 143,2) So betete schon David und bekannte dies
auch, dass wir Sünder bleiben, bis wir sterben. Täglich sündigen wir
vielfältig, wissentlich und unwissentlich, und brauchen daher täglich dieses
Gebet – und dass auch wir unsererseits, als solche, die doch aus der Vergebung
Gottes leben, denen, die an uns schuldig geworden sind, von Herzen die
Vergebung gewähren und nicht handeln wie der Knecht, der seinen Mitknecht um
einer geringen Schuld willen fast umgebracht hätte, während ihm selbst eine
Riesenschuld gnädig erlassen war (Matth. 18,23-35).
Im
Gebet sollen wir gerade auch die Tatsache bedenken, dass wir täglich
angefochten sind, versucht werden: und führe uns nicht in Versuchung, sondern
erlöse uns von dem Übel. Gott versucht uns nicht, er prüft nur, um unseren
Glauben zu bewähren, unsere Schuld und Schwachheit uns vor Augen zu führen und
uns wachsen zu lassen. Der Teufel aber will uns wirklich verführen, stürzen aus
dem Glauben. Darum stehen wir täglich im Kampf – und können ihn niemals aus
eigener Kraft gewinnen. Darum gilt es, täglich Christi Beistand zu erflehen und
seine Durchhilfe in diesen geistlichen Kämpfen.
Vor
allem aber sollen wir das Ziel nie aus den Augen verlieren: sondern erlöse uns
von dem Übel, also dem Bösen, dem Teufel, und all dem Üblen, was durch ihn in
dieser Welt ist. Das geschieht ja vollständig erst dann, wenn wir sterben.
Darum gilt es, um ein seliges Sterben zu bitten, also darum, dass wir bewahrt
werden im Glauben zur ewigen Herrlichkeit, dass wir in Frieden einst für immer
zu unserem Heiland Jesus Christus in den Himmel gehen. Das ist das Ziel, das er
uns vor die Augen gestellt hat – das sollen wir auch immer vor Augen haben und
nicht zu sehr an dieser Welt kleben, die uns gefangen nehmen will.
Das
Vaterunser zeigt uns damit eine Gewichtung für unsere Gebete, die wir wohl
bedenken sollten, denn wir neigen sehr dazu, vor allem für uns selbst zu beten,
und dabei vor allem zu bitten. Wir sollen aber zum einen das Reich Gottes im
Auge haben, dann auch die anderen Menschen, auch dankbar werden – und die
Anbetung nicht vergessen, wie der Lobpreis am Ende zu zeigt: Denn dein ist das
Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Dabei
sollen wir nicht zweifeln, dass Gott uns erhört, denn sonst erlangen wir
nichts, Jak. 1,6-7, sondern uns wirklich getrost auf Christi Verheißung Matth.
7,7 stützen, wie wir es auch mit dem Amen bekräftigen. Christus ruft uns auf,
in seinem Namen zu bitten (Joh. 16,23 b). Damit ist keine bloße Formel gemeint,
die an den Schluss oder Anfang des Gebetes gesetzt wird, sondern es geht darum,
dass wir wirklich auch ringen darum, den Willen Christi zu erkennen, uns ihm
ganz unterwerfen, ihn Herr über das sein lassen, was wir erbeten haben – und so
auch bedenken, ob das, was wir erbitten, beten, wohl wirklich in Christi Augen
recht ist. Dabei können wir frei beten wie auch vorgegebene Gebete, wie ja auch
die Psalmen das Gebet- und Gesangbuch der alttestamentlichen und frühen
neutestamentlichen Gemeinde war. Das alles will uns ermutigen, immer inniger in
diese Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott zu treten – denn zu allen drei
Personen dürfen wir beten – und nichts ihm vorzuenthalten.
Wir
sollen in unser Kämmerlein gehen und da beten, an einem ruhigen, stillen Ort,
wo wir für uns sind. Das ist das eine, das persönliche Gebet. Daneben aber
sollen wir auch das gemeinsame Gebet, vor allem das Gebet in der Ehe, der
Familie und in der Gemeinde, nicht vergessen. Es ist für die Gemeinschaft sehr
wichtig, dass wir wirklich darinnen eins sind in Christus und dieses Einssein
sich auch darinnen verwirklicht. Von der frühen Jerusalemer Gemeinde lesen wir ja,
dass sie auch beständig waren im Gebet. Und wenn die Anfechtungen von
außen kamen, so eilten sie zusammen, um gemeinsam zum Herrn zu rufen. Wir haben
eine herrliche Verheißung Jesu Christi für das gemeinsame Gebet: Wo zwei
unter euch eins werden auf Erden, warum ist es, das sie bitten wollen, das soll
ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt
sind in seinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. (Matth. 18,19.20)
C |
hristliches Leben ist Leben
aus dem Wort Gottes, aus dem Evangelium. Darauf verweist uns allein schon Jesu
Aufruf: So ihr an meiner Rede bleibet, so seid ihr meine rechten Jünger und
werdet die Wahrheit erkennen; und die Wahrheit wird euch frei machen. (Joh.
8,31.32) Bleiben an Jesu Rede – das heißt ja nichts anderes als: Gottes Wort
immer wieder lesen, im Herzen bewegen und im Leben umsetzen. Selig sind, die
das Wort Gottes hören und bewahren! (Luk. 11,28) Es muss tief in unser Herz
hinein, damit es unser Leben prägt, damit wir nicht nur Hörer, sondern auch
Täter des Wortes sind.
Im
Wort Gottes haben wir alles, was wir brauchen. Darum schreibt Paulus an
Timotheus: Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und dir vertraut ist,
da du weißt, von wem du gelernt hast. Und weil du von Kind auf die Heilige
Schrift weißt, kann dich dieselbe unterweisen zur Seligkeit durch den Glauben
an Christus Jesus. Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre,
zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, dass ein Mensch
Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt. (2. Tim. 3,14-17) Die
Heilige Schrift unterweist zur Seligkeit, zur Rettung. Das ist ihre wichtigste
Aufgabe, wozu sie der Heilige Geist verwendet. Denn in Gottes Wort haben wir
Gesetz und Evangelium, Forderung und Verheißung, Verurteilung und Freispruch,
Verdammnis und Erlösung. Und durch das Evangelium weckt der Heilige Geist den
Glauben.
Aber
dann will er durch das Wort noch weiter an uns arbeiten. Die Schrift ist uns
gegeben zur Lehre. Gott unterweist uns durch sein Wort, Gott lehrt uns.
Dogmatik ist keine Erfindung der Kirche, sondern ist nichts anderes als die
systematische Zusammenfassung der Aussagen der Bibel. Biblische Lehre ist daher
hoch notwendig, denn damit bekennen und bezeugen wir das, was Gott selbst in
seinem Wort uns lehrt. Nur wenn wir in der Lehre fest werden, können wir die
Ehre und Majestät Gottes recht achten und denen entgegen treten, die anderes
lehren als die Lehre Gottes. Gott will ja, dass wir fest werden in der Lehre,
damit wir nicht mehr Kinder seien und uns wägen und wiegen lassen von
allerlei Wind der Lehre und Schalkheit der Menschen und Täuscherei, damit sie
uns erschleichen und verführen. (Eph. 4,14) Nur dann, wenn wir die doctrina
divina, die göttliche Lehre, auch kennen, können wir gemäß Joh. 10,5
unterscheiden, ob die Stimme des guten Hirten zu uns redet oder eine fremde
Stimme; nur dann können wir uns vorsehen vor den falschen Propheten, weil wir
dann wissen, was die wahren Propheten oder Lehrer verkündigen müssten – und
können nur dann auch den von Gott geforderten Schritt tun, die falsche Lehre
und ihre Lehrer zu meiden, Röm. 16,17.18; 2. Kor. 6,14-18; 2. Joh. 8-11.
Die
biblische Lehre ist auch die Grundlage aller missionarischen Arbeit – denn was
sollte den Menschen erzählt, bezeugt, verkündigt werden, wenn nicht die
biblische Wahrheit? Darum müssen wir sie kennen, auch in ihrer Zusammenfassung
in den Bekenntnissen, wie dem Apostolischen und Nizänischen Bekenntnis, auch
dem Athanasianischen, dem Augsburgischen Bekenntnis und dem Kleinen
Katechismus.
Gott
arbeitet aber auch durch sein Wort an uns, denn er hat es uns unter anderem
gegeben zur Strafe, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, zur Besserung. Denn wo
können wir Gott begegnen? Es gibt keine Möglichkeit als Wort und Sakrament
(wobei auch im Sakrament das Wort das Entscheidende ist). Darum ist es so
lebens- und überlebenswichtig für den Jünger Jesu, dass er täglich intensiv mit
Gottes Wort lebt, täglich darinnen liest, forscht. Nicht nur aus Pflicht oder Gewohnheit
einen Abschnitt lesen, sondern, wie Paulus an die Kolosser schreibt, das Wort
Christi unter euch reichlich wohnen lassen in aller Weisheit. Es geht
darum, wirklich betend zu lesen, damit wir frei und bereit werden für das Reden
und Wirken des Heiligen Geist durch das Wort. Nur dann, wenn wir offen sind,
dass Gott zu uns reden und an uns arbeiten kann, nämlich uns Sünde aufzeigen,
Verheißungen schenken, uns unterweisen, uns Wegweisungen geben, Ermahnungen,
Stärkungen, Trost, Hilfe, Ermutigung, nur dann können wir wirklich schöpfen aus
der Fülle des Wortes Gottes, wie wir es im 1., 19. und 119. Psalm lesen. Dazu
gehört auch, dass wir mit allem, was uns bewegt, auch all unseren Fragen,
selbst Zweifeln, an unsere tägliche Bibellese heran gehen, damit Gott uns
antworten kann. Immer aber muss es dahin führen, dass wir uns beugen unter das
Wort, dass nicht wir uns die Dinge zurecht biegen, sondern dass Gott durch sein
Wort regiert, führt, leitet.
Gottes
Wort soll unser Leben ausmachen, also unser Herz, unser Denken, Reden, unsere
Haltung erfüllen, prägen – denn durch das Wort kommt der dreieinige Gott selbst
zu uns. Das, was Gott durch Mose in 5. Mose 6 gesagt hat, das gilt ja auch uns,
dass wir sein Wort uns zu Herzen nehmen sollen, davon reden, wo immer wir
sitzen, gehen, stehen. Psalm 1 redet davon, dass wir haben Lust zum Gesetz
des Herrn und reden von seinem Gesetz Tag und Nacht. Nur dann, wenn wir uns
ganz dem Herrn zur Verfügung gestellt haben, rückhaltlos, ohne Einschränkung,
nur dann, wenn es uns wirklich darum geht, nichts anderes als seinen Willen zu
tun, nur dann werden wir diese Lust an seinem Wort recht haben und wirklich
begehren, ganz von seinem Wort durch seinen Geist erfüllt zu sein.
Dann
ist es uns so kostbar, so teuer, wie wir es bei Paulus finden, der von sich
sagen konnte, als er die kleinasiatischen Gemeinden verließ, dass er euch
nichts vorenthalten habe, dass ich nicht verkündigt hätte allen den Rat Gottes
(Apg. 20,27). Alles war ihm wichtig, bedeutsam, so, wie Christus uns befohlen
hat, zu verkündigen alles, was ich euch befohlen habe (Matth. 28,19).
Leben
im Wort Gottes, das heißt dann aber auch, wie die frühe Gemeinde, bleiben in
der Apostel Lehre, auch als Gemeinde. Da, wo die Möglichkeit gegeben ist,
Glied einer rechtgläubigen Gemeinde zu sein, soll der Jünger sich anschließen,
so ist es Gottes Ordnung und Mandat. Und da wird er Lehre, Unterweisung,
Sündenerkenntnis, Lossprechung von Sünden, Trost, Ermahnung, Ermunterung
empfangen durch das verkündigte Wort im Gottesdienst, in der Bibelstunde und
den anderen Kreisen der Gemeinde – und er wird mit den anderen Gemeindegliedern
darauf achten, dass Gottes Wort rein, lauter, unverkürzt und unverfälscht in
Gesetz und Evangelium verkündigt wird und wird keine falsche Lehre und falschen
Lehrer dulden.
J |
üngerschaft lebt aus dem
Wort – und steht daher auch unter dem Auftrag Jesu Christi: Gehet hin in
alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie im Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch
befohlen habe. (Matth. 28,19) Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das
königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr
verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu
seinem wunderbaren Licht. (1. Petr. 2,9) Jesus Christus hat uns nicht nur
wiedergeboren, dass wir selbst einst bei ihm sein sollen in der Ewigkeit, das
allerdings auch, sondern ebenso, dass wir als seine Jünger Boten sind, die sein
Rettungswerk, für alle Menschen geschehen, auch anderen bezeugen. Wenn wir im
Vaterunser beten: Dein Reich komme! so bezieht sich das nicht nur
darauf, dass es allerdings zu uns kommen soll, indem der Heilige Geist uns
durch das Evangelium in Wort und Sakrament zum Glauben ruft und den Glauben an
Jesus Christus als unseren Heiland in uns weckt und erhält – sondern er will
uns den Blick immer mehr weiten für die Menschen um uns her: in unserer
Verwandtschaft, in unserem Freundeskreis, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz,
in unserem Ort, unserer Region, unserem Volk, in den anderen Völkern, damit wir
einen Blick bekommen für die ungeheure geistliche Not, dafür, wie so ungeheuer
viele Menschen in der geistlichen Finsternis sind, auf dem Weg in die ewige
Verdammnis.
Jüngerschaft
heißt daher auch: andere zu Jesus Christus führen als ihrem Heiland. Das lernen
wir schon bei Andreas und Philippus. Andreas brachte seinen Bruder Simon zu
Jesus, Philippus seinen Freund Nathanael (siehe Johannes 1). So sollen auch
wir, nachdem wir durch Gottes Gnade wiedergeboren sind zum ewigen Leben,
fragen, mit wem wir bekannt sind, wie diese Menschen zu Jesus Christus stehen –
und wenn sie noch fern sind von ihrem Heiland, wie wir sie erreichen können.
Gott will sie uns aufs Herz legen, dass wir für ihre Errettung beten, auch
darum, wie wir dabei Sendboten Gottes sein können. Wir sollen und dürfen um
Gelegenheiten zum Zeugnis bitten, Gelegenheiten, im Gespräch auf das
einzugehen, was wir selbst geschenkt bekommen haben – und wie sie selbst es
doch auch brauchen und bekommen können. Das Zeugnis für unseren Heiland und
Herrn fällt uns dabei oft schwer. Auch das sollte uns ein Gebet werden, dass
wir viel offener, viel natürlicher im Alltag von unserem Heiland zeugen, die
wir doch über so viele andere, oft auch unnütze, Dinge mit unseren Mitmenschen
reden können. Dabei haben wir doch diese wunderbare Zusage unseres Heilandes: Ihr
seid das Salz der Erde. Wo nun das Salz dumm wird, womit soll man salzen? Es
ist zu nichts hinfort nütze, als dass man es hinausschütte und lasse es die
Leute zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es mag die Stadt, die auf einem
Berge liegt, nicht verborgen sein. (Matth. 5,13.14) Christus sagt hier
nicht, dass wir Salz und Licht nach viel Anstrengung werden, er sagt nicht,
dass wir das selbst bewerkstelligen müssten. Nein, er redet hier in der
Gegenwartsform: Wer durch das Evangelium, durch den Glauben an ihn, sein Jünger
geworden ist, der ist Salz der Erde und Licht der Welt. Nun gilt es, das, was
wir von Gott geschenkt bekommen haben, auch wirklich einzusetzen, denn sonst
droht das Salz dumm zu werden, das Licht zu verlöschen. Salz sein heißt auch,
dass wir die Sünden nicht verschweigen dürfen, sondern Gottes Gesetz unverkürzt
bezeugen – dann aber ebenso das kostbare Evangelium der Rettung durch Jesus
Christus. Zum Licht sein gehören auch die guten Werke. Daher ist es wichtig,
dass unser Leben nicht das genaue Gegenteil von dem bezeugt, was wir mit den
Worten weitergeben wollen. Das wird uns immer wieder in die Buße führen.
Zeugendienst
ist aber nicht nur Einzelkämpferchristentum. Auch hier gilt, dass wir, neben
dem persönlichen alltäglichen Christuszeugnis, in unserem missionarischen
Dienst eingebunden sein sollen in unsere Gemeinde. Bibel- und bekenntnistreue
christliche Gemeinde ist missionarische Gemeinde oder es ist etwas verkehrt mit
ihr und sie steht in der Gefahr, geistlich zu sterben. Es ist eine große Not,
dass so viele Gemeinden und Christen sich nur um sich selbst drehen, darum,
dass es ihnen gut geht – und so wenig offen und bereit sind für das
Rettungswerk des Heiligen Geistes durch Wort und Sakrament. Die Gemeinde in
Antiochien war eine missionarische Gemeinde. Der Heilige Geist konnte sie
verwenden, dass sie Paulus und Barnabas ausgesandt hat zur Heidenmission (Apog.
13,1-3), diese Arbeit gewiss auch im Gebet getragen hat, denn die Sendboten
sind dann auch wieder nach Antiochien zurückgekehrt und haben der Gemeinde
ausführlich über ihren Dienst gerichtet. Von den Gliedern der Jerusalemer
Gemeinde lesen wir, dass sie, als sie durch die Verfolgung zerstreut wurden,
überall, wo sie hingekommen sind, von ihrem Heiland gezeugt haben, Apg. 8,4.
Auch die Gemeinde in Antiochien ist eine Frucht dieser „Laienmission“, Apg.
11,19-21. Darum sollte es uns ein wichtiges Anliegen sein, dass unsere
Gemeinden missionarische Gemeinden werden, dass wir weitere Menschen in den
Gemeinden finden, mit denen zusammen Gemeindemission betrieben werden kann,
wenn irgend möglich in Zusammenarbeit mit dem Pastor. Die Möglichkeiten sind vielfältig,
es sei hingewiesen auf Hauskreise, auf missionarische Kinderkreise, freie
christliche Bekenntnisschulen, auf Bibelkreise, Bibelseminare, thematische
Vorträge, Evangelisationen, Straßenpredigten, Hausbesuche, christliche
Konzerte; auch auf missionarisch-diakonische Arbeit, etwa unter Ausländern,
Obdachlosen, Jugendlichen, Krankenhausmission, Gefängnismission.
Über
dieser „Heimatmission“ darf aber die äußere Mission nicht vergessen werden,
also die Mission unter anderen Kulturen, die heute oft nicht erst in weit
entfernte Länder führen muss, sondern durch die vielen Völker, die hierher
gekommen sind, schon im eigenen Land beginnen kann – aber natürlich auch die
klassische äußere Mission soll nicht vergessen werden. Es ist für das
geistliche Leben einer Gemeinde sehr belebend, wenn sie auch dafür einen
Missionskreis hat, von Gemeindegliedern getragen, der Missionsvorträge
veranstaltet, Kontakte zu Missionaren ermöglicht, Missionsgebetsstunden
anbietet und auch, eventuell in Verbindung mit anderen Gemeinden, es in die
Wege leitet, Missionare und Evangelisten auszusenden und zu unterstützen.
Und
was ist das Ziel aller missionarischen und evangelistischen Arbeit? Zuerst und
vor allem nicht, dass nur äußerlich neue Kreise entstehen – sondern das erste
und vornehmste Ziel ist immer, dass Menschen durch das Evangelium im Wort zum
bewussten Glauben an Jesus Christus als ihrem Heiland geführt werden und dann
zur Taufe (und wenn sie schon getauft wurden: zurück zu ihrer einst empfangenen
Taufgnade) und damit auch in die äußere Versammlung um Wort und Sakrament, in
die gottesdienstliche Versammlung mit Sündenbekenntnis, Glaubensbekenntnis,
Gottes Wort, Anbetung, Lob Gottes, Fürbitte und der Stärkung der
Heilsgewissheit durch Christi Leib und Blut unter Brot und Wein im heiligen
Abendmahl sowie der christlichen Unterweisung in der Christenlehre und der
Bibelstunde. Das erste Ziel ist also immer, dass Menschen Glieder der
verborgenen Gemeinschaft des Glaubens werden – dann aber auch, dass sie
gesammelt werden in Gemeinden um Wort und Sakrament.
I
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m vierten Kapitel des
Philipperbriefes gibt Paulus ein gewaltiges Zeugnis von seiner freien inneren
Haltung, die er im Glauben an den Heiland gewonnen hat: Ich kann niedrig
sein und kann hoch sein; ich bin in allen Dingen und bei allen geschickt,
beide, satt sein und hungern, beide, übrig haben und Mangel leiden. Ich vermag
alles durch den, der mich mächtig macht, Christus. (Phil. 4,12.13) Hier
lernen wir einen Menschen kennen, für den diese äußeren Dinge ihren hohen Wert,
den sie für uns oft haben, verloren haben. Aber nicht dadurch, dass er
apathisch geworden wäre oder ein Asket, nein. Paulus konnte dies alles durch
Christus. Sein ganzes Leben hing an diesem Mann von Golgatha, an dem
Gekreuzigten und Auferstandenen. Er lebte völlig aus der Kraft unseres
Heilandes, lebte in gänzlichem Vertrauen auf ihn, der sich für uns am Kreuz auf
Golgatha hingegeben hatte und darinnen seine abgrundtiefe Liebe zu uns bewies.
Mangel, Probleme, Nöte werden darum nicht unbedingt weggewischt, aber sie
werden dadurch möglicherweise schon wesentlich geringer, weil sich ihr Wert und
ihre Härte schon reduziert hat. Und manche Nöte und Ängste lösen sich einfach
auf, weil ihre Ursache herrührte von fehlendem Vertrauen zu dem dreieinigen
Gott und einer Haltung, die nur die eigene Sicht der Dinge durchsetzen will und
alles andere als böse ansieht und Gottes Liebe dann nicht mehr erkennen will.
Auch
Paulus hat diese Glaubenshaltung erst lernen müssen. Wir lesen davon in 2. Kor.
12: Und auf dass ich mich nicht der hohen Offenbarung überhebe, ist mir
gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satanas Engel, der mich mit Fäusten
schlage, auf dass ich mich nicht überhebe. Dafür ich dreimal zum Herrn geflehet
habe, dass er von mir wiche; und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade
genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am
allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir
wohne. Darum bin ich gutes Muts in Schwachheiten, in Schmachen, in Nöten, in
Verfolgungen, in Ängsten um Christi willen. Denn wenn ich schwach bin, so bin
ich stark. (V. 7-10) Wie gerne hätte er diesen Pfahl im Fleisch weg gehabt.
Aber Gott hat ihn bewusst in sein Leben verordnet. Und was hat er daraus lernen
dürfen? Aus der Gnade zu leben, allein aus der Gnade, nicht aus eigenem
Vermögen, eigener Kraft, eigenen Möglichkeiten, sondern allein aus der Gnade.
In der Welt, in der Leistung, Vorwärtskommen, Kraft, Stärke dominieren, da ist
Schwachheit eine große Not – aber Paulus kann sich seiner Schwachheit rühmen,
kann auch all das andere Schwere auf sich nehmen. Warum? Weil gerade dann die
Stärke und Macht Christi in ihm zum Zuge kommt.
Die
Grundlage aber ist auch hier immer wieder das Evangelium, das uns die Liebe
Gottes vor Augen stellt, die er in Jesus Christus bewiesen hat, als er seinen
eingebornen Sohn für uns Sünder dahingegeben hat. Das zeigt uns, dass er es
wahrhaft, und in allen Dingen, gut mit uns meint, dass wir es wirklich annehmen
können: Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.
(Röm. 8,28) Aber das ist ein schwerer Satz, oft sehr schwer in der konkreten
Situation anzuwenden. Da aber, wo wir an dieser Tatsache festhalten, verbunden
auch damit, dass er wahrhaft der Herr ist, der alles in seiner Hand hat,
weshalb es auch keinen Zufall gibt, da können wir, wenn auch zuweilen erst nach
manchem inneren Kampf, die Dinge aus Gottes Hand nehmen – und dann auch lernen,
was er uns damit sagen will. Dann können wir konkret mit Paulus bekennen: Denn
ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum noch
Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Niedriges noch
irgendeine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in
Christus Jesus ist, unserem Herrn. (Röm. 8,38.39)
Es
ist dadurch, dass der Heilige Geist in uns dann rechte Demut, rechte
Selbstverleugnung erwecken kann, wie sie Phil. 2,1-5 beschrieben wird, in der
uns wiederum unser Heiland Jesus Christus Vorbild ist, der, obwohl in
göttlicher Herrlichkeit seit seiner Zeugung, diese äußere Herrlichkeit all die
Jahre seines Erdenlebens zumeist verborgen gehalten hat und als ein schwacher
Mensch über diese Erde gegangen ist. Die Demut sucht nicht das Eigene, sucht
nicht sich selbst, sondern Gott und den anderen, ihm zu dienen.
Die
Demut ist auch die rechte Haltung, durch die wir uns beschenken lassen von Gott
und nicht meinen, ihm etwas bringen zu müssen. Es ist die Haltung, die auch in
der ersten Seligpreisung beschrieben wird: Selig sind, die da geistlich arm
sind, denn das Himmelreich ist ihrer. (Matth. 5,3) Sie wollen Gott nichts
mehr bringen, nicht aus eigenem Verdienst, eigener Kraft gerettet werden oder
irgendwie daran mitarbeiten, sondern stehen als Bettler, elende Sünder da vor
dem allmächtigen, lebendigen Gott – um sich von seiner Gnade, seiner
Gerechtigkeit, seiner Liebe beschenken zu lassen, völlig, mit allem, was sie
brauchen.
Leben
in der völligen Abhängigkeit von Gott – das lehrt uns auch die vierte Bitte des
Vaterunsers: Unser täglich Brot gib uns heute! Hier wird uns deutlich,
wie wir auch in den vielen Dingen des Alltages abhängig sind, vollkommen
abhängig sind von dem dreieinigen Gott: ob es sich um Nahrung oder Kleidung,
Wohnung oder Arbeitsplatz, Wetter, guten Ruf, gute Nachbarn, Regierung,
Gesundheit handelt. Es fällt uns oft nicht so ins Auge, zumindest dann nicht,
wenn alles scheinbar so „glatt läuft“. Da meinen wir, ganz andere Faktoren
seien für diese Dinge verantwortlich, Willen, Vernunft, Kraft der Menschen.
Aber das ist ein Irrtum, so sehr auch Gott diese Elemente mit benutzt. Aber er
ist es, der alles regiert und nur in der normalen, natürlichen Ordnung Arbeit
und Denken und Handeln mit einbezieht, um zu seinem Ziel zu kommen. Und doch –
ohne Gottes Segen läuft nichts, da arbeiten umsonst, die da arbeiten, Ps.
127,1.
Leben
in der völligen Abhängigkeit vom Herrn – das kann in besonderen Situationen
auch bedeuten, völlig den Glaubensweg für alle Bedürfnisse zu gehen. Wir kennen
dies aus verschiedenen Missionsarbeiten, etwa von Georg Müller in Bristol, von
Hudson Taylor in China, auch von den sogenannten Glaubensmissionen. Wir kennen
es aber auch aus besonderen Lagen der Gemeinde, gerade in der Verfolgung, sei
es während der Reformationszeit, sei es auch in den letzten hundert Jahren.
Immer wieder haben Christen es erfahren, wie Gott sie mit dem, was sie
brauchten, versorgt hat.
Leben
in dieser Abhängigkeit vom Herrn heißt zugleich auch, ihm wirklich die ganze
Führung im Leben zu überlassen, sich völlig seiner Leitung anzuvertrauen. Das
kann sich in der Berufs- wie der Arbeitsplatzwahl zeigen, in der Frage ob Ehe
oder Ehelosigkeit und der Wahl des Ehepartners, auch bei größeren
Anschaffungen, die viele finanzielle Mittel notwendig machen. Dies zeigt sich
aber gerade auch für Gemeinden und Kirchen in ihrer Arbeit, dass sie die Wege,
die Ausbreitung, auch das Tempo des Vorwärtsgehens ganz Gott überlassen, wie er
führt, wie er die Mittel gibt – dann aber andererseits auch vertrauen, wenn sie
seine Wege gehen, dass er die Mittel geben wird, selbst dann, wenn es scheinbar
zuweilen ganz anders aussehen will. All dies macht immer wieder deutlich, wie
sehr solch ein Leben ein Leben aus dem Wort und im Gebet ist.
A |
lle, die da selig leben
wollen in Christus Jesus, müssen Verfolgung leiden. (2. Tim. 3,12) So schreibt
der Apostel Paulus an seinen Schüler und Mitstreiter Timotheus. Und mit dieser
Aussage greift er nur Worte unseres Heilandes wieder auf, der ganz
unmissverständlich vor seinem Leiden und Sterben uns verkündigt hat: So euch
die Welt hasset, so wisset, dass sie mich vor euch gehasset hat. Wäret ihr von
der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb; dieweil ihr aber nicht von der Welt
seid, sondern ich habe euch von der Welt erwählt, darum hasset euch die Welt.
Gedenket an mein Wort, das ich euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer
als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, sie werden euch auch verfolgen.
(Joh. 15,18-20) Dass dem Evangelium und damit auch uns, die wir bewusst als
Christen leben wollen, Feindschaft entgegen schlägt, das sollte uns daher nicht
verwundern (auch wenn wir Acht geben müssen, dass wir sie nicht unnötig
provozieren). Es gehört zum Christsein dazu. Darum sagte Jesus Christus bereits
in den Seligpreisungen: Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt
werden; denn das Himmelreich ist ihrer. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen
um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übels wider euch, so
sie darin lügen. Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnt
werden! Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.
(Matth. 5,10-12)
Die
Neigung ist sehr groß bei uns, diese Tatsachen auszublenden, beiseite zu
schieben. Das ist aber ein fataler Irrweg. Jesus Christus hat nicht von
ungefähr diese Dinge gesagt. Er will uns damit zubereiten auf etwas, das auch
uns selbst treffen kann, in sehr unterschiedlicher Weise – aber unter Umständen
auch in der Form der systematischen Verfolgung und Ermordung um des Glaubens
willen. Und er will, dass wir dazu bereit sind. Nicht Angst soll dabei unsere
Haltung bestimmen, sondern die vielmehr, wie unser Heiland in der Bergpredigt
sagt: Glückseligkeit. Das erscheint uns vielleicht fremd, eigenartig. Aber er
will, dass wir den Blick auf das Ziel lenken: das Himmelreich, das wir
erreichen werden. Und die Wolke der Märtyrer, die uns umgibt, angefangen mit
Abel, bis hin zu Sacharja (Zacharias) im Alten Testament, dann weiter mit
Stephanus und Jakobus als Nachfolgern unseres Heilandes im Neuen Testament –
und bis in unsere Tage.
Von
den Aposteln und Jüngern der frühen Gemeinde können wir auch lernen, wie wir in
diesen Kampf gehen sollen. So heißt es von Petrus und Johannes, nachdem sie ins
Gefängnis geworfen, gestäupt und bedroht worden waren: Sie gingen aber
fröhlich von des Rats Angesicht, dass sie würdig gewesen waren, um seines
Namens willen Schmach zu leiden. (Apg. 5,41) Sie haben sich nicht
einschüchtern lassen, obwohl sie wussten, dass der Tod auch an sie herantreten
könnte. Nein, sie haben weiterhin gepredigt. Und sie haben es als eine Ehre
angesehen, dass sie für Jesus Christus leiden durften. Petrus mahnt uns deshalb
in seinem ersten Brief: Ihr Lieben, lasset euch die Hitze, so euch begegnet,
nicht befremden, die euch widerfährt, dass ihr versucht werdet, als widerführe
euch etwas Seltsames, sondern freuet euch, dass ihr mit Christus leidet, auf
dass ihr auch zu der Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und Wonne
haben möget. (1. Petr. 4,12.13) Auch hier gilt es, Nachfolger zu sein, denn
unser Heiland Jesus Christus ist uns den Weg voran gegangen. Das Leiden, die
Trübsal will oft dann ganz unser Gemüt verschlingen – aber gerade dann sollen
wir auf die zukünftige Herrlichkeit sehen: Denn unsere Trübsal, die zeitlich
und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit
uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn
was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
(2. Kor. 4,17.18) Wenn wir mitten in der Verfolgung stecken, so wird uns die
Zeit schier unendlich vorkommen – und doch, immer wieder bei Daniel und auch in
der Offenbarung Jesu Christi an Johannes wird es deutlich, dass Gott diese Zeit
begrenzt hat. Und wenn sich dann alles zum Letzten zugespitzt hat, dann wird
Christus wiederkommen und alle Feinde überwinden. Das ist dann der Jüngste Tag.
Solch
eine Haltung können wir nicht aus uns produzieren – so wenig, wie die
Heiligung, die Nachfolge, die Jüngerschaft unser Produkt ist. Nein, auch sie
ist etwas, das der Heilige Geist durch Wort und Sakrament in uns wirken will.
Darum sollen wir ihn darum bitten. Auch wäre es falsch, wenn wir uns selbst
ansähen und dann fragten, ob wir wohl in der Verfolgung standhalten könnten?
Aus uns – gewiss nicht! Auch hier lasst uns aber mit Paulus auf den Herrn
sehen, dass wir gerade in unserer Schwachheit uns von ihm, dann, wenn es nötig
ist, die Kraft geben lassen. Die Kirchengeschichte berichtet uns immer wieder
auch über sehr junge Christen, halbe Kinder noch, junge Mädchen, die, als es an
sie kam, freudig und getrost den Weg gehen konnten, weil sie allein auf
Christus vertraut haben (z.B. Blandina).
Wir
sollten uns nichts vormachen: Wir leben in der letzten Zeit – und die Wagenburg,
die der Teufel um die Gemeinde Jesu Christi baut (Offenb. 20,8.9), wird dichter
und enger. Die letzten Jahrzehnte sind Zeiten der bisher schlimmsten
Christenverfolgungen in der Geschichte der Menschheit gewesen. Und das wird
noch zunehmen, auch in unseren Breiten. Das, was sich früher regional
abspielte, das geschieht jetzt im globalen Maßstab. Diese Globalisierung aller
Dinge ist auch ein wichtiges Zeichen der immer näher kommenden Wiederkunft
Christi und des Jüngsten Tages. Darum gilt es, bereit zu sein – zugerüstet
durch ihn und seinen Geist!
U |
nser Leben als Christen ist
auf ein Ziel ausgerichtet – oder sollte es zumindest sein: die Wiederkunft Jesu
Christi und die Gemeinschaft mit ihm in der ewigen Herrlichkeit. Dieses Ziel
sollte auch unser Leben prägen, weil es die Dinge dieser Zeit und Welt in ihrem
Wert relativiert, denn alles, was mit dieser Zeit etwas zu tun hat, ist
zeitlich begrenzt, wird einst vergehen. Dies ist, wie schon erwähnt, besonders
wichtig im Blick auf die Verfolgungen und die damit verbundenen Leiden und
Trübsale: Sie wollen uns zum einen nur umso mehr abziehen von dieser Zeit und
Welt, zum anderen aber sollen wir gerade auch in diesem Zusammenhang immer
bedenken, dass sie in ihrer Wirkung und Auswirkung kurz sind, verglichen mit
dem, was uns erwartet: Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist,
schafft eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht
sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist,
das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig. (2. Kor. 4,17.18) Sind
wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben
Christi, so wir anders mit leiden, auf dass wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben
werden. Denn ich halte dafür, dass dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht
wert sei, die an uns soll offenbaret werden. (Röm. 8,17.18)
Unser
Leben als Christen, wenn Christus in uns lebt, ist ausgerichtet auf den Himmel,
auf die Herrlichkeit, schon in diesem Leben, denn der Himmel ist unsere Heimat,
unser wahres Vaterland, von dem wir auch die Wiederkunft Christi erwarten. Unser
Wandel aber ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilandes Jesus
Christus, des Herrn, welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, dass er
ähnlich werde seinem verklärten Leib, nach der Wirkung, damit er kann auch alle
Dinge ihm untertänig machen. (Phil. 3,20.21) Seid ihr nun mit Christus
auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes.
Trachtet nach dem, was droben ist, und nicht nach dem, was auf Erden ist! Denn
ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn
aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar
werden mit ihm in der Herrlichkeit. (Kol. 3,1-4) Unser neues Leben hat
seinen Grund im Himmel; unser ganzes Sinnen und Trachten soll dahin
ausgerichtet sein, denn unser Heiland ist dort, sitzend zur Rechten des Vaters,
und lebt in uns. Darum soll unser Leben auch in seiner Grundhaltung auf den
Himmel, auf Christi Willen, Wollen ausgerichtet sein.
An
Paulus können wir diese Ausrichtung auf die Ewigkeit, auf die Wiederkunft
Christi, auch die wachsende Bereitschaft zum Sterben lernen. Er konnte
bezeugen: Ich warte und hoffe, dass ich in keinerlei Stück zuschanden werde,
sondern dass mit aller Freudigkeit, gleichwie sonst allezeit, also auch jetzt,
Christus hoch gepriesen werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch
Tod. Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.... Ich habe
Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein, welches auch viel besser wäre.
(Phil. 1,20.21.23)
Wie
aber sind wir denn recht bereit auf die Wiederkunft Christi? Zum einen, wenn
wir uns bewusst sind, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der
Nacht (1. Thess. 5,2), also unerwartet, ohne große Ankündigungen. Wir
sollen allerdings auf die Zeichen der Zeit achten, von denen unser Heiland
Matth. 24 spricht. Aber wir können immer eindeutiger sagen, dass sie erfüllt
sind oder dabei sind, immer globaler sich zu erfüllen. Darum: So lasset uns
nun nicht schlafen, wie die andern, sondern lasset uns wachen und nüchtern
sein. (1. Thess. 5,6) Bereitschaft für Christi Wiederkunft heißt also,
wachsam sein, nüchtern sein, sich nicht durch ungeistliche Schwärmerei
einfangen lassen, sondern genau achten auf das, was der Herr uns durch die alt-
und neutestamentliche Prophetie, auch in seinen eigenen Worten, für die letzte
Zeit vorausgesagt hat. Und deren Kennzeichen sind in Matth. 24 sehr deutlich:
Krieg, Aufruhr, Revolution, Wirtschaftskrisen, geistig-moralischer Verfall,
Verfall der Familie, Erkalten der Liebe in den Menschen, Naturkatastrophen; vor
allem aber: immer mehr um sich greifende Irrlehren, Verführungen, auch durch
falsche Zeichen und Wunder, sowie massive Verfolgungen, mit dem Ziel, die
bibel- und bekenntnistreue Gemeinde Jesu Christi auszulöschen, kurz: das letzte
Aufbäumen der antichristlichen Macht, des Papsttums, und ihrer Verbündeten.
Wozu ruft uns dabei unser Heiland auf? Wenn wir genau seine Aussagen in Matth.
24 und 25 ansehen, so erkennen wir: Christus will, dass wir wachen, dass wir
treu, eifrig sind in unseren Aufgaben, die er uns übertragen hat, in unserem
Beruf, unserer Familie, in der Gemeinde, an dem Platz, an den er uns gestellt
hat, Matth. 24,43-51. Es gilt, standhaft an seinem Wort und Glauben
festzuhalten, von der biblischen Lehre nicht abzulassen, keine Kompromisse mit
anderen Kirchen oder der Welt einzugehen, auch wenn die Wege als bibeltreue
Gemeinde sehr einsam werden. Es gilt daher auch, immer fester in der biblischen
Lehre zu werden, recht unterwiesen zu werden durch die Schrift und bibel- und
bekenntnistreue Lehrbücher (Dogmatiken). Es gilt vor allem aber, dass der
Heilige Geist durch das Wort in Gesetz und Evangelium immer an uns arbeitet,
Sünde aufzeigt, uns beugt unter die Sünde, dass wir sie bekennen, uns von Jesus
Christus reinigen lassen, die Vergebung empfangen, den Glauben erneuern lassen,
damit wir das Öl des Glaubens haben und nicht wie die törichten Jungfrauen nur
äußerlich zur Gemeinde gehören, aber nicht zur rechten Gemeinschaft des
Glaubens (Matth. 25,1-13).
Gerade
diese letzte Zeit wird mit viel Kampf, Trübsal, Not angefüllt sein, weil auch
im Bereich der Christenheit der Abfall so groß wird: Denn es wird eine Zeit
sein, da sie die heilsame Lehre nicht leiden werden, sondern nach ihren eigenen
Lüsten werden sie sich selbst Lehrer aufladen, nach dem ihnen die Ohren jucken;
und werden die Ohren von der Wahrheit wenden und sich zu den Fabeln kehren.
(2. Tim. 4,3.4) Auch das geschieht jetzt schon und greift immer mehr um sich,
denken wir nur an die Gemeindewachstumsbewegung, an Willow Creek und
Saddleback, die allesamt einerseits mit weltlichen Methoden und
„Wissenschaften“ arbeiten und so Gottes Reich bauen wollen, andererseits aber
sich in der Weise der Verkündigung und ihrem Inhalt völlig der Welt anpassen.
Dies wird auch sichtbar daran, wie ehemals konservativere christliche Kreise
sich von der Ökumene und der Pfingstbewegung einfangen lassen, wie sie Politik
und Sozialarbeit gleichwertig neben die Verkündigung des Evangeliums stellen.
Bequemlichkeit, Vergnügungssucht, Wohlfühlchristentum, Spaßchristentum mit
oberflächlicher Verkündigung, die kaum noch echte Gesetzespredigt, echte Buße
und Zerbruch, tiefgreifende Umkehr und Erneuerung kennt, auch kaum noch
biblische Unterweisung, sind Zeichen dieses endzeitlichen Niedergangs. Vom
Antichristen heißt es ja, dass seine Zukunft geschieht nach der Wirkung
Satans mit allerlei lügenhaftigen Kräften und Zeichen und Wundern und mit
allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit unter denen, die verloren werden,
dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, dass sie selig
würden. Darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, dass sie glauben der
Lüge, auf dass gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern
haben Lust an der Ungerechtigkeit (2. Thess. 2,10-12).
Darum
gilt uns gerade für die letzte Zeit besonders die Mahnung des Apostels Paulus: Wachet,
stehet im Glauben, seid männlich und seid stark! (1. Kor. 16,13)
Zugleich
aber soll unser Herz brennen für unseren Heiland Jesus Christus und seine
Wiederkunft, wie Johannes am Ende der Offenbarung schreibt: Und der Geist
und die Braut sprechen: Komm! Und wer es höret, der spreche: Komm! Und wen
dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst...
Ja, komm, Herr Jesu! (Offenb. 22,17.20b)